Lechhauser Geschichten November 2016
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L Geschichte(n)<br />
echhauser<br />
28<br />
Nov.<br />
<strong>2016</strong><br />
¤ 3.–<br />
HISTORISCHES, AKTUELLES, WISSENSWERTES UND AMÜSANTES AUS LECHHAUSEN<br />
HINTERGRUND<br />
AUFGEFALLEN<br />
Rudolf Behrbohm<br />
Firmengründer Seite 36<br />
PARTYTIME<br />
Anna Lang ist mit 105Jahren Lechhausens<br />
älteste Mitbürgerin Seite 43<br />
Ostwerk –26Jahre<br />
Partytempel Seite 46<br />
SCIFY<br />
AKTUELLES<br />
HISTORIE<br />
Paul Senckenberg und Kristina<br />
Sülberg betreiben Augsburgs<br />
erste Lasertag Arena Seite 21<br />
Die Schwarzpulverschützen der TSG<br />
Seite 40<br />
Siedler in der<br />
Firnhaberau Seite 4
INHALT<br />
HISTORIE<br />
Nichts als Pickel,Schaufel und zwei kräftige Arme.............................4<br />
RÜCKBLICKE<br />
Wo kommt der <strong>Lechhauser</strong> eigentlich her?..........................................9<br />
E-MOBILITY<br />
Elektromobilität zum kleinen Preis....................................................12<br />
KULTUR<br />
Lesen macht stark...............................................................................14<br />
LEBENSLINIEN<br />
Laptop undTracht – das passt zusammen! ........................................16<br />
SCIFY<br />
Lasertag – kein Killerspiel..................................................................21<br />
ANEKDOTEN<br />
Der <strong>Lechhauser</strong> an sich .....................................................................25<br />
NACHGEFRAGT<br />
Erfolgreiche Schnecken wagen den Sprung in die Bundesliga ..........28<br />
LECHHAUSER LENI<br />
Theatergruppe der Kolpingsfamilie ...................................................30<br />
KUNST<br />
Farben,Formen,Fantasien ................................................................32<br />
AUFGEFALLEN<br />
Vom Fotosalon zum Fotoatelier.........................................................36<br />
AKTUELLES<br />
Tradition wird großgeschrieben..........................................................40<br />
HINTERGRUND<br />
105 Jahre Leben in Lechhausen ........................................................43<br />
PARTYTIME<br />
Samstags feiert Augsburg im OSTWERK!........................................46<br />
BRAUCHTUM<br />
Kunst aus den Schätzen der Ernte......................................................49<br />
KLASSENFOTO<br />
Wer kennt wen?..................................................................................50<br />
Editorial<br />
Liebe Leserinnen<br />
und Leser,<br />
wir haben schon wieder fast<br />
Weihnachten. Weihnachten ist<br />
das Fest der Familie. Ein Familienunternehmen<br />
der ganz besonderen<br />
Art kann auf vier Generationen<br />
zurückblicken. Und alles<br />
fing damit an, dass sich Urgroßvater<br />
Rudolf Behrbohm in Lechhausen<br />
so wohl fühlte, dass er<br />
sesshaft wurde und 1905 sein Fotogeschäft<br />
gegründete.<br />
Das führt zur Frage, was macht<br />
Lechhausen so attraktiv? Die<br />
Antwort darauf ist, es sind die<br />
<strong>Lechhauser</strong> selbst. Autorin Katharina<br />
Mayer hat die Charaktereigenschaften<br />
in ihrer kleinen<br />
Anekdote „Der <strong>Lechhauser</strong> an<br />
sich“ eingefangen. Wenn wir<br />
schon bei den Ur-<strong>Lechhauser</strong>n<br />
sind, darf Anna Lang nicht fehlen.<br />
In der Ausgabe 22 stellten<br />
wir sie in der Rubrik „Lebenslinien“<br />
vor und widmen ihr in dieser<br />
Ausgabe unseren „Hintergrund“,<br />
um zu sehen, wie es ihr – der<br />
mittlerweile 105-Jährigen – geht.<br />
Keine Angst sich schmutzig zu<br />
machen haben die „Dreckigen<br />
ÜBERSICHT<br />
VERLAG GmbH<br />
www.herba-verlag.de<br />
Schnecken“ von der DJK Lechhausen,<br />
die gerade ihren sechsten<br />
Meistertitel in Folge errangen.<br />
In Lechhausen werden die Erinnerungen<br />
an die eigene Geschichte<br />
lebendig gehalten und alteTraditionen<br />
leben bis heute fort. Die<br />
Geschichte „Nichts als Pickel,<br />
Schaufel und zwei kräftige Arme“<br />
erzählt von den Siedlern in der<br />
Firnhaberau in den 1920er Jahren.<br />
Beim Kirchweihumzug „wird<br />
Tradition großgeschrieben“.Dass<br />
sichTradition und Moderne nicht<br />
ausschließen zeigt die Geschichte<br />
„Laptop und Tracht – das passt<br />
zusammen!“ .<br />
Lechhausen ist jedoch nicht nur<br />
Vergangenheit, zur Attraktivität<br />
des Stadtteils gehört auch ein<br />
modernes Stadtteilleben. Die Lese-Insel<br />
in der Birkenau Grundschule<br />
animiert die ganz Kleinen<br />
<strong>Lechhauser</strong> zum Lesen. Kulturliebhaber<br />
kommen beim <strong>Lechhauser</strong><br />
Kunstpreis der SPD voll<br />
auf ihre Kosten. Seit 26 Jahren<br />
lockt der Partytempel Ostwerk jedes<br />
Wochenende aufs Neue das<br />
junge Feiervolk an. Die E-Scooter<br />
von Ninebot liegen voll im<br />
Trend – denn sparsame und umweltbewusste<br />
Mobilität wird immer<br />
wichtiger.Richtig futuristisch<br />
wird es in der Lasertag Tension<br />
Arena – einer neuen Kultsportart.<br />
Viel Vergnügen beim Stöbern in<br />
den <strong>Geschichten</strong>.<br />
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Jede Ausgabe enthält einen abwechslungsreichen Themenmix aus historischen und<br />
aktuellen Beiträgen.<br />
Dienächsten<br />
echhauser<br />
L Geschichte(n)<br />
erscheinen<br />
voraussichtlichimMai<br />
IMPRESSUM<br />
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Die namentlich gekennzeichneten Beiträge stellen die Meinung des Verfassers, nicht eine Stellungnahme des Verlages dar.<br />
Aktuelle Berichte und<br />
Nachrichten aus Lechhausen,<br />
der Firnhaberau und der<br />
Hammerschmiede wöchentlich<br />
in Ihrer StadtZeitung.<br />
LECHHAUSER GESCHICHTE(N), Band 28, <strong>November</strong> <strong>2016</strong> 3
HISTORIE<br />
SIEDLUNGSGENOSSENSCHAFT IN DER FIRNHABERAU<br />
NichtsalsPickel,Schaufel<br />
undzweikräftigeArme<br />
Im Jahre 1920, als die Siedlerstellen in der Firnhaberau verlost wurden,<br />
waren die Genossen nicht gerade mit Reichtümern gesegnet.<br />
Das erste Schulgebäude am Hubertusplatz, erbaut 1927.<br />
Von Christine Hornischer<br />
Die Entstehung der Firnhaberau<br />
steht in direktem Zusammenhang<br />
mit der schweren Zeit nach dem<br />
Ende des 1.Weltkriegs.Augsburg<br />
war damals schon seit langer Zeit<br />
Industriestadt, doch gerade nach<br />
dem verlorenen Krieg drängten<br />
die Menschen vom Lande in die<br />
Stadt. Sie hofften, dort Arbeit zu<br />
finden. Die Folge war eine steigende<br />
Wohnungsnot sowie ein<br />
extremer Baustoffmangel,weil die<br />
gesamte Industrie noch auf<br />
Kriegsindustrie eingestellt war.<br />
Hilfe durch<br />
Selbsthilfe<br />
Vor allem aus der Arbeiterschaft<br />
der MAN-Werke fanden sich einige<br />
Gleichgesinnte, die Ende<br />
1918 gemeinsam planten, eine<br />
Siedlung zu errichten.Am 15.Juli<br />
1920 war es so weit: Die „Siedlungsgenossenschaft<br />
Augsburg<br />
des bayerischen Ansiedler-Verbandes“,<br />
die heutige Siedlungsgenossenschaft<br />
Augsburg-Firnhaberau<br />
GmbH wurde gegründet.Die<br />
Erste Rodungsarbeiten. Der Bau der Schreibstube 1921.<br />
4 LECHHAUSER GESCHICHTE(N), Band 28, <strong>November</strong> <strong>2016</strong>
HISTORIE<br />
Die Omnibuslinie nach Lechhausen anno 1928.<br />
Stadt Augsburg stellte der jungen<br />
Genossenschaft ein unwegsames<br />
Gebiet in der Firnhaberau zur<br />
Verfügung, das den Siedlern auf<br />
Basis einer Erbpacht übergeben<br />
wurde.<br />
Grundsätzlich galt bei allen Bauten<br />
das Prinzip der Selbsthilfe:<br />
sämtliche Bauarbeiten wurden<br />
durch Mitglieder der Genossenschaft<br />
selbst durchgeführt. Die<br />
Heranschaffung der Baumaterialien<br />
war in den ersten Monaten<br />
das schwerste Problem. Die von<br />
Lechhausen kommende Schillstraße<br />
war 1910 nur bis zur <strong>Lechhauser</strong><br />
Kläranlage gebaut worden.<br />
Von dort aus führten nur<br />
Wildpfade durch Gestrüpp und<br />
Stauden in das Baugebiet. Eine<br />
Entlastung für die Siedler war es,<br />
als sie die Erlaubnis erhielten,den<br />
Weg durch die Hammerschmiede<br />
benutzen zu dürfen.<br />
Unstillbarer<br />
Tatendrang<br />
Die Genossen waren nicht mit<br />
Reichtümern gesegnet, besaßen<br />
außer Pickel, Schaufel und zwei<br />
kräftigen Armen nichts als einen<br />
unstillbaren Tatendrang, der allen<br />
Hindernissen trotzte.Zuerst wurden<br />
die Wegflächen und jene<br />
Grundstücke, die der Gemeinschaft<br />
dienen sollten, gerodet.<br />
Dann,nach der Verlosung,erhielt<br />
jeder sein eigenes Grundstück.<br />
Im kalten Februar des Jahres<br />
1921 war es,als auf dem Platz der<br />
heutigen Kirche die erste Baukantine<br />
aufgestellt werden konnte.Ab<br />
da waren zahlreiche Siedler<br />
wochenlang damit beschäftigt,<br />
mit Hilfe von einfachen Schubkarren<br />
tiefe Senken aufzufüllen<br />
oder Erdhügel abzutragen.<br />
An diesem zentralen Platz, der<br />
heute den Namen des Jagdpatrons<br />
Hubertus trägt,entstand dann also<br />
die erste Baracke mit Schreibstube<br />
und Baukantine, in der<br />
Kampfsitzungen mit festlichen<br />
Stunden und trinkfesten Gelagen<br />
wechselten.Von der Schreibstube<br />
aus wurde der Arbeitseinsatz koordiniert,<br />
die vorgeschriebenen<br />
Selbsthilfestunden verbucht und<br />
mit der Siedlerglocke vom be-<br />
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LECHHAUSER GESCHICHTE(N), Band 28, <strong>November</strong> <strong>2016</strong> 5
HISTORIE<br />
Die Siedler wurden damals hinsichtlich<br />
ihrer Pläne von Mitbürgern<br />
mitleidig belächelt:Es wurde<br />
von „Verrückten“ gesprochen, die<br />
im „Schwäbischen Sibirien“ arbeiten.<br />
Solche Äußerungen wurden<br />
aber voller Stolz an die Nachkommen<br />
weitergegeben.<br />
helfsmäßigen „Glockenturm“ Arbeitsbeginn,<br />
Brotzeit und Feierabend<br />
verkündet.<br />
Verrückte im<br />
Schwäbischen<br />
Sibirien<br />
Bereits am 13.März 1921 erfolgte<br />
der erste Spatenstich zum Haus<br />
Siedlerweg 7.Am 15.Mai konnte<br />
mit einem feierlichen Hebauf<br />
das erste Siedlerfest begangen<br />
werden und am 1. Juli das fertige<br />
Heim bezogen werden.Am Ende<br />
des ersten Baujahres waren 22 Eigenheime<br />
am oberen Siedlerweg<br />
(Haus 7 bis 41) und am Fasanenweg<br />
(Haus 1 bis 7) fertig gestellt.<br />
Ende der ersten<br />
Bauperiode<br />
In rascher Folge wuchsen die<br />
Wohnbauten am Staudenweg,am<br />
mittleren und unteren Siedlerweg,<br />
am Jagdweg und Im Feierabend.<br />
1924 entstand am Hubertusplatz<br />
das Geschäftsgebäude<br />
mit Feuerwehrhaus, Kolonialwa-<br />
6 LECHHAUSER GESCHICHTE(N), Band 28, <strong>November</strong> <strong>2016</strong>
HISTORIE<br />
rengeschäft, Metzgerei, Frisörsalon,<br />
Bäckerei und 125 Wohnungen.<br />
Die Gaststätte mit dem<br />
Saalbau und acht Wohnungen<br />
rundete 1928 die Baumaßnahme<br />
ab.<br />
Dessen Prunkstück bildete ein<br />
400 Personen fassender Saal mit<br />
eingebauter Bühne. Dieser Saal<br />
entwickelte sich im Laufe der<br />
Jahrzehnte zum Mittelpunkt des<br />
gesellschaftlichen Lebens in der<br />
Firnhaberau. Der Turnverein<br />
nutzte den Saal für das Geräteturnen,es<br />
gründete sich eine eigene<br />
Theatergruppe mit einer Ballettgruppe<br />
als Unterabteilung,<br />
und auch ein Sängerkreis nutzte<br />
den Saal für musikalische Abende.Da<br />
in dem großen Saal fast alle<br />
Siedler Platz fanden, lässt sich<br />
die gemeinschaftsstiftende Bedeutung<br />
kaum hoch genug einschätzen.<br />
Mit der Fertigstellung<br />
des Wirtschaftshofes – heutiger<br />
Hubertushof – endete die erste<br />
Bauperiode in der Firnhaberau.<br />
Das war vor über 90 Jahren.<br />
Gemeinnütziges<br />
Wohnungsunternehmen<br />
Durch die Einführung des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes<br />
wurde die Genossenschaft am<br />
23.12.1932 als gemeinnütziges<br />
Wohnungsunternehmen durch<br />
den Stadtrat der Stadt Augsburg<br />
anerkannt.<br />
Es wurde nun mit Eigenleistung<br />
an den Straßenzügen im Neuland,<br />
am Hammerschmiedweg<br />
und an der westlichen Schillstraße<br />
gebaut. Am Hubertusplatz<br />
entstand ein weiterer Wohnblock,<br />
das heutige Verwaltungsgebäude<br />
(Haus 11), mit vier Wohnungen<br />
und einem Anbau mit zwei Wohnungen<br />
und einem Kindergarten.<br />
1939 wurde der letzte Wohnblock<br />
mit 19 Wohnungen und einem<br />
Milchladen,am Hubertusplatz 10<br />
gebaut.<br />
Bei Ausbruch des Zweiten Weltkriegs<br />
wurde dem Tatendrang der<br />
Siedler gewaltsam Einhalt geboten.Zu<br />
dieser Zeit waren 218 Eigenheime<br />
und 48 Genossenschaftswohnungen<br />
mit acht Gewerbebetrieben<br />
fertig gestellt.<br />
Am 28.Januar 1942 gelang es der<br />
Siedlungsgenossenschaft, das gesamte<br />
Erbbaugelände von der<br />
Stadt Augsburg zu kaufen. Mit<br />
diesem Kauf waren die Voraussetzungen<br />
geschaffen,die Eigenheime<br />
an die Siedler 1944 übereignen<br />
zu können.<br />
LECHHAUSER GESCHICHTE(N), Band 28, <strong>November</strong> <strong>2016</strong> 7
HISTORIE<br />
Krieg hinterlässt<br />
Spuren<br />
Nach Ende des Krieges, der auch<br />
seine Spuren in der Siedlungsgenossenschaft<br />
Firnhaberau hinterließ,<br />
waren es wiederum Wohnungsnot<br />
und wirtschaftliche<br />
Notstände, die weitere Aktivitäten<br />
veranlassten.<br />
So wurde im südlichen Teil der<br />
Siedlung neues Baugelände erworben<br />
und erschlossen. Der<br />
Bautyp des Siedlerhauses wurde<br />
den Erfordernissen der Wohnungsbaugesetze<br />
angepasst. So<br />
entstanden zwischen 1949 bis<br />
1957 – unter Beibehaltung der<br />
Selbsthilfeleistungen – an der östlichen<br />
Schillstraße,Am Grünland<br />
und am südlichen Hammerschmiedweg<br />
insgesamt 158 neue<br />
Wohneinheiten in 81 Eigenheimen.<br />
Im Jahr 1954 wurde am Hubertusplatz<br />
11 der Kindergarten erweitert.<br />
Ab 1949 konnten die<br />
Siedlerhäuser schrittweise an das<br />
Wassernetz der Stadt Augsburg<br />
angeschlossen werden. Die Entwicklung<br />
am Grundstücksmarkt<br />
schaltete weitere Eigentumsmaßnahmen<br />
vorerst aus.<br />
8 LECHHAUSER GESCHICHTE(N), Band 28, <strong>November</strong> <strong>2016</strong>
RÜCKBLICKE<br />
LECHHAUSEN – BAYERISCH, SCHWÄBISCH, INTERNATIONAL.<br />
Wokommtder<strong>Lechhauser</strong><br />
eigentlichher?<br />
Die Zuwanderung hat den Stadtteil Lechhausen von jeher geprägt.<br />
