Mai 2011 - Falkenseer Stadtjournal
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Im April<br />
vor 100 Jahren<br />
Im Museum der Stadt Nauen lagern die vergilbten<br />
Jahrgänge des „Osthavelländischen Kreisblattes“, das<br />
einst über das Geschehen im Kreis Osthavelland<br />
berichtete. In dieser Rubrik dokumentiert das Stadt-<br />
Journal historische Artikel, die einen Einblick in das<br />
Alltagsleben des Jahres 1910 geben. Aus den offiziellen<br />
Bekanntmachungen, den Meldungen über Versammlungen<br />
und Feste, den Berichten vom Baugeschehen und von<br />
Kriminalfällen entsteht ein lebendiges Bild vom Havelland<br />
im wilhelminischen Deutschland.<br />
Im <strong>Mai</strong> 1911 nimmt die Spandauer Schifferfehde an<br />
Schärfe zu, während die Zigeuner auf dem Pferdemarkt<br />
für Umsatz sorgen. Der Wilderer und Mörder Bunde steht<br />
vor Gericht und in der Welt der Mode erlebt der<br />
Hosenrock ein Fiasko.<br />
Preiskegeln<br />
im Reichsadler<br />
7. <strong>Mai</strong> 1911<br />
Seegefeld. Ein volle acht Tage<br />
andauerndes Silberpreiskegeln,<br />
das mit dem Sonnabend<br />
seinen Anfang nahm,<br />
veranstaltet der rührige Wirt<br />
des Gasthauses „Deutscher<br />
Reichsadler“ hierselbst, Herr<br />
Edmund Hamann. Die hübschen<br />
und zum Teil wertvollen<br />
Gewinne sind in den<br />
Schaufenstern hiesiger Geschäfte<br />
ausgestellt und dürften<br />
manchen Kegelbruder<br />
zur Teilnahme reizen.<br />
Schifferkrieg<br />
in Spandau<br />
7. <strong>Mai</strong> 1911<br />
Die Schifferfehde hat an<br />
Schärfe noch nicht verloren;<br />
in den Kreisen der ortsansässigenschiffahrttreibenden<br />
Bevölkerung hat das<br />
Eindringen auswärtiger<br />
Transportunternehmer in ihren<br />
Geschäftskreis große<br />
Erbitterung hervorgerufen,<br />
weil schon bisher ihre Lage<br />
keine sonderlich gute gewesen<br />
ist und die Verhältnisse<br />
sich infolge des übermäßigen<br />
Wettbewerbs noch verschlechtern<br />
dürften. Nachts<br />
sind auf dem an der Unterhavel<br />
vor Anker liegenden<br />
Schleppdampfer „Robert“<br />
Türen, Fenster und andere<br />
Gegenstände zerschlagen<br />
worden. Die Polizei wurde<br />
von dem Vorfall benachrichtigt<br />
und bemühte sich, die<br />
Täter festzustellen.<br />
Zigeuner sorgen<br />
für Umsatz<br />
7. <strong>Mai</strong> 1911<br />
Spandau. Der jüngste Pferdemarkt<br />
war mit 589 Tieren<br />
beschickt, und machte sich<br />
ein recht flottes und gutes<br />
Geschäft bemerkbar; auch<br />
die Zigeuner fehlten nicht<br />
und sorgten für Umsatz.<br />
Das Fiasko<br />
des Hosenrockes<br />
7. <strong>Mai</strong> 1911<br />
Der Hosenrock hat ein klägliches<br />
Ende gefunden, aus<br />
allen Himmelsrichtungen<br />
wird gemeldet, daß die Opposition<br />
gegen das neue Bekleidungsstück<br />
auf der ganzen<br />
Linie gesiegt hat. Von<br />
der Straße und aus den<br />
Schaufenstern der Konfektionsgeschäfte<br />
ist er verschwunden<br />
– die Damenwelt<br />
liebt zwar die Emanzipation,<br />
aber die Mittel dürfen nicht<br />
exzentrisch sein. Und das<br />
war der Hosenrock auf jeden<br />
Fall.<br />
Döberitzer Wilderermord<br />
vor Gericht<br />
13. <strong>Mai</strong> 1911<br />
Vor den Geschworenen des<br />
Landgerichts III wird zur<br />
Zeit die bekannte Döberitzer<br />
Wildereraffäre verhandelt.<br />
Unter der Anklage des Mordes<br />
an dem Gefreiten des<br />
Gardeschützenbataillons<br />
Brandt werden der Arbeiter<br />
Wilhelm Bunde und der<br />
Gärtner Fritz Arndt aus der<br />
Untersuchungshaft vorgeführt.<br />
