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M&K 50. Jg. 2002/3 E 20039 F<br />

&<br />

HANS-BREDOW-INSTITUT<br />

<strong>Medien</strong><br />

<strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong><br />

Helmut Scherer / Werner Wirth<br />

Ich chatte – wer bin ich? Identität und Selbstdarstellung in<br />

virtuellen <strong>Kommunikations</strong>situationen<br />

Silvia Knobloch / Grit Patzig / Matthias Hastall<br />

„Informational Utility“ – Einfluss von Nützlichkeit auf selektive<br />

Zuwendung zu negativen und positiven Online-Nachrichten<br />

Nicola Döring<br />

Klingeltöne und Logos auf dem Handy: Wie neue <strong>Medien</strong> der<br />

Uni-Kommunikation genutzt werden<br />

Reihe<br />

„Klassiker der <strong>Kommunikations</strong>- und <strong>Medien</strong><strong>wissenschaft</strong> heute“<br />

Thomas Gebur<br />

Theodor W. Adorno: <strong>Medien</strong>kritik als Gesellschaftskritik<br />

Hermann-Dieter Schröder<br />

Chronik der <strong>Medien</strong>entwicklung in Deutschland 2001<br />

Nomos Verlagsgesellschaft<br />

Baden-Baden<br />

Die neue Rundfunk und Fernsehen


II<br />

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2. Umschlagseite


M&K 50. Jg. 2002/3<br />

HANS-BREDOW-INSTITUT<br />

<strong>Medien</strong><br />

<strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong><br />

&<br />

Redaktion:<br />

Joan Kristin Bleicher, Hardy Dreier, Uwe Hasebrink,<br />

Anja Herzog, Uwe Jürgens, Claudia Lampert, Christiane Matzen,<br />

Hermann-Dieter Schröder, Wolfgang Schulz, Jutta Simon,<br />

Ralph Weiß<br />

Nomos Verlagsgesellschaft<br />

Baden-Baden


M&K 50. Jahrgang 3/2002


BERICHTE<br />

Helmut Scherer / Werner Wirth Ich chatte – wer bin ich? Identität und Selbstdarstellung<br />

in virtuellen <strong>Kommunikations</strong>situationen . . . 337<br />

Silvia Knobloch / Grit Patzig / „Informational Utility“ – Einfluss von Nützlichkeit<br />

Matthias Hastall auf selektive Zuwendung zu negativen und positiven<br />

Online-Nachrichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359<br />

Nicola Döring Klingeltöne und Logos auf dem Handy: Wie neue<br />

<strong>Medien</strong> der Uni-Kommunikation genutzt werden 376<br />

LITERATUR<br />

Aufsatz Reihe „Klassiker der <strong>Kommunikations</strong>- und<br />

<strong>Medien</strong><strong>wissenschaft</strong> heute“<br />

Thomas Gebur Theodor W. Adorno: <strong>Medien</strong>kritik als Gesellschaftskritik<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402<br />

Besprechungen<br />

INHALTSVERZEICHNIS<br />

Daniela Ahrens Manfred Faßler: Netzwerke. Einführung in die<br />

Netzstrukturen, Netzkulturen und verteilte Gesellschaftlichkeit,<br />

München 2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423<br />

Joan Kristin Bleicher David Gauntlett (Hrsg.): Web.Studies. Rewiring<br />

media studies for the digital age. London 2001 . . . . 425<br />

Christiane Eilders Karsten Renckstorf / Denis McQuail / Nicholas Jankowski<br />

(Hrsg.): Television News Research. Recent<br />

European Approaches and Findings. Berlin 2001 . 426<br />

Ernest W. B. Hess-Lüttich Jens Wernecken: Wir und die anderen ... Nationale<br />

Stereotypen im Kontext des <strong>Medien</strong>sports. Berlin<br />

2000 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428<br />

Joachim R. Höflich Friedrich Krotz: Die Mediatisierung kommunikativen<br />

Handelns. Der Wandel von Alltag und sozialen<br />

Beziehungen, Kultur und Gesellschaft durch die<br />

<strong>Medien</strong>. Wiesbaden 2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430<br />

Wiebke Loosen Michael Kunczik /Astrid Zipfel: Publizistik. Ein<br />

Studienhandbuch. Köln/Weimar/Wien 2001 . . . . . 433<br />

Peter von Rüden Manfred Rexin (Hrsg.): Radio-Reminiszenzen. Erinnerungen<br />

an RIAS Berlin. Berlin 2002 . . . . . . . . . 435<br />

335


M&K 50. Jahrgang 3/2002<br />

Gerhard Vowe Pippa Norris: A Virtuous Circle. Political Communications<br />

in Postindustrial Societies. Cambridge<br />

2000 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437<br />

Rainer Winter Klaus Neumann-Braun / Stefan Müller-Doohm<br />

(Hrsg.): <strong>Medien</strong>- und <strong>Kommunikations</strong>soziologie.<br />

Eine Einführung in zentrale Begriffe und Theorien.<br />

München 2000 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439<br />

Wolfgang Wunden Felix Weil: Die <strong>Medien</strong> und die Ethik. Grundzüge<br />

einer brauchbaren <strong>Medien</strong>ethik. Freiburg 2001 . . . 441<br />

Zeitschriftenlese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 443<br />

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455<br />

CHRONIK<br />

Hermann-Dieter Schröder Chronik der <strong>Medien</strong>entwicklung in Deutschland<br />

2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461<br />

English abstracts and keywords . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 469<br />

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />

dieses Heftes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 471<br />

Hinweise für Autorinnen<br />

und Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473<br />

336


Ich chatte – wer bin ich?<br />

Identität und Selbstdarstellung in virtuellen <strong>Kommunikations</strong>situationen<br />

Helmut Scherer / Werner Wirth<br />

BERICHTE<br />

Mit dem Siegeszug des Internets scheint vielen das Konzept der Identität brüchig geworden<br />

zu sein. Untersuchungen zur Konstruktion der Identität in der virtuellen Realität<br />

betonten vor allem das freie Spiel mit virtuellen Identitäten und die Loslösung von<br />

der eigenen, im „real-life“ verhafteten Identität. Im vorliegenden Beitrag wird der Mythos<br />

vom freien Spiel mit Identitäten kritisch hinterfragt. Dazu wird zunächst der Begriff<br />

der Identität geklärt und von dem der Selbstdarstellung unterschieden. Davon ausgehend<br />

wird erörtert, welche Funktionen mit authentischen und nicht authentischen<br />

Selbstdarstellungen im Chat verbunden sein können. Im Anschluss daran werden die<br />

theoretischen Überlegungen mit Hilfe einer qualitativen und einer quantitativen Studie<br />

empirisch unterlegt. In beiden Studienteilen werden Nutzer eines bestimmten Chat-Forums<br />

untersucht. Dabei zeigt sich, dass der Ansatz, Chatten aus der Perspektive der Normalität<br />

zu untersuchen, durchaus fruchtbar ist. Die Unterscheidung zwischen Identität<br />

und Selbstdarstellung macht deutlich, dass viele Chatter eine authentische Selbstdarstellung<br />

auch dann pflegen, wenn sie bei einzelnen Identitätsmerkmalen die Unwahrheit<br />

sagen. Dies dient weniger dazu, die eigene Identität zu verlassen und in andere Identitäten<br />

zu schlüpfen, sondern hat vielmehr beziehungs- und kommunikationstaktische<br />

Gründe. Die Mehrzahl der Beteiligten ist daran interessiert, durch das Chatten Beziehungen<br />

aufzubauen, und ein gewisser Teil der Befragten hat ein großes Interesse daran,<br />

diese Beziehungen sogar in das normale Alltagsleben zu integrieren. Das Vorspiegeln<br />

falscher Identitätsmerkmale hat in diesem Kontext offenbar mehrheitlich die Funktion,<br />

die Beziehungschancen zu erhöhen, die man mitunter im Alltagsleben als defizitär erlebt.<br />

Keywords: Authentizität, Beziehung, Chat-Forum, Identität, Real-Life-Orientierung,<br />

Selbstdarstellung, Virtual-Life-Orientierung<br />

1. Identität in der Postmoderne<br />

Die Spät- und Postmoderne und besonders die für sie typischen gesellschaftlichen Individualisierungsprozesse<br />

werden häufig mit einer grundlegenden Identitätsproblematik<br />

in Verbindung gebracht (vgl. etwa Beck 1986; Giddens 1991; Glass 1993). Da vorgegebene<br />

soziale Lebensformen (Sippen, Stände, Zünfte, soziale Klassen) zunehmend verdrängt<br />

werden, werde dem Individuum zugemutet, ein „eigenes Leben zu führen“<br />

(Beck/Beck-Gernsheim 1994: 21). Eigene Positionen müssten folglich ständig aufs Neue<br />

gefunden, abgeglichen und überprüft werden. Dies könne zu inkohärenten, multiplen,<br />

fragmentarisierten oder Patchwork-Identitäten führen (vgl. Turkle 1999: 289; Glass<br />

1993; Gergen 1996).<br />

Virtuelle Räume werden oft zugleich als Ausdruck und Verstärker dieser Tendenzen<br />

gesehen. Pessimisten vermuten, dass es durch die für virtuelle Räume typischen Entgrenzungs-<br />

und Anonymisierungsmöglichkeiten schnell zu einer generellen Verunsicherung<br />

bis hin zu einem totalen Verlust der Identität kommen könne. Optimisten<br />

schreiben hingegen der virtuellen Realität gar therapeutische Wirkungen zu. Die Inszenierung<br />

multipler Identitätsfragmente wird als Heilstrategie für eine gestörte Identität<br />

337


M&K 50. Jahrgang 3/2002<br />

interpretiert. In dieser Tradition ist beispielsweise das Buch „Life on the Screen“ von<br />

Turkle (1995; 1999) zu sehen. Es erzählt von multiplen Online-Identitäten, einem Patchwork<br />

von identitätsrelevanten Persönlichkeitsaspekten, die alle im Selbst schlummern:<br />

„... wie jedes Unternehmen, so beherbergt auch jeder von uns einen Erbsenzähler, einen<br />

Visionär, einen Herzensbrecher, einen Fundamentalisten und ein wildes Kind“ (Turkle<br />

1999: 417). Turkle geht davon aus, dass im Cyberspace, losgelöst und unabhängig von<br />

der eigenen (körperlich-physikalischen) Präsenz, eine Vielzahl von neuen und spannend-fremdartigen<br />

Identitäten konstruiert werden könne, da sämtliche physischen<br />

Charakteristika (Aussehen, Stimmlage, Alter) leicht zu verheimlichen seien (vgl. z. B.<br />

Turkle 1999: 287). Ähnlich wie Turkle betonen auch eine Reihe anderer Autorinnen und<br />

Autoren bei der Beschreibung des Verhaltens in Chat-Räumen das freie Spiel mit Masken<br />

und virtuellen Identitäten sowie die Loslösung von der eigenen, im „Real-Life“ verhafteten<br />

Identität oder gar das Lügen und Täuschen (vgl. z. B. Rheingold 1994; Rötzer<br />

1996; Höflich 1999; Vogelgesang 2000; Donath 2000; aktuell Höflich/Gebhardt, 2001:<br />

32; zusammenfassend Döring 1999: 311). Häufiger als vielleicht vermutet, werden jedoch,<br />

oft sogar bei den selben Autoren, auch andere Aspekte thematisiert, die darauf<br />

schließen lassen, dass insbesondere bei einem Interesse an fortdauernden Beziehungen<br />

zwischen den Chat-Partnern authentische Identitätsaspekte in den Vordergrund rücken<br />

(vgl. etwa Döring 1999: 311; Gallery 2000; Schmidt 2000: 20; Bahl 1997: 100f.; Höflich/Gebhardt<br />

2001: 37f.).<br />

Offen bleiben vor allem zwei Aspekte:<br />

1. Häufig wird der theoretische Bezug der Spiel- oder <strong>Medien</strong>-Identitäten zum Selbst<br />

nicht geklärt. So schreibt beispielsweise Turkle (1999): Die unterschiedlichen virtuellen<br />

Identitäten seien „wie evokative Objekte, die etwas über das reale Selbst lehren“<br />

(Turkle 1999: 416) und die Online-Personae hätten eine gewisse „Ähnlichkeit mit<br />

dem Selbst“, aber auch dieses Selbst sei „weitgehend virtuell“ (Turkle 1999: 417). Im<br />

Kapitel „Identitätskrise“ beschreibt die Autorin, dass die Identität angesichts der<br />

vielfältigen Möglichkeiten der Selbstdarstellung und Selbstwahrnehmung im Internet<br />

allenfalls durch besondere Maßnahmen wie etwa die Konstruktion einer Homepage<br />

noch intakt bleiben kann. Ähnlich ambivalent sind auch Turkles Aussagen zur<br />

Wirkung des Chattens. Das Spiel mit den unterschiedlichen Identitäten in MUDs<br />

oder im Chat-Room könne therapeutische Wirkungen haben, es könne aber auch gefährlich<br />

werden. „Wir können in virtuellen Welten verloren gehen.“ (Turkle, 1999:<br />

438)<br />

2. Es ist weitgehend offen, wie verbreitet Täuschungsversuche, multiple, falsche oder<br />

verschwiegene Identitäten tatsächlich sind, bzw. umgekehrt, wie häufig man authentische<br />

Selbstbeschreibungen im Chat-Alltag findet und von welchen Bedingungen es<br />

abhängt, ob man im Chat täuscht oder eine authentische Selbstbeschreibung abgibt.<br />

Wir wollen beiden Fragen in diesem Beitrag nachgehen und untersuchen, wie Teilnehmer<br />

eines Chat-Forums mit der eigenen Identität umgehen. Dabei soll theoretisch und<br />

empirisch überprüft werden, wie tragfähig die Idee des freien Spiels mit Identitäten beim<br />

Chatten ist. Ausgehend von einer knappen Diskussion des Identitätsbegriffs und des<br />

Konzepts der Selbstdarstellung wird erörtert, welche Funktionen mit authentischen und<br />

nicht authentischen Selbstdarstellungen im Chat verbunden sein können und mit welchen<br />

identitätsbezogenen Motiven diese oder jene Form der Selbstdarstellung verknüpft<br />

ist. Im Anschluss daran versuchen wir, die theoretischen Überlegungen mit Hilfe einer<br />

qualitativen sowie einer quantitativen Studie empirisch zu unterlegen. In den Schlussbetrachtungen<br />

verorten wir unsere Ergebnisse wirkungs-, medien- sowie diffusionstheoretisch.<br />

338


2. Identität, Identitätsmanagement und Kommunikation<br />

Scherer / Wirth · Identität und Selbstdarstellung<br />

2.1 Unitäre versus multiple Identitätskonzeption<br />

Frühe Identitätstheorien wie Cooley (1902) oder Erikson (1980, original 1959) betonten<br />

vor allem Einheitlichkeit, Konsistenz und Kontinuität in der Betrachtung des Selbstbildes<br />

(vgl. auch Kraus/Mitzscherlich 1998). 1 Neuere Identitätstheorien beziehen hingegen<br />

auch Wahrnehmungen der eigenen Diskontinuität und Inkonsistenz in das Identitätskonzept<br />

mit ein (vgl. Bausinger 1978: 204; Haußer 1995; Marcia 1966, 1993). 2 Dem Menschen<br />

geht es bei der Auseinandersetzung mit seinem Selbst also nicht nur um die Stabilität,<br />

Konstanz und Kontinuität, sondern auch um die Verarbeitung biographischer<br />

Umbrüche oder um die Interpretation und Akzeptanz der Widersprüche im Selbst.<br />

Marcia (1966, 1993) verankert Identität in einzelnen Lebenswelten. Eine Gliederung der<br />

empirischen Befunde in die Bereiche Ausbildung/Beruf, Freunde, Partnerschaft/Familie<br />

und Einstellung/Ideologie eröffnet die Möglichkeit, dass Identität in den unterschiedlichen<br />

Bereichen auch je unterschiedlich hergestellt wird. Danach können stabile<br />

Identitäten einerseits und Identitätskrisen andererseits gleichzeitig in je unterschiedlichen<br />

Lebensbezügen existieren. Jeder dieser Identitätsaspekte kann nach Marcia (1966,<br />

1993) in einem Zustand der mehr oder weniger klaren inneren Verpflichtung sein. Eine<br />

starke innere Verpflichtung liegt vor, wenn das Selbst hinsichtlich eines bestimmten<br />

Aspekts zu einem Standpunkt gelangt ist, dem es sich verpflichtet fühlt. Eine geringe innere<br />

Verpflichtung liegt vor, wenn das Selbst sich gerade (re-)orientiert, d. h. einen bisherigen<br />

Identitätszustand hinterfragt oder aufzugeben bereit ist. Solche „krisenartigen“<br />

Identitätszustände erfordern aktive Identitätsarbeit, bis eine Stabilisierung des jeweiligen<br />

Identitätsaspekts erreicht wird (achievement). Marcia (1966, 1993) nennt den dann<br />

erreichten Zustand „erarbeitete Identität“.<br />

2.2 Identitätsmanagement und Selbstdarstellung<br />

Nach Mead (1973: 180ff.) ergibt sich Identität im Wesentlichen aus der Auseinandersetzung<br />

mit der Umwelt. Kontinuierlich werden Informationen (Beurteilungen, Reaktionen)<br />

der Anderen zum Selbst wahrgenommen und verarbeitet. Dabei wird dem sozial<br />

geformten „Me“ das aus sich heraus agierende „I“ gegenübergestellt. Die Identität entsteht<br />

dann im Prozess des Aushandelns der Innenperspektive („I“) mit der wahrgenommenen<br />

Außenperspektive („Me“). Krappmann (2000) spricht von einem zu leistenden<br />

„Balance-Akt“. Konkret entwickelt das Individuum aus der Interaktion und Kommunikation<br />

mit Anderen Vorstellungen darüber, wie es von diesen Anderen gesehen<br />

wird und integriert jene in sein Selbstbild.<br />

1 Besonders deutlich wird dies auch bei den Phasenmodellen von Erikson (1980), bei denen bestimmte<br />

Identitätsthematiken als jeweils dominant für bestimmte Lebensphasen angesehen werden.<br />

2 Frey und Haußer (1987: 3f.) unterscheiden drei verschiedene sozial<strong>wissenschaft</strong>liche Begriffe<br />

von Identität. Identität als von außen vorgenommene Zuschreibung von Merkmalen zu einem<br />

Subjekt, Identität als Kennzeichnung sozialer Systeme (etwa kulturelle Identität oder ethnische<br />

Identität). Für uns relevant ist lediglich der dritte Identitätsbegriff, der Identität als Selbstidentifizierung<br />

einer Person beschreibt. Auf die anderen beiden Konzeptualisierungen wird im Rahmen<br />

dieses Beitrags nicht eingegangen.<br />

339


M&K 50. Jahrgang 3/2002<br />

Verbindet man die Perspektiven von Mead (1973) und Marcia (1993), so wird deutlich,<br />

dass Identitätsarbeit sowohl die Verbindung der verschiedenen Identitätsaspekte<br />

der einzelnen Lebenswelten als auch die Herstellung eines verinnerlichten Identitätsstatus<br />

umfasst. Identitätsarbeit ist dann insofern ein integraler Bestandteil des Alltagslebens,<br />

als soziale Spiegelungen der eigenen Identität bzw. ihrer einzelnen Aspekte im<br />

täglichen Miteinander kaum zu vermeiden und letztlich Teil nahezu jeder Kommunikation<br />

sind. Die stetige Auseinandersetzung mit einzelnen Identitätsaspekten ist also keineswegs<br />

pathologisch. Identitätsarbeit muss mehr oder weniger für alle Identitätsaspekte<br />

in allen Identitätszuständen geleistet werden (vgl. Keupp/Höfer 1998; Keupp et al.<br />

1999: 109ff.; Kraus/Mitzscherlich 1998). Freilich sind nicht alle Aspekte zur gleichen<br />

Zeit wichtig. In einer Chat-Diskussion über Techno sind vorrangig die diesbezüglichen<br />

Identitätsaspekte (Musikstil, etwaige Gruppenzugehörigkeiten) für das Selbst (und seine<br />

Chat-Partner) relevant, während etwa das Alter und die damit zusammenhängenden<br />

Selbstbezüge ohne Bedeutung bleiben (vgl. auch Döring 1999: 258). Allgemein kann die<br />

Gesamtheit der Wahrnehmungs- und Verarbeitungsprozesse in den verschiedenen Lebenswelten<br />

sowie das Aushandeln zwischen Innen- und Außenperspektive auch als<br />

Identitätsmanagement bezeichnet werden (vgl. Kraus/Mitzscherlich 1998). 3<br />

Identitätsmanagement umschließt auch strategische Momente. Goffman (1969) legt<br />

ausführlich dar, dass Menschen darüber nachdenken, wie sie auf andere wirken und wie<br />

diese Wirkung gezielt gesteuert werden kann. Damit sind Aspekte der Präsentation der<br />

eigenen Identität angesprochen, die in der Psychologie unter dem Begriff der Selbstdarstellung<br />

erforscht werden. 4 Schlenker (1980) definiert Selbstdarstellung (im weiteren<br />

Sinne) als jene Aspekte der Eindruckslenkung (impression-management), bei denen es<br />

sich um selbstrelevante Eindrücke handelt. Darunter fällt eine große Bandbreite von<br />

Handlungen, angefangen von skrupellosen Manipulationen im Sinne des Machiavellismus-Konstruktes<br />

bis hin zu Versuchen, anderen ein authentisches Bild der eigenen Person<br />

zu vermitteln oder sich dem eigenen Selbstbild zu nähern (vgl. Schlenker 1980;<br />

Schütz 1991). Dabei kann zwischen assertiven und defensiven Verhaltensweisen unterschieden<br />

werden. Assertives Verhalten dient dem Aufbau und der Stützung der eigenen<br />

Identität, defensives Verhalten dem Schutz und der Wiederherstellung der Identität.<br />

Selbstdarstellung und Identität können somit als zwei Seiten einer Medaille begriffen<br />

werden. Während Identität ein „selbstreflexiver Prozess eines Individuums“ (Frey/<br />

Haußer 1987: 3f.) ist und sich in einem Gefühl der Übereinstimmung oder Nicht-Übereinstimmung<br />

des Individuums mit sich selbst und seiner Umgebung (vgl. Bausinger<br />

1978: 204) äußert, ist Selbstdarstellung ein darauf bezogenes, taktisches oder strategisches<br />

Verhalten.<br />

3 Wir wählen hier den Begriff des Identitätsmanagements, da Identitätsarbeit in der Literatur<br />

nicht einheitlich verwendet wird. Während Marcia (1966, 1993) Identitätsarbeit eher eng als<br />

konkreten Prozess der Herstellung des Zustands erarbeiteter Identität versteht, fassen andere<br />

Autoren den Begriff weiter. Kraus und Mitzscherlich (1998) schlagen den Terminus Identitätsmanagement<br />

vor.<br />

4 Identitätsforschung ist sowohl soziologisch als auch psychologisch geprägt. Während die Soziologie<br />

primär an den Identitätsperspektiven und ihren Wechselbeziehungen interessiert ist,<br />

beschäftigt sich die psychologische Identitätsforschung vor allem mit den psychischen Identitätskomponenten.<br />

Diese sind das Selbstkonzept, das Selbstwertgefühl und die Kontrollüberzeugung<br />

(vgl. Frey/Haußer 1987; Haußer 1995).<br />

340


Scherer / Wirth · Identität und Selbstdarstellung<br />

2.3 Identitätsmanagement und Kommunikation<br />

Identitätsmanagement und Selbstdarstellung sind ohne Kommunikation nicht denkbar.<br />

Vielmehr ist Kommunikation von entscheidender Bedeutung (Mead 1973: 184). So ist es<br />

hochplausibel, dass die formalen, technischen und inhaltlichen Charakteristika von<br />

<strong>Kommunikations</strong>prozessen einen zentralen Einfluss sowohl auf das Identitätsmanagement<br />

als auch auf die Praktiken der Selbstdarstellung haben.<br />

Mit den neuen <strong>Kommunikations</strong>angeboten wie dem Chat oder den virtuellen Spielwelten<br />

ist eine erhebliche Entgrenzung der kommunikativen Optionen verbunden<br />

(Husmann 1998: 52; Döring 1999), die spezifische Praktiken der Selbstdarstellung erlaubt.<br />

In der Literatur wird in diesem Zusammenhang meist der Wegfall des Körperlichen<br />

hervorgehoben (vgl. z. B. Turkle 1999; Whitley 1997), d. h. eben die nachprüfbaren<br />

Merkmale der Identität lassen sich nicht mehr bzw. nicht mehr so einfach und so<br />

schnell wie bei einer Face-to-Face-Begegnung überprüfen. Entsprechend stark wird in<br />

der Literatur denn auch über Versuche berichtet, diese Form der Entgrenzung zu nutzen,<br />

um spielerisch oder mit ernsten Absichten <strong>Kommunikations</strong>partner zu täuschen<br />

(vgl. Turkle 1999; Schmidt 2000; Donath 2000; Höflich/Gebhardt 2001). Das Forschungsinteresse<br />

an der Abweichung vom Normalen und Traditionellen ist sicherlich<br />

gerechtfertigt. Allerdings scheint uns eine allzu einseitige Betonung dieser Aspekte vorschnell.<br />

Sie verdeckt andere, näher liegende Praktiken der Selbstdarstellung in virtuellen<br />

Räumen, die zudem möglicherweise auf eine größere Zahl an Nutzerinnen und Nutzern<br />

zutreffen.<br />

Mindestens zwei Gründe können für dieses Argument angeführt werden: Erstens findet<br />

die medienspezifische Entgrenzung auch auf anderen, weniger beachteten Ebenen<br />

statt. Die Ein- und Austrittskosten in den <strong>Kommunikations</strong>prozess sind gering. Relativ<br />

mühelos kann man sich in ein Gespräch einschalten und wieder ausklinken. Man hinterlässt<br />

zwar Spuren, kann aber nicht aufgespürt werden. Die geographischen Entfernungen<br />

werden bedeutungslos. Damit erhöht sich die Zahl möglicher <strong>Kommunikations</strong>partner<br />

immens. Mit geringerem Aufwand als in der Wirklichkeit können mehr geeignete<br />

<strong>Kommunikations</strong>partner gefunden bzw. die Beziehung zu ihnen gepflegt werden.<br />

In diesem Licht erscheint das Chatten „lediglich“ als technische Verlängerung von<br />

auch im Alltag bekannten Praktiken.<br />

Zweitens – und vielleicht weniger trivial – sind dauerhaft nicht-authentische, d. h. entscheidend<br />

veränderte, ständig wechselnde oder auch fehlende Selbstdarstellungen, nicht<br />

funktional und dauerhaft kaum aufrecht zu erhalten. Solchen „Pseudo-Selbstdarstellungen“<br />

steht keine genuin entwickelte und in einer entsprechenden Sozialisierung verankerte<br />

Identität gegenüber. Konversation unter diesen extremen Umständen wird auf<br />

Dauer kaum zufrieden stellen können, da ja nicht wirklich das Selbst kommuniziert. Die<br />

zur Pseudo-Selbstdarstellung passende Identität muss in allen kommunikativen Handlungen<br />

mühsam mitgedacht werden. Whitley (1997) wendet sich dezidiert gegen die Vorstellung,<br />

dass eine neue, unabhängige Identität konstruiert werden könne, wenn die Beschränkungen<br />

entfallen, welche die Offenkundigkeit des Körperlichen im wirklichen Leben<br />

mit sich bringt. Langfristige Verstellung sei nur schwer möglich, da sie erstens mit<br />

einem hohen Aufwand verbunden, zweitens mit dem steigenden Risiko der Enttarnung<br />

verhaftet und drittens mit einem niedrigen <strong>Kommunikations</strong>nutzen verknüpft sei.<br />

Wynn und Katz (1997) argumentieren ebenfalls gegen die postmoderne Perspektive<br />

einer spielerischen, fragmentierten und dekontextuierten Identität. Sie plädieren für die<br />

Anbindung des Cyberspace-Diskurses an die traditionellen Theorien zur sozialen Interaktion<br />

bzw. zur Ethnomethodologie (z. B. Berger & Luckmann 1967; Garfinkel 1984;<br />

341


M&K 50. Jahrgang 3/2002<br />

Goffman 1969 und Whitley 1997). Im Gegensatz zu den Annahmen Turkles seien Menschen<br />

stets bemüht, Kohärenz und Struktur in ihre Erfahrungen zu bringen, um so ein<br />

Höchstmaß an Interpretationssicherheit in ihren kommunikativen Beziehungen zu erringen<br />

(vgl. Wynn/Katz 1997).<br />

Damit soll nicht gesagt sein, dass es keine vorgetäuschten Identitäten im Chat gibt<br />

bzw. dass das Spiel mit Identitäten für niemanden Nutzen bringen könnte. Natürlich<br />

kann die Virtualität dazu dienen, mehr und verschiedenartigere Rollen einzunehmen als<br />

dies in persönlicher Kommunikation möglich ist. Es mag durchaus Chatter mit einer<br />

tatsächlich multiplen Identität geben. Die in der Literatur referierten Einzelbeispiele belegen<br />

dies. Allerdings erscheint es auf der Basis der vorgestellten Theorien und Argumente<br />

kaum plausibel, dass dies den Normalfall beim Chatten darstellt. Dazu nimmt die<br />

Authentizität eine zu große Rolle für langfristig angelegte <strong>Kommunikations</strong>beziehungen<br />

ein. Im Folgenden werden wir erläutern, unter welchen Bedingungen authentische<br />

Selbstdarstellungen zu erwarten sind, und wir werden das Verhältnis von Authentizität<br />

zur partiell maskierten Selbstdarstellung etwas eingehender beleuchten. Dabei wird sich<br />

zeigen, dass selbst partielle Täuschungen nichts mit der Konstruktion einer fremden<br />

oder falschen Identität zu tun haben müssen, sondern vielmehr mit dem Paradigma der<br />

authentischen Selbstdarstellung verträglich sind.<br />

3. Strategien der authentischen und nicht-authentischen Selbstdarstellung im<br />

Chat<br />

Als authentisch verstehen wir eine Selbstdarstellung dann, wenn sie im Kern mit dem<br />

wahrgenommenen Selbst übereinstimmt. Konkret bedeutet Authentizität also nicht unbedingt<br />

die intersubjektiv nachprüfbare Offenlegung aller Identitätsaspekte, sondern<br />

dass vom Individuum selbst keine Kluft zwischen der Selbstdarstellung und den im Augenblick<br />

wichtigen Aspekten der Identität empfunden wird. Die Beschreibung einzelner<br />

Charakteristika einer Person wie Name, Alter, Geschlecht, Größe etc. muss also<br />

nicht in jedem Fall mit der authentischen Selbstbeschreibung übereinstimmen. Fühlt<br />

sich ein 50-Jähriger so jung wie ein 30-Jähriger, so ist das nachprüfbar wahre Alter nicht<br />

authentisch und ist umgekehrt das authentisch wahre Alter nicht intersubjektiv nachprüfbar.<br />

Kurz: Es geht um eine größtmögliche Übereinstimmung zwischen Selbstdarstellung<br />

und der eigenen, wahrgenommenen Identität. Diese Definition und die Erläuterungen<br />

des letzten Kapitels werfen ein neues Licht auf die Selbstdarstellung im Internet.<br />

Möglicherweise ist die virtuelle Realität weit weniger von multiplen Identitäten und<br />

körper- bzw. identifikationslosen Wesen bevölkert als bislang angenommen. Vorliegenden<br />

Befunden zufolge stoßen Täuschungen und Maskierungen in Chat-Foren dann<br />

auf Probleme, wenn es zu persönlichen, nicht-virtuellen Kontakten kommt oder solche<br />

Kontakte von den Chat-Partnern geplant werden (vgl. z. B. Bahl 1997). Daraus lässt sich<br />

schlussfolgern, dass zumindest die an der Beziehungsanbahnung und -pflege orientierten<br />

Chatter an einer weitgehend authentischen Selbstdarstellung nicht vorbeikommen.<br />

Beziehungen sollen geknüpft oder gehalten bzw. ganz einfach „gelebt“ werden. Für<br />

solche Zwecke ist eine möglichst authentische und an der Nachprüfbarkeit orientierte<br />

Selbstbeschreibung funktional. Zugespitzt: Zur Sicherung kommunikativer Beziehungen<br />

müssen Identitätsdarstellungen weitgehend authentisch sein. 5 Dies eröffnet den<br />

5 Die eingeforderte Authentizität widerspricht nur vordergründig den Thesen Goffmans, wo-<br />

342


Scherer / Wirth · Identität und Selbstdarstellung<br />

Raum für zwei theoretisch plausible Idealtypen authentischer Selbstdarstellung, die im<br />

Folgenden beschrieben werden.<br />

3.1 Real-Life-Beziehungsorientierung und „objektiv“-authentische Selbstdarstellung<br />

Wie weit reichend die Selbstdarstellung mit „objektiven“ Merkmalen übereinstimmen<br />

muss, hängt unter anderem davon ab, wie zentral diese Merkmale für die Definition der<br />

Kommunikation bzw. der darauf aufgebauten Beziehung sind und wie leicht sie sich<br />

überprüfen lassen. Vor allem aber hängen sie davon ab, ob die Beziehung sich in absehbarer<br />

Zukunft auf den virtuellen Raum beschränkt oder aber auch off-line, also in der<br />

Realität besteht bzw. dort fortgeführt werden soll. Eine „objektiv“-authentische Selbstdarstellung<br />

wird umso wichtiger, je weniger sich die kommunikativen Beziehungen auf<br />

den virtuellen Raum beschränken (sollen). In solchen Fällen ist eine völlig „objektiv“authentische<br />

Selbstdarstellung funktional. Bestimmte, vor allem äußerliche Aspekte von<br />

Identität müssen dann authentisch beschrieben werden. Die Strategien der Selbstdarstellung<br />

orientieren sich also an den Anforderungen, die sich aus der Gestaltung der Beziehung<br />

außerhalb des Chat-Rooms ergeben. Wir können daher auch von einem reallife<br />

bezogenen Identitätsmanagement sprechen.<br />

3.2 Virtual-Life-Beziehungsorientierung und „quasi“-authentische Selbstdarstellung<br />

Eine weniger umfassende „objektive“ Authentizität ist in solchen <strong>Kommunikations</strong>situationen<br />

erforderlich, die absehbar lediglich im virtuellen Raum fortgesetzt werden<br />

sollen. Diese Form der Selbstdarstellung nennen wir „quasi“-authentisch. Wir werten<br />

sie immer noch als (im weiteren Sinne) authentisch, weil auch hier Identitäten nicht<br />

beliebig gewechselt werden können, sondern Authentizität, Kontinuität und Konsistenz<br />

der Selbstdarstellung unverzichtbar sind und gewollt sein müssen, damit die<br />

virtuelle <strong>Kommunikations</strong>beziehung lebensfähig wird. Im Unterschied zur „objektiv“-authentischen<br />

werden bei der „quasi“-authentischen Selbstdarstellung jedoch einzelne<br />

Charakteristika der Identität modifiziert oder verheimlicht. Es handelt sich dabei<br />

um solche Veränderungen, die entweder für die jeweilige <strong>Kommunikations</strong>situation<br />

funktional sind (Motiv: Nutzenmaximierung) oder aber dem eigenen Selbstideal besser<br />

entsprechen (Motiv: Idealisierung) (vgl. Döring 1999). Im ersten Fall erhöht die Täuschung<br />

zum Beispiel die Akzeptanz der Chat-Partner. Kinder machen sich älter, damit<br />

sie im Chat ernst genommen werden. Im anderen Fall dient die Modifikation der Verdeutlichung<br />

der „wahren Identität“ („da kann ich endlich ich sein“). Eine Frau gibt<br />

sich im Chat weniger gehemmt als sie im wirklichen Leben ist. „Fast so, als wäre ich<br />

ich selbst, aber das ist natürlich paradox. Ich fühle mich eher so, wie ich zu sein wünsche“<br />

(Turkle 1999: 288). Die nicht-authentischen Aspekte sind jedoch keine Fremdkörper,<br />

sondern im Sinne einer Aneignung verinnerlicht. Ihnen, nicht den objektiven<br />

Fakten, fühlt man sich innerlich verpflichtet. Die partiale Täuschung verleiht der Identität<br />

(bzw. dem gerade relevanten Ausschnitt) eine erhöhte innere Konsistenz. Noch<br />

deutlicher: Man fühlt sich befreit, man ist endlich so, wie man sich eigentlich fühlt.<br />

nach wir „alle Theater spielen“. Vielmehr betont auch Goffman mehrfach die relative Übereinstimmung<br />

der Inszenierung mit dem Selbst, z. B.: „das inszenierte Selbst ist ein Produkt einer<br />

erfolgreichen Szene, und nicht die Ursache“ (Goffman 1969: 231, auch 222, 19f.).<br />

343


M&K 50. Jahrgang 3/2002<br />

Wichtig ist, dass man die Täuschung zwar bewusst unternimmt, sie aber nicht als<br />

Betrug wahrnimmt. Sie passt zur eigenen Identität, sie korrigiert lediglich kleine Unstimmigkeiten.<br />

Da diese Form der Selbstdarstellung zwar nicht ausschließlich, aber<br />

vorrangig in virtuellen Beziehungen möglich und sinnvoll ist, können wir auch von einem<br />

auf das virtuelle Leben bezogenen Identitätsmanagement sprechen.<br />

3.3 Identitätsarbeit und nicht-authentische Selbstdarstellung<br />

Von den beiden dargestellten Typen unterscheidet sich die nicht-authentische Selbstdarstellung<br />

grundlegend. Sie liegt dann vor, wenn die Verstellung der Identität radikaler<br />

oder umfassender ist. Die verstellten Aspekte werden vom Selbst klar als fremdartig<br />

und nicht oder zumindest nicht vollständig als zur eigenen Identität gehörig erlebt. Im<br />

Gegensatz zur authentischen Selbstdarstellung dürfte bei der nicht-authentischen<br />

Selbstdarstellung die Anbahnung oder Pflege dauerhafter Beziehungen nur selten im<br />

Zentrum der Interessen stehen. Stattdessen vermuten wir, dass die Arbeit an der eigenen<br />

Identität im Vordergrund der Selbstdarstellung steht und die Kommunikation mit<br />

den Chat-Partnern nur Mittel zum Zweck darstellt. Wiederum sind verschiedene Untertypen<br />

plausibel. Da eine differenzierte Analyse dieser Form der Selbstdarstellung<br />

nicht im Fokus der vorliegenden Arbeit steht, werden wir die Diskussion hier nicht<br />

weiter vertiefen.<br />

4. Methode<br />

Mit den Daten aus einer qualitativen und einer quantitativen Untersuchung zum Chat-<br />

Verhalten soll nun versucht werden, die beiden Authentizitätsgruppen – „objektiv“-authentische<br />

und „quasi“-authentische Selbstdarstellung – empirisch zu identifizieren und<br />

ihre unterschiedlichen Orientierungen aufzuzeigen. Die qualitative Teilstudie war eine<br />

persönliche Leitfadenbefragung und die quantitative eine Online-Befragung. Beide Erhebungen<br />

wurden im Rahmen eines zweisemestrigen Werkstattseminars am Institut für<br />

Journalistik und <strong>Kommunikations</strong>forschung in Hannover zum Thema „Soziale Aspekte<br />

der Internetnutzung“ durchgeführt. Bei der qualitativen Leitfadenstudie wurden 16<br />

Personen befragt, die alle Erfahrung mit Chatten hatten. Diese Personen wurden zum<br />

Teil über direkte und indirekte persönliche Kontakte rekrutiert, zum anderen Teil wurden<br />

Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei einem Stammtisch zu dem in der Region Hannover<br />

sehr erfolgreichen Chat-Forum ffn funcity gewonnen. Die Online-Befragung<br />

wurde im bereits erwähnten Chat-Forum ffn funcity durchgeführt. Bei dieser Online-<br />

Befragung (Feldzeit etwa 2 Wochen im Winter 2001) wurden 1.703 Befragte rekrutiert.<br />

Das Alter der Befragten variierte zwischen 10 und 83 Jahren. Die Befragten waren mehrheitlich<br />

eher jung: 54 Prozent waren unter 20 Jahre, 82 Prozent unter 30 Jahre alt. Dazu<br />

passt, dass 47 Prozent der Befragten noch zur Schule gingen. Stark vertreten waren daneben<br />

auch die Vollzeit-Berufstätigen (27 Prozent). Der Rest verteilte sich auf Auszubildende<br />

(10 Prozent), Studenten (6 Prozent), Teilzeit-Berufstätige (6 Prozent) und Andere<br />

(6 Prozent). Mehr als die Hälfte der Befragten (57 Prozent) war weiblich.<br />

Das untersuchte Chat-Forum ffn funcity hat einen eigenen Charakter. Es ist gestaltet<br />

wie eine virtuelle Stadt. In dieser Stadt gibt es verschiedene Begegnungsstätten wie Cafés<br />

oder Kneipen. Man kann dort Wohnungen anmieten, in denen man Bilder aufhängen<br />

und Besuch empfangen kann. Die Chatter in ffn funcity unterscheiden deutlich zwischen<br />

besseren und schlechteren Wohngegenden. Das Chat-Forum ist sehr erfolgreich; die<br />

meisten der von uns befragten Chatter bewerten die Qualität des Chat-Forums als gut<br />

344


Scherer / Wirth · Identität und Selbstdarstellung<br />

oder sehr gut. 6 Die besondere Infrastruktur und Topologie von ffn funcity spiegelt sich<br />

auch bei seinen Nutzern: Ein Drittel der Befragten gab an, ausschließlich bei ffn funcity<br />

zu chatten.<br />

5. Ergebnisse<br />

Wir haben den Titel dieses Beitrags als Frage formuliert und damit an die Überlegungen<br />

angeknüpft, Chatten erlaube ein mitunter riskantes Spiel mit Identitäten, bei dem der<br />

Chatter mal neckisch verspielt, mal ahnungsvoll besorgt fragt: „Wer bin ich?“. Unsere<br />

Daten legen eine ziemlich einfache und dennoch stupende Antwort auf diese Frage nahe:<br />

Der Chatter ist zunächst einmal „ganz er selbst“. Besonders prägnant hat dies einer unserer<br />

Probanden in den qualitativen Interviews ausgedrückt. Auf die Frage, als welche<br />

Person er im Chat aufgetreten sei, antwortete er kurz und bündig: „Ich bin als mich aufgetreten.“<br />

Auch die Ergebnisse der Online-Befragung machen deutlich, dass die meisten<br />

Befragten der Meinung sind, beim Chat ein wirklichkeitsgetreues Bild von sich zu zeichnen,<br />

das sich von ihrem Verhalten in Alltagssituationen nicht unterscheidet. So erhält die<br />

Vorgabe „Beim Chatten gebe ich mich genauso wie im normalen Leben“ deutlich höhere<br />

Zustimmungswerte als die gegenteilige Formulierung „Beim Chatten beschreibe ich<br />

mich anders als ich wirklich bin“. Auf einer Skala von 1 („trifft überhaupt nicht zu“) bis<br />

5 („trifft voll und ganz zu“) erreicht die erste Vorgabe einen Mittelwert von 3,85, die<br />

zweite einen deutlich geringeren durchschnittlichen Zustimmungswert von 1,85 (vgl.<br />

Tab. 1).<br />

Auf der von uns im theoretischen Teil begründeten Gegenüberstellung von Authentizität<br />

und Nicht-Authentizität verortet sich also die überwiegende Mehrzahl der Befragten<br />

im Bereich der Authentizität. 7 Dies gilt auch dann, wenn bestimmte äußere<br />

Merkmale der Identität von der gleichen Person in unterschiedlicher Form verwendet<br />

werden. So weist etwa der in der Literatur oft diskutierte häufige Wechsel von Nicknames<br />

nicht notwendigerweise auf unterschiedliche Identitätsentwürfe hin. Zwei Zitate<br />

aus den qualitativen Interviews sollten dies deutlich machen.<br />

Interviewzitate:<br />

„Nein, es gibt halt meinen Nick. Aber hinter der Person, die ich da gebe, bin halt ich.<br />

(...). Ich verstell mich nicht in irgendwelchem Sinn halt.“<br />

„(...), wenn mich einer fragt, wie alt bist du, wo kommst du her, wie siehst du aus, was<br />

ja so die Standardfragen sind, dann erzähle ich nicht auf einmal irgendwas anderes,<br />

weil mein Nick ein anderer ist.“<br />

6 Auf einer Skala von 0 („gefällt nicht“) bis 10 („gefällt sehr gut“) kreuzten 75 Prozent der Befragten<br />

Skalenwerte zwischen 8 und 10 an, der Mittelwert lag bei 8,28 Skalenpunkten. Wir danken<br />

den Betreibern von ffn funcity sehr herzlich für ihre Kooperationsbereitschaft.<br />

7 Nimmt man bei der Vorgabe „Beim Chatten gebe ich mich genauso wie im normalen Leben.“<br />

nur die Skalenpunkte 4 und 5, dann sind es zwei Drittel der Befragten, die mehr oder weniger<br />

deutlich sagen, dass sie sich im Chat genauso verhalten wie im normalen Leben, also eine authentische<br />

Selbstdarstellung zeigen. Das bedeutet aber im Umkehrschluss, dass ein Drittel der<br />

Befragten dieser Aussage nicht so explizit zustimmt. 13 % (Skalenpunkte 1 und 2) lehnen diese<br />

Aussage für sich eher ab. Und 12 % (Skalenpunkte 4 und 5) geben an, sich beim Chatten anders<br />

zu verhalten, als sie wirklich sind.<br />

345


M&K 50. Jahrgang 3/2002<br />

Tabelle 1: Authentische Selbstdarstellung im Chat<br />

„Beim Chatten gebe ich „Beim Chatten beschreibe<br />

mich genauso wie ich mich anders als ich<br />

im normalen Leben.“ wirklich bin.“<br />

% %<br />

trifft überhaupt nicht zu: 1 5 57<br />

2 8 18<br />

3 22 12<br />

4 29 7<br />

trifft voll und ganz zu: 5 37 5<br />

Mittelwert (n = 1.703) 3,85 1,85<br />

Vielmehr erscheint der Gebrauch von Nicks zum Teil gesprächs- und beziehungstaktisch<br />

motiviert.<br />

Interviewzitate:<br />

„Ich hab damals mit meinen Vornamen und dann halt mein Alter dahinter gechattet,<br />

aber das war nicht so... Und mein Nickname, den ich jetzt habe, der ist halt etwas lustiger.<br />

Da sprechen halt die Leute halt einen auch drauf an, und das prägt sich halt auch<br />

besser ein, als wenn du nur einen normalen Vornamen hast.“<br />

„Nur teilweise z. B. statt als Guest mitzuchatten oder mitzulesen, tut man sich dann<br />

halt ’n anderen Nick, um sich halt mal mit ganz anderen Leuten zu unterhalten.<br />

Um nicht in den Chat zu kommen und zu sagen „hallo, hier bin ich“, und man wird<br />

erst mal bombardiert mit „hallo“ und (...) es prasselt alles auf einen ein, man möchte<br />

natürlich auch jeden irgendwie auch mit begrüßen. Und um sich diesen Stress eigentlich<br />

zu sparen, nimmt man dann halt einen anderen Nick, der vielleicht unbekannt<br />

(...)“ 8<br />

Allerdings zeigen die Ergebnisse der Onlinebefragung, dass es durchaus einen Zusammenhang<br />

zwischen der Nutzung verschiedener Nicknames und der authentischen<br />

Selbstdarstellung im Chat gibt. Wer sich im Chat weniger authentisch gibt, der nutzt in<br />

der Regel auch mehr verschiedene Nicknames. 9<br />

Wenn wir die Frage der Selbstdarstellung nicht nur mit dem Wechsel von Nicknames<br />

verbinden, sondern auch die Präsentation verschiedener Persönlichkeitsmerkmale im<br />

Chat einbeziehen, dann finden wir ein Ergebnis, welches den bisherigen empirischen<br />

Aussagen zu widersprechen scheint. Zwar geben etwa zwei Drittel der Online-Befragten<br />

an, sie würden sich im Chat nicht anders präsentieren als in anderen Situationen (vgl.<br />

Tab. 1, Skalenpunkte 4 und 5), aber 71 Prozent der Befragten geben auch an, zumindest<br />