Als der Verfasser im Rahmen der<br />
Feier zur 100-jährigen Eingemeindung<br />
Lechhausens zu Augsburg<br />
in einer Kleingartenanlage<br />
über die Geschichte des Stadtteils<br />
referierte, fragte er eingangs die<br />
Zuhörer nach ihrem Wohnort<br />
und ihrer Herkunft bzw.die ihrer<br />
Vorfahren. Das Ergebnis war interessant:<br />
Von den ungefähr<br />
70 Anwesenden wohnten ca.<br />
70 Prozent im Stadtteil,geborene<br />
<strong>Lechhauser</strong> fanden sich darunter<br />
nur noch ca. 35 Prozent, ihre Eltern<br />
waren noch zu ca.15 Prozent<br />
in Lechhausen geboren, bei den<br />
Großeltern verlieren sich die<br />
Zahlen dann im minimalen Bereich.<br />
Vor dem Hintergrund der<br />
derzeit manchmal heftig und unsachlich<br />
geführten Diskussion um<br />
Flüchtlinge und Zuwanderung<br />
eine zwar nicht wissenschaftlich<br />
durchgeführte aber durchaus aussagekräftige<br />
Umfrage.<br />
Zuwanderung<br />
brachteLechhausen<br />
voran<br />
Allein die Entwicklung der Einwohnerzahlen<br />
verdeutlicht, dass<br />
ohne die Einwanderer aus vielen<br />
Gegenden Deutschlands und<br />
Bayerns aber auch aus vielen Ländern<br />
zuerst Europas, später auch<br />
darüber hinaus,der Stadtteil nicht<br />
auf mittlerweile ca. 35 000 Einwohner<br />
angewachsen wäre. 1861<br />
zählte das zu Bayern gehörige<br />
Dorf 4068 Einwohner: davon elf<br />
Metzger, 14 Schneider, acht Bäcker,16<br />
Schumacher,und vierTavernwirte.<br />
Die Einwohnerzahl<br />
stieg rasant,die Industrie die sich<br />
ab dem Ende des 18. Jahrhunderts<br />
bildete, brauchte Arbeitskräfte.<br />
1880 waren 7469, 1897<br />
11000 Einwohner registriert,unter<br />
ihnen 300 Gewerbetreibende<br />
und 200 Landwirte. Letztere<br />
Spezies ist heute fast ausgestorben,<br />
es gibt nur noch zwei Bauernhöfe.<br />
Im Jahr 1900 wurde das<br />
damals größte Dorf Bayerns zur<br />
Stadt erhoben. Im Adressbuch<br />
von 1904 finden sich 20 Versicherungsagenturen,<br />
36 Bäckermeister,<br />
40 Gastwirte, 13 Pferdemetzger,zwölf<br />
Viehhändler,67 Schuhmacher,<br />
51 Schneider bzw. Näherinnen.<br />
Dazu die Textilindustrie,<br />
die viele Menschen nach Augsburg<br />
und Lechhausen lockte. Die<br />
wirtschaftliche und gesellschaftliche<br />
Veränderung kann man auch<br />
daran ablesen,dass manche Berufe<br />
verschwunden sind. Einen<br />
Pferdemetzger wird man heute<br />
vergeblich suchen. Die Zahl der<br />
Gaststätten ist erheblich zurückgegangen<br />
bzw. haben sich in<br />
Form und Angebot geändert.Die<br />
Zahl der Bäckereien geht immer<br />
mehr zurück,Ketten haben ihren<br />
Platz eingenommen.<br />
Beim Dreikönigstreffen des Trachtenvereins treffen<br />
syrische Flüchtlinge auf bayrisches Brauchtum. Marianne<br />
Hinterbrandner links und Hans Blöchl 3.v.R. freut das.<br />
Foto privat<br />
1913 bei der Eingemeindung<br />
nach Augsburg lebten schließlich<br />
19 000 Menschen auf der bayerischen<br />
Seite des Lechs, in 50 Jahren<br />
hatte sich die Einwohnerzahl<br />
vervierfacht. Die Hammerschmiede<br />
und die Firnhaberau<br />
waren damals noch kaum besiedelt<br />
und waren noch Teil Lechhausens<br />
und keine eigenständigen<br />
Stadtteile.Der Wandel von einem<br />
Handwerker- und Bauerndorf<br />
zum Arbeitervorort war vollzogen.<br />
Woher kamen<br />
die Menschen?<br />
Zu dieser Zeit vor allem aus Bayern,<br />
Österreich aber auch schon<br />
Italiener zogen auf der Suche<br />
nach Arbeit,nach einem besseren<br />
Leben in die Fremde. Auch dort<br />
versuchte man ein Stück Heimat<br />
zu erhalten und organisierte sich.<br />
So gab es bis in die 20er Jahre des<br />
letzten Jahrhunderts einen Verein<br />
der Oberpfälzer oder einen Tiroler<br />
Verein, in dem die Menschen<br />
versuchten ihre alten Traditionen<br />
zu erhalten. Der <strong>Lechhauser</strong><br />
Trachtenverein stammt eigentlich<br />
nicht aus dem Stadtteil. Es gab<br />
auch keine spezielle <strong>Lechhauser</strong><br />
Tracht.Natürlich leben viele Mitglieder<br />
und Aktive heute im<br />
Stadtteil. Aber wie der Name<br />
schon ausdrückt – Oberbayrischer<br />
Volkstrachtenverein Augsburg-<br />
Lechhausen e.V. – hat er seinen<br />
Ursprung in einer anderen Region.<br />
Zuwanderer aus der Gegend<br />
LECHHAUSER GESCHICHTE(N), Band 28, <strong>November</strong> <strong>2016</strong> 9
RÜCKBLICKE<br />
Bei einer Feier der Vertriebenen zeigten Kinder Tänze aus der früheren Heimat.<br />
um Miesbach, die in Augsburg<br />
auf der Suche nach Arbeitsstellen<br />
landeten, gründeten den Traditionsverein.<br />
Heute gehört er wie<br />
selbstverständlich zum kulturellen<br />
Leben.<br />
Flucht und<br />
Einwanderung<br />
gehören zur<br />
Geschichte und zur<br />
Gegenwart<br />
Von 1913 bis heute hat sich die<br />
Einwohnerzahl (ohne Hammerschmiede<br />
und Firnhaberau) wieder<br />
fast verdoppelt.Der Umbruch<br />
vom bäuerlich geprägten zum Industrie-<br />
und Gewerbestandort<br />
ging weiter. Und auch der entsprechende<br />
Zuzug von Arbeitskräften.<br />
Nach dem 2. Weltkrieg kamen<br />
Tausende von Flüchtlingen aus<br />
den ehemaligen deutschen Ostgebieten.<br />
Sie kamen in einen stark<br />
zerstörten Stadtteil, fanden Unterschlupf<br />
und eine Grundversorgung.<br />
Sie waren nicht immer beliebt,<br />
wie sich manche erinnern.<br />
Mittlerweile sind sie integriert,<br />
gehören zum Stadtteil.Mit ihren<br />
eigenen Vereinen und Verbänden<br />
versuchen sie aber, genauso wie<br />
Einwanderer vorher, ein Stück<br />
weit die Verbindung in die alte<br />
Heimat zu halten.<br />
Den Weltkriegsflüchtlingen folgten<br />
ab den 60er Jahren des vergangenen<br />
Jahrhunderts die sog.<br />
„Gastarbeiter“, zuerst aus Italien,<br />
Foto Blöchl<br />
dann Jugoslawien, Spanien und<br />
Portugal, später dann in großer<br />
Zahl aus der Türkei. Ohne diese<br />
Arbeitskräfte wäre manche Erfolgsgeschichte<br />
von Unternehmen<br />
und auch das vielgerühmte Wirtschaftswunder<br />
nicht denkbar gewesen.<br />
Auch in Lechhausen haben<br />
sich viele Zuzügler niedergelassen,<br />
teilweise in Häusern und<br />
Wohnungen, die den Einheimischen<br />
vom Standard nicht mehr<br />
zusagten.Anfänglich glaubte man<br />
die sog. „Gastarbeiter“ würden<br />
wieder in ihre Heimatländer zurückkehren.<br />
Ein Irrglauben wie<br />
man heute weiß.Heute zeigen die<br />
türkischen Geschäfte, italienischen<br />
Restaurants, griechischen<br />
Gaststätten oder russischen Supermärkte,<br />
wie Einwanderung einen<br />
Stadtteil verändert. Viele<br />
Vereine wären ohne die Kinder<br />
aus Zuwandererfamilien kaum<br />
überlebensfähig.<br />
Später kamen Zuwanderer mit<br />
deutscher Familiengeschichte aus<br />
den Staaten in Osteuropa – Russland,<br />
Rumänien, Ungarn, dem<br />
ehemaligen Jugoslawien. Der<br />
heute wieder sanierte und modernisierte<br />
Birkenhof an der Schillstraße<br />
diente lange als erste Unterkunft<br />
für die Neuankömmlinge.Auch<br />
sie brachten ihre Traditionen<br />
und Bräuche, auch ihre<br />
unterschiedlichen Erfahrungen<br />
mit sich. Auch in Lechhausen<br />
gibt es eine erkleckliche Anzahl<br />
von Mitbürgern aus diesen Ländern,die<br />
Deutschen aus Russland<br />
betreiben ein eigenes Zentrum.<br />
Die Fluchtwelle vor dem Bürgerkrieg<br />
im zerfallenden Jugoslawien<br />
trieb wieder viele Menschen in<br />
die Emigration, manche gingen<br />
wieder zurück, viele sind geblieben.<br />
Auch gegen diese Bürgerkriegsflüchtlinge<br />
gab es teilweise<br />
massive Proteste aus der Bevölkerung.<br />
Ohne Migration<br />
gäbe es Lechhausen<br />
so nicht<br />
Im Gewerbegebiet produzieren<br />
heute mehr als 400 Firmen. Ca.<br />
35 % der gewerblichen Arbeitsplätze<br />
in Augsburg finden sich<br />
dort. Der Bedarf an Arbeitskräf-<br />
Heftig zu ging es bei einer Infoveranstaltung in der<br />
Hammerschmiede. OB Dr. Kurt Gribl hatte Mühe zu<br />
argumentieren, heute haben sich die Wogen geglättet.<br />
Foto Blöchl<br />
Ahmad Hamshari, ein Arzt aus Syrien dankt beim<br />
Neujahrsempfang der SPD Lechhausen für die Hilfe und<br />
Unterstützung. Bald wird er wohl als Arzt in Deutschland<br />
Kranken helfen.<br />
Foto Blöchl<br />
10 LECHHAUSER GESCHICHTE(N), Band 28, <strong>November</strong> <strong>2016</strong>
RÜCKBLICKE<br />
So sieht der Briefkasten aus, wenn 60 Personen auf<br />
engstem Raum in einer Flüchtlingsunterkunft zusammenleben.<br />
Foto Blöchl<br />
ten ist nach wie vor enorm. Aus<br />
mittlerweile aller Herren Länder<br />
kamen und kommen Menschen<br />
nach Lechhausen. Nicht alle<br />
wohnen da, viele haben sich aber<br />
auch im Stadtteil niedergelassen.<br />
So arbeiteten zu Hochzeiten bei<br />
der mittlerweile leider schwer gebeutelten<br />
Firma Weltbild Menschen<br />
aus über 50 Nationen! An<br />
der Neuburger Straße finden sich<br />
Friseure und Reisebüros, Eiscafé<br />
und Dönerladen mit Inhabern aus<br />
anderen Ländern. Gotteshäuser<br />
der verschiedensten Religionsgemeinschaften<br />
– das Alevitische<br />
Zentrum,die Kirche der syrischorthodoxen<br />
Christen, die Moschee<br />
in der Linken Brandstraße<br />
– existieren friedlich vereint mit<br />
ihren Gläubigen. Am Lech wird<br />
an schönen Sommertagen gegrillt,<br />
auch da sind die Sprachen<br />
unterschiedlich und vielfältig.<br />
Nicht zuletzt verdeutlichen die<br />
beiden Stadträte,der aus derTürkei<br />
stammende Husseyin Yalcin<br />
von der SPD und der aus Russland<br />
zugezogene Jurij Heiser von<br />
der CSU, dass die Einwanderer<br />
bei uns angekommen sind.Das ist<br />
das Lechhausen, das durch die<br />
vielen Menschen entstanden ist,<br />
die aus unterschiedlichen Gründen<br />
in den Stadtteil gezogen sind.<br />
DieFlüchtlinge<br />
heute gehören auch<br />
zuLechhausen<br />
waren zeitweise in Pensionen und<br />
Hotels untergebracht. Es ist müßig,<br />
noch einmal auf die damaligen<br />
Diskussionen einzugehen, die<br />
teilweise beinahe apokalyptische<br />
Folgen an die Wand malten. Gott<br />
sei Dank fanden sich viele Helferinnen<br />
und Helfer, die den Menschen<br />
auf der Flucht vor Krieg<br />
und Elend beim Ankommen im<br />
fremden Land halfen.<br />
Und heute: Es leben noch ca.200<br />
Flüchtlinge verstreut in Lechhausen,<br />
viele haben schon Arbeit gefunden,<br />
manche auch schon eine<br />
eigene Wohnung. Die Kinder gehen<br />
in die Schulen,andere sind in<br />
die Sportvereine gegangen. Die<br />
damals geäußerten Ängste haben<br />
sich nicht erfüllt! Deshalb kann<br />
Im Birkenhof an der Schillstraße nahm die Integration<br />
für viele Aussiedler ihren Anfang. Foto Blöchl<br />
man sicher sein, dass auch diese<br />
Menschen, so wie Generationen<br />
vor ihnen, irgendwann zum<br />
Stadtteil gehören. Weil Lechhausen<br />
immer Menschen aufgenommen<br />
hat, die hier ihre Zukunft<br />
gesucht haben. So wie fast 50 %<br />
der Einwohner Lechhausens, die<br />
ihren Ursprung nicht in Deutschland<br />
haben!<br />
Hoch schlugen dieWellen der Erregung<br />
im vergangenen Jahr, als<br />
die Zahlen der Flüchtlinge vor allem<br />
aus Syrien,dem Irak und Afghanistan<br />
stark anstiegen. In kurzer<br />
Zeit wurden auch in Lechhausen<br />
Unterkünfte aus dem Boden<br />
gestampft, bis zu 300 Menschen<br />
Der Trachtenverein Lechhausen hat seinen Ursprung im oberbayrischen Miesbach. Foto Blöchl<br />
LECHHAUSER GESCHICHTE(N), Band 28, <strong>November</strong> <strong>2016</strong> 11
E-MOBILITY<br />
NEUE TRENDS FÜR VOLLEN FAHRSPASS<br />
Elektromobilität<br />
zumkleinenPreis<br />
Elektrofahrzeuge sind umweltschonend und sparsam im Verbrauch<br />
Von Florian Handl<br />
Nach den Vorstellungen der Bundesregierung<br />
sollen bis 2020 eine<br />
Million Elektro-Autos durch<br />
Deutschland rollen.Damit sollen<br />
die Klimaziele der Bundesregierung<br />
erfüllt werden. Aktuell sind<br />
laut Bundesverband der Energieund<br />
Wasserwirtschaft knapp<br />
60000 Elektroautos im Einsatz.<br />
Im Fokus stehen nicht nur Elektroautos,<br />
denn sogenannte Elektroroller<br />
und E-Scooter liegen<br />
voll im Trend. Die Nachfrage<br />
nach den leisen, abgas- und fast<br />
wartungsfreien Fahrzeugen steigt<br />
beständig an. Zudem sollen bis<br />
2020 insgesamt 15000 neue Ladestationen<br />
errichtet werden.Und<br />
auch die Akku-Reichweite sowie<br />
die Lademöglichkeiten der<br />
E-Fahrzeuge haben sich in den<br />
letzten Jahren spürbar verbessert,<br />
die Betriebskosten liegen deutlich<br />
unter denen konventioneller<br />
Fahrzeuge.Die Einsteigermodelle<br />
sind gerade für junge Leute<br />
attraktiv, da sich diese mit<br />
ihrem sportlichen Design<br />
von der Masse<br />
abheben und<br />
trotzdem günstig<br />
zu haben<br />
sind.<br />
KSR MOTO TTX<br />
KSR MOTOTTX<br />
Dieser E-Roller rockt! Wer sagt<br />
denn, dass E-Roller immer „klassisch“<br />
aussehen müssen? Der<br />
KSR MOTO TTX überzeugt<br />
mit sportlichem Design und unzähligen<br />
serienmäßigen Sportfeatures,die<br />
bei den meisten anderen<br />
Rollern nicht<br />
mal gegen Aufpreis erhältlich<br />
sind: Wavedisc, Gasdruckdämpfer,<br />
Alu-Floorboards, Tuning-<br />
Rückspiegel und vieles andere<br />
mehr. Und das Beste daran: der<br />
KSR MOTO TTX liegt mit<br />
1599 Euro preislich auf dem Niveau<br />
eines Benzinrollers – mit<br />
seinem unterhaltsgünstigen und<br />
klimaschonenden E-Motor spart<br />
der Fahrer also vom ersten Kilometer<br />
an! Der KSR MOTO<br />
TTX eignet sich als Einstiegsmodell<br />
für junge Fahrer.<br />
NIU–N1S<br />
Der neue Elektroroller NIU<br />
N1S/CIVIC ist ein E-Scooter<br />
und besitzt einen eigenen Charakter<br />
und einen ganz speziellen<br />
Charme. Als reiner Elektroroller<br />
12 LECHHAUSER GESCHICHTE(N), Band 28, <strong>November</strong> <strong>2016</strong>
E-MOBILITY<br />
konzipiert setzt er sich schon<br />
durch sein einzigartiges Design<br />
von der 08/15-Masse ab und ist in<br />
seinem ganzen Erscheinungsbild<br />
unverwechselbar. Durch die Fokussierung<br />
des Fahrzeug-Layouts<br />
auf den reinen Elektroantrieb unterscheidet<br />
der NIU N1S sich<br />
auch von anderen E-Scootern.<br />
NIU N1<br />
Die NIU-FOC (Field Oriented<br />
Control) wurde gemeinsam mit<br />
Bosch als hochmoderner Antriebsstrang<br />
entwickelt.Der Motor<br />
des NIU N1S/CIVIC ist im<br />
Vergleich zum KSR MOTO<br />
TTX deutlich leistungsfähiger<br />
und beschleunigt das Fortkommen.<br />
Dennoch wurde beim NIU<br />
