Mittelstandsmagazin 01-2017
Neue Wege im Mittelstand: Einzelhandel geht online | E-Government: Deutschland verpasst den Anschluss | Handwerk stärken: Zurück zum Meister | "Digitales Entwicklungsland: Jens Spahn im Interview
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MIt:TITEL<br />
„Die Meisterpflicht<br />
abzuschaffen<br />
war ein großer<br />
Fehler. Wir leiden<br />
sehr darunter.“<br />
Zugangsvoraussetzung festzulegen. Generell gilt, dass wir Zugangsvoraussetzungen<br />
für die Berufe im Baugewerbe benötigen,<br />
damit nicht jeder einfach so einen Fliesenlegerbetrieb eröffnen<br />
kann“, fordert Pakleppa.<br />
Die Fliesenleger sind nur ein Beispiel von vielen Gewerken,<br />
für die sich die Handwerksnovelle negativ ausgewirkt hat. Zulassungsfrei<br />
ist beispielsweise auch das Uhrmacherhandwerk. Im<br />
Vergleich zu 2004 sind auch hier die Meisterprüfungen um die<br />
Hälfte zurückgegangen. „Wir haben die Abschaffung zum Anlass<br />
genommen noch mehr Werbung für den Meister zu machen. Denn<br />
dieser steht für höchste Qualität“, sagt Ernst Gottlieb, Präsident<br />
des Zentralverbands für Uhren, Schmuck und Zeitmesstechnik.<br />
Als Gottlieb während einer Japanreise den Uhrenhersteller Casio<br />
besuchte, war er von dessen Qualifikationsbezeichnungen begeistert.<br />
„Die niedrigste Qualifikationsstufe fing mit Gold an. Es<br />
ging weiter mit Platin, aber die höchste Auszeichnung wurde von<br />
den Japanern mit dem deutschen Begriff ‚Meister‘ bezeichnet“,<br />
erzählt Gottlieb.<br />
Negativfolgen für die Verbraucher<br />
Einer von diesen deutschen Meistern führt sein Uhren- und<br />
Juweliergeschäft in der bayerischen Stadt Mainburg. Albert Fischer<br />
ist Uhrmachermeister und Dozent an der Bayerischen<br />
Uhrmachermeisterschule in Würzburg. „Mit der Abschaffung der<br />
Meisterpflicht sind auch die Pflichtjahre zwischen Gesellen- und<br />
Meisterprüfung weggefallen“, sagt Fischer. Damit fehle vielen<br />
Gesellen die nötige praktische Erfahrung, die sie für die Meisterschule<br />
brauchen. Eine weitere Deregulierung des deutschen<br />
Ausbildungssystems hätte einen erheblichen Qualitätsverlust im<br />
Uhrmacherhandwerk zur Folge. „Während der Meisterschule erlernen<br />
die Gesellen nicht nur weiteres berufsbezogenes Wissen<br />
und praktische Fertigkeiten, sondern werden auch in betriebswirtschaftlichen<br />
Dingen geschult.“ Da sich nun auch Gesellen<br />
und Geringqualifizierte selbstständig machen könnten, fehle<br />
vielen dieses Wissen, um einen eigenen Betrieb zu führen. Manche<br />
würden sich dann verkalkulieren und müssten ihren Betrieb<br />
schnell wieder schließen, sagt Fischer.<br />
Von einer Wiedereinführung der Meisterpflicht hätten auch die<br />
Verbraucher viele Vorteile. „Ein praktisches Beispiel für die Vorteile<br />
eines Meisterbetriebes ist die Reparatur eines mechanischen Chronografen“,<br />
sagt Uhrmachermeister Fischer. „Diese Uhren besitzen<br />
eine komplizierte Technik und viele junge Gesellen sind mit dieser<br />
Arbeit zunächst überfordert.“ Auch Ofenbaumeister Andreas Löffler<br />
kann sich in diesen Schilderungen wiederfinden: „Oft kommen<br />
meine Mitarbeiter und ich auf die Baustelle und müssen uns zuerst<br />
der verpfuschten Vorarbeit widmen.“ Zugangsvoraussetzungen für<br />
handwerkliche Berufe seien deshalb auch für den Endverbraucher<br />
enorm wichtig. „Es geht nicht immer nur um Europa“, sagt Löffler.<br />
„Wir sind auch noch da.“<br />
•<br />
Katharina-Luise Kittler<br />
Redakteurin<br />
kittler@mit-bund.de<br />
twitter.com/k_luise<br />
Foto: Katharina-Luise Kittler<br />
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