Leserbrief - Jugendclub Markersdorf-Haindorf
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Was soll der Staat alles leisten ...<br />
Die Schlagwörter<br />
der letzten Wochen<br />
und Monate<br />
in der tagespolitischen<br />
Diskussion<br />
waren und sind<br />
Reinhard Kern<br />
Pensionsreform,<br />
Gesundheitsreform,<br />
Verwaltungsreform, Finanzausgleich<br />
usw. Ich habe zu einzelnen<br />
Themen bereits an gleicher<br />
Stelle in den letzten Jahren wiederholt<br />
meine Meinung geäußert. Das<br />
Problem der Politik und vor allem<br />
der staatlichen Verwaltung besteht<br />
in der Tatsache, dass Personen,<br />
Anstalten, Behörden etc. mit einer<br />
umfassenden Reform ihre selbst<br />
geschaffenen Strukturen und<br />
Aufgaben in Frage stellen müssten.<br />
Dies widerspricht allerdings der<br />
Natur des Menschen an sich, der<br />
doch lieber Altes bewahrt, als Neues<br />
zu schaffen.<br />
Auch wenn viele Sachthemen sehr<br />
komplex und wie von einem ehemaligen<br />
Bundeskanzler festgestellt<br />
(nicht mehr alle Leser<br />
werden sich an Fred<br />
Sinowatz erinnern -<br />
muss man aber auch<br />
nicht), sehr kompliziert<br />
sind, darf man nicht den<br />
Blick auf das Gesamte<br />
verlieren. Die Politik<br />
macht meines Erachtens<br />
sehr oft den Fehler, die<br />
Dinge zu sehr im Detail<br />
vermitteln zu wollen<br />
und vergisst dabei, die<br />
Bevölkerung in den<br />
Köpfen mit auf den Weg<br />
zu nehmen. Im Grunde<br />
genommen sind viele<br />
politische Themen nicht<br />
so kompliziert und<br />
unlösbar, wie sie uns<br />
verkauft werden.<br />
<strong>Leserbrief</strong><br />
16<br />
... bzw. können wir uns diesen Staat leisten?<br />
Was sind nun die großen<br />
Herausforderungen an einen Staat<br />
wie Österreich, der sich der sozialen<br />
Marktwirtschaft verschrieben<br />
hat. Ein Beispiel: Die Leute werden<br />
laufend älter, bei gleichzeitig stagnierendem<br />
Nachwuchs und überproportionalem<br />
Ansteigen der<br />
Gesundheitsausgaben. Da liegt es<br />
wohl auf der Hand, dass unser klassisches<br />
Pensionssystem aus den<br />
Angeln gehoben wird und uns die<br />
Gesundheitskosten davonlaufen<br />
werden. Die Pensionsreform ist ein<br />
erster wichtiger Schritt - auch wenn<br />
ich ihn für zu klein erachte -, sollte<br />
aber zumindest für alle gelten<br />
(Stichwort Harmonisierung).<br />
Die Bundesregierung bzw. vor allem<br />
die Länder verstehen unter dem<br />
Begriff "alle" aber anscheinend<br />
etwas anderes. Sonst ist es nicht<br />
erklärbar, dass tausende Landesbedienstete<br />
sowie zahlreiche<br />
Politiker des Parlaments bzw. der<br />
Regierung von der Reform verschont<br />
bleiben.<br />
Vieles, was wir in der täglichen politischen<br />
Auseinandersetzung vorgesetzt<br />
bekommen, betrachte ich als<br />
Stückwerk. Echte Veränderungen in<br />
der Gesamt-struktur sind nur hin<br />
und wieder zu erkennen. Einen<br />
anfangs viel mutigeren<br />
Finanzminister Grasser hat man<br />
mittlerweile bestens ins System<br />
integriert und seinen Reformwillen<br />
von allen Seiten untergraben.<br />
Einsparungspotentiale werden nicht<br />
ausreichend genützt, Abgaben auf<br />
der anderen Seite mit wenig<br />
Phantasie erhöht. Vom angestrebten<br />
Nulldefizit hat man sich nach einmaligem<br />
Erreichen gleich wieder<br />
verabschiedet.<br />
Die alles entscheidende Frage, wie<br />
viel ein moderner Staat leisten bzw.<br />
wie viel in der Freiheit des einzelnen<br />
liegen soll, wird überhaupt nicht<br />
gestellt. Können bzw. wollen wir<br />
uns die Kosten der modernen High-<br />
Tech-Medizin für alle leisten?<br />
Dürfen wir nicht auch von der staatlichen<br />
Gesundheitsversorgung<br />
gewisse Lenkungsmechanismen (zB<br />
Selbstbehalte) oder risikogerechte<br />
Beiträge (z.B. für Personen mit<br />
besonders gefährlichen Hobbys)<br />
erwarten? Oder widerspricht das<br />
bereits dem Solidaritätsprinzip?<br />
Meines Erachtens könnte der Staat<br />
bei diesen Fragen von der<br />
Herangehensweise der privaten<br />
Krankenversicherung das eine oder<br />
andere lernen.<br />
Solange aber immer neue Gelder<br />
bereitgestellt werden, können sich<br />
die Verantwortlichen aus ihrer<br />
Verantwortung im Sinne einer nachhaltigen<br />
Entwicklung stehlen. Der<br />
Horizont reicht über die Legislaturperiode<br />
oftmals nicht hinaus. Vor<br />
allem die junge Generation wird<br />
diese Politik massiv zu spüren<br />
bekommen. Ich möchte aber nicht<br />
nur den Staat in seine Pflicht nehmen.<br />
Vor allem auch Interessensvertretungen<br />
wie die Gewerkschaft<br />
sind überhaupt nicht im Stande mit<br />
der Realität des demographischen<br />
Wandels umzugehen.<br />
Dabei spürt die Finanzierung des<br />
Gesundheitssystems bzw. in weiterer<br />
Folge des gesamten Staatsapparates<br />
jeder einzelne von uns täglich<br />
in der Brieftasche. Eine kleine<br />
"Milchmädchenrechnung" sei mir an<br />
dieser Stelle erlaubt: Von 100 Euro<br />
Bruttolohn bleiben nach Abzug von<br />
Sozialversicherung und Lohnsteuer<br />
bei einem österreichischen Durchschnittsverdiener<br />
rund 60 Euro.<br />
Diesen Nettolohn von 60 Euro verwendet<br />
man für die alltäglichen<br />
Haushaltskosten, die allesamt der<br />
10 bis 20%igen Umsatzsteuer unter-