N1S/CIVIC auf ein präzises<br />
Gleichgewicht zwischen Leistung<br />
und Energieverbrauch geachtet.<br />
Da ist FOC entscheidend für den<br />
Spagat zwischen Reichweite und<br />
Geschwindigkeit.<br />
Fachkundige<br />
Beratung bei<br />
Ninebot<br />
Damit das Modell auch zum Fahrer<br />
passt, ist eine fachmännische<br />
Beratung wichtig.Nur so kann eine<br />
richtige Kaufentscheidung getroffen<br />
werden.Die kompetenten<br />
Mitarbeiter von Ninebot stehen<br />
den Kunden mit einer Vielfalt<br />
von Elektro-Fahrzeugen zur Seite.<br />
Beim Kauf eines Fahrzeuges<br />
werden von Ninebot alle baulichen<br />
und elektronischen Maßnahmen<br />
zur Nutzung des Fahrzeuges<br />
im Vorfeld erledigt und<br />
die Kunden erhalten eine Einweisung<br />
zum Umgang und Fahren<br />
mit dem neuen Elektro-Fahrzeug.<br />
Wer Interesse an einem<br />
Elektroroller oder E-Scooter hat,<br />
ist herzlich zu einer Probefahrt<br />
eingeladen. Das Team von Ninebot,<br />
Ihr kompetenter Ansprechpartner<br />
in Augsburg-Lechhausen,<br />
freut sich auf Ihren Besuch.<br />
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LECHHAUSER GESCHICHTE(N), Band 28, <strong>November</strong> <strong>2016</strong> 13
KULTUR<br />
LESE-MOTIVATION DIREKT BEI DEN KINDERN IM SCHULHAUS<br />
Lesenmachtstark<br />
So steht es ganz groß über den Bücherregalen der Lese-Insel<br />
in der Birkenau Grundschule. Diese Schulbücherei weist einige<br />
Besonderheiten auf.<br />
Zahlreiche Bücher für alle Grundschüler finden sich in den gut gefüllten Regalen der Lese-Insel.<br />
Monika Saller<br />
Nein,die knallorangefarbene Türe<br />
kann keiner übersehen – schon<br />
gar nicht zur Mittagszeit, wenn<br />
sie sperrangelweit offen steht und<br />
mit einem großen Schild „Willkommen<br />
in der Lese-Insel“ verkündet.<br />
Eingeladen sind die<br />
Hier kann man es stundenlang aushalten – eine sehr<br />
lesefreundliche Ausstattung zeichnet die Bücherei aus.<br />
Schüler der Birkenau Grundschule,in<br />
deren Erdgeschoss sich diese<br />
gut ausgestattete und liebevoll betreute<br />
Bücherei befindet. Gleich<br />
zu Beginn ihrer Schullaufbahn<br />
werden die Kinder mit einem<br />
Ausleih-Ausweis ausgestattet,<br />
dessen Erhalt manche von ihnen<br />
gar nicht abwarten können.Während<br />
ihrer gesamten Schulzeit in<br />
der Birkenau-Schule dürfen sie<br />
die Lese-Insel nutzen und mit ihrem<br />
Ausweis auch Medien in der<br />
neuen Stadtbücherei ausleihen.<br />
Diese hilft auch bei der Systematik<br />
des Medienbestandes.<br />
Starke<br />
Unterstützung<br />
Als eine von bisher neun Schulen<br />
in Augsburg ist die Birkenau<br />
Grundschule mit Hilfe von Sponsoren<br />
mit dieser besonderen<br />
Schulbücherei ausgestattet worden.<br />
Vom „NetzwerkLESEN“ –<br />
einem Schulverbund in der Stadt,<br />
dem „Literatur-Team Augsburg“<br />
– einer Vereinigung Augsburger<br />
Buchhändler und dem Verein<br />
„Freunde der Neuen Stadtbücherei<br />
Augsburg e.V.“ werden die<br />
Lehrer und Helfer unterstützt<br />
und beraten.Ehrenamtlich tätige<br />
Eltern und Großeltern teilen sich<br />
die Öffnungszeiten kurz vor<br />
Schulbeginn und in der Mittagszeit<br />
und übernehmen die bibliothekarischen<br />
Aufgaben.Die Lehrerinnen<br />
Kaps und Ehrmann<br />
kümmern sich um Buchbestellungen<br />
und die begehrten Ausweise.<br />
Außerdem organisieren sie von<br />
Zeit zu Zeit Autorenlesungen.<br />
Bildungs- und Schulreferat und<br />
Staatliches Schulamt sind bei diesem<br />
Musterprojekt ebenfalls an<br />
Bord, was den Stellenwert der<br />
Aktion unterstreicht.<br />
TolleAusstattung<br />
Sogar optisch erinnert der große<br />
Raum ein wenig an die moderne<br />
Ausstattung der Stadtbücherei:<br />
Es gibt eine mit Teppich bezogene<br />
Treppe mit vielen Kissen und<br />
große Sitzsäcke,auf denen sich so<br />
mancher Schüler über die gesam-<br />
14 LECHHAUSER GESCHICHTE(N), Band 28,<strong>November</strong> <strong>2016</strong>
LEBENSLINIEN<br />
TRADITION VEREINT MIT MODERNE<br />
LaptopundTracht–<br />
daspasstzusammen!<br />
Michaela Kürzinger liebt beides!<br />
Tracht und Brauchtum liegen in der Familie. Links Bruder Martin Hinterbrandner, Michaela, Schwester Ulrike, Bruder Matthias.<br />
Foto: privat<br />
Von Hans Blöchl<br />
Nur einen kleinen„Makel“ gibt es<br />
in ihrer Biografie, geboren ist sie<br />
nicht in Lechhausen sondern in<br />
München. Aber seither hat sie<br />
Lechhausen nicht mehr länger<br />
verlassen und will es auch auf keinen<br />
Fall.<br />
Michaela Kürzinger, aus der in<br />
Lechhausen doch gut bekannten<br />
Familie Hinterbrandner stammend,<br />
ist fest in ihrem Stadtteil<br />
verwurzelt. Bei unserem Treffen<br />
begegnet man einer selbstbewussten<br />
Frau im Hosenanzug,modern<br />
und elegant, etwas im Stress ob<br />
der vielen Termine und Aufgaben<br />
aus Haupt- und Ehrenämtern.<br />
Und sie hatte und hat wirklich<br />
viel unter einen Hut zu bringen,<br />
es scheint sie aber eher zu beflügeln<br />
denn zu belasten.<br />
Ihre Heimat gibt<br />
ihrRuhe und Kraft<br />
Man sagt den <strong>Lechhauser</strong>n ja gemeinhin<br />
nach, eher etwas ruhig<br />
und bedächtig zu sein, in dem<br />
„Muhackl“ hat das sowohl im<br />
Sprichwort als auch bei den Faschingssitzungen<br />
von Kolping<br />
seinen Ausdruck gefunden. Aber<br />
ein „Muhackl“ ist sie sicher nicht,<br />
im Gegenteil. Sie kommt einem<br />
offen und interessiert, gesprächig<br />
und manchmal auch nachdenklich<br />
entgegen.<br />
Ihre Ruhe und Kraft findet sie in<br />
ihrem Umfeld in der Baugenossenschaft<br />
„Im Eigenen Heim“<br />
zwischen Kurt-Schumacher und<br />
Derchinger Straße. Dort wohnt<br />
sie seit mehr als 40 Jahren, zuerst<br />
16 LECHHAUSER GESCHICHTE(N), Band 28,<strong>November</strong> <strong>2016</strong>
LEBENSLINIEN<br />
Ein kleines Rotkäppchen<br />
1967. Foto: privat<br />
Michaela links mit Schwester<br />
Ulrike und Bruder Martin<br />
ca. 1975. Foto: privat<br />
machen heute Musik und sind<br />
auch imTrachtenverein aktiv.Ihre<br />
Musikerinnenkarriere begann<br />
beim Blasorchester Lechhausen,<br />
manchmal hilft sie dort noch aus,<br />
führte dann zur Trachtenkapelle,<br />
dort hilft sie auch noch aus, und<br />
nach einer Pause wegen der Kinder,<br />
mehr oder minder zu den<br />
Blasharmonikern in Gersthofen.<br />
Ihr Bruder Martin Hinterbrandner<br />
– früher SPD-Stadtrat in<br />
Augsburg,heute Bürgermeister in<br />
Bernbeuren – hatte sie zu einer<br />
Fahrt nach Schottland mit dem<br />
Orchester eingeladen. Zufällig<br />
suchte man noch eine Trompeterin<br />
und so war sie plötzlich Teil<br />
dieses Ensembles. Diese Gruppe<br />
ist sehr professionell organisiert,<br />
spielt nicht klassische volkstümliche<br />
Musik, sondern bedient ein<br />
breites Repertoire von klassisch<br />
bis modern. Mit diesem Orches-<br />
Stolz ist sie auf ihre Kinder Sabrina (links) und Toni und<br />
auf ihr Patenkind Steffi Riedl. Foto: privat<br />
mit ihrer Familie, jetzt mit ihrem<br />
Mann. Dabei versteht sie Heimat<br />
nicht als einen irgendwie mythisch<br />
überhöhten Begriff, es ist<br />
für sie der Ort,wo sie zuhause ist,<br />
wo sie sich geborgen fühlt unter<br />
Familie und Freunden. Auch ihre<br />
Liebe zur Volkstracht hängt damit<br />
zusammen, auch das gehört<br />
dazu.<br />
„Mei Lechhausen ist so wie<br />
a kleins Städtle,das Eigene Heim<br />
wie ein Dorf in der Stadt, auch<br />
die Kinder bis auf die Älteste<br />
wohnen da!“ schwärmt sie ein wenig.<br />
Lechhausen ist für sie Heimat,<br />
das Umfeld, in dem sie sich<br />
wohl fühlt. „Die Leute kennen<br />
dich, die Leute grüßen dich, das<br />
ist das Dorf Eigenes Heim, das<br />
ich mag!“. Selbst die Neuburger<br />
Straße zwischen Lechbrücke und<br />
Schlössle gefällt ihr, sie bummelt<br />
gern und geht in ein Café wenn<br />
mal Zeit dazu ist.<br />
Musik –Theater –<br />
Tracht –<br />
ein harmonischer<br />
Dreiklang<br />
Gerade war Kirchweih, natürlich<br />
war sie beim Umzug dabei, hat<br />
Trompete gespielt.Das gehört für<br />
sie dazu. Beim Marktsonntag<br />
spielte sie am Nachmittag ein<br />
kleines Ständchen vor dem Geschäft<br />
ihres Mannes. Ebenso wie<br />
am Marktsonntag mit der Trachtenkapelle<br />
im Bierzelt beim Frühschoppen<br />
spielen. Musik und<br />
Brauchtum hat sie quasi mit der<br />
Muttermilch aufgenommen, es<br />
gehörte in der Familie einfach dazu.Sie<br />
spielt selbst Zither,Flöten<br />
und Trompete,„mein Sohn spielt<br />
alles was ein Blech-Mundstück<br />
hat!“ erzählt sie stolz.Alle Kinder<br />
Affinger Str. 3 • 86167 Augsburg<br />
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LECHHAUSER GESCHICHTE(N), Band 28, <strong>November</strong> <strong>2016</strong> 17
LEBENSLINIEN<br />
Seit 27 Jahren sind Herbert<br />
und Michaela Kürzinger<br />
glücklich verheiratet.<br />
ter hatte sie auch die beeindruckendsten<br />
Erlebnisse ihrer „Laufbahn“.<br />
Noch heute ist ein<br />
Schwärmen in ihremTon und ihrem<br />
Blick wenn sie von den Konzerten<br />
in China und Brasilien<br />
spricht. Auf einem Platz in einer<br />
Stadt in China „spielten wir vor<br />
Tausenden begeisterter Menschen,<br />
man wollte Autogrammkarten<br />
von uns! Wir waren auf<br />
einmal irgendwie Popstars!“, freut<br />
sie sich schmunzelnd.Eine Brasilienreise<br />
mit Benefizkonzerten für<br />
ein Sozialprojekt in Brasilien beeindruckte<br />
auf andere Weise. Neben<br />
der Musikbegeisterung der<br />
Einheimischen hinterließ vor allem<br />
der sichtbare soziale Gegensatz<br />
seine Gefühlsspuren.<br />
Die Eltern Marianne und der leider früh verstorbene Vater Gerhard Hinterbrandner<br />
habe die Kinder dazu gebracht, in ihre Fußstapfen zu treten.<br />
Die Heimatabende fordern immer viel Einsatz und Kraft.<br />
Foto: Blöchl<br />
Theater hat sie mit ebenso großer<br />
professioneller Intensität wie die<br />
Musik betrieben, man hört ihr<br />
aber an, dass ihr das Agieren auf<br />
der Bühne im Blut liegt.Sie weiß<br />
gar nicht mehr in wie vielen Stücken<br />
sie für den Trachtenverein<br />
auf der Bühne gestanden hat. In<br />
diesem Jahr macht sie jedoch das<br />
Undenkbare wahr: Sie fehlt seit<br />
langem einmal wieder im Ensemble<br />
beim Heimatabend auf der<br />
Bühne. Als endgültigen Abschied<br />
von der Schauspielerei will sie das<br />
aber „noch“ nicht verstanden wissen.<br />
Auf die Frage was für sie die<br />
Tracht bedeutet, kommt sie ein<br />
wenig ins Grübeln. „Es war nie<br />
eine bewusste Entscheidung, bei<br />
uns in der Familie gehörte und<br />
gehört das einfach dazu!“, meint<br />
sie dann. Ihre Eltern haben sie<br />
und ihre Geschwister fast von<br />
Geburt auf zu Feiern und Festen<br />
mitgenommen,genauso haben ihr<br />
Mann und sie es bei ihren Kindern<br />
gehalten. Kein Wunder also,<br />
dass diese auch Musik machen<br />
und im Trachtenverein aktiv sind.<br />
Auch in ihrem Bekanntenkreis<br />
gab es keine Akzeptanzprobleme<br />
18 LECHHAUSER GESCHICHTE(N), Band 28,<strong>November</strong> <strong>2016</strong>
LEBENSLINIEN<br />
damit. Ich fahre auch „selbstbewusst<br />
in Tracht mit der Straßenbahn“.<br />
Für sie ist Tracht nicht<br />
rückständig, sondern Tradition.<br />
„Und Tracht wird wieder in“,<br />
meint sie.„Von mancher Modeerscheinung<br />
im Rahmen von Plärrer<br />
oder Oktoberfest hält sie nicht<br />
allzu viel. Ultrakurze Röckchen<br />
zu Pseudodirndl findet sie eher<br />
„geschmacklos!“<br />
Familie – Beruf –<br />
Ehrenamt –<br />
alles hatZeit<br />
undRaum<br />
Für Michaela waren Familie und<br />
Beruf nie ein Gegensatz. Der<br />
Kindergarten St. Pankratius und<br />
die Luitpoldschule waren die<br />
<strong>Lechhauser</strong> Stationen ihrer Bildung.<br />
Nach der Mittleren Reife<br />
am Fuggergymnasium wurde eine<br />
Ausbildung zur Bürokauffrau absolviert.Seit<br />
18 Jahren arbeitet sie<br />
nun schon in einer Firma als Finanzbuchhalterin,<br />
teilweise Teilzeit,<br />
jetzt wieder in Vollzeit. Ein<br />
musischer Mensch wie sie<br />
braucht wohl die eher trockenen<br />
Zahlen als Ausgleich. Das zeigen<br />
auch ihre Ehrenämter als Kassiererin<br />
beim Trachtenverein seit 30<br />
Jahren und seit letztem Jahr auch<br />
als Finanzverantwortliche bei den<br />
Blasharmonikern.<br />
Ihren Mann Herbert hat sie im<br />
Fasching kennengelernt. Seit<br />
27 Jahren sind sie verheiratet.Mit<br />
ihm zusammen betreibt sie seit<br />
2000 ein in Lechhausen bekanntes<br />
und geschätztes Geschäft für<br />
Raumausstattung in der Neuburger<br />
Straße,dass sie dort nicht nur<br />
stille Teilhaberin ist, liegt bei der<br />
aktiven und umtriebigen Frau auf<br />
der Hand. Dass er auch beim<br />
Trachtenverein aktiv dabei ist,<br />
versteht sich beinahe von selbst.<br />
Stolz ist sie auf ihre 3 Kinder,die<br />
mittlerweile alle ihre berufliche<br />
Ausbildung abgeschlossen und<br />
das Elternhaus verlassen haben.<br />
Aber nur die Älteste, Cornelia,<br />
hat Lechhausen verlassen und ist<br />
in das Augsburger Umland gezogen.Sabrina<br />
undToni sind wie sie<br />
selbst aktiv bei denTrachtlern.Sie<br />
erinnert sich an die Kindheit, wo<br />
die Kinder von klein auf mit dabei<br />
waren,wenn die Eltern Musik<br />
gemacht oder Theater gespielt<br />
Fast so etwas wie die zweite Heimat, der Saalbau Krone,<br />
die Heimstätte des Trachtenvereins. Foto: Blöchl<br />
LECHHAUSER GESCHICHTE(N), Band 28, <strong>November</strong> <strong>2016</strong> 19
LEBENSLINIEN<br />
Mit der Trachtenkapelle beim Kirchweihumzug <strong>2016</strong>.<br />
Foto: Blöchl<br />
Mit der Trachtenkapelle beim Kirchweihumzug <strong>2016</strong>.<br />
Foto: Blöchl<br />
Foto: Blöchl<br />
haben: „Kinder sind nicht immer<br />
brav, aber meine haben sich immer<br />
anständig benommen, wenn<br />
wir unterwegs waren“, lacht sie.<br />
„Da bin ich stolz drauf!“<br />
Veränderung macht<br />
auch vorLechhausen<br />
nicht halt!<br />
Michaela Kürzinger macht sich<br />
auch Gedanken über politische<br />
und gesellschaftliche Themen.<br />
Veränderung empfindet sie als<br />
normal und auch notwendig, weil<br />
man „sonst erstarrt“. Sie erinnert<br />
daran, dass Lechhausen immer<br />
ein Zuwanderungsort war: „Der<br />
Trachtenverein, genau heißt er<br />
Oberbayrischer Volkstrachtenverein<br />
Augsburg-Lechhausen e.V.,<br />
wurde von Zuwanderern aus dem<br />
Gebiet um Miesbach gegründet,<br />
die auf der Suche nach Arbeit<br />
nach Lechhausen gekommen<br />
