Mai 2011 - Falkenseer Stadtjournal

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Ausflüge Über sieben Seen... Das Eingangstor zum Arkadien an der Havel ist der Potsdamer Hafen an der Langen Brücke. Es ist Mai und es herrscht Kaiserwetter. Ungeniert laut trötet die Dampfpfeife der „Gustav“, Baujahr 1908, die mit leise stampfender Dampfmaschine und qualmendem schwarzen Schornstein zur klassischen Schlösserrundfahrt ablegt. Das Stadt-Journal hat heute jedoch die Wannseerundfahrt gebucht, genauer gesagt: eine Rundfahrt über sieben Seen um die Insel Wannsee, einem Ortsteil des Berliner Bezirkes Steglitz-Zehlendorf. Zielstrebig tuckert unser Motorschiff „Königswald“ an der Freundschaftsinsel vorbei und über den Tiefen See, wo sich der erste Blick auf die preußische Märchenlandschaft öffnet: Über seine Hügel ausgestreckt liegt der Babelsberger Park, aus dem der Reihe nach der Flatowturm, das Matrosenhaus, das Hofdamenhaus und schließlich der gelbe Backstein des neugotischen Schlosses auftauchen. Voraus liegt schon die Insel Wannsee. Die berühmte Glienicker Brücke lassen wir links liegen, denn es geht zunächst nach Osten über die Glienicker Lanke in den Griebnitzsee. Gleich links zeigt sich das Jagdschloss Glienicke, das bei einem Brand im Jahr 2003 schweren Schaden nahm und dessen Restaurierung in diesen Tagen abgeschlossen wird, und am Babelsberger Ufer reihen sich die schicken Häuser ehemaliger Ufa-Stars wie auch die Villen, in denen Stalin und Truman während der Potsdamer Konferenz residierten. Die „Königswald“ hat die Nase jetzt nach Norden gedreht und passiert eine Seenkette, darunter den Stölpchensee, den Pohlesee und den Kleinen Wannsee, sowie den Prinz-Friedrich-Leopold- Kanal, der diese verbindet und dessen Anlage den Ortsteil Wannsee erst zu einer Insel gemacht hat, die über fünf Brücken zu erreichen ist. Dicht beieinander liegen die Zeugnisse deutscher Geschichte: Das Grab des Dichters Kleist, der Schauplatz der berüchtigten „Wannsee-Konferenz“ oder die zur Kaiserzeit vornehmste Berliner Villenkolonie. Als der Maler Max Liebermann hier seinen Sommersitz bezog, waren seine Nachbarn der Verleger Langenscheidt, ein AEG-Direktor und der Verlagsgründer Ferdinand Springer. Doch schon 22 FALKENSEER STADT - JOURNAL 05/2011 Der historische Dampfer „Gustav“. TMB / Weisse Flotte Potsdam. öffnet sich der Blick auf den Großen Wannsee, die sprichwörtliche Badewanne der Berliner. Schon aus der Ferne leuchtet der 1.200 Meter lange Sandstrand des im Jahr 1907 eröffneten und europaweit größten Freibades an einem Binnengewässer. Über den großen Havelsee meint man den Schlager „Pack die Badehose ein…“ zu hören und würde sich kaum wundern, wenn dort drüben immer noch Strohhüte zu altertümlichen Bademoden getragen würden. Pfaueninsel und Co. Hinter der Nordspitze der Wannsee-Insel rückt jetzt die von Legenden umwobene Pfaueninsel ins Blickfeld. Über 60 Hektar groß ist sie und ihr majestätisches Dach bilden mehrhundertjährige Eichen. In dieser Ecke des preußischen Arkadiens liegt der rätselhafte und verwunschene Märchenwald. Alles ist kunstvoll inszeniert: Das Schloss und die Meierei, beides funktionstüchtige Gebäude, sollen ein verfallenes römisches Landhaus ein zerbröckelndes gotisches Kloster vorstellen. Im längst verschwundenen Palmenhaus gab es exotische Gewächse und die Insel beherbergte eine ganze Menagerie, die ein späterer Preußenkönig, der die Faxen satt hatte, als Grundstock für den Berliner Zoo stiftete. Wer abends an den dicht bewaldeten Ufern entlang schippert und die Schreie der hier frei lebenden Pfauen hört, kann sich unschwer das Brüllen der Affen und das Blinzeln der Krokodile hinzu denken, um sich einen Eindruck von der Pfau- eninsel in ihrer Blütezeit zu verschaffen. Nicht weniger exotisch wirken gegenüber auf der Insel Wannsee das Blockhaus Nikolskoje und die zwiebelgetürmte Kirche St. Peter und Paul, beides gebaute Grüße des dritten Friedrich Wilhelm an sein Schwiegersöhnchen, der beruflich als Zar von Russland tätig war. Auf dem Weg über den Jungfernsee bekommt der seenfahrende Ausflügler weitere Lektionen in preußischer Baukunst gereicht. Am rechten Ufer glänzt ein Prunkstück: Die Sacrower Heilandskirche von Ludwig Persius, die mit ihren umlaufenden Arkaden den Eindruck einer dreischiffigen frühchristlichen Basilika vermittelt und von einem Campanile, einem frei stehenden Glokkenturm, bewacht wird. Es folgen die Meierei am Ufer des Jungfernsees, ein Durchblick zum Schloss Cecilienhof und am anderen Seeufer das Schloss Glienicke, wo Großmeister Schinkel dem Prinzen Carl seinen Traum von Italien erbaute. Dann gilt es noch, eine der Sichtachsen zu orten, die der Gartenbaumeister Lenné hinüber zum Marmorpalais am Heiligen See angelegt hat, bevor bei der Durchfahrt unter der Glienicker Brücke die Agentengeschichten des Kalten Krieges den Seenfahrer frösteln lassen und es schließlich über den Tiefen See zurück in den Potsdamer Heimathafen geht. Dort ist der Geist des Alten Fritzen, der noch immer über der Residenzstadt wabert und manchmal knarzig nach seiner Garnisonskirche ruft, heute wegen der Fortschritte auf der Baustelle des Stadtschlosses und angesichts des anhaltenden Kaiserwetters gnädig gestimmt. UG
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