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nur <strong>als</strong> eine Verzögerung vor dem Fall, <strong>als</strong> das retardierende Moment.<br />

Drei Tage später zertrümmerten drei abgelehnte Exposés, dumme Rechtschreibfehler<br />

und eine schludrige Recherche <strong>mein</strong> Selbstbewusstsein wie ein Vorschlaghammer einen<br />

Kieselstein.<br />

Ich war kein Wissenschaftsjournalist, ich war nicht mal Autor, ich war gar nichts, nur<br />

ein elender Hochstapler. Ich sagte auch nicht, ich sei Wissenschaftsjournalist, sondern ich<br />

sagte, ich würde <strong>als</strong> Wissenschaftsjournalist arbeiten. Ein kleiner, aber wie ich fand, feiner<br />

Unterschied. Meine Texte waren oberflächlich und schlecht geschrieben, sonst hätte der<br />

Redakteur sie nicht eigenhändig verändert.<br />

Manchmal stellte ich mir vor, wie ich etwas Großartiges tat, etwas Unfassbares<br />

greifen konnte. Mir kam es häufig so vor, <strong>als</strong> würde ich nur darauf warten, dass ich<br />

<strong>mein</strong>e Bestimmung fand. Irgendwo musste es das Leben geben, das für mich gemacht<br />

war, zu dem ich passte. Irgendwo musste ich doch zeigen können, was in mir steckte.<br />

Irgendwo musste es einen Platz geben, an dem <strong>mein</strong>e Narben kein Makel, sondern der<br />

Schlüssel waren.<br />

Saß ich an <strong>mein</strong>em alten PC im Büro, hatte ich das Gefühl, <strong>als</strong> seien <strong>mein</strong>e Hände mit<br />

Helium gefüllt. Zwei Minuten war das Maximum. Länger konnte ich mich nicht am Stück<br />

konzentrieren, konnte ich nicht über Kryobiologie nachdenken, weil nach zwei Minuten<br />

worldsex.com interessanter und jeder Klick geiler waren und jeder andere Gedanke <strong>als</strong><br />

der an <strong>mein</strong>e Arbeit mehr Befriedigung versprach.<br />

Manchmal dachte ich, ich würde die Daten aus dem Internet nur herunterladen, weil<br />

ich es konnte. Aber das war nur eine lahme Ausrede. In diesen Tagen kam es mir vor, <strong>als</strong><br />

säße ein anderer Mensch an <strong>mein</strong>em Arbeitsplatz, ein Mensch, der sich konzentrieren<br />

konnte. Manchmal sah ich ihn dort sitzen, während ich <strong>mein</strong>e Nägel feilte, weil mal<br />

wieder <strong>mein</strong> Rechner abgestürzt war. Dort saß ein dicklicher Typ und machte <strong>mein</strong>e<br />

Arbeit, während ich aus dem Fenster starrte, weil mir nichts einfiel. Er schrieb weiter,<br />

während ich in der Küche stand und Kaffee trank, weil mir zu warm war. Er suchte nach<br />

Themen, während ich auf Spiegel Online surfte, weil die Struktur des Textes laut Word<br />

plötzlich fehlerhaft war.<br />

Ich war nicht wirklich da, ich war nicht in dieser Welt. Nur wenn ich unbeobachtet auf<br />

Pornoseiten surfte, um mich für einen einzigen klaren Gedanken zu belohnen, wenn die<br />

Kollegen <strong>mein</strong>er Büroge<strong>mein</strong>schaft gingen und ich blieb, um <strong>mein</strong>e Hose auszuziehen,<br />

fühlte ich die Wirklichkeit durch <strong>mein</strong> Hirn schwemmen. Nur dann konnte ich mich<br />

konzentrieren, nur dann war es, <strong>als</strong> würde ich aufwachen. Doch nach jeder Rückkehr in<br />

die Welt der mit Helium gefüllten Hände wurde <strong>mein</strong> Denken immer unschärfer, konnte<br />

ich nicht mehr klarsehen. Es war wie ein ständiger Schwindel. Ich schwebte über allem,<br />

konnte nicht mehr zuhören, nicht richtig auf eine Frage eingehen, weil ich mit den<br />

Gedanken ständig bei den Files war, die ich noch runterladen musste.<br />

Wie krank muss man sein, wenn jedes Wort eine Assoziationskette auslöst, an deren<br />

Ende etwas steht, das mit Sex zu tun hat? Aus Arztpraxis wird Arztstuhl wird<br />

Doktorspielchen wird Latexhandschuh wird Faustfick. Aus Sommer wird Skater wird<br />

Shorts wird Beule wird Schwanz. Aus Autowerkstatt wird Hebebühne wird Schmiermittel<br />

wird Gleitmittel wird Analverkehr.<br />

Ich war so dauergeil und erregt – ich konnte an nichts Anderes mehr denken <strong>als</strong> an<br />

Sex. Ich fühlte mich wieder wie ein Motor, der auf vollen Touren im Leerlauf dreht; fühlte

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