sind!“ erinnert sie. Sie hat auch<br />
„kein Problem mit Flüchtlingen,<br />
hat aber ein Problem mitTricksereien<br />
und Menschen, die nur als<br />
Wirtschaftsflüchtling zu uns<br />
kommen! Es ist aber unter allen<br />
Umständen legitim Schutz vor<br />
Krieg und Verfolgung zu suchen!“<br />
Was bisher noch eher unrealistisch<br />
erscheint,ist für sie denkbar.<br />
Falls ein syrischer Flüchtling<br />
kommen würde und ihm das Leben<br />
im Trachtenverein gefällt,<br />
„kann er ohne Weiteres mitmachen!“<br />
Für sie ist Tracht und<br />
Volksbrauchtum auch nicht konservativ<br />
sondernTradition.„In der<br />
heutigen Zeit muss der Verein offen<br />
sein,auf Menschen zugehen“.<br />
Der Nachwuchs, der oft aus dem<br />
eigenen Umfeld kommt, wird auf<br />
Dauer nicht ausreichen, um langfristig<br />
zu überleben.<br />
Auf der Frage nach ihrem Lieblingsort<br />
in Lechhausen nennt sie<br />
zuerst die Neuburger Straße mit<br />
ihren kleinen Geschäften, sagt<br />
aber dann:„Ich bin da wo ich gerade<br />
bin,für wirkliche Lieblingsorte<br />
habe ich leider keine Zeit!“<br />
und lacht. Ihr Wunsch für Lechhausen<br />
wäre eine Gaststätte mit<br />
einem großen Saal.Das auch vor<br />
dem Hintergrund, dass der Saalbau<br />
Krone, das Zentrum des<br />
Trachtenvereins in Lechhausen,<br />
doch schon in die Jahre gekommen<br />
ist und einer Renovierung<br />
dringend bedürfte. Allein, dafür<br />
fehlt das Geld, da das Zentrum<br />
nur für Veranstaltungen des<br />
Trachtenvereines ist und nicht<br />
von Fremden genutzt werden<br />
kann.<br />
Angesprochen auf die nächsten<br />
Projekte sprudelt es nur so aus ihr<br />
heraus:Es stehen an,der Heimatabend<br />
in Lechhausen, das Jahreskonzert<br />
in Gersthofen, Auftritte<br />
bei diversen Weihnachtsfeiern,eine<br />
Feier beim Kaninchenzuchtverein<br />
Pfersee (dort ist ihr Mann<br />
auch noch aktiv) und last but not<br />
least die Feier zum 50.Geburtstag<br />
gemeinsam mit ihrem Mann,<br />
denn beide haben in diesem Jahr<br />
ein halbes Jahrhundert aktives<br />
Leben vollendet. Das nächste<br />
kann dann kommen!<br />
20 LECHHAUSER GESCHICHTE(N), Band 28,<strong>November</strong> <strong>2016</strong>
SCIFY<br />
NEUER TRENDSPORT IN LECHHAUSEN<br />
Lasertag–keinKillerspiel<br />
„Zombie“, „Capture the Flag“ und „Gladiator“ sind die Modi in<br />
denen Lasertag Tension gespielt wird.<br />
Von Florian Handl<br />
Lasertag ist eine schnell wachsende<br />
Trendsportart – auch in Lechhausen.Aber<br />
was ist Lasertag? In<br />
einer futuristischen LED-Neon-<br />
Arena treten zwei, beziehungsweise<br />
mehrere, Teams gegeneinander<br />
an. Ausgestattet mit einem<br />
Infrarot-Phaser und einer<br />
High-Tech Weste mit Infrarotsensoren<br />
versuchen die Teams zu<br />
Punkten. Punkte werden erzielt<br />
indem Spieler der konkurrierenden<br />
Teams oder Sonderziele markiert<br />
werden. Erfolgreich ist nur,<br />
wer im Team spielt. Das setzt ein<br />
hohes Maß an Kommunikationsbereitschaft,Teamgeist<br />
und Kondition<br />
voraus, wie der Autor des<br />
Textes am eigenen Leib erfahren<br />
hat.<br />
Ein Jahr<br />
LasertagTension<br />
inLechhausen<br />
Vor kurzem feierte Augsburgs<br />
erste Lasertag Tension Arena in<br />
Lechhausen sein einjähriges Jubiläum.Am<br />
1.Oktober 2015 öffneten<br />
der Geschäftsführer Paul Senckenberg<br />
und seine Partnerin<br />
Kristina Sülberg (Bertriebsleitung)<br />
die Arena für die Spieler.<br />
Die beiden, die auch Privat ein<br />
Paar sind, haben Lasertag in<br />
Mannheim,eine der ersten Lasertag-Arenen<br />
in Deutschland, gespielt.<br />
Dieser neue trendige Sport, den<br />
man in Deutschland fast nur aus<br />
den Kultfernsehserien wie „Breaking<br />
Bad“ und „How I met your<br />
Mother“ kennt, wird in Amerika<br />
seit den 80er Jahren gespielt.<br />
Kristina Sülberg die früher für eine<br />
Marketingfirma im Büro arbeitete<br />
und Paul Senckenberg,der<br />
Landwirtschaft studierte und in<br />
einem Betrieb für Kartoffelchips<br />
im Vertrieb arbeitete, sahen in<br />
Lasertag eine Chance. Einerseits<br />
eine Chance für sich,um sich mit<br />
der eigenen Leidenschaft selbstständig<br />
zu machen, und um den<br />
aktiven Menschen eine Abwechslung<br />
zu Kino,Bowling oder Fernsehabenden<br />
zu bieten.<br />
Zusammen führen Kristina Sülberg und Paul Senckenberg die Lasertag Tension Arena<br />
in Lechhausen.<br />
Für den Standort in Augsburg<br />
sprachen familiäre Verknüpfungen<br />
in der Region sowie die wirtschaftliche<br />
Stärke der Stadt<br />
Augsburg. Außerdem haben die<br />
beiden in einem ehemaligen<br />
Großraumbüro in Lechhausen<br />
den perfekten Standort gefunden.<br />
LECHHAUSER GESCHICHTE(N), Band 28, <strong>November</strong> <strong>2016</strong> 21
SCIFY<br />
Der hohe sportliche Aspekt verbindet<br />
die Spieler derTeams.Damit<br />
die Fairness obsiegt und Gewalt<br />
keine Chance hat,wurde sowohl<br />
die Sprache, als auch das<br />
Spiel entmilitarisiert. Ein Ziel<br />
wird nicht getötet, abgeschossen<br />
oder ausgeschaltet sondern markiert.<br />
Zum Markieren bekommt<br />
der Spieler nicht etwa eine Waffe<br />
ausgehändigt sondern einen Phaser,auch<br />
wenn die Optik noch an<br />
futuristische Strahlenkanonen erinnert.<br />
Aber ähnlich den Star-<br />
Trek-Betäubungsphasern wird<br />
das Ziel nur für kurze Zeit aus<br />
dem Spiel genommen.<br />
Futuristische Arena.<br />
Am Ende können die Teams ihren Punktestand sehen<br />
und das Match analysieren.<br />
Fotos: Lasertag Tension Deutschland<br />
Entmilitarisiertes<br />
Spiel<br />
Unter dem Motto „miteinander<br />
statt gegeneinander“ finden die<br />
Spiele im Lasertag Tension statt.<br />
Die Spieler müssen sich oftmals<br />
mit vorher unbekannten Mitspielern<br />
organisieren, Absprachen<br />
treffen und Verlässlichkeit sowie<br />
Teamgeist beweisen.<br />
Da liegt beispielweise einer der<br />
großen Unterschiede zu Paintball.<br />
Das markierte Ziel bleibt das<br />
ganze Match über im Spiel und<br />
ist nach einem Treffer nur kurzzeitig<br />
„betäubt“.Außerdem verursacht<br />
das Markiertwerden im Gegensatz<br />
zu Treffern beim Paintball<br />
keinerlei Schmerzen.<br />
Die Infrarot-Strahlen sind zudem<br />
ungefährlich für die Augen, was<br />
Studien belegen.Ein weiterer Aspekt<br />
der Lasertag von Killerspielen<br />
unterscheidet,ist die Gewichtung<br />
von Punkten. Das Markieren<br />
von Spielern bringt nur wenige<br />
Punkte, das Erreichen von<br />
Spielzielen bringt dafür satte<br />
5005 Punkte für das Team-Konto.<br />
Ego-Shooter, die nicht im<br />
Team spielen,stehen auf verlorenem<br />
Posten. Der Name Lasertag<br />
kombiniert die englischen Wörter<br />
Laser und Tag (engl. für markieren)<br />
– übersetzt auf das Spiel ist<br />
damit gemeint markiert (getagt)<br />
mit dem Phaser (Infrarotstrahl<br />
= Laser).<br />
In anderen Bundesländern ist Lasertag<br />
ohne Altersbeschränkung<br />
spielbar und bis heute gibt es keine<br />
Studie die belegt, dass Lasertag<br />
Kindern schadet. Dennoch<br />
haben die Betreiber von Lasertag<br />
Tension in Lechhausen in enger<br />
Zusammenarbeit mit dem Jugendamt,<br />
dem Lasertag Verband<br />
Deutschland und weiteren Ämtern<br />
eine freiwillige Altersgrenze<br />
von 14 Jahren für ihre Arena beschlossen.<br />
Für Spieler im Alter<br />
von 14–16 Jahren wird eine Einverständniserklärung<br />
der Eltern<br />
benötigt.<br />
In der Lasertag Arena ist Alkohol<br />
absolut tabu, es gibt weder Alkohol<br />
zu kaufen, noch dürfen alkoholisierte<br />
Spieler die Arena betreten.Der<br />
Schutz der Jugend ist also<br />
gewährleistet. Für Epileptiker<br />
ist Lasertag jedoch ungeeignet.<br />
22 LECHHAUSER GESCHICHTE(N), Band 28, <strong>November</strong> <strong>2016</strong>
SCIFY<br />
DieZukunft<br />
ist Jetzt<br />
Lasertag zählt zu den sogenannten<br />
Fun-Sportarten. Zu Beginn<br />
erhalten die Spieler eine Einweisung<br />
mit den Sicherheits- und<br />
Spielregeln. Danach werden die<br />
Spieler gleichmäßig auf die<br />
Teams aufgeteilt und erhalten ihre<br />
Ausrüstung. Zur Ausrüstung<br />
gehören eine Weste und der Phaser.<br />
Die High-Tech-Ausrüstung<br />
kommt vom führenden Hersteller<br />
aus Australien und wird von den<br />
Betreibern gestellt.Die Weste ist<br />
mit LED-Sensorflächen ausgestattet<br />
und registriert sämtliche<br />
Treffer die der Spieler an anderen<br />
Mitspielern und Sonderzielen erzielt<br />
sowie erlittene Treffer. Diese<br />
werden in Echtzeit an den Computer<br />
übertragen, der aus diesen<br />
Daten eine Individuelle- und eine<br />
Teamrangliste erstellt. Für die<br />
Spieler wird sportliche und bequeme<br />
Kleidung empfohlen,denn<br />
Lasertag ist sehr anstrengend. Da<br />
man als Spieler die meiste Zeit<br />
geduckt durch die Gegend läuft<br />
und von Deckung zu Deckung<br />
hechtet.<br />
Henning Schleef, Maja Storbeck, Alexander Wohnhaas und Florian Handl beim<br />
Lasertag-Halloween-Zombie-Special.<br />
Gespielt wird in einer futuristischen<br />
Landschaft mit vielen Hindernissen,<br />
Erhöhungen und Deckungsmöglichkeiten.Dazu<br />
wurden<br />
in das ehemalige Großraumbüro<br />
zahlreiche Durchbrüche<br />
zwischen den Räumen sowie<br />
Rampen,Fässer und Trennwände<br />
mit Gucklöchern eingefügt. Die<br />
Wände sind verziert mit futuristischen<br />
Neonfarben.<br />
Spielmodi<br />
Bei Lasertag Tension gibt es verschiedene<br />
Spielmodi, die sich in<br />
den Spielzielen und -regeln unterscheiden.<br />
Einer der Modi ist<br />
„Gladiator“ – eine Art jeder gegen<br />
jeden, bis am Ende nur noch<br />
ein Sieger steht.Bei „Capture the<br />
Flag“ verteidigen die Teams jeweils<br />
ihre eigene Basis (Flagge)<br />
und versuchen zeitgleich die Basis/Flagge<br />
des anderen Teams für<br />
sich zu gewinnen.<br />
Der Zombie-Modus erfreut sich<br />
großer Beliebtheit. Dort treten<br />
zwei Teams (rot und gelb) gegeneinander<br />
an und zusätzlich gibt es<br />
ein drittes am Anfang noch klei-<br />
LECHHAUSER GESCHICHTE(N), Band 28, <strong>November</strong> <strong>2016</strong> 23
SCIFY<br />
Das Team schützt sich im Idealfall<br />
gegenseitig und hilft dem infizierten<br />
Spieler dabei, die Heilung<br />
zu erreichen. Beim Halloween<br />
Special waren viele Neulinge<br />
dabei,mich eingeschlossen,darum<br />
waren die Teams wenig eingespielt<br />
und die Kommunikation<br />
ausbaufähig. Im zweiten von drei<br />
Spielen gab es am Ende nur einen<br />
Überlebenden aus Team Rot, der<br />
passenderweise auch noch den<br />
Namen Ghost trug. Im dritten<br />
Spiel errangen die Zombies den<br />
Sieg auf ganzer Linie – Spaß hatten<br />
am Ende trotzdem alle, denn<br />
die Flucht vor den Zombies oder<br />
den Spielern des anderen Teams<br />
ist echt nervenaufreibend.<br />
Community<br />
und langfristiger<br />
Spielspaß<br />
neres Zombieteam (grün). Genau<br />
diesen Modus hat der Autor beim<br />
Halloween Special in der Lasertag<br />
Tension Arena ausprobiert.<br />
Ziel der Spieler (rot/gelb) ist es<br />
zu überleben.Die Zombies versuchen<br />
alle anderen Spieler ebenfalls<br />
in Zombies zu verwandeln,<br />
indem sie diese markieren. Ein<br />
von einem Zombie markierter<br />
Spieler hat 40 Sekunden Zeit sich<br />
eine Heilung zu suchen, ansonsten<br />
verwandelt er sich in einen<br />
Zombie.<br />
Mittlerweile gibt es eine immer<br />
größer werdende Community an<br />
Stammspielern,die sich regelmäßig<br />
in der Lasertag Arena trifft.<br />
Damit der Spaß auch langfristig<br />
erhalten bleibt,gibt es ein Rangsystem<br />
in dem die Spieler aufsteigen<br />
können. Mit den höheren<br />
Rängen schalten die Spieler zusätzliche<br />
Fähigkeiten frei,was das<br />
Spiel komplexer und noch spannender<br />
macht.<br />
Damit das Spiel ausgeglichen und<br />
fair bleibt wenn Stammspieler auf<br />
Neulinge treffen, haben Spieler<br />
höherer Ränge erhöhte Schwierigkeiten.So<br />
müssen die erfahrenen<br />
Spieler einen Neuling beispielsweise<br />
mehrfach markieren<br />
um Punkte zu erzielen.<br />
Mehr Informationen zu Lasertag<br />
Tension in Lechhausen unter<br />
www.augsburgistlaser.de.<br />
24 LECHHAUSER GESCHICHTE(N), Band 28, <strong>November</strong> <strong>2016</strong>
ANEKDOTEN<br />
D’LECHHAUSER SAN A EIG’NE RASS<br />
Der<strong>Lechhauser</strong>ansich<br />
Die Bewohner des Stadtteils rechts des Lechs sind streitbare Gesellen,<br />
die sich nichts gefallen lassen, und besonders nicht von Augsburgern.<br />
Anni Strobl in ihrem Milchladen in der Kulturstraße – ein <strong>Lechhauser</strong> Original.<br />
Von Christine Hornischer<br />
Von der <strong>Lechhauser</strong> Lichtgestalt,<br />
dem langjährigen Mesner und<br />
Stadtrat Fritz Hintersberger, erzählt<br />
man sich folgende Geschichte:<br />
Als es ihm einmal während<br />
einer Stadtratssitzung allzu<br />
bunt wurde,verkündete er resolut:<br />
„Vui zvui is zvui, das sagt schon<br />
ein schwäbisches Sprichwort.“ Da<br />
gab es ein großes Hallo, und die<br />
SPD-Fraktion protestierte sogar<br />
geschlossen gegen diesen Ausspruch,<br />
denn was Hintersberger<br />
da den Schwaben unterschieben<br />
wolle, sei gar nicht schwäbisch,<br />
sondern oberbayerisch und habe<br />
deswegen in einer Augsburger<br />
Stadtratssitzung nichts zu suchen.<br />
Die hitzige Diskussion über Dialektgrenzen<br />
und sonstige Zugehörigkeiten<br />
fand erst ihr Ende,als<br />
sich ein pfiffiger Friedensstifter<br />
auf die <strong>Lechhauser</strong> Herkunft des<br />
scheinbar sprachverwirrten Herrn<br />
Hintersberger besann. Folglich<br />
war auch das strittige Sprichwort<br />
weder schwäbisch noch oberbayerisch,sondern<br />
lechhauserisch,und<br />
gegen die Verwendung desselbigen<br />
durfte natürlich kein Augsburger<br />
Stadtrat etwas einzuwenden<br />
haben.<br />
Diese kleine Anekdote beweist<br />
gleich mehrere Dinge. Erstens:<br />
Der <strong>Lechhauser</strong> an sich ist ein<br />
streitbarer Geselle,der sich nichts<br />
gefallen lässt, und von Augsburgern<br />
schon gar nicht (ungeachtet<br />
der Tatsache, dass er eigentlich<br />
selbst irgendwie ein Augsburger<br />
ist). Zweitens: „D’<strong>Lechhauser</strong> san<br />
a eig’ne Rass“, wie es im Volksmund<br />
heißt.<br />
Jedenfalls sehen sie sich selbst so:<br />
kämpferisch, etwas rau, dem Bier,<br />
dem Feiern und der Lebenslust<br />
zugetan,aber eigentlich genügsam<br />