8 Vgl. die ganz ähnlich lautenden Aussagen in den Leitfadeninterviews bei Dabiri und Helten<br />

1998.<br />

9 Vgl. hierzu auch die empirische Studie von Bechar-Israeli (1996), die zeigt, dass die meisten<br />

Chatter einen Nickname mit einem Bezug zum realen Selbst wählen und diesen möglichst lange<br />

beibehalten. Identitätsspiele mit Nicknames seien demnach die Ausnahme.<br />

346


Scherer / Wirth · Identität und Selbstdarstellung<br />

gelegentlich bei der Selbstbeschreibung etwas zu schummeln. 10 Bringen wir diesen Wert<br />

in Zusammenhang mit der Selbstbeschreibung („Beim Chatten gebe ich mich genauso<br />

wie im normalen Leben.“), dann sieht man (vgl. Tab. 2), dass es eine deutliche Korrelation<br />

zwischen beiden Merkmalen gibt. Personen, die das Item ablehnen, schummeln<br />

deutlich häufiger. Es gibt aber auch viele Befragte, die sich scheinbar widersprüchlich<br />

verhalten, indem sie sagen, sie würden sich beim Chatten wie im normalen Leben geben,<br />

trotzdem aber zumindest gelegentlich schummeln.<br />

Tabelle 2: Authentische Selbstdarstellung und Schummeln beim Chatten<br />

„Beim Chatten gebe ich mich<br />

genauso wie im normalen Leben.“<br />

Trifft überhaupt nicht zu Trifft voll und ganz zu<br />

1 2 3 4 5<br />

% % % % %<br />

Schummele nie 17 17 18 23 46<br />

Schummele doch 83 83 82 77 54<br />

Gesamt 100 100 100 100 100<br />

Befragte n = 78 128 380 488 622<br />

Wir halten diesen Widerspruch für vordergründig. Wie oben ausgeführt, ist es sinnvoll,<br />

zwischen Identität und Selbstdarstellung zu unterscheiden. Die Selbstdarstellung kann<br />

als Teil des Identitätsmanagements aufgefasst werden, sie folgt mitunter kommunikationstaktischen<br />

Erwägungen, wie wir es etwa bei der Verwendung verschiedener Nicknames<br />

anschaulich beobachten konnten. Analog zu unseren theoretischen Überlegungen<br />

lautet die Frage also nicht, ob die Chatter immer die Wahrheit sagen, sondern ob sie<br />

sich dabei als authentische Persönlichkeit erleben. Gleichzeitig wird die Selbstdarstellung<br />

sehr wahrscheinlich mit unterschiedlichen Orientierungen variieren. Wir haben<br />

oben postuliert, dass zumindest zwei Beziehungsorientierungen plausibel sind: eine<br />

Real-Life-Beziehungsorientierung und eine Virtual-Life-Beziehungsorientierung, die<br />

sich jeweils in der Selbstdarstellung im Chat unterscheiden.<br />

Im weiteren Verlauf der Analyse wollen wir nun die Tragfähigkeit dieses Konzepts<br />

überprüfen. Dazu ist es notwendig, die Personen mit unterschiedlichem Authentizitätserleben<br />

und unterschiedlicher Orientierung in unserer Stichprobe zu identifizieren. Dies<br />

kann nur näherungsweise geschehen, da die unterschiedlichen Orientierungen nicht direkt<br />

erfragt wurden. Um zu solch einer Annäherung an die Chatter-Typen zu gelangen,<br />

bedienen wir uns der Ergebnisse aus Tabelle 2. Als Indikator für die Authentizität verwenden<br />

wir die Selbsteinstufung der Befragten darüber, wie sie sich im Chat geben. Bei<br />

den Befragten, die der Vorgabe „Beim Chatten gebe ich mich genauso wie im normalen<br />

Leben.“ „voll und ganz“ (Skalenpunkt 5) oder „annähernd voll und ganz“ (Skalenpunkt<br />

4) zustimmen, gehen wir von einer insgesamt authentisch erlebten Selbstdarstellung aus.<br />

Die Befragten, die sich neutral oder ablehnend zu diesem Statement äußern (Skalen-<br />

10 Die Frage bezog sich darauf, ob man beim Chatten nie, selten, gelegentlich oder häufig beim<br />

Aussehen, beim Alter, beim Geschlecht oder bei Meinungen und Einstellungen schummeln<br />

würde.<br />

347


M&K 50. Jahrgang 3/2002<br />

punkte 1 bis 3), stufen wir ihrer Selbstdarstellung im Chat nach als nicht-authentisch ein.<br />

Die Gruppe der Nicht-Authentischen umfasst 35 Prozent der Befragten, sie wird im<br />

weiteren Verlauf nicht weiter differenziert. Unser eigentliches Interesse gilt in diesem<br />

Beitrag den Personen mit authentisch erlebter Selbstdarstellung. Diese Gruppe wollen<br />

wir genauer betrachten. Wir unterscheiden diese Personen nun danach, ob sie angeben,<br />

zumindest gelegentlich zu schummeln oder ob sie dies ablehnen. Die erste Gruppe nennen<br />

wir im weiteren Verlauf „Quasi“-Authentische und wir erwarten, dass diese eher<br />

die Virtual-Life-Beziehungsorientierung vertreten. Die zweite Gruppe sind die „Objektiv“-Authentischen,<br />

bei denen wir eher eine Real-Life-Beziehungsorientierung erwarten.<br />

23 Prozent der Befragten sind nach dieser Einteilung „Objektiv“-Authentische,<br />

42 Prozent zählen zu den „Quasi“-Authentischen. 65 Prozent der Befragten sind also<br />

insgesamt den Personen mit authentisch erlebter Selbstdarstellung zuzurechnen.<br />

Die auf die oben beschriebene Art und Weise gebildeten Gruppen unterscheiden sich<br />

in demographischer Hinsicht. Dies gilt besonders für die „Objektiv“-Authentischen<br />

(vgl. Tab. 3), sie sind im Vergleich zu den anderen Chattern etwas häufiger Männer und<br />

vor allem älter. Dadurch ergibt sich ein geringerer Anteil von Schülern und ein höherer<br />

Anteil von Vollzeitbeschäftigten bei den „Objektiv“-Authentischen.<br />

Tabelle 3: Demographische Beschreibung der Chatter-Typen<br />

„Objektiv“- „Quasi“- Sonstige<br />

Authentische Authentische<br />

Männer 46 % 42 % 44 %<br />

Frauen 54 % 58 % 57 %<br />

Alter 24,2 Jahre 21,5 Jahre 20,5 Jahre<br />

Vollzeitarbeitende 36 % 24 % 21 %<br />

Schüler 34 % 50 % 54 %<br />

Befragte n = 398 712 593<br />

Auch hinsichtlich der Chat-Gewohnheiten gibt es Unterschiede (vgl. Tab. 4a und b). Die<br />

„Objektiv“-Authentischen sind die intensivsten Chatter, sie sind häufiger im Chat-<br />

Room, und wenn sie dort sind, dann verbleiben sie wesentlich länger. Das Ergebnis entspricht<br />

weitgehend unseren Erwartungen. Ein etwas freierer Umgang mit der eigenen<br />

Identität erscheint nur dann möglich, wenn man nicht allzu intensiv chattet. Wer häufig<br />

und vor allem lange im Chat ist, der kann unterschiedliche Selbstdarstellungen kaum<br />

konsequent durchhalten.<br />

Tabelle 4: Chat-Verhalten der Chatter-Typen<br />

a) allgemeines Chat-Verhalten<br />

„Objektiv“- „Quasi“- Sonstige<br />

Authentische Authentische<br />

Mittelwert Mittelwert Mittelwert f-prob.<br />

Häufigkeit des Chattens 34mal 27mal 28mal<br />

pro Monat pro Monat pro Monat .001<br />

Dauer einer Chat-Sitzung 125 Min. 113 Min. 104 Min. .000<br />

Seit wann wird gechattet 1,8 Jahre 1,6 Jahre 1,7 Jahre .329<br />

348


) ffn funcity spezifisches Chat-Verhalten<br />

Scherer / Wirth · Identität und Selbstdarstellung<br />

„Objektiv“- „Quasi“- Sonstige<br />

Authentische Authentische<br />

%-Anteil %-Anteil %-Anteil χ 2 – prob<br />

Anteil Befragter, der jeden<br />

Tag auf ffn funcity chattet<br />

Anteil Befragter, der aus-<br />

36 % 29 % 27 % .001<br />

schließlich auf ffn funcity<br />

chattet<br />

36 % 34 % 33 % .125<br />

Befragte n = 398 712 593<br />

Für die Befragten scheint das untersuchte Chat-Forum ffn funcity eine besondere Bedeutung<br />

zu haben, 30 Prozent nutzen es täglich, 34 Prozent chatten ausschließlich auf<br />

diesem Chat-Forum. Am stärksten ausgeprägt ist dieses Verhalten jeweils bei den „Objektiv“-Authentischen,<br />

in Bezug auf die Exklusivität der Nutzung sind die Unterschiede<br />

allerdings eher gering. Für die „Objektiv“-Authentischen scheint ffn funcity attraktiver<br />

zu sein. Möglicherweise bietet der besondere oben beschriebene Charakter dieses<br />

Chat-Forums günstige Voraussetzungen für diesen spezifischen Stil des Chatverhaltens.<br />

Im Lichte unserer theoretischen Überlegungen erscheint es als plausibel, dass sich der<br />

Charakter der Beziehungsorientierung für die beiden analysierten Gruppen unterscheidet.<br />

Wir sind davon ausgegangen, dass sich die „Quasi“-Authentischen durch eine stärkere<br />

Virtual-Life-Beziehungsorientierung auszeichnen. Dies liegt – so unsere Vermutung<br />

– daran, dass die Kommunikation im normalen Alltagsleben als defizitär empfunden<br />

wird. Die Chancen auf fruchtbare Beziehungen werden als relativ schlecht eingestuft,<br />

da dort Äußerlichkeiten dominieren. Für manches ist man im Alltagsleben zu jung,<br />

zu wenig gut aussehend oder man hat das „falsche“ Geschlecht. Im Chat muss dies alles<br />

keine Rolle spielen. Das Chat-Forum kann als ein Ort gelten, in dem diese Defizite überwunden<br />

werden können. Aus diesem Grund richten die „Quasi“-Authentischen ihre<br />

Beziehungsorientierungen stärker auf den Chat. Um dies zu belegen, haben wir einige<br />

Aussagen zur Bewertung des Alltagslebens und des Chats für die „Objektiv“-Authentischen<br />

und die „Quasi“-Authentischen gegenübergestellt. Dabei ergeben sich mehrere<br />

Vergleichsperspektiven, die jeweils unterschiedliche Aussagen erlauben. Im Folgenden<br />

sollen nun diese verschiedenen Vergleiche – soweit sie für unsere Fragestellung Relevanz<br />

besitzen – dargestellt und analysiert werden.<br />

Der Ausgangspunkt für unsere Argumentation ist der Vergleich der beiden Untersuchungsgruppen<br />

in der Alltagswelt (vgl. Tab. 5a). Die Ergebnisse stimmen mit unseren<br />

Vermutungen überein. Die „Quasi“-Authentischen erleben den normalen Alltag als vergleichsweise<br />

defizitär. Sie haben häufiger das Gefühl missverstanden zu werden, sie<br />

fühlen sich seltener akzeptiert und sie meinen häufiger, dass Äußerlichkeiten eine sehr<br />

große Rolle spielen.<br />

Diese vermeintlichen Defizite des Alltagslebens können bei den Quasi-Authentischen<br />

der Anlass sein, sich dem Chat mit der Absicht zuzuwenden, die Defizite dort<br />

durch ein entsprechendes Verhalten zu kompensieren. Die Zuwendung zum Chat<br />

könnte also mit der Hoffnung verbunden sein, dass dort Äußerlichkeiten eine geringere<br />

Rolle spielen, dass man dort besser verstanden und eher akzeptiert wird. Tatsächlich<br />

erfüllt sich diese Hoffnung für die Quasi-Authentischen auch. Im Vergleich zum Alltagsleben<br />

schneidet der Chat erheblich besser ab (vgl. Tab. 5b). Man fühlt sich dort in<br />

349


M&K 50. Jahrgang 3/2002<br />

spürbar geringerem Maße missverstanden, und man hat signifikant weniger den Eindruck,<br />

dass im Chat Äußerlichkeiten eine zentrale Rolle spielen. Dies führt aber nicht<br />

dazu, dass man sich im Chat eher akzeptiert fühlt, dieses Defizit kann offensichtlich<br />

nicht überwunden werden; es gibt sogar eine leichte, wenn auch statistisch nicht aussagekräftige<br />

Tendenz, dass das Gefühl der Akzeptanz im Chat nachlässt.<br />

Interessanterweise finden wir aber beim Vergleich von Alltag und Chat auch für die<br />

„Objektiv“-Authentischen ganz ähnliche Phänomene (vgl. Tab. 5b). Auch bei ihnen<br />

schneidet das Chatforum in der oben beschrieben Weise besser ab als das Alltagsleben,<br />

auch bei ihnen finden wir das leichte Defizit bei der Akzeptanz.<br />

Es stellt sich die Frage, ob das Chat-Erleben für die „Quasi“-Authentischen wenigstens<br />

in Relation zu den „Objektiv“-Authentischen größere Vorteile gegenüber dem Alltagsleben<br />

aufweist, ob für sie der Unterschied zwischen Chat und Alltagsleben spürbar<br />

größer ist. Ein Vergleich der Differenzen zwischen Alltagsleben und Chat (vgl. Tab. 5c)<br />

zeigt tatsächlich, dass sich für die Quasi-Authentischen tendenziell die negativen Beurteilungen<br />

etwas deutlicher abschwächen. Aber die Unterschiede zwischen den Gruppen<br />

in den Differenzen zwischen Alltag und Chat sind nicht signifikant, und sie sind letztlich<br />

so gering, dass sie nicht interpretierbar sind.<br />

Die bisher dargestellten Ergebnisse führen letztlich dazu, dass sich die Unterschiede,<br />

die wir für das Alltagsleben gefunden haben, im Chat auf insgesamt etwas weniger ausgeprägtem<br />

Niveau wiederfinden lassen (vgl. Tab. 5d). Beim Chatten nähern sich die Urteile<br />

der beiden Gruppen also geringfügig an. In Bezug auf das Missverstehen sind die<br />

Unterschiede beim Alltagsleben signifikant, beim Chat nicht mehr. Für das Missverstehen<br />

und für die Bedeutung von Äußerlichkeiten gilt zudem für beide Authentizitätsgruppen,<br />

dass sie im Chat weniger stark empfunden werden.<br />

Tabelle 5a: Die Virtual-Life-Beziehungsorientierung – Defizite des Alltagslebens<br />

„Es gibt ja auch Unterschiede zwischen dem Chat und dem wirklichen Leben.<br />

Wir haben wieder einige Aussagen aufgelistet. Zunächst möchten wir dich bitten, uns zu sagen,<br />

wie sehr diese Aussagen auf dein ganz normales Alltagsleben zutreffen.“<br />

„Und wie sehr treffen diese Aussagen auf das Chatten zu?“<br />

(Skala von 1 „trifft überhaupt nicht zu“ bis 5 „trifft voll und ganz zu“)<br />

im normalen Alltagsleben .... „Objektiv“- „Quasi“-<br />

Authentische Authentische<br />

Mittelwert Mittelwert f.prob<br />

... habe ich oft das Gefühl, ich<br />

werde missverstanden.<br />

... werde ich so akzeptiert, wie ich<br />

2,42 2,62 .010<br />

wirklich bin.<br />

... spielen Äußerlichkeiten eine<br />

4,17 3,98 .004<br />

sehr große Rolle. 3,18 3,47 .001<br />

Befragte n = 398 712<br />

350


Scherer / Wirth · Identität und Selbstdarstellung<br />

Tabelle 5b: Die Virtual-Life-Beziehungsorientierung – die Unterschiede von Alltag und<br />

Chat<br />

„Es gibt ja auch Unterschiede zwischen dem Chat und dem wirklichen Leben.<br />

Wir haben wieder einige Aussagen aufgelistet. Zunächst möchten wir dich bitten, uns zu sagen,<br />

wie sehr diese Aussagen auf dein ganz normales Alltagsleben zutreffen.“<br />

„Und wie sehr treffen diese Aussagen auf das Chatten zu?“<br />

(Skala von 1 „trifft überhaupt nicht zu“ bis 5 „trifft voll und ganz zu“)<br />

„Quasi“-Authentische „Objektiv“-Authentische<br />

Im Im Chat t-Test Im Im Chat t-Test<br />

normalen normalen<br />

Alltags- Alltagsleben<br />

leben<br />

Mittelwert Mittelwert Sign. Mittelwert Mittelwert Sign.<br />

... habe ich oft das<br />

Gefühl, ich werde<br />

missverstanden.<br />

... werde ich so<br />

2,62 2,20 .000 2,42 2,11 .000<br />

akzeptiert, wie ich<br />

wirklich bin.<br />

... spielen Äußerlich-<br />

3,98 3,93 .286 4,17 4,10 .222<br />

keiten eine sehr<br />

große Rolle.<br />

3,47 2,18 .000 3,18 1,99 .000<br />

Befragte n = 398 712<br />

Tabelle 5c: Die Virtual-Life-Beziehungsorientierung – die Veränderung zwischen Alltag<br />

und Chat im Vergleich<br />

„Es gibt ja auch Unterschiede zwischen dem Chat und dem wirklichen Leben. Wir haben<br />

wieder einige Aussagen aufgelistet. Zunächst möchten wir dich bitten, uns zu sagen, wie sehr<br />

diese Aussagen auf dein ganz normales Alltagsleben zutreffen.“<br />

„Und wie sehr treffen diese Aussagen auf das Chatten zu?“<br />

(Skala von 1 „trifft überhaupt nicht zu“ bis 5 „trifft voll und ganz zu“)<br />

Bewertung Chat minus Bewertung<br />

Alltagsleben<br />

„Objektiv“- „Quasi“-<br />

Authent. Authent.<br />

Mittelwert Mittelwert f. prob.<br />

... habe ich oft das Gefühl, ich werde missverstanden. -,31 -,42 .176<br />

... werde ich so akzeptiert, wie ich wirklich bin. -,07 -,05 .833<br />

... spielen Äußerlichkeiten eine sehr große Rolle. -1,19 -1,29 .353<br />

Befragte n = 398 712<br />

351


M&K 50. Jahrgang 3/2002<br />

Tabelle 5d: Die Virtual-Life-Beziehungsorientierung – die Bewertung des Chat<br />

„Es gibt ja auch Unterschiede zwischen dem Chat und dem wirklichen Leben. Wir haben<br />

wieder einige Aussagen aufgelistet. Zunächst möchten wir dich bitten, uns zu sagen, wie sehr<br />

diese Aussagen auf dein ganz normales Alltagsleben zutreffen.“<br />

„Und wie sehr treffen diese Aussagen auf das Chatten zu?“<br />

(Skala von 1 „trifft überhaupt nicht zu“ bis 5 „trifft voll und ganz zu“)<br />

„Objektiv“- „Quasi“-<br />

Authent. Authent.<br />

Mittelwert Mittelwert f. prob.<br />

... habe ich oft das Gefühl, ich werde missverstanden. 2,11 2.20 .208<br />

... werde ich so akzeptiert, wie ich wirklich bin. 4,10 3,93 .006<br />

... spielen Äußerlichkeiten eine sehr große Rolle. 1,99 2,18 .020<br />

Befragte n = 398 712<br />

Zusammenfassend finden sich in diesen Analysen Hinweise für die vermutete stärkere<br />

Virtual-Life-Beziehungsorientierung der „Quasi“-Authentischen. Sie erleben im Vergleich<br />

zu den „Objektiv“-Authentischen das Alltagsleben in Bezug auf ihre kommunikativen<br />

Möglichkeiten als stärker eingeschränkt. Das Chatten kann als Versuch interpretiert<br />

werden, diese Einschränkungen zumindest partiell zu überwinden. Es bleibt<br />

also eine plausible Annahme, dass das gelegentliche Schummeln im Chat, durch das sich<br />

diese Gruppe auszeichnet, vor allem kommunikationstaktische Gründe hat. Allerdings<br />

sind sie beim Überwinden der kommunikativen Schranken, welche der Alltag vor ihnen<br />

aufrichtet, nicht wirklich erfolgreicher als die Gruppe der „Objektiv“-Authentischen.<br />

Auch diese bewerten den Chat positiver. Dies spricht aber nicht wirklich gegen unsere<br />

Annahmen. Ausgehend von der negativeren Bewertung des Alltagslebens ist bei den<br />

„Quasi“-Authentischen eine stärkere Motivation zu erwarten, die beziehungstaktischen<br />

Vorteile des Chats ausnutzen zu wollen. Ob ihnen dies auch wirklich besser gelingt, ist<br />

eine andere Frage. Diese stärkere Orientierung an den Möglichkeiten des Chats führt in<br />

der Konsequenz aber auch dazu, dass sie stärker auf den Chat angewiesen bleiben, dass<br />

sie ihre Beziehungen eher virtuell ausleben müssen.<br />

Wie erwähnt, vermuten wir bei den „Objektiv“-Authentischen im Gegensatz zu den<br />

„Quasi“-Authentischen eine stärkere Real-Life-Beziehungsorientierung. Das heißt, sie<br />

suchen im Chat Beziehungen, die sie auch ins Alltagsleben integrieren können. Einen<br />

Anhaltspunkt für diese Vermutung bietet eine vergleichende Analyse der Beschreibung<br />

von Chat-Beziehungen (vgl. Tabelle 6). „Objektiv“-Authentische sind in Bezug auf die<br />

Beziehungspflege im Chat erfolgreicher als „Quasi“-Authentische. Sie haben mehr Beziehungen<br />

im Chat und sie stimmen dem Statement, dass sie im Chat wirkliche Freunde<br />

gefunden haben, mehr zu als die „Quasi“-Authentischen. Am deutlichsten wird die<br />

Real-Life-Beziehungsorientierung der „Objektiv“-Authentischen aber dadurch, dass<br />

sie häufiger angeben, ihre Chat-Freunde seien zu Freunden im Alltagsleben, also im<br />

Real-Life geworden und dass sie ihre Chat-Freunde auch im wirklichen Leben treffen.<br />

Vergleichsweise marginal sind die Unterschiede in Bezug auf Liebe und Partnerschaft.<br />

Im Chat den Mann oder die Frau fürs Leben zu finden, scheint doch ein besonderer<br />

Glücksfall zu sein, den man auch durch ein bestimmtes Verhalten, eine bestimmte Orientierung<br />

in Bezug auf den Chat nur wenig fördern kann.<br />

352


Scherer / Wirth · Identität und Selbstdarstellung<br />

Tabelle 6: Die Real-Life-Beziehungsorientierung – Beziehungen<br />

„Mit wie vielen Chat-Bekannten chattest du regelmäßig? (Anzahl der Personen)“<br />

„Nun geht es um das Thema Beziehungen. Gib bitte an, ob die jeweiligen Aussagen auf dich<br />

persönlich zutreffen oder nicht.“<br />

(Skala von 1 „trifft überhaupt nicht zu“ bis 5 „trifft voll und ganz zu“)<br />

„Objektiv“- „Quasi“- f-prob.<br />

Authentische Authentische<br />

Mittelwert Mittelwert<br />

Zahl der Bekannten im Chat<br />

Tiefe Beziehungen entstehen erst, wenn man<br />

9,5 7,1 .000<br />

sich im wirklichen Leben trifft.<br />

Beim Chatten habe ich wirkliche Freunde<br />

4,01 3,90 .172<br />

gefunden, denen ich vertraue.<br />

Mein Freundeskreis beim Chat ist zu meinem<br />

3,56 3,20 .000<br />

Freundeskreis im wirklichen Leben geworden.<br />

Beim Chatten habe ich Bekanntschaften<br />

geschlossen und Leute gefunden, mit denen ich<br />

2,28 2,06 .004<br />

mich auch im wirklichen Leben treffe.<br />

Beim Chat habe ich eine Person kennen<br />

gelernt, in die ich mich im wirklichen Leben<br />

2,90 2,52 .000<br />

verliebt habe.<br />

Beim Chatten habe ich eine(n) Freund(in) /<br />

2,36 2,25 .279<br />

Lebenspartner(in) gefunden. 2,09 1,99 .321<br />

Befragte n = 398 712<br />

Einige andere Ergebnisse bestätigen diese Befunde. „Objektiv“-Authentische haben ein<br />

größeres Interesse daran, ihre Chat-Partner auch im Real-Life zu treffen. 42 Prozent dieser<br />

Gruppe geben an, eine sympathische Chat-Bekanntschaft auch einmal real treffen zu<br />

wollen, die „Quasi“-Authentischen geben dies nur zu 34 Prozent an. Die „Objektiv“-<br />

Authentischen stellen im Übrigen auch höhere Anforderungen an die Authentizität ihrer<br />

Gesprächspartner (ohne Tabelle). Deutlich häufiger als die „Quasi“-Authentischen<br />

geben sie an, sie würden einen Chat abbrechen, wenn sie feststellen müssten, dass ihr<br />

Partner nicht die Wahrheit sage.<br />

Bis hierhin konnten wir zeigen, dass unsere Vermutungen über Typen von Chattern<br />

und ihre Beziehungsorientierungen (Real- oder Virtual-Life) sich empirisch plausibel<br />

belegen lassen. Einige Zitate aus den Leitfadeninterviews machen deutlich, wie sich der<br />

Zusammenhang zwischen Selbstdarstellung und Beziehungsorientierung wohl erklären<br />

lässt. Viele Chatter suchen im Chat-Room nach fruchtbaren sozialen Beziehungen. Diese<br />

haben für sie aber nur dann einen Wert, wenn die Beziehung sich auf ihre authentische<br />

Persönlichkeit richtet und nicht auf eine fiktive Identität.<br />

Interviewzitate:<br />

„Dann kann mir ja nicht geholfen werden, weil die Leute mich ja nicht kennen. Ratschläge<br />

sind immer nur so gut, so lange sie auf die Person passen.“<br />

„Ich vermute mal, es liegt daran, dass ich ja da hingehe, sage ich jetzt mal, um halt ir-<br />

353


M&K 50. Jahrgang 3/2002<br />

gendwie halt Leute auch ernsthaft kennen zu lernen. Vor allen Dingen Mädchen.<br />

Und ich denke mal, in solchen Sachen gehört Ehrlichkeit einfach dazu.“<br />

Solange man sich im Chat bewegt, kann man bei der Darstellung äußerer Merkmale ein<br />

gewisses Maß an Freiheit walten lassen und sich selbst so darstellen, dass man für andere<br />

attraktiv erscheint. Orientiert man sich aber vom Virtual-Life zum Real-Life, dann<br />

hat man diese Möglichkeit nicht. Unvermeidlich würde der gesuchte reale Kontakt zur<br />

Enttäuschung und somit zum Beziehungsrisiko werden.<br />

Interviewzitate:<br />

„Weil, irgendwann, wenn da dann mehr draus wird als diese Chat-Bekanntschaft,<br />

müsste ich dann sagen ‚Bin ich ja gar nicht‘.“<br />

„Der Chat ist ja im Endeffekt nur der erste Schritt. Man lernt sich darüber kennen<br />

und kommuniziert auch darüber, nur: Dann führt es normalerweise unweigerlich<br />

auch zu Telefonaten. Weil man möchte ja wissen, mit wem hat man’s zu tun? (...) Der<br />

andere gegenüber kann einem ja alles erzählen, man möchte ja irgendwo auch Sicherheit<br />

für das Bild, was man sich gerade über diese Person gemacht hat. (...), dass<br />

man merkt, Mensch, ist der Typ wirklich so am anderen Ende oder halt nicht. Und<br />

solche Sachen wie Verstellen fliegen normalerweise sehr schnell auf.“<br />

6. Schlussbetrachtung<br />

Es hat sich gezeigt, dass unser Ansatz, Chatten aus der Perspektive der Normalität zu<br />

untersuchen, fruchtbar war. Die konsequente Unterscheidung zwischen Identität und<br />

Selbstdarstellung hat deutlich gemacht, dass viele Chatter eine authentische Selbstdarstellung<br />

auch dann pflegen, wenn sie bei einzelnen Identitätsmerkmalen die Unwahrheit<br />

sagen. Dies dient, so unser Ergebnis, weniger dazu, die eigene Identität zu verlassen und<br />

in andere Identitäten zu schlüpfen, sondern es hat vielmehr beziehungs- und kommunikationstaktische<br />

Gründe. In dem von uns untersuchten Chat-Forum ist die Mehrzahl<br />

der Beteiligten daran interessiert, durch das Chatten Beziehungen aufzubauen, und ein<br />

gewisser Teil der Befragten hat ein großes Interesse daran, diese Beziehungen sogar in<br />

das normale Alltagsleben zu integrieren (vgl. ähnlich auch Husmann 1998: 75). Für einen<br />

erheblichen Teil der Teilnehmer und Teilnehmerinnen am Chat ist das Anlass genug,<br />

sich „objektiv“ authentisch zu geben, d. h. bei der Selbstdarstellung nicht zu<br />

schummeln. Bei einem anderen Teil der Befragten dient das (gelegentliche) Vorspiegeln<br />

falscher Identitätsmerkmale offenbar dazu, ihre Kontaktchancen zu erhöhen, die sie<br />

mitunter im Alltagsleben als defizitär erleben. Aber auch diese „Quasi“-Authentischen<br />

erleben sich subjektiv durchaus als authentisch, die „kleinen“ Täuschungen werden<br />

kaum als solche wahrgenommen. Allerdings konzentrieren sich ihre Bemühungen stärker<br />

als bei den „Objektiv“-Authentischen auf die virtuellen Beziehungen.<br />

Weitet man die Perspektive etwas aus, so findet sich eine Reihe weiterer Studien mit<br />

analogen Befunden: Zu nennen ist beispielsweise eine Untersuchung zur Selbstdarstellung<br />

auf persönlichen Webpages (vgl. Wynn/Katz 1997), eine ethnographische Analyse<br />

von Gesprächen mit Freunden vor dem Bildschirm beim Chatten (vgl. Klemm/Graner<br />

2000), eine Beobachtungs- und Befragungsstudie zur Identitätskonstruktion in MUDs<br />

(vgl. Götzenbrucker 2001) sowie eine Inhaltsanalyse zur Verwendung von Nicknames<br />

(vgl. Bechar-Israeli 1996). Alles in allem zeichnet sich eine kumulative Evidenz quantitativer<br />

und qualitativer Befunde ab, die in ihrer Gesamtheit klar gegen eine von der realen<br />

Alltagskommunikation und ihren sozialen Rahmungen völlig losgelöste, „virtuelle“<br />

Kommunikation in elektronischen Diskussionsforen spricht.<br />

354


Scherer / Wirth · Identität und Selbstdarstellung<br />

Unsere Ergebnisse können nur ein erster Schritt sein. Aufgrund des gegebenen Datenmaterials<br />

mussten die analytischen Gruppen mit unterschiedlichen Selbstdarstellungsstrategien<br />

etwas holzschnittartig ausfallen. Anzumerken ist natürlich auch, dass<br />

weder die qualitative Leitfadenstudie noch die aufgrund von Selbstselektivitätseffekten<br />

vermutlich verzerrte quantitative Teilstudie Repräsentativität beanspruchen kann.<br />

Dennoch lassen sich unseres Erachtens aus diesen Ergebnissen einige weiterführende<br />

Überlegungen entwickeln, die freilich über den Fokus dieser Studie hinausgehen und daher<br />

nur hypothetischen bzw. spekulativen Charakter haben können. Sie zeigen jedoch<br />

programmatisch Wege für die künftige Chat-Forschung auf.<br />

<strong>Medien</strong>wirkungstheoretisch erhebt sich die Frage, inwieweit die Art und Weise, wie<br />

ein Chat-Forum aufgebaut und organisiert wird, den Umgang der Chatter mit dem Medium<br />

Chat beeinflussen kann. Es erscheint plausibel, die hohe Beziehungsorientierung,<br />

die wir gefunden haben, (auch) auf die Gestaltung des von uns untersuchten Chat-Forums<br />

zurückzuführen. Die Infrastruktur und die Topologie des Chat-Forums waren<br />

weitgehend analog zu „Real-life“-Habitaten angelegt: Wohnungen, feste Adressen,<br />

Briefkästen, urbane Treffpunkte sorgten womöglich nicht nur für eine konstante, sondern<br />

auch für eine authentische Selbstdarstellung seitens der Bewohner. Die Ergebnisse,<br />

die eine hohe Bindung gerade der Chatter mit einer „objektiv“-authentischen Selbstdarstellung<br />

für dieses Chat-Forum zeigen, sind ein Hinweis in diese Richtung. Die Spezifität<br />

des Chat-Forums setzt also vermutlich einen Rahmen für das Verhalten seiner<br />

Nutzer. Der Chatter kann und muss diesen Rahmen ausdeuten, er ist aber dabei möglicherweise<br />

weniger frei und ungebunden als bislang angenommen (vgl. Höflich/Gebhardt<br />

2001). Der Rahmen ist nicht völlig frei zwischen den Chattern verhandelbar. Andererseits<br />

ist die Charakteristik der Einwohnerschaft von ffn funcity auch auf Selbstselektionseinflüsse<br />

zurückzuführen. Wer ein Chat-Habitat mit den beschriebenen<br />

Merkmalen nicht schätzt, wird kaum zu den Dauerbewohnern gehören. Zudem gestalten<br />

die Chatter ihr Chat-Forum und seine Regeln bis zu einem gewissen Grad selbst (vgl.<br />

dazu auch Thimm/Ehmer 2000, 239). Aus theoretischer Sicht verweist dies auf das dynamisch-transaktionale<br />

Wirkungsmodell (vgl. z. B. Früh 1991), bei dem der wirkungsrelevante<br />

mediale Stimulus erst durch das Zusammenspiel von medialen Potenzialen und<br />

Nutzerhandlungen konstruiert wird.<br />

Aus medientheoretischer Perspektive sollte die künftige Chat-Forschung also stärker<br />

als bislang die Gestaltung und die Architektur der untersuchten Chat-Foren berücksichtigen.<br />

Weitgehend unbemerkt von der Forschung hat längst eine umfassende Ausdifferenzierung<br />

der Chat-Foren begonnen. Es ist leicht vorstellbar, dass Studien über<br />

z. B. ausschließlich textliche Themen-Chats einerseits und solche über Chats in multimedialen,<br />

virtuellen Städten andererseits zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen<br />

führen. Anzuregen wäre in diesem Zusammenhang eine grundlegende Inventarisierung<br />

und Typologisierung aktueller Chat-Foren, die zum Beispiel auf einer Methodenkombination<br />

aus Inhaltsanalyse (für die Gestaltung der Foren) und Beobachtung (für die<br />

Handlungsformen der Nutzer) beruhen könnten.<br />

Die dritte weiterführende Überlegung betrifft einen diffusionstheoretischen Aspekt:<br />

Die starke Betonung von zum Teil extremen Identitätsspielen, die wir in der frühen Literatur<br />

zum Chatten finden, dürfte wohl vor allem auf die Spezifik der untersuchten<br />

Chatter-Populationen zurückzuführen sein. Chat-Foren als Medium standen damals<br />

am Anfang ihres Diffusionsprozesses (vgl. zum Diffusionsprozess z. B. Rogers 1995).<br />

Bei den untersuchten Chattern dürfte es sich vermutlich in erster Linie um Innovatoren<br />

gehandelt haben. Diese Gruppe unterscheidet sich in der Regel markant von den anderen<br />

Gruppen, die erst im späteren Verlauf des Diffusionsprozesses eine Innovation über-<br />

355


M&K 50. Jahrgang 3/2002<br />

nehmen. Dies gilt vor allem für ihr Verhältnis zur Innovation. Dieses ist selbstzweckhaft<br />

und nicht zielgerichtet. Es geht ihnen also in der Regel darum, mit der Innovation<br />

umzugehen und nicht so sehr darum, mit dieser Innovation irgendwelche Alltagsprobleme<br />

zu lösen. Inzwischen haben wir aber sicherlich in Bezug auf das Chatten diese erste<br />

Phase der Diffusion weit hinter uns gelassen. Die Chatter, die wir jetzt analysieren,<br />

zählen in großer Zahl zu den early adopters oder der early majority, wenn nicht gar der<br />

Diffusionsprozess zumindest bei den Teenagern schon weiter fortgeschritten ist. Diese<br />

Gruppen erliegen aber bei weitem nicht mehr so der Faszination der Innovation, wie<br />

dies für die Innovatoren gilt. Ihr Umgang mit dem Medium ist gelassener und pragmatischer.<br />

Wenn wir auf der einen Seite sagen, dass Chatter heute keine Innovatoren mehr sind,<br />

so müssen wir auch auf der anderen Seite feststellen, dass für die meisten Chatter das<br />

Chatten keine Innovation mehr darstellt. Die Mehrzahl der von uns untersuchten Chatter<br />

bewegt sich schon relativ lange in Chat-Räumen. Der Durchschnittswert liegt bei<br />

etwa eindreiviertel Jahren. Diese Personen haben vermutlich in der Regel die Phase<br />

überwunden, in der sie mit dem neuen Medium spielerisch umgehen. Sie haben es geprüft<br />

und für tauglich befunden, bestimmte Alltagsprobleme zu lösen. Chatten ist für<br />

diese Personen nicht mehr ungewöhnlicher als etwa Telefonieren, und es wird, genauso<br />

wie andere <strong>Medien</strong>, eingesetzt, um kommunikative Probleme und Beziehungsfragen zu<br />

lösen.<br />

Wie gesagt handelt es sich bei diesen Überlegungen nur um Hypothesen, die in künftigen<br />

Studien erst noch geprüft werden müssen. Auch auf der Ebene der Selbstdarstellungsstrategien<br />

muss empirisch wie theoretisch weiter gearbeitet werden. So bleibt beispielsweise<br />

noch zu klären, in welcher Hinsicht sich die Minderheit der nicht-authentischen<br />

Selbstdarsteller (deren Verhalten in diesem Artikel nicht weiter verfolgt wurde)<br />

von der Mehrheit abhebt und welche Theorien ihren Handlungen zugrunde gelegt werden<br />

können. Die vorliegenden Ergebnisse sollten aber deutlich gemacht haben, dass sich<br />

das Konzept der unterschiedlichen authentischen Selbstdarstellung als fruchtbar erweist,<br />

um zu einer etwas realistischeren Betrachtung zum Wesen der Chat-Kommunikation<br />

vorzudringen.<br />

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Scherer / Wirth · Identität und Selbstdarstellung<br />

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München: KoPäd Verlag.<br />

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Wolfgang/Straus, Florian (1999): Identitätskonstruktionen. Das Patchwork der Identitäten in<br />

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für die Teilnahme an Interaktionsprozessen. Stuttgart: Klett-Cotta. (Originalausgabe 1969)<br />

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E./Waterman, Alan S./Matteson, David R./Archer, Sally L./Orlofsky, Jacob L. (Hrsg.): Ego<br />

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357


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Rheingold, Howard (1994): The Virtual Community. Home-Standing on the Electronic Frontier.<br />

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358


„Informational Utility“<br />

Einfluss von Nützlichkeit auf selektive Zuwendung zu negativen und positiven Online-<br />

Nachrichten<br />

Silvia Knobloch / Grit Patzig / Matthias Hastall<br />

Gemäß dem „Informational Utility“-Modell kann die „Nützlichkeit“ von Nachrichten<br />

durch drei Subdimensionen konzeptualisiert werden: Das wahrgenommene Ausmaß der<br />

Konsequenzen (Magnitude), die Wahrscheinlichkeit der Betroffenheit (Likelihood) und<br />

die zeitliche Nähe der Ereignisse (Immediacy). Diese Aspekte von Nützlichkeit beeinflussen<br />

die Rezeption von Nachrichten, die umso umfassender genutzt werden, je stärker<br />

die Dimensionen ausgeprägt sind. Da sie überdies die Rezeption sowohl positiver als auch<br />

negativer Nachrichten (zu Chancen bzw. Gefahren) beeinflussen sollten, wurden zu diesen<br />

drei Dimensionen jeweils zwei Hypothesen formuliert. In zwei Feldexperimenten zu<br />

positiven und negativen Online-Nachrichten lasen Gymnasiasten (n = 137) fiktive Online-Schülerzeitungen,<br />

deren Artikel hinsichtlich der Informational-Utility-Dimensionen<br />

variierten. Die Zuwendung zu einzelnen Artikeln wurde per Software aufgezeichnet.<br />

Abschließend beantworteten die Probanden einen Fragebogen. Vier der sechs Hypothesen<br />

konnten bestätigt werden. Likelihood und Immediacy wirkten auf die Nutzung<br />

positiver Nachrichten in signifikantem Maße, und die Rezeption von negativen Berichten<br />

wurde durch Magnitude und Immediacy nachweisbar beeinflusst.<br />

Keywords: Informational Utility, Nützlichkeit, selektive Zuwendung, Nachrichten<br />

0. Problemstellung<br />

Selektivität ist ein Schlüsselkonzept der <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong> (Eilders, 1999),<br />

denn ohne Zuwendung seitens des Publikums können <strong>Medien</strong> keinerlei Wirkungen entfalten.<br />

Dabei ist Zuwendung zu <strong>Medien</strong> stets selektiv, die „captive audience“-Situation<br />

dagegen eine seltene Ausnahme. Aber Untersuchungen, die sich konkret mit selektiver<br />

Zuwendung befasst haben, sind angesichts der Wichtigkeit von Selektivität bisher rar.<br />

Hier soll speziell selektive Nutzung von Informationsangeboten in den <strong>Medien</strong> – in Abgrenzung<br />

von Unterhaltungssparten – diskutiert werden. In der <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong><br />

wird Information häufig als Gegensatz zu Unterhaltung betrachtet (Schmid &<br />

Wünsch, 2001). Im Allgemeinen sollte Nützlichkeit für die Selektion von so genannten<br />

informativen Inhalten der zentrale Einflussfaktor sein, aber zweitrangig für die Auswahl<br />

von Unterhaltungsangeboten. Im Gegensatz dazu richtet sich die Auswahl innerhalb<br />

von Unterhaltung nach hedonistischen Zielen, wobei Nützlichkeit eher unbedeutend ist<br />

(Postman, 1985; Zillmann, 2000).<br />

Wie die folgenden Ausführungen zeigen werden, hat sich die <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong><br />

bisher vor allem mit der Vermeidung von Information durch das Publikum<br />

auseinandergesetzt und die Hinwendung zu Information eher vernachlässigt. Nach einem<br />

Überblick über vorliegende theoretische Perspektiven zu Informationsselektion<br />

durch Rezipienten wird hier mit Informational Utility ein neuer Ansatz vorgestellt und<br />

empirisch überprüft. Darin wird anstelle des bisher geradezu überstrapazierten vagen<br />

Konzepts ‚Interesse’ das Konstrukt Informational Utility (Nützlichkeit) herangezogen<br />

und auf drei Subdimensionen konkretisiert.<br />

359


M&K 50. Jahrgang 3/2002<br />

1. Theoretische Perspektiven zur Informationsselektion durch das Publikum<br />

1.1 Große Forschungsfelder<br />

Die Forschung hat bisher selektive Nutzung von Information im Sinne einer Zuwendung<br />

zugunsten von Informationsvermeidung vernachlässigt. Auch wenn auf konkret<br />

methodischer Ebene Zuwendung und Vermeidung komplementär sind (Zuwendung zu<br />

manchen Inhalten geht stets auf Kosten der Zuwendung zu anderen Inhalten, die dann<br />

„vermieden“ werden), hat bisherige Forschung die Vermeidung akzentuiert. Für Ansätze<br />

wie die Theorie der kognitiven Dissonanz (Festinger, 1957) und die Wissensklufthypothese<br />

(Tichenor et al., 1970) war „Informationsabstinenz“ (bzw. -defizite) der Ausgangspunkt,<br />

obwohl beide Forschungsfelder auch Motivationen der Zuwendung zu Information<br />

zumindest berührten: Studien zur kognitiven Dissonanz von Canon (1964)<br />

und Freedman (1965) zeigten, dass die Nützlichkeit von Information die Motivation,<br />

dissonante (einstellungskonträre) Informationen zu vermeiden, in ihrem Einfluss auf<br />

selektive Zuwendung überdeckte. Beispielsweise wurde den Teilnehmern in Canons<br />

Experiment vor der Informationsdarbietung mitgeteilt, dass sie nach dem Lesen dieser<br />

Informationen ihren Standpunkt zum selben Thema in einer kontroversen Diskussion<br />

verteidigen oder aber dass sie ihre Ansicht schlicht referieren sollten. Weil es für die erste<br />

Aufgabe nützlicher war, aus dissonanten Informationsangeboten Argumente gegen<br />

die eigene Meinung zu kennen, wurden diese von den Teilnehmern in dieser experimentellen<br />

Bedingung stärker genutzt. Dagegen bevorzugten Personen, die ihren eigenen<br />

Standpunkt nur darlegen sollten, eher Inhalte, die ihrer Meinung entsprachen.<br />

Ähnlich wie bei der Theorie zur kognitiven Dissonanz stand innerhalb der Wissenskluftforschung<br />

das Problem nicht oder unzureichend genutzter Informationsangebote<br />

im Mittelpunkt. Dennoch wurde auch die Hinwendung zu Informationen im Rahmen<br />

dieses Forschungszweiges untersucht: Mehrere Studien zeigten, dass Interesse an einem<br />

bestimmten Themengebiet die selektive Zuwendung zu entsprechenden Informationen<br />

begünstigt (Chew & Palmer, 1994; Ettema et al., 1983; Ettema & Kline, 1977; Genova &<br />

Greenberg, 1979; Lovrich & Pierce, 1984; Star & Hughes, 1950; Viswanath et al., 1993).<br />

Daraus wurde gefolgert, dass sich die Wissenskluft verstärkt, wenn ein Interessenunterschied<br />

zwischen verschiedenen Bevölkerungsteilen besteht. Andererseits wird sich die<br />

Wissenskluft verringern oder konstant bleiben, wenn das Interesse zwischen den verschiedenen<br />

Segmenten der Bevölkerung ausgeglichen ist (Ettema & Kline, 1977; Ettema<br />

et al., 1983). Um Interesse bzw. die Motivation zur Informationsaufnahme zu beschreiben,<br />

wurden die Begriffe „salience, functionality, concern, interest sowie involvement“<br />

(Viswanath et al., 1993: 548–549) in einem Atemzug genannt. Weitere verwandte Begriffe,<br />

die innerhalb der Wissenskluftforschung verwendet wurden, waren Relevanz,<br />

Nützlichkeit, Wichtigkeit und Partizipation (Viswanath & Finnegan, 1996), außerdem<br />

Informationsbedürfnis (Kwak, 1999).<br />

Schließlich sind innerhalb des Uses-and-Gratifications-Ansatzes die Motivationen<br />

der <strong>Medien</strong>nutzung von zentraler Bedeutung (Rosengren et al., 1985). Insbesondere inhaltsbezogene<br />

Gratifikationen, die als „Orientierung“ oder „Surveillance“ (Wenner,<br />

1985) bezeichnet wurden, stehen in Bezug zur Zuwendung zu Informationsangeboten.<br />

Aber die Definition von „Surveillance“ ist ebenfalls beeinträchtigt durch<br />

360<br />

„inconsistencies and troublesome ambiguities due to a lack of specificity in its operationalization.<br />

[...] operationalizations of surveillance often only begin to<br />

scratch the surface of the news consumer’s underlying needs for news, tapping in-


Knobloch / Patzig / Hastall · „Informational Utility“<br />

stead a vague and socially acceptable notion of how news should be used. Many of<br />

the varied definitions of surveillance fail to get at the heart of the matter“ (Wenner,<br />

1985: 177).<br />

Dieser kurze Überblick führt zu der Schlussfolgerung, dass – abgesehen von Festingers<br />

These, dass konsonante Information zum Zweck der Dissonanzreduktion präferiert<br />

werden — die eigentlichen Ursachen der Zuwendung zu Informationen in <strong>Medien</strong> bisher<br />

kaum expliziert worden sind. Eine große Vielfalt von Operationalisierungen auf<br />

kognitiver, affektiver und konativer Ebene (Selbstberichte) wurden herangezogen, um<br />

die Motivation der Informationszuwendung zu messen. Die Wichtigkeit von Interesse<br />

für die Informationsaufnahme (im Sinne von erinnern und wiedergeben können) ist bereits<br />

empirisch belegt worden und sollte auch für die selektive Zuwendung zu Information<br />

bedeutsam sein. Allerdings blieben Interesse als Konstrukt sowie die Ursprünge<br />

von geringem oder hohem „Interesse“ an bestimmten Inhalten völlig unklar. Darüber<br />

hinaus besteht die Gefahr der zirkulären Argumentation – Rezipienten, die sich einer<br />

Kampagne mehr zugewandt haben, müssen „interessierter“ an diesem Inhalt gewesen<br />

sein. Die dargestellten großen Forschungszweige liefern somit nur bedingt Ansatzpunkte<br />

zur Prognose und Erklärung von selektiver Informationsnutzung. Gleichwohl<br />

existieren einige spezifischere Vorschläge zu dieser Fragestellung.<br />

1.2 Spezifische Ansätze<br />

Donohew und Tipton (1973) formulierten ein Modell der Informationssuche, das<br />

zunächst seinen Ursprung in der Theorie der kognitiven Dissonanz hatte. Überdies<br />

berücksichtigt dieses Modell Dogmatismus und Abwechslungssuche als Stile der Informationsverarbeitung.<br />

Dogmatismus betrifft schlicht die Annahme, dass sich Menschen<br />

in ihrer Toleranz von Dissonanz unterscheiden. Abwechslungssuche bezeichnet die individuelle<br />