Sie werden beschuldigt,<br />
am 17. Februar d. J.<br />
den Gefreiten Brandt, der<br />
sie in der Döberitzer Forst<br />
beim Wildern überraschte<br />
und festnehmen wollte, ermordet<br />
zu haben. Brandt<br />
wurde furchtbar zugerichtet.<br />
Nach seinem Anruf fielen sofort<br />
vier Schüsse der Wilderer<br />
und eine Kugel traf den<br />
Unglücklichen derartig ins<br />
Gesicht, daß er der Sprache<br />
beraubt wurde; durch den<br />
zweiten Schuß verlor er das<br />
Augenlicht, der dritte traf die<br />
Lunge und verursachte den<br />
Tod des Gefreiten. Kurz vor<br />
seinem Ende hatte er durch<br />
Zeichen noch angeben können,<br />
daß Bunde der Täter<br />
gewesen sei. Dem energischen<br />
Vorgehen der Gendarmerie<br />
ist es zu verdanken,<br />
daß die beiden Angeklagten<br />
bald nach der Tat als<br />
die mutmaßlichen Täter zur<br />
Haft gebracht werden konnten.<br />
Zur Verhandlung sind<br />
58 Zeugen und 10 Sachverständige<br />
geladen. Im Zuhörerraum<br />
bemerkt man viele<br />
Jägeroffiziere, Forstbeamte<br />
und Gardejäger.<br />
Recht interessante Erscheinungen<br />
sind die beiden Angeklagten:<br />
Echte Wilderergestalten,<br />
die einem Maler<br />
dankbare Modelle liefern<br />
würden. Der Angeklagte<br />
Bunde gibt bei seiner Vernehmung<br />
an, er sei Vater<br />
von drei Kindern. Von seiner<br />
Ehefrau ist er geschieden,<br />
wegen Diebstahl, Widerstands<br />
gegen die Staatsgewalt,<br />
Einbruch, Jagdvergehen<br />
und Notzucht ist er mit<br />
Gefängnis, Zuchthaus und<br />
Ehrverlust vielfach<br />
vorbestraft.<br />
Champignons<br />
statt Schweine<br />
14. <strong>Mai</strong> 1911<br />
Die Müllabfuhrgesellschaft,<br />
die ein Monopol für Charlottenburg<br />
besitzt, errichtete in<br />
Seegefeld eine große<br />
Schweinemästerei. Es waren<br />
Historische Blätter<br />
hier Stallungen für 5000<br />
Schweine vorgesehen. Von<br />
wiederholten Seuchen heimgesucht,<br />
erlitt die Mastanstalt<br />
so große Verluste, daß<br />
ihr Betrieb wesentlich eingeschränkt<br />
werden mußte. An<br />
Stelle der Schweinemästerei<br />
wurde eine umfangreiche<br />
Champignonzüchterei, die<br />
größte in Deutschland, angelegt.<br />
Die Küchenabfälle<br />
finden dabei zur Düngung<br />
des Bodens treffliche<br />
Verwendung.<br />
Garde-Kavallerie<br />
in Döberitz<br />
18. <strong>Mai</strong> 1911<br />
Döberitz. Der Aufbau der<br />
Zelte für die Garde-Kavallerie-Regimenter,<br />
die Ende<br />
dieses Monats mit den Uebungen<br />
auf dem Truppenübungsplatz<br />
beginnen, ist<br />
bereits in Angriff genommen<br />
worden. Der Kaiser wird am<br />
10. Juni die Reiterregimenter<br />
besichtigen.<br />
Badeanstalt<br />
am See eröffnet<br />
24. <strong>Mai</strong> 1911<br />
Falkenhagen. Die im Laufe<br />
ihres Bestehens so große<br />
Beliebtheit erlangte Badeanstalt<br />
im Falkenhagener See<br />
ist seit Sonntag wieder eröffnet,<br />
und bietet sich allen<br />
Freunden des Schwimmens<br />
ausreichende Gelegenheit,<br />
diesem Sport zu huldigen.<br />
Leider ist es der Badedirektion<br />
nicht möglich, den Schülern<br />
in diesem Jahre Freikarten<br />
zu gewähren, da sie sich<br />
im vorigen Jahre dieser Vergünstigung<br />
gegenüber undankbar<br />
erwiesen haben, indem<br />
sich die Eltern der<br />
Schüler beschwerten, wenn<br />
sie bei Ueberfüllung keine<br />
Einzelzelle erhielten.<br />
Das Gasthaus „Deutscher Reichsadler“ am Bahnhof Seegefeld.<br />
Foto: Antik-Falkensee<br />
FALKENSEER STADT - JOURNAL 05/<strong>2011</strong><br />
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