und fleißig.Sie sind eben ganz so<br />
wie der Pfannenflicker Simmerl,<br />
von dem Leo Sammüller, seines<br />
Zeichens <strong>Lechhauser</strong> Original,zu<br />
berichten weiß: „Der Simmerl<br />
wohnte in der Friesenstraß’, war<br />
Handwerker und sonst nix.“ –<br />
Oder eben doch: <strong>Lechhauser</strong> war<br />
er nämlich und stolz darauf.Neuerdings<br />
sind die <strong>Lechhauser</strong> übrigens<br />
auch Weltbürger – bzw.Bürger<br />
aus allerWelt.<br />
Doch im Grunde beruht auch<br />
dies auf einer langen Tradition.<br />
Die Zuwanderung ins kommod<br />
gelegene Lechhausen mit seinem<br />
billigen Baugrund und der Nähe<br />
zum blühenden Augsburg ist keineswegs<br />
ein neues Phänomen.<br />
Gerade im 19.Jahrhundert ließen<br />
sich hier Menschen aus nah und<br />
fern nieder,die in den Augsburger<br />
Textilbetrieben Arbeit suchten<br />
und meistens auch fanden.Angenehmer<br />
wohnen ließ es sich freilich<br />
im noch ländlichen Lechhausen<br />
mit seinen leutseligen Handwerkern,<br />
den Milchfrauen, den<br />
LECHHAUSER GESCHICHTE(N), Band 28, <strong>November</strong> <strong>2016</strong> 25
ANEKDOTEN<br />
Fritz Hintersberger war der heimliche Bürgermeister von<br />
Lechhausen.<br />
zahlreichen Wirtshäusern und<br />
den kleinen Gärten direkt vor der<br />
Tür.<br />
Und die Tradition setzt sich fort.<br />
Studenten finden ihren Weg genauso<br />
nach Lechhausen wie junge<br />
Familien jeglicher Herkunft und<br />
gesellen sich zu den „Urlechhausern“.<br />
Heutzutage haben etwa die<br />
Hälfte aller Stadtteilbewohner einen<br />
Migrationshintergrund.Diese<br />
vielkulturelle Buntheit prägt<br />
das rechtslechische Viertel, in<br />
dem sich alteingesessene Familien<br />
genauso finden lassen wie Neu-<br />
<strong>Lechhauser</strong> jeglicher Couleur.Besonders<br />
farbenfroh wird es natürlich<br />
bei der berühmten <strong>Lechhauser</strong><br />
Kirchweih, wo alle willkommen<br />
sind – sogar Augsburger.<br />
Die Anekdote um den Herrn<br />
Hintersberger, die Augsburger<br />
Stadträte und ihre quasi-babylonische<br />
Sprachverwirrung verdeutlicht<br />
aber auch noch einen dritten<br />
Umstand: Lechhausen liegt und<br />
lag schon immer mittendrin und<br />
irgendwie dazwischen. Von Beginn<br />
an war die kleine Ortschaft<br />
auf der anderen Seite des Lechs<br />
26 LECHHAUSER GESCHICHTE(N), Band 28,<strong>November</strong> <strong>2016</strong>
ANEKDOTEN<br />
vom Handel her ganz auf die<br />
nahe gelegene schwäbische<br />
Großstadt orientiert. Und doch<br />
gehörte sie jahrhundertelang<br />
verwaltungstechnisch zum<br />
Landgericht Friedberg, und damit<br />
zu Bayern. Augsburg selbst<br />
dagegen wurde erst 1805 bayerisch.<br />
Davor war der Lech die<br />
Grenze, eine viel umstrittene<br />
territoriale Scheidelinie zwischen<br />
der freien Reichsstadt und<br />
dem Herzogtum. Lechhausen<br />
wiederum war sozusagen dasTor<br />
zwischen Augsburg und der<br />
(bayerischen) Welt. Dafür hatte<br />
der Heilige Simpert gesorgt, vor<br />
rund 1200 Jahren Bischof von<br />
Augsburg und ein eifriger Brückenbauer.<br />
LECHHAUSER GESCHICHTE(N), Band 28, <strong>November</strong> <strong>2016</strong> 27
NACHGEFRAGT<br />
SOFTBALL IN LECHHAUSEN: SECHS MEISTERTITEL IN FOLGE<br />
ErfolgreicheSchneckenwagen<br />
denSprungindieBundesliga<br />
Das Aushängeschild der DJK Lechhausen besteht aus Schnecken –<br />
ziemlich dreckigen Schnecken und ziemlich erfolgreichen Schnecken.<br />
Während sich ihre Verwandten aus dem Tierreich hierzulande in ihren<br />
Winterquartieren zur Ruhe begeben, ziehen diese Slugs einfach um<br />
– vom Spielfeld in die Sporthalle, um dort wie gewohnt regelmäßig<br />
zu pitchen und zu catchen.<br />
Mannschaftsfoto der Dirty Slugs.<br />
Foto: DJK Lechhausen<br />
Von Monika Saller<br />
Aber der Reihe nach. Als neue<br />
Abteilung der DJK Augsburg<br />
Lechhausen 1920 e.V. waren die<br />
„Dirty Slugs“ im Jahr 2000 von<br />
Daniela Schälchli und Karin Dusil<br />
gegründet worden, nachdem<br />
der Vereinsvorsitzende Dieter<br />
Hallischafsky die Aufnahme der<br />
eher unbekannten Sportart Softball<br />
befürwortet hatte. Die <strong>Lechhauser</strong><br />
<strong>Geschichten</strong> stellten schon<br />
einmal das konstant erfolgreicher<br />
werdendeTeam vor.<br />
Das ist nun vier Jahre her und in<br />
all der Zeit blieben die Damen in<br />
der Bayernliga am Ende der Saison<br />
ungeschlagen und so erkämpften<br />
sie sich im September<br />
zum sechsten Mal in Folge den<br />
Meistertitel. Bis zuletzt mussten<br />
die Spielerinnen am Ball bleiben,<br />
denn der letzte Gegner der Saison,<br />
die Legionäre aus Regensburg,<br />
war auch gleichzeitig die<br />
Mannschaft, die den Augsburgerinnen<br />
den Titel noch hätte streitig<br />
machen können.<br />
2017 in der<br />
Bundesliga<br />
Nach dem Titelgewinn und fröhlichem<br />
Feiern kam wie jedes Mal<br />
die große Frage: Bundesliga – ja<br />
oder nein? Hatte man sich aus finanziellen,organisatorischen<br />
und<br />
personellen Gründen in der Vergangenheit<br />
immer wieder dagegen<br />
entschieden, so kamen die<br />
Damen in dieser Saison zur Erkenntnis,<br />
dass sie wohl für die<br />
nächsten Jahre zum letzten Mal<br />
die Gelegenheit haben,in der hohen<br />
Klasse mitzumischen.<br />
Der Hauptgrund dafür ist die Altersstruktur<br />
der Ersten Mannschaft.<br />
In der Saison 2017 wird<br />
28 LECHHAUSER GESCHICHTE(N), Band 28, <strong>November</strong> <strong>2016</strong>
NACHGEFRAGT<br />
man also unter anderem zu Spielen<br />
nach Karlsruhe und Regensburg<br />
fahren,dort jeweils etwa vier<br />
Stunden spielen – Aufwärmzeiten<br />
etc. noch nicht mitgerechnet –<br />
und sich nach zwei hoffentlich<br />
siegreichen Begegnungen wieder<br />
auf die Heimreise machen.<br />
Die Spielerinnen stecken viel Zeit<br />
und Liebe in ihr Hobby, weil es<br />
für sie der perfekte Ausgleich<br />
zum Alltag ist.„Die Familien der<br />
Schnecken müssen da mitspielen“,erzähltTrainerin<br />
und Spielerin<br />
Sibylle Wagner-Konrad, die<br />
selbst ganz nebenbei berufstätig<br />
und Mama von drei kleinen Kindern<br />
ist,aber immer noch mit einem<br />
„richtig guten Gefühl“ aufs<br />
Spielfeld geht.<br />
Attraktive<br />
Nischensportart<br />
Softball ist trotz seiner Attraktivität<br />
für Spieler und Zuschauer keines<br />
der bekanntesten Ballspiele,<br />
die in Augsburg angeboten werden.<br />
Als Variante des Baseball,<br />
gehört es dagegen in seiner Heimat<br />
USA zu den beliebtesten<br />
Breitensportarten und es gibt<br />
auch viele Frauenmannschaften.<br />
Schlagen, Laufen, Werfen, Fangen,<br />
das sind die Grundkompetenzen<br />
für das zeitweise sehr<br />
schnelle Spiel. Softball trainiert<br />
Geschicklichkeit, Ausdauer und<br />
Kraft.Die Spielpositionen tragen<br />
klingende Namen wie Centerfielder,<br />
Shortstop, Pitcher, Batter,<br />
Catcher und Baseman. Auch die<br />
Teams geben sich kreative Namen.Die<br />
Dirty Slugs hatten es in<br />
der vergangenen Saison unter anderem<br />
mit den Freising Grizzlies<br />
und den LauferWölfen zu tun.<br />
Die Regeln sind gar nicht kompliziert:<br />
Zwei Mannschaften mit<br />
je neun Spielern treten gegeneinander<br />
an. Eine Mannschaft versucht<br />
auf dem Feld (Defensive)<br />
gegnerische Punkte zu verhindern,<br />
die andere ist am Schlag<br />
(Offensive) und kann Punkte erzielen.<br />
Wenn es dem defensiven<br />
Team gelingt, drei Gegner „out“<br />
zu schalten, tauschen die Mannschaften<br />
die Position.<br />
Das Spiel läuft nicht in Halbzeiten<br />
oder Dritteln, es besteht aus<br />
sieben„Innings“.<br />
Neue Schnecken<br />
willkommen<br />
Die Dirty Slugs werben immer<br />
wieder um Nachwuchs.So tingelten<br />
sie auch in der vergangenen<br />
Saison durch die Schulen in Stadt<br />
und Umgebung, boten Schnupperkurse<br />
und insgesamt 30 Schulstunden<br />
Training an.Dabei stellten<br />
sie ihre eigene Ausrüstung zur<br />
Verfügung. 16 neue Schnecken,<br />
die sich für diesen spannenden<br />
Sport begeistern, konnten so gefunden<br />
werden.<br />
Der Einstieg bei den Dirty Slugs<br />
ist jederzeit möglich, da es eine<br />
zweite Mannschaft und ein<br />
Nachwuchsteam gibt,wo Neulinge<br />
erst einmal in das Geschehen<br />
eingewiesen werden. 12 bis<br />
35 Jahre sind die Spielerinnen alt,<br />
die derzeit dazu gehören und viele<br />
Freundschaften sind aus der<br />
Mannschaft heraus entstanden.<br />
Jetzt, in der Wintersaison, ist es<br />
besonders günstig,mit dem Training<br />
zu beginnen: In der Halle<br />
werden Techniken und Spielzüge<br />
ausführlich geübt, bevor im April<br />
die neue Saison startet und es<br />
wieder raus geht aufs Feld und<br />
rein in den Wettkampf. Auch die<br />
Hallen-Bälle sind für Anfänger<br />
besser zu handeln.<br />
Interessierte Mädchen finden die<br />
Dirty Slugs am Freitag von<br />
17 Uhr bis 18.30 Uhr in der<br />
Turnhalle der Pankratiusschule in<br />
der Kurt-Schumacher-Straße.<br />
Sponsoren<br />
gesucht<br />
Einige Sponsoren unterstützen<br />
die Mannschaft. Doch der Verein<br />
ist immer auf der Suche nach<br />
neuen Hilfen, denn Schiedsrichter,<br />
Trikots, Ausrüstung und die<br />
Reisen zu den Spielen wollen finanziert<br />
werden. Das stemmen<br />
die Spielerinnen und ihre Familien<br />
nicht alleine. Die Dirty Slugs<br />
freuen sich über jeden (neuen)<br />
Unterstützer – damit die grimmige,<br />
schlägerbewehrte „dreckige<br />
Schnecke“ weiterhin die Helme<br />
der Spielerinnen in ihren braunen<br />
Trikots ziert und dieser Sport<br />
auch in Zukunft in Augsburg erfolgreich<br />
sein kann.<br />
LECHHAUSER GESCHICHTE(N), Band 28, <strong>November</strong> <strong>2016</strong> 29
LECHHAUSER LENI<br />
THEATER IN LECHHAUSEN<br />
Theatergruppeder<br />
Kolpingsfamilie<br />
Wer braucht schon ein Millionenschweres Schauspielhaus –<br />
in Lechhausen sorgt das Volkstheater für Stimmung<br />
Aber bis nach Lechhausen dringt<br />
es leider nicht vor, das teure<br />
Stadttheater,auch wenn wir zwischen<br />
Lech, Firnhaberau, Hammerschmiede<br />
und Hochzoll, der<br />
größte Stadtteil von Augsburg ist.<br />
Mit immerhin rund 33.000 Einwohnern.<br />
Ganz Augsburg hat<br />
rund 300.000 Einwohner.<br />
Haben wir kein Theater verdient?<br />
Zahlen wir keine Steuern? Können<br />
wir uns keine Theaterkarten<br />
leisten? Sind wir zu dumm für die<br />
Theaterstücke? Das fragt man<br />
sich besorgt, wenn man darüber<br />
nachdenkt, warum das Stadttheater<br />
unsere Gegend meidet.Gerade<br />
im kalten Winter sind Aufenthalte<br />
imTheater auf jeden Fall eine<br />
wärmende Angelegenheit.<br />
Es gäbe doch genügend Hallen<br />
für das teure Hochkultur-Theater<br />
in unserem weiten Industriegebiet.Wir<br />
würden uns freuen.Wäre<br />
uns eine Ehre.Wir würden uns<br />
dafür sogar richtig schick anziehen.<br />
Ich auf jeden Fall. Würde<br />
dafür ganz tief in meinem Kleiderschrank<br />
wühlen.Und was machen<br />
sie mit unseren leeren Hallen<br />
und Gebäuden? Na? Es treibt<br />
Ihnen Schamesröte ins Gesicht.<br />
Klar, mir doch auch. Genau, sie<br />
vermieten die als Bordelle. Obwohl,<br />
wenn ich länger drüber<br />
nachdenke, muss ich sagen, dort<br />
läuft auch kein schlechtes Theater.<br />
Schließlich müssen die Freudenmädchen<br />
ihren Freiern ja auch<br />
größtes Vergnügen beim Sex, bis<br />
hin zu einem wahnsinnigen Orgasmus<br />
vorspielen.<br />
Ein Kino haben wir in Lechhausen<br />
auch nicht mehr, obwohl es<br />
früher mit dem Atlantik und der<br />
Schauburg mal zwei waren, über<br />
deren Leinwände die Kamera-<br />
Abenteuer als Filme flimmerten.<br />
Dafür besitzen wir eine Stadtbücherei-Filiale,<br />
die bestens versteckt<br />
ist – irgendwo am Schlößle.<br />
Gut, die <strong>Lechhauser</strong> Kirchweih<br />
bietet mir reinstes Doku-Theater<br />
im Bierzelt und außerhalb.Jedoch<br />
werden diese Dokumentationen<br />
nicht immer von einem Regisseur<br />
und guten Schauspielern aufge-<br />
Von Arno Loeb<br />
Es war viel vomTheater in letzter<br />
Zeit in Augsburg zu hören und zu<br />
lesen. Die einen sagen, die Theatersanierung<br />
ist das wichtigste<br />
Projekt aller Zeiten, die anderen,<br />
diese Millionen für die Sanierung<br />
ruinieren unsere Stadtkasse.<br />
Geschlossen wurde das Theater<br />
unerwartet durch einen Hinweis<br />
der Augsburger Feuerwehr.Tödlicher<br />
Rauch könne in den Zuschauerraum<br />
dringen. Seitdem ist<br />
das Augsburger Stadttheater mit<br />
seinen Musik-Theater-Opern-<br />
Ballett-Aufführungen in verschiedenen<br />
Hallen zu erleben.Mit seinen<br />
Konzerten mal in der Schwabenhalle,<br />
mal im Konzertsaal der<br />
Universität. Mit dem Schauspiel<br />
mal in der Kongresshalle, in der<br />
Heilig-Kreuz-Kirche, im Martini-Park<br />
oder in der Stadthalle<br />
Gersthofen.<br />
Theatergruppe der Kolpingfamilie.<br />
30 LECHHAUSER GESCHICHTE(N), Band 28,<strong>November</strong> <strong>2016</strong>
LECHHAUSER LENI<br />
Theatersaal Kolping Familie bei der Kirche St. Elisabeth.<br />
führt. Das kann dann oft schiefgehen.<br />
Das ist dann kein Kunstblut.<br />
Statt Applaus kommt dann die<br />
Polizei.Natürlich können wir uns<br />
in die blauen Betonliegen am<br />
Lech neiflaggen, wenns uns langweilig<br />
ist.<br />
Was gibt es für einen <strong>Lechhauser</strong><br />
Schöneres als die Wellen unseres<br />
Heimatflusses zu betrachten? Naja,sagen<br />
wir mal 15 bis 30 Minuten<br />
im Winter, brrrrrr, dann<br />
reichts aber.Diese Wellen kennen<br />
wir ja schon bestens und wir wissen<br />
auch wohin sie fließen:In den<br />
Norden zur Donau.Das ist natürlich<br />
nicht so spannend wie ein<br />
Theaterstück mit gemeinen<br />
Schurken, schönen verlockenden<br />
Frauen,doofen Angebern und listigen<br />
Banditen.<br />
Natürlich ist das die Chance für<br />
unsere <strong>Lechhauser</strong> Theatergruppen.<br />
Aber wo sind sie? Wenn wir<br />
bei dem Internet-Lexikon Wikipedia<br />
nachschauen, existiert im<br />
Beitrag über Lechhausen keine<br />
einzige Theatergruppe. Halt,<br />
stopp. Doch, im Pfarrsaal St. Elisabeth<br />
spielt die Theatergruppe<br />
der Kolpingsfamilie.Das sind die,<br />
die früher im Grünen Kranz waren.<br />
Habe ich mit meinem neuen<br />
Smartphone bei diesem Fratzenbuch<br />
(Facebook) entdeckt. Da<br />
muss man hin, wenn die spielen.<br />
Da geht’s dann hoch her. Das ist<br />