Regulation der Informationsaufnahme mit dem Ziel, diese innerhalb der<br />

Grenzen von Monotonie und Überlastung zu gestalten (nichtsdestotrotz ist die Operationalisierung<br />

der Autoren eher geeignet, um Neugier als Präferenz für neuartige Informationen<br />

zu messen). Selektive Zuwendung zu <strong>Medien</strong> mit solchen Regulationsabsichten<br />

kann, wie eingangs ausgeführt, als hedonistisch orientierte Tätigkeit (im Sinne von<br />

Mood Management; Zillmann, 1988) betrachtet werden und ist damit der Unterhaltungs-<br />

statt der Informationsnutzung zuzuordnen. Mit Hilfe der These zur Abwechslungssuche<br />

kann ggf. prognostiziert werden, wie umfangreich Informationsangebote genutzt<br />

werden. Aber welche Angebote ausgewählt werden, kann mit Abwechslungssuche<br />

nicht ohne weiteres erklärt werden. Somit erweiterten Donohew und Tipton die situationsbezogene<br />

Theorie zur kognitiven Dissonanz mit dem Dogmatismus-Konzept um<br />

einen persönlichkeitsorientierten Aspekt, lieferten aber keine neuen Hinweise zu Ursachen<br />

von selektiver Informationsnutzung.<br />

Chaffee und McLeod (1968, 1973) schlugen ein Koorientationsmodell der Informationssuche<br />

vor. Danach kann Informationsnutzung durch „social (specifically, communicatory)<br />

utility“ (Chaffee & McLeod, 1973: 243) motiviert sein, so dass individuelle<br />

Problemlösung wie „to resolve internal problems such as reaching a voting decision or<br />

reducing cognitive dissonance“ (ebd.) als Motivation in diesen Fällen zweitrangig sein<br />

sollte. In ihrer empirischen Untersuchung war „social utility“ eine wichtige Determinante<br />

für die Auswahl von Informationen, hier gemessen durch Bestellungen von Wahlkampfbroschüren.<br />

Soziale Nützlichkeit wurde operationalisiert durch Fragen nach<br />

früherer bzw. wahrscheinlicher zukünftiger Teilnahme an Diskussionen über die Wahl<br />

361


M&K 50. Jahrgang 3/2002<br />

sowie durch eigenes Interesse an der Wahl im Vergleich zum Interesse von Freunden<br />

(zur Verwendung medialer Information in interpersonaler Kommunikation: vgl. Kepplinger<br />

& Martin, 1986).<br />

Einen weiteren Ansatz zur Erklärung selektiver Informationszuwendung stellt die<br />

Übertragung von Nachrichtenfaktoren als journalistischen Auswahlkriterien auf die<br />

Rezipienten dar (Donsbach, 1991; Eilders, 1997). In einer Feldstudie stellte Donsbach<br />

fest, dass einige Nachrichtenfaktoren die Zuwendungen zu Informationen erhöhten, obwohl<br />

Aspekte der formalen Gestaltung einen noch stärkeren Einfluss hatten. Hierbei<br />

operationalisierte er die Zuwendung durch Copy-Tests. Eilders (1997) kam durch Tagebücher<br />

der <strong>Medien</strong>nutzung und Erinnerung der dargebotenen Artikel zum selben Ergebnis.<br />

Eilders und Wirth (1999) führten ein Experiment durch, um Konfundierung<br />

zwischen formaler Präsentation und Nachrichtenfaktoren zu vermeiden, und stellten<br />

darin fest, dass Prominenz, Personalisierung und Überraschung als Nachrichtenfaktoren<br />

selektive Erinnerungen fördern. Sie folgerten, dass die journalistischen Auswahlkriterien<br />

ebenfalls vom Publikum verwendet werden. Innerhalb dieses Ansatzes werden<br />

praktisch keine Differenzierungen vorgeschlagen, so dass alle Personen gleichermaßen<br />

Berichte für die Rezeption in Abhängigkeit von den damit verbundenen Nachrichtenfaktoren<br />

in den <strong>Medien</strong> auswählen sollten 1 . Allerdings ist es wahrscheinlicher, dass bei<br />

individueller Auswahl große Varianz in Abhängigkeit vom so genannten „Interesse“ am<br />

Thema vorherrscht. Zu dieser individuellen Informationsselektion gibt der Nachrichtenfaktoren-Ansatz<br />

keine Anhaltspunkte zur Vorhersage oder Erklärung.<br />

Die detaillierteste Theorie zur Nützlichkeit von Nachrichten und ihren Wirkungen<br />

auf die Informationssuche wurde von Atkin (1973, 1985) unterbreitet und wird als<br />

Grundlage für unsere weitere Explikation der selektiven Zuwendung zu Information<br />

und den determinierenden Faktoren dienen. Atkin setzte seinen Schwerpunkt auf Information<br />

und schloss aus seinen Betrachtungen die Suche nach Unterhaltung oder Vergnügen<br />

dezidiert aus. Sein Ansatz deckt sowohl individuelle als auch soziale Faktoren<br />

im Sinne von Chaffee und McLeod (1973) ab. Atkin unterschied zwei Formen der Informationszuwendung,<br />

„information receptivity“ und „information search“. Ersteres<br />

bezieht sich auf routinemäßiges Scannen von Informationsangeboten, letzteres auf absichtsvolles<br />

Suchverhalten in Reaktion auf eine explizite Frage zu einem Thema wie bei<br />

einer Recherche (Huang, 2000; Rimal et al., 1999; Marchionini, 1997) oder beim gezielten<br />

Zugriff auf <strong>Medien</strong>informationen zu Börsenkursen oder Wettervorhersagen.<br />

Die Nützlichkeit einer Nachricht kann nach Atkin wie folgt beschrieben werden: „A<br />

message has instrumental utility for the receiver when it provides him with a helpful<br />

input for responding to everyday environmental stimuli or for defending personal predispositions.<br />

He may need information to keep abreast of governmental actions, to guide<br />

his consumer decision-making, or to reinforce his political preferences“ (Atkin, 1973:<br />

205; er verwendete die Begriffe „Instrumental Utility“ und „Informational Utility“ synonym).<br />

Von dieser extrinsisch motivierten Form der Selektion, die auf längerfristigen<br />

Nutzen zielt, grenzte er die „non-instrumental considerations“ ab, die intrinsische Selektionsmotive<br />

zur kurzfristigen Befriedigung aktueller Erlebensbedürfnisse darstellen<br />

(Atkin, 1973: 205) und eher Unterhaltungsmotive betreffen.<br />

Information dient der Aufhebung von Unsicherheiten. Eine Unsicherheit besteht im<br />

Fehlen von Wissen und, auf einer komplexeren Ebene, im Fehlen von Wissen, das<br />

1 Eine Ausnahme bildet die Einbeziehung einiger Rezipientenmerkmale bei Eilders (1997,<br />

S. 166f.), die aber nur geringen Einfluss zeigten (ebd., S. 258).<br />

362


Knobloch / Patzig / Hastall · „Informational Utility“<br />

benötigt wird, um eine Einstellung zu bilden oder konkretes Verhalten auszuführen. In<br />

diesem Sinne reduziert Information nicht immer Unsicherheit, weil sie auch die Schwierigkeit<br />

der Einstellungsbildung erhöhen kann. Atkin definierte Information schlicht als<br />

etwas, was die Empfänger noch nicht wissen (ebenso Chaffee & McLeod, 1973). Indessen<br />

könnte eine große Vielzahl von Unsicherheiten wahrgenommen werden. Allerdings<br />

sind für das Individuum diejenigen Unsicherheiten relevant, die sich auf die unmittelbare<br />

Umgebung und tatsächlich stellende Probleme beziehen, so genannte extrinsische<br />

Unsicherheiten in Atkins Nomenklatur. Diese Adaptationsanforderungen dienen als<br />

Kriterium, um diejenigen Unsicherheiten abzugrenzen, deren Aufhebung durch Informationszuwendung<br />

angestrebt wird.<br />

Das generelle Bedürfnis nach Information, um extrinsische Unsicherheiten zu reduzieren,<br />

kann weiterhin eingeteilt werden in a) kognitive, b) affektive, c) konative und<br />

d) stabilisierende Adaptationen. Atkin schlägt damit eine Unterscheidung in Überblick,<br />

Orientierung, Kompetenz und Bestätigung als verschiedene Informationsbedürfnisse<br />

vor. Wir werden uns hier auf das Bedürfnis nach Überblicksinformationen, die für kognitive<br />

Adaptationen nötig sind, konzentrieren. „Basically, the individual desires to formulate<br />

precise cognitive orientations toward those stimuli that potentially or currently<br />

impinge on his well-being. […] [The individual] maintains surveillance over potential<br />

changes that may require adaptive adjustments, monitoring threats or opportunities and<br />

forming cognitive orientations such as comprehension, expectations, and beliefs“<br />

(Atkin, 1973: 208/211–213).<br />

Insbesondere dieser Bereich von Atkins Ansatz erinnert an die psychologische Vigilanzforschung<br />

(im Überblick: Krohne, 1993), die das Motiv der Überwachung der Umgebung<br />

in den Mittelpunkt stellt. In diesem Kontext wurde festgestellt, dass negative Information<br />

eher Aufmerksamkeit erzeugen als positive (Pratto & John, 1991). Mit dem<br />

Überwachungsmotiv wurde auch die immer wieder festgestellte Präferenz für negative<br />

Nachrichten begründet (z. B. Shoemaker, 1996). Die Valenz von Informationen wird im<br />

Zusammenhang mit der Handlungsorientierung der Empfänger weiterhin diskutiert<br />

(Wentura et al., 2000; Rothermund et al., 2001). Auch Atkin thematisierte sowohl negative<br />

als auch positive Inhalte („threats and opportunities“, s. o.), die beide nützlich sein<br />

können und somit in einem Informational-Utility-Modell zu berücksichtigen sind.<br />

Nach Atkins Modell wählt das Individuum Botschaften aus, wenn es deren Wert<br />

höher einschätzt als den Aufwand, der mit dem Erhalt der Botschaft verbunden ist (vgl.<br />

auch Jäckel, 1992, zu <strong>Medien</strong>auswahl als Kosten-Nutzen-Optimierung). Instrumentelle<br />

Nützlichkeit ist eine wesentliche Komponente des Wertes einer Botschaft. Die subjektive<br />

Bewertung von Themenwichtigkeit ist folglich zentral für die damit assoziierte<br />

Nützlichkeit der Information. Umgekehrt beeinflusst die Nützlichkeit die Auswahl<br />

der Botschaft. Dennoch ist nach wie vor die essenzielle Frage, was genau einem Thema<br />

subjektive Wichtigkeit verleiht. Atkin hat keine empirische Forschung zur Überprüfung<br />

seines Ansatzes durchgeführt, sondern ausschließlich bereits vorhandene Selektionsstudien<br />

unter diesem speziellen Blickwinkel neu ausgewertet. „In seiner vorliegenden<br />

Form kommt Atkins Ansatz allerdings nicht über ein Denkmodell hinaus.“ (Donsbach,<br />

1991: 97).<br />

1.3 Weiterentwicklung und theoretische Einbettung des Informational-Utility-Modells<br />

Genauere Vorhersagen zu diesem Aspekt können von einer detaillierteren Konzeptualisierung<br />

von Informational Utility abgeleitet werden (Knobloch et al., 2002). Ihr zufolge<br />

sind solche Informationen „nützlich“, die mit aktuellen und zukünftigen Konfronta-<br />

363


M&K 50. Jahrgang 3/2002<br />

tionen eines Individuums mit Gefahren oder Chancen in Bezug stehen. Dabei variiert<br />

der Grad der Nützlichkeit a) mit dem wahrgenommenen Ausmaß der Konsequenzen<br />

(Magnitude), b) mit der wahrgenommenen Wahrscheinlichkeit der Betroffenheit (Likelihood)<br />

und c) mit der wahrgenommenen zeitlichen Nähe (Immediacy). Der Einfluss<br />

dieser Dimensionen ist begründet in sich daraus ergebender Handlungsrelevanz. Es ist<br />

umso wichtiger, sich auf Ereignisse einzustellen, wenn diese mit umfangreichen Konsequenzen<br />

verbunden sind, man vermutlich selbst betroffen sein wird und eigene Handlungen<br />

bald ausgeführt werden müssen. Je höher der Grad von Informational Utility auf<br />

diesen drei Dimensionen ist, desto wahrscheinlicher und desto umfassender erfolgt die<br />

selektive Zuwendung zu einer Nachricht mit diesem Thema. Weiterhin gelten diese<br />

Nützlichkeitsdimensionen gemäß dem neu formulierten „Informational Utility“-Ansatz<br />

sowohl für positive als auch für negative Nachrichten zu Chancen bzw. Gefahren.<br />

Im Gegensatz zu anderen Modellen zur Erklärung von selektiver Informationsnutzung<br />

greift der Informational-Utility-Ansatz nicht auf das Konstrukt „Interesse“<br />

zurück, weil es zwar schillernd, aber auch polyvalent und äußerst uneindeutig ist. Der<br />

Begriff „Interesse“ wird in verschiedensten Kontexten verwendet, ohne ihn jedoch inhaltlich<br />

zu definieren. Es finden sich praktisch ausschließlich operationale Definitionen,<br />

indem in Befragungen wortwörtlich der Grad des „Interesses“ durch Selbstauskunft erhoben<br />

wird (s. o.). Im Informational-Utility-Ansatz wird stattdessen eine Beziehung<br />

zwischen der Nützlichkeit — konkretisiert durch Differenzierung in Subdimensionen<br />

— von Inhalten und der selektiven Zuwendung zu diesen Inhalten postuliert.<br />

Darin unterscheidet sich der Informational-Utility-Ansatz von Konzeptualisierungen<br />

aus dem Bereich des Uses-and-Gratifications-Ansatzes. Levy und Windahl (1985)<br />

verwendeten zwar die beiden Begriffe Selektivität und Nützlichkeit („selectivity“ und<br />

„utility“) und bezogen sich bei letzterem sogar explizit auf die Publikation von Atkin<br />

aus dem Jahr 1973. Sie verstanden darunter zwei verschiedene Arten von Publikumsaktivitäten,<br />

die vor, während oder nach der <strong>Medien</strong>nutzung zu Gratifikationen führen<br />

können. Aus ihrer Typologie von Publikumsaktivitäten lassen sich jedoch keine unmittelbaren<br />

Zusammenhänge zwischen diesen Konzepten ableiten. Allerdings sahen Levy<br />

und Windahl Aufgaben von zukünftiger Forschung darin, die Zusammenhänge auf<br />

theoretischer und empirischer Basis zu formulieren. Gewissermaßen kommt die Weiterentwicklung<br />

des Informational-Utility-Ansatzes dieser Forderung nach.<br />

Darüber hinaus wird nach Individuen differenziert, da mit Likelihood auf die persönliche<br />

Wahrscheinlichkeit der Betroffenheit eingegangen wird. Auch die Dimension<br />

Immediacy kann für verschiedene Individuen unterschiedlich ausfallen, weil ein Ereignis<br />

oder eine Entwicklung relevant werden kann je nach individueller Lebensphase und<br />

-planung (z. B. Zeitpunkt des persönlichen Berufseinstiegs vor dem Hintergrund der<br />

Arbeitsmarktentwicklung oder geplanter Urlaub vor dem Hintergrund des Themas<br />

Flugsicherheit).<br />

In diesem Punkt der Differenzierung nach Individuen unterscheidet sich der Informational-Utility-Ansatz<br />

von der Übertragung von Nachrichtenfaktoren auf das Publikum<br />

(s. o.). Nichtsdestotrotz sollen die beiden Ansätze im Folgenden zur Verdeutlichung<br />

vergleichend diskutiert werden (bezugnehmend auf Eilders, 1997, und Eilders &<br />

Wirth, 1999). Die für die Rezeption untersuchten Nachrichtenfaktoren enthalten u. a.<br />

„Reichweite“, die sich auf die allgemeine Betroffenenzahl bezieht, aber nicht auf individuelle<br />

Betroffenheitswahrscheinlichkeit. Der klassische Nachrichtenwert „Nähe“ kann<br />

sich auf individuelle Betroffenheitswahrscheinlichkeit auswirken (z. B. „Grippevirus<br />

grassiert in Norddeutschland“), diese kann aber auch aus Zugehörigkeit zu einer Personengruppe<br />

resultieren (z. B. „Grippevirus besonders gefährlich für Senioren“). Dagegen<br />

364


erscheinen die Nachrichtenwerte „Schaden“ und „Nutzen“ geradezu deckungsgleich<br />

mit der Informational-Utility-Dimension Magnitude in ihrer negativen und positiven<br />

Ausprägung. Weitere für die Rezeption untersuchte Nachrichtenfaktoren wie Faktizität,<br />

Personalisierung oder Etablierung können nicht oder nur bedingt mit den Informational-Utility-Dimensionen<br />

in Verbindung gebracht werden. Insgesamt versammeln<br />

sich unter den Nachrichtenwerten verschiedene allgemein aufmerksamkeitsrelevante<br />

Aspekte, die aber mit den spezifischeren Nützlichkeitsdimensionen kaum überlappen.<br />

1.4 Hypothesen<br />

Zwei Studien mit studentischen Stichproben in den USA bestätigten den Einfluss aller<br />

drei Faktoren auf die Zuwendung (Knobloch et al., in Vorb.), beschränkten sich aber auf<br />

die Untersuchung negativer Nachrichten. Allerdings bezieht sich die neu formulierte Informational-Utility-Theorie<br />

sowohl auf Gefahren als auch auf Chancen bzw. Gelegenheiten.<br />

Mit der vorliegenden Studie wird die Theorie erstmals im deutschen Sprachraum<br />

und erstmals auch für positive Nachrichten anhand folgender Hypothesen geprüft.<br />

H1: Je umfangreicher die negativen Folgen eines in einer Schlagzeile genannten Ereignisses<br />

wahrgenommen werden, desto länger nutzen Personen die zugehörige Nachricht.<br />

H2: Je wahrscheinlicher die persönliche negative Betroffenheit durch ein in einer Schlagzeile<br />

genanntes Ereignis wahrgenommen wird, desto länger nutzen Personen die<br />

zugehörige Nachricht.<br />

H3: Je kurzfristiger negative Folgen durch ein in einer Schlagzeile genanntes Ereignis erwartet<br />

werden, desto länger nutzen Personen die zugehörige Nachricht.<br />

H4: Je umfangreicher die positiven Folgen eines in einer Schlagzeile genannten Ereignisses<br />

wahrgenommen werden, desto länger nutzen Personen die zugehörige Nachricht.<br />

H5: Je wahrscheinlicher die persönliche positive Betroffenheit durch ein in einer Schlagzeile<br />

genanntes Ereignis wahrgenommen wird, desto länger nutzen Personen die<br />

zugehörige Nachricht.<br />

H6: Je kurzfristiger positive Folgen durch ein in einer Schlagzeile genanntes Ereignis erwartet<br />

werden, desto länger nutzen Personen die zugehörige Nachricht.<br />

2. Methode<br />

Knobloch / Patzig / Hastall · „Informational Utility“<br />

2.1 Überblick<br />

In zwei Feldexperimenten wurden 137 Schüler gebeten, fiktive Online-Schülerzeitungen<br />

anzusehen. In einem computergestützten (Offline-)Experiment wurden in der Zeitung<br />

ausschließlich positive Berichte dargeboten, in einem zweiten, web-basierten Experiment<br />

wurden negative Artikel2 thematisiert. Die Schülerzeitungen enthielten jeweils<br />

drei in Bezug auf die Informational-Utility-Dimensionen variierte Artikel und drei konstant<br />

bleibende Berichte. Für jede der drei Dimension wurden die variierten Artikel entweder<br />

in hoher oder niedriger Intensität dargeboten, so dass beide Feldexperimente ein<br />

2x3-Design realisierten. Durch eine Beschränkung der Lesezeit auf drei Minuten wurde<br />

2 Die Studie wurde im Rahmen eines Seminars am Institut für <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong> der<br />

TU Dresden durchgeführt.<br />

365


M&K 50. Jahrgang 3/2002<br />

eine Selektionssituation hergestellt. Die Zuwendungszeiten für die einzelnen Artikel<br />

wurden per Software aufgezeichnet. Anschließend füllten die Probanden am Bildschirm<br />

einen Fragebogen aus.<br />

2.2 Untersuchungsteilnehmer<br />

Das Experiment zu positiven Nachrichten wurde an einem sächsischen Gymnasium mit<br />

40 Schülerinnen und 39 Schülern im Alter von 16 bis 18 Jahren durchgeführt. Die experimentellen<br />

Bedingungen wurden manuell in der Multimedia-Anwendung an den Computerplätzen,<br />

die den Teilnehmern zufällig zugewiesen wurden, voreingestellt. Die experimentellen<br />

Gruppen umfassten jeweils elf bis 14 Personen.<br />

Am Experiment zu negativen Nachrichten nahmen 22 Schüler und 36 Schülerinnen<br />

im Alter von 17 bis 19 Jahren eines Gymnasiums in Brandenburg teil. Die Zuweisung<br />

zu den experimentellen Bedingungen erfolgte sequenziell durch die WWW-Anwendung<br />

(beim ersten Serverzugriff die erste Bedingung, beim zweiten Serverzugriff die zweite<br />

etc.). Alle experimentellen Gruppen umfassten neun bis zehn Personen.<br />

2.3 Ablauf der Experimente<br />

Das computergestützte Experiment zu positiven Nachrichten am Gymnasium in Dresden<br />

wurde im Rahmen von Informatik-Kursen zu Beginn der Schulstunde im Computerraum<br />

mit zwölf Plätzen durchgeführt. Das web-basierte Experiment zu negativen<br />

Nachrichten wurde im Informatikraum der Brandenburger Schule, ausgestattet mit<br />

15 Computern, durchgeführt. Die Versuchspersonen wurden in Gruppen von sechs bis<br />

13 Schülern aus verschiedenen Kursen zu dem Experiment gebeten. Die Schüler wurden<br />

per Bildschirm wie folgt instruiert: „Im Rahmen eines Seminars an der TU Dresden haben<br />

wir einen Entwurf für eine neue Jugendzeitung angefertigt, und wir möchten Sie bitten,<br />

uns Ihre Meinung und Ihre Einschätzung dazu mitzuteilen. […] Zunächst bekommen<br />

Sie von uns eine Auswahl aus verschiedenen Artikeln, die Sie sich bitte ansehen.<br />

Die vorgesehene Zeit reicht nicht für alle Artikel. Lesen Sie deshalb einfach das, was Sie<br />

am meisten interessiert. Nachdem die Zeit abgelaufen ist, werden wir kurz mit Ihnen<br />

darüber reden.“<br />

2.4 Stimulus-Material<br />

Beide fiktiven Online-Schülerzeitungen wurden in einem Internet-Browserfenster gezeigt.<br />

Auf der Startseite waren die Überschriften sowie der Textanfang von sechs Artikeln<br />

zu sehen. Durch Hyperlinks konnten die Versuchspersonen zu den Artikeln gelangen,<br />

um sie zu lesen. Sie konnten jederzeit auf die Titelseite zurückkehren, um einen<br />

anderen Artikel weiterzulesen. Im Hintergrund wurden die Zeiten aufgezeichnet, die<br />

die Versuchspersonen für die verschiedenen Artikel verwendeten. Nach Ablauf der auf<br />

drei Minuten beschränkten Lesezeit beantworteten die Teilnehmer einen computergestützten<br />

Fragebogen.<br />

Das experimentelle Material für die Untersuchung von positiven und negativen Nachrichten<br />

unterschied sich im Layout und in der technischen Umsetzung. Die positiven<br />

Artikel wurden im fiktiven Schülermagazin „Visor“ dargeboten, das auf gelb-blauem<br />

Hintergrund mit schwarzer Verdana-Schrift und blauen Hyperlinks umgesetzt wurde<br />

(vgl. Abb. 1). Die negativen Berichte wurden in einer Schülerzeitung mit dem Namen<br />

„Strebergarten“ mit weißem Hintergrund, schwarzer Times-Schrift und rot markierten<br />

366


Knobloch / Patzig / Hastall · „Informational Utility“<br />

Abbildung 1:Beispiel für eine Bildschirmseite, Untersuchung zu positiven Nachrichten<br />

(Titelseite, Magnitude in hoher Ausprägung)<br />

Abbildung 2:Beispiel für eine Bildschirmseite, Untersuchung zu negativen Nachrichten<br />

(Titelseite, Magnitude in hoher Ausprägung)<br />

367


M&K 50. Jahrgang 3/2002<br />

Hyperlinks präsentiert (vgl. Abb. 2). Beim „Strebergarten“ handelte es sich um eine<br />

WWW-Oberfläche 3 , während „Visor“ mit einem Multimedia-Tool programmiert wurde<br />

und auch offline nutzbar war.<br />

2.5 Unabhängige Variablen<br />

Die drei Dimensionen von Informational Utility hatten jeweils zwei Ausprägungen<br />

(hoch/niedrig). Hierzu wurden von Personen mit journalistischer Expertise drei Zeitungsartikel<br />

erarbeitet, die entsprechend der Informational-Utility-Dimensionen und<br />

deren Intensität variiert wurden. Die Themen der Artikel entsprachen der Altersgruppe<br />

der Versuchspersonen. Zur experimentellen Manipulation wurden die Überschriften<br />

variiert (vgl. Tabelle 1) und, soweit erforderlich, Details in den Artikeltexten angepasst.<br />

Zur Herstellung einer Selektionssituation wurden zusätzlich zu den experimentell variierten<br />

Berichten drei weitere, nicht manipulierte Artikel hinzugefügt. Die Zeitvorgabe<br />

von drei Minuten für die Lesedauer wurde so gewählt, dass nicht alle Artikel in dieser<br />

Zeit gelesen werden konnten und deshalb die Versuchspersonen zwischen den angebotenen<br />

<strong>Medien</strong>inhalten selektieren mussten. Damit konnte im Experiment eine angenommene<br />

stärkere Zuwendung zu dem veränderten Material untersucht werden.<br />

Alle Artikel waren so verfasst, dass sie die gleiche Länge hatten und im äußeren Aufbau,<br />

z. B. Stellung und Größe der Überschriften, gleich waren. Die positiven Artikel<br />

umfassten jeweils etwa 180 Wörter, die negativen Berichte waren mit jeweils etwa 150<br />

Wörtern etwas kürzer. Zur Präsentation des Stimulusmaterials wurde eine Schülerzeitungsseite<br />

entworfen, auf der insgesamt sechs Artikel angeordnet waren. Diese Zeitungsseite<br />

setzte sich aus drei jeweils gleich bleibenden und je einem manipulierten Text<br />

pro Thematik zusammen. Bei den variierten Artikeln wurde immer die gleiche Dimension<br />

mit der derselben Ausprägung auf einer Zeitungsseite angeordnet (z. B. nur „Magnitude<br />

– hohe Ausprägung“). Bei der Anordnung wurde durchgängig das gleiche Platzierungsschema<br />

beibehalten. Somit ergaben sich für die Präsentation der Stimuli sechs<br />

verschiedene Zeitungsseiten für die positiven Nachrichten und weitere sechs für die negativen<br />

Berichte, die sich in den Dimensionen und ihren Ausprägungen unterschieden.<br />

2.6 Abhängige Variablen<br />

Bei beiden Feldexperimenten war die per Software gemessene Zuwendungszeit zu den<br />

experimentell variierten Artikeln die zentrale abhängige Variable.<br />

Nach dem Experiment zu positiven Nachrichten bewerteten die Teilnehmer die experimentell<br />

variierten Artikel und einen konstanten Artikel daraufhin, wie „wahrscheinlich“<br />

sie vom in der Überschrift genannten Ereignis betroffen werden, wie „bald“<br />

das Ereignis eintritt, ob es „positive“ bzw. „negative Folgen“ hat und wie „nützlich“ der<br />

Bericht und wie „wichtig“ das Thema des Artikels war. Für jeden bewerteten Bericht<br />

wurden die jeweiligen Überschriften angezeigt. Im Experiment zu negativen Artikeln<br />

stuften die Teilnehmer ein, wie „informativ“, „glaubwürdig“, „wichtig für die Öffentlichkeit“,<br />

„nützlich“ sowie wie „wichtig“ sie die einzelnen Artikel fanden.<br />

3 Das Web-Experiment wurde technisch durch die Unterstützung von Michael Zier ermöglicht.<br />

368


Knobloch / Patzig / Hastall · „Informational Utility“<br />

Tabelle 1: Experimentelle Variation der Artikelüberschriften für die Informational-<br />

Utility-Dimensionen „Magnitude“, „Likelihood“ und „Immediacy“ sowie<br />

deren Intensität<br />

Dimension Ausprägung<br />

Niedrig Hoch<br />

Negative Artikel<br />

Magnitude<br />

Likelihood<br />

Immediacy<br />

Positive Artikel<br />

Magnitude<br />

Likelihood<br />

Immediacy<br />

• Schüler-Demos: Teilnehmern droht<br />

Brief an die Eltern<br />

• Grippewelle sorgt für Kopfschmerzen<br />

und Husten<br />

• Dreiste Raubüberfälle auf Passanten<br />

• Schüler-Demos: Teilnehmern drohen<br />

Sanktionen in Süddeutschland<br />

• Grippewelle: Schulen in Baden-<br />

Württemberg und Bayern müssen<br />

schließen<br />

• Raubüberfälle auf ältere Personen<br />

• Schüler-Demos: Teilnehmern drohen<br />

Sanktionen ab Schuljahr 2004<br />

• Grippewelle: Langsame Ausbreitung<br />

• Raubüberfälle auf Passanten mit<br />

steigender Tendenz<br />

• Marktplatz für Jugendreisen im Internet<br />

– weniger als 30 Angebote<br />

• SMS-Gebühren bleiben konstant<br />

• Sanierung einer Sporthalle in<br />

Dresden<br />

• Marktplatz für Jugendreisen im Internet<br />

– viele Angebote für Grundschüler<br />

• SMS-Gebühren sinken bei allen<br />

Netzbetreibern in Frankreich<br />

• Neuer Sportkomplex in Leipzig<br />

• Marktplatz für Jugendreisen im Internet<br />

– Planungen laufen noch<br />

• SMS-Gebühren sinken erst Ende<br />

nächsten Jahres<br />

• Neuer Sportkomplex wird in fünf<br />

Jahren eröffnet<br />

• Schüler-Demos: Teilnehmern droht<br />

Schulverweis<br />

• Grippewelle erzwingt Schulschließungen<br />

• Brutale Raubüberfälle auf Passanten<br />

• Schüler-Demos: Teilnehmern drohen<br />

Sanktionen in Ostdeutschland<br />

• Grippewelle: Schulen in Sachsen<br />

und Brandenburg müssen schließen<br />

• Raubüberfälle auf jugendliche Passanten<br />

• Schüler-Demos: Teilnehmern drohen<br />

Sanktionen ab nächstem Schuljahr<br />

• Grippewelle: Rasche Ausbreitung<br />

• Raubüberfälle auf Passanten<br />

sprunghaft gestiegen<br />

• Marktplatz für Jugendreisen im Internet<br />

– über 1000 Angebote<br />

• SMS-Gebühren sinken deutlich<br />

• neuer großer Sportkomplex in<br />

Dresden<br />

• Marktplatz für Jugendreisen im Internet<br />

– viele Angebote für Gymnasiasten<br />

• SMS-Gebühren sinken bei allen<br />

Netzbetreibern in Deutschland<br />

• neuer Sportkomplex in Dresden<br />

• Marktplatz für Jugendreisen im Internet<br />

– jetzt Angebote online<br />

• SMS-Gebühren sinken bereits vor<br />

Jahresende<br />

• Neuer Sportkomplex wird dieses<br />

Jahr eröffnet<br />

369


M&K 50. Jahrgang 3/2002<br />

3. Ergebnisse<br />

3.1 Selektive Zuwendung zu positiven Nachrichten<br />

Im ersten Schritt wurden die Zuwendungszeiten zu den einzelnen experimentell variierten<br />

Artikeln als eine (aggregierte) abhängige Variable analysiert. Für das Experiment<br />

zu positiven Artikeln zeigte eine Varianzanalyse mit den Informational-Utility-Dimensionen<br />

(als eine unabhängige Variable mit drei Ausprägungen – Magnitude, Likelihood<br />

und Immediacy) und deren Intensität (als weitere unabhängige Variable mit zwei Ausprägungen<br />

– hoch vs. niedrig) ausschließlich eine signifikante Wirkung der Intensität<br />

(F(1,72) = 8.14, p = .006) auf die selektive Zuwendung. Die Zuwendungszeiten der Versuchspersonen,<br />

denen die experimentell variierten Artikel mit hoher Informational-Utility<br />

dargeboten wurden, waren länger als die der Vergleichsgruppen. Für Likelihood<br />

und Immediacy unterschieden sich die Gruppen signifikant (vgl. Tab. 2). Dass die Dimensionen<br />

von Informational Utility keinen Haupteffekt auf die Zuwendungszeit hatten,<br />

besagt, dass deren experimentelle Manipulationen zusammengenommen jeweils<br />

gleich umfangreiche Zuwendung bewirkten. Dies ist allerdings abhängig von den konkreten<br />

Formulierungen, die in den variierten Überschriften verwendet wurden. Da keinerlei<br />

Interaktionseffekte auftraten, ist auch zu schlussfolgern, dass sogar die Intensitätsabstände<br />

für alle drei Dimensionen etwa gleich ausfielen.<br />

Tabelle 2: Effekte der Informational-Utility-Dimensionen Magnitude, Likelihood und<br />

Immediacy auf die selektive Zuwendung zu negativen und positiven Online-Nachrichten<br />

(Zeit in Sekunden)<br />

Informational-Utility- Ausprägung p<br />

Dimension Niedrig Hoch<br />

Positive Artikel<br />

Magnitude 70 80 .349<br />

Likelihood 45 74 .025<br />

Immediacy 59 88 .018<br />

Negative Artikel<br />

Magnitude 65 95 .007<br />

Likelihood 93 73 .240<br />

Immediacy 30 61 .025<br />

Anmerkung: Selektive Zuwendung wurde aggregiert auf Basis von drei experimentell variierten Artikeln, die<br />

neben drei konstant gehaltenen Artikeln gelesen werden konnten. Die gesamte Lesezeit war auf 180 Sekunden<br />

beschränkt, die auf die Artikel und die Titelseite verwendet werden konnten. Angaben zum Signifikanzniveau<br />

basieren auf einseitigen t-Tests.<br />

Im zweiten Schritt wurden Zuwendungszeiten für die drei verschiedenen variierten Artikel<br />

berücksichtigt. Für jeden Probanden lagen drei Zeitwerte für drei Artikel vor, die<br />

somit in eine Varianzanalyse mit Messwiederholungen als „within-Faktor“ eingingen.<br />

Die Informational-Utility-Dimensionen sowie deren Intensität wurden dagegen wiederum<br />

als „between-Faktoren“ (also in Form eines Vergleichs verschiedener Probandengruppen)<br />

einbezogen. Diese Analyse ergab zwei signifikante Effekte: Neben dem<br />

370


Knobloch / Patzig / Hastall · „Informational Utility“<br />

bereits spezifizierten Einfluss der Intensität fielen die Zuwendungszeiten für die verschiedenen<br />

Artikel signifikant unterschiedlich aus (F(2,144) = 5.39, p = .007 mit Greenhouse-Geisser-Korrektur).<br />

Dies belegt schlicht, dass die verschiedenen Themen – aus<br />

welchen Gründen auch immer – unterschiedlich ‚interessant’ waren. Der Bericht zu<br />

SMS-Gebühren erzielte deutlich mehr Aufmerksamkeit, die sich in vergleichsweise umfangreicher<br />

Zuwendungszeit (M = 31 Sekunden) niederschlug, während die Berichte zur<br />

Internet-Seite mit Jugendreisen bzw. zur Sporthalle kürzer gelesen wurden (M = 16 bzw.<br />

22). Dass keine Interaktionen in dieser Varianzanalyse zu konstatieren waren, spricht<br />

für die Einheitlichkeit des Effektes der Intensität der Informational-Utility-Dimensionen.<br />

3.2 Bewertungen positiver Nachrichten<br />

Um zu überprüfen, ob die experimentelle Manipulation wirksam war, wurden die Bewertungen<br />

der Nachrichten analysiert. Dazu wurden die Bewertungen einzelner Artikel<br />

für einzelne Items durch Mittelwerte zusammengefasst und einer Faktorenanalyse<br />

unterzogen, die zwei Faktoren ergab. Außer der Einstufung zu negativen Konsequenzen<br />

der als positiv konzipierten Berichte luden alle Bewertungen auf dem ersten Faktor<br />

(Varianzaufklärung: 58 %), wobei „nützlich“ die höchste Ladung aufwies (.92). Diese<br />

Items wurden durch ihren Mittelwert zusammengefasst (alpha = .89); das mit diesem<br />

Faktor nicht assoziierte, verbleibende Item wurde nicht weiter berücksichtigt. Eine<br />

Varianzanalyse mit der allgemeinen Nützlichkeitsbewertung als abhängiger Variablen<br />

und den Informational-Utility-Dimensionen und deren Intensität als Faktoren ergab<br />

Haupteffekte für beide unabhängigen Variablen. Die Bewertung fiel unterschiedlich aus<br />

für die Dimensionen (F(2,72) = 8.50, p = .000) mit M = 5.5 für Magnitude, M = 3.8 für<br />

Likelihood und M = 5.1 für Immediacy. Bei hoher Intensität der Informational Utility<br />

ergab sich eine höhere Nützlichkeitsbewertung (F(1,72) = 11.1, p = .001) mit M = 5.3 versus<br />

4.1. Damit entsprachen die Wahrnehmungen der Probanden der beabsichtigten experimentellen<br />

Variation.<br />

3.3 Selektive Zuwendung zu negativen Nachrichten<br />

Das Experiment zu negativen Artikeln wurde analog zu den positiven Berichten ausgewertet.<br />

Die Varianzanalyse mit den Informational-Utility-Dimensionen sowie deren<br />

Intensität als unabhängigen Variablen und den aggregierten Zuwendungszeiten für die<br />

drei variierten Artikel als abhängiger Variable zeigte eine signifikante Wirkung der Dimension<br />

(F(2,52) = 10.17, p = .000), einen marginal signifikanten Effekt der Intensität<br />

(F(2,52) = 3.52, p = .066) sowie einen Interaktionseffekt zwischen beiden Faktoren<br />

(F(2,52) = 5.12, p = .009). Wiederum waren die Zuwendungszeiten der Versuchspersonen,<br />

denen die experimentell variierten Artikel mit hoher Informational-Utility dargeboten<br />

wurden, länger als die der Vergleichsgruppen. Für Magnitude und Immediacy unterschieden<br />

sich die Gruppen signifikant (vgl. Tab. 2). Das konkret verwendete Stimulusmaterial<br />

bewirkte aber für die drei Informational-Utility-Dimensionen unterschiedlich<br />

umfangreiche Zuwendung, da die Artikel-Versionen der Immediacy-Gruppen<br />

deutlich kürzer genutzt wurden als die anderen Versionen. Dies ist eine Folge des Wortlautes,<br />

der für die experimentelle Variation genutzt wurde. Ein Interaktionseffekt trat<br />

auf, weil der Zuwendungsunterschied zwischen den beiden Likelihood-Gruppen anders<br />

als bei den Immediacy- und den Magnitude-Gruppen entgegengesetzt zu den Hypothesen<br />

ausfiel. Dieser Unterschied ist aber nicht signifikant.<br />

371


M&K 50. Jahrgang 3/2002<br />

Eine Varianzanalyse mit Messwiederholungen mit den drei variierten Artikeln als<br />

within-Faktor und den Informational-Utility-Dimensionen sowie deren Intensität als<br />

between-Faktoren ergab neben den bereits berichteten Effekten keine weiteren signifikanten<br />

Befunde, so dass zu schließen ist, dass die verschiedenen Artikelthemen in den<br />

verschiedenen experimentellen Variationen etwa gleichermaßen beachtet wurden.<br />

3.4 Bewertungen negativer Nachrichten<br />

Wiederum wurden zur Validierung der experimentellen Manipulation zunächst die Bewertungen<br />

verschiedener Artikel anhand einzelner Items zusammengefasst und einer<br />

Faktorenanalyse unterzogen, die zwei Faktoren ergab. Der erste Faktor umfasste „informativ“<br />

und „glaubwürdig“ (Varianzaufklärung: 53 %), der zweite „wichtig für die<br />

Öffentlichkeit“ sowie „nützlich“ (22 %). Die genannten Items hatten jeweils eindeutige<br />

Ladungen auf einem Faktor (mindestens .83 ) und konnten deshalb zu zwei neuen Bewertungsvariablen<br />

zusammengefasst werden (alpha = .79 bzw. 64), wohingegen „wichtig“<br />

auf beiden Faktoren hohe Ladungen aufwies und deshalb nicht zugeordnet werden<br />

konnte. Eine Varianzanalyse mit den beiden neu kreierten Bewertungsvariablen sowie<br />

„wichtig“ als abhängigen Variablen und den Informational-Utility-Dimensionen und<br />

deren Intensität als Faktoren ergab nur einen signifikanten Haupteffekt der Intensität<br />

für „wichtig“ (F(1,51) = 4.30, p = .043) mit M = 4.6 für geringe und M = 5.2 für hohe Intensität.<br />

Somit war die experimentelle Variation auch für negative Nachrichten erfolgreich.<br />

4. Diskussion<br />

Auf der Grundlage von Atkins (1973) theoretischen Überlegungen wurde ein neuer Informational-Utility-Ansatz<br />

entwickelt (Knobloch et al., 2002) und in den USA anhand<br />

studentischer Stichproben für negative Nachrichten bereits bestätigt (Knobloch et al., in<br />

Vorb.). Bei der hier vorgelegten Studie handelt es sich um die erste deutsche Untersuchung<br />

zu diesem Ansatz, erstmals wurde auch die Rezeption positiver Berichte analysiert.<br />

Dazu wurden zum Einfluss der drei Dimensionen Magnitude, Likelihood und Immediacy<br />

für positive und negative Nachrichten insgesamt sechs Hypothesen formuliert<br />

und anhand zweier Feldexperimente mit Schülern als Teilnehmern überprüft. Die Befunde<br />

bestätigten vier der sechs Hypothesen. Im Einzelnen führten Likelihood (H5) und<br />

Immediacy (H6) in hoher Intensität bei den positiven Nachrichten zu umfangreicherer<br />

Nutzung, Magnitude (H1) und Immediacy (H3) bewirkten in hoher Intensität auch verstärkte<br />

Zuwendung zu negativen Nachrichten.<br />

Für die positiven Berichte zeigten die Analysen darüber hinaus, dass die verschiedenen<br />

Themen unterschiedlich stark beachtet wurden und somit mehr oder weniger „interessant“<br />

waren. Unsere Untersuchung kann keinen Aufschluss über Gründe hierfür<br />

geben und zielte auch nicht auf diese Explizierung. Sie zeigt vielmehr, dass die Informational-Utility-Dimensionen<br />

themenübergreifend wirken. Bei den negativen Berichten<br />

wurde keinerlei themenspezifische Aufmerksamkeit deutlich, offenbar waren die<br />

hier verwendeten Themen gleichermaßen „interessant“.<br />

Auch wenn der Informational-Utility-Ansatz damit überwiegend bestätigt wurde,<br />

stellt sich die Frage, warum in der vorliegenden Studie nicht durchgehend Einflüsse für<br />

alle Dimensionen nachgewiesen wurden. Die sehr ähnlich angelegte US-amerikanische<br />

Studie hatte dagegen für alle drei Faktoren deren Wirkung auf die selektive Zuwendung<br />

belegt. Es ist zunächst nicht davon auszugehen, dass die Gültigkeit des Informational-<br />

372


Knobloch / Patzig / Hastall · „Informational Utility“<br />

Utility-Ansatzes von kulturellen Faktoren eingeschränkt werden könnte. Vielmehr<br />

könnte ein geringfügiger Unterschied im methodischen Vorgehen dazu geführt haben,<br />

dass der Nachweis in der deutschen Studie nicht ganz so stringent ausfiel. Bei der US-<br />

Studie waren die Dimensionen jeweils in einem kurzen Artikelvorspann, der auf einer<br />

Online-Titelseite erschien, variiert worden statt in der Überschrift. Dadurch konnte die<br />

experimentelle Manipulation anhand mehr Wörter vorgenommen werden, so dass sie<br />

offenbar wirksamer ausfiel.<br />

Der Informational-Utility-Ansatz hat sich zur Prognose von selektiver Zuwendung<br />

zu Informationen in <strong>Medien</strong> bewährt und stellt somit eine Ergänzung der Selektionsforschung<br />

dar. Für die empirische Überprüfung konnte die tatsächliche Auswahl von<br />

<strong>Medien</strong>angeboten als Verhaltungsbeobachtung non-reaktiv erfasst werden, ohne dass<br />

durch die Messung das Rezeptionsverhalten verzerrt wurde. Somit entfielen Validitätsprobleme<br />

durch soziale Erwünschtheit bzw. mangelndes Erinnerungsvermögen. Der<br />

theoretische Ansatz und das methodische Vorgehen sollten in zukünftigen Studien weiter<br />

verfolgt und möglicherweise durch weitere Subdimensionen ergänzt werden. Allerdings<br />

dürfte der Nachweis der Bedeutsamkeit von Nützlichkeit umso schwieriger werden,<br />

je heterogener die Stichprobe ist, da diese Heterogenität eben unterschiedlichste<br />

Rezipientensituationen umfasst. Solche unterschiedlichen Situationen begründen, dass<br />

die wiederum jeweils unterschiedlichen Informationen nützlich sind. Konkret zu bearbeitende<br />

Fragen betreffen die Kulturunabhängigkeit des Informational-Utility-Ansatzes<br />

sowie eine weitere Prüfung seiner Geltung für Zuwendung zu positiven Nachrichten<br />

über Chancen und Gelegenheiten.<br />

5. Literatur<br />

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Knobloch / Patzig / Hastall · „Informational Utility“<br />

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375


M&K 50. Jahrgang 3/2002<br />

Klingeltöne und Logos auf dem Handy:<br />

Wie neue <strong>Medien</strong> der Uni-Kommunikation genutzt<br />

werden *<br />

Nicola Döring<br />

Indem Handybesitzer gegenüber anderen Menschen in systematischer Weise ihr Endgerät<br />

verbergen oder zur Schau stellen und indem sie es durch die Auswahl bestimmter<br />

Klingeltöne und Logos für Außenstehende wahrnehmbar mit zusätzlicher Symbolik ausstatten,<br />

können sie dem jeweiligen Publikum etwas über ihren Status, ihre Einstellungen,<br />

ihre Interessen und Gruppenzugehörigkeiten mitteilen (Uni-Kommunikation). Der vorliegende<br />

Beitrag rekonstruiert die Nutzung von Klingeltönen und Logos auf dem Handy<br />

als uni-kommunikatives Geschehen und liefert Daten aus drei explorativen Studien:<br />

1. einer quantitativen Inhaltsanalyse von Klingelton- und Logo-Angeboten im Internet,<br />

2. einer leitfadengestützten mündlichen Befragung sowie 3. einer vollstrukturierten Online-Befragung<br />

von Handy-Nutzern. Es zeigte sich, dass die Häufigkeit, mit der neue<br />

Klingeltöne und Logos auf das Handy geladen werden, sehr stark variiert. Die Themenwahl<br />

(z. B. Klingelton mit Pop-, Rock- oder Klassik-Melodie; Logo mit Tier-, Liebes-,<br />

Sex-, TV- oder Auto-Motiv) korreliert eng mit individuellen Interessen, Geschlecht und<br />

Alter. Im sozialen Kontext werden Klingeltöne und Logos tatsächlich zum Gegenstand<br />

der Aufmerksamkeit und Eindrucksbildung und stimulieren teilweise interpersonale sowie<br />

intra- und intergruppale Anschluss-Kommunikation.<br />

Keywords: Mobilkommunikation, Uni-Kommunikation, Handy, Logos, Klingeltöne,<br />

<strong>Medien</strong>nutzung<br />

0. Einleitung<br />

Im Jahr 2002 wurden weltweit erstmals mehr Mobiltelefone als Festnetzanschlüsse registriert<br />

(International Telecommunication Union, 2002). Zudem übertrifft die Zahl der<br />

Mobiltelefone mittlerweile die der Fernsehgeräte (Katz & Aakhus, 2002b: 4). Sowohl in<br />

privaten als auch in (teil-)öffentlichen Situationen sind Handys heute allgegenwärtig.<br />

Mobiltelefone machen mit den unterschiedlichsten Klingeltönen (ringing tones/ring tones)<br />

auf eingehende Anrufe aufmerksam – und zwar nicht nur den Handybesitzer, sondern<br />

auch andere Ohrenzeugen. Man kann zwischen einigen auf dem Handy serienmäßig<br />

mitgelieferten Melodien wählen oder sich via Internet bzw. Service-Rufnummer<br />

neue Töne auf das Handy laden, sofern das jeweilige Endgerät dies zulässt. Auch Eigenkompositionen<br />

sind möglich. Dasselbe gilt für selbst gewählte Logos (operator logos),<br />

die an Stelle des voreingestellten Netzbetreiberlogos auf dem Handy-Display angezeigt<br />

werden. Wenn das Handy auf dem Tisch liegt oder zur Hand genommen wird,<br />

ist das Handylogo nicht nur für den Besitzer, sondern auch für weitere Augenzeugen<br />

