EJF-Lazarus Aktuell Zeitschrift der EJF-Lazarus Gesellschaft
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Kunst als Therapie und Prävention<br />
Schwerpunktthema<br />
Im schoepferischen Tun liegen Werte, die fuer die Persoenlichkeitsentwicklung von<br />
Menschen mit (geistiger) Behin<strong>der</strong>ung bedeutsam sind<br />
Anneliese Geesen<br />
Seit Anfang <strong>der</strong> 80er Jahre ist<br />
in <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>tenhilfe in<br />
Deutschland die Aufmerksamkeit<br />
für künstlerisches Gestalten<br />
als Ausdrucksform von Menschen<br />
mit (geistiger) Behin<strong>der</strong>ung<br />
gewachsen.<br />
Jenseits therapeutischer Zwecke<br />
wurden im schöpferischen Tun<br />
Werte erkannt, die für die Persönlichkeitsentwicklung<br />
von Menschen<br />
mit (geistiger) Behin<strong>der</strong>ung<br />
bedeutsam sind. Es entstanden<br />
eigenständige, ausdrucksstarke<br />
Werke, mit denen echte<br />
Anerkennung durch Künstler<br />
und Kunstwissenschaftler erlangt<br />
wurde. Kunstwerke von Menschen<br />
mit (geistiger) Behin<strong>der</strong>ung wurden<br />
europaweit prämiert und ausgestellt.<br />
Ausstellungen in <strong>der</strong><br />
DOCUMENTA und die Verleihung<br />
des EUWARD, eines europäischen<br />
Kunstpreises an Menschen<br />
mit (geistiger) Behin<strong>der</strong>ung<br />
sind Ausdruck für die mittlerweile<br />
erreichte Akzeptanz.<br />
Mit <strong>der</strong> Würdigung von Kunstwerken<br />
(geistig) behin<strong>der</strong>ter Menschen<br />
geht die Anerkennung ihrer<br />
persönlichen Ausdrucksform einher.<br />
Gerade weil Menschen mit<br />
(geistiger) Behin<strong>der</strong>ung durchweg<br />
als hilfeabhängig erlebt werden, ist<br />
diese Ausdrucksform so beeindruckend.<br />
In den unterschiedlichen<br />
Arbeitsfel<strong>der</strong>n <strong>der</strong> <strong>EJF</strong>-<br />
<strong>Lazarus</strong> Behin<strong>der</strong>tenhilfe spielt<br />
Kunst eine beachtliche Rolle. In<br />
den letzten Jahren sind verschiedene<br />
diesbezügliche Projekte durch-<br />
14<br />
<strong>EJF</strong>-<strong>Lazarus</strong> <strong>Aktuell</strong> 2/2005<br />
Schopferisches Tun<br />
jenseits<strong>der</strong><br />
aller Therapie<br />
geführt und auch öffentlichkeitswirksam<br />
dargestellt worden. Malen<br />
von Bil<strong>der</strong>n gehört ebenso dazu<br />
wie Theateraufführungen, Musikaufführungen,<br />
Bauen von<br />
Skulpturen – um nur einige Beispiele<br />
zu nennen. Auch grenzübergreifende<br />
Aktionen nach<br />
Polen gehören sozusagen „zum<br />
Repertoire“. Alle Beteiligten gemeinsam<br />
„begreifen“ im wahrsten<br />
Sinn des Wortes Material und<br />
Produkt, Sprachbarrieren werden<br />
durch das Tun überwunden!<br />
Anneliese Geesen<br />
Abteilungsleiterin Alten- und<br />
Behin<strong>der</strong>tenhilfe<br />
Malreise im Pastor-<br />
Braune-Haus<br />
„Malreise“ heißt ein Freizeit-<br />
Kunst-Projekt von Bewohnerinnen<br />
und Bewohnern des Pastor-<br />
Braune-Hauses in Berlin-Lankwitz.<br />
Realisiert werden konnte es<br />
dank <strong>der</strong> finanziellen Unterstützung<br />
durch die Kin<strong>der</strong>-in-Not-<br />
Stiftung für notleidende Kin<strong>der</strong> in<br />
Deutschland. Unter <strong>der</strong> fachkundigen<br />
Anleitung <strong>der</strong> Künstlerin<br />
und Kunsttherapeutin Jeanette<br />
Ahrens haben die Projektteilnehmer<br />
mit viel Engagement die zum<br />
Teil großformatigen Bil<strong>der</strong>rahmen<br />
selbst gebaut, selbst bespannt und<br />
selbst grundiert. Dann begann die<br />
„Malreise“ mit dem Pinsel über die<br />
Leinwand. Es entstanden farbenfrohe<br />
und ausdrucksstarke Werke.<br />
Diese sollen nun auch auf Reisen<br />
gehen und in Ausstellungen einer<br />
größeren Öffentlichkeit gezeigt<br />
werden.<br />
Ausstellung ”Kunst<br />
ohne Grenzen”<br />
Die Ausstellung „Kunst ohne<br />
Grenzen“ wird seit 19. September<br />
in Polen, im Rittersaal <strong>der</strong><br />
westpommerschen Wojewodschaftsverwaltung<br />
in Stettin (Szczecin)<br />
gezeigt. Die 36 eindrucksvollen<br />
Gemälde von Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen<br />
mit Behin<strong>der</strong>ungen<br />
und <strong>der</strong>en Betreuern sind ein<br />
Beitrag zum Deutsch-Polnischen<br />
Jahr 2005/ 2006. Später sollen sie<br />
auch in an<strong>der</strong>en polnischen Städten<br />