Volkstheater pur. Und fetzigen<br />
Sound liefern dabei dasTrio „Königlich<br />
Bayerische Lechgstanzler.“<br />
Die verzichten auf Synthesizer<br />
und Midifiles und spielen bei<br />
Bedarf auch ganz ohne Strom!<br />
Millionen Fördergelder und ein<br />
eigenes Theater mit einer aufgeblähten<br />
Verwaltung, einem riesigenTechnikerstab,unterirdischen<br />
Werkstätten und Lagern bekommt<br />
das Kolping-Theater zwar<br />
nicht, sind also arme Theatermäuse,<br />
die hungrig am Vorhang<br />
knabbern müssen, aber sie haben<br />
dafür reichlich Spiellust. Viel<br />
Spaß und noch mehr Leidenschaft<br />
auf den Brettern, die die<br />
Welt für Schauspieler bedeuten,<br />
das sind ihr Aufputschmittel.Ihre<br />
Bühnenkracher,die das Publikum<br />
im meistens ausverkauften Saal<br />
begeistern, heißen „Sag niemals<br />
nie“,„Da Himme wart net“ oder<br />
„Urlaub vom Doppelbett“. Solche<br />
Stücke sind mir persönlich sogar<br />
lieber als irgendwelche hochgestochenen,<br />
deren Sinn ich hint<br />
und vorne nicht kapiere. Auch<br />
wenn es bei denen mehr Blut<br />
spritzt auf der Bühne und vergewaltigt<br />
wird. Mir reicht die Bühnendramatik<br />
der Kolpingsfamilie<br />
voll, auch wenn da vollbusige<br />
Geister rumtoben.Sonst kann ich<br />
ja nicht mehr schlafen, wenn<br />
mich hinterher Albträume aus<br />
dem Stadttheater quälen.<br />
Lechhausen<br />
ist liebens- und<br />
lebenswert.<br />
Rathaus<br />
86150 Augsburg<br />
Telefon (08 21) 3 24 21 50<br />
Fax (08 21) 3 94 44<br />
Lechhausen<br />
hat´s!<br />
„<strong>Lechhauser</strong><br />
Geschichte(n)“ Band 28<br />
zeigt wieder unseren aufstrebenden<br />
Stadtteil mit allerlei Wissenswertem<br />
aus der jüngeren und älteren<br />
Vergangenheit.<br />
Viel Spaß beim Lesen und Leben in Lechhausen.<br />
Ihre SPD-Lechhausen und Ihre Stadträte<br />
Sieglinde Wisniewski<br />
Hüseyin Yalcin<br />
LECHHAUSER GESCHICHTE(N), Band 28, <strong>November</strong> <strong>2016</strong> 31
KUNST<br />
KUNST IN LECHHAUSEN<br />
Farben,Formen,Fantasien<br />
Vierte Auflage des <strong>Lechhauser</strong> Kunstpreises mit hervorragenden<br />
Preisträgern.<br />
Kultur in der<br />
Projektschmiede<br />
Von Hans Blöchl<br />
Als die SPD Lechhausen vor vier<br />
Jahren anlässlich des 100-jährigen<br />
Jubiläums der Eingemeindung<br />
des Stadtteils nach Augsburg den<br />
Kunstpreis aus der Taufe hob,gab<br />
es nicht wenige Auguren,die dem<br />
Unterfangen ein Scheitern vorhersagten.<br />
„Kunst und Lechhausen,<br />
das passt doch gar nicht zusammen“,<br />
war eine oft gehörte<br />
Aussage. Oder auch: „In Lechhausen<br />
gibt es doch gar keine<br />
Künstler!“ Dabei gibt es – zumindest<br />
was Musik und Theater betrifft<br />
– durchaus eine rege Landschaft<br />
über dem Lech. Blasorchester<br />
und Trachtenkapelle,<br />
Theatergruppen in der Firnhaberau<br />
und bei Kolping Lechhausen,<br />
oder auch verschiedene Chöre<br />
bringen durchaus Sehens- und<br />
Hörenswertes auf die Bühne. Die<br />
bildende Kunst führte dagegen<br />
eher ein Schattendasein.Die SPD<br />
hatte schon lange als Ziel gehabt,<br />
mehr Kultur und Kunst in den<br />
Stadtteil zu bringen, mit dem<br />
Kunstpreis sollte dazu ein Anstoß<br />
gegeben werden. Den Initiatoren<br />
um Brigitte Meisinger und Hans<br />
Blöchl ging es bewusst nicht um<br />
die „große“ Kunst.Angesprochen<br />
werden sollten die verborgenen<br />
Talente, die es vielleicht noch nie<br />
gewagt hatten, ihr Werk auch einer<br />
Öffentlichkeit zu präsentieren.<br />
Sie waren überzeugt, dass es<br />
auch im Augsburger Nordosten<br />
diese Talente gibt. Und sie bekamen<br />
Recht! Die versammelten<br />
Ursula Roll – Sinfonie.<br />
Schwarzseher,eine in Lechhausen<br />
durchaus verbreitete Kategorie<br />
Mensch,hatten sich geirrt.<br />
Die Künstlerinnen und Künstler<br />
haben sie Lügen gestraft. Schon<br />
beim ersten Mal überstieg die<br />
Zahl der Kunstwerke der Bewerber<br />
die räumlichen Möglichkeiten,sie<br />
alle auszustellen.<br />
Auch die Wahl des Ausstellungsortes<br />
hat einen gewissen Symbolwert.<br />
Es gibt ja in Lechhausen<br />
weder ein Museum noch einen<br />
größeren städtischen Raum, wo<br />
eine Ausstellung in dieser Größenordnung<br />
durchzuführen wäre.<br />
Glücklicherweise hatten kurz vor<br />
dem 1. Kunstpreis Karin und<br />
Gerd Sommerer die „Projektschmiede“<br />
eröffnet. In einer alten<br />
Autowerkstatt in der Hanauer<br />
Straße an der Lechbrücke entstand<br />
ein sog. „Mietatelier“, in<br />
dem man sich selbst künstlerisch<br />
betätigen kann, eine Firmenfeier<br />
durchführen oder eine Lesung<br />
veranstalten kann. Der ideale<br />
Raum für eine neue Initiative wie<br />
den Kunstpreis.Heute haben sich<br />
sowohl die Projektschmiede als<br />
Kulturort als auch der Kunstpreis<br />
in Lechhausen etabliert.Mit dem<br />
Ingrid Eckert – Atacama.<br />
Manuela Bertele – Café modern.<br />
32 LECHHAUSER GESCHICHTE(N), Band 28,<strong>November</strong> <strong>2016</strong>
KUNST<br />
Brigitte Meisinger – Transformation.<br />
die Menschen in ihrer Heimat<br />
und auf der Flucht,aber auch hier<br />
in Deutschland, zu verarbeiten<br />
haben,in Farbe übersetzt.Das Jurymitglied<br />
Gabriele Thoma,<br />
SPD-Stadträtin und Mitglied im<br />
Kulturausschuss, führte in ihrer<br />
Laudatio dazu aus:„Wir sind lange<br />
und fast bestürzt vor den Bildern<br />
der Flüchtlinge am Eingang<br />
gestanden. Dieses fast klischeehafte<br />
Darstellen von Frieden und<br />
heilerWelt war sehr berührend.“<br />
Das Bild von Jamila Azizi „Kinder<br />
auf dem Weg nach Deutschland“<br />
erhielt dafür einen Sonderpreis,<br />
es lag aber auch in der Publikumswertung<br />
nur 1 Punkt hinter<br />
dem 3.Platz.<br />
Siegerpreise bleiben<br />
(fast) in der Familie<br />
Mehr als 200 Kunstinteressierte<br />
aus Lechhausen hatten die Werke<br />
besichtigt und ihre Stimme für<br />
die Publikumspreise abgegeben.<br />
Die Jury, Dr. Thomas Elsen, der<br />
Leiter des H2-Zentrums für zeitgenössische<br />
Kunst der städtischen<br />
Kunstsammlungen Augsburg,und<br />
die kulturpolitische Sprecherin<br />
Gerd Sommerer –<br />
Diener 2er Herrn.<br />
der SPD-Stadtratsfraktion, Gabriele<br />
Thoma, hatte nach eingehenderWürdigung<br />
ihr Votum abgegeben.<br />
Spannend war es in der<br />
vollen Projektschmiede, als Lechhausens<br />
SPD-Chef Husseyin Yalcin<br />
zusammen mit Schirmherrin<br />
MdB Ulrike Bahr und Peter Fischer<br />
vom Verein Lechhausen<br />
2013 die Preise übergab.Auch die<br />
Jamila Azizi – Kinder auf dem Weg nach Deutschland.<br />
Zeitpunkt Anfang September<br />
scheint man jetzt auch den passenden<br />
Zeitpunkt für den Wettbewerb<br />
gefunden zu haben.<br />
Die Einbeziehung der Menschen<br />
im Stadtteil war von Beginn an<br />
ein wichtiges Ziel des Kunstpreises.Deshalb<br />
gab es von Beginn an<br />
die Aufteilung der Preise in einen<br />
Jurypreis mit Juroren aus dem<br />
professionellen Bereich wie z.B.<br />
den derzeitigen Kulturreferenten<br />
Thomas Weitzel und den Publikumspreis.<br />
Bei letzterem entschieden<br />
die Besucher der Ausstellung<br />
über ihre Favoriten.Über<br />
200 Interessierte hatten bei der 4.<br />
Austragung ihre Stimme abgegeben.<br />
Dass die Geschmäcker unterschiedlich<br />
sind zeigte sich darin,<br />
dass Jury- und Publikumspreis<br />
meist nicht übereinstimmten.<br />
Mit Malen das<br />
Leben bewältigen<br />
Wer die Projektschmiede betrat,<br />
wurde unmittelbar und direkt mit<br />
dem schwierigen Leben der Menschen<br />
konfrontiert, die durch<br />
Krieg und Not zu Flüchtlingen<br />
wurden. 5 Bilder, in denen<br />
Flüchtlinge ihre Traumata und<br />
Träume darstellten, konfrontierten<br />
die Besucher der Ausstellung<br />
mit der Lebenswirklichkeit dieser<br />
Menschen. Im Rahmen eines Integrationskurses<br />
hatten die<br />
Künstlerinnen und Künstler,alles<br />
Amateure, ihr Leben, die Erfahrungen<br />
und die Erwartungen, die<br />
Die CSU Lechhausen<br />
wünschen allen Lesern<br />
viel Freude<br />
mit dem neuen Band der<br />
„<strong>Lechhauser</strong> Geschichte(n)“,<br />
dem Magazin über unsere<br />
Heimat Lechhausen.<br />
LECHHAUSER GESCHICHTE(N), Band 28, <strong>November</strong> <strong>2016</strong> 33
KUNST<br />
Nikola Roll (links) und ihre Mutter Ursula freuen sich über den 1. Platz.<br />
Nikola Roll –<br />
Laokoon-Gruppe.<br />
Helmut Lehner – Der Schuh.<br />
mit 105 Jahren älteste Bürgerin<br />
Lechhausens, Anna Lang, freute<br />
sich mit den Preisträgerinnen und<br />
Preisträgern.<br />
Brigitte Meisinger begrüßt die Künstler und Gäste bei<br />
der Vernissage.<br />
Bisher noch nie dagewesen war<br />
es, dass Mutter und Tochter die<br />
ersten Preise gewannen. Ursula<br />
Roll erhielt den 1. Jurypreis für<br />
ihr Gemälde „Symphonie“, ihre<br />
Tochter Nikola errang den Sieg<br />
im Skulpturenwettbewerb mit ihrem<br />
Werk „Laokoon“. Die Überraschung<br />
war beiden Künstlerinnen<br />
ins Gesicht geschrieben.Die<br />
Jury begründete ihr Votum für<br />
Ursula Rolls Gemälde auszugsweise<br />
wie folgt:<br />
Ursula Roll hat mit ihrem Bild<br />
„Symphonie“ Musik auf die Leinwand<br />
gebracht,leicht,schwebend,<br />
abstrakt. Aber Musik verdichtet<br />
auf Farbe und Struktur und trotzdem<br />
fast hörbar. Also die Strömungen<br />
einer Symphonie über<br />
„Drei Sätze“ sichtbar gemacht wie<br />
ein lebendiges Objekt,das sich zu<br />
bewegen scheint. Es wirkt nicht<br />
aufgesetzt – um des schönen Effektes<br />
willen – es wurde tatsächlich<br />
eine Symphonie umgesetzt<br />
mit den Möglichkeiten von<br />
Farbe, Energie und Herzblut.<br />
DasWerk traf auf eine begeisterte<br />
Jury.<br />
Das Publikum hatte andere Prioritäten<br />
gesetzt.Ingrid Eckert mit<br />
ihrem Bild der Wüste „Atacama“<br />
traf den Geschmack des Publikums<br />
am besten. Auch ein Novum<br />
beim Kunstpreis war, dass<br />
zwei Kunstschaffende in zwei Kategorien<br />
als Preisträger zum Zuge<br />
kamen. Das Publikum wählte<br />
Helmut Lehner mit seinem Bild<br />
„Zwiespalt“ auf den 2. Platz. Im<br />
Skulpturenpreis wurde er Dritter.<br />
Brigitte Meisinger, auch eine der<br />
Initiatorinnen des Kunstpreises,<br />
erhielt mit unterschiedlichen Bildern<br />
von der Jury den 3.Preis für<br />
„Transformationen“ und vom Publikum<br />
den 2. Platz mit „Tigernebel“.<br />
Die Jury zum 3. Preis:<br />
„Die Arbeit hat uns beeindruckt<br />
durch die dargestellte Illusion von<br />
Tiefe und Perspektive einer fast<br />
organisch anmutenden baulichen<br />
Struktur im Hintergrund und den<br />
fast zerstörerisch wirkenden Gitterstrukturen<br />
im Vordergrund.<br />
Das alles aber fast schwebend<br />
dargestellt“.<br />
Nicht zuletzt erhielt Manuela<br />
Bertele mit ihrem einfachen aber<br />
beeindruckenden Bild „Café modern“<br />
den 2. Jurypreis, weil diese<br />
das „sehr feine Kabinettstück, das<br />
sehr zurückhaltend und in zarten<br />
Tönen das Wesentliche eines Blickes<br />
in ein Café herausstellt und<br />
teilweise nur mit Andeutungen<br />
eine Atmosphäre wiedergibt.Man<br />
kann den Kaffee förmlich riechen!“<br />
würdigte.<br />
Skulpturenwerden<br />
eigens gewürdigt<br />
Schon immer waren auch Skulpturen<br />
für den Kunstpreis eingereicht<br />
worden. Sie kamen aber<br />
bisher mit einer Ausnahme bei<br />
den Preisen nicht zum Zuge. In<br />
der übergroßen Zahl der Bilder<br />
verschwanden sie wohl etwas und<br />
fanden beim Publikum und auch<br />
34 LECHHAUSER GESCHICHTE(N), Band 28,<strong>November</strong> <strong>2016</strong>
KUNST<br />
bei den jeweiligen Jurys nicht die<br />
gebührende Beachtung. Deshalb<br />
war in diesem Jahr zum ersten<br />
Mal ein eigener Skulpturenpreis<br />
ausgeschrieben.<br />
Den 1. Skulpturenpreis erhielt die<br />
junge Künstlerin Nikola Roll für<br />
die Replik der weltberühmten<br />
„Laokoon-Gruppe“.Die Begründung<br />
der Jury: „Der 1. Preis für<br />
die Skulpturen geht an Nikola<br />
Roll.IhrWerk ,Laokoon-Gruppe’<br />
ist für uns eine enorm stilsichere<br />
Darstellung eines Prozesses, der<br />
in einer konsequenten Umsetzung<br />
zu ganz klaren Formen geführt<br />
hat.Die Jury hat die Präsentation<br />
mit den Zeichnungen als Gesamtkunstwerk<br />
verstanden, das<br />
komplett durchgearbeitet wurde<br />
und mehr ist als nur Werkzeichnungen<br />
und ein Ergebnis.Begeisterung<br />
pur.“ Hausherr Gerd Sommerer<br />
hatte sich zum ersten Male<br />
am Kunstpreis beteiligt, auf Anhieb<br />
überzeugte er mit seiner<br />
Skulptur „Diener 2er Herrn“ die<br />
Jury und erhielt den 2. Preis.<br />
„Hier eine – wie wir finden –<br />
nicht eindeutige Herangehensweise<br />
an das Thema – es bleibt<br />
geheimnisvoll. Figürlich und<br />
doch abstrakt in der Ausformung<br />
mit der ganzen Wucht, zu der<br />
Holz fähig ist. Ein handwerkliches<br />
Großmanöver mit erstaunlich<br />
spannenden Details“. Der<br />
Verein „Lechhausen 2013“, gegründet<br />
2012 zur Organisation<br />
der Eingemeindungsfeier, übernimmt<br />
die Preisgelder.<br />
Alle Preisträger des 4. <strong>Lechhauser</strong> Kunstpreises – v.l. Ingrid Eckert, Manuela Bertele, Gabriele<br />
Thoma, Brigitte Meisinger, Jamila Azizi, Gerd Sommerer, Ursula Roll, Nikola Roll, Peter Fischer,<br />
Ulrike Bahr, Anna Lang, Stadträtin Sieglinde Wisniewski, Hüseyin Yalcin, Helmut Lehner.<br />
Helmut Lehner erhielt für seine<br />
Specksteinarbeit „der Schuh“ den<br />
3. Preis im Skulpturenwettbewerb.<br />
Die Jury: „In unseren Augen<br />
eine außergewöhnliche Darstellung<br />
eines einfachen Accessoires<br />
und einer menschlichen Figur<br />
– allerdings mit umgekehrten<br />
Größenverhältnissen.Das schmückende<br />
Beiwerk als Hauptsache?<br />
Zusammen mit einer hervorragenden<br />
handwerklichen Ausführung<br />
hat uns das sehr beeindruckt.“<br />
Ein gelungener Kunstpreis mit<br />
hervorragenden Preisträgern wartet<br />
auf sein kleines 5.Jubiläum im<br />
kommenden Jahr. Das <strong>Lechhauser</strong><br />
Publikum darf sich freuen.Jurorin<br />
Gabriele Thoma hatte ihre<br />
Eingangsfrage,„Lechhausen und<br />
Kultur? Geht das – eine fast<br />
schon ketzerische Frage!“, zum<br />
Schluss ganz einfach beantwortet:<br />
„Ach ja – und die Antwort auf<br />
Lechhausen und die große Kultur:Und<br />
wie das geht!!!“<br />
AlleFotosHansBlöchl<br />
LECHHAUSER GESCHICHTE(N), Band 28, <strong>November</strong> <strong>2016</strong> 35
AUFGEFALLEN<br />