* Ich danke Katja Andreä, Christine Dietmar und Carolin Kühndelt (Studiengang Angewandte<br />

<strong>Medien</strong><strong>wissenschaft</strong>, Technische Universität Ilmenau) für ihre tatkräftige Unterstützung bei der<br />

Datenerhebung und Datenauswertung.<br />

376


Döring · Klingeltöne und Logos auf dem Handy<br />

sichtbar. Zahlreiche Logo-Motive stehen zum Herunterladen zur Verfügung, ebenso<br />

existieren Editoren für Eigenkreationen. Handylogos erlauben genau wie Klingeltöne<br />

eine individualisierte Gestaltung und bessere Wiedererkennbarkeit des eigenen Endgerätes.<br />

Zudem sind sie aber auch Träger kommunikativer Botschaften. So kommentiert<br />

Joachim Höflich (2001: 4): Der Rufton des Handys – „der bis hin zu äußerst lauten und<br />

manchmal nie enden wollenden Melodien reicht, von Pop bis Klassik (was immer die<br />

Handybesitzer damit sagen wollen) – lässt Dritte nicht unberührt“.<br />

Eben jene kommunikativen Aspekte der Nutzung von Klingeltönen und Logos sollen<br />

hier untersucht werden. Denn während viele Handybesitzerinnen und -besitzer Klingeltöne<br />

und Logos als teure und sinnlose Spielereien betrachten und dementsprechend<br />

nicht nutzen, greifen andere in so großer Zahl bzw. so regelmäßig auf sie zurück, dass<br />

der kostenpflichtige Klingelton- und Logo-Vertrieb per Internet oder Service-Rufnummer<br />

sich seit 1998 als neues Geschäftsfeld etablieren konnte und mit Anzeigenkampagnen<br />

vor allem in Jugendzeitschriften stark beworben wird. Neben der SMS-Kommunikation<br />

(vgl. Höflich & Rössler, 2001; Döring, 2002) und der Mobiltelefonie sind speziell<br />

bei europäischen Jugendlichen Klingeltöne und Logos sehr populär. Gut fünf Euro<br />

gaben norwegische Handynutzer aller Altersgruppen im Jahr 2000 durchschnittlich allein<br />

für Klingeltöne aus (Strand Consult, 2001). Trotz verhältnismäßig kleiner Einzelbeträge<br />

wurde auf dem Europäischen Markt für mobilen Content (Klingeltöne, Logos,<br />

SMS-Informationsdienste, Bildmitteilungen usw.) durch die große Zahl der Nutzer bereits<br />

2001 mehr als doppelt so viel Geld umgesetzt (590 Millionen US-Dollar) wie auf<br />

dem Markt für Online-Content (252 Millionen US-Dollar, Jupiter MMXI, 2002). Die<br />

Besonderheit von Klingeltönen und Logos als mobilem Content besteht darin, dass sie<br />

nicht einfach einmalig vom Nutzer rezipiert, sondern über das mobile Endgerät permanent<br />

in soziale und (teil-)öffentliche <strong>Kommunikations</strong>prozesse integriert werden.<br />

Der vorliegende Beitrag rekonstruiert zunächst das Handy mit seinen Klingeltönen<br />

und Logos als neues Medium der Uni-Kommunikation und formuliert fünf Forschungsfragen<br />

(Kap. 1). Auf die Beschreibung der Untersuchungsmethoden (Kap. 2)<br />

folgt die Darstellung der explorativen Ergebnisse zu Nutzungshäufigkeiten, Themenwahlen<br />

und sozialen Konsequenzen (Kap. 3). Der Aufsatz endet mit einer kurzen Diskussion<br />

(Kap. 4).<br />

1. Gegenstand und Fragestellungen<br />

Das Handy ist nicht nur ein Medium der Telekommunikation, sondern lässt sich auch<br />

als Medium der Uni-Kommunikation verstehen, wobei kommunikative Aussagen theoretisch<br />

vor allem über Klingeltöne und Logos vermittelt werden können. Anhand des<br />

Konstrukts der Uni-Kommunikation werden erste Forschungsfragen entwickelt, um zu<br />

erkunden, ob und wie Klingeltöne und Logos tatsächlich als neue <strong>Medien</strong> der Uni-Kommunikation<br />

genutzt werden.<br />

1.1 Uni-Kommunikation per Handy<br />

„Uni-communication is that communication mediated by objects of clothing,<br />

adornment, and personal possessions – houses, automobiles, furniture, etc. –<br />

which people select and display to communicate to others their status, affiliation,<br />

and self-esteem. It includes, also, more explicit messages like imprinted<br />

T-shirts, jackets, and caps, as well as bumperstickers, armbands, and buttons.“<br />

(Cathcart & Gumpert, 1983: 275f.).<br />

377


M&K 50. Jahrgang 3/2002<br />

Gary Gumpert (Professor Emeritus of Communication Arts and Sciences, City University<br />

of New York) führte das Konstrukt der „Uni-Kommunikation“ erstmals 1975<br />

ein. Er wollte darauf aufmerksam machen, dass mediatisierte Kommunikation nicht nur<br />

von <strong>Medien</strong>organisationen ausgeht, sondern auch Gruppen und Individuen als Kommunikatoren<br />

aktiv werden und unterschiedliche Publika adressieren. Er ergänzte den<br />

eingeführten Begriff der „Massen-Kommunikation“ um die Wortneuschöpfungen „Mini-Kommunikation“<br />

(Gumpert, 1970) und „Uni-Kommunikation“ (Gumpert, 1975;<br />

Cathcart & Gumpert, 1983: 275f.; Gumpert & Drucker, 1999: 17). „Uni“ bezieht sich<br />

hierbei auf die Einzelperson, die Alltagsgegenstände und den eigenen Körper (z. B. Tattoo,<br />

Piercing) nutzt, um selbstbezogene Botschaften an unterschiedliche Publika zu<br />

richten (persönliche E-Mail-Mitteilung von Gary Gumpert vom 26. Juni 2002). Uni-<br />

Kommunikation ist eine Form der mediatisierten Kommunikation, die in Face-to-Face-<br />

Situationen auftritt, ohne dass die Beteiligten direkt miteinander sprechen müssen, können<br />

oder wollen. Wer sich mit einem „Atomkraft: Nein Danke“-Aufkleber auf dem<br />

Auto oder einem „Playboy“-Aufdruck auf dem T-Shirt in der Öffentlichkeit bewegt,<br />

macht damit in der jeweiligen Situation eine oder mehrere selbstbezogene Aussagen, die<br />

wiederum von denjenigen, die diese medialen Botschaften wahrnehmen, interpretiert<br />

und mit entsprechenden inneren und äußeren Reaktionen beantwortet werden – zuweilen<br />

bis hin zu Zeitungs-Kommentaren (Zykla, 2001). Durch Uni-Kommunikation kann<br />

das Individuum Aspekte der eigenen Identität für sich selbst bekräftigen und vor anderen<br />

ein bestimmtes Image aufbauen.<br />

Das körpernah getragene und in diversen öffentlichen Situationen genutzte Mobiltelefon,<br />

das im Unterschied zum Festnetztelefon als persönliches Mehrzweckmedium<br />

angeeignet wird (Höflich, 2001), dient neben der Telekommunikation verstärkt auch der<br />

Uni-Kommunikation.<br />

Als Objekt ist das Handy überwiegend affektiv positiv aufgeladen und lässt soziale<br />

Verbindung, Sicherheit, Offenheit gegenüber der Welt und Vergnügen assoziieren (Fortunati,<br />

1997). Wer per Handy häufig Freundschafts- und Liebesgrüße, lustige Sprüche<br />

und romantische Gedichte oder eben Klingeltöne und Logos austauscht, erlebt das<br />

Gerät sogar als „Geschenk-Container“ (Harper, 2002: 221f.), dessen Präsentation das<br />

Selbstwertgefühl steigert. Andererseits wird Handybesitz bei Jugendlichen manchmal<br />

auch mit Kriminalität (vor allem Drogenhandel) in Verbindung gebracht, was dann das<br />

eigene öffentliche Image gefährdet (Robbins & Turner, 2002: 90).<br />

Sadie Plant (2001) konnte mittels Feldbeobachtungen in Restaurants und Bars zeigen,<br />

dass Personen ihre Handys in systematischer Weise zur Schau stellen oder verbergen.<br />

Der Besitz eines Handys – speziell eines besonders teuren oder ausgefallenen Modells –<br />

signalisiert Beobachtern den Status, die jeweils eingenommene Rolle oder den Lebensstil<br />

des Besitzers. „Handys sind die einzigen Objekte, bei denen Männer sich streiten,<br />

wer das kleinere hat“ – dieser im World Wide Web tausendfach verbreitete Spruch verweist<br />

auf die uni-kommunikative Funktion des Handys im Bereich der Geschlechterkonstruktionen.<br />

Tatsächlich bestätigten die in englischen Bars durchgeführten Feldstudien<br />

die Mutmaßung, dass Menschen mit der Präsentation ihres Handys Geschlechtsidentitäten<br />

inszenieren:<br />

378<br />

„In the majority of pairs of men, at least one mobile was on display: in only 38<br />

per cent of observed pairs was there no mobile on display, compared to 42 per<br />

cent of male and female pairs, and 50 per cent of female pairs. In the majority<br />

of observed male pairs, both parties had their mobiles on show. Some contributors<br />

to the research suggested that this reflected a degree of competitive be-


Döring · Klingeltöne und Logos auf dem Handy<br />

haviour among men, with the presence of just one mobile indicating a subtle<br />

play of dominance and subordination in which the male who displays his mobile<br />

is also asserting his position as the pair’s main contact with the wider world.<br />

A number of males also confessed to being inhibited when their companions<br />

displayed mobiles of a higher specification or aesthetic quality than their own.<br />

Others said they had been keen to display their mobiles while they were topof-the-range<br />

or state-of-the-art, but had stopped doing so when their models<br />

fell behind.“ (Plant, 2001: 12)<br />

John Lycett und Robin Dunbar (2000) interpretierten den öffentlich beobachtbaren<br />

Umgang von Männern mit ihren Handys in einer Bar als „Balzverhalten“ und Anthony<br />

Townsend (2002: 67f.) weist auf eine deutliche Geschlechtsrollenorientierung in der<br />

Handy-Werbung hin: Für die weibliche Zielgruppe wurde das Handy bislang häufig mit<br />

Sicherheit und sozialer Vernetzung assoziiert, für die männliche mit Macht und Virilität.<br />

Um das uni-kommunikative Potenzial des Mobiltelefons und seiner Applikationen für<br />

die Konstruktion von Geschlechteridentitäten zu untersuchen, sind freilich auch die Reaktionen<br />

des Publikums auf entsprechende mediengestützte Selbstdarstellungen einzubeziehen.<br />

So kann anekdotisch das Handy mit einem konkreten Klingelton in Kombination<br />

mit dem passenden Auftreten der Handy-Besitzerin offensichtlich auch ein bestimmtes<br />

Bild von Weiblichkeit unterstreichen (s. u. 3.5).<br />

1.2 Klingeltöne und Logos auf dem Handy<br />

Noch expliziter als Medium der Uni-Kommunikation kann das Handy immer dann<br />

fungieren, wenn es von der Nutzerin oder dem Nutzer bewusst als Symbolträger verwendet<br />

wird, wobei Klingeltöne (Ruftöne) und Betreiberlogos die gängigsten Formate<br />

sind. Sie werden Software-seitig über die SIM-Karte (Subscriber Identification Module)<br />

realisiert. Die SIM-Karte ist eine individuelle Speicherkarte, die in das Handy eingesetzt<br />

wird und es betriebsfähig macht. Mit Klingeltönen verwandte auditive Produkte sind<br />

vorformulierte Anrufbeantworter-Ansagen (Mailbox/Mobilbox-Sprüche). Mit Betreiberlogos<br />

verwandte grafische Produkte sind Anrufergruppen-Symbole (Gruppenlogos),<br />

die aktuell eingehende Anrufe bestimmter Personen bzw. Personengruppen signalisieren<br />

und somit nur temporär erscheinen. Sie sind für Außenstehende meist nicht so deutlich<br />

erkennbar wie Betreiberlogos, die im Stand-By-Modus permanent angezeigt werden.<br />

Daneben lassen sich kommunikative Botschaften auch Hardware-seitig am Handy<br />

anbringen, sei es durch Handy-Taschen oder Handy-Halter mit entsprechenden Aufschriften,<br />

durch Aufkleber, Anhänger, Lackierungen oder auswechselbare Oberschalen.<br />

Die Hardware-seitigen Varianten der Handy-Gestaltung sind weniger verbreitet als die<br />

Software-seitigen und werden hier nicht betrachtet. Insgesamt bleibt festzuhalten, dass<br />

Hardware- und Software-seitiges Handy Tuning als uni-kommunikative Strategie an<br />

Bedeutung gewinnt, je weniger distinktiv Handy-Besitz oder Handy-Marke sind.<br />

Eine kleine Auswahl an serienmäßigen Klingeltönen und Logos bzw. Anrufergruppen-Symbolen<br />

wird bei vielen Handytypen heute mitgeliefert und kann vom Nutzer<br />

wahlweise aktiviert werden. Wer sich zusätzliche Klingeltöne oder Betreiberlogos auf<br />

sein Handy laden will, nutzt beispielsweise eine Website, wobei es sich etwa um die<br />

Online-Präsenzen von Netz- und Service-Providern (z. B. www.t-mobile.de), um<br />

die Homepages von klassischen Massenmedien (z. B. www.bravo.de; www.bild.de;<br />

www.mtv.de), um dezidierte Handy-Portale (z. B. www.handy.de; www.jamba.de)<br />

oder auch um spezialisierte Download-Sites handeln kann (z. B. www.handylogos.de;<br />

379


M&K 50. Jahrgang 3/2002<br />

www.klingeltoene.de; www.klingeltoene-handylogo.de). Auf den Websites werden<br />

Klingeltöne und Betreiberlogos nach inhaltlichen Rubriken sortiert dargestellt. Der<br />

Versand der ausgewählten Klingeltöne und Betreiberlogos erfolgt per SMS in einem<br />

vom Handyhersteller abhängigen Format und wird über unterschiedliche Bezahlmodelle<br />

abgewickelt:<br />

• Bei einer Internet-Bestellung werden Klingeltöne und Logos auf einer Website ausgesucht.<br />

Dann ist über eine kostenpflichtige Service-Rufnummer eine einmal gültige<br />

PIN (Personal Identification Number) bzw. ein Jeton abzurufen (6-stellige Ziffer)<br />

und zusammen mit der Telefonnummer des Zielhandys in das Online-Bestellformular<br />

einzutragen.<br />

• Bei einer Telefon-Bestellung ist wiederum eine Service-Rufnummer (0190er Nummer)<br />

anzurufen, wobei Handynummer sowie Bestellnummer für den ausgewählten<br />

Klingelton bzw. das ausgewählte Logo telefonisch durchgegeben werden. Die Auswahl<br />

der Klingeltöne und Logos erfolgt dabei anhand von Anzeigen in Printmedien<br />

(typischerweise in Jugendzeitschriften wie „Bravo“ oder „Sugar“ oder in Programmzeitschriften<br />

wie „TV Movie“), denen Bestellnummern und Service-Rufnummern zu<br />

entnehmen sind.<br />

• Bei der Bestellung mittels Mobiltelefon gibt es zwei Varianten: zum einen die SMS-<br />

Bestellung, bei der die Bestellnummer des Klingeltons bzw. Logos per SMS an eine<br />

bestimmte Telefonnummer geschickt wird, und zum anderen die WAP-Bestellung<br />

(WAP: Wireless Application Protocol), bei der auf ein mobiles Internet-Portal zugegriffen<br />

wird (z. B. wap.jamba.de).<br />

Die Bestell-Kosten pro Klingelton bzw. Logo variieren je nach Anbieter, Minutenpreis<br />

der 0190er-Rufnummer (z. B. 1,86 Euro/Min.) und Dauer des Bestellvorgangs (z. B. 45<br />

Sekunden), wobei ein Download-Preis von ca. 1,5 Euro pro Klingelton oder Logo typisch<br />

ist. Einige Websites bieten in begrenztem Umfang kostenlose Downloads an (z. B.<br />

www.nur-gratis-ringtones.de; www.klingeltonwelt.com). Es besteht die Möglichkeit,<br />

bereits heruntergeladene Klingeltöne und Logos per SMS direkt mit anderen Handy-<br />

Nutzern auszutauschen, wobei dann SMS-Gebühren anfallen. Zudem erlauben es entsprechende<br />

Editoren (z. B. Logo-Manager, Logo-Composer, Ring-Master), die mit dem<br />

Handy auf einem Datenträger ausgeliefert werden oder per Internet zu beziehen sind,<br />

Klingeltöne und Logos am Computer selbst zu erstellen und per Datenkabel oder Infrarot-Schnittstelle<br />

auf das eigene Handy zu übertragen. Manche Handytypen enthalten<br />

auch bereits einen integrierten Klingelton-Composer. Schließlich lassen sich vorhandene<br />

Audio- und Grafikdateien (z. B. im WAV-, MIDI- oder BMP-Format) als Klingeltöne<br />

und Logos nutzen. Die ersten Klingelton- und Logo-fähigen Handys stammten<br />

vom Marktführer Nokia, entsprechend verbreitet sind die Nokia-Formate RTTTL<br />

(Ringing Tone Text Transfer Language) und NOL (Nokia Operator Logo); es existieren<br />

jedoch auch andere Formate sowie Konvertierungstools.<br />

Anbieter beziehen Klingeltöne und Logos von Mobile-Content-Lieferanten und/<br />

oder produzieren ihren Content selbst. Phat Tonez (www.tonez.co.uk), Wireless Entertainment<br />

Services Finland Ltd. (www.wirelessfun.com) und DAC-Planet GmbH<br />

(www.dac-planet.de) – alle im Jahr 1999 gegründet – sind Beispiele für international tätige<br />

Mobile-Content-Lieferanten mit Schwerpunkt Klingeltöne und Logos. Ihre Produktion<br />

von Klingeltönen orientiert sich unter anderem an nationalen Pop-Charts und<br />

beinhaltet auch die Kooperation mit einzelnen Künstlern (z. B. Madonna). Die Qualität<br />

der Klingeltöne bemisst sich an dem gewählten Melodieausschnitt sowie an der Sorgfalt<br />

der Nachkomposition. Für Musiktitel, die in Form von Klingeltönen auf Handys weitergegeben<br />

werden, sind 15 Prozent vom Endkundenpreis als Vergütung an die Musik-<br />

380


Döring · Klingeltöne und Logos auf dem Handy<br />

rechte-Verwertungsgesellschaft GEMA zu zahlen (GEMA, 2001). Für den Entwurf von<br />

Logos werden Grafiker beschäftigt, wobei der Rückgriff auf bekannte Cartoon-Figuren<br />

wiederum urheber- und lizenzrechtlich abgesichert werden muss. In den aktuellen Mobilfunknetzen<br />

der 2. Generation (GSM: Global System for Mobile Communications)<br />

sind die mit herkömmlichen Handys genutzten Klingeltöne typischerweise monophon<br />

und die Logos monochrom. Neue Handymodelle ermöglichen jedoch polyphone Klingeltöne<br />

und farbige sowie animierte Betreiberlogos bzw. Bildschirmschoner.<br />

1.3 Forschungsfragen<br />

Angesichts der Popularisierung und ökonomischen Bedeutung von Klingeltönen und<br />

Logos ist es von Interesse, die sozialen und kommunikativen Bedeutungen dieser neuen<br />

<strong>Medien</strong> zu untersuchen. Klingeltöne und Logos auf dem Handy lassen sich insofern<br />

als neue <strong>Medien</strong> charakterisieren als sie a) Träger von Symbolen sind, b) auf einer bestimmten<br />

Übertragungstechnik basieren (Mobilfunk), c) ihre Produktion und Distribution<br />

in spezifischer Weise durch <strong>Medien</strong>unternehmen organisiert ist und sie d) gesellschaftlicher<br />

Aneignung und Sinngebung unterliegen, etwa durch kollektive Nutzungspraxen<br />

und öffentliche Diskurse. Die ersten bislang vorliegenden sozial<strong>wissenschaft</strong>lichen<br />

Sammelbände zur Handy-Kommunikation (Brown, Green & Harper, 2001; Katz<br />

& Aakhus, 2002a) befassen sich jedoch nicht näher mit der Klingelton- und Logo-Nutzung<br />

und einschlägige Zeitschriftenbeiträge fehlen bislang ebenfalls, weshalb die vorliegende<br />

Arbeit in Anlehnung an das Konstrukt der Uni-Kommunikation zunächst fünf<br />

grundlegende Forschungsfragen angeht:<br />

• Wie häufig und mit welchen Methoden werden neue Klingeltöne und Logos auf das<br />

eigene Handy geladen (quantitativer Aspekt)?<br />

• Wodurch wird die Häufigkeit von Klingelton- und Logo-Downloads determiniert?<br />

• Welche Themen stehen bei Klingelton- und Logo-Downloads zur Verfügung und<br />

werden bevorzugt gewählt (qualitativer Aspekt)?<br />

• Wodurch wird die Themenwahl bei Klingelton- und Logo-Downloads determiniert?<br />

• In welchen sozialen Situationen werden Klingeltöne und Logos thematisch und wie<br />

reagieren Ohren- und Augenzeugen?<br />

Das Konstrukt der Uni-Kommunikation hat bislang keine große Verbreitung erfahren,<br />

so dass weder eine elaborierte Theorie noch empirische Untersuchungsinstrumente zur<br />

Verfügung stehen. Dennoch liefert es hilfreiche Anregungen dazu, welche Determinanten<br />

und Konsequenzen bei der Klingelton- und Logo-Nutzung eine Rolle spielen könnten:<br />

So wird die Bedeutung der Identitätskonstruktion und Selbstdarstellung betont,<br />

woraus sich ergibt, dass zwischen den Selbstdarstellungs-Motiven des Individuums, seinen<br />

Interessen und Gruppenzugehörigkeiten (z. B. Altersgruppen, Geschlechtsgruppen)<br />

einerseits und der Klingelton- und Logo-Nutzung andererseits systematische Zusammenhänge<br />

bestehen müssten. Beim Vorliegen entsprechender Korrelationen wären<br />

Klingeltöne und Logos dann tatsächlich indikativ für die Merkmale der Zielperson. Uni-<br />

Kommunikation und Selbstdarstellung implizieren Publikumsadressierung, wobei einerseits<br />

ein selektiertes Publikum gezielt mit einem Klingelton oder Logo konfrontiert<br />

werden kann (gezielte Selbstdarstellung), andererseits aber auch anonyme Publika (z. B.<br />

Passanten) ungezielt zu Ohren- oder Augenzeugen werden können (ungezielte Selbstdarstellung).<br />

Uni-Kommunikation per Klingelton oder Logo funktioniert nur dann, wenn Außenstehende<br />

diese <strong>Medien</strong> überhaupt wahrnehmen und entsprechend reagieren – wobei<br />

sowohl innere (interpersonale Eindrucksbildung) als auch manchmal äußere (interperso-<br />

381


M&K 50. Jahrgang 3/2002<br />

nale Kommunikation) Reaktionen zu erwarten sind. Folgt auf die öffentliche Präsentation<br />

von Klingelton und/oder Logo tatsächlich eine interpersonale Anschluss-Kommunikation,<br />

so müsste diese häufig als intra- oder intergruppale Kommunikation strukturiert<br />

sein: Indem nämlich Klingeltöne und Logos standardisierte Symbole der Populär-Kultur<br />

verwenden und Interessen oder Gruppenzugehörigkeiten spiegeln, legen<br />

sie es Personen nahe, sich nicht als singuläre Individuen zu erkennen und anzusprechen,<br />

sondern in erster Linie als Mitglieder der selben sozialen Gruppe (intragruppale Kommunikation;<br />

z. B. zwischen Fans derselben Musikrichtung, die einander anhand eines<br />

Handy-Klingeltons identifizieren) oder aber als Mitglieder einer Outgroup (intergruppale<br />

Kommunikation; z. B. zwischen Fans unterschiedlicher Musikrichtungen, die einander<br />

anhand eines Handy-Klingeltons identifizieren).<br />

Da Klingeltöne und Logos als digitale <strong>Medien</strong> reproduzierbar sind, kann das Teilen<br />

einer Symbolwelt noch mit Interaktionen des Tauschens oder Schenkens gekoppelt<br />

werden und somit soziale Beziehungen stärken oder auch den eigenen sozialen Status<br />

bekräftigen, weil Anzahl und Art der Klingeltöne und Logos, über die eine Person als<br />

Ressourcen verfügt, sozialem Vergleich unterliegen.<br />

Etablierte Forschungsfelder wie Massenkommunikation, politische Kommunikation<br />

oder Öffentlichkeitsarbeit anzuführen, um die vermeintliche Randständigkeit von Uni-<br />

Kommunikation hervorzuheben, ist nicht sinnvoll, da Uni-Kommunikation typischerweise<br />

Botschaften aus den genannten Bereichen aufgreift, umwandelt und rekontextualisiert,<br />

wobei gerade der Aspekt der Gruppenzugehörigkeit von Bedeutung ist:<br />

„The bumper sticker ‘Jesus Saves’, makes use of an automobile, which is both<br />

a means of transportation and a symbol, to carry an additional and more explicit<br />

message to fellow drivers. Such messages ordinarily do not originate with<br />

the person displaying them. Rather, they are mass produced and distributed by<br />

groups who are campaigning for certain causes. The persons displaying these<br />

messages become part of the campaign as well as part of the transmission system.<br />

This makes uni-communication different from other forms of interpersonal<br />

interaction. It communicates affiliation with a group or suggests a social<br />

role rather than making an individual statement. [...] Uni-communication<br />

discloses how the displayer views her or himself in affiliation with others rather<br />

than in relationship to an individual receiver.“ (Cathcart & Gumpert, 1983:<br />

276f.).<br />

Das Konstrukt der Uni-Kommunikation weist also enge Verbindungen zu den sozialpsychologischen<br />

Konstrukten Selbstdarstellung (Leary, 1996), Eindrucksbildung (z. B.<br />

Jones, 1990, Kenny, 1994) sowie soziale Identifikation und intra- bzw. intergruppale<br />

Kommunikation (Tajfel, 1982; Tajfel & Turner, 1979) auf, deren theoretische Modellierungen<br />

in zukünftigen Studien für die Elaboration eines uni-kommunikativen Modells<br />

fruchtbar gemacht werden könnten.<br />

2. Methoden<br />

Zur explorativen Beantwortung der fünf Forschungsfragen wurden drei empirische Studien<br />

durchgeführt: Eine Inhaltsanalyse von n = 10 Websites mit Klingelton- und Logo-<br />

Angeboten, eine leitfadengestützte mündliche Befragung von n = 30 Handy-Nutzern<br />

sowie eine vollstrukturierte Online-Befragung von n = 808 Handy-Nutzern.<br />

382


Döring · Klingeltöne und Logos auf dem Handy<br />

2.1 Inhaltsanalyse<br />

Um die zur Verfügung stehenden Klingelton- und Logo-Angebote zu beschreiben wurden<br />

exemplarisch n = 10 deutschsprachige Websites mit entsprechendem Download-<br />

Bereich einer Inhaltsanalyse unterzogen. Die Anzahl der pro Website angebotenen einzelnen<br />

Klingeltöne und Logos belief sich jeweils auf mehrere Hundert, die auf durchschnittlich<br />

17 Klingelton- und 34 Logo-Rubriken verteilt waren (siehe Tab. 1). Rubriken,<br />

unter denen die Anbieter jeweils thematisch ähnliche Klingeltöne und Logos<br />

gebündelt anbieten, lauten beispielsweise „Klassik“, „Pop“, „HipHop“, „Türkisches“,<br />

„Film & Fernsehen“ (Klingeltöne) oder „Comics & Cartoons“, „Sexy“, „Auto & Verkehr“,<br />

„Sport & Spiele“, „Biene Maja“ (Logos).<br />

Tabelle 1: Klingelton- und Logo-Angebote auf 10 deutschsprachigen Websites<br />

Websites mit Unternehmen Reichweiten Klingelton- Logo-<br />

Klingelton- und der Websites Rubriken Rubriken<br />

Logo-Angeboten Stand: 04/05.2002<br />

bild.t-online.de Bild.T-online.de AG 10.984.821 Visits (1) 26 26<br />

(powered by jamba.de) & Co. KG<br />

bravo.de Heinrich Bauer Zeit- 1.571.739 Visits (1) 18 32<br />

(powered by handy.de) schriften Verlag KG<br />

fun2handy.de INA Germany AG keine E-Mail-Antwort 04 35<br />

handy.de Handy.de Vertriebs 1.043.804 Visits (1) 18 40<br />

GmbH 2,8 Mio Kunden (2)<br />

handy-fantasy.de Logonaut Internet<br />

Services GmbH<br />

& Co KG<br />

10.000 Visits (3) 17 23<br />

handystoff.de pmm GmbH keine Auskunft des<br />

Anbieters<br />

19 83<br />

jamba.de Jamba! AG 8.000.000 Views (3)<br />

1,8 Mio Kunden (2)<br />

26 26<br />

mobilemania.de Hot-Wire-Telekom.de 180.000 Visits (3)<br />

& Human-Call.de<br />

17 24<br />

mtv.de MTV Networks 1.480.983 Visits (1) 12 32<br />

(powered by handy.de) & Co. OHG<br />

sms.de [netzquadrat] GmbH keine E-Mail-Antwort<br />

0,5 Mio Kunden (2)<br />

11 22<br />

Gesamt (Mittelwert) 16,8 34,3<br />

(1) Visits laut IVW-Messung April 2002 www.ivw.de (2) registrierte Kunden laut Selbstauskunft<br />

des Anbieters auf der Website (3) Visits laut Selbstauskunft des Anbieters per E-Mail<br />

Die Inhaltsanalyse anhand von zwei induktiv gewonnenen Kategoriensystemen bezog<br />

sich auf Anzahl und Art der inhaltlichen Rubriken für Klingeltöne und Betreiberlogos<br />

(siehe Kap. 3.3).<br />

383


M&K 50. Jahrgang 3/2002<br />

2.2 Leitfaden-Interviews<br />

Mit n = 30 Personen (15 weiblich, 15 männlich) im Alter von 13 bis 28 Jahren wurden<br />

Leitfaden-Interviews zur Nutzung von Klingeltönen und Handylogos durchgeführt.<br />

Die Befragungspersonen wurden teilweise an öffentlichen Orten (Fußgängerzone,<br />

Schnellrestaurant) ohne vorheriges Screening willkürlich rekrutiert und befragt, teilweise<br />

erfolgten auch Befragungen von Studierenden und ihren Bekannten. Gemäß Interview-Leitfaden<br />

wurde zunächst allgemein nach der Handy-Nutzung gefragt, dann<br />

speziell die Quantität und Qualität von Klingelton- und Logo-Downloads angesprochen,<br />

wobei insbesondere Gründe für die Auswahl bestimmter Klingelton-Melodien<br />

oder Logo-Motive sowie besondere Episoden oder Umstände dieser Form der Uni-<br />

Kommunikation im sozialen Kontext zur Sprache kommen sollten. Nutzten die Befragten<br />

selbst keine Klingeltöne und Logos, so wurde dennoch nach Beobachtungen und<br />

Reaktionen auf entsprechende Uni-Kommunikation von anderen gefragt. Die Befragten<br />

zeigten sich dem Forschungsthema gegenüber aufgeschlossen und auskunftsbereit.<br />

Die Interviews wurden auf Tonband aufgezeichnet und für jedes Interview wurde ein<br />

Protokoll mit Nutzungsdaten und einschlägigen Zitaten angefertigt (siehe Kap. 3.5).<br />

2.3 Online-Befragung<br />

Ein standardisierter Online-Fragebogen zur Nutzung von Klingeltönen und Logos<br />

wurde entwickelt, an 40 Probanden vorgetestet und revidiert. In die Item-Konstruktion<br />

gingen Ergebnisse der Inhaltsanalyse und der Leitfaden-Interviews ein. Der Fragebogen<br />

bestand aus fünf thematischen Blöcken, wobei viele Variabeln durch Einzelfragen abgedeckt<br />

wurden, teilweise aber auch selbst konstruierte Kurzskalen zum Einsatz kamen<br />

(siehe Anhang):<br />

1. Häufigkeiten der Klingelton- und Logo-Downloads und verwendete Download-<br />

Methoden (z. B. „Wie oft haben Sie in den letzten zwei Monaten einen neuen Klingelton/ein<br />

neues Logo auf Ihr Handy geladen?“)<br />

2. Determinanten der Download-Häufigkeit: Nutzungshäufigkeit der verwandten <strong>Medien</strong><br />

SMS und Bildmitteilung; Motivation zur Handy-Gestaltung; Geschlecht; Alter;<br />

Individualität im Sinne der Kultivierung eines eigenen Stils; Uniformität im Sinne einer<br />

Orientierung an aktuellen Trends; Klingelton- und Logo-Nutzung im sozialen<br />

Umfeld<br />

3. Themenwahlen bei Klingelton- und Logo-Downloads (z. B. „Aus welchen der folgenden<br />

Rubriken haben Sie bereits Logos auf Ihr Handy geladen?“)<br />

4. Determinanten der Themenwahl (verschiedene Interessen, Geschlecht, Alter)<br />

5. Sozialstatistik<br />

Die Endfassung des Fragebogens enthielt 30 Items und beanspruchte etwa 10 bis 15 Minuten<br />

Bearbeitungszeit, was für einen Online-Fragebogen relativ lang ist. Der Online-<br />

Fragebogen wurde von Dezember 2001 bis Januar 2002 im WWW veröffentlicht und<br />

durch Verlinkung von sieben Handy-Portalen sowie durch Postings in 25 Handy-Foren<br />

beworben. Zielgruppe des Fragebogens waren Personen, die sowohl an der Onlineals<br />

auch an der Mobilkommunikation teilnehmen und Klingeltöne und/oder Handylogos<br />

nutzen. Die Antworten wurden über ein Web-Formular eingelesen und die Daten<br />

mit dem Statistikprogramm SPSS ausgewertet. Der Datensatz enthielt kaum fehlende<br />

Werte und auch das überwiegend positive Feedback im Kommentarfeld des Fragebogens<br />

deutet darauf hin, dass der Fragebogen bei den freiwilligen Teilnehmern auf gute<br />

Akzeptanz stieß.<br />

384


Döring · Klingeltöne und Logos auf dem Handy<br />

Die auf diesem Wege gewonnene Selbstselektions-Stichprobe bestand aus N = 808<br />

Personen (40% weiblich, 60% männlich) im Alter von 11 bis 55 Jahren. 38% der Befragten<br />

waren im Alter von 11 bis 18 Jahren, 46% im Alter von 19 bis 28 Jahren und 16%<br />

im Alter von 29 bis 55 Jahren. Dementsprechend waren die finanziellen Mittel der Befragten<br />

eher gering: Zwei Drittel verfügten über weniger als 500 Euro pro Monat. Etwa<br />

die Hälfte der Befragten lebte in Städten bzw. Orten mit weniger als 20.000 Einwohnern,<br />

die andere Hälfte in größeren Städten. Die meisten Befragten besaßen ein Handy<br />

des Herstellers Nokia (75%), dessen Endgeräte besonders vielfältige Möglichkeiten der<br />

Klingelton- und Logo-Nutzung zulassen. Diverse Download-Angebote sind auch nur<br />

auf Nokia-Handys zugeschnitten. Am zweithäufigsten vertreten waren Siemens-Handys<br />

(14%). Zwei Drittel der Befragten besaßen ihr Handy seit mehr als zwei Jahren. Die<br />

Befragten gaben monatlich im Durchschnitt 38,90 Euro (Standardabweichung s = 48,88)<br />

für ihre Handynutzung aus.<br />

3. Ergebnisse<br />

Aufgrund der willkürlichen Stichprobenziehungen haben die Ergebnisse der Mehrmethoden-Studie<br />

explorativen Charakter, das heißt, sie beanspruchen keine Repräsentativität<br />

für bundesdeutsche Handy-Nutzung. Sie liefern aber erste Anhaltspunkte zu den<br />

fünf Forschungsfragen nach Download-Häufigkeiten und Determinanten von Download-Häufigkeiten,<br />

nach Themen-Wahlen und Determinanten von Themen-Wahlen sowie<br />

nach sozialen Konsequenzen der Klingelton- und Logo-Nutzung in mehr oder minder<br />

öffentlichen Situationen.<br />

3.1 Häufigkeit von Klingelton- und Logo-Downloads<br />

Wie häufig werden neue Klingeltöne und Logos auf das eigene Handy heruntergeladen?<br />

Durchschnittlich 1,75 Mal pro Monat (s = 2,17) luden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer<br />

der Online-Fragebogen-Studie einen neuen Klingelton und 1,71 Mal pro Monat<br />

(s = 2,11) ein neues Logo auf ihr Handy. Die Verteilungen der Download-Häufigkeiten<br />

von Klingeltönen und Logos unterschieden sich dabei nicht voneinander. Personen,<br />

die sich Klingeltöne herunterluden, nutzten in der Regel auch Logos (r = .46,<br />

p


M&K 50. Jahrgang 3/2002<br />

Tabelle 2: Fünf Nutzergruppen im nicht-repräsentativen Online-Sample gemäß Häufigkeit<br />

von neuen Klingelton- und Logo-Downloads (N = 808)<br />

Download-Häufigkeit Klingeltöne Logos<br />

1. Tages-Nutzer 9% 9%<br />

2. Wochen-Nutzer 26% 25%<br />

3. Monats-Nutzer 29% 34%<br />

4. Jahres-Nutzer 14% 15%<br />

5. Nicht-Nutzer 22% 17%<br />

100% 100%<br />

Tabelle 3: Häufigkeit (1: nie bis 4: oft) der Nutzung unterschiedlicher Download-Methoden<br />

im nicht-repräsentativen Online-Sample (arithmetische Mittelwerte,<br />

Standardabweichungen)<br />

Download-Methoden Klingeltöne Logos<br />

Websites 2,98 (1,01) 3,11 (0,97)<br />

mitgeliefert auf dem Handy 2,47 (1,02) 2,41 (1,05)<br />

Freunde 2,07 (1,01) 2,04 (0,95)<br />

Editoren 1,87 (1,07) 1,97 (1,10)<br />

Service-Rufnummern 1,33 (0,72) 1,34 (0,71)<br />

N=629 N = 676<br />

Ein quantitatives Maß für die Nutzungsintensität waren schließlich noch die monatlichen<br />

Kosten für Klingeltöne und Logos (siehe Tab. 4).<br />

Tabelle 4: Logo und Klingelton-Nutzung und deren durchschnittliche monatliche Kosten<br />

in Euro (M, s) im nicht-repräsentativen Online-Sample (N = 808)<br />

Logo-Nutzung Keine Logo-Nutzung<br />

Klingelton-Nutzung 72% (583) 6% (46)<br />

2,41 (4,74) 1,13 (3,85)<br />

Keine Klingelton-Nutzung 11% (93) 11% (86)<br />

0,55 (1,65) 0,00 (0,00)<br />

Mit dem Online-Fragebogen zur Nutzung von Handy-Logos und Klingeltönen wurden<br />

durch Selbstselektion verstärkt Handybesitzerinnen und -besitzer rekrutiert, die<br />

besonderes Interesse an den fraglichen <strong>Medien</strong>produkten hatten und diese überdurchschnittlich<br />

stark nutzten. So war die Gruppe der „Tages-Nutzer“ mit jeweils 70 Personen<br />

verhältnismäßig stark repräsentiert, allerdings befanden sich am anderen Ende des<br />

Spektrums auch Nicht-Nutzer im Sample. Auffallend ist die enorme Varianz der Download-Häufigkeiten<br />

bei den Nutzern: Personen, die einmalig einen Klingelton und ein<br />

Logo herunterladen und diese dann monate- oder jahrelang unverändert lassen, stehen<br />

Vielnutzern gegenüber, die regelmäßig nach einigen Tagen ihre Klingeltöne und Logos<br />

wechseln. Neben dieser interpersonalen Varianz sind jedoch noch intraindividuelle Veränderungen<br />

in der Download-Häufigkeit zu beachten, etwa wenn eine anfängliche Ex-<br />

386


Döring · Klingeltöne und Logos auf dem Handy<br />

perimentierphase nachlässt oder umgekehrt, wenn sich erst nach einer Weile regelmäßige<br />

Nutzungsmuster etablieren.<br />

Da sozial<strong>wissenschaft</strong>liche Studien zur Klingelton- und Logo-Nutzung bislang fehlen,<br />

stehen Vergleichsdaten nur aus der Marktforschung zur Verfügung. Mit monatlichen<br />

Ausgaben von durchschnittlich 2,14 Euro (s = 4,46) für Klingeltöne und Logos erwiesen<br />

sich die hier befragten Handynutzer mit Internetzugang als besonders aktive<br />

Konsumenten auf dem Klingelton- und Logo-Markt, denn für norwegische Handy-<br />

Nutzer wurden die monatlichen Pro-Kopf-Ausgaben auf 0,45 Euro (5,43 Euro pro Jahr)<br />

beziffert (Strand Consult, 2001; vgl. Einleitung).<br />

3.2 Determinanten der Häufigkeit von Klingelton- und Logo-Downloads<br />

Häufige Klingelton- und Logo-Downloads sollten auf der Ebene des Umgangs mit der<br />

Technik mit einer verstärkten Nutzung ähnlicher <strong>Medien</strong> (SMS, Bildmitteilungen) sowie<br />

mit einer Motivation zur Handy-Gestaltung einhergehen. Letztere beinhaltet das<br />

von Joachim Höflich und Patrick Rössler (2001) bereits im Zusammenhang mit SMS-<br />

Nutzung identifizierte Motiv, „die technischen Möglichkeiten des Geräts auszuprobieren“<br />

(zur Operationalisierung siehe Anhang). Tatsächlich zeigten sich entsprechende<br />

positive Zusammenhänge (siehe Tab. 5), die hier als Determinanten plausibilisiert werden,<br />

wobei Kausalitätsnachweise weiteren Studien vorbehalten sind.<br />

Auf Seiten des Individuums zeigte sich kein Alterseffekt. Ein Geschlechtseffekt wurde<br />

in der Weise deutlich, dass sich unter den Vielnutzern (bzw. Tagesnutzern, siehe oben<br />

Tab. 2) etwa doppelt so viele Jungen und Männer wie Mädchen und Frauen befanden.<br />

Andererseits zeigte eine Umfrage von N = 2.979 norwegischen Schülern, dass 50% der<br />

Mädchen und 43% der Jungen Klingeltöne „sehr wichtig“ fanden (Skog, 2002), so dass<br />

Geschlechtseffekten noch genauer nachzugehen wäre. Selbststilisierungen im Sinne von<br />

Individualität („Ich habe meinen eigenen Stil.“; siehe Anhang) sowie von Uniformität<br />

(„Wenn etwas gerade im Trend ist, mache ich gerne mit.“; siehe Anhang) korrelierten<br />

positiv mit Klingelton- und Logo-Downloads, wobei sich Logo-Downloads durch diese<br />

Variablen besser vorhersagen ließen. Individualität und Uniformität im hier definierten<br />

Sinne stehen insofern nicht in Widerspruch zueinander, als man sich mit häufig<br />

wechselnden Klingeltönen und Logos zwar von anderen Nutzern abhebt, gleichzeitig<br />

die Distinktionssymbole aber aus dem allgemein zugänglichen Pool populärkultureller<br />

Symbole stammen (sofern nicht Eigenproduktionen vorgenommen werden).<br />

Technikaneignung unterliegt gerade bei Netzmedien starker sozialer Normierung<br />

(vgl. Fulk, Schmitz & Steinfield, 1990). Und tatsächlich erwiesen sich Nutzungsintensität<br />

und Nutzungsnormen im sozialen Umfeld („Viele meiner Freunde nutzen sehr<br />

häufig Klingeltöne oder Logos.“; „Meine Freunde finden Klingeltöne und Logos gut.“,<br />

siehe Anhang) als der beste Prädiktor für die individuellen Download-Häufigkeiten –<br />

sowohl im Sinne der bivariaten Korrelationen als auch der Beta-Gewichte im Kontext<br />

der multiplen Regression.<br />

Trotz der verwendeten Kurzskalen und ihrer teilweise suboptimalen internen Konsistenzen<br />

(siehe Anhang) konnten durch die multiple Regression substanzielle Varianzanteile<br />

aufgeklärt werden (19% bei den Klingeltönen, 16% bei den Logos), die sich<br />

durch eine verbesserte Operationalisierung vermutlich noch steigern ließen. Wer einen<br />

individuellen Stil oder eine allgemeine Trendorientierung kultiviert, lädt etwas häufiger<br />

Klingeltöne und vor allem Logos auf das eigene Handy, was ein Indiz für deren unikommunikative<br />

Aneignung ist. Ein Reiz von Klingeltönen und Logos scheint in der<br />

Handy-Gestaltung zu liegen, hier wäre der Frage nachzugehen, inwiefern damit eine<br />

387


M&K 50. Jahrgang 3/2002<br />

uni-kommunikative Selbstbestätigung und Imagepflege hinsichtlich der eigenen Technikkompetenz<br />

verbunden ist. Die Nutzungsintensität von Klingeltönen und Logos als<br />

digitalen (und damit kopierbaren und selbst distribuierbaren) Netzmedien korreliert<br />

eng – und vermutlich enger als bei vielen anderen <strong>Medien</strong> der Uni-Kommunikation wie<br />

z. B. bedruckten T-Shirts – mit der Nutzungsintensität im sozialen Umfeld.<br />

Tabelle 5: Determinanten der Häufigkeit von Klingelton- und Logo-Downloads<br />

(r: bivariate Korrelationen; b: nur signifikante beta-Koeffizienten in der<br />

multiplen Regression R; *: p < .05)<br />

Prädiktoren r b r b<br />

Klingelton- Klingelton- Logo- Logo-<br />

Downloads Downloads Downloads Downloads<br />

Technik<br />

1. SMS .08 .13*<br />

2. Bildmitteilungen .29* .16* .24* .15*<br />

3. Skala Handy-Gestaltung .28* .16* .24* .13*<br />

Individuum<br />

4. Geschlecht (1:w, 2:m) .07 .11* .13* .19*<br />

5. Alter -.05 .01<br />

6. Skala Individualität .04 .11*<br />

7. Skala Uniformität .16* .10*<br />

Soziales Umfeld<br />

8. Skala Klingelton-<br />

bzw. Logo-Nutzung .37* .25* .32* .22*<br />

N=600 R = .44, N = 640 R = .41,<br />

p < .001 p < .001<br />

R 2<br />

korr = 19% R 2<br />

korr = 16%<br />

Die Interview-Studie zeigte, dass Nicht-Nutzer vor allem drei Gründe für ihre Klingelton-<br />

und Logo-Abstinenz nannten: 1. Ihr Handytyp erlaubte keine zusätzlichen Klingeltöne<br />

oder Logos, 2. entsprechende Angebote wurden als zu teuer eingestuft oder 3.<br />

nicht für sinnvoll befunden („Das interessiert mich einfach nicht. Hauptsache, das Handy<br />

klingelt“; „Hat nichts mit dem Preis zu tun, das Handy ist kein Spielzeug für mich“).<br />

3.3 Themenwahl bei Klingelton- und Logo-Downloads<br />

Welche Themen stehen für Klingelton- und Logo-Downloads zur Verfügung und werden<br />

bevorzugt gewählt? Bei den Klingeltönen und Logos, die auf das Handy geladen<br />

werden, handelt es sich entweder um vorproduzierten mobilen Content oder um Eigenproduktionen.<br />

Das Angebot an vorproduziertem Content ist entsprechenden Download-Sites<br />

im WWW oder auch Zeitschriften-Anzeigen zu entnehmen. Unter dem<br />

Aspekt der Uni-Kommunikation interessiert vor allem, welche selbstbezogenen Aussagen<br />

durch die Wahl von Klingeltönen und Logos getroffen werden können.<br />

Eine Annäherung an das Aussagen-Potenzial der Klingeltöne und Logos erfolgte<br />

durch eine Inhaltsanalyse der Klingelton- und Logo-Rubriken auf 10 ausgewählten<br />

Websites. Das Kategoriensystem wurde – mangels einer theoretisch ableitbaren, trenn-<br />

388


Döring · Klingeltöne und Logos auf dem Handy<br />

scharfen und erschöpfenden Taxonomie von identitätsrelevanten Themen – sowohl für<br />

Klingeltöne als auch für Logos induktiv gewonnen (siehe Tab. 6 und Tab. 7). Hierzu<br />

wurden die vorgefundenen Rubriken in der Weise gebündelt und etikettiert, dass ihre<br />

Aussagekraft für individuelle Präferenzen oder Gruppenzugehörigkeiten deutlich wird.<br />