ausgestellt werden. Unter Fe<strong>der</strong>führung<br />
<strong>der</strong> <strong>EJF</strong>-<strong>Lazarus</strong> Behin<strong>der</strong>tenhilfe<br />
wurden im Jahr 2004<br />
sechs deutsche und sechs polnische<br />
Kin<strong>der</strong> mit zum Teil schweren Behin<strong>der</strong>ungen<br />
zu Projekttagen in<br />
die Uckermark eingeladen. Die<br />
Acrylbil<strong>der</strong> und Aquarelle entstanden<br />
unter Anleitung von professionellen<br />
Malerinnen.<br />
Fuer die Gestaltung <strong>der</strong> Skultpturen gab es “keine Anfor<strong>der</strong>ungen, keine Wertung,<br />
alles war richtig, nichts war falsch.” (Ruth Herrwerth, Sozialpaedagogin)<br />
Saulen<br />
Phantasie<br />
Die Bewohner im Lebensraum<br />
Biesdorf gestalten ihren Hof mit<br />
abstrakter Kunst<br />
Holz gesägt hat er und<br />
Zement gerührt. Olaf<br />
deutet mit den Händen<br />
an, was er alles gemacht hat.<br />
Erzählen kann er es nicht mehr.<br />
Aus dem Rollstuhl heraus streichelt<br />
er die nun fertige Skulptur.<br />
An einer Seite ist ein hölzerner<br />
Mini-Sprungturm angebracht. Das<br />
war seine Idee. Vielleicht hatte er<br />
dabei an früher gedacht, die Zeit<br />
vor dem Unfall. Zehn Jahre ist das<br />
jetzt her. „Auto…, Kurve…,<br />
Baum“, artikuliert Olaf mühsam.<br />
Damals war er 33. Seitdem lebt er<br />
in einer Wohngruppe für Menschen<br />
mit erworbener Behin<strong>der</strong>ung<br />
im Lebensraum Berlin-<br />
Biesdorf.<br />
Hier haben sich die insgesamt<br />
rund 40 Bewohner jetzt ihren Hof<br />
mit abstrakter Kunst verschönt:<br />
Drei Skulpturen-Gruppen, die<br />
aus je drei unterschiedlich großen<br />
Holzstämmen bestehen.<br />
Diese wurden dann mit beliebigen<br />
Holz- und Metallteilen versehen<br />
wie Rä<strong>der</strong>n und Ketten. Zugleich<br />
wurden Kacheln mit verschiedenen<br />
Motiven gestaltet und gebrannt.<br />
Sie zieren jetzt die Beton-<br />
Fundamente, die den Stämmen<br />
Halt geben. Die Idee für das<br />
Projekt hatte die Sozialpädagogin<br />
Ruth Herrwerth. Im Mai ging es<br />
mit den Arbeiten los. Das Grundkonzept<br />
zur Gestaltung brachte<br />
<strong>der</strong> Bildende Künstler Werner<br />
Ahring ein, <strong>der</strong> viel Erfahrung in<br />
<strong>der</strong> Kunsttherapie mit Menschen<br />
mit Behin<strong>der</strong>ungen hat.<br />
Am 9. September wurden die<br />
Skulpturen bei einem Hoffest<br />
feierlich enthüllt. „Wichtig war<br />
vor allem, dass je<strong>der</strong> frei gestalten<br />
konnte, was er wollte“, erläutert<br />
Frau Herrwerth das Projekt. „Es<br />
gab keine Anfor<strong>der</strong>ungen, keine<br />
Wertung, alles war richtig, nichts<br />
war falsch.“ So waren alle Bewohner<br />
mit Begeisterung bei <strong>der</strong><br />
Sache, je<strong>der</strong> trug so viel bei, wie er<br />
konnte. Und mancher hat eben<br />
nur zugeschaut.<br />
Radmilla, die überwiegend mit<br />
Holz gearbeitet hat, findet es<br />
schön, dass <strong>der</strong> Platz zwischen den<br />
Gebäuden jetzt nicht mehr so leer<br />
ist. Marcus erinnert sich noch lebhaft<br />
daran, wie er mitgeholfen hat,<br />
die Stämme zu schälen und dann<br />
die Fundamente zu betonieren.<br />
„Ich kam von <strong>der</strong> Arbeit, und<br />
dann ging es hier gleich weiter“,<br />
erzählt er noch ganz aufgeregt.<br />
„Manchmal zweimal die Woche.“<br />
Anstrengend sei es gewesen, doch<br />
es habe ihm sehr viel Spaß gemacht.<br />
„Wir konnten <strong>der</strong> Phantasie<br />
einfach freien Lauf lassen.“<br />
Automatisch kam es bei den<br />
Arbeiten auch zu Kontakten unter<br />
den einzelnen Wohngruppen.<br />
„Die Bewohner identifizieren<br />
sich jetzt noch mehr mit ihrer<br />
Einrichtung, weil sie hier etwas<br />
Eigenes gestaltet haben“, sagt<br />
Birgit Warnken, Leiterin <strong>der</strong><br />
Lebensräume Berlin. Jede <strong>der</strong><br />
sechs hier lebenden Gruppen<br />
durfte einen Namensvorschlag für<br />
die Skulpturen einbringen. Beim<br />
Hoffest entschieden alle Anwesenden<br />
in demokratischer Abstimmung:<br />
„Die Säulen <strong>der</strong><br />
Phantasie“ heißt die abstrakte<br />
Skulpturengruppe nun.<br />
<strong>EJF</strong>-<strong>Lazarus</strong> <strong>Aktuell</strong> 2/2005<br />
“Säulen<br />
<strong>der</strong> Phantasie”<br />
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