111 JAHRE FOTO BEHRBOHM IN LECHHAUSEN<br />
VomFotosalonzumFotoatelier<br />
Im Jahre 1905 wurde Foto Behrbohm von Rudolf Behrbohm,<br />
Porzellanmaler und Fotograf, gegründet. Heute führen Rudolf<br />
Behrbohm und seine Kinder Rudi und Sandra in 3. und 4. Generation<br />
das Geschäft.<br />
Geschäft in der Neuburger Straße.<br />
Foto: Foto Behrbohm Augsburg<br />
Von Christine Hornischer<br />
Ursprünglich stammt der Firmengründer<br />
Rudolf Behrbohm<br />
aus Schwerin.Der Porzellanmaler<br />
und Fotograf war damals auf der<br />
„Walz“ und blieb in Augsburg<br />
„hängen“. In Lechhausen, Schulstraße<br />
(heutige Schleiermacherstraße)<br />
gründete er das erste Geschäft<br />
Foto Behrbohm.Das Fotoatelier<br />
hieß damals noch Fotosalon<br />
und fotografiert werden<br />
konnte nur von 10 bis 15 Uhr<br />
(wegen desTageslichts).<br />
Auf derWalz sein<br />
Der Begriff Walz bezeichnet die<br />
Zeit der Wanderschaft zünftiger<br />
Gesellen nach dem Abschluss ihrer<br />
Lehrzeit (Freisprechung). Sie<br />
war seit dem Spätmittelalter bis<br />
zur beginnenden Industrialisierung<br />
eine der Voraussetzungen<br />
der Zulassung zur Meisterprüfung.<br />
Die Gesellen sollten vor allem<br />
neue Arbeitspraktiken,fremde<br />
Orte, Regionen und Länder<br />
kennenlernen sowie Lebenserfahrung<br />
sammeln.<br />
Die Walz endete für Rudolf<br />
Behrbohm in Augsburg. Bereits<br />
1910 vergrößerte er sein Geschäft<br />
und zog in die Frühlingsstraße<br />
(die heutige Yorckstraße). Als<br />
Lechhausen 1913 nach Augsburg<br />
eingemeindet wurde,musste man<br />
mehr als die Hälfte der <strong>Lechhauser</strong><br />
Straßen umbenennen,weil ihre<br />
Namen schon in Augsburg vorhanden<br />
waren.<br />
Straßen erinnern<br />
an Krieg und<br />
Militär<br />
Wegen der Feierlichkeiten zum<br />
100-jährigen Jubiläum der Leipziger<br />
Völkerschlacht, wurden<br />
1913 viele der umzubenennenden<br />
Straßen nach Namen von Militärs<br />
und Schlachten aus den Befreiungskriegen<br />
benannt. So kam<br />
es, dass das <strong>Lechhauser</strong> Viertel<br />
rechts der Neuburger Straße von<br />
der Radetzkystraße über die Waterloostraße<br />
bis zur Yorck- und<br />
Blücherstraße viele an Krieg und<br />
Militär erinnernde Namen aufweist.Straßen,die<br />
nach der Eingemeindung<br />
neu entstanden, bekamen<br />
wieder Namen, die an<br />
<strong>Lechhauser</strong> Personen oder Geschichte<br />
erinnern.<br />
In dieser Zeit bauten Rudolf<br />
Behrbohm und seine Frau Anna<br />
ihren Betrieb weiter aus.Der Firmengründer<br />
war in vielen Vereinen<br />
aktiv (er hatte ein Netzwerk<br />
aufgebaut, wie man heute sagt)<br />
Erstes Atelier ehemalige Yorckstraße.<br />
Foto: Foto Behrbohm Augsburg<br />
und brachte sich emsig im damaligen<br />
Lechhausen ein. Damals<br />
gab es noch Riesenkameras wie<br />
das „Mammut“. Die größte aller<br />
Kameras wurde um 1900 in den<br />
Vereinigten Staaten gebaut. Sie<br />
wurde im Auftrag der Chicago<br />
und Alton Railroad Company<br />
entworfen,die eine große,in allen<br />
Einzelheiten scharfe Aufnahme<br />
ihres neuen Luxuszuges haben<br />
wollten. Das Mammut wog<br />
625 Kilogramm, wenn es mit einer<br />
225 Kilogramm schweren<br />
Glasplatte geladen war,und wurde<br />
von 15 Männern bedient. Die<br />
Entwicklung und der Abzug einer<br />
seiner 135 x 240 cm – Aufnahmen<br />
verbrauchte 40 Liter<br />
chemische Lösungen. Wegen ihrer<br />
Schwere und Unhandlichkeit<br />
verschwand das Mammut bald<br />
wieder – kleinere leichtere Kameras<br />
kamen auf den Markt.<br />
DieUr-Leica<br />
Oskar Barnack, Konstrukteur bei<br />
Leitz in Wetzlar, baute 1913 die<br />
Ur-Leica. Sie wurde zum Prototyp<br />
einer „Kamera Weltanschauung“.<br />
Barnack wich bei seinen<br />
Entwürfen völlig von den bis dahin<br />
erprobten Formen und Konstruktionsdetails<br />
ab.Seine Kamera<br />
unterschied sich nicht nur optisch<br />
von allen anderen Kameras, son-<br />
36 LECHHAUSER GESCHICHTE(N), Band 28, <strong>November</strong> <strong>2016</strong>
AUFGEFALLEN<br />
Teilansicht des 90 m 2 Großraumstudios in der Neuburger Str. 4–6.<br />
Foto: Foto Behrbohm Augsburg<br />
dern war auch in vielen Einzelheiten<br />
ihrer Funktionsweise anders.<br />
Zu den Barnack’schen Ideen gehörte<br />
beispielsweise die Koppelung<br />
von Filmtransport und Kameraverschluss,die<br />
Doppelbelichtungen<br />
ausschloss. Seine Kamera<br />
bestand ganz aus Metall und hatte<br />
einen Schlitzverschluss und arbeitete<br />
mit dem Filmformat<br />
24 x 36 mm. Die Firma Leitz –<br />
bis dahin kein Kameraproduzent<br />
– entschloss sich nur unter größten<br />
kaufmännischen Bedenken,<br />
eine Versuchsserie aufzulegen.<br />
1925 wurde die Leica auf der<br />
Leipziger Frühjahrsmesse erstmals<br />
vorgeführt. Noch im selben<br />
Jahr wurden mehr als 1000 dieser<br />
Kameras verkauft.<br />
In der Nacht zum 25. Februar<br />
1944 wurde die Stadt Augsburg<br />
von britischen Bomberverbänden<br />
angegriffen. Der Stadtteil Lechhausen<br />
wurde hierbei am<br />
schwersten getroffen. Um<br />
22.40 Uhr fielen die ersten Bomben,<br />
ein zweiter Angriff erfolgte<br />
um 1 Uhr nachts.730Tote,1.335<br />
Verletzte und mehr als 90.000<br />
Obdachlose waren die schreckliche<br />
Bilanz dieses Angriffs.Insgesamt<br />
wurden 2.700 Gebäude mit<br />
12.400 Wohnungen und 380 Industriegebäude<br />
zerstört.Auch Foto<br />
Behrbohm trug schwere Schäden<br />
davon.Der moderne Fotosalon<br />
mit seinen Aufhellern (siehe<br />
Bild) wurde stark beschädigt.<br />
Flucht in Sachwerte<br />
1947 starb der Firmengründer.<br />
Sein Sohn Rudolf (2.Generation)<br />
und seine Frau Anni hatten das<br />
Geschäft bereits übernommen.<br />
Die bis Juni 1948 offizielle deutsche<br />
Währung, die Reichsmark,<br />
hatte ihre Funktionen als Zahlungsmittel<br />
und Wertaufbewahrungsmittel<br />
weitgehend eingebüßt,<br />
weshalb eine Flucht in<br />
Sachwerte einsetzte. Sie wurde<br />
nach dem Krieg teilweise durch<br />
Tauschhandel und auf dem überall<br />
blühenden Schwarzmarkt<br />
durch Sachwertwährungen ersetzt,<br />
wie der sogenannten Zigarettenwährung,<br />
dem „Ami“, was<br />
von amtlicher Seite mit nur mäßigem<br />
Erfolg bekämpft wurde<br />
Die Fotografie wandelte sich von<br />
der bisherigen Schwarz-Weiß-<br />
LECHHAUSER GESCHICHTE(N), Band 28, <strong>November</strong> <strong>2016</strong> 37
AUFGEFALLEN<br />
Glasatelier in der Yorkstraße.<br />
Foto: Foto Behrbohm Augsburg<br />
Firmengründer Rudolf Behrbohm.<br />
Foto: Foto Behrbohm Augsburg<br />
Fotografie in Farb-Fotografie.<br />
„Anfangs ist mein Vater zweigleisig<br />
gefahren, also schwarz-weiß<br />
und Farbe“, erinnert sich Sohn<br />
Rudolf (der heutige Senior-<br />
Chef). Überhaupt war es eine<br />
Zeit des Wandels. Es hieß neue<br />
Geräte anschaffen, neue Technik<br />
erlernen,mit der Zeit gehen ...<br />
Amateurfotografie<br />
„Die alten Fotografen gaben der<br />
Amateurfotografie keine große<br />
Chance“, resümiert der Senior-<br />
Chef.„Aber mit der Zeit hat diese<br />
gegriffen. Mein Vater war damals<br />
up to date.“ Der Fotohandel<br />
entwickelte sich zu dieser Zeit,<br />
„da ja immer mehr Menschen<br />
selbst fotografierten“. Die Amateurfotografie<br />
im engeren Sinne<br />
begann schon um 1888 herum,<br />
mit der Etablierung der ersten industriell<br />
gefertigten und massenhaft<br />
verbreiteten Handkameras<br />
wie der Kodak No.1.<br />
In den Nachkriegsjahrzehnten<br />
wurde der Markt der Foto-Amateure<br />
mit speziell für die einfache<br />
und unkomplizierte Handhabung<br />
konstruierten Gerätschaften versorgt;<br />
zu erwähnen sind hierbei<br />
vor allem die Instamatic-Kamera<br />
und die Pocket-Kamera.„Wir erinnern<br />
uns an die Urlaubs-,Familienfotos<br />
und Erinnerungsbilder,<br />
die damals mit diesen Kameras<br />
geknipst wurden“, schmunzelt<br />
Rudolf Behrbohm der 3.<br />
Von der<br />
Analog- zur<br />
Digitalfotografie<br />
1971 übernahmen Rudolf und<br />
seine Frau Aloisia Behrbohm das<br />
Geschäft. Auch die Beiden meisterten<br />
die Herausforderungen des<br />
neuen Zeitalters, besonders den<br />
Wandel von der Analog– zur Digitalfotografie.Der<br />
Begriff „Analogfotografie“<br />
tauchte erst zu Beginn<br />
des 21.Jahrhunderts auf,um<br />
sich von der aufkommenden „Digitalfotografie“<br />
abzugrenzen.<br />
Auch erinnert sich Rudolf Behrbohm<br />
gut an den „Aufstieg und<br />
Niedergang des Schmalfilms und<br />
38 LECHHAUSER GESCHICHTE(N), Band 28, <strong>November</strong> <strong>2016</strong>
AUFGEFALLEN<br />
Die Inhaber von Foto Behrbohm (von links): Rudi, Rudolf und Sandra Behrbohm.<br />
Foto: Foto Behrbohm Augsburg<br />
der Diafotografie“.„Es gab einen<br />
totalen Umbruch in der Fotowelt“,<br />
sagte der <strong>Lechhauser</strong> überzeugt.<br />
Modernes<br />
Fotostudio<br />
Heute ist Foto Behrbohm ein<br />
modernes Fotogeschäft und Fotostudio<br />
für alle schönen und wichtigen<br />
Anlässe, wie Baby-, Kinder-,<br />
Kommunion-, Konfirmation,<br />
Familien- und Gruppenaufnahmen<br />
sowie Pass- und Bewerbungsfotos.Der<br />
klassische Kameraverkauf<br />
und alles rund ums Bild<br />
sowie ein eigenes Digital-Labor<br />
lassen keine Fotowünsche offen<br />
und ergänzen das moderne Unternehmen.<br />
Rudolf Behrbohm und seine Kinder<br />
Sandra und Rudi führen das<br />
Geschäft in der 3. und 4. Generation.IhrTeam<br />
besteht aus langjährigem<br />
gelerntem Fachpersonal.<br />
„Ich bin stolz darauf, dass wir in<br />
der 4. Generation sind“, sagt Junior-Chefin<br />
Sandra Behrbohm.<br />
Und die Zukunft? „Hier sehe ich<br />
noch mehr Dienstleistung und eine<br />
spezielle Form der Fotografie“,<br />
sagt die Fotografenmeisterin,deren<br />
Leidenschaft die Portraitfotografie<br />
ist. Fotografieren ist für sie<br />
nicht nur Beruf, sondern Berufung.<br />
„Ich liebe meine kleinen<br />
und großen Kunden“, sagt sie.<br />
Und setzte sie ins rechte Licht ...<br />
Foto: Foto Behrbohm<br />
Augsburg<br />
Geschäftshaus in der Yorckstraße 35.<br />
Foto: Foto Behrbohm Augsburg<br />
LECHHAUSER GESCHICHTE(N), Band 28, <strong>November</strong> <strong>2016</strong> 39
AKTUELLES<br />
TRADITIONELLES LECHHAUSEN<br />
Traditionwirdgroßgeschrieben<br />
Historische Kostüme und Trachten beim Kirchweihumzug.<br />
Freute daran teilen nicht immer<br />
alle Zuhörer.<br />
190 Jahre alt –<br />
ein stolzes Alter<br />
für einenVerein<br />
Mit dabei auch immer der Krankenunterstützungsverein<br />
der<br />
Maurer und Zimmerleute und<br />
verwandter Berufe Augsburg-<br />
Lechhausen e.V. (Verein auf Gegenseitigkeit)<br />
von 1826. Seit 190<br />
Jahren gibt es diesen Verein, damit<br />
wohl der älteste in Lechhausen.<br />
Heute halten noch 12 Mitglieder<br />
die Tradition hoch, früher<br />
waren es bis zu 160 Bauarbeiter,<br />
Poliere, Handwerker aus dem<br />
Baubereich. Diese hatten auch<br />
1826 in Lechhausen den Verein<br />
als Unterstützungsverein aus der<br />
Taufe gehoben. Mit einem Monatsbeitrag<br />
von 1 Mark wurde<br />
den Mitgliedern bei Krankheit bis<br />
zu 13 Wochen eine Unterstützung<br />
von 80 Pfennig pro Tag, für<br />
manche Familien die einzige Unterstützung<br />
und Hilfe zum Überleben.<br />
Eine Krankenversicherung<br />
gab es 60 Jahre vor deren ersten<br />
Einführung durch Bismarck damals<br />
noch nicht.<br />
Auch diese Herren halten die Tradition hoch – die Königstreuen.<br />
Der rote Schal ist das Markenzeichen der SPD. Links<br />
Stadtrat und <strong>Lechhauser</strong> SPD-Chef Hüseyin Yalcin, rechts<br />
sein Stellvertreter Gerhard Scharf.<br />
Von Hans Blöchl<br />
Foto: Blöchl<br />
Eine bunte Mischung an Trachten,<br />
Uniformen oder sonstigen<br />
Kennzeichen wie die roten Schals<br />
bei der SPD prägen das bunte<br />
Bild beim Umzug der Vereine zur<br />
Eröffnung der <strong>Lechhauser</strong> Kirchweih.Besonders<br />
auffällig sind dabei<br />
die historischen Uniformen<br />
und Fahnen, mit denen einige<br />
Gruppen aufwarten. Besonders<br />
ins Auge stechen der Traditionsverein,<br />
die historischen Schützen<br />
der TSG und die große Gruppe<br />
des Trachtenvereins. Die TSG-<br />
Böllerschützen bereichern nicht<br />
nur die Eröffnung der Kirchweih<br />
mit ihren Böllerschüssen, die<br />
Der Verein funktionierte wie eine<br />
Krankenkasse und wurde von der<br />
Regierung von Oberbayern beaufsichtigt<br />
– Lechhausen gehörte<br />
damals zu Oberbayern.Die Auszahlung<br />
erfolgte übrigens bar jeweils<br />
am Samstagabend wie es in<br />
der Satzung steht.Demokratische<br />
Wahlen waren an der Tagesordnung,<br />
wie ein Protokoll von 1853<br />
belegt.Leider ist das Gründungsprotokoll<br />
wie auch die erste Fahne<br />
des Vereins in den Bombennächten<br />
des 2. Weltkriegs verloren<br />
gegangen.<br />
Ein guterRuf<br />
war wichtig!<br />
Mitglied zu werden und zu bleiben<br />
war gar nicht einfach.„Jeder<br />
unbescholtene Maurer und Zim-<br />
40 LECHHAUSER GESCHICHTE(N), Band 28, <strong>November</strong> <strong>2016</strong>
AKTUELLES<br />
mermann oder Bauhandwerker,<br />
der seinen Wohnsitz in Augsburg-Lechhausen<br />
hat oder dort<br />
beschäftigt ist, kann nach beendigter<br />
Lehrzeit in den Verein aufgenommen<br />
werden!“ hieß es in<br />
der Satzung des Vereins. Wer<br />
über 50 war,wurde ebenfalls nicht<br />
aufgenommen,das Risiko von Erkrankungen<br />
im Alter war zu<br />
hoch. Wie sich die Zeiten gleichen!<br />
Auch wer Lechhausen verließ<br />
konnte nicht Mitglied des<br />
Vereins bleiben. Der Verein hat<br />
mit Höhen und Tiefen alle Stürme,<br />
zwei Weltkriege, Inflationen,<br />
mehrere Währungsreformen und<br />
sonstige Umbrüche überlebt.<br />
Auch unter der Naziherrschaft<br />
existierte er weiter, „er war wohl<br />
zu unbedeutend“,wie der derzeitige<br />
Vorsitzende Franz Fink<br />
meint. Schön abzusehen ist der<br />
jeweilige Zeitgeist an den Protokollen,die<br />
von den Sitzungen verfertigt<br />
wurden.Wurden sie zuerst<br />
unterschrieben mit „Das walte<br />
Gott!“ hieß es später zusätzlich<br />
„Heil Hitler“, dann nur noch den<br />
Hitlergruß bis man dann wieder<br />
reumütig zum ersten Gruß zurückkehrte.<br />
Früher führte der<br />
Verein ein reges Vereinsleben,<br />
Vereinslokale waren unter anderem<br />
der Bayrische Löwe und das<br />
Deutsche Haus. Nach dem letzten<br />
großen Aufschwung mit den<br />
Mitgliedern nach dem Zweiten<br />
Weltkrieg ging es seither immer<br />