Klingelton-Rubriken wie „Pop“, „Rock“, „Klassik“ oder „Charts“ lassen etwa Rückschlüsse<br />

auf den Musikgeschmack einer Person zu. So berichteten Jugendliche in den<br />

Leitfaden-Interviews, sie würden sich gezielt ihr „Lieblingslied“ als Klingelton herunterladen<br />

oder ihren jeweiligen Favoriten aus der aktuellen Hitparade. Manche monierten<br />

auch, dass Klingelton-Anbieter den von ihnen bevorzugten Musikstil (z. B. „Techno“)<br />

in ihrem Angebot nicht genügend berücksichtigen. Die uni-kommunikative Bedeutung<br />

von Klingeltönen, die bestimmte Musikstile oder auch einzelne Interpreten repräsentieren,<br />

besteht prinzipiell darin, dass eine Person ihre Musikorientierung durch<br />

die Wahl des Klingeltons unterstreichen und dem Umfeld unausgesprochen mitteilen<br />

kann, so dass Anhänger derselben Stilrichtung einander ebenso erkennen (intragruppale<br />

Kommunikation), wie Fans unterschiedlicher Musikstile sich voneinander abheben<br />

(intergruppale Kommunikation).<br />

Die Zuordnung der auf den Websites vorgefundenen Rubriken zu den thematischen<br />

Kategorien der Inhaltsanalyse erfolgte durch zwei unabhängige Kodierer, wobei über<br />

alle 168 Klingelton-Rubriken hinweg eine sehr gute Inter-Coder-Reliabilität zu beobachten<br />

war (ICR = .98, Cohens Kappa).<br />

Die Auswertung zeigte, dass bei den Klingeltönen der Schwerpunkt tatsächlich auf<br />

Musikstilen liegt, die sehr ausdifferenziert darstellbar sind: 61% der Klingelton-Rubriken<br />

der n = 10 betrachteten Websites beinhalteten Musikstile. Sie fehlten auf keiner einzigen<br />

der 10 Websites und umfassten Klassik und Country ebenso wie Volksmusik,<br />

Neue Deutsche Welle, Pop, Rock, HipHop oder die aktuellen Charts.<br />

Mit vielfältigen Konnotationen versehen sind Erkennungsmelodien von Fernseh-Serien<br />

sowie Filmmusiken: Von „Dallas“ über die „Sendung mit der Maus“ bis zu „Miss<br />

Marple“, „Ally McBeal“, „Star Trek“, „James Bond“ oder „Indiana Jones“ reicht das<br />

Spektrum, wobei trotz monophonischer Realisation (vgl. Kap. 1.2) teilweise eine verblüffend<br />

leichte Wiedererkennbarkeit der Melodien gegeben ist, die interessanterweise<br />

häufig gerade durch eine Veränderung der Original-Melodie z. B. hinsichtlich Tonart,<br />

Tonumfang, Notenlänge erreicht wird.<br />

Während Klingeltöne aus den Rubriken „Musik“ und „Film/TV“ vor allem Rückschlüsse<br />

auf den Geschmack des Nutzers zulassen und Fangemeinschaften als soziale<br />

Bezugsgruppen salient machen, lassen Rubriken wie „Nationalhymnen“ oder „Türkisches“<br />

Bezüge zur Nationalität und Rubriken wie „Kinderlieder“ oder „Oldies“ Bezüge<br />

zur Generation anklingen. Der aus dem Konstrukt der Uni-Kommunikation abgeleitete<br />

Ansatz, inhaltliche Klingelton- und Logo-Rubriken mit Selbst-Aspekten bzw.<br />

Identitäten zu verknüpfen, ist hier freilich nur als erste Annäherung zu verstehen. Doch<br />

es scheint zunächst plausibel, dass mit türkischen Klingelton-Melodien vermutlich eine<br />

entsprechende nationale Identität unterstrichen wird. Und es hat sich gezeigt, dass ältere<br />

Nutzer tatsächlich verstärkt „Oldies“ herunterladen, so dass dieser Rubrik ein Generations-Thema<br />

zugeschrieben werden kann (vgl. Kap. 3.4). Schließlich sind eine Reihe<br />

spezifischer Interessen und Vorlieben durch entsprechende Klingeltöne darstellbar:<br />

Produkt- bzw. Firmen-Werbung etwa für Coca-Cola, Haribo oder MacDonalds, Fußball-Hymnen,<br />

Sounds von Computerspielen und Jagdsignale. Weniger identitätsbezogen<br />

sind dagegen saisonale Klingeltöne (v. a. Weihnachtslieder) sowie abstrakte<br />

Handysounds, die in Klang, Form und Darbietungsart so nur mit dem Handy realisierbar<br />

sind.<br />

389


M&K 50. Jahrgang 3/2002<br />

Es ist unter ökonomischen Gesichtspunkten davon auszugehen, dass Klingelton-<br />

Themen, die von Anbietern besonders umfassend abgedeckt werden, gleichzeitig auch<br />

jene sind, die sich bei den Nutzern größerer Beliebtheit erfreuen. So produziert etwa<br />

Jamba.de jede Woche gezielt rund fünf neue Klingeltöne und zwanzig neue Logos für<br />

die laut Webstatistik am häufigsten nachgefragten Downlaod-Rubriken. Tatsächlich<br />

zeigte sich, dass die meisten befragten Klingelton-Nutzer (87%) im Online-Sample<br />

schon mindestens einmal einen Klingelton aus der Kategorie „Musik“ heruntergeladen<br />

hatten (siehe Tab. 6). Klingeltöne mit Bezügen zu Nation oder Generation wurden von<br />

einer Minderheit von gut 10% genutzt, auf Erkennungsmelodien von Fernsehserien<br />

oder Filmmusiken hatte dagegen schon fast jede/r zweite zurückgegriffen.<br />

Tabelle 6: Klingelton-Themen: Angebot und Nutzung<br />

Kategorien von Beispiele für Anteil der Anzahl der Wahl der<br />

Klingelton-Themen Klingelton-Rubriken Websites Rubriken Themen<br />

(alphabetisch) laut Anbieter (N = 10 (N = 168 (N = 629<br />

Websites) Rubriken) Klingelton-<br />

Nutzer)<br />

1. Computer Computerspiele 20% 2<br />

2. Feiertage Weihnachtslieder 30% 3<br />

3. Film/TV Film/TV 90% 11 (6%) 45%<br />

4. Fußball Fan-Hymnen,<br />

Fußball WM 2002<br />

60% 8<br />

5. Generation Oldies, Kinderlieder 70% 10 (6%) 13%<br />

6. Handysounds Handysounds,<br />

Motorola Töne<br />

80%<br />

7. Jagd Jagdsignale 10% 1<br />

8. Musik Pop, Rock, Klassik, Charts 100% 103 (61%) 87%<br />

9. Nation Türkisches, Nationalhymnen<br />

90% 13 (8%) 11%<br />

10. Produkte/Firmen Werbung, Jingles 80% 8<br />

11. Sonstiges Sonstiges 10% 1<br />

Aus Platzgründen konnten im Online-Fragebogen nicht alle thematischen Kategorien abgefragt<br />

werden, so dass Angaben zu Nutzungshäufigkeiten nur für ausgewählte Themen vorliegen.<br />

Ebenso wie die Klingelton-Rubriken wurden dann auch die Logo-Rubriken der 10<br />

Websites in der Weise thematisch gebündelt, dass auf selbstbezogene Aussagen geschlossen<br />

werden kann (Inter-Coder-Reliabilität des Kategoriensystems über alle 343<br />

Logo-Rubriken: ICR = .92). Es zeigte sich, dass Logo-Angebote qualitativ ein sehr viel<br />

breiteres Spektrum an Themen abdecken als Klingelton-Angebote: Von den elf Klingelton-Themen<br />

(siehe oben Tab. 6) waren 8 auch als Logo-Themen vertreten (2, 5, 8, 10,<br />

15, 16, 18, 23; Generation und Jagd fehlten als Themen, ebenso die akustisch abstrakten<br />

„Handysounds“, mit denen jedoch die grafisch abstrakten Logo-“Muster“ korrespondieren,<br />

siehe Tab. 7). Zusätzlich zu den Themen des Klingelton-Kategoriensystems wurden<br />

zwölf weitere Themen-Kategorien aufgenommen.<br />

390


Das breitere Themenspektrum auf Seiten der <strong>Medien</strong>angebote spiegelte sich in einem<br />

stärker aufgefächerten Nutzungsverhalten wider, wobei „Cartoons“ (53%), „Muster“<br />

(38%), „Liebe“ (35%) und „Sprüche“ (28%), die jeweils die grafische und verbale Qualität<br />

des Mediums Logo ausnutzen, besonders beliebt waren.<br />

Tabelle 7: Logo-Themen: Angebot und Nutzung<br />

Döring · Klingeltöne und Logos auf dem Handy<br />

Kategorien von Beispiele für Anteil der Anzahl der Wahl der<br />

Logo-Themen Logo-Rubriken Websites Rubriken Themen<br />

(alphabetisch) laut Anbieter (N = 10 (N = 343 (N = 676<br />

Websites) Rubriken) Logo-<br />

Nutzer)<br />

1. Auto/Motorrad Auto, Motorrad, Fahrzeuge 90% 16 09%<br />

2. Berufe Berufe, Business 70% 8<br />

3. Cartoons Cartoons, Comics,<br />

Lustiges, Fun<br />

100% 28 (8%) 53%<br />

4. Computer Computer, Technik,<br />

Handy 60% 9<br />

5. Feiertage Weihnachten, Ostern,<br />

Muttertag<br />

70% 16<br />

6. Film/TV Film/TV 80% 27 (8%) 17%<br />

7. Fußball Fan-Hymnen,<br />

Fußball WM 2002<br />

70% 8<br />

8. Liebe Liebe 100% 10 35%<br />

9. Musik Musik 90% 14 14%<br />

10. Muster Muster, Symbole,<br />

Ornamente<br />

90% 21 (6%) 38%<br />

11. Mystery/Horror Mystery, Horror, Gruseliges 90% 9 17%<br />

12. Namen Namen, Vornamen 40% 8 27%<br />

13. Nation Türkisches, Asiatisches 70% 9<br />

14. Produkte/Firmen Firmen, Marken 70% 12<br />

15. Reisen/Länder Reisen, Länder, Urlaub 80% 10 07%<br />

16. Sex Sex, Erotik, Sexy, Hotgirls 100% 13 17%<br />

17. Sport/Spiele Sport, Spiele 100% 12<br />

18. Sprüche Sprüche, Bekenntnisse 100% 19 (6%) 28%<br />

19. Sternzeichen Sternzeichen 100% 10<br />

20. Tiere/Natur Tiere, Natur, Pflanzen 100% 15 27%<br />

21. Sonstiges Sonstiges, Top Download,<br />

Weltraum, Freibeuter/Piraten,<br />

Esoterik, Drugs<br />

100% 69<br />

Aus Platzgründen konnten im Online-Fragebogen nicht alle thematischen Kategorien abgefragt<br />

werden, so dass Angaben zu Nutzungshäufigkeiten nur für ausgewählte Themen vorliegen.<br />

391


M&K 50. Jahrgang 3/2002<br />

Durch die enge Verknüpfung mit dem Musikmarkt spielen bei den Klingelton-Angeboten<br />

urheber- und lizenzrechtliche Fragen eine größere Rolle als bei den Logo-Angeboten,<br />

wo sie primär in der Rubrik „Cartoons“ oder „Produkte/Firmen“ virulent werden.<br />

Der Anbieter Handy-Fantasy.de hatte zum Untersuchungszeitpunkt etwa sein<br />

Klingelton-Angebot vorläufig eingestellt:<br />

„Liebe Kunden von HANDY-FANTASY,<br />

da zur Zeit fast alle Musikverlage sowie diverse Einzelinterpreten alle Anbieter<br />

von Klingeltönen abmahnen und teils horrende Summen fordern, können wir leider<br />

innerhalb der nächsten Wochen keine Klingeltöne mehr von unserer Homepage<br />

direkt versenden, solange bis die Rechtslage eindeutig geklärt ist. Traurig ist<br />

insbesondere, dass wir hohe GEMA-Gebühren gezahlt haben, wovon die Konzerne<br />

und Interpreten zwar auch profitiert haben, uns aber jetzt trotzdem abmahnen.<br />

Anstatt sich zu freuen, dass Ihr mit Euren Klingeltönen für Eure Idole<br />

gratis Werbung macht, wird uns verboten, diese Melodien für Euch bereitzustellen.<br />

Kaum verständlich, oder?“ (www.handyfantasy.de; 28. Mai 2002)<br />

Während es bei der Produktion von Klingeltönen um das Nachkomponieren bekannter<br />

Melodien geht und Neukompositionen kaum gefragt sind, können im Bereich der Logos<br />

originelle Neukreationen wirkungsvoll sein. Somit beschäftigen die Logo-Anbieter<br />

teilweise eigene Designer, die fortlaufend neue Motive entwerfen. Manchmal wird auch<br />

den Nutzern die Möglichkeit geboten, ihre Eigenkreationen auf dem Server zur Verfügung<br />

zu stellen. Bei Handy.de werden die User-Logos nach dem selben Rubriken-Schema<br />

eingeteilt wie die vom Anbieter produzierten Logos.<br />

Dass bei den Handylogos ein individualisierendes Moment stärker zum Tragen<br />

kommt, zeigt sich nicht nur in der verglichen mit Klingeltönen größeren Vielfalt der<br />

Themen, sondern auch darin, dass Logos tatsächlich etwas häufiger als Klingeltöne mit<br />

Editoren selbst erstellt werden (siehe oben Tab. 3) und dass die Logo-Nutzung auch<br />

überzufällig mit der Individualitäts-Skala korreliert (siehe oben Tab. 5). So berichtete ein<br />

23-jähriger Auszubildender aus der Computerbranche im Interview, er würde niemals<br />

auf vorgefertigte Logo-Motive zurückgreifen, sondern immer mit Editoren arbeiten,<br />

schließlich „geht’s ja um das Individuelle“. Wer per Editor kein eigenes Design entwerfen<br />

kann oder will, mag als individuelle Lösung immer noch eigene Fotovorlagen in Logos<br />

umwandeln lassen.<br />

3.4 Determinanten der Themenwahl von Klingelton- und Logo-Downloads<br />

Das Konstrukt der Uni-Kommunikation besagt, dass Menschen Klingeltöne und Logos<br />

in der Weise auswählen, dass darin ihre Interessen und Gruppenzugehörigkeiten zum<br />

Ausdruck kommen. Dementsprechend müsste sich etwa die Identifikation mit einem<br />

bestimmten Musikstil (z. B. „Pop“ oder „Rock“) auch in einer überzufällig häufigeren<br />

Wahl von Klingeltönen aus dieser Rubrik niederschlagen. Die stärkere Affinität von<br />

Jungen und Männern zu „Film/TV“ müsste sich im Vergleich zu Frauen in einer häufigeren<br />

Nutzung diesbezüglicher Klingeltöne (und Logos) ebenso niederschlagen wie ältere<br />

Menschen häufiger als Jüngere Oldies als Klingeltöne wählen sollten.<br />

Bei der thematischen Klingelton-Wahl war der Effekt des Musikgeschmacks durchweg<br />

sehr deutlich: Diejenigen, die besonderes Interesse an Musik aus den Charts angaben,<br />

hatten mit überwältigender Mehrheit bereits mindestens einmal einen Klingelton aus<br />

dieser Rubrik gewählt (85%), während von den Klingelton-Nutzern ohne ausdrückli-<br />

392


Döring · Klingeltöne und Logos auf dem Handy<br />

ches Interesse an den Charts nur 31% einen Klingelton aus dieser Rubrik genutzt hatten.<br />

Thomas, Fan der schwedischen Band „Millencolin“, berichtete im Interview, dass<br />

er bevorzugt T-Shirts mit Motiven und Tourdaten seiner Lieblingsband trägt und sich<br />

für sein neues Handy auch gleich das Millencolin-Logo von der Band-Homepage heruntergeladen<br />

hat. Er nutzt also ergänzend verschiedene <strong>Medien</strong> der Uni-Kommunikation,<br />

die von der Band bereitgestellt werden. Geschlechtseffekte zeigten sich nicht nur in<br />

der Rubrik „Film/TV“, sondern auch bei einzelnen Musikrichtungen. Der systematische<br />

Alterseffekt, der für das Thema „Generation“ (Rubrik „Oldies“) und für die<br />

Rubrik „Klassik“ nachweisbar war, zeigte sich komplementär für „HipHop“ – einem<br />

Musikstil, der offensichtlich Jugendkultur repräsentiert.<br />

Um die selbstdarstellerische bzw. identitätsbezogene Bedeutung von Klingeltönen<br />

genauer zu untersuchen, wären weitere qualitative Befragungen sinnvoll, die individuelle<br />

Interpretationen des <strong>Medien</strong>angebots enthüllen. So werden einzelne Musikstücke<br />

teilweise nicht ausgewählt, weil sie einen bevorzugten Musikstil repräsentieren, sondern<br />

weil sie den Nutzer an eine bestimmte Situation erinnern oder weil der Liedtext sie anspricht.<br />

Der 25-jährige Danny berichtete im Interview, er hätte sich „Der kleine Trompeter“<br />

als Klingelton auf sein Handy geladen – weniger, weil er Arbeiterkampflieder<br />

mag, sondern eher, weil er selbst Gitarre und Trompete spielt. Ein Student aus den alten<br />

Bundesländern berichtete, er verwende die Nationalhymne der DDR als Klingelton,<br />

„weil ich in Ilmenau studiere und es einfach eine ausgeglichen komponierte Melodie ist“.<br />

Bei der Wahl der Handylogos, die inhaltlich ein viel weiteres Spektrum an Selbst-<br />

Aspekten adressieren können, zeigte sich erwartungskonform ein sehr deutlicher Einfluss<br />

aller thematisch korrespondierenden Interessen bzw. Hobbys (siehe Tab. 9). Stereotypkonforme<br />

Geschlechtseffekte traten prägnant zu Tage, etwa in der Weise, dass das<br />

Thema „Auto/Motorrad“ kaum von weiblichen (3%), dagegen nennenswert von männlichen<br />

(14%) Personen in der Stichprobe gewählt wurde. Weibliche Personen wählten<br />

doppelt so oft Liebes-Motive wie männliche, umgekehrt wählten männliche Personen<br />

doppelt so oft Sex-Motive wie weibliche. Dennoch standen Liebes-Motive mit 24%<br />

auch bei Jungen relativ hoch im Kurs und wurden Sex-Motive von den befragten<br />

Mädchen (10%) nicht durchgängig verschmäht. Alters- bzw. Generationseffekte zeigten<br />

sich bei diversen Themen, wobei die Attraktivität der jeweiligen Themen typischerweise<br />

mit dem Alter abnahm, bestenfalls gleich blieb. Lediglich bei dem Thema „Reisen/Länder“<br />

war ein Anstieg der Themenwahl mit dem Alter zu beobachten, was darauf<br />

hindeutet, dass die angebotenen Logo-Themen vor allem auf die jüngere Generation<br />

zugeschnitten sind.<br />

Die in der Online-Befragung nachgewiesene enge Verbindung zwischen Themenwahlen<br />

einerseits und Interessen, Geschlechtszugehörigkeit und Altersgruppe andererseits<br />

belegt das uni-kommunikative Potenzial von Klingeltönen und Logos, das auch die<br />

Interview-Partner bestätigten: So berichtete ein 23-jähriger Angestellter, er habe sich als<br />

Logo ein „Schwert“ heruntergeladen, das sei „schlicht und geradlinig“ und war das einzige<br />

Logo, das ihm gefallen habe und seine Persönlichkeit widerspiegele. Seine Motivwahl<br />

korrespondiert mit der Beobachtung einer Schülerin, die im Interview meinte,<br />

„Jungs haben brutale Logos, Messer und so“, während bei Mädchen eher „Teddys und<br />

Herzen“ auf dem Handydisplay zu sehen seien. Ein 22-jähriger Student, dessen Hobby<br />

Fantasy-Rollenspiele sind, wählte deswegen ein keltisches Symbol als Handy-Logo. Ein<br />

13-jähriger Realschüler meinte, dass er Klingeltöne nach „Lust und Laune“ auswählt,<br />

Logos dagegen „nach seiner Meinung, zum Beispiel ‚Nazis raus‘“.<br />

In den Interviews gab es auch Hinweise auf Zusammenhänge zwischen Themenwahl<br />

und Download-Häufigkeit. Nutzer, die ihre Klingeltöne und Logos häufiger – etwa bin-<br />

393


M&K 50. Jahrgang 3/2002<br />

Tabelle 8: Themen-Wahl bei Klingeltönen in Abhängigkeit von Interesse, Geschlecht und Alter (prozentuale Anteile von N = 629 Klingelton-Nutzer/innen;<br />

Chi-Quadrat-Tests, *: p < .05; Lesebeispiel 1. Zeile: 50% der Befragten mit ausdrücklichem Film/TV-<br />

Interesse haben schon einen Film/TV-Klingelton genutzt, dagegen nur 35% der Befragten ohne entsprechendes Interesse)<br />

394<br />

Kategorien von N = 629 Interesse Interesse Geschlecht Geschlecht Alter Alter Alter<br />

Klingelton- nein ja weiblich männlich 11-18 J. 19-28 J. 29-55 J.<br />

Themen N > 256 N > 73 N = 238 N = 391 N = 251 N = 276 N = 102<br />

(alphabetisch)<br />

1. Film/TV 45% 35 50 * 34 54 * 44 50 39<br />

2. Generation 13% 12 17 07 13 26 *<br />

3. Musik<br />

– Charts 63% 31 85 * 72 55 * 75 56 56 *<br />

– Hip Hop 22% 4 67 * 23 22 41 18 03 *<br />

– Klassik 15% 07 63 * 16 13 08 18 20 *<br />

– Party-Hits 24% 12 51 * 20 26 28 19 23<br />

– Pop 35% 10 55 * 44 28 * 41 24 40 *<br />

– Rock 27% 07 58 * 21 31 * 29 21 29<br />

4. Nation 11% 06 14 * 13 08 10


Tabelle 9: Themen-Wahl bei Logos in Abhängigkeit von Interesse, Geschlecht und Alter (prozentuale Anteile von N = 676 Logo-<br />

Nutzer/innen; Chi-Quadrat-Tests, *: p 502 N > 57 N = 269 N = 407 N = 283 N = 293 N = 100<br />

1. Auto/Motorrad 09% 03 25 * 03 14 * 09 06 12<br />

2. Cartoons 53% 57 48 * 55 52 51<br />

3. Film/TV 17% 08 22 * 09 24 * 22 15 2 *<br />

4. Liebe 35% 48 24 * 43 34 26 *<br />

5. Musik 14% 02 19 * 11 17 * 23 11 05 *<br />

6. Muster 38% 36 40 40 45 29 *<br />

Döring · Klingeltöne und Logos auf dem Handy<br />

7. Mystery/Horror 17% 12 23 * 26 14 09 *<br />

8. Namen 27% 25 29 26 24 33<br />

9. Reisen/Länder 07% 04 13 * 06 07 04 05 12 *<br />

10. Sex 17% 10 23 * 23 16 11 *<br />

11. Sprüche 28% 26 30 41 24 14 *<br />

12. Tiere/Natur 27% 19 57 * 43 12 * 29 24 27<br />

395


M&K 50. Jahrgang 3/2002<br />

nen einiger Wochen – verändern, greifen eher auf Motive zurück, die per se eine turnusmäßige<br />

Aktualisierung nahe legen (z. B. Klingeltöne aus der Rubrik „Charts“ oder Logos<br />

aus der Themenkategorie „Feiertage“). Viel-Nutzer, die bereits nach einigen Tagen<br />

ihre Klingeltöne und/oder Logos austauschen, sind innerhalb der von ihnen präferierten<br />

Themenfelder offensichtlich von originellen oder trendigen Neuerscheinungen fasziniert.<br />

Ein 28-jähriger studentischer Vielnutzer berichtete, er sei „immer auf der Suche<br />

nach witzigen Logos. Das ist eine Sammlerleidenschaft wie bei mp3“.<br />

3.5 Soziale Konsequenzen der Klingelton- und Logo-Nutzung<br />

Im Rahmen der Leitfaden-Interviews wurden insgesamt zehn ausführliche Episoden zu<br />

situationsspezifischen sozialen Konsequenzen der Klingelton- und Logo-Nutzung erzählt.<br />

Diese Situationen (ergänzt um zwei Online-Quellen) behandeln gezielte und ungezielte<br />

Selbstdarstellungen samt Reaktionen sowie intra- und intergruppale Anschluss-<br />

Kommunikation.<br />

Gezielte Selbstdarstellung<br />

Bei der gezielten Selbstdarstellung verwendet der Handybesitzer Klingeltöne und vor<br />

allem Logos bewusst, um sich gegenüber den gerade Anwesenden in Szene zu setzen:<br />

Aktiv spielt er anderen seinen Klingelton vor oder präsentiert das Display seines Handys,<br />

was Alexandra Weilenmann und Catrine Larsson (2002: 95f.) auf der Basis ihrer<br />

Feldbeobachtungen im Zusammenhang mit SMS-Kommunikation als „minimal forms<br />

of sharing“ bezeichnen, das heißt, nicht das Handy wird verliehen („physical sharing“),<br />

sondern der symbolische Inhalt wird sozial geteilt. Dieses kann beim Publikum auf positive<br />

Resonanz, auf Gleichgültigkeit oder auch auf Ablehnung stoßen, wie die folgenden<br />

fünf Episoden illustrieren:<br />

• Bei einer Party führte Hannes, ein Auszubildender, seinen Kumpels sein neuestes<br />

Logo aus der Rubrik Cartoons vor: Es zeigte neben dem Schriftzug „BSE“ eine „verrückte<br />

Kuh“. Das Logo wurde allgemein als witzig eingestuft. Sein Besitzer war eine<br />

ganze Weile Zentrum der Aufmerksamkeit und reüssierte als Unterhalter. Er zeigte<br />

sein Handy herum und verschickte das Logo spontan an einige Interessierte, die<br />

Logo-fähige Handys bei sich hatten.<br />

• Der 28-jährige Markus legte bei einem Restaurantbesuch mit Freunden sein Handy<br />

auf den Tisch, so dass die anderen sein Logo aus der Rubrik Produkte/Firmen prompt<br />

bemerkten und nachfragten. Es handelte sich um das Logo der Firma, bei der er seit<br />

Neuestem beschäftigt ist. Erfreut über das Interesse an seiner Arbeit und seiner Firma<br />

berichtete er ausführlich und war ganz in seinem Element.<br />

• Sichtlich stolz war Julia, eine Psychologiestudentin, die ihren neuesten Klingelton aus<br />

der Rubrik Film/TV („Miss Marple“) zwei Freunden ausgiebig vorspielte. Diese<br />

konnten sich jedoch wenig für den Klingelton erwärmen. Die Ironie ihrer „Ganz<br />

toll!“-Ausrufe bemerkte die enthusiastische Handybesitzerin nach Auskunft des einen<br />

Freundes jedoch nicht.<br />

• Juliane, eine 13-jährige Schülerin, nutzt ein Logo aus der Rubrik Namen („Jule“), das<br />

ihr ein Verwandter aus dem Internet besorgte. Eine Mitschülerin kommentiert: „Sie<br />

will sich eben immer abheben. Sie wird auch immer ganz zickig, wenn man mal das<br />

gleiche Büchlein oder Hausaufgabenheft hat wie sie. Aber mit dem Handy will sie<br />

sich vielmehr in der Klasse beliebt machen, sie wird nämlich nicht so besonders anerkannt.<br />

Da hat sie doch tatsächlich zu uns gesagt, wir dürfen ihr Handy mitbenut-<br />

396


Döring · Klingeltöne und Logos auf dem Handy<br />

zen. Das Logo soll auf jeden Fall immer jeder sehen, da tut sie so, als ob sie sich das<br />

Handy ansieht oder SMS schreibt oder spielt – nur damit niemand in der Klasse es<br />

übersieht.“<br />

• Eine ähnlich offensive, gezielte Selbstdarstellung wie Juliane betreibt auch die 13jährige<br />

Sandra gegenüber ihren Mitschülern, nachdem sie von ihren Eltern das allerneueste<br />

Motorola-Handy geschenkt bekommen hat, das neben herkömmlichen Betreiberlogos<br />

auch Bildschirmschoner unterstützt. Eine Mitschülerin kommentiert:<br />

„Sandra hat als Bildschirmschoner Batman, der in seinem Auto an einer Mauer vorbeifährt.<br />

Woher ich das weiß? Natürlich, weil sie es einem förmlich unter die Nase<br />

hält. Neulich wurde sie in Mathe an die Tafel gerufen und hat tatsächlich in ihrer<br />

scheinbar extra dafür vorgesehenen Gürteltasche das Handy stecken gehabt, so dass<br />

es auch um jeden Preis die ganze Klasse sieht.“ Selbst bei Jugendlichen kann die gezielte<br />

Präsentation des Handys offenbar schnell übertrieben selbstdarstellerisch wirken<br />

und auf Ablehnung stoßen. Die Kunst der Selbstdarstellung besteht schließlich<br />

darin, sie möglichst beiläufig zu bewerkstelligen.<br />

Ungezielte Selbstdarstellung<br />

Situationen, in denen Logos und vor allem Klingeltöne spontan, ohne Ausrichtung auf<br />

konkrete Adressaten und vielleicht sogar ungewollt die Aufmerksamkeit von Ohrenund<br />

Augenzeugen auf sich ziehen, werden hier im Unterschied zur oben beschriebenen<br />

gezielten Selbstdarstellung als „ungezielt“ etikettiert.<br />

• Ein Angestellter aus England berichtet, wie peinlich es ihm war, ausgerechnet zu einem<br />

wichtigen Geschäfts-Meeting zu spät zu kommen. Kaum saß er am Konferenztisch,<br />

begann auch noch sein Handy zu klingeln, das er in der Eile nicht ausgeschaltet<br />

oder lautlos gestellt hatte. Was die Situation rettete, war jedoch sein sofort als<br />

Jim’ll Fix erkennbarer Klingelton, der für allgemeine Erheiterung und sogar ausgelassenes<br />

Mitsingen sorgte. So nachzulesen in einer auf der Homepage des Klingelton-<br />

Produzenten Phat Tones (www.tonez.co.uk) publizierten Kunden-E-Mail. (Demgegenüber<br />

betonte ein älterer Informant im Interview, es wäre ihm schon unangenehm<br />

genug, wenn das Handy in der Öffentlichkeit klingelt, ein besonders auffälliger Klingelton<br />

wäre da „umso peinlicher“.)<br />

• Wie sich der Klingelton in der Öffentlichkeit als eine erfolgreiche Aufmerksamkeitsressource<br />

erweisen kann, erzählt eine Studentin: „Wir saßen zu dritt in einem<br />

Café auf dem Ku’damm und plötzlich ging ein Handy los und es erklang die Melodie<br />

von Samba de Janeiro, diesem Sommerhit von vor 2 Jahren und man erkannte das<br />

auch relativ schnell und gut. Das Handy gehörte einer jungen attraktiven dunkelhaarigen<br />

Frau, die sehr sommerlich – kurzer Rock, Top – bekleidet war. Sofort wurden<br />

ein paar junge Männer am Nachbartisch aufmerksam und grinsten sich an. Einer von<br />

denen sagte dann sowas wie: ‚Die sieht schon so aus, als hätte sie richtig Feuer im Hintern.‘<br />

Genau konnte ich das nicht verstehen, aber es war sowas in der Art. Schließlich<br />

konnte ich dann noch sehen, wie einer der Männer die Frau, nachdem sie fertig war<br />

mit telefonieren, anlächelte und sie mit ihm flirtete.“<br />

Intragruppale Kommunikation<br />

Intragruppale Kommunikation findet statt in Situationen, in denen Mitglieder derselben<br />

sozialen Gruppe einander anhand von Klingeltönen oder Logos erkennen bzw. bewusst<br />

ihren Gruppenzusammenhalt stärken.<br />

397


M&K 50. Jahrgang 3/2002<br />

• Rolf wurde von einem Bekannten auf sein Handylogo der TV-Serie The Simpsons angesprochen.<br />

Beide kamen überein, dass die Serie ziemlich „cool“ sei und freuten sich,<br />

ineinander Gleichgesinnte gefunden zu haben. Danach folgte die Frage, ob man die<br />

letzte Folge gesehen habe und das Gespräch ging über in Nacherzählungen einzelner<br />

besonders lustiger Episoden aus der Folge vom Vorabend.<br />

• Das Irish Pub „Carnaby“ in Gotha kommuniziert seinen Kneipennamen samt Sofa-<br />

Motiv über die Leuchtreklame, die Speisekarte, eine Anstecknadel und neuerdings<br />

auch über ein Handylogo. Nicht nur der Inhaber und die Angestellten, sondern auch<br />

die ersten Stammgäste nutzen das Logo aus der Rubrik Produkte/Firmen. In dem<br />

Pub, in dem es recht familiär zugeht, ist das neue Logo oft Gesprächsthema, etwa weil<br />

weitere Gäste es sich herunterladen wollen.<br />

• Eine Engländerin berichtet, dass sie und ihre Bürokolleginnen sowohl gerne Schokolade<br />

essen, als auch wechselseitig ihre Klingeltöne beachten. Momentan nutzt sie<br />

einen Klingelton aus der Rubrik Produkte/Firmen und schlägt dem Klingelton-Produzenten<br />

Phat Tonez in einer auf dessen Website publizierten E-Mail eine Neuproduktion<br />

vor: „I am also a big chocoholic, so the Cadburys Fruit and Nut advert is<br />

currently my favourite ringtone. Can I suggest though that you try to make a ringtone<br />

of the music from the old Ferrero Rocher advert? All my friends at work would<br />

be mad with jealousy if I had this on my phone as we all love those chocolates.“<br />

• Die Mitarbeiter einer Multimedia-Firma, die gemeinsam an einem Projekt für den<br />

Automobilhersteller Audi arbeiteten, trafen zu Projektbeginn spontan die Entscheidung,<br />

sich alle ein Audi-Logo auf ihre Handys zu laden, wodurch sie ihren Zusammenhalt<br />

als Team stärkten und sich von den anderen Mitarbeitern der Firma abhoben.<br />

Intergruppale Kommunikation<br />

Intergruppale Kommunikation findet statt in Situationen, in denen Mitglieder unterschiedlicher<br />

sozialer Gruppen einander anhand von Klingeltönen und Logos erkennen<br />

und sich infolgedessen voneinander abgrenzen.<br />

• Seit kurzem zeigt das Handy der 21-jährigen Farnoush ein Logo aus der Rubrik<br />

Musik: „3p – mehr bass“ ist das Symbol des Frankfurter Musik-Labels 3P „Pelham<br />

Power Productions“. Sie mag deren Rap-Musik. Auf das Logo wird sie immer wieder<br />

angesprochen. Weil viele diese Rap-Musik nicht gut finden, sind das meistens<br />

negative Äußerungen wie „was, du hörst solche Musik?“. Das ist für Farnoush ein<br />

„kalkulierbares Risiko“, denn sie wird wegen ihres Musikgeschmacks oft „dumm<br />

angemacht“. Dass überhaupt ein entsprechendes Logo zur Verfügung steht, verdankt<br />

sie der offensiven Merchandising-Politik der Plattenfirma. Moses Pelham<br />

selbst berichtet im Interview (Seifert, 2000): „Wir haben [...] schon T-Shirts im<br />

Copy-Shop gemacht, als wir noch keine einzige Platte hatten. Und heute sind wir<br />

die einzigen deutschen Rapper, die es schaffen ein T-Shirt mit so einem abstrakten<br />

Logo wie „3p-mehr bass“ vorne drauf zu verkaufen.“<br />

4. Diskussion<br />

Handy-Klingeltöne und Handy-Logos sind der bislang ökonomisch wichtigste mobile<br />

Content. Dabei geht es zum einen um den direkten Vertrieb dieser digitalen Produkte,<br />

zum anderen aber auch um neue crossmediale Marketing-Strategien etwa in der Musikoder<br />

Comicbranche. Indem Handy-Nutzerinnen und -Nutzer ihre Endgeräte mit Klin-<br />

398


geltönen und Logos ausstatten, in denen sich ihre Interessen, Geschlechts- und Altersrollen<br />

oder andere Gruppenzugehörigkeiten widerspiegeln, eignen sie sich ihr Endgerät<br />

gestalterisch an, bekräftigen sie ihre Identität, pflegen sie soziale Beziehungen und strukturieren<br />

interpersonale Kommunikation als intra- oder intergruppale Begegnung mit<br />

entsprechender Anschluss-Kommunikation. Gleichzeitig sorgen sie auch dafür, dass<br />

Symbole der glokalisierten Populärkultur jenseits der Massenmedien-Rezeption in die<br />

Lebenswelten integriert werden: Da erklingt dann der Sound von „Dallas“ auf dem<br />

Schulhof oder sieht man das BWM-Logo auf dem Handy des Fahrgastes im Bus.<br />

Eine kommunikations<strong>wissenschaft</strong>liche Zuwendung zu dem hier in seinen vielfältigen<br />

Fassetten vorgestellten neuen Gegenstandsgebiet der Klingeltöne und Logos scheint lohnenswert,<br />

wobei sich das Konstrukt der Uni-Kommunikation als fruchtbar erwiesen hat.<br />

Zwar mögen Klingeltöne und Logos auf Seiten der Nutzer teilweise ohne kommunikative<br />

Absicht verwendet und/oder von Außenstehenden als Botschaften ignoriert werden.<br />

Doch die vorliegende Pilotstudie belegt, dass viele Nutzer Klingeltöne und Logos<br />

offensichtlich in Übereinstimmung mit identitätsbezogenen Kategorien auswählen, dass<br />

sie sie gezielt anderen Menschen zeigen und dass Ohren- und Augenzeugen wiederum<br />

diese Botschaften beachten und auf sie reagieren. Insgesamt ist das bislang wenig rezipierte<br />

Konstrukt der Uni-Kommunikation elaborierungsbedürftig, sowohl was die<br />

theoretischen Bezüge zu verwandten Konstrukten betrifft (z. B. Selbstdarstellung, soziale<br />

Identifikation) als auch seine Operationalisierung.<br />

Auch wäre der bereits 1975 von Gary Gumpert geäußerten These nachzugehen, dass<br />

Uni-Kommunikation zunehmend an Bedeutung gewinnt. Dies scheint plausibel, wenn<br />

man in Rechnung stellt, dass durch Urbanisierung, Globalisierung und wachsende Mobilität<br />

Individuen häufiger vor anonymen Publika auftreten und beobachtbare Zeichen<br />

der sozialen Zugehörigkeit eine willkommene soziale Orientierungshilfe bieten dürften.<br />

Auch die Online-Kommunikation, bei der sich Individuen mit persönlichen Homepages<br />

an unterschiedliche (oft anonyme) Publika wenden und dabei zum Teil auf vorproduzierten<br />

Content zurückgreifen (Döring, 2001), ist im Zusammenhang mit Uni-<br />

Kommunikation zu sehen. Der Trend zur maßgeschneiderten Massenfertigung von Gebrauchsgegenständen<br />

(mass customization) und zu selbst gestaltbaren technischen Geräten,<br />

die körpernah getragen werden und den Charakter von Accessoires annehmen,<br />

vermehrt die Möglichkeiten zur Uni-Kommunikation. Vielversprechend scheint dabei<br />

nicht zuletzt eine genauere thematische Analyse und Kontrastierung von Objekten und<br />

Symbolen, die zur Uni-Kommunikation zur Verfügung stehen, und von Selbst-Aspekten,<br />

deren öffentliche Präsentation für Menschen relevant ist.<br />

Anhang<br />

Im Online-Fragebogen wurden vier Kurzskalen verwendet, um Determinanten der<br />

Häufigkeit von Klingelton- und Logo-Downloads zu operationalisieren. Die Skalen<br />

wurden über Summenscores ausgewertet, wobei alle selbstbeschreibenden Aussagen auf<br />

einer vierstufigen Ratingskala (stimmt gar nicht – wenig – ziemlich – völlig) zu beantworten<br />

waren. Die forschungsökonomisch notwendige Skalenkürze schlägt sich in teilweise<br />

geringen internen Konsistenzwerten (Cronbachs Alpha) nieder.<br />

Technik: Skala Handy-Gestaltung<br />

Klingelton α = .69; Logo α = .64<br />

Ein Klingelton [Logo] ist für mich wichtig, weil...<br />

Döring · Klingeltöne und Logos auf dem Handy<br />

399


M&K 50. Jahrgang 3/2002<br />

1. ... ich mein Handy damit selbst gestalten kann.<br />

2. ... ich Spaß daran habe, etwas Neues mit meinem Handy auszuprobieren.<br />

3. ... es praktisch zur Erkennung meines Handys ist.<br />

4. ... es sich schön anhört [es schön aussieht].<br />

5. ... es eine nette Spielerei ist.<br />

6. ... ich finde, dass es eine nützlich technische Option des Handys ist.<br />

Individuum: Skala Individualität<br />

α = .50<br />

1. Ich lege großen Wert darauf, mich von der Masse abzuheben (z. B. durch Mode, Musik,<br />

Handy).<br />

2. Ich habe meinen eigenen Stil (z. B. bei Mode, Musik, Handy).<br />

Individuum: Skala Uniformität<br />

α = .52<br />

1. Wenn etwas gerade im Trend ist, mache ich gerne mit (z. B. bei Mode, Musik, Handy).<br />

2. Ich habe in vielen Bereichen den gleichen Geschmack wie meine Freunde (z. B. bei<br />

Mode, Musik, Handy).<br />

Soziales Umfeld: Skala Klingelton- und Logo-Nutzung<br />

α = .83<br />

1. Viele meiner Freunde nutzen sehr häufig Klingeltöne oder Logos.<br />

2. Klingeltöne und Logos sind häufig Gesprächsthema in meinem Freundeskreis.<br />

3. Ich tausche oft Klingeltöne und Logos mit meinen Freunden.<br />

4. Meine Freunde finden Klingeltöne und Logos gut.<br />

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26.6.2001. http://www.taz.de/pt/2001/06/26/a0122.nf/text [6.6.2002]<br />

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Reihe „Klassiker der <strong>Kommunikations</strong>- und <strong>Medien</strong><strong>wissenschaft</strong><br />

heute“<br />

Mit der Entwicklung der <strong>Medien</strong> und ihrer sozialen, kulturellen und persönlichen Bedeutung<br />

verändern sich auch die Fragestellungen und Forschungsfelder der <strong>Medien</strong>- und<br />

<strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>. Es stellt sich somit auch die Frage nach der Gültigkeit und<br />

Brauchbarkeit ihrer Paradigmen und danach, was denn zu ihren gesicherten Beständen<br />

gehört. Adorno und Benjamin, Lippmann und McLuhan – was haben sie und andere<br />

„Klassiker“ der <strong>Medien</strong>- und <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong> heute noch zu sagen? Mit<br />

diesen Fragen beschäftigt sich in unregelmäßigen Abständen die Reihe „Klassiker der<br />

<strong>Kommunikations</strong>- und <strong>Medien</strong><strong>wissenschaft</strong> heute“, die von Gastherausgeber Friedrich<br />

Krotz betreut wird. Wenn diese Beiträge dafür hilfreich sind, dass sich die <strong>Medien</strong>- und<br />

<strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong> mit ihren Grundlagen erneut und auf kritische Weise befasst,<br />

so hat die Reihe ihren Zweck erfüllt. Abweichende Meinungen und begründete<br />

Stellungnahmen sind ebenso erwünscht wie Vorschläge dazu, welche AutorInnen denn<br />

heute überhaupt als „Klassiker“ angesehen werden können.<br />

Theodor W. Adorno:<br />

<strong>Medien</strong>kritik als Gesellschaftskritik<br />

Thomas Gebur<br />

LITERATUR<br />

Theodor W. Adorno hat keine <strong>Medien</strong>theorie im engeren Sinne entwickelt. In seinem<br />

umfangreichen Werk sind vielfältige kritische <strong>Medien</strong>analysen eingebettet in eine Theorie<br />

der Kulturindustrie, die eine zentrale Rolle in seiner Gesellschaftstheorie einnimmt.<br />

Im vorliegenden Aufsatz wird zunächst der Entstehungskontext von Adornos Denken<br />

skizziert, um seine spezifische kapitalismuskritische Perspektive auf den <strong>Medien</strong>verbund<br />

zu erhellen. Nach der Darstellung der gesellschaftlichen Funktion der Kulturindustrie im<br />

Spätkapitalismus werden die relevanten Einzelmomente erläutert: die spezifische Beschaffenheit<br />

kulturindustrieller Produkte einerseits und die Rolle des Publikums andererseits.<br />

Die Analyse der Wechselwirkung zwischen den Rezipienten und dem Angebot<br />

an Massenkommunikationsgütern soll die Kulturindustrie als einheitliches gesellschaftliches<br />

Integrationssystem erweisen, das in Adornos Interpretation in seiner Bedeutung<br />

über einen Komplex der <strong>Medien</strong>sozialisation hinausweist. Anmerkungen zu Adornos eigentümlicher<br />

Methodik, zu seiner Argumentationsweise und seinem Stil beleuchten in<br />

der Auseinandersetzung mit der gegen ihn vorgebrachten Kritik die Aktualität der Intention,<br />

Reichweite und Grenzen seines Ansatzes. Abschließend finden Adornos medienpädagogische<br />

Eingriffe und seine konzeptionellen Überlegungen zu einer kritischen<br />

Rezeptionsforschung Erwähnung.<br />

Keywords: Theodor W. Adorno, Kulturindustrie, Kapitalismuskritik, Gesellschaftstheorie,<br />

Kritische Theorie, <strong>Medien</strong>kapitalismus<br />

402


Gebur · Theodor W. Adorno<br />

Das Zentrum einer kritischen <strong>Medien</strong>theorie bilden nicht die <strong>Medien</strong>.<br />

(Oskar Negt)<br />

1. Einleitung: <strong>Medien</strong>theorie als Element kritischer Gesellschaftstheorie<br />

Die Kulturindustrie blüht. Das „Kauderwelsch schrankenloser Kommunikation“<br />

(Adorno 1942b: 307) in unzähligen Talk-, Game- und Quizshows, „big brother“, infotainment,<br />

die Massenhysterie um den Tod einer Prinzessin – dies sind nur einige Stichworte<br />

für die auffälligsten Auswüchse der Kulturindustrie. Um diese als Gegenstand der<br />

Wissenschaften ist es still geworden. Die Sozial<strong>wissenschaft</strong>en nehmen in kritischer Absicht<br />

kaum Notiz von kulturindustriellen Phänomenen. Dies verblüfft angesichts der<br />

Tatsache, dass eine Reihe ausgearbeiteter Analyse- und Deutungsmodelle insbesondere<br />

aus der Feder von Theodor W. Adorno vorliegt. Eine originäre <strong>Medien</strong>theorie hat er indes<br />

nicht vorgelegt. Seine <strong>Medien</strong>analysen stehen im größeren Zusammenhang der<br />

Theorie der Kulturindustrie, die ihrerseits in den Kontext seiner Gesellschaftstheorie zu<br />

stellen ist. Seine spezifische Perspektive auf die Massenmedien folgt der zentralen Fragestellung,<br />

die in die Gründungsakte Kritischer Theorie eingeschrieben ist: Inwiefern<br />

trägt das System der Kulturindustrie, worin der <strong>Medien</strong>verbund einen prominenten<br />

Platz einnimmt, als „sozialer Kitt“ (E. Fromm) dazu bei, dass die tragenden Widersprüche<br />

einer antagonistischen Gesellschaft nahezu ungebrochen fortbestehen? <strong>Medien</strong><br />

werden begriffen als Vermittlungsagenturen gesellschaftlicher Tendenzen – nicht nur<br />

technisch und funktional, sondern ihrerseits als interessierte Sozialisationsagenten, insofern<br />

sie eingebunden sind in die Logik der Waren- und Mehrwertproduktion. Kritische<br />

<strong>Kommunikations</strong>forschung hat daher „wesentlich jene Ideen, Initiativen, Verhaltensweisen<br />

zum Gegenstand, die entweder gar nicht oder in völlig verstellter Form in<br />

die <strong>Medien</strong> eindringen.“ (Negt 1973: IV) Dazu rechnen die gesellschaftlichen Produktionsverhältnisse,<br />

die Subjektivitäts- und Herrschaftsformen. Adornos Kritik der Massenmedien<br />

ist eingebettet in die grundsätzliche Kritik an der historischen Entwicklungstendenz<br />

der kapitalistischen Gesellschaft.<br />

Die Theorie der Kulturindustrie sollte von Anfang an eine ausschließlich medienzentrierte<br />

Perspektive überwinden und das „Nebeneinander von Kritikperspektiven, die jeweils<br />

nur einen Aspekt des Insgesamt von <strong>Medien</strong>produktion, <strong>Medien</strong>rezeption und<br />

<strong>Medien</strong>organisation behandeln“ (Müller-Doohm 2000: 73), in einen Ansatz überführen,<br />

dem das Wechselverhältnis von Medium, Inhalt und Rezeption unter Einschluss aller<br />

gesellschaftlichen Momente als konstitutiv gilt. Produktions- und Distributionsformen,<br />

die Produktgestalt, die Reichweite der prinzipiell möglichen Rezeptionsformen, das<br />

