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Kritisches Handbuch zur Aufrüstung und Einsatzorientierung der Bundeswehr

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Im selben Jahr konfrontierte die Kohl-Regierung die<br />

Opposition auch mit dem ersten Einsatz weit außerhalb<br />

Europas. Ein Sanitätsverband <strong>der</strong> B<strong>und</strong>eswehr<br />

wurde <strong>zur</strong> Unterstützung <strong>der</strong> Blauhelmmission UNTAC<br />

nach Kambodscha geschickt. Dieser Einsatz war so<br />

niedrigschwellig, dass er keinen nennenswerten Wi<strong>der</strong>stand<br />

hervorrief.<br />

In den beiden folgenden Jahren folgte schließlich die<br />

entscheidende Kraftprobe. Im August 1993 erhielt die<br />

B<strong>und</strong>eswehr den Auftrag, im Rahmen von UNOSOM<br />

II die US-geführte internationale Militärintervention<br />

in Somalia zu unterstützen. Dieser Auslandseinsatz<br />

war wesentlich umfangreicher als die vorhergehenden.<br />

Der deutsche Unterstützungsverband bestand aus<br />

einem Nachschub- <strong>und</strong> Transportbataillon. Es wurden<br />

Fernmel<strong>der</strong>, Pioniere <strong>und</strong> Sanitäter entsandt. Insgesamt<br />

waren in neun Monaten r<strong>und</strong> 4.000 deutsche<br />

Soldaten im Einsatz. 1700 wurden dauerhaft in Belet<br />

Huen stationiert, einer abgeschiedenen Kleinstadt<br />

im Landesinnern. Der Einsatzort war gewählt worden,<br />

weil es sich um eine befriedete Gegend handelte. Die<br />

Kohl-Regierung wollte keine Toten riskieren, um den<br />

Wi<strong>der</strong>stand in Deutschland kleinzuhalten.<br />

Somalia <strong>und</strong> seine Hauptstadt Mogadischu waren<br />

vom Bürgerkrieg zerrissen. Seit 1992 grassierte eine<br />

Hungersnot im Land. Dies gab den Vorwand für das<br />

militärische Eingreifen. Der Militäreinsatz wurde als<br />

notwendige Begleitung zum Schutz ziviler humanitärer<br />

Aktivitäten dargestellt.<br />

Während die US-Truppen <strong>und</strong> ihre Verbündeten in<br />

<strong>der</strong> Hauptstadt Mogadischu in den innersomalischen<br />

Machtkampf eingriffen <strong>und</strong> sich schwere Kämpfe<br />

lieferten, blieb die genaue Aufgabe <strong>der</strong> deutschen<br />

Soldaten unklar. Der Verband, dessen Nachschub sie<br />

sichern sollten, eine indische Kampfbrigade, kam nie<br />

in Somalia an. Als Verlegenheitslösung ließ das B<strong>und</strong>esverteidigungsministerium<br />

die deutschen Soldaten<br />

Brunnen bohren. Ein langfristiges Konzept <strong>und</strong> eine<br />

politische Perspektive für diese Tätigkeit waren nicht<br />

vorhanden.<br />

Gut sechs Monate, nachdem die deutschen Soldaten<br />

in Belet Huen ihre Einsatzbereitschaft hergestellt hatten,<br />

zogen sie auch schon wie<strong>der</strong> ab. Gesamtkosten<br />

laut Verteidigungsminister Rühe: 310 Millionen DM. 29<br />

Davon waren „knapp drei Millionen Mark für humanitäre<br />

Leistungen ausgegeben worden. Der Rest war für<br />

die 1.700 Soldaten draufgegangen. Militär verursacht<br />

seine eigenen Kosten. Das Deutsche Rote Kreuz brachte<br />

in einem Jahr mit knapp zehn ausländischen Helfern<br />

<strong>und</strong> 100 somalischen Mitarbeitern dagegen Hilfe für<br />

fast zehn Millionen Mark, baute in <strong>der</strong> Region einen<br />

Ges<strong>und</strong>heitsdienst auf, machte Brunnen wie<strong>der</strong> nutzbar,<br />

half Schulen <strong>und</strong> unterstützte Frauengruppen.“ 30<br />

Der B<strong>und</strong>eswehr-Einsatz war vor allem innenpolitisch<br />

motiviert. Es ging darum, den Wi<strong>der</strong>stand aus den Reihen<br />

<strong>der</strong> SPD gegen die Entsendung deutscher Truppen<br />

außerhalb des NATO-Bündnisgebietes zu brechen. So<br />

trieb die CDU/CSU die SPD vor sich her. Diese organisierte<br />

keinen Wi<strong>der</strong>stand, son<strong>der</strong>n zog gemeinsam mit<br />

<strong>der</strong> FDP nach Karlsruhe vor das B<strong>und</strong>esverfassungsgericht<br />

(BVG), um die Rechtmäßigkeit <strong>der</strong> Out-of-area-<br />

Einsätze zu prüfen. Das BVG urteilte im Juli 1994. Es<br />

erklärte, die Einsätze auf dem Balkan <strong>und</strong> in Somalia<br />

seien verfassungskonform. Begründung: Out-of-area-<br />

Einsätze <strong>der</strong> B<strong>und</strong>eswehr seien ohne weiteres möglich,<br />

solange diese unter dem Dach „eines Systems<br />

kollektiver Sicherheit“ stattfänden. Es kann sich dabei<br />

um die UNO handeln, aber auch um „Bündnisse kollektiver<br />

Selbstverteidigung“ wie <strong>der</strong> NATO. Keine Rolle<br />

spielt, ob diese Bündnisse tatsächlich angegriffen<br />

worden sind.<br />

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