mehr bergab. Die Funktion der<br />
Krankenkasse war nicht mehr<br />
notwendig, vor einigen Jahren<br />
wurde das auch aus der Satzung<br />
gestrichen. Heute verstehen sich<br />
die Mitglieder als reiner Traditi-<br />
Stolz tragen sie ihre Tracht.<br />
Exklusiv für alle ab 60.<br />
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vieles für Sie erledigt, was Sie nach einem Unfall nicht mehr<br />
können. Und das bis zu sechs Monate lang und schon ab<br />
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LECHHAUSER GESCHICHTE(N), Band 28, <strong>November</strong> <strong>2016</strong> 41
AKTUELLES<br />
Seit 1826 halten Maurer und Zimmerleute die Tradition des ehemaligen<br />
Krankenunterstützungsvereins aufrecht. In der Mitte der derzeitige Vorsitzende Franz<br />
Fink, rechts Kassier Karl Stix.<br />
onsverein, der Name wurde aber<br />
erhalten. Man firmiert unter<br />
„Verein zur Traditionserhaltung<br />
und Traditionspflege des ehemaligen<br />
Krankenunterstützungs-Vereins<br />
der Maurer + Zimmerleute<br />
Augsburg-Lechhausen e.V.“ Neue<br />
Mitglieder, die aber aus Bauberufen<br />
kommen sollten sind natürlich<br />
erwünscht.Wer Interesse hat,meldet<br />
sich bei Wolfgang Klaus Tel.<br />
0821-33311 oder mail: wolfgang.klaus-immobilien@t-online.de.Hoffen<br />
wir,dass dieTradition<br />
noch lange fortbesteht, das<br />
200-jährige Jubiläum sollte auf jeden<br />
Fall gefeiert werden.<br />
Die Schwarzpulverschützen der TSG.<br />
42 LECHHAUSER GESCHICHTE(N), Band 28,<strong>November</strong> <strong>2016</strong>
HINTERGRUND<br />
ANNA LANG – CHARMANT UND FRÖHLICH<br />
105JahreLebeninLechhausen<br />
Wer die älteste Bürgerin Lechhausens besucht oder ihr im Bus oder<br />
bei Veranstaltungen begegnet, trifft auf eine charmante, fröhliche<br />
und interessierte zierliche Dame.<br />
Niemand weiß so wirklich wie<br />
„Mann oder Frau“ mit 105 aussehen<br />
soll, aber niemand würde sie<br />
Anna Lang mit ihrer Tochter Karin.<br />
auf dieses Alter schätzen. Und<br />
wenn sie dann einiges aus ihrem<br />
Leben erzählt, ist man erstaunt,<br />
Foto: Hans Blöchl<br />
dass sie ohne Bitterkeit und Groll<br />
auch heute dem Leben noch das<br />
Positive abgewinnen kann.Sie hat<br />
sich ihr Lachen bewahrt. Beim<br />
„Fotoshooting“ an Stätten ihres<br />
Lebens am Lech und am Autobahnsee<br />
wird viel gelacht. Als sie<br />
den Graffitikünstler Cero trifft<br />
und sogar sprühen darf,kennt das<br />
Lachen kaum Grenzen. Auch bei<br />
Erzählungen über manche auch<br />
durchaus widrigen Lebensumstände<br />
ist Nachdenklichkeit,aber<br />
keine Bitterkeit spürbar.<br />
Ein hartes<br />
Arbeiterinnenleben<br />
Als sie 1911 geboren wurde, war<br />
Lechhausen noch eine eigenständige<br />
Stadt. Erst zwei Jahre später<br />
erfolgte die Eingemeindung zu<br />
Augsburg.Es gab noch viele Bauern,viele<br />
Gaststätten,nur Ansätze<br />
einer Kanalisation und einer<br />
Wasserversorgung. Es war ein<br />
armseliges,manchmal sehr hartes<br />
Leben für das als „unehelich’“geborene<br />
Mädchen, das am 5. Mai<br />
1911 in der Klausstraße zur Welt<br />
kam. Ihre Familie war arm, der<br />
Stiefvater nicht besonders liebevoll<br />
mit ihr.So erinnert sich Anna<br />
Lang auch heute noch durchaus<br />
lebendig an diese Zeit.<br />
Nach dem Schulbesuch ging es<br />
zur Arbeit in die Weberei bei der<br />
SWA, dort lernte sie auch ihren<br />
späteren Mann kennen. Die Arbeit<br />
in der Fabrik ist hart und<br />
laut, sie bedient bis zu 25 Webstühle<br />
gleichzeitig. Bei ihrem Besuch<br />
im TIM kann sie die alten<br />
Webstühle noch erklären. Ihr<br />
Stundenlohn von 20 Pfennig<br />
steigt an auf 50 Pfennig, „damit<br />
war es schon ein wenig einfacher!“<br />
beschreibt sie zurückhal-<br />
LECHHAUSER GESCHICHTE(N), Band 28, <strong>November</strong> <strong>2016</strong> 43
HINTERGRUND<br />
Anna Lang als Kind (2.v.r.) – das Bild hat sogar den Krieg<br />
überlebt!<br />
Foto: privat<br />
Als Anna Lang den Graffitikünstler Cero trifft und sogar<br />
sprühen darf, kennt das Lachen kaum Grenzen.<br />
Foto: Hans Blöchl<br />
tend die schwierigen Lebensumstände.<br />
Arbeit hatVorrang<br />
Schon früh kommt sie in Kontakt<br />
mit der Gewerkschaftsbewegung,<br />
rezitiert Gedichte bei Feiern.<br />
Noch heute bezeichnet sie sich als<br />
Sozialdemokratin,ist immer noch<br />
Mitglied der Arbeiterwohlfahrt<br />
und besucht regelmäßig die Treffen.<br />
Zu kurz kommt in dieser<br />
Zeit das Feiern und das so geliebte<br />
Tanzen, weil die Arbeit Vorrang<br />
hat, ihre Tochter kommt<br />
während des zweiten Weltkriegs<br />
zurWelt,der Mann ist wie so viele<br />
im Krieg und kommt behindert<br />
zurück.<br />
Ihre Wohnung wird durch Bomben<br />
fast zerstört, trotzdem sie<br />
dort wohnen, noch lange nach<br />
dem Krieg. Ihr Mann ist schon<br />
vor langen Jahren gestorben, ihre<br />
Tochter Karin, die jetzt in ihrer<br />
Nähe wohnt,hilft,wenn sie sich,<br />
was selten vorkommt,nicht selbst<br />
helfen kann. Sie lebt immer noch<br />
allein in ihrer eigenen Wohnung<br />
44 LECHHAUSER GESCHICHTE(N), Band 28, <strong>November</strong> <strong>2016</strong>
HINTERGRUND<br />
und kümmert sich trotz des hohen<br />
Alters selbst um ihren Alltag.<br />
Stock benutzen<br />
Wöchentlich geht sie zumTurnen<br />
in die benachbarte TSG, besucht<br />
regelmäßig dieTreffen der Arbeiterwohlfahrt.Wichtig<br />
ist ihr auch<br />
nach wie vor die Teilnahme bei<br />
Veranstaltungen wie z.B.Bürgerversammlungen.<br />
Zu ihrem 101.<br />
Geburtstag haben die Stadtwerke<br />
eine lebenslange Freikarte für Bus<br />
und Bahn spendiert – zum Hundertsten<br />
hatte das eine Mitarbeiterin<br />
noch mit der Begründung<br />
verweigert,dass da jeder kommen<br />
könne. Anna Lang nutzt diese<br />
Freikarte sehr oft aus und ist auch<br />
heute noch in der Stadt unterwegs.<br />
Nach einem Sturz muss sie<br />
einen Stock benutzen, was sie –<br />
wie sie meint – „ein wenig behindert!“.<br />
Die„Affäre“<br />
Wie der OB bei einem Seniorennachmittag<br />
selbst gestand,ist Anna<br />
Lang seine „Affäre“. Durch<br />
Besuche bei runden Geburtstagen<br />
und auch ihren Besuchen bei Versammlungen<br />
ist ihr der Augsburger<br />
Oberbürgermeister bestens<br />
bekannt. Sie lernten sich kennen<br />
und schätzen.Als sie im Kommunalwahlkampf<br />
2014 zusammen<br />
mit ihm auf einem Wahlplakat<br />
erscheint, wird sie von manchen<br />
SPD-Genossen sehr kritisch gesehen.„Ich<br />
habe damit nicht die<br />
Partei, sondern Herrn Gribl unterstützt!<br />
Ich finde ihn gut!“ steht<br />
sie auch heute noch dazu. Auch<br />
für Politik interessiert sie sich<br />
nach wie vor,wählen zu gehen ist<br />
für sie eine Selbstverständlichkeit.<br />
Die Begegnungen mit Anna<br />
Lang sind nicht nur persönlich<br />
äußerst angenehm und anregend.<br />
Mit ihr begegnet man auch einem<br />
Stück gelebter Zeitgeschichte,authentisch,<br />
lebensnah und immer<br />
spannend.Man kann nur hoffen,<br />
dass noch viele Jahre bei guter<br />
Gesundheit folgen.<br />
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LECHHAUSER GESCHICHTE(N), Band 28, <strong>November</strong> <strong>2016</strong> 45
PARTYTIME<br />
SEIT 26 JAHREN PARTY IN LECHHAUSEN<br />
SamstagsfeiertAugsburg<br />
imOSTWERK!<br />
Nach diesem Motto geht hinter der feuerroten Fassade im Partnachweg<br />
jede Woche die Post ab. Wir schauen ein wenig hinter die Kulissen.<br />
Von Monika Saller<br />
Seit Anfang <strong>November</strong> geistern<br />
sie durchs Netz: Fotos von jungen<br />
Menschen mit halb skelettierten<br />
Gesichtern,böse blutenden Wunden,<br />
Vampirzähnen und allerlei<br />
gespenstischen Blicken.Doch was<br />
sich anhört wie der neueste Stephen-King-Schocker<br />
mit einem<br />
Schuss Stephenie Meyer, ist der<br />
Kreativität und Kunstfertigkeit<br />
des Augsburger Feiervolkes geschuldet.Es<br />
war mal wieder Halloween.In<br />
Lechhausen.Im OST-<br />
WERK. Einer der Party-Höhepunkte<br />
des Jahres.<br />
Konzept für<br />
jungeLeute<br />
Obwohl es bei Sonnenschein drinnen ganz still ist, fällt das Ostwerk mit seiner<br />
leuchtend roten Fassade sofort auf.<br />
Ein weiterer ist der jährlich zelebrierte<br />
Geburtstag des Hauses,<br />
den man dieses Jahr zum 26.Mal<br />
feiern konnte.Obwohl die frühere<br />
Betreiberin Sandy Hönig 2012<br />
nach 21 Jahren ihren Klub an die<br />
Münchner Kollegen der CRAFT<br />
Veranstaltungs AG,bestehend aus<br />
Florian Schönhuber und Dierk<br />
Beyer sowie fünf weiteren Gastronomen,<br />
übergeben hatte, blieb<br />
das OSTWERK, was es immer<br />
war:ein Ort,an dem man nächtelang<br />
feiern kann. Besonders junges<br />
Publikum bis etwa Mitte<br />
zwanzig zieht es in die ehemalige<br />
Fabrikhalle, die zum einen wunderbar<br />
mit öffentlichen Verkehrsmitteln<br />
zu erreichen ist und zum<br />
anderen seit Urzeiten mit einem<br />
Preiskonzept arbeitet, das jungen<br />
Leuten entgegenkommt: Der<br />
Eintritt beträgt sieben Euro und<br />
für fünf Euro Aufschlag bekommt<br />
man fünf Getränkebons<br />
dazu.<br />
46 LECHHAUSER GESCHICHTE(N), Band 28, <strong>November</strong> <strong>2016</strong>
PARTYTIME<br />
Lost In Music –<br />
seit Jahren<br />
ein Erfolg<br />
Wochentags ist es hier kühl, leise<br />
und ein wenig duster – fast als<br />
würde die Halle sich ausruhen für<br />
den nächsten Ansturm.Betriebsleiter<br />
Benny Uitz war schon einige<br />
Jahre im Klub an verschiedenen<br />
Positionen tätig, als man ihn<br />
fragte,ob er die Leitung übernehmen<br />
wolle. Weil ihm das OST-<br />
WERK ans Herz gewachsen war,<br />
hat er nun seit etwa zwei Jahren<br />
hier vor Ort die Fäden in der<br />
Hand und kümmert sich um die<br />
Vorbereitung für das jeweils<br />
nächste Wochenende. Da muss<br />
allerhand organisiert, für Nachschub<br />
gesorgt und bereitgestellt<br />
werden, bevor sich die Türen für<br />
das „Lost In Music“ öffnen und<br />
über die Nacht bis zu 1200 Besucher<br />
auf den Dancefloor strömen<br />
können.In früherenTagen richte-<br />
Bild: Markus Hupfauer<br />
Der Familiensalon<br />
im Norden Augsburgs<br />
Bild: Markus Hupfauer<br />
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LECHHAUSER GESCHICHTE(N), Band 28, <strong>November</strong> <strong>2016</strong> 47
PARTYTIME<br />
dem Finalentscheid. Inzwischen<br />
hat sich die Samstagsparty für das<br />
Stammpublikum als interessanteres<br />
Event herausgearbeitet. Die<br />
DJs Freddy, Andi Apitzsch,<br />
Short, Chris Dvorak und Tomcat<br />
– um nur einige zu nennen – sorgen<br />
in diesem Sinne für wummernde<br />
Bässe und gute Laune.<br />
Gespielt wird, was Spaß macht<br />
und aktuell die Leute von den<br />
Stühlen reißt. Davon gibt es ohnehin<br />
nicht viele, obwohl eine<br />
recht gemütliche Sofa-Lounge<br />
auch mal ein Päuschen zulässt.<br />
Hier steppt Samstagnacht<br />
der Bär: Die Bars im Ostwerk<br />
te man auch zahlreiche Konzerte,<br />
auch mit bekannten Künstlern,<br />
aus.<br />
Der älteste aktive Bandwettbewerb<br />
Deutschlands „Band des<br />
Jahres“ fand hier traditionell seinen<br />
krönenden Abschluss mit<br />
Immer in Betrieb sind auch die<br />
beiden Tischkicker,die an prominenter<br />
Stelle in der Halle platziert<br />
sind.Mehrere Bars im Inneren<br />
und ein Imbissstand vor dem<br />
Haus – hier bekommt der hungrige<br />
Partygänger Burger, Pommes,<br />
Frühlingsrollen – halten die Gäste<br />
fit bis fünf Uhr morgens.<br />
Etwa 30 Mitarbeiter an der Türe,<br />
den Bars und natürlich auch in<br />
den Toiletten, sorgen dafür, dass<br />
die Stimmung brodelt, aber nicht<br />
überkocht.20 weitere halten sich<br />
bereit als Ablösung – am nächsten<br />
Samstag, wo sich wieder viele<br />
„Lost In Music“ fühlen werden.<br />
Bild: Markus Hupfauer<br />
48 LECHHAUSER GESCHICHTE(N), Band 28,<strong>November</strong> <strong>2016</strong>
BRAUCHTUM<br />
NEUES TEAM SETZT DIE ERNTEDANKTRADITION FORT<br />
KunstausdenSchätzen<br />
derErnte<br />
Seit 29 Jahren wird in der Pfarrkirche St. Pankratius immer zu<br />
Erntedank ein wunderbares Kunstwerk gezeigt. In diesem Jahr dient<br />
die Heiligsprechung von MutterTeresa als Vorbild.<br />
Von Hans Blöchl<br />
Seit 1987 gibt es jedes Jahr zu<br />
Erntedank ein wunderbares<br />
Kunstwerk in der Pfarrkirche St.<br />
Pankratius zu bestaunen. Fleißige<br />
Hände bilden aus Tausenden von<br />
Samen und Körnern einen wunderbaren<br />
Körnerteppich. Nur im<br />
Jahr der Kirchenrenovierung<br />
konnte kein Teppich erstellt werden.<br />
Das Team, das sich bisher<br />
um Planung und Gestaltung bemüht<br />
hatte, ist glücklich, dass es<br />
die „Arbeit in jüngere Hände<br />
(und Knie) übergeben“ konnte.So<br />
wird dieseTradition fortleben.<br />
In diesem Jahr wurde als Motiv<br />
die Heiligsprechung von Mutter<br />
Teresa gewählt und in mühevoller<br />
Arbeit verwirklicht. Schon Monate<br />
vor Erntedank wird das Motiv<br />
entworfen und auf zwei Holzplatten<br />
aufgemalt. Der Unterbau<br />
muss gefertigt werden, weil das<br />
Bild sehr schwer werden wird.<br />
Erst dann kann das Legen des<br />
Motivs, vergleichbar mit einem<br />
Mosaik,beginnen.<br />
Statt Steinchen für Steinchen<br />
werden hier Körnchen für Körnchen<br />
und Samen für Samen gelegt.<br />
Reis und Pfefferkörner, Erbsen<br />
und Bohnen aller Art, Sonnenblumen-<br />
und Kirschkerne,<br />
Kürbiskerne und Linsen finden<br />
Verwendung. Wenn es keine geeigneten<br />
farblichen Körner oder<br />
Samen gibt müssen eben Reiskörnchen<br />
eingefärbt werden.<br />
Dem Erfindungsgeist sind keine<br />
Grenzen gesetzt. Und so entsteht<br />
in mühsamer monatelanger Arbeit<br />
das Kunstwerk,das dann die<br />
Kirchenbesucher erfreut.Die jungen<br />
Frauen, die jetzt die Verantwortung<br />
übernommen haben,setzen<br />
damit eine Tradition fort, die<br />
immerhin schon fast 30 Jahre besteht.<br />
Nur Körner und Samen werden für die großflächigen Bilder verwendet. Oben Mutter<br />
Teresa <strong>2016</strong>, unten das Motiv aus 2014.<br />
Fotos: Blöchl<br />
LECHHAUSER GESCHICHTE(N), Band 28, <strong>November</strong> <strong>2016</strong> 49
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der Nummer0821/5071-451<br />
Bescheid geben.<br />
Christine Karl aus der Schleiermacherstraße erzählte in<br />
den <strong>Lechhauser</strong> Geschichte(n) Nr. 18 von ihrer Kindheit.<br />
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