Konsumentenbewusstsein sowie die gesellschaftliche Wirkungsweise dieses Gesamtkomplexes<br />

sind daher zugleich zu thematisieren. Für Adornos Analyse der Kulturindustrie<br />

stellt der fetischismuskritische Verdinglichungsansatz im Anschluss an die<br />

Marx’sche „Kritik der politischen Ökonomie“ den verbindlichen Orientierungspunkt<br />

dar. Seine <strong>Medien</strong>kritik ist als gesellschaftstheoretisches Element zu lesen, das seinen<br />

theoretischen Rechtsgrund in erster Linie den Kategorien des Tausches, der Verdinglichung<br />

und der Fetischisierung verdankt, die allein im Zusammenhang einer Kritik der<br />

kapitalistischen Vergesellschaftung ihr Potenzial entfalten, worin die Aktualität der<br />

Theorie der Kulturindustrie begründet liegt; denn die Kulturindustrie ist „aus der Verwertungstendenz<br />

des Kapitals hervor[gegangen]. Sie hat sich unter dem Marktgesetz<br />

entwickelt, dem Zwang, ihren Konsumenten sich anzupassen, ist dann aber umgeschlagen<br />

zu der Instanz, welche Bewußtsein in seinen bestehenden Formen, dem geistigen<br />

status quo, fixiert und verstärkt.“ (Adorno 1965: 17f.)<br />

403


M&K 50. Jahrgang 3/2002<br />

2. Zum Entstehungskontext von Adornos Ansatz<br />

Die Arbeiten des Instituts für Sozialforschung seit den 30er Jahren sind allein vor dem<br />

Hintergrund ihres politischen und theoretischen Entstehungskontextes zu begreifen.<br />

Folgende gesellschaftspolitischen und sozialstrukturellen Entwicklungen sind zu nennen,<br />

die zu einer konzeptionellen Neuausrichtung der Gesellschaftstheorie in Richtung<br />

auf eine „Theorie des historischen Verlaufs der gegenwärtigen Epoche“ (Horkheimer<br />

1932: 38) führten: 1. Die sozialen und politischen Entwicklungen in der Sowjetunion,<br />

ihre Stalinisierung und die Rolle der Kommunistischen Parteien in Europa. 2. Das Scheitern<br />

der Revolution in Deutschland und die Entwicklung der Sozialdemokratie. 3. Die<br />

Spaltung der Arbeiterbewegung und ihre Niederlage im Kampf gegen den Faschismus.<br />

4. Die Errichtung autoritärer Gesellschaftssysteme in Europa mit einer erstaunlichen<br />

Loyalität seitens der Bevölkerungen. 5. Die Ausbreitung neuer Massenmedien und deren<br />

Instrumentalisierung durch autoritäre Staaten und kommerzielle Industrien. 6. Hinzu<br />

kommt in theoretischer Hinsicht die Krise marxistischen Denkens. Auf diese Lage<br />

reagierte der Horkheimer-Kreis. Erklärungsbedürftig war der Widerspruch zwischen<br />

dem mit der Weltwirtschaftskrise Ende der zwanziger Jahre evidenten Anwachsen gesellschaftlicher<br />

Antagonismen und der konformistischen Verarbeitung gesellschaftlicher<br />

Realität seitens der Subjekte. 1 Eine interdisziplinär angelegte, materialistische Sozial<strong>wissenschaft</strong><br />

sollte beitragen zur Beantwortung der „Frage nach dem Zusammenhang<br />

zwischen dem wirtschaftlichen Leben der Gesellschaft, der psychischen Entwicklung<br />

der Individuen und den Veränderungen auf den Kulturgebieten im engeren Sinn,<br />

zu denen nicht nur die sogenannten geistigen Gehalte der Wissenschaft, Kunst und Religion<br />

gehören, sondern auch Recht, Sitte, Mode, öffentliche Meinung, Sport, Vergnügungsweisen,<br />

Lebensstil usf.“ (Horkheimer 1931: 32) Am Institut sollte eine Vermittlungstheorie,<br />

die zugleich eine Theorie der Alltags- und Populärkultur ist, entwickelt<br />

werden, um aufzuzeigen, wie sich gesellschaftliche Verhältnisse in kulturellen Phänomenen<br />

ausdrücken und wie sich jene Verhältnisse mittels dieser Phänomene reproduzieren.<br />

Es ist das Konzept der Verknüpfung von ökonomischer Basis der Gesellschaft,<br />

libidinöser Struktur der Individuen und kulturellen Faktoren, das die Kritische<br />

Theorie als einzigartig unter materialistischen Gesellschaftstheorien hervorhebt; damit<br />

wurde entgegen eines mechanistischen Basis-Überbau-Schemas die Kultursphäre in den<br />

Rang einer materiellen Gewalt gehoben: „Zeigt die dialektische Theorie an der Kultur<br />

als bloßem Epiphänomen sich desinteressiert, so trägt sie dazu bei, daß das kulturelle<br />

Unwesen fortwuchert, und wirkt mit an der Reproduktion des Schlechten.“ (Adorno<br />

1949: 22) Der den Untersuchungen des Instituts zugrundegelegte Kulturbegriff wurde<br />

gemäß der zentralen Fragestellung nach dem repressiven Charakter der Gesellschaft<br />

ausgedeutet. Die Konzentration auf die Stillstellung und Absorption politischer Widerstandspotenziale<br />

führte zu einer Theorieausrichtung, in der nahezu jeder Versuch einer<br />

Rekonstruktion der Bedingungen der Möglichkeit von Emanzipation ausgespart blieb:<br />

„Nicht das Gute, sondern das Schlechte ist Gegenstand der Theorie. Sie setzt die Reproduktion<br />

des Lebens in den je bestimmten Formen schon voraus. Ihr Element ist die<br />

1 „Horkheimer und sein Kreis hatten ja, anders als die orthodoxen Marxisten, ihre ganze Energie<br />

darauf verwandt, die Stabilität, die gesellschaftlichen Integrationsleistungen des entwickelten<br />

Kapitalismus zu erklären – nicht die Krisen, sondern das Ausbleiben von Krisen mit revolutionärem<br />

Ausgang.“ (Habermas 1985: 59)<br />

404


Gebur · Theodor W. Adorno<br />

Freiheit, ihr Thema die Unterdrückung.“ (Adorno/Horkheimer 1969, zitiert als DDA:<br />

249)<br />

Adorno hat sich in vielfältigen Arbeitszusammenhängen empirische wie theoretische<br />

Sachkenntnis erworben und dabei seine Thesen in direkter Auseinandersetzung mit den<br />

Materialien entwickelt. In diesem Zusammenhang sind u. a. sein Kompositionsstudium,<br />

seine Tätigkeit als Musikkritiker (Opern-, Konzert- und Aufführungskritiken) zu nennen<br />

sowie seine <strong>wissenschaft</strong>lichen Untersuchungen im Bereich der Musiksoziologie<br />

und -philosophie, wozu auch Kompositions- und Schlageranalysen rechnen. Er profitierte<br />

von den empirischen Studien am Institut für Sozialforschung sowie von der Propaganda-<br />

und Vorurteilsforschung. Einen wichtigen Abschnitt markiert seine Zeit als<br />

Leiter der Musikabteilung im „Princeton Radio Research Project“ unter P. Lazarsfeld.<br />

Zu erwähnen sind ferner seine Zusammenarbeit mit Hanns Eisler über Filmmusik, seine<br />

zahlreichen Verbindungen zu emigrierten europäischen Künstlern, die sich im Exil<br />

in Hollywood verdingen mussten, sowie seine Studien als <strong>wissenschaft</strong>licher Leiter der<br />

Hacker Foundation 1952/53 über die Astrologiespalten einer Zeitung und den Inhalt<br />

von Fernsehserien; in diesen Bereich gehören auch seine ästhetischen und literarischen<br />

Studien sowie zahlreiche Vorträge und Rundfunkbeiträge zur musikalischen Praxis im<br />

Nachkriegsdeutschland.<br />

3. Kulturindustrie als System gesellschaftlicher Integration<br />

Der Terminus Kulturindustrie bezeichnet in materieller Hinsicht den Ort der Verschränkung<br />

zweier Bereiche der gesellschaftlichen Reproduktion, der Produktion und<br />

Distribution bestimmter Güter sowie der Sphäre ihrer Konsumtion. Stefan Müller-<br />

Doohm hat dies auf folgende, prägnante Formel gebracht: „Als Kulturindustrie bezeichnet<br />

Adorno das globale und zugleich ausdifferenzierte Netzwerk der Kulturvermittlung<br />

in der gegenwärtigen Gesellschaft. Dazu gehören die auf den Status von Gütern<br />

heruntergebrachte Kultur selber, die Kulturgüter, die als Rohstoff von Produktionsapparaten<br />

vernutzt werden, die Verteilungsagenturen der Kulturwaren, der<br />

Kulturmarkt und der Kulturkonsum. Zum System der Kulturindustrie zählen sowohl<br />

die <strong>Medien</strong> der Massenkommunikation, Zeitungen, Zeitschriften, Rundfunk, Schallplatte,<br />

Film und Fernsehen als auch solche Institutionen der Kulturverbreitung wie das<br />

Theater, die Museen, Festivals, der Buchmarkt, aber auch die diversen Sparten des Sports<br />

und andere Einrichtungen des Hobby- und Unterhaltungswesens.“ (Müller-Doohm<br />

1996: 199f.) Im Hinblick auf die soziale Synthesis bezeichnet Kulturindustrie ferner eine<br />

gesellschaftliche Vermittlungsinstanz der dialektisch aufeinander bezogenen Bereiche<br />

von Arbeit und Freizeit mit den dazugehörigen Facetten der Bedürfnisgenese, der Rezeptionsgewohnheiten,<br />

des Standes der technischen Produktivkräfte, der gesellschaftlichen<br />

Ideologie und der Produktionsverhältnisse. 2 Kulturindustrie ist nach Adorno eine<br />

kapitalistische Erscheinung: „Nicht umsonst stammt das System der Kulturindustrie aus<br />

den liberaleren Industrieländern, wie denn alle ihre charakteristischen <strong>Medien</strong>, zumal<br />

2 Leo Löwenthal prägte für diesen Zusammenhang die „Kurzdefinition“ der Kulturindustrie als<br />

„umgekehrte Psychoanalyse“: „Gemeint waren damit jene Techniken, die darauf abzielen,<br />

Menschen im Zustand psychischer Abhängigkeit zu halten, neurotisches und sogar psychotisches<br />

Verhalten so zu fördern und zu festigen, daß es schließlich in der totalen Abhängigkeit<br />

von einem ‚Führer‘ oder von Institutionen oder Produkten kulminiert.“ (Löwenthal 1984: 61)<br />

405


M&K 50. Jahrgang 3/2002<br />

Kino, Radio, Jazz und Magazin, dort triumphieren. Ihr Fortschritt freilich entsprang<br />

den allgemeinen Gesetzen des Kapitals.“ (DDA: 157) Ihre Entwicklung hängt von gesellschaftsstrukturellen<br />

Bedingungen ab, die erst mit der fordistischen Gestalt des Spätkapitalismus<br />

gegeben waren: „Die Proletarier haben mehr zu verlieren als ihre Ketten.<br />

[...] Kürzere Arbeitszeit, bessere Nahrung, Wohnung und Kleidung, Schutz der Familienangehörigen<br />

und des eigenen Alters, durchschnittlich höhere Lebensdauer sind mit<br />

der Entwicklung der technischen Produktivkräfte den Arbeitern zugefallen.“ (Adorno<br />

1942a: 384) Die Kulturindustrie als entfaltete, wirkungsmächtige Gestalt ist jüngeren<br />

Datums als der Kapitalismus: „Amusement, alle Elemente der Kulturindustrie, hat es<br />

längst vor dieser gegeben. Jetzt werden sie von oben ergriffen und auf die Höhe der Zeit<br />

gebracht.“ (DDA: 160) An der Transposition der Kunst in die Konsumsphäre lässt sich<br />

ein Umschlag in den Konsumgewohnheiten und im Bedeutungsgehalt von Kulturwaren<br />

ablesen: „War das Amusementbedürfnis weithin von der Industrie hervorgebracht, [...]<br />

so ist dem Amusement immer schon das geschäftlich Angedrehte anzumerken, der sales<br />

talk, die Stimme des Marktschreiers vom Jahrmarkt. Die ursprüngliche Affinität aber<br />

von Geschäft und Amusement zeigt sich in dessen eigenem Sinn: der Apologie der<br />

Gesellschaft. Vergnügtsein heißt Einverstandensein.“ (ebd.: 170) In diesem Sinne ist<br />

Kulturindustrie „Mittel von Beherrschung und Integration“ (Adorno 1969b: 653). Der<br />

neuen Qualität wurde terminologisch Rechnung getragen, wie Adorno rückblickend in<br />

seinem Radiovortrag Résumé über Kulturindustrie festhielt: „In unseren Entwürfen [zur<br />

‚Dialektik der Aufklärung‘; d. Verf.] war von Massenkultur die Rede. Wir ersetzten den<br />

Ausdruck durch ‚Kulturindustrie‘, um von vornherein die Deutung auszuschalten, die<br />

den Anwälten der Sache genehm ist: daß es sich um etwas wie spontan aus den Massen<br />

selbst aufsteigende Kultur handele, um die gegenwärtige Gestalt von Volkskunst. Von<br />

einer solchen unterscheidet Kulturindustrie sich aufs äußerste. Sie fügt Altgewohntes zu<br />

einer neuen Qualität zusammen. In all ihren Sparten werden Produkte mehr oder minder<br />

planvoll hergestellt, die auf den Konsum durch Massen zugeschnitten sind und in<br />

weitem Maß diesen Konsum von sich aus bestimmen.“ (Adorno 1963a: 337)<br />

„Kulturindustrie“ visiert damit einen historischen Gestaltwandel des Kapitalismus im<br />

Hinblick auf die Sozialintegration. „Kritik an der Kulturindustrie“, erläutert Detlev<br />

Claussen, „bedeutete bei Horkheimer, Adorno, Löwenthal und Marcuse kritische Analyse<br />

des Warencharakters der Kultur, nicht die Verdammung des Kommerzes. Mit<br />

Kulturindustrie bezeichnen die Autoren den gesamten kulturindustriellen Produktionsund<br />

Distributionszusammenhang und liefern keine kulturkonservative Legitimation<br />

von Kunst gegenüber Massenkultur.“ Vielmehr wird „eine Gesellschaft im Übergang<br />

analysiert. Die Kulturindustrie nimmt einen zentralen Stellenwert bei dieser Transformation<br />

ein, weil die Formung des subjektiven Bewußtseins eine wesentliche Voraussetzung<br />

der neuen, der nachbürgerlichen Gesellschaft ist.“ (Claussen 1990: 139) Deren<br />

Etablierung lässt sich am inneren Widerspruch der Kultur festmachen, der für Adorno<br />

darin bestand, „daß sie ihr Versprechen von Humanität auf der Basis einer inhumanen,<br />

repressiven Gesellschaftsformation gibt – und schließlich selbst dementiert, wenn sie<br />

sich, als Kulturindustrie, ganz den Regeln der Warenproduktion unterwirft.“ (Schweppenhäuser<br />

1996: 12) In diesem Dementi steckt der Übergang zur „affirmativen Kultur“<br />

(H. Marcuse), die jenen Widerspruch kassiert. Deshalb versuchte Adorno, an der Kunst<br />

einen Maßstab (kultur)immanenter Kritik gegenüber der Kulturindustrie auszuweisen.<br />

406


Gebur · Theodor W. Adorno<br />

4. Die Produkte der Kulturindustrie<br />

Bei der Spezifizierung kulturindustrieller Produkte bezieht sich Adorno hauptsächlich<br />

auf zwei Momente: einerseits auf die Warenanalyse von Marx, auf die Unterscheidung<br />

von Gebrauchswert und Tauschwert sowie die Analyse des Fetischcharakters der Ware;<br />

andererseits auf eine kontrastierende Gegenüberstellung von Kulturwaren und authentischen<br />

Kunstwerken. Auf dieser Grundlage unterzieht Adorno die Produkte der Kulturindustrie<br />

der Kritik. Im bürgerlich-liberalen Zeitalter standen laut Adorno Kultur<br />

und Kunst noch ein für Emanzipation und Versprechen auf Glück. Den künstlerischen<br />

Gebilden eignete ein widerständig-utopischer Impuls. Dank ihrer relativen Autonomie<br />

vom Markt konnten sie ihre kritischen Potenziale entfalten, die gesellschaftliche Realität<br />

transzendieren. Der Wahrheitsgehalt der Kunst lebt von der Kraft zur Negativität, indem<br />

der Wirklichkeit die eigene Möglichkeit des Andersseins gespiegelt wird. Das authentische<br />

Kunstwerk ist geprägt von seiner unverwechselbaren Kompositionsstruktur:<br />

„Autonome Kunstwerke richten sich nach ihrer immanenten Gesetzlichkeit, nach dem,<br />

was sie als sinnvoll und stimmig organisiert.“ (Adorno 1967: 370) Diese Qualität kommt<br />

ihnen selbst zu, ist ihnen inhäriert. 3 Im Spätkapitalismus verändert sich mit der Etablierung<br />

des kulturindustriellen Sektors der Gehalt von Kultur. Die bürgerliche Kultur zerfällt<br />

in den gigantischen Bereich kulturindustrieller Produkte und in den im Verschwinden<br />

begriffenen Rest avancierter Kunstwerke, die einzig als sperrige, schwer zugängliche<br />

Avantgarde-Kunst den Nivellierungstendenzen zu widerstehen vermögen.<br />

Die kulturindustriellen Massenprodukte treten als demokratisierte Erben an die Stelle<br />

echter Kunstwerke. Im Gegensatz zu diesen tragen die Produkte des Kulturkonsums<br />

vorab Warencharakter; sie werden als Tauschwerte für den Markt produziert. Ihr Sinn<br />

besteht in Verkauf, Absatz und Massenerfolg, letztlich Profit: „Neu an der Kulturindustrie<br />

ist der unmittelbare und unverhüllte Primat der ihrerseits in ihren typischsten Produkten<br />

genau durchgerechneten Wirkung.“ (Adorno 1963a: 338) Deren Herstellung erfolgt<br />

technisch effizient und planvoll nach standardisierten Produktionsschemata. Es<br />

sind daher die technischen Produktionsbedingungen, die sie zwecks optimaler Kapitalverwertung<br />

zu nach einheitlichen Mustern geformten und normierten Konsumgütern<br />

machen: „Die Kulturwaren der Industrie richten sich [...] nach dem Prinzip ihrer Verwertung,<br />

nicht nach dem eigenen Gehalt und seiner stimmigen Gestaltung. Die gesamte<br />

Praxis der Kulturindustrie überträgt das Profitmotiv blank auf die geistigen Gebilde.“<br />

(ebd.) Adorno gibt daher zu bedenken, dass nicht die Technik als solche den Gehalt der<br />

Waren bestimmt: „Von Interessenten wird die Kulturindustrie gern technologisch erklärt.<br />

Die Teilnahme der Millionen an ihr erzwinge Reproduktionsverfahren, die es wiederum<br />

unabwendbar machten, daß an zahllosen Stellen gleiche Bedürfnisse mit Standardgütern<br />

beliefert werden. [...] Die Standards seien ursprünglich aus den Bedürfnissen<br />

3 Adornos Spezifizierung autonomer Kunstwerke ist als idealtypisch anzusehen. Er verwies stets<br />

auf deren Einbettung in gesellschaftliche Verhältnisse – „Die Autonomie der Kunstwerke, die<br />

freilich kaum je ganz rein herrschte und stets von Wirkungszusammenhängen durchsetzt war,<br />

wird von der Kulturindustrie tendenziell beseitigt, mit oder ohne den bewußten Willen der Verfügenden.“<br />

(Adorno 1963a: 338) – sowie auf ihre gesellschaftlichen Wundmale – „Die Reinheit<br />

der bürgerlichen Kunst [...] war von Anbeginn mit dem Ausschluß der Unterklasse erkauft“<br />

(DDA: 160), „denn die Allgemeinheit der Kunst trug immer Klassencharakter und war insofern<br />

partikular.“ (Adorno 1970: 306)<br />

407


M&K 50. Jahrgang 3/2002<br />

der Konsumenten hervorgegangen: daher würden sie so widerstandslos akzeptiert. In<br />

der Tat ist es der Zirkel aus Manipulation und rückwirkendem Bedürfnis, in dem die<br />

Einheit des Systems immer dichter zusammenschießt.“ (DDA: 145)<br />

Die kulturindustriellen Produkte sind auf ihre Wirkung auf dem Markt berechnet.<br />

Adorno spricht von der Präponderanz des Tauschwertes über den Gebrauchswert. Die<br />

Anpassung an Produktionslogik und Konsumentennachfrage bedroht die Kunst, die<br />

sich als reine Ware, als glattes Konsumgut aufgibt. Das kapitalistische Wertgesetz führt<br />

zur „Entkunstung der Kunst“ (Adorno 1970: 32): „Die gesellschaftliche und wirtschaftliche<br />

Gesamttendenz zerfrißt die materielle Basis der traditionellen Kultur liberalen<br />

oder individualistischen Stils.“ (Adorno 1960a: 134). Die kulturindustriellen Produkte<br />

zeichnen sich durch Oberflächlichkeit, schnelle Vergänglichkeit, Trivialität, Standardisierung<br />

und Verdoppelung der Realität aus. „Nur dem Namen nach ist der Begriff<br />

der Technik in der Kulturindustrie derselbe wie in den Kunstwerken. Der bezieht sich<br />

auf die Organisation der Sache in sich, ihre innere Logik. Die kulturindustrielle Technik<br />

dagegen, vorweg eine der Verbreitung und mechanischen Reproduktion, bleibt ihrer<br />

Sache darum immer zugleich äußerlich.“ (Adorno 1963a: 340) Auch Kunstwerke waren<br />

den Gesetzen des Marktes ausgesetzt und trugen insofern Warencharakter. Unter<br />

den Bedingungen universeller, kapitalistischer Warenproduktion vollzieht sich jedoch<br />

ein qualitativer Umschlag: „Geistige Gebilde kulturindustriellen Stils sind nicht länger<br />

auch Waren, sie sind es durch und durch.“ (Adorno 1963a: 338) Daher gilt für sie im Unterschied<br />

zu Kunstwerken: „Der einzige Maßstab der Prozedur ist die Forderung, die<br />

Konsumenten möglichst wirksam zu erreichen.“ (Adorno 1947: 12) Dies lässt sich mit<br />

der Bedeutungszunahme der Reklame am Funktionswandel und der damit einhergehenden<br />

Gestaltungsveränderung der Massenmedien aufweisen. Der Idee nach Informationsträger,<br />

verwandeln sich <strong>Medien</strong> zunehmend in Objekte der Werbewirtschaft. Dies<br />

gebietet die Herstellung eines „werbefreundlichen“ Umfelds: „Wenn also die <strong>Medien</strong><br />

vom Insertionsgeschäft profitieren wollen, müssen sie auch und gerade in dem Teil ihres<br />

Angebots, der nicht auf direkte Werbung abgestellt ist, bestrebt sein, Konformität<br />

und Akklamationsbereitschaft, und das heißt: Konsumentenverhalten zu produzieren.“<br />

(Heinze 1990: 164) Auch für das Fernsehen mit seinen standardisierten Unterhaltungssendungen,<br />

Krimis, Sitcoms, Seifenopern, Talkshows und Quiz-Spielen gilt, dass deren<br />

Machart einem außerhalb ihrer selbst liegenden Zweck folgt. Die Kommerzsender<br />

verdanken „ihr Bestehen einzig der Fähigkeit, Publikum anzuziehen, mithin dem Maß<br />

ihrer Attraktivität für die potentiellen Verbraucher von Waren und Dienstleistungen,<br />

deren Werbung (eine Industrie für sich) einen zentralen Bestandteil der Finanzierung<br />

dieser Sender ausmacht. Die ‚Niedrigkeit‘ dieser TV-Produktionen ist also strukturell in<br />

der (wesentlich kommerziellen) Logik, die der Sphäre ihrer Vermarktung und Verbreitung<br />

zugrunde liegt, verankert.“ (Zuckermann 2000: 101)<br />

5. Das Publikum der Kulturindustrie<br />

Beschaffenheit und Gehalt kulturindustrieller Produkte müssen Bezug nehmen auf die<br />

Verfasstheit des nachfragenden Publikums und dessen Bedürfnisse, Neigungen und Präferenzen.<br />

Auf der Seite des Subjekts erweisen sich Amusement, Zerstreuung und Unterhaltung<br />

als die Momente, wodurch Kulturindustrie die Konsumenten erreicht. Adorno<br />

betont die Legitimität dieser Konsumenteninteressen im Gegensatz zur Form ihrer<br />

Befriedigung, unterzieht aber deren scheinbare Harmlosigkeit einer schonungslosen<br />

Kritik, indem er deren gesellschaftliche Konstitution aufdeckt. Es ist ihm um die soziale<br />

Funktion des Amusements zu tun. Da kulturelle Aneignungspraxen bzw. der Kon-<br />

408


Gebur · Theodor W. Adorno<br />

sum kulturindustrieller Produkte überwiegend in den Bereich arbeitsfreier Zeit fallen,<br />

verweist Adorno auf die Dialektik von Arbeit und Freizeit: „Freizeit ist an ihren Gegensatz<br />

gekettet. Dieser Gegensatz [...] prägt ihr selbst wesentliche Züge ein.“ (Adorno<br />

1969b: 645) Die von Arbeit freie Zeit dient der Erholung, der Reproduktion der Arbeitskraft.<br />

Die Bedingungen der Arbeit schlagen sich im Freizeitverhalten nieder. Auch<br />

dabei bleibt der Mensch potenziell die Ware Arbeitskraft. Darauf zielt Kulturindustrie<br />

als Amüsierbetrieb ab. „Amusement ist die Verlängerung der Arbeit unterm Spätkapitalismus.<br />

Es wird von dem gesucht, der dem mechanisierten Arbeitsprozeß ausweichen<br />

will, um ihm von neuem gewachsen zu sein.“ (DDA: 162) Um zu verdeutlichen, dass das<br />

Bedürfnis nach Zerstreuung ein mit dem Arbeitsprozess vermitteltes ist, unterscheidet<br />

Adorno zwischen „reine[m] Amusement, entspannte[m] sich Überlassen an bunte Assoziation<br />

und glücklichen Unsinn“ und dem „gängigen Amusement“ (ebd.: 168), das jenes<br />

ersetzt. Die partiell fremdbestimmte Bedürfnisstruktur hat Auswirkungen auf das<br />

konsumtive Rezeptionsverhalten: „Dem Arbeitsvorgang in Fabrik und Büro ist auszuweichen<br />

nur in der Angleichung an ihn in der Muße. Daran krankt unmittelbar alles<br />

Amusement. Das Vergnügen erstarrt zur Langeweile, weil es, um Vergnügen zu bleiben,<br />

nicht wieder Anstrengung kosten soll und daher streng in den ausgefahrenen Assoziationsgleisen<br />

sich bewegt. Der Zuschauer soll keiner eigenen Gedanken bedürfen: das Produkt<br />

zeichnet jede Reaktion vor: nicht durch seinen sachlichen Zusammenhang – dieser<br />

zerfällt, sobald er Denken beansprucht – sondern durch Signale.“ (ebd.: 162) Der eingespielte<br />

Lacher im Fernsehen stellt sicher, dass der Gag erkannt wird. Während das<br />

Kunstwerk eindringende Hingabe und intellektuelle Auseinandersetzung voraussetzt,<br />

sind die Produkte der Kulturindustrie vorab zugeschnitten auf die in der Arbeit verkümmerte<br />

Vorstellungskraft. Kunstwerke jedoch erheischen Erkenntniskriterien, nicht<br />

Geschmackskriterien: „Ein geistiges Gebilde erfahren heißt nicht es genießen, sondern<br />

es begreifen, und das heißt notwendig, es kritisch auffassen.“ (Adorno 1945: 356) Im<br />

strukturellen Zwang zu Zerstreuung und Erholung sieht Adorno „die ‚Massenbasis‘ der<br />

Massenkultur. Auf ihr erhebt sich die mächtige Vergnügungsindustrie, die immer neue<br />

Bedürfnisse produziert, befriedigt und reproduziert.“ (Adorno 1947: 11)<br />

Nach Adorno erklärt sich die Wirkungsmacht der Kulturindustrie dadurch, „daß die<br />

Gewalt der Kulturindustrie in ihrer Einheit mit dem erzeugten Bedürfnis liegt, nicht im<br />

einfachen Gegensatz zu ihm.“ (DDA: 162) Entgegen zahlreicher Formulierungen, die<br />

den Gedanken nahe legen, die Konsumenten seien passive und wehrlose Opfer, ist mit<br />

Adorno darauf hinzuweisen, dass die Rezipienten an ihrer eigenen Subordination performativ<br />

beteiligt sind. In seiner Einleitung in die Musiksoziologie wandte sich Adorno<br />

in der für ihn in der Nachkriegszeit typischen, vorsichtigeren Diktion gegen die Annahme,<br />

„die Hörer würden vergewaltigt und wären an sich, gleichwie in einem glücklichen<br />

musikalischen Naturstand, auch fürs andere ohne weiteres aufgeschlossen, wenn<br />

es das System nur an sie heranließe.“ Vielmehr galten ihm „die oktroyierten Standards“<br />

als solche, „welche im Bewußtsein der Hörer selbst sich ausgeformt haben oder wenigstens<br />

ihnen zur zweiten Natur wurden: der Hinweis der Manipulatoren auf die Manipulierten<br />

ist empirisch unwiderleglich. Das Unheil liegt nicht in einer ursprünglichen Erzeugung<br />

falschen Bewußtseins, sondern in seiner Fixierung.“ (Adorno 1968a: 401) Wo<br />

Adorno stärker auf Rezeptionsformen reflektiert, legt er zugleich Nachdruck auf den<br />

Gratifikationsaspekt der Kulturindustrie; der Konsument „wird zu dem angehalten,<br />

wohin er von selbst neigt, nämlich nicht das Gebilde als ein An Sich zu erfahren, dem er<br />

Aufmerksamkeit, Konzentration, Anstrengung und Verständnis schuldet, sondern als<br />

eine Gefälligkeit, die ihm erwiesen wird und die er danach einschätzen darf, daß sie ihm<br />

auch gefällig genug ist.“ (Adorno 1953a: 509)<br />

409


M&K 50. Jahrgang 3/2002<br />

Ein weiteres Moment der Adäquanz von Rezipientenbewusstsein und populärkulturellen<br />

Inhalten liegt nach Adorno in der sozialen Ohnmacht des Individuums: „Jene<br />

Schwäche des Ich, die es am Wollen verhindert, ist keine bloß psychologische Tatsache,<br />

liegt nicht einfach in den Individuen und ist nicht in ihnen zu korrigieren. Sie wird von<br />

der gesellschaftlichen Gesamtverfassung hervorgebracht und vervielfacht.“ (Adorno<br />

1963b: 343) Er führt den äußeren und inneren Konsumzwang auf den von Anna Freud<br />

als Identifikation mit dem Aggressor bezeichneten Abwehrmechanismus zurück: „Ichschwäche<br />

heute ist höchst realitätsgerecht: daher ihre bestürzende Gewalt.“ (ebd.) Die<br />

psychische Struktur ist die libidinös geronnene Reaktion auf die Übermacht der gesellschaftlichen<br />

Wirklichkeit. Vor diesem Hintergrund werden nach Adorno die Bedürfnisse<br />

von der Kulturindustrie nur in zweiter Instanz geschaffen oder präformiert: „Eher<br />

werden die Menschen ans Unvermeidliche fixiert als verändert. Vermutlich macht das<br />

Fernsehen sie nochmals zu dem, was sie ohnehin sind, nur noch mehr so, als sie es ohnehin<br />

sind.“ (Adorno 1953a: 508) Kulturindustrie greift auf gesellschaftlich ausgeformte<br />

Bedürfnisse zurück und exploitiert die Ich-Schwäche. Damit ist die Argumentationslogik<br />

bestimmt, wonach Adornos Theorie der Kulturindustrie als kommunikations<strong>wissenschaft</strong>liche<br />

Verstärkertheorie aufzufassen ist.<br />

6. Die Wechselwirkung zwischen der Kulturindustrie und ihren Konsumenten<br />

Manipulation ist Adorno zufolge das wesentliche Merkmal der Wirkungen des kulturindustriellen<br />

Apparates. Es handelt sich dabei in erster Linie nicht um gezielte Manipulationsabsichten,<br />

sondern um Effekte der gesellschaftlichen Struktur. Der Begriff der<br />

Herrschaft, auf den Adorno rekurriert, ist nicht personal gemünzt; er betont hinsichtlich<br />

der Wirkung des Fernsehens, dass „Verdummung, psychologische Verkrüppelung<br />

und ideologische Umnebelung“ gerade nicht „Sache des bösen Willens, vielleicht nicht<br />

einmal der Inkompetenz der Beteiligten“ geschuldet sind, „sondern vom objektiven Ungeist<br />

erzwungen“. (Adorno 1953b: 531) Vielmehr verbirgt sich Herrschaft in den gesellschaftlichen<br />

Verhältnissen als apersonale Reproduktionsstruktur: 4 „Die Ohnmacht<br />

der Arbeiter ist nicht bloß eine Finte der Herrschenden, sondern die logische Konsequenz<br />

der Industriegesellschaft.“ (DDA: 60) Der manipulative Effekt der Kulturindustrie<br />

ergibt sich aus zwei Momenten: Zum einen reduziert die umfassende Reichweite,<br />

die Totalität der Kulturindustrie das Individuum tendenziell auf ein Dasein als Konsument,<br />

da das Leben zur „Sphäre des Privaten und dann bloß noch des Konsums geworden<br />

[ist], die als Anhang des materiellen Produktionsprozesses, ohne Autonomie und<br />

ohne eigene Substanz, mitgeschleift wird.“ (Adorno 1951: 13) Zum anderen ist der triviale<br />

und oberflächliche Gehalt der Popularkultur Beweis dafür, dass die Konsumenten<br />

mit Nichtigkeiten abgespeist werden. Worin sich Produkte und Konsumenten entgegenkommen,<br />

ist die Unverbindlichkeit und Scheinhaftigkeit der Unterhaltungsobjekte:<br />

„Auch darin stimmen Hörer und Produkte zusammen: die Struktur, der sie nicht folgen<br />

können, wird ihnen gar nicht erst angeboten.“ (Adorno 1938: 37) Zugleich bewirkt<br />

schnelles Vergessen des banalen wie trivialen Inhalts, der der Dekonzentration Vorschub<br />

leistet, dass die in Form und Inhalt im Wesentlichen sich gleich bleibenden Produkte<br />

geradezu suchtartig konsumiert werden.<br />

4 Vgl. dazu Marx 1956 ff.: 822f.<br />

410


Gebur · Theodor W. Adorno<br />

Die vom Unterhaltungsapparat in Regie genommene Konsumentenkultur ist das warenförmige<br />

Produkt einer Branche; sie ist nicht den Lebensverhältnissen der Menschen<br />

als deren Originäres entsprungen, wie einige Varianten der Cultural Studies 5 unkritisch<br />

voraussetzen, wenn von ihnen „Konsum als Konstitutionsmerkmal kultureller Identität<br />

entdeckt“ (Winter 2000: 33) wird. Vielmehr handelt es sich um eine Form der Manipulation<br />

als Enteignung eigenständiger, kultureller Ausdrucksweisen, hinter der kein herrschaftlicher<br />

Beschluss steht, sondern die Logik der kapitalistischen Gesellschaft mit ihrer<br />

Tendenz, alles in Ware zu verwandeln. Daher „sind die Massen nicht das Primäre,<br />

sondern ein Sekundäres, Einkalkuliertes; Anhängsel der Maschinerie. Der Kunde ist<br />

nicht, wie die Kulturindustrie glauben machen möchte, König, nicht ihr Subjekt, sondern<br />

ihr Objekt.“ (Adorno 1963a: 337) Der Betrugsaspekt der Kulturindustrie zeigt sich<br />

nicht am einzelnen Produkt, sondern im „Angebot des immer Gleichen“ (Adorno 1938:<br />

39) als dem „Ausschluß des Neuen“ (DDA: 159). Die objektive Vielfalt der Waren erweist<br />

sich nur vordergründig als Dienst am Kunden. Adorno sieht darin vielmehr einen<br />

Schein von Konkurrenz und Auswahlmöglichkeit, da die Diversifizierung des Angebots<br />

nur dem genaueren Zugriff auf Nachfragepotenzial dient: „Emphatische Differenzierung<br />

wie die von A- und B-Filmen oder von Geschichten in Magazinen verschiedener<br />

Preislagen gehen nicht sowohl aus der Sache hervor, als daß sie der Klassifikation, Organisation<br />

und Erfassung der Konsumenten dienen.“ (DDA: 147) Die Freizeitangebote<br />

sind nach Standards vorab berechnet. „Für alle ist etwas vorgesehen, damit keiner ausweichen<br />

kann. [...] Jeder soll sich gleichsam spontan seinem vorweg durch Indizien bestimmten<br />

‚level‘ gemäß verhalten und nach der Kategorie des Massenprodukts greifen,<br />

die für seinen Typ fabriziert ist.“ (ebd.) Die Produktvielfalt täuscht darüber hinweg, dass<br />

die Totalität der Kulturindustrie in der „Reproduktion des Immergleichen“ (ebd.: 159)<br />

besteht, im Prinzip der Wiederholung. Die Konsumgüter präsentieren sich zwar stets als<br />

Neues, Überraschendes, doch ihre Strickmuster bleiben die gleichen. Die Produkte<br />

müssen sich in vertrauten Formen bewegen, um das Publikum nicht zu überfordern.<br />

„Nicht nur werden die Typen von Schlagern, Stars, Seifenopern zyklisch als starre Invarianten<br />

durchgehalten [...] als fertige Clichés [...]. Durchweg ist dem Film sogleich anzusehen,<br />

wie er ausgeht, wer belohnt, bestraft, vergessen wird, und vollends in der leichten<br />

Musik kann das präparierte Ohr nach den ersten Takten des Schlagers die Fortsetzung<br />

raten und fühlt sich glücklich, wenn es wirklich so eintrifft. An der durchschnittlichen<br />

Wortzahl der Short Story ist nicht zu rütteln. Selbst gags, Effekte und Witze sind<br />

kalkuliert wie ihr Gerüst.“ (ebd.: 149f)<br />

Verkümmerung der Kreativität und Erfahrungsverlust visiert Adorno als Effekte am<br />

Subjekt. Die Kategorie der Erfahrung selbst steht zur Disposition: <strong>Medien</strong>vermittelte<br />

Geschehnisse treten zunehmend an die Stelle des eigenen Erfahrungsfundus. „Die ganze<br />

Welt wird durch das Filter der Kulturindustrie geleitet.“ (ebd.: 150) Der immense Fernsehkonsum<br />

dient nicht nur dazu, „sinnleere Freizeit totzuschlagen“ (Adorno 1953a:<br />

513), er ist auch Indiz für die Ersatzfunktion der <strong>Medien</strong>, eine Unmittelbarkeit zwischenmenschlicher<br />

Beziehungen zu simulieren. In der Frühphase des Fernsehens in<br />

Deutschland merkte Adorno zur Wirkung jenes Mediums an: „Jene fatale ‚Nähe‘ des<br />

Fernsehens [...] befriedigt nicht nur eine Begierde, vor der nichts Geistiges bestehen darf,<br />

wenn es sich nicht in Besitz verwandelt, sondern vernebelt obendrein die reale Ent-<br />

5 Vgl. dazu kritisch: Gitlin 1999.<br />

411


M&K 50. Jahrgang 3/2002<br />

fremdung zwischen den Menschen und zwischen Menschen und Dingen. Sie wird zum<br />

Ersatz einer gesellschaftlichen Unmittelbarkeit, die den Menschen versagt ist. Sie verwechseln<br />

das ganz und gar Vermittelte, illusionär Geplante mit der Verbundenheit, nach<br />

der sie darben. Das verstärkt die Rückbildung: die Situation verdummt, auch wenn der<br />

Inhalt des Angeschauten nicht dümmer ist, als womit die Zwangskonsumenten sonst gefüttert<br />

werden.“ (ebd.: 511f) Adorno ist davon überzeugt, dass das Fernsehen „innerhalb<br />

der Psyche der Menschen unbewußt die Rolle eines Art Regulators der triebhaften<br />

Wünsche und Bedürfnisse übernommen hat. Diese vorderhand verblüffende These gewinnt<br />

Plausibilität, wenn man sich vergegenwärtigt, daß zunehmend Fernsehbilder produziert<br />

werden, die in sehr direkter und unmittelbarer Weise auf intrapsychische Erlebnisdimensionen,<br />

unbefriedigte Triebregungen der Rezipienten berechnet sind. [...] Innerhalb<br />

der <strong>Kommunikations</strong>forschung hat sich für diese Funktion der Massenmedien<br />

später der Begriff der ‚parasozialen Interaktion‘ eingebürgert: <strong>Medien</strong>produzenten und<br />

<strong>Medien</strong>rezipienten tun so, als ob zwischen ihnen eine ‚face-to-face‘-Kommunikation<br />

besteht, mit der empirisch nachgewiesenen Konsequenz, daß die fiktionale Fernsehsituation<br />

am Ende als realer wahrgenommen wird als die Realität selbst.“ (Müller-Doohm<br />

1996: 213) Simulation, Verdoppelung der Realität und Wiederholung machen nach<br />

Adorno die Signatur der Wirklichkeitskonstruktionen der Massenmedien aus: „Immerwährend<br />

betrügt die Kulturindustrie ihre Konsumenten um das, was sie immerwährend<br />

verspricht.“ (DDA: 165) Die Flucht vor der schlechten Realität endet in derselben, und<br />

genau darin liegt Adorno zufolge das Skandalon: „Escape wie elopement sind von vornherein<br />

dazu bestimmt, zum Ausgangspunkt zurückzuführen. Das Vergnügen befördert<br />

die Resignation, die sich in ihm vergessen will.“ (ebd.: 167) Das Bedürfnis, vom Alltag<br />

abzuschalten, gilt Adorno durchaus als legitim, nicht aber die Produkte zu seiner Befriedigung:<br />

„Nicht darum sind die escape-Filme so abscheulich, weil sie der ausgelaugten<br />

Existenz den Rücken kehren, sondern weil sie es nicht energisch genug tun, weil sie<br />

gerade so ausgelaugt sind, wie die Befriedigungen, die sie vortäuschen, zusammenfallen<br />

mit der Schmach der Realität, der Versagung.“ (Adorno 1951: 230)<br />

Adorno erblickte in den herrschaftsstabilisierenden Integrationsleistungen der Kulturindustrie<br />

ihr wesentliches Charakteristikum. Der von ihm beschworene Verblendungszusammenhang<br />

ergibt sich nicht allein aus der Form der Befriedigung des Amüsementbedürfnisses,<br />

sondern ebenso aus der Art, wie die soziale Wirklichkeit in den<br />

Massenmedien verhandelt wird. Er spricht in dieser Hinsicht von „Pseudorealismus“<br />

(Adorno 1953b: 522); die Massenmedien präsentieren Figuren als „Modelle, denen kaum<br />

je ein Lebendiger gleicht“. (Adorno 1951: 51) Bei aller Diversifizierung des Angebots<br />

„bleibt das Brot, mit dem Kulturindustrie die Menschen speist, der Stein der Stereotypie.“<br />

(DDA: 175) Dadurch wird der Schein der „Unabänderlichkeit der Verhältnisse erhärtet“<br />

(ebd.). Pseudoindividualismus, Star- und Persönlichkeitskult, „infantile Personalisierung<br />

der Politik“. (Adorno 1953b: 523) in den <strong>Medien</strong> tragen dazu bei, indem sie<br />

sich fixieren auf die „Matadore der Kulturindustrie, von denen zu reden wiederum eine<br />

Hauptbeschäftigung der Kulturindustrie ausmacht“ (Adorno 1969b: 646). Dies steht<br />

quer zur Komplexität gesellschaftlicher Strukturen. Das Problematische der Personalisierung<br />

liegt jedoch nicht einfach nur darin, dass sie objektivitätsverzerrend und darum<br />

sachlich falsch und unangemessen ist; sie birgt vielmehr ein Gefahrenpotenzial in sich,<br />

insofern sie bestimmte Muster der Realitätsverarbeitung aktualisieren kann, die Vorurteilsstrukturen<br />

Vorschub leisten und bedienen. Durch die oberflächliche Darstellung<br />

werden Probleme derart „verbogen, daß es sich so darstellt, als ob für alle diese Fragen<br />

Heilmittel parat wären, als ob die gute Großmutter oder der gütige Onkel nur aus der<br />

nächsten Tür herauszutreten brauchte, um eine zerfallene Ehe wieder in Ordnung zu<br />

412


Gebur · Theodor W. Adorno<br />

bringen. Hier haben wir sie: die grauenhafte Welt der Leitbilder eines ‚heilen Lebens‘,<br />

die erst den Menschen eine falsche Vorstellung geben von dem, was richtiges Leben ist,<br />

und die ihnen außerdem die Vorstellung geben, daß Widersprüche, die bis in das Urgestein<br />

unserer Gesellschaft hineinreichen, durch Beziehungen von Mensch zu Mensch<br />

und dadurch, daß alles nur auf den Menschen ankomme, zu heilen und zu lösen wären.“<br />

(Adorno 1963c: 59) Im Universum der Massenmedien, „das von der Furcht beherrscht<br />

ist, zu langweilen, und von der Bemühung, um jeden Preis unterhaltsam zu sein“, hebt<br />

auch Pierre Bourdieu in seiner Studie zum Fernsehen hervor, „muß die Politik als undankbares<br />

Thema erscheinen, das man zu den Hauptsendezeiten nach Möglichkeit meidet<br />

– ein wenig aufregendes, ja deprimierendes und schwer zu vermittelndes Schauspiel,<br />

das doch interessant gemacht werden soll. Daher die [...] Tendenz, den Kommentator<br />

und den recherchierenden Reporter durch den Spaßmacher zu ersetzen, Information,<br />

Analyse, vertiefte Diskussion, Expertenrunde, Reportage durch reine Unterhaltung,<br />

und insbesondere durch das bedeutungslose Geschwätz der Talkshows mit ihren immer<br />

wiederkehrenden und untereinander austauschbaren Teilnehmern.“ (Bourdieu 1998:<br />

131) Die massenmediale Wirklichkeitskonstruktion erstreckt sich längst nicht mehr nur<br />

auf die Form der Vermittlung derart, dass Ereignisse so inszeniert und konzipiert werden,<br />

dass sie sendegerecht in ein <strong>Medien</strong>format passen. Das <strong>Medien</strong>system wurde vielmehr<br />

„ein Instrument zur Schaffung von Wirklichkeit; aus dem Be-schreiben der sozialen<br />

Welt durch das Fernsehen wird ein Vor-schreiben. Das Fernsehen entscheidet zunehmend<br />

darüber, wer und was sozial und politisch existiert.“ (ebd.: 28)<br />

Die oberflächliche Darstellung von Inhalten und der verdinglichte Umgang mit ihnen<br />

korrespondieren nach Adorno im fortschreitenden Verfall der Bildung zur „universalen<br />

Halbbildung“ als der „Verwandlung aller geistigen Gehalte in Konsumgüter. Weder sind<br />

diese mehr verbindlich, noch auch nur eigentlich verstanden. Statt dessen informiert man<br />

sich über sie, um an der Kultur teilzuhaben.“ (Adorno 1960b: 575) Seinem Sinn nach<br />

Mittel der Erkenntnis, verkommt Bildung unter kulturindustriellen Bedingungen zu „akkumuliertem<br />

Bildungsmüll“ (Adorno 1963d: 182), zum Zierrat, von dem man sich Distinktionsgewinne<br />

verspricht: „Der auf Kulturgüter heruntergekommene Geist erheischt,<br />

daß diese selber essentiell nicht erfahren werden, sondern daß der Konsument<br />

mit ihnen Bescheid weiß, um sich als kultiviert zu legitimieren. Noch die feierliche Übertragung<br />

der Neunten Symphonie, groß aufgezogen, kommentiert und womöglich sich<br />

selber als historisches Ereignis deklarierend, bezweckt mehr, den Zuhörer über den Vorgang<br />

zu unterrichten, dem er beiwohnt, und über die Mächte, die ihn inszenieren, als ihn<br />

zur Teilnahme an der Sache selber zu bewegen. [...] Informiert wird über die Massenkultur<br />

selbst.“ (Adorno 1942b: 320) Adorno prognostizierte die jüngste Tendenz in<br />

Game- und Quizshows bereits Anfang der 40er Jahre: „Je mehr die Teilhabe an der Massenkultur<br />

in der informierten Verfügung über Kulturfakten sich erschöpft, um so mehr<br />

nähert der Betrieb dem Kontest, der Eignungs- und Leistungsprüfung sich an.“ (ebd.:<br />

324) 6<br />

6 Peter Moritz hält dazu fest: „Der Warencharakter der Präsentation tritt kraß hervor, die Bedeutung<br />

der sogenannten Allgemeinbildung schwindet zugunsten von Show, Glamour und Action,<br />

ohne daß sich am Grundprinzip der Vermittlung von Substanzlosigkeit irgend etwas änderte.<br />

[...] Das verlangte Kreuzworträtselwissen spiegelt nach Form, Funktion und Inhalt jenes<br />

unverbindliche Halbwissen, das sich gegenüber gewachsenen Beziehungen und Zusammenhängen<br />

als renitent erweist und sich selbst als Zweck erschöpft. Der Anspruch auf Bildung ist<br />

ihm so fremd wie die Fragen und Kandidaten fungibel sind.“ (Moritz 1998: 106f)<br />

413


M&K 50. Jahrgang 3/2002<br />

Adorno gilt die Kulturindustrie insgesamt als „anti-aufklärerisch“: „Sie verhindert die<br />

Bildung autonomer, selbständiger, bewußt urteilender und sich entscheidender Individuen.<br />

[...] Werden die Massen, zu Unrecht, von oben her als Massen geschmäht, so ist es<br />

nicht zum letzten die Kulturindustrie, die sie zu den Massen macht, die sie dann verachtet,<br />

und sie an der Emanzipation verhindert, zu der die Menschen selbst so reif wären,<br />

wie die produktiven Kräfte des Zeitalters sie erlaubten.“ (Adorno 1963a: 345)<br />

7. Zur Kritik an Adornos Theorie der Kulturindustrie – Einwände und Erwiderungen<br />

Es steht außer Frage, dass Adornos Theorie der Kulturindustrie, wie sie hier in ihrer historischen<br />

Gestalt dargelegt wurde, aktualisiert und auf den zeitgenössischen Begriff gebracht<br />

werden muss, denn gewiss referiert Adorno auf seine Zeitumstände. Dass der Ansatz<br />

theoretisch und empirisch „fortzusetzen“ (DDA: 196) ist – wie es am Ende des fragmentarischen<br />

Kapitels über Kulturindustrie in der ersten Fassung der Dialektik der Aufklärung<br />

von 1944 noch hieß –, versteht sich von selbst, will er nicht Gefahr laufen, der<br />

gesellschaftlichen Entwicklung dogmatisch gegenüberzutreten. Die Autoren der Dialektik<br />

der Aufklärung betonten in der Neuausgabe von 1969 selbst den historischen<br />

Charakter ihrer „Theorie, welche der Wahrheit einen Zeitkern zuspricht, anstatt sie als<br />

Unveränderliches der geschichtlichen Bewegung entgegenzusetzen.“ (DDA: 13) Die<br />

strukturellen Veränderungen und Ausdifferenzierungen des kulturindustriellen Apparates<br />

zwingen zur Arbeit an Mängeln und Einseitigkeiten seitens Adornos in thematischer<br />

wie methodischer Hinsicht, damit sich Theorie in kritischer Absicht auf der Höhe<br />

ihres Gegenstandes bewegt.<br />

Es gibt wesentlich fünf Motive der Kritik, die in der <strong>wissenschaft</strong>lichen Literatur gegen<br />

Adornos Kulturindustrietheorie vorgebracht werden:<br />

1. Häufig begegnet man dem Einwand, Adornos <strong>Medien</strong>wirkungsbefunde seien veraltet<br />

und überholt, weil sich die gesellschaftlichen Verhältnisse grundlegend geändert<br />

hätten.<br />

2. Die rigide Dichotomie zwischen authentischen Kunstwerken und den Produkten der<br />

Kulturindustrie wird beanstandet, weil diese Gegenüberstellung nicht zulasse, den<br />

Bereich zwischen den extremen Polen hinreichend zu erfassen. Adorno besitze weder<br />

eine Begrifflichkeit noch einen Qualitätsmaßstab für die Kulturgüter, die in ihrer<br />

Mittelstellung eine aufklärerische Wirkung zu entfalten vermögen. 7 In Musik, Film,<br />

Fernsehen und Rundfunk habe sich „ein aufklärungsorientierter, künstlerisch ambitionierter<br />

Bereich“ etabliert, der dem massenmedialen Sektor einen zumindest „ambivalenten<br />

Charakter“ verleihe, so dass nicht mehr von „umstandsloser Standardisierung<br />

und Manipulation“ gesprochen werden könne. (Erd 1989: 227f.) Die „Phänomene<br />

aufklärerischer Massenkultur“ (Große-Kracht 1991: 26) könnten dazu beitragen,<br />

den Massen einen Zugang zu Kunst, Kultur, Bildung und Wissen zu eröffnen.<br />

3. Adorno habe ferner „die relative Autonomie des Bewußtseins, die Fähigkeit zur Weigerung,<br />

Kritik und transformierenden Praxis“ unterschätzt, weswegen er relevante<br />

gesellschaftliche Auseinandersetzungen, „die bestehenden Kämpfe gegen den fortgeschrittenen<br />

Kapitalismus“ (Kellner 1982: 508) nicht erklären könne.<br />

7 Vgl. Kellner 1982: 508f, Große-Kracht 1991: 26f sowie Kausch 1988: 81.<br />

414


Gebur · Theodor W. Adorno<br />

4. Gängig ist die Unterstellung eines „elitär-avantgardistischen Grundzuges des Kulturindustriekonzeptes“<br />

(Große-Kracht 1991: 28) sowie einer „hochtrabend-arrogante[n]<br />

Haltung absoluter Verachtung“ (Kellner 1982: 511), die sich in der undifferenzierten<br />

Rede von perfekter Manipulation und totalem Verblendungszusammenhang<br />

zeige.<br />

5. Schließlich wird in Bezug auf Adornos methodisches Vorgehen moniert, dass er sich<br />

nahezu ausschließlich stimulusorientiert mit den Erzeugnissen der Kulturindustrie<br />

auseinander gesetzt und dabei den Rezeptionsprozess der Konsumentengruppen in<br />

ihrer jeweiligen Milieuspezifik vernachlässigt habe. 8 Schwer wiegt der Einwand, „daß<br />

unterschiedliche Individuen und soziale Gruppen auf die <strong>Medien</strong>botschaften mit unterschiedlichen<br />

Interpretationen und Reaktionen antworten.“ (Kellner 1982: 508)<br />

Seitens diverser Spielarten der Cultural Studies wird vorgebracht, dass die ideologiekritische<br />

Konzentration auf Produktgestalt und -gehalt zu kurz greife, da zwischen<br />

medialer Enkodierung und Dekodierung kein Determinationsverhältnis bestehe.<br />

Bei aller Berechtigung in der Sache bleibt zweifelhaft, ob diese Kritikpunkte tatsächlich<br />

auf Adornos Analysen zutreffen. Es gilt daher, dessen Intention genau zu beachten.<br />

Ad (1): Empirisch gerichteten Einwänden, die sich auf einzelne Aspekte beziehen,<br />

hielt Adorno prinzipielle Bedenken, v.a. der Messbarkeit, entgegen. Kulturindustrie entfaltet<br />

ihre Wirkungen als System, im <strong>Medien</strong>verbund. „Die Totalität, die alles Einzelne<br />

prägt, läßt sich an jedem Einzelnen diagnostizieren, aber aus keinem beweisen.“ (Adorno<br />

1952: 487) Die langfristigen, dynamischen Wirkungen sind den Rezipienten zum Teil<br />

unbewusst und verhindern direkte Befragungen. Inzwischen konnten alternative Gegengründungen<br />

innerhalb der Massenmedien der verschärften Durchsetzung und Geltung<br />

von Kapitalprinzipien nicht länger standhalten. Die Kapitalkonzentration auf dem<br />

<strong>Medien</strong>markt, Privatisierung, Deregulierung und Globalisierung der <strong>Medien</strong> sowie die<br />

Bedeutungszunahme der Reklame legen zwingend den Gedanken nahe, dass sich Kulturindustrie<br />

auf einer neuen Stufe der Technik unter verschärften Verwertungsbedingungen<br />

modernisiert hat. Zumal sich im digitalen Zeitalter des <strong>Medien</strong>kapitalismus das,<br />

was zu Adornos Zeit nur Tendenz war, heute als Realität vollendet: Die neuen <strong>Medien</strong><br />

führen die einzelnen Sparten zum System zusammen.<br />

Ad (2): Adorno hegte Zweifel an der massenhaften Verbreitung und Popularisierung<br />

von Kulturgütern. „Wie es in der Kunst keine Approximationswerte gibt; wie eine halbgute<br />

Aufführung eines musikalischen Werkes seinen Gehalt keineswegs zur Hälfte realisiert,<br />

sondern eine jegliche unsinnig ist außer der voll adäquaten, so steht es wohl um<br />

geistige Erfahrung insgesamt. Das Halbverstandene und Halberfahrene ist nicht die<br />

Vorstufe der Bildung, sondern ihr Todfeind.“ (Adorno 1959a: 111) Eine in Form und<br />

Inhalt unsachgemäße Vermittlung von Bildungsgütern verhindert den vorgeblichen<br />

Zweck. Hinsichtlich der Frage, ob Fernsehen das Publikum an die Werke der Kunst heranführe,<br />

bezweifelte Adorno, „daß es pädagogisch überhaupt einen Weg zum Wesentlichen<br />

dadurch gibt, daß man die Menschen zunächst aufs Unwesentliche konzentriert.<br />

Gerade diese Aufmerksamkeit, die sich an das Unwesentliche heftet, verfestigt sich, wird<br />

habituell und setzt sich dadurch der Erfahrung des Wesentlichen entgegen.“ (Adorno<br />

1968b: 567) Die Orientierung an Einschaltquoten zwingt zur Anpassung der Produkte<br />

an die Rezipientenschaft, an sachfremde Kategorien der Wirksamkeit. „Kenntnis von<br />

8 Vgl. Große-Kracht 1991: 28ff und Kausch 1988: 92-103.<br />

415


M&K 50. Jahrgang 3/2002<br />

Nebensachen, von biographischen Details, geschichtlichen Ereignissen und äußerlichen<br />

Assoziationen wird mit dem Gegenstand und seinem Gehalt verwechselt.“ (Adorno<br />

1963d: 164) Adorno galt das „Bestreben, Kunst Kunstfremden zu erschließen, ohne deren<br />

Bewußtsein zu verändern“, als „albern“ und „peinlich“ (ebd.: 163).<br />

Ad (3): Der Ausgangspunkt von Adornos Untersuchungen war tatsächlich einseitig<br />

ausgerichtet. Es war ihm weder darum zu tun, die Möglichkeit von Widerstand, Protest<br />

und sozialen Kämpfen aufzuweisen, noch war ihm die Frage zentral, wie mediale Aufklärung<br />

möglich sei. Ihm galt es schlicht als Skandalon, dass angesichts des objektiv<br />

Möglichen die schlechten Produkte überhaupt vorherrschen. Sich dabei zu beruhigen,<br />

dass Massenmedien auch politisch-emanzipatorische Wirkungen entfalten könnten,<br />

steht einer kritischen Wissenschaft Adorno zufolge nicht an. Dennoch ist zuzugestehen,<br />

dass Adornos Kulturindustrie- und <strong>Medien</strong>analysen fast ausschließlich auf die repressiven<br />

Momente abzielen und somit unvollständig bleiben, gegebenenfalls auch Potenziale<br />

verschenken, wenn nicht, wie es Adorno zeitweise selbst vorschwebte, „auch die positiven<br />

Aspekte der Massenkultur zur Sprache kommen“ (DDA: 22).<br />

Ad (4): Einer oberflächlichen Lektüre ist es zuzuschreiben, in Adornos Schriften Elitarismus<br />

und Arroganz auszumachen. Er ließ keinen Zweifel daran, dass das Publikum<br />

nicht verantwortlich gemacht wird für Bedingungen und Prozesse, denen es unterliegt.<br />

„Keinem Hörer ist es vorzuwerfen, wenn er, mit einem ihm Fremden in schiefer Situation<br />

konfrontiert, auf den Spuk gar nicht erst sich einläßt, sondern ihn in den Hintergrund<br />

der Wahrnehmung und des eigenen Bewußtseins relegiert.“ (Adorno 1963e: 380)<br />

Nicht der Rezipient, soweit er Objekt der Kulturindustrie ist, und seine Bedürfnisse<br />

werden kritisiert, sondern die gesellschaftliche Bestimmung des Bewusstseins dort, „wo<br />

es nur Reflex der Realität ist, die es trägt.“ (Adorno 1962a: 457) Zu seiner Hörertypologie<br />

in der Einleitung in die Musiksoziologie, die vielen als Beweis der Arroganz gilt,<br />

merkte Adorno an, „Mißdeutungen“ seines Entwurfs „mögen mit der Abwehr des Gesagten<br />

zusammenhängen“; er betonte, Absicht sei nicht, die „negativ beschriebenen<br />

Hörtypen zu schmähen. [...] Der herrschende Zustand, den die kritische Typologie visiert,<br />

ist nicht die Schuld derer, die so und nicht anders hören, und nicht einmal erst die<br />

des Systems der Kulturindustrie, das ihren geistigen Zustand befestigt, um ihn besser<br />

ausschlachten zu können, sondern gründet in gesellschaftlichen Tiefenschichten wie der<br />

Trennung geistiger und körperlicher Arbeit; der hoher und niedriger Kunst; später der<br />

sozialisierten Halbbildung; schließlich darin, daß ein richtiges Bewußtsein in einer<br />

falschen Welt nicht möglich ist und daß auch die gesellschaftlichen Reaktionsweisen auf<br />

Musik im Bann des falschen Bewußtseins stehen.“ (Adorno 1968a: 197) Doch Adornos<br />

eigentümliche Darstellungsweise, sein Stil der Übertreibung, mag zu Missverständnissen<br />

beigetragen haben. Er räumte ein: „Ich habe das Düstere übertrieben, der Maxime<br />

folgend, daß heute überhaupt nur Übertreibung das Medium von Wahrheit sein kann.“<br />

(Adorno 1959b: 567) Adornos durchaus problematische totalisierenden Formulierungen<br />

sind nicht wörtlich als „monolithische Aussagen“ (Große-Kracht 1991: 28) zu verstehen.<br />

Unter bestimmten historischen Umständen mag die ‚Veritas in extremis‘-These<br />

– „Erkenntnis ist, und keineswegs per accidens, Übertreibung.“ (Adorno 1969a: 319) –<br />

legitim sein. Ob dies heute noch zu unterstellen ist, mag bezweifelt werden. „Gemessen<br />

am Zustand jetzt und hier ist die Behauptung von der Universalität der Halbbildung undifferenziert<br />

und übertrieben.“ (Adorno 1959a: 102) Es kommt daher darauf an, sich des<br />

systematischen Gehalts von Adornos Schriften zu versichern. Er will „eine Tendenz<br />

konstruieren, die Physiognomik eines Geistes entwerfen, der auch dann die Signatur des<br />

Zeitalters bestimmt, wenn sein Geltungsbereich quantitativ und qualitativ noch so sehr<br />

einzuschränken wäre.“ (ebd.: 102) Die Übertreibung ist nur einzugestehen „im Sinne des<br />

416


Gebur · Theodor W. Adorno<br />

Wesentlichen und Typischen, das in seiner Reinheit den Grenzbegriff einer realen Tendenz<br />

angibt.“ (Schiller 1995: 217) 9<br />

Ad (5): Sichere Erkenntnisse versprach sich Adorno in erster Linie von einer werkimmanent-qualitativen<br />

Analyse: „Wie in der Ästhetik gehe ich auch in der Soziologie<br />

gerade nicht von der Wirkung, sondern von dem wirkenden Gebilde, insgesamt von der<br />

Produktionssphäre aus.“ (Adorno 1977: 813) Dem Gehalt der Produkte und Werke galt<br />

der Vorzug vor einer subjektorientierten Rezeptions- und Wirkungsforschung. Zumeist<br />

stimulusorientiert suchte Adorno, „die ‚erwarteten‘ Wirkungen, nicht die realen Einstellungsänderungen<br />

bei den Rezipienten zu erforschen“. (Kausch 1988: 62) So heißt es<br />

in seiner Studie Aberglaube aus zweiter Hand: „Die Wirkung der astrologischen Spalte<br />

auf die tatsächliche und psychische Verfassung der Leser ist nur hypothetisch zu unterstellen.“<br />

(Adorno 1962b: 151) Adorno äußerte gewichtige Bedenken dagegen, den Rezeptionsprozess<br />

und seine Wirkungen über quantitative Methoden, über direkte Befragung<br />

zu entschlüsseln. „Das verbietet das Verbalisierungsproblem ebenso wie die affektive<br />

Besetzung jener Komplexe.“ (Adorno 1968a: 176) Denn die Rezeption populärkultureller<br />

Erzeugnisse ist gesellschaftlich präformiert und korrespondiert mit<br />

unbewussten, psychischen Tiefenprozessen. „Vorbewußte oder unbewußte Wirkungen<br />

entziehen sich der unmittelbaren sprachlichen Kundgabe durch die Befragten.“ (Adorno<br />

1953a: 512) Die ‚administrative <strong>Kommunikations</strong>forschung‘ (P. Lazarsfeld), insbesondere<br />

die <strong>Medien</strong>wirkungsforschung als kommerzielle Auftrags- und Verwertungsforschung,<br />

gibt lediglich Aufschluss darüber, wie die Rezipienten sich selbst sehen, über<br />

das bereits geronnene Bewusstsein, nicht seine Konstitution. Doch zeigte sich Adorno<br />

nach 1945 offener für eine rezeptionsorientierte Forschungslogik und äußerte Zweifel<br />

an der These, wonach Kulturindustrie das Bewusstsein und Unbewusstsein völlig beherrsche<br />

und kontrolliere, „ob die Gleichung von Kulturindustrie und Konsumentenbewußtsein<br />

aufgehe.“ (Adorno 1969b: 653) Er revidierte partiell seine kruden Totalaussagen:<br />

„Man darf annehmen, daß das Bewußtsein der Konsumenten selbst gespalten ist<br />

zwischen dem vorschriftsmäßigen Spaß, den ihnen die Kulturindustrie verabreicht, und<br />

einem nicht einmal sehr verborgenen Zweifel an ihren Segnungen. Der Satz, die Welt<br />

wolle betrogen sein, ist wahrer geworden, als wohl je damit gemeint war. Nicht nur fallen<br />

die Menschen, wie man so sagt, auf den Schwindel herein, wenn er ihnen sei’s noch<br />

so flüchtige Gratifikationen gewährt; sie wollen bereits einen Betrug, den sie selbst<br />

durchschauen.“ (Adorno 1963a: 342) Es kommt auf den Gehalt von Kulturgütern weniger<br />

an als darauf, „daß überhaupt irgendetwas da sei, was das Vakuum des expropriierten<br />

Bewußtseins ausfüllt.“ (Adorno 1949: 24) Auf der Grundlage einer nicht abgeschlossenen,<br />

empirischen Studie korrigierte Adorno die These vom vollständigen Manipulationscharakter<br />

der Kulturindustrie und sprach von „Symptomen eines gedoppelten<br />

Bewußtseins“ seitens des Publikums. Es sollte die Wirkung untersucht werden, die die<br />

in den <strong>Medien</strong> inszenierte Hochzeit des deutschen Jungdiplomaten Claus von Amberg<br />

mit der niederländischen Prinzessin Beatrix auf das Publikum ausübte. Adorno stellte<br />

dabei fest, dass viele „plötzlich sich ganz realistisch verhielten und die politische und gesellschaftliche<br />

Wichtigkeit desselben Ereignisses, das sie in seiner wohlpublizierten Einmaligkeit<br />

atemlos am Fernsehschirm bestaunt hatten, kritisch einschätzten. Was also die<br />

Kulturindustrie den Menschen in ihrer Freizeit vorsetzt, das wird [...] zwar konsumiert<br />

und akzeptiert, aber mit einer Art von Vorbehalt [...]: es wird nicht ganz daran geglaubt.<br />

9 Vgl. ferner Adorno 1951: 144; Adorno 1959a: 101; Adorno 1961: 577.<br />

417


M&K 50. Jahrgang 3/2002<br />

Die Integration von Bewußtsein und Freiheit ist offenbar doch nicht ganz gelungen. Die<br />

realen Interessen der Einzelnen sind immer noch stark genug, um, in Grenzen, der totalen<br />

Erfassung zu widerstehen. Das würde zusammenstimmen mit der gesellschaftlichen<br />

Prognose, daß eine Gesellschaft, deren tragende Widersprüche ungemindert fortbestehen,<br />

auch im Bewußtsein nicht total integriert werden kann.“ Adorno sah genau<br />

darin eine „Chance von Mündigkeit“, „die schließlich einmal zu ihrem Teil helfen könnte,<br />

daß Freizeit in Freiheit umspringt.“ (Adorno 1969b: 654f)<br />

8. Adornos rezeptionstheoretische und medienpädagogische Überlegungen<br />

Derartige Korrekturen finden sich v. a. in Adornos Nachkriegsschriften. Erst in den späteren<br />

Jahren erkannte er „neben dem ästhetisch zugänglichen Stimulus-Response-Zusammenhang<br />

auch einen soziologisch zu untersuchenden Response-Stimulus-Zusammenhang“<br />

(Kausch 1988: 94) an. In den 30er Jahren zeigte sich Adorno gegenüber letzterem<br />

noch ganz ablehnend, da „der Fetischcharakter der Musik durch Identifikation<br />

der Hörer mit den Fetischen seine eigene Verdeckung“ (Adorno 1938: 36) produziert.<br />

„Die unbewußten Reaktionen der Hörer sind so dicht abgeblendet, ihre unbewußte Rechenschaft<br />

orientiert sich so ausschließlich an den herrschenden Fetischkategorien, daß<br />

jede Antwort, die man erhält, vorweg mit der Oberfläche jenes Musikbetriebs konformiert<br />

[...]. Schon wenn man einem Hörer jene primitive Frage nach Gefallen oder<br />

Mißfallen vorlegt, kommt der gesamte Mechanismus wirksam ins Spiel, von dem man<br />

meint, er könne durch die Reduktion auf diese Frage transparent gemacht und eliminiert<br />

werden.“ (ebd.: 32f) Adorno beschränkte sich zunächst auf die materiale Analyse von<br />

<strong>Medien</strong>inhalten und schloss von deren Ergebnissen auf mögliche Rezeptionsmuster. Es<br />

ist zwar zu erwarten, „daß Flachheit und Oberflächlichkeit eines Materials, das von<br />

vornherein darauf angelegt ist, im Zustand der Zerstreuung wahrgenommen zu werden,<br />

verhältnismäßig flache und oberflächliche Reaktionen erwarten läßt“ (Adorno 1969c:<br />

718), doch „der Manipulation sind Grenzen gesetzt.“ Adorno überzeugte sich daher von<br />

der Notwendigkeit der Rezeptionsforschung: „Es ist eine offene, tatsächlich nur empirisch<br />

zu beantwortende Frage, ob, wie weit, in welchen Dimensionen die in musikalischer<br />

content analysis aufgedeckten gesellschaftlichen Implikationen von den Hörern<br />

auch aufgefaßt werden, und wie sie darauf reagieren. Naiv wäre es, wollte man ohne weiteres<br />

eine Äquivalenz zwischen den gesellschaftlichen Implikationen der Reize und der<br />

‚responses‘ unterstellen. Nicht weniger naiv allerdings, beides so lange als unabhängig<br />

voneinander zu betrachten, wie ausgeführte Forschungen über die Reaktionen nicht<br />

vorliegen.“ (ebd.) Jene müssten, da die Stimuli weitgehend auf das Unbewusste abzielen,<br />

psychoanalytisch angelegt sein und dürften sich nicht nur auf Geschmack, Vorlieben,<br />

Abneigungen und Gewohnheiten beziehen; Adornos Voraussetzung blieb die<br />

ästhetische, „daß Werke ein in sich objektiv Strukturiertes und Sinnvolles sind, das der<br />

Analyse sich öffnet und das in verschiedenen Graden der Richtigkeit wahrgenommen<br />

und erfahren werden kann.“ (Adorno 1968a: 180) So hielt er an der Verbindung von subjektiver<br />

Rezeptionsforschung mit objektiv gerichteter Analyse fest, da die Inadäquanz<br />

von ästhetischem Gegenstand und Rezeption keine Frage von likes und dislikes ist.<br />

Adorno kontrastierte scharf die <strong>Medien</strong>praxis mit der ästhetischen Forderung der Werke<br />

und bezog dabei zugunsten der Rezipienten einen strikt gebrauchswertorientierten<br />

Standpunkt gegenüber den <strong>Medien</strong>. „In der bisherigen Praxis ist die Wirkung auf den<br />

Zuschauer geplant und die Sache planlos. Das Verhältnis ist umzukehren: die Sache ist<br />

ohne Blinzeln auf die Wirkung zu planen, dann widerfährt dem Publikum sein Recht.“<br />

(Adorno 1947: 132) An eine Wissenschaft, die eine derartige <strong>Medien</strong>kritik leisten und<br />

418


Gebur · Theodor W. Adorno<br />

das Recht des Publikums einklagen kann, sind keine geringen Forderungen gestellt:<br />

„Eine Musiksoziologie, in der Musik mehr bedeutet als Zigaretten oder Seife in Markterhebungen,<br />

bedarf nicht nur des Bewußtseins von der Gesellschaft und ihrer Struktur,<br />

nicht nur auch bloß der informatorischen Kenntnis musikalischer Phänomene, sondern<br />

des vollen Verständnisses von Musik selbst in allen Implikationen.“ (Adorno 1968a: 177)<br />

Deshalb kommt einer qualitativ-immanenten Inhaltsanalyse sowie der Produktionsund<br />

Distributionsanalyse weiterhin eminente Bedeutung zu – auch dann, wenn der Produktgehalt<br />

nur wenig aussagt über die Rezeption; dieser legt – bei noch so großer Fähigkeit<br />

der Dekodierung seitens einer ‚active audience‘ – doch so etwas wie einen Grenzwert,<br />

die Limitierung des Gebrauchswerts, fest. Damit lassen sich „Hypothesen zum<br />

kulturindustriellen Leistungspotential formulieren. Diese Hypothesen sind Antworten<br />

auf die Frage: Was können die Massenmedien für die Rezipienten leisten?“ (Kausch<br />

1988: 217) 10<br />

Anstrengungen muss sich auch der Rezipient gefallen lassen, und zwar schon „bei der<br />

Frage, ob das Publikum überhaupt Richtiges wollen kann. Dazu müßte es gebracht werden,<br />

durch sich selbst und gegen sich selbst zugleich.“ (Adorno 1963b: 346) Adorno hielt<br />

es prinzipiell für möglich, die Resistenzkraft des Individuums zu stärken: „Anzuknüpfen<br />

wäre an das, was man in Amerika sale’s resistance nennt, den Widerwillen dagegen,<br />

sich übers Ohr hauen zu lassen, den Dummen zu spielen. Eine Schulklasse, der man einmal<br />

vorm Apparat vorgeführt hat, was so eine en suite sich produzierende Fernsehfamilie<br />

bedeutet, würde wohl weniger anfällig.“ (ebd.) Dennoch überraschen in den<br />

Schriften Adornos der theoretische Pessimismus und der praktische Optimismus, die<br />

sich nahezu unvermittelt gegenüberstehen. Jürgen Habermas hat diese Haltung Adornos<br />

in der Formel beschrieben, dass „er inkonsequent genug [war], als öffentlicher Intellektueller<br />

anders zu sprechen und zu handeln, als man es vom Theoretiker der ‚verwalteten<br />

Welt‘ erwartet hätte.“ Er hat sich „gegenüber dem größeren Publikum geradezu<br />

volkspädagogisch verhalten.“ (Habermas 1993: 65) Diese Zwiespältigkeit zeigt sich<br />

anschaulich in Adornos Verhältnis zu den <strong>Medien</strong>. Einerseits stellte er Film, Fernsehen<br />

und Rundfunk unter Manipulations- und Verblendungsverdacht und sprach ihnen fast<br />

jeglichen Erkenntniswert ab; andererseits hielt er eine begrenzte, immanente Reform<br />

von Kulturindustrie und <strong>Medien</strong> für möglich. Dieser Reformgedanke gewann bei Adorno<br />

v. a. im Nachkriegsdeutschland an Bedeutung, kaum im amerikanischen Exil. Dies<br />

dürfte damit zusammenhängen, dass die medienpädagogischen Reformvorschläge im<br />

öffentlich-rechtlichen Rundfunk eher praktikabel sind als in den so genannten privaten<br />

<strong>Medien</strong>. Entgegen zahlreicher Formulierungen, die eine Unausweichlichkeit des „universalen<br />

Verblendungszusammenhangs“ (Adorno 1966: 397) nahe legen, machte sich<br />

Adorno keineswegs spröde gegen praktische Maßnahmen pädagogischer Art: „Not<br />

wäre mit anderem die Emanzipation von jenen Mechanismen, die einzig die blind gesellschaftlich<br />

produzierte Dummheit in jedem einzelnen bewußt nochmals reproduzie-<br />

10 Michael Kausch hat Adornos Position bündig zusammengefasst: „Das Publikum hat also kein<br />

Recht auf dasjenige, was in der Annahme produziert wird, es würde ihm gefallen, sondern es<br />

hat ein Recht darauf, über Materialgerechtes zu entscheiden. [...] Das Recht des Publikums beginnt<br />

erst bei der Rezeption, bei der Entscheidung darüber, was es sehen und hören will, nicht<br />

schon bei der Produktion. Das ‚sachgerecht‘, nicht das ‚mundgerecht‘ Produzierte führt zu echter<br />

Kommunikation, d.h. zur Kontroverse, zur Beurteilung, zum Austausch darüber, was Erfolg<br />

und was Ablehnung verdient.“ (Kausch 1988: 209)<br />

419


M&K 50. Jahrgang 3/2002<br />

ren. Darum ist es dringlich, die heutige Ideologie, die in der Verdoppelung des Lebens<br />

durch alle Sparten der Kulturindustrie besteht, beim Namen zu nennen. Eine Impfung<br />

der Menschen gegen die ausgespitzte Idiotie, auf die jeder Film, jedes Fernsehprogramm,<br />

jede illustrierte Zeitung ausgehen, wäre selber ein Stück verändernder Praxis.“ (Adorno<br />

1953c: 455)<br />

Adornos <strong>Medien</strong>pädagogik, die Forderung nach Entwicklung von materialgerechten,<br />

medienspezifischen Produktions-, Reproduktions- und Vermittlungsformen, zielt zugleich<br />

auf das Publikum sowie auf die <strong>Medien</strong>schaffenden. In seinen Lehrschriften zur<br />

musikalischen Praxis etwa setzte sich Adorno – ausgehend von der „Kritik falschen musikalischen<br />

Bewußtseins, wie es falsches Hören zeitigt“ (Adorno 1963d: 159) – mit der<br />

Radiopraxis auseinander: „Versucht ist, aus der Einsicht in manche Nöte des gegenwärtigen<br />

Interpretierens wie der Rezeption fortzuschreiten zur Erkenntnis, wie neue Musik<br />

richtig zu hören und richtig darzustellen, wie die neuen technischen <strong>Medien</strong> richtig<br />

zu verwenden wären. Das geschieht nicht systematisch von oben her, sondern an den<br />

konkreten Schwierigkeiten, welche die Gegenstände bereiten, ähnlich vielleicht dem,<br />

was die zeitgenössische Pädagogik als exemplarisches Lernen diskutiert.“ (ebd.) In zahlreichen<br />

Rundfunksendungen sowie in Vorträgen etwa an der Frankfurter Hochschule<br />

für Musik ging es Adorno um die „sachgerechte Verwendung des wichtigsten musikalischen<br />

Massenmediums“ (ebd.: 162) mit der Intention, „die musikalische Verwendung<br />

des Radios um[zu]orientieren“. (Adorno 1963e: 381) Neben dem Aspekt der Vermittlungsformen,<br />

die in erster Linie der ästhetisch-künstlerischen Logik der Werke zu folgen<br />

haben, visierte er die programmpolitische Veränderung bzw. Erweiterung der <strong>Medien</strong>inhalte<br />

sowie die genannte ‚Impfung‘ der Rezipienten, damit den <strong>Medien</strong> nicht nur<br />

eine Unterhaltungs-, sondern in Grenzen auch eine Erziehungsfunktion eignet. Adornos<br />

Skepsis hielt sich jedoch darin durch, dass seine <strong>Medien</strong>pädagogik defensiv ausgerichtet<br />

war. „Adornos aktiver Rezipient ist der Abwehrspieler, der nicht gleich auf alles<br />

und jedes hereinfällt. Er braucht nicht zu hoffen, etwas Positives im massenkommunikativen<br />

Rezeptionsprozeß zu erfahren. Für ihn gibt es keinen Gewinn in der Massenkommunikation.<br />

Aber er kann das massenkommunikative Spiel auch nicht verlassen.<br />

Wenn er sich nur geschickt verhält, so kann er hoffen, mit halbwegs heiler Haut davonzukommen.“<br />

(Kausch 1988: 214)<br />

Vor dem Hintergrund der oben erläuterten, einschränkenden Bedenken hat diese<br />

Skepsis an Dringlichkeit nichts eingebüßt. Im <strong>Medien</strong>kapitalismus heute hat schließlich<br />

der Begriff Kulturindustrie seine – von den Autoren der Dialektik der Aufklärung beigelegte<br />

– ironische Konnotation aus den 40er Jahren verloren, als sich die Kapitalmagnate<br />

etwa in Hollywood in ihrer Größe noch sehr bescheiden ausgenommen hatten im<br />

Vergleich zu den damals „mächtigsten Sektoren der Industrie, Stahl, Petroleum, Elektrizität,<br />

Chemie“ (DDA: 147). Dass mittlerweile transnationale <strong>Medien</strong>konzerne zu den<br />

so genannten Global Players rechnen, zeigt an, unter welchen neuen Machtkonstellationen<br />

‚das massenkommunikative Spiel‘ heute vonstatten geht.<br />

Literatur<br />

Adorno, T. W., Gesammelte Schriften [=GS], herausgeg. v. R. Tiedemann, Bd.1–20, Frankf./M.,<br />

1970 – 1986.<br />

Adorno, T. W., 1938: Über den Fetischcharakter in der Musik und die Regression des Hörens, in:<br />

GS 14, S. 14-50.<br />

Adorno, T. W., 1942a: Reflexionen zur Klassentheorie, in: GS 8, S. 373 – 391.<br />

Adorno, T. W., 1942b: Das Schema der Massenkultur, in: GS 3, S. 299 – 335.<br />

Adorno, T. W., 1945: Fragen an die intellektuelle Emigration, in: GS 20.1, S. 352 – 359.<br />

420


Gebur · Theodor W. Adorno<br />

Adorno, T. W. [zus. mit H. Eisler], 1947: Komposition für den Film, in: GS 15, S. 7 – 155.<br />

Adorno, T. W., 1949: Kulturkritik und Gesellschaft, in: GS 10.1, S. 11 – 30.<br />

Adorno, T. W., 1951: Minima Moralia, in: GS 4.<br />

Adorno, T. W., 1952: Zur gegenwärtigen Stellung der empirischen Sozialforschung in Deutschland,<br />

in: GS 8, S. 478 – 493.<br />

Adorno, T. W., 1953a: Prolog zum Fernsehen, in: GS 10.2, S. 507 – 517.<br />

Adorno, T. W., 1953b: Fernsehen als Ideologie, in: GS 10.2, S. 518 – 532.<br />

Adorno, T. W., 1953c: Individuum und Organisation, in: GS 8, S. 440 – 456.<br />

Adorno, T. W., 1959a: Theorie der Halbbildung, in: GS 8, S. 93 – 121.<br />

Adorno, T. W., 1959b: Was bedeutet: Aufarbeitung der Vergangenheit, in: GS 10.2, S. 555 – 572.<br />

Adorno, T. W., 1960a: Kultur und Verwaltung, in: GS 8, S. 122 – 146.<br />

Adorno, T. W., 1960b: Einleitung zur „Theorie der Halbbildung“, in: GS 8, S. 574 – 577.<br />

Adorno, T. W., 1961: Meinung Wahn Gesellschaft, in: GS 10.2, S. 573 – 594.<br />

Adorno, T. W., 1962a: Eingriffe, in: GS 10.2, S. 455 – 594.<br />

Adorno, T. W., 1962b: Aberglaube aus zweiter Hand, in: GS 8, S. 147 – 176.<br />

Adorno, T. W., 1963a: Résumé über Kulturindustrie, in: GS 10.1, S. 337 – 345.<br />

Adorno, T. W., 1963b: Kann das Publikum wollen?, in: GS 20.1, S. 342 – 347.<br />

Adorno, T. W., 1963c: Fernsehen und Bildung, in: Ders., 1971: Erziehung zur Mündigkeit. Herausgeg.<br />

v. G. Kadelbach, Frankf./M., S. 50 – 69.<br />

Adorno, T. W., 1963d: Der getreue Korrepetitor. Lehrschriften zur musikalischen Praxis, in: GS<br />

15, S. 157 – 401.<br />

Adorno, T. W., 1963e: Über die musikalische Verwendung des Radios, in: GS 15, S. 369 – 401.<br />

Adorno, T. W., 1965: Gesellschaft, in: GS 8, S. 8 – 19.<br />

Adorno, T. W., 1966: Negative Dialektik, in: GS 6.<br />

Adorno, T. W., 1967: Thesen zur Kunstsoziologie, in: GS 10.1, S. 367 – 374.<br />

Adorno, T. W., 1968a: Einleitung in die Musiksoziologie, in: GS 14, S. 169 – 433.<br />

Adorno, T. W., 1968b: „Musik im Fernsehen ist Brimborium“, in: GS 19, S. 559 – 569.<br />

Adorno, T. W., 1969a: Einleitung zum Positivismusstreit in der deutschen Soziologie, in: GS 8,<br />

S. 280 – 353.<br />

Adorno, T. W., 1969b: Freizeit, in: GS 10.2, S. 645 – 655.<br />

Adorno, T. W., 1969c: Wissenschaftliche Erfahrungen in Amerika, in: GS 10.2, S. 702 – 738.<br />

Adorno, T. W., 1970: Ästhetische Theorie, in: GS 7.<br />

Adorno, T. W., 1977: Schlußwort zu einer Kontroverse über Kunstsoziologie, in: GS 10.2, S. 810 –<br />

815.<br />

Adorno, T. W./Horkheimer, Max, 1969 [1944, 1947]: Dialektik der Aufklärung. Philosophische<br />

Fragmente, in: HGS 5, S. 11-290. [zitiert als DDA]<br />

Bourdieu, Pierre, 1998: Über das Fernsehen, Frankf./M.<br />

Claussen Detlev, 1990: Fortzusetzen. Die Aktualität der Kulturindustriekritik Adornos, in: Hager/Pfütze<br />

(Hg.): Das unerhört Moderne. Berliner Adorno-Tagung, Lüneburg, S. 134 – 150.<br />

Erd, Rainer, 1989: Kulturgesellschaft oder Kulturindustrie? Anmerkungen zu einer falsch formulierten<br />

Alternative, in: Erd et al. (Hg.): Kritische Theorie und Kultur, Frankf./M., S. 216 –<br />

235.<br />

Gitlin, Todd, 1999: Opium fürs Akademikervolk? Der antipolitische Populismus der „Cultural<br />

Studies“, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, Heft 3/1999, 44. Jg., S. 344 – 353.<br />

Große-Kracht, Hermann-Josef, 1991: Das Prinzip des Immergleichen und die Verdoppelung der<br />

Realität. Zu Adornos Theorie der Kulturindustrie und ihrem heutigen Stellenwert. In: Communicatio<br />

Socialis, H. 1, Jg. 24, S. 12 – 41.<br />

Habermas, Jürgen, 1985: Kritische Theorie und Frankfurter Universität, in: Ders., 1987: Eine Art<br />

Schadensabwicklung, Frankf./M. S. 57 – 63.<br />

Habermas, Jürgen, 1993: Französische Blicke, französische Befürchtungen. In: Ders., 1995: Die<br />

Normalität einer Berliner Republik, Frankf./M. S. 65 – 73.<br />

Heinze, Thomas, 1990: <strong>Medien</strong>analyse. Ansätze zur Kultur- und Gesellschaftskritik, Opladen.<br />

Horkheimer, Max: Gesammelte Schriften [=HGS]. 19 Bände, A. Schmidt und G. Schmid Noerr<br />

(Hg.), Frankf./M., 1985 ff.<br />

421


M&K 50. Jahrgang 3/2002<br />

Horkheimer, Max, 1931: Die gegenwärtige Lage der Sozialphilosophie und die Aufgaben eines Instituts<br />

für Sozialforschung, in: HGS 3, S. 20 – 35.<br />

Horkheimer, Max, 1932: Vorwort, in: HGS 3, S. 36 – 39.<br />

Kausch, Michael, 1988: Kulturindustrie und Populärkultur. Kritische Theorie der Massenmedien,<br />

Frankf./M.<br />

Kellner, Douglas, 1982: Kulturindustrie und Massenmedien. Die Kritische Theorie und ihre Folgen.<br />

In: Bonß/Honneth (Hg.): Sozialforschung als Kritik, Frankf./M., S. 482 – 515.<br />

Löwenthal, Leo, 1984: Adorno und seine Kritiker, in: Ders.: Schriften Bd. 4. Judaica, Vorträge,<br />

Briefe, herausgeg. v. H. Dubiel, Frankf./M., S. 59 – 73.<br />

Marx, Karl (1956 ff.): Das Kapital, Bd. 3, in: Marx-Engels-Werke (MEW) Bd. 25, Berlin/DDR.<br />

Moritz, Peter, 1998: Prinzip Glücksrad, in: ZkT 7/1998, S. 105 – 110.<br />

Müller-Doohm, Stefan, 1996: Die Soziologie Theodor W. Adornos. Eine Einführung, Frankf./M./<br />

New York.<br />

Müller-Doohm, Stefan, 2000: Kritische <strong>Medien</strong>theorie – die Perspektive der Frankfurter Schule, in:<br />

Neumann-Braun/Müller-Doohm (Hg.): <strong>Medien</strong>- und <strong>Kommunikations</strong>soziologie, Weinheim,<br />

München, S. 69 – 92.<br />

Negt, Oskar, 1973: Massenmedien: Herrschaftsmittel oder Instrumente der Befreiung? Aspekte der<br />

<strong>Kommunikations</strong>analyse der Frankfurter Schule, in: Prokop (Hg.): Kritische <strong>Kommunikations</strong>forschung.<br />

Aufsätze aus der Zeitschrift für Sozialforschung, München, S. I – XXVIII.<br />

Schiller, Hans-Ernst, 1995: Übertreibung. Philosophie und Gesellschaft bei Adorno, in: Schweppenhäuser<br />

(Hg.): Soziologie im Spätkapitalismus. Zur Gesellschaftstheorie Theodor W. Adornos,<br />

Darmstadt, S. 203 – 223.<br />

Schweppenhäuser, Gerhard, 1996: Theodor W. Adorno zur Einführung, Hamburg.<br />

Winter, Carsten, 2000: Kulturwandel und Globalisierung. Eine Einführung in die Diskussion, in:<br />

Winter/Robertson (Hg.): Kulturwandel und Globalisierung, Baden-Baden, S. 13 – 73.<br />

Zeitschrift für kritische Theorie [=ZkT], herausgegeben von Gerhard Schweppenhäuser, Lüneburg.<br />

Zuckermann, Moshe, 2000: Aspekte „hoher“ und „niedriger“ Kultur. Zur anachronistischen Aktualität<br />

Adornos, in: ZkT 10/2000, S. 89 – 106.<br />

422


Besprechungen<br />

Manfred Faßler<br />

Netzwerke<br />

Einführung in die Netzstrukturen, Netzkulturen<br />

und verteilte Gesellschaftlichkeit<br />

München: Wilhelm Fink, 2001. – 324 S.<br />

ISBN 3-7705-3549-9<br />

Als so genanntes „Netz der Netze“ konfrontiert<br />

uns das Internet mit Schwierigkeiten der<br />

Zuordnung, denn die neuen <strong>Medien</strong> scheinen<br />

zwischen den Polen der Kommunikation und<br />

Interaktion einerseits und materieller Technik<br />

andererseits zu liegen. Elektronische Vernetzungstechnologien<br />

ermöglichen nicht nur den<br />

Aufbau und die Stabilisierung sozialer Beziehungen<br />

unabhängig von raumzeitlichen Beschränkungen,<br />

sondern auch neue Formen der<br />

Interaktivität, der Individualisierung und Partizipation<br />

im elektronischen Raum. Inwieweit<br />

soziale Beziehungen nicht nur medienvermittelt<br />

sind, sondern mediale Netze unsere Sozialbeziehungen<br />

kulturell und territorial reorganisieren,<br />

diskutiert Manfred Faßer auf gut 300 Seiten.<br />

Für Faßler sind wir längst in die Cyber-Moderne<br />

eingetreten, in der es ein Jenseits von<br />

Netzen nicht mehr gibt und sich unsere Wahrnehmungs-<br />

und Beobachtungsverhältnisse radikal<br />

wandeln. Konnektivität und Relationalität<br />

werden zu den neuen Leittermini der Cyber-<br />

Moderne. Will medien- und kultur<strong>wissenschaft</strong>liche<br />

Theoriebildung die damit einhergehenden<br />

gesellschaftlichen Veränderungen analysieren,<br />

muss sie sich – so die These Faßlers –<br />

um eine Beobachtersprache bemühen, die das<br />

Netz gleichermaßen als technologischen und<br />

theoretischen Gegenstand formuliert und in der<br />

Lage ist, das „Dazwischen“, jenen Bereich zwischen<br />

Mensch-Computer-Interaktion, beobachtbar<br />

zu machen.<br />

In den ersten beiden Kapiteln zeichnet Faßler<br />

die medientechnologischen Voraussetzungen<br />

der langsamen aber unaufhaltsamen Karriere<br />

des Netzbegriffes nach und steckt seinen<br />

Begriffsrahmen ab. Faßler bringt Themen und<br />

Fragestellungen der Informatik, der KI-Forschung,<br />

der <strong>Kommunikations</strong>- und <strong>Medien</strong>forschung<br />

zusammen, um deutlich zu machen,<br />

dass Netze die Gesellschaft nicht bloß durchziehen,<br />

sondern mittlerweile als neuer Bedeutungs-<br />

und Referenzrahmen für Gesellschaftsanalyse<br />

fungieren.<br />

Um die Veränderungen in den sozialen Gefügen<br />

zu analysieren, greift eine Gegenüberstellung<br />

von online und offline-Realität ebenso<br />

zu kurz wie die These der Immersion, des Eintauchens<br />

in den virtuellen Raum. Die für Faßler<br />

leitende Fragestellung ist vielmehr, wie auf der<br />

Grundlage einer netztechnologischen Infrastruktur<br />

<strong>Medien</strong>kulturen erzeugt werden. In<br />

und durch Netze entstehen künstliche Realitäten<br />

und reale Virtualitäten, die neue Wahrnehmungsmuster<br />

und Realitäten provozieren. Um<br />

diese begrifflich zu erschließen, führt er den<br />

Begriff der „Mediamorphosis“ (S. 97) ein. Zum<br />

einen grenzt er sich damit von der McLuhanschen<br />

These ab, wonach die neuen <strong>Medien</strong> als<br />

Erweiterung und als Ergänzung des menschlichen<br />

Wahrnehmungsvermögens fungieren,<br />

zum anderen geht es ihm um eine Verknüpfung<br />

zwischen Netztheorie und Systemtheorie. In<br />

einer zwar kritischen aber sehr verkürzten<br />

Auseinandersetzung mit der systemtheoretischen<br />

Medium/Form-Unterscheidung und<br />

anknüpfend an konstruktivistische Überlegungen<br />

unterscheidet Faßler zwischen Formel<br />

(binäre Schaltungszustände)/Format (materielle<br />

Träger) und Form (die jeweilige Nutzung der<br />

Formate), um gleichermaßen die Materialität<br />

der <strong>Medien</strong> und die Software, die Programme<br />

etc. bei der Analyse der Gebrauchskulturen in<br />

den Blick rücken zu können. Faßler versteht<br />

Netze als „materiale, logisch-geistige, infrastrukturelle,<br />

medienkulturelle und ökonomische<br />

Grundlage“ (S. 117), die im Gebrauch bisherige<br />

Mensch-Umgebungs-Beziehungen radikal<br />

wandeln. Eine „Theorie der mediamorphen<br />

Vernetzungen“ (S. 117) stellt auf das Zusammenspiel<br />

zwischen Körperlichkeit, Geist und<br />

Technik ab.<br />

Die Netze selbst sind unspezifisch, erst in<br />

der Art und Weise ihrer Nutzung entsteht Sinn.<br />

Netze stellen Wegesystematiken bereit, erzeugen<br />

Topographien, die in medialen Gebrauchskulturen<br />

zu bislang unwahrscheinlichen <strong>Kommunikations</strong>landschaften<br />

ausgestaltet werden.<br />

Faßlers Gebrauch von Raummetaphern geschieht<br />

keineswegs zufällig. Im dritten Kapitel<br />

beschreibt Faßler am Beispiel der Infographie<br />

den Wandel in unseren Raumwahrnehmungen.<br />

Entgegen der These der Enträumlichung stellt<br />

Faßler die Ausdifferenzierung von Raumbildung<br />

und Raumwahrnehmung nicht-lokaler<br />

<strong>Medien</strong>kulturen in den Vordergrund. So wie<br />

im Raum Orte mit spezifischen Bedeutungen<br />

aufgeladen werden, differenzieren sich aufbau-<br />

423


M&K 50. Jahrgang 3/2002<br />

end auf elektronischen Schaltungszuständen<br />

neue Wissensräume aus, deren raumzeitliche<br />

Stabilität jedoch mit der kommunikativen Nutzung<br />

steht und fällt. Server, Backbones und<br />

Schaltungsgeschwindigkeiten bestimmen in<br />

der Infographie die postgeographischen Raummaße.<br />

Faßler spricht denn auch in diesem Zusammenhang<br />

nicht von ortlosen Gesellschaften,<br />

sondern von „territoriumsfreien Gesellschaften“<br />

(S. 96), die aus Nutzungs-„Orten“<br />

bestehen. Während die moderne Gesellschaft<br />

durch formale, taylorisierte Umgebungen geprägt<br />

war, haben wir es jetzt angesichts netztechnischer<br />

Reichweiten mit verteilten, dynamischen<br />

Räumen zu tun. Sichtbar wird dies<br />

beispielsweise in der organisatorischen Realität<br />

und den dortigen kooperativen und virtuellen<br />

Arbeitsräumen. Die neuen transversalen Verknüpfungen<br />

und virtuellen Orte und Treffpunkte<br />

schaffen künstliche Räume. Diese programmierte<br />

Künstlichkeit ist in die <strong>Medien</strong>, in<br />

die Software eingeschrieben und wird durch die<br />

Nutzung, durch die jeweilige Übersetzung zu<br />

einer spezifischen Wirklichkeit. Es entstehen<br />

neue Handlungsräume, die die Wirklichkeit<br />

der Programmierer und die nutzerspezifischen<br />

Erfahrungen und Wissensbestände zu einer eigenwertigen<br />

Realität verknüpfen. In dieser Infographie<br />

haben wir es mit wahrnehmbaren,<br />

aber nicht mit sinnlich erfahrbaren Räumen zu<br />

tun. Um diese empirischen und gleichzeitig<br />

nicht-empirischen künstlichen Räume zu erfassen,<br />

müssen wir – so Faßlers These – die<br />

„Festkörper-Empirie“ (S. 46) bisheriger Gesellschaftsanalysen<br />

verlassen.<br />

Nicht zuletzt für empirische Forschungen<br />

über das Netz ist in diesem Zusammenhang<br />

Faßlers These der „medialen Gebrauchskultur<br />

der elektronischen Netzwerke“ (S. 159) und<br />

der sich daran anschließende Begriff der „Einhegung“<br />

(S. 182) im Sinne einer qualitativen<br />

Grenzziehung aufschlussreich. Als „Individual-Global-<strong>Medien</strong>“<br />

(S. 136) standardisieren die<br />

neuen <strong>Medien</strong> auf der Ebene der Betriebssysteme,<br />

stellen quasi die Infrastruktur bereit für soziale<br />

Zusatzräume. Als offene Systeme, die erst<br />

in den Gebrauchskulturen zu unterschiedlichen<br />

<strong>Medien</strong>sphären ausgeformt werden, machen<br />

Netze die Hoffnung auf stabile Grenzen<br />

zunichte, System-Umweltbeziehungen sind<br />

gleichermaßen von Varietät gekennzeichnet<br />

und von Stabilität. Die strukturelle Offenheit<br />

von Netzen stellt jede <strong>Medien</strong>realität unter<br />

Kontingenzverdacht angesichts unvorherseh-<br />

424<br />

barer Kombinationen und/oder Unterbrechungen.<br />

Virtuelle Referenzen konkurrieren<br />

mit uns vertrauten Referenzmustern. Territoriale,<br />

institutionelle und körperliche Referenzmuster<br />

verlieren durch die Netztechnologien<br />

an Orientierungsqualität, gleichzeitig entstehen<br />

neue Institutionalisierungsprobleme wie<br />

Kultivierungschancen durch das Teilhaben<br />

an medialen <strong>Kommunikations</strong>umgebungen.<br />

Ebenso wie der elektronische Raum von sozialen<br />

Systemen durchkreuzt wird, prägen virtuelle<br />

<strong>Kommunikations</strong>formen – etwa News-<br />

Groups, Mailinglisten, Chatrooms – vorhandene<br />

Sozialbeziehungen in ihrem Selbstverständnis<br />

und ihrer Organisation. Als eigenständige<br />

Bezugsrealität bilden sich netzinterne und<br />

netzexterne Anschlüsse aus. Für Faßler geht es<br />

längst nicht mehr nur um die Frage, ob elektronische<br />

<strong>Medien</strong> eingeführt werden sollen oder<br />

nicht, viel entscheidender wird die Frage der<br />

Vermittlung, also was sich in der Nutzung der<br />

<strong>Medien</strong> als ‚erhaltenswert‘ durchsetzt und was<br />

nicht. Welche Konsequenzen dies beispielsweise<br />

auf die Frage nach der <strong>Medien</strong>kompetenz<br />

hat, wird von Faßler am Ende kurz angedeutet,<br />

wenn er das Netzmodell vom Modell des Archivs<br />

unterscheidet. Während Archive eine Katalogmentalität<br />

nahe legen, findet der Nutzer<br />

im Netz keine fertigen Produkte, gefragt sind<br />

jetzt Gestaltungskompetenzen und Selektionsleistungen<br />

im Sinne eines permanenten Managements<br />

von Unterscheidungen.<br />

Insgesamt bietet Faßler einen aufschlussreichen<br />

Einblick in die <strong>Medien</strong>realität der Gesellschaft.<br />

Wie bereits in seinem 1997 erschienenen<br />

Buch „Was ist Kommunikation“ verweist<br />

Faßler auf die Notwendigkeit kultur- und<br />

medien<strong>wissenschaft</strong>licher Forschung, sich der<br />

Informatik zu öffnen, um die Verquickungen<br />

und Hybridisierungen zwischen Technik und<br />

Kultur zu erfassen. Davor, dass man mitunter<br />

in Teufels Küche kommt, bei der Frage „was“<br />

das Netz denn nun sei, ist jedoch auch Manfred<br />

Faßler nicht gefeit. Mal wird das Netz<br />

als „Folgebegriff für Gesellschaft“ begriffen,<br />

dann übernimmt es eine „Platzhalterfunktion“<br />

(S. 174), an anderer Stelle fungiert es als Leittechnologie<br />

oder als „Quasi-Institution“. Hier<br />

wäre eine systematischere und stringentere<br />

Handhabung der eigenen Unterscheidungsleistungen<br />

sicherlich hilfreich gewesen. So wird<br />

der Leser/die Leserin in den zahlreichen Unterkapiteln<br />

mit immer neuen Argumentationsschleifen<br />

konfrontiert, in denen Faßler sich zum


Teil selbst verstrickt und in ein Beobachtungsdilemma<br />

gerät, wenn es ihm zum einen um die<br />

Herausarbeitung neuer Formen der Realitätserzeugung<br />

und -wahrnehmung geht, die er jedoch<br />

gleichzeitig als bereits existierend voraussetzt.<br />

Auch die im Text hervorgehobenen Thesen liefern<br />

keinen einheitlichen Beobachtungsrahmen.<br />

Gleichwohl bietet Faßler in seiner ihm eigenen<br />

Rhetorik vielfältige Ideen auf die Frage, was<br />

nach dem Ende der Gutenberg-Galaxis kommt.<br />

Daniela Ahrens<br />

David Gauntlett (Hrsg.)<br />

Web.Studies<br />

Rewiring media studies for the digital age<br />

London: Arnold, 2001. – 250 S.<br />

ISBN 0-340-76049-4<br />

Die ständigen Veränderungen der Angebotsstruktur<br />

des Internets und der aus ihr resultierenden<br />

Cyberkultur stellen hohe Anforderungen<br />

an die Wissenschaftler ganz unterschiedlicher<br />

Fachdisziplinen. Theoriemodelle und<br />

Methoden müssen den sich schnell verändernden<br />

Gegebenheiten und Angebotsstrukturen<br />

angepasst werden. Der amerikanische Sozial<strong>wissenschaft</strong>ler<br />

David Gauntlett versucht mit<br />

„Rewiring media studies for the digital age“, alle<br />

relevanten Aspekte medien<strong>wissenschaft</strong>licher,<br />

soziologischer, kultur<strong>wissenschaft</strong>licher, wirtschafts<strong>wissenschaft</strong>licher,<br />

politologischer und<br />

kommunikations<strong>wissenschaft</strong>licher Forschung<br />

zum Internet in einem Sammelband für Lehrende<br />

und Studenten zusammen zu fassen. Zu<br />

den Beiträgen zählen auch Texte, die bislang nur<br />

in entlegenen Fachzeitschriften oder schwer<br />

auffindbaren Webpages publiziert wurden.<br />

David Silver gibt einen einleitenden Überblick<br />

über die Entwicklung von Cyberculture<br />

Studies zwischen 1990 und 2000. Dieser und jeder<br />

folgende Beitrag des Sammelbandes wird<br />

von einer Liste relevanter Netzadressen begleitet,<br />

ein gemeinsames Glossar informiert im Anhang<br />

über die Bedeutung der jeweiligen Fachausdrücke.<br />

Hilfreich für den Leser ist auch das<br />

umfangreiche Literaturverzeichnis, das einschlägige<br />

Arbeiten aus dem nordamerikanischen<br />

Raum vorstellt.<br />

Bei der Beitragsauswahl dominieren die Phänomene<br />

und Interessen des angloamerikanischen<br />

Raums. Europäische Leser können der<br />

Internetnutzung nordamerikanischer Indianer<br />

Besprechungen<br />

wahrscheinlich ebenso wenig Interesse entgegenbringen<br />

wie dem der Exilinder oder Teilproblemen<br />

der amerikanischen Lehrerevaluation.<br />

Doch in den Beiträgen finden sich auch<br />

wichtige Sachinformationen zur historischen<br />

Entwicklung des Internets als globalem Netzwerk<br />

von Computern und Teilbereichen der<br />

Angebotsfläche des World Wide Webs.<br />

Unterschiedliche Möglichkeiten und Formen<br />

individueller Selbstdarstellung via Internet<br />

(Charles Cheung, Eva Pariser) und ihre Folgen<br />

für die subjektive Identitätskonstruktion stehen<br />

im Zentrum der Beiträge über die individuelle<br />

Nutzung. Auch die Queer Studies als<br />

Teilbereich der Cultural Studies werden für die<br />

Analysen der Selbstdarstellung und Identitätskonstruktion<br />

von Homosexuellen genutzt<br />

(Chris Berry, Fran Martin). In dem Rahmen<br />

der individuellen Selbstdarstellung werden<br />

auch ästhetische Kriterien der Webseiten-Darstellung<br />

behandelt. Donald Snyder beschreibt<br />

die formalen und inhaltlichen Spezifika der Lebensdarstellung<br />

von Frauen via Webcam. Nina<br />

Wakeford stellt ihr Konzept möglicher Methoden<br />

der Webseitenanalyse vor.<br />

Kollektive Veränderungen der Wirtschaft<br />

(Teil III: Web Business) und der Politik (Teil<br />

IV: Global Web Communities, Politics and<br />

Protest) durch unterschiedliche Formen der Internetkommunikation<br />

sind Teil der Ausführungen<br />

zu Aspekten der Wirkung. Kirsten<br />

Pullen setzt sich in „I-love-Xena.com: Creating<br />

Online Fan Communities“ mit der Bedeutung<br />

des Internets für durch die Nutzung anderer<br />

<strong>Medien</strong> etablierte Fankulturen auseinander.<br />

Im Zusammenhang mit kollektiven Wirkungen<br />

werden auch Veränderungen tradierter<br />

Konzepte von Öffentlichkeit diskutiert. David<br />

Gauntlett sieht in Jürgen Habermas‘ Vorstellungen<br />

von der Öffentlichkeit als <strong>Kommunikations</strong>raum<br />

den Ausgangspunkt vieler utopischer<br />

Vorstellungen der kommunikativen<br />

Möglichkeiten und der damit einhergehenden<br />

gesellschaftlichen und individuellen Veränderungen.<br />

Die Beschreibungsmodelle des Internets<br />

bleiben an Habermas ebenso orientiert wie<br />

an der Utopie des World Wide Web-Erfinders<br />

Tim Berners-Lee von einem „common information<br />

space in which we communicate by sharing<br />

information“ (5).<br />

Neben den unterschiedlichen Konzepten<br />

von Öffentlichkeit bilden Veränderungen etablierter<br />

Kulturbereiche durch neue mediale<br />

Vermittlungsformen einen weiteren Themen-<br />

425


M&K 50. Jahrgang 3/2002<br />

schwerpunkt des Sammelbandes. Die Motive<br />

unterschiedlicher literarischer und filmischer<br />

Darstellungen des Cyberspace sind Gegenstand<br />

von Beiträgen wie „The Web Goes To the<br />

Pictures“ (Gauntlett). Er zeigt das kritische Potenzial<br />

der Kultur hinsichtlich der Beurteilung<br />

massenmedialer Vermittlungsformen.<br />

Gerard Goggin beleuchtet die wirtschaftlichen<br />

Utopien der Ökonomisierung des Netzes<br />

kritisch und stellt sie der fehlenden Bereitschaft<br />

der Nutzer, für Netzkonsum Geld auszugeben,<br />

gegenüber. Der zentrale Aspekt kultureller<br />

Veränderungen wird durch die Beschreibung<br />

von Selbstdarstellung der Filmindustrie aber<br />

auch der <strong>Medien</strong> (beispielsweise der BBC) im<br />

Netz behandelt. Historisch aufgebaut ist auch<br />

der Beitrag von Philip M. Taylor zur Kriegsdarstellung<br />

im Internet, der über die Fernsehkriege<br />

in Korea und Vietnam, dem Live-Event<br />

des Golfkriegs in den Kosovokonflikt als Internetkrieg<br />

mündet. An einigen Stellen erscheint<br />

die Themenstruktur der einzelnen Beiträge<br />

fragwürdig. Douglas Thomas ordnet die Bewegung<br />

der Hacker dem allgemeinen Bereich der<br />

Cyberkriminalität zu und verzichtet auf eine<br />

elementare Beschäftigung mit den politischen<br />

Hintergründen.<br />

Den klassischen Abschluss von Sammelbänden<br />

über das Internet bildet auch bei Gauntlett<br />

eine Zukunftsprognose: „The Future: Faster,<br />

Smaller, More, More More“. Anstelle des<br />

World Wide Wait wird hier von einer Zeitgleichheit<br />

der Rezeptionsmöglichkeit ebenso<br />

ausgegangen wie von einer Mobilisierung der<br />

Netznutzung durch andere Empfangsgeräte als<br />

den Computer. Träume, Utopien und Prognosen<br />

verwischen sich etwa in der Beschreibung<br />

des intelligenten Hauses, das das Leben und<br />

den Konsum seiner Bewohner automatisch<br />

steuert. Die Erwähnung von Anti-Utopien, wie<br />

die des dank Homers Bier aus dem Konzept geratenen<br />

intelligenten Hauses in der amerikanischen<br />

Serie „Simpsons“, passt natürlich nicht in<br />

diese Technik-Utopie.<br />

Insgesamt liefert der vorliegende Sammelband<br />

erste Einblicke in die Vielzahl möglicher<br />

Forschungsansätze zur Analyse des Internets,<br />

seiner Angebotsstruktur und seiner Wirkung.<br />

Es bleibt jedoch manches an der Oberfläche,<br />

das durch die Lektüre weiter gehender Untersuchungen<br />

vertieft werden sollte. Als Lehrbuch<br />

für Einführungskurse ist der Band jedoch gut<br />

geeignet.<br />

Joan Kristin Bleicher<br />

426<br />

Karsten Renckstorf / Denis McQuail /<br />

Nicholas Jankowski (Hrsg.)<br />

Television News Research<br />

Recent European Approaches and Findings<br />

Berlin: Quintessenz 2001. – 406 S.<br />

(Communications Monograph; 2)<br />

ISBN 3-87652-699-x<br />

Mit dem Sammelband „Television News Research:<br />

Recent European Approaches and<br />

Findings“ haben die Bemühungen um eine<br />

europäische Identität nun auch ihren Niederschlag<br />

in der kommunikations<strong>wissenschaft</strong>lichen<br />

Theoriebildung, Methodenentwicklung<br />

und Perspektivenwahl gefunden. Der von<br />

Karsten Renckstorf, Denis McQuail und<br />

Nicholas Jankowski herausgegebene Band ist<br />

aus einem Kolloquium zum aktuellen Stand der<br />

europäischen Fernsehnachrichtenforschung<br />

hervorgegangen, das im Oktober 1998 an der<br />

Universität von Nijmegen von der Zeitschrift<br />

„Communications“ organisiert worden war.<br />

Einige der insgesamt 22 Beiträge wurden bereits<br />

im einschlägigen Themenheft bzw. nachfolgenden<br />

Ausgaben der Zeitschrift veröffentlicht,<br />

wurden hier jedoch nochmals abgedruckt,<br />

um einen integrierten Überblick über<br />

die Vielfalt europäischer Forschungsaktivitäten<br />

zu gewährleisten.<br />

Der umfangreiche Band enthält theoretische<br />

und systematische wie empirische, qualitative<br />

ebenso wie quantitative Beiträge vorwiegend<br />

nord- und mitteleuropäischer sowie israelischer<br />

Herkunft. Das inhaltliche Spektrum<br />

reicht von Überblicksartikeln über Arbeiten zu<br />

nationalen Spezialfragen bis hin zu internationalen<br />

Vergleichen. Aufgrund der großen Zahl<br />

der Beiträge können hier lediglich einige wenige<br />

hervorgehoben werden, die in besonderer<br />

Weise die Bandbreite: der Forschungsfragen<br />

und Befunde markieren. Der Band gliedert sich<br />

in die fünf Bereiche: Überblicke und Ansätze,<br />

Rezeptionsstudien, Verstehen und Behalten,<br />

Inhalte und Wirkungen sowie Nachrichtenkonzeptionen.<br />

Den Abschluss bildet ein Beitrag<br />

von Denis McQuail, der Forschungsdesiderate<br />

und Zukunftsperspektiven formuliert.<br />

Einen guten Einstieg in den Forschungsbereich<br />

ermöglichen die Beiträge von Barrie Gunter<br />

und Gabi Schaap / Karsten Renckstorf /<br />

Fred Wester, die eine umfassende Zusammenschau<br />

der relevanten Studien und Befunde in<br />

Europa präsentieren. Im Bereich der Rezepti-


onsforschung ragen Olle Findahls methodologische<br />

und theoretische Überlegungen sowie<br />

die vergleichende Untersuchung von Klaus<br />

Bruhn Jensen zu „Superthemen“ in sieben Ländern<br />

als besonders lesenswert heraus. Auch die<br />

Diskussion des Zusammenhangs zwischen der<br />

Wertschätzung von Nachrichten und der Erinnerungsleistung<br />

von Ard Heuvelman / Allerd<br />

Peeters / Leen d’Haenens verdient besondere<br />

Aufmerksamkeit. Der Abschnitt zu Inhalten<br />

und Wirkungen von Fernsehnachrichten umfasst<br />

eine Reihe sehr unterschiedlicher Artikel.<br />

Die Breite des Forschungsfeldes wird hier markiert<br />

durch die von der Wissenssoziologie inspirierten<br />

Reflexionen über Vorurteile von<br />

Ruben König, die Untersuchung der Videomalaise-These<br />

durch Winfried Schulz, sowie<br />

die Arbeit von Peter Winterhoff-Spurk zur<br />

Kultivierung durch Gewaltinhalte. Unter der<br />

Überschrift „Konzeptionen von Nachrichten“<br />

werden so heterogene Beiträge subsumiert wie<br />

der historische Überblick über die Beziehung<br />

zwischen Journalismus und Fernsehen in mehreren<br />

Ländern von Jérôme Bourdon oder die<br />

Studie von Nicholas Jankowski und Martine<br />

von Selm zu den bislang kaum genutzten <strong>Kommunikations</strong>möglichkeiten<br />

durch das Internet.<br />

Die Vielfalt der inhaltlichen Ausrichtung der<br />

in diesem Sammelband vereinten Beiträge gewährleistet<br />

zwar einerseits einen umfassenden<br />

Überblick über die neuere europäische Fernsehnachrichtenforschung,<br />

bedeutet aber auch,<br />

dass der Band für eine problemorientierte Suche<br />

nach neuerer Spezialliteratur wenig hilfreich<br />

sein dürfte. Der Mangel an Fokussierung<br />

und die Abwesenheit einer inhaltlichen Klammer,<br />

die über die bloße Gemeinsamkeit des<br />

Forschungsgegenstandes „Fernsehnachrichten<br />

in Europa“ hinausgeht, erweckt den Eindruck<br />

einer gewissen Beliebigkeit. Nachdem darüber<br />

hinaus die Qualität der Beiträge erheblich variiert,<br />

gilt wie für die meisten Sammelbände der<br />

Leitsatz „weniger wäre mehr gewesen“.<br />

Lediglich in einer Hinsicht muss diese Kritik<br />

modifiziert werden. Durch die starke Präsenz<br />

der Forschungsgruppe aus dem Renckstorf-<br />

Umfeld ergibt sich eine leichte Schieflage im<br />

Bereich der zugrundegelegten Theorieperspektiven.<br />

In Ermangelung konkurrierender Ansätze<br />

erscheint die handlungstheoretische Perspektive<br />

dieses Teams als dominierendes Paradigma<br />

europäischer Fernsehnachrichtenforschung.<br />

Alternative Theorieansätze hätten das<br />

Bild europäischer Vielfalt etwas abgerundet.<br />

Besprechungen<br />

In der Einleitung sowie im abschließenden<br />

Kapitel wird die Notwendigkeit einer spezifisch<br />

europäischen Forschungsagenda hervorgehoben,<br />

die sich aus den Veränderungen der<br />

europäischen Fernsehlandschaft ergeben hat.<br />

Problematisiert werden vor allem der aus der<br />

Deregulierung resultierende Verlust des semimonopolistischen<br />

Status‘ der Fernsehnachrichten<br />

und ihrer priesterlichen Rolle im demokratischen<br />

Prozess. Die meisten Beiträge berühren<br />

jedoch die angesprochenen Probleme – etwa<br />

die Verringerung der Informationsqualität und<br />

-vielfalt, den Verlust politischer Kontrolle, die<br />

Abnahme des Nachrichten- und Informationspublikums<br />

und die Abwanderung der Zuschauer<br />

zu ausländischen Anbietern – nur sehr<br />

indirekt. Langzeituntersuchungen, in denen die<br />

Veränderungen systematisch einer – wie Denis<br />

McQuail im letzten Beitrag formuliert – an<br />

relevanten Normen ausgerichteten kontinuierlichen<br />

Beobachtung unterzogen werden, fehlen<br />

ganz.<br />

Auch ein spezifisch europäischer Zugang,<br />

wie ihn die Herausgeber in impliziter Abgrenzung<br />

von den US-amerikanischen Ansätzen<br />

und Befunden im Sammelband repräsentiert sehen,<br />

lässt sich nicht entdecken. Dieser erscheint<br />

allerdings auch nicht zwingend. Zum einen ist<br />

die Ausweitung und Kommerzialisierung des<br />

Programmangebots weder ganz neu noch ausschließlich<br />

europäisch und lässt sich in den<br />

USA und anderen Ländern Gewinn bringend<br />

beobachten, zum anderen lässt sich, wie im<br />

Übrigen in diesem Band belegt, auch mit relativ<br />

konventioneller Forschung zeigen, dass das<br />

Fernsehen sich als Instrument der Aufklärung<br />

nicht bewährt hat. Die paradigmatische Beschränkung<br />

auf „europäische“ Forschung wird<br />

außerdem spätestens dann problematisch,<br />

wenn es darum geht, den bisherigen Stand zu<br />

den unterschiedlichen Forschungsbereichen<br />

darzustellen. Glücklicherweise wird die Beschränkung<br />

auf europäische Forschungsergebnisse<br />

nicht von allen Autoren des Sammelbandes<br />

durchgehalten, so dass im Großen und<br />

Ganzen ein international informierter Überblick<br />

über den Forschungsstand zur Fernsehnachrichtenforschung<br />

entstanden ist. Als Einstieg<br />

in das Forschungsfeld ist der Band durchaus<br />

zu empfehlen. Wer Literatur zu spezielleren<br />

Fragen sucht, wird allerdings auf stärker<br />

einschlägig fokussierte Arbeiten zurückgreifen.<br />

Christiane Eilders<br />

427


M&K 50. Jahrgang 3/2002<br />

Jens Wernecken<br />

Wir und die anderen ...<br />

Nationale Stereotypen im Kontext des <strong>Medien</strong>sports<br />

Berlin: Vistas 2000. – 530 S.<br />

(Beiträge des Instituts für Sportpublizistik; 6)<br />

ISBN 3-89158-271-4<br />

In der aus seiner Dissertation am Institut für<br />

Sportpublizistik der Universität Münster hervorgegangenen<br />

Studie setzt sich Jens Wernecken<br />

das Ziel, Entstehung, Verwendung,<br />

Qualität und Funktionen nationaler Stereotypen<br />

im <strong>Medien</strong>sport zu untersuchen und Fragen<br />

wie „Was ist typisch deutsch?“ oder „Wie<br />

schätzen Deutsche im Sport sich selber (resp.<br />

ihre Landsleute), wie schätzen sie Vertreter anderer<br />

Nationen ein?“ zu klären. Er versteht seine<br />

Untersuchung als Grundlagenarbeit zur<br />

„Image-Forschung“ im Kontext der <strong>Medien</strong>.<br />

Die empirischen Untersuchungsdaten wurden<br />

1995 mittels Analyse und Interpretation<br />

der Sportberichterstattung der <strong>Medien</strong> Zeitung<br />

und Fernsehen sowie durch Publikumsbefragungen<br />

(Stadioninterview, Passantenbefragung<br />

und Telefoninterview) erhoben. Diese mehrmethodische<br />

Vorgehensweise soll ermöglichen,<br />

die Konstrukte der „Sportmedienrealität“ zu<br />

den Publikumsbildern in Bezug bringen zu<br />

können.<br />

In einem ausführlichen ersten Teil (ca. 140 S.)<br />

wird der aktuelle Forschungsstand im Hinblick<br />

auf die Dimensionen und den sozialen Stellenwert<br />

des Sports, den <strong>Medien</strong>sport, die Wirkungen<br />

der Massenmedien, die <strong>Medien</strong>bilder und<br />

Publikumsbilder gesichtet. Außerdem werden<br />

die für die Untersuchung wichtigsten Begriffe<br />

(Image, Stereotyp etc.) definiert und abgegrenzt.<br />

Erst im sechsten Kapitel werden Leitfragen<br />

und Hypothesen aufgestellt und dann<br />

im siebten das „Untersuchungsdesign“ erläutert.<br />

Das achte Kapitel enthält dann die Ergebnisse<br />

der Untersuchung, gegliedert nach Methoden.<br />

Zum Schluss folgt die Diskussion der<br />

Ergebnisse in Form einer „Hypothesendiskussion“.<br />

Die Diskussion des Themas „Sport“ verlange<br />

die Berücksichtigung von Wirtschaft, <strong>Medien</strong><br />

und sozialen Faktoren. Sportlichkeit könne<br />

als Leitbild oder Erscheinungsform der modernen<br />

Gesellschaft gesehen werden, wobei seine<br />

(soziale) Bedeutung eine erhebliche Veränderung<br />

erfahren habe. Seit den 50er Jahren sei das<br />

428<br />

Interesse am aktiven Sport stetig gewachsen.<br />

Die Art der sportlichen Tätigkeit und ihr Stellenwert<br />

habe sich in verschiedenen Bereichen<br />

ständig gewandelt: (i) die sportlichen Aktivitäten<br />

hätten sich vom organisierten Sport (Vereinssport)<br />

zu nicht organisierten Sportaktivitäten<br />

(individuelles Sporttreiben) verlagert; (ii)<br />

die Anhängerschaft des Passivsports (Besuch<br />

von Sportveranstaltungen, Konsum von <strong>Medien</strong>sport<br />

als Unterhaltung) habe in den 80er<br />

und 90er Jahren zugenommen; (iii) seit Mitte<br />

der 80er Jahre habe sich auch das Interesse von<br />

Wirtschaft und <strong>Medien</strong> vermehrt dem Sport<br />

zugewandt, was zu einer sozialen Aufwertung<br />

des Sports geführt habe.<br />

<strong>Medien</strong> haben den Sport vermarktet und instrumentalisiert:<br />

Am offensichtlichsten zeichnet<br />

sich dies an der Inszenierung des kommerzialisierten<br />

Schau- und Spitzensports ab, der<br />

heute ganz auf die Unterhaltungs- und Konsumbedürfnisse<br />

der Gesellschaft ausgerichtet<br />

ist. Es ergibt sich ein stabiles „magisches Dreieck“<br />

der Wechselwirkungen zwischen <strong>Medien</strong>,<br />

Sport und Wirtschaft.<br />

Die Sportberichterstattung im Fernsehen<br />

und in den Printmedien sind publikums- und<br />

marktabhängig und damit den Gesetzen des<br />

Marktes unterworfen: Diese bringen eine Uniformierung<br />

der Berichterstattung, die sich formal,<br />

stilistisch und inhaltlich in einer weit reichenden<br />

„intermediären Konvergenz“ niederschlägt.<br />

Für die Tageszeitungen ist ein umfangreiches,<br />

aktuelles, ereignisreiches Sportangebot<br />

Verkaufsinstrument. Die Sportberichterstattung<br />

im Vergleich zwischen verschiedenen Tageszeitungen<br />

ist weitgehend konform, maßgeblich<br />

dafür sind Selektions- und Konstruktionsfaktoren<br />

des Sportjournalismus. Für die Sportberichterstattung<br />

im Fernsehen ist ein „duales<br />

Rezeptionsverhalten“ (S. 83) zu beobachten:<br />

die privaten und die öffentlich-rechtlichen Sender<br />

haben ein entweder eher unterhaltungssuchendes<br />

bzw. ein eher informationsorientiertes<br />

Zielpublikum. Im intermediären Konkurrenzkampf<br />

hat die Sportberichterstattung im Fernsehen<br />

gegenüber der in den Zeitungen Überhand<br />

genommen. Als Gründe dafür sind u.a.<br />

Reichweitenverluste und geringe Nutzungsdauer<br />

der Tageszeitungen auszumachen.<br />

Die Funktionalisierung des Sports in den<br />

<strong>Medien</strong> bringt eine sprachliche Effekt-Orientierung<br />

mit sich: Wettbewerbsorientierte<br />

Sportberichterstattung erfordert eine marktfähige<br />

Sprache. Merkmale dieser Sprache sind:


einfache, verständliche Sätze, Bildhaftigkeit,<br />

beschränkte Lexik und ein begrenztes Repertoire<br />

von Redewendungen, Übertreibungen,<br />

rhetorischen Fragen, Klangfiguren.<br />

Für die massenkommunikative Publikumsund<br />

Wirkungsforschung steht der Transfer der<br />

„<strong>Medien</strong>realität“ zum Publikum und deren Rezeption<br />

durch das Publikum im Mittelpunkt.<br />

Die in den 70er Jahren entwickelten Ansätze<br />

des „Agenda-Settings“ und der „Kultivierungshypothese“<br />

haben die Bedeutung der Individualität<br />

der Rezipienten hervorgehoben.<br />

Ihr Wissen, ihre Aufmerksamkeit und ihr Problembewusstsein<br />

bestimmen ihren Umgang<br />

mit der durch die <strong>Medien</strong> gelieferten Information.<br />

Diese kann mitbestimmen, worüber Rezipienten<br />

denken, aber nicht was sie denken. Bei<br />

der Kultivierungshypothese stehen die langfristigen<br />

Auswirkungen der <strong>Medien</strong> im Vordergrund<br />

des Interesses. Nach dieser Hypothese<br />

entstehen die Bilder, welche die Menschen<br />

sich von etwas machen, die „Publikumsbilder“,<br />

weniger aus Primärerfahrungen des Individuums<br />

als aus <strong>Medien</strong>erfahrungen. „<strong>Medien</strong>realität“,<br />

also das durch die <strong>Medien</strong> vermittelte<br />

Bild der Realität, bezieht sich zwar grundsätzlich<br />

auf „die Welt“, entspringt aber einem „vielstufigen<br />

Interpretations-, Auswahl- und Konstruktionsprozess“<br />

(S. 104) und vermittelt dadurch<br />

eine „modifizierte Realität“, auch der<br />

„Sportmedien-Realität“.<br />

Die Bedeutungsfelder von Bild und Image<br />

überschneiden sich zwar, aber da Letzteres einem<br />

wirtschaftspsychologischen Kontext entstammt,<br />

ist es spezifischen Einschränkungen<br />

unterworfen. Stereotyp und Vorurteil unterscheiden<br />

sich darin, dass Stereotypen nicht a<br />

priori Negativ-Wertungen sind, dass Vorurteile<br />

sich prinzipiell auf „die Anderen“ beziehen<br />

und Selbstwahrnehmung ausgrenzen, und dass<br />

Stereotypen gegenüber Veränderung immun<br />

sind, während Vorurteile als eine Art „Wahrnehmungsblocker“<br />

mit Abwehrfunktion fungieren.<br />

Für das Verhältnis von Images, Kommunikation<br />

und <strong>Medien</strong> werden solche semantischen<br />

Nuancen relevant. Images werden<br />

durch <strong>Medien</strong>kommunikation mitgeprägt,<br />

transportiert und vermittelt. Die subjektiven<br />

Konstrukte und die Entstehung von Stereotypen<br />

sind eng mit ihren sprachlichen Korrelaten<br />

verbunden. Aber die Imageforschung steht im<br />

Hinblick auf die „Publikumsbilder“ des <strong>Medien</strong>sports<br />

noch am Anfang.<br />

Deshalb will der Verf. mit seiner Studie die<br />

Besprechungen<br />

„Qualitäten, Verwendungsweisen, Entstehungszusammenhänge<br />

und Funktionen der<br />

<strong>Medien</strong>- und Publikumsbilder des Sports erörtern“<br />

(S. 141), wobei die „kontextrelevanten<br />

Bezüge durch Images“ im Mittelpunkt stehen<br />

sollen. Auf der Basis von 16 forschungsleitenden<br />

Fragen formuliert er dogmatisch-provokativ<br />

13 Hypothesen, die durch die Studie verifiziert<br />

oder falsifiziert werden sollen. Dazu<br />

wählt er ein mehrmethodisches Vorgehen, das<br />

Auswertungen sowohl nach qualitativen als<br />

auch quantitativen Kriterien zulässt und Publikumsanalyse<br />

(Befragungen per Telefoninterview,<br />

von Passanten, von Stadionbesuchern)<br />

mit <strong>Medien</strong>analyse (Analyse von TV-Sportsendungen,<br />

Zeitungsartikeln) verbindet. Die wichtigsten<br />

Ergebnisse aus der <strong>Medien</strong>analyse<br />

(S. 178–278) werden hier nur stichwortartig<br />

und geordnet nach den Kriterien Form, Inhalt,<br />

(nationale) Image-Bezüge und Sprache wiedergegeben:<br />

Die Sportberichterstattung im Fernsehen ist<br />

demnach gekennzeichnet (i) formal durch einen<br />

hohen Uniformitätsgrad, einen Trend zum<br />

„Infotainment“ und die „Ereigniszentriertheit“<br />

der Aufmerksamkeit; (ii) inhaltlich durch<br />

eine senderübergreifende Konformität, Fixierung<br />

auf einen (länderspezifischen) Kanon weniger<br />

TV-Sportarten, „Schausport“, positive<br />

Personalisierungen und „Aktiven-Perspektivierung“<br />

(die Athleten stehen im Mittelpunkt);<br />

(iii) imagebezogen durch Grundmuster nationaler<br />

Stereotypisierung, ethnozentristische<br />

Ausrichtung der Berichterstattung, Personenkult<br />

um die Sportler, primäre (Flaggen, Hymnen)<br />

und sekundäre Symbole (visuelle Images,<br />

Stereotypisierungen) für Länder und Nationen;<br />

(iv) sprachlich durch anschauliche Metaphorik,<br />

effektorientierte Hyperbolik, nationale Stereotypisierung,<br />

Formatierung, Akzentuierung.<br />

Sportberichterstattung in Tageszeitungen ist<br />

demgegenüber gekennzeichnet (i) formal durch<br />

variationsarme Stilformen, Vermischung von<br />

Information, Meinung und Unterhaltung innerhalb<br />

eines Textbeitrages; (ii) inhaltlich<br />

durch Ereignis- und Verwertungsorientierung,<br />

„Aktivenpointierung“, unkritisch positive Bewertung<br />

von Sport und Sportlern, Fußball-Dominanz,<br />

Thematisierung von Randaspekten;<br />

(iii) imagebezogen durch weniger visuelle „Nationen-Images“<br />

und nationale Stereotypen als<br />

im Fernsehen; (iv) sprachlich durch mehr<br />

Chauvinismen, aber weniger Anakoluthe als im<br />

Fernsehen.<br />

429


M&K 50. Jahrgang 3/2002<br />

Die Publikumsanalyse (durch Telefon- und<br />

Passantenbefragung mittels kognitiver Wissensfragen<br />

und affektiver Meinungsfragen)<br />

dient vor allem zur Analyse von Publikumsbildern<br />

und Grundgrößen der Stereotypisierung.<br />

Sie führt zu folgenden Resultaten: (i) die Rezeption<br />

des Sportgeschehens ist untrennbar mit<br />

der emotionalen Haltung verbunden; (ii) Sport<br />

ist ein relevanter Faktor für die nationale Identifikation;<br />

(iii) positive Besetzung des „eigenen<br />

Landes“ (Attribuierung von Fairness, Erfolg,<br />

Professionalität) gegenüber negativer „der Anderen“<br />

(Aggressivität, Fanatismus); (iv) Beteiligung<br />

der „eigenen“ Sportler als Bedingung der<br />

identifikatorischen Wahrnehmung des Sports;<br />

(v) Fernseh-Sportberichterstattung ist der bedeutendste<br />

„Image-Former“ für den Sport und<br />

verstärkt die affirmative Haltung der Rezipienten<br />

ihr gegenüber; (vi) medial vermittelte<br />

Sportereignisse werden besser erinnert und als<br />

wichtiger eingestuft als andere, wobei Interesse<br />

nicht unbedingt zu mehr Wissen führt; (vii)<br />

„Agenda-Setting“-Effekte und „Mainstream“-<br />

Wirkung der Sportmedien sind klar erkennbar:<br />

Meinungen und Einstellungen zum Sport sind<br />

bei Rezipienten des <strong>Medien</strong>sports homogener<br />

als beim Rest des Publikums, Sportberichterstattung<br />

und Publikumsbilder verstärken sich<br />

wechselseitig.<br />

In der abschließenden Hypothesendiskussion<br />

(S. 436 ff.) werden die meisten der eingangs<br />

aufgestellten Hypothesen verifiziert, einige falsifiziert.<br />

Zusammenfassend kann festgehalten<br />

werden, dass Sportmedien das „Bild des Sports<br />

in unseren Köpfen“ prägen (S. 451); dass aufgrund<br />

der hochgradigen intermediären Konvergenz<br />

Tageszeitungssport kein Komplementärangebot<br />

zum TV-Sport bildet; dass „gezielte<br />

Nationalismen“ und Stereotypisierungen<br />

als Wettbewerbsinstrumente zur „publikumsattraktiven“<br />

Inszenierung medialer Sportereignisse<br />

dienen; dass „<strong>Medien</strong>bilder des Sports“<br />

national codiert sind und eine wichtige Rolle<br />

für die Rezeption des <strong>Medien</strong>sports spielen;<br />

dass zwischen „<strong>Medien</strong>- und Publikumsbildern<br />

des Sports“ klare Konvergenzen auszumachen<br />

sind, was auf die Funktion der <strong>Medien</strong><br />

als „sport-image-former“ schließen lässt; dass<br />

die „Erforschung nationaler Stereotypen im<br />

Kontext des <strong>Medien</strong>sports“ auf die Bereiche<br />

Werbung, Marketing und Sponsoring ausgedehnt<br />

werden muss.<br />

Jens Wernecken legt mit dieser empirischen<br />

Studie eine umfangreiche und genau recher-<br />

430<br />

chierte Untersuchung vor, die den Anspruch<br />

des Verf., eine Grundlagenarbeit zu der auf den<br />

Sektor der Sportmedien angewandten „Image-<br />

Forschung“ zu leisten, sicherlich erfüllt. Die<br />

Zwischenresümees erlauben trotz des Materialreichtums<br />

und der Methoden- bzw. Kategorienvielfalt<br />

(auch der gelegentlichen terminologischen<br />

Überfrachtung) eine gute Übersicht über<br />

die Ergebnisse der Untersuchung.<br />

Ernest W. B. Hess-Lüttich<br />

Friedrich Krotz<br />

Die Mediatisierung kommunikativen Handelns<br />

Der Wandel von Alltag und sozialen Beziehungen,<br />

Kultur und Gesellschaft durch die <strong>Medien</strong><br />

Wiesbaden: Westdeutscher Verlag, 2001. – 288<br />

S.<br />

ISBN 3-531-13552-X<br />

Friedrich Krotz bringt eine gesellschaftlich bedeutsame<br />

Entwicklung auf den Begriff: Die<br />

Mediatisierung kommunikativen Handelns.<br />

Man mag sich um die Trefflichkeit des Begriffes<br />

streiten – ob es nicht besser und korrekter<br />

Medialisierung heißen müsse oder wie sich der<br />

Begriff denn nun in andere Sprachen übersetzten<br />

ließe. Genau genommen ist dies jedoch<br />

nicht von Belang. Es geht um das Konzept von<br />

Mediatisierung, das Friedrich Krotz in seinem<br />

Buch entfaltet. Es handelt sich um die überarbeitete<br />

Fassung von dessen, an der Universität<br />

Hamburg eingereichten Habilitationsschrift,<br />

die gleichsam seine langjährige kommunikations<strong>wissenschaft</strong>liche<br />

Forschung widerspiegelt.<br />

Gleichwohl fasst er diese Vorarbeiten unter<br />

dem gemeinsamen Nenner der Mediatisierung<br />

zusammen, ergänzt sie empirisch und verortet<br />

sie theoretisch in einem umfassenden Kontext.<br />

Das Buch hat drei Teile. Der erste (Mensch,<br />

Kommunikation, <strong>Medien</strong>: Der gesellschaftliche<br />

Metaprozess ‚Mediatisierung’) schafft gewissermaßen<br />

die begrifflichen und theoretischen<br />

Grundlagen. Dem folgt der empirische<br />

Teil der Arbeit (Mediatisierung empirisch: Die<br />

Veränderung öffentlicher Plätze durch die Präsenz<br />

des Fernsehens und die Folgen für das<br />

soziale und kommunikative Handeln). Schließlich<br />

werden, im letzten Kapitel (Mediatisierung<br />

als Metaprozess sozialen Wandels: Bausteine<br />

einer kommunikations<strong>wissenschaft</strong>li-


chen Theorie) theoretische Verankerungen und<br />

Ergänzungen hin zu einer Theorie der Mediatisierung<br />

vorgenommen.<br />

Mediatisierung wird analog zu Prozessen der<br />

Globalisierung und Individualisierung, als ein<br />

Metaprozess verstanden. Mediatisierung bezieht<br />

sich auf eine „situative Verschränkung<br />

unterschiedlicher <strong>Kommunikations</strong>formen“<br />

(S. 19) im Prozess einer medialen Durchdringung<br />

des Alltags. Sie drückt sich quantitativ<br />

aus, indem immer mehr und neue <strong>Medien</strong> hinzukommen.<br />

Doch sie lässt sich nicht auf ein<br />

quantitatives Moment reduzieren. Eine Ubiquität<br />

von <strong>Medien</strong> führt schließlich zu neuen<br />

<strong>Kommunikations</strong>formen. Und so wie sich alles<br />

Soziale im Individuellen manifestiert, werden<br />

davon alle Bereiche alltäglichen Handelns berührt.<br />

Mit dem Einzug neuer <strong>Medien</strong> in den<br />

Alltag ändern sich zugleich die alten <strong>Medien</strong>,<br />

indem sich ihre Anwendungsbereiche auf neue<br />

Einsatzfelder erweitern oder auf einen Teil reduzieren<br />

respektive spezialisieren.<br />

Mediale Kommunikation, als Kommunikation<br />

mit und durch <strong>Medien</strong>, ist nicht mehr auf<br />

abgegrenzte Terrains des Alltags begrenzt.<br />

Vielmehr ist <strong>Medien</strong>nutzung ein kontinuierliches<br />

Handeln in einem fortlaufenden Prozess<br />

der Verquickung von <strong>Medien</strong> und Alltag und<br />

dergestalt ein „basaler Prozess in Gesellschaft<br />

und Kultur, aber auch ein basaler Prozess im<br />

Alltag und als Bedingung für die Konstitution<br />

des Individuums und seiner Identität sowie seiner<br />

von ihm konstruierten und interpretierten<br />

Welt“ (S. 37). So gesehen erscheint Mediatisierung<br />

nicht unter einem bedrohlichen Vorzeichen<br />

des zunehmenden medialen Ausgesetztseins,<br />

womit allerdings die mit einem Prozess<br />

der Mediatisierung verbundenen (individuellen<br />

wie auch kollektiven) Bewältigungsmechanismen<br />

zurückgestellt werden. Hier sucht man<br />

nach einer Klärung und Abgrenzung gerade zu<br />

alternativen Mediatisierungsbegriffen. Doch ist<br />

eine „formalisierte Definition“ von Mediatisierung<br />

nicht angestrebt, schon weil der Prozess<br />

der Mediatisierung, so Krotz, als Prozess nicht<br />

historisch, sozial und kulturell entkontextualisiert<br />

werden dürfe. Kern des ersten Kapitels<br />

ist die Präsentation einer handlungstheoretischen<br />

Perspektive, oder, wie es später heißt, einer„handlungstheoretisch-konstruktivistischen<br />

Perspektive“ (S. 184), die vor dem Hintergrund<br />

der symbolischen Natur kommunikativen<br />

Handelns entfaltet wird. Insbesondere im<br />

Kontrast zu einem Transmissionsmodell der<br />

Besprechungen<br />

Kommunikation wird auf den Symbolischen<br />

Interaktionismus Bezug genommen, um nachgerade<br />

den äußeren Prozess der Signalübertragung<br />

durch den inneren Prozess der Bedeutungskonstitution<br />

zu ergänzen. Während unter<br />

dem Vorzeichen symbolischer Interaktion die<br />

Situativität sozialen Handelns und die Gestaltungskraft<br />

des Individuums hervorgehoben<br />

wird, liefert die Perspektive der Cultural Studies<br />

eine strukturorientierte Sichtweise auf ein<br />

sozial positioniertes Subjekt. Vor einem solchen<br />

Hintergrund lässt sich wiederum <strong>Medien</strong>kommunikation<br />

als Modifikation von (interpersonaler)<br />

Kommunikation verstehen: „Wenn<br />

man <strong>Medien</strong>kommunikation als Modifikation<br />

zwischenmenschlicher Face-to-Face-Kommunikation<br />

betrachtet, gilt grundsätzlich, dass<br />

<strong>Medien</strong>kommunikation ebenso wie Kommunikation<br />

zwischen Menschen in Situationen und<br />

Rollen der Teilnehmer geschieht, dass jedes<br />

Verstehen auf imaginativen Rollen- und Perspektivenübernahmen<br />

beruht und dass jede <strong>Medien</strong>kommunikation<br />

von einem inneren Dialog<br />

begleitet ist, wenn sie hergestellt und verstanden<br />

werden soll“ (S. 74). <strong>Medien</strong>kommunikation<br />

wird nun insbesondere als Fernsehkommunikation<br />

konkretisiert und am Modell der Rezeptionskaskade<br />

(als Verquickung von Rezeptionsakten)<br />

expliziert. Gleichwohl versperrt<br />

dies nicht den Blick auf Formen computervermittelter<br />

Kommunikation mitsamt der damit<br />

verbundenen Entstehung eines neuen medienvermittelten<br />

<strong>Kommunikations</strong>raums. Mit der<br />

medialen Entwicklung geht wiederum die Ausbildung<br />

eines durch seine <strong>Kommunikations</strong>umgebung<br />

geprägten spezifischen „<strong>Kommunikations</strong>charakters“<br />

(S. 92) bzw. eines „historisch-kulturellen<strong>Kommunikations</strong>charakters“<br />

(S. 210) einher, der ein distinktes<br />

Verhältnis zu sich und seiner Umwelt hat, das<br />

anders ist, als es im Kontext von Face-to-Face-<br />

Kommunikation der Fall wäre.<br />

Ein knappes Drittel der Arbeit widmet sich<br />

der Mediatisierung am