Kritisches Handbuch zur Aufrüstung und Einsatzorientierung der Bundeswehr
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Kaum im Amt nutzte Verteidigungsministerin Ursula<br />
von <strong>der</strong> Leyen die Gelegenheit, um sich in <strong>der</strong> NATO<br />
nach vorne zu drängen <strong>und</strong> „Verantwortung“ zu übernehmen.<br />
Der Konflikt mit Russland bietet die Möglichkeit,<br />
als europäische Führungsmacht vor <strong>der</strong> eigenen<br />
Haustür tätig zu werden –mit <strong>der</strong> Unterstützung <strong>der</strong><br />
USA im Rücken. Es handelt sich hier augenscheinlich<br />
um eine strategische Neuausrichtung. An <strong>der</strong> Orientierung<br />
auf Auslandseinsätze außerhalb des Nato-Bündnisgebietes<br />
wird festgehalten – von <strong>der</strong> Leyen hat<br />
diesbezüglich die Frequenz noch einmal erhöht. Doch<br />
daneben treten verstärkt Anstrengungen <strong>zur</strong> „Landes<strong>und</strong><br />
Bündnisverteidigung“ in Europa. Das ist faktisch<br />
die Vorbereitung auf einen möglichen Krieg mit Russland.<br />
Das Weißbuch 2016 reflektiert diese Neuausrichtung.<br />
Begonnen hat sie 2014. Alle Teilstreitkräfte <strong>der</strong><br />
B<strong>und</strong>eswehr sind daran beteiligt.<br />
Das Heer übernahm eine Führungsrolle beim Aufbau<br />
<strong>der</strong> sogenannten Nato-Speerspitze. In <strong>der</strong> Testphase im<br />
Jahr 2015 stellte die B<strong>und</strong>eswehr r<strong>und</strong> 2.700 Soldaten<br />
bereit, das heißt mehr als die Hälfte des Gesamtkontingents.<br />
Beteiligt waren vor allem das Panzergrenadierbataillon<br />
371 aus Marienberg (Sachsen) <strong>und</strong> das<br />
Deutsch-Nie<strong>der</strong>ländische Heereskorps aus Münster,<br />
wo zunächst auch <strong>der</strong> vorläufige Sitz <strong>der</strong> ultraschnellen<br />
Eingreiftruppe eingerichtet wurde. Die deutschen<br />
Kräfte des Multinationalen Korps Nord-Ost in Stettin<br />
wurden aufgestockt, da die Speerspitze künftig von hier<br />
ausgeführt werden soll. Bei dem Korps handelt es sich<br />
um eines <strong>der</strong> schnell verlegbaren Hauptquartiere <strong>der</strong><br />
NATO, das vom deutschen Heer in Zusammenarbeit mit<br />
polnischen <strong>und</strong> dänischen Streitkräften getragen wird. 78<br />
Auf ihrem Gipfel in Warschau 2016 beschloss die<br />
NATO auch die Vorverlegung von 4.000 Soldaten nach<br />
Polen <strong>und</strong> in die drei baltischen Staaten. Sie sollen<br />
rotieren, aber in jedem Land von je einem NATO-<br />
Mitglied geführt werden. Auch hier stellte sich die<br />
B<strong>und</strong>esregierung in die vor<strong>der</strong>ste Reihe. Deutschland<br />
übernimmt in Litauen fortan die Rolle als „Rahmennation“<br />
zusammen mit Norwegen, Belgien <strong>und</strong> den<br />
Nie<strong>der</strong>landen. Die B<strong>und</strong>eswehr wird in dem baltischen<br />
Staat an <strong>der</strong> russischen Grenze ein Bataillon mit r<strong>und</strong><br />
1.000 Soldaten führen.<br />
Auch die Luftwaffe ist im Rahmen des 2014 beschlossenen<br />
NATO-„Aktionsplans <strong>zur</strong> Reaktionsfähigkeit“ im<br />
Baltikum aktiv. Zu diesem Zweck wurde das seit NATO-<br />
Beitritt <strong>der</strong> baltischen Staaten stattfindende regelmäßige<br />
Air Policing verstärkt. Air Policing heißt sinngemäß:<br />
„auf Polizeistreife im Luftraum gehen“; „verstärktes“ Air<br />
Policing bedeutet, dass die eingesetzten Jagdflugzeuge<br />
nicht nur Präsenz zeigen, son<strong>der</strong>n mit voller Waffenladung<br />
ausgerüstet sind. Sie patrouillieren seit 2014 direkt<br />
an <strong>der</strong> Grenze zu Russland mit sofort einsetzbaren<br />
Luft-Luft-Lenkflugkörpern. Seit Beginn des Air Policing<br />
im Baltikum zählt Deutschland neben Polen <strong>und</strong> den<br />
USA zu den wichtigsten Truppenstellern. Im September<br />
2016 wird das Taktische Luftwaffengeschwa<strong>der</strong> 74 aus<br />
Neuburg das achte Mal für vier Monate auf die Luftwaffenbasis<br />
Ämari in Estland verlegt, um die Luftwaffe<br />
an<strong>der</strong>er NATO-Staaten abzulösen. Beteiligt sind an<br />
diesen Drohmissionen jeweils r<strong>und</strong> 200 Soldaten aus<br />
Luftwaffe <strong>und</strong> Streitkräftebasis <strong>der</strong> B<strong>und</strong>eswehr. Das<br />
Oberkommando für das Verstärkte Air Policing hat <strong>der</strong><br />
NATO-Führungsgefechtsstand am Luftwaffenstandort<br />
Kalkar/Uedem inne, das Combined Air Operations<br />
Centre Uedem (CAOC Uedem). Von dort aus erfolgt die<br />
logistische <strong>und</strong> organisatorische Koordination, gegebenenfalls<br />
auch die Entscheidung zu einem Waffeneinsatz.<br />
Den Anspruch als europäische Führungsmacht unterstreicht<br />
Deutschland seit Ausbruch des Konflikts<br />
mit Russland auch im Rahmen multilateraler Marine-<br />
Einsätze. Im April 2014 kündigte <strong>der</strong> damalige NATO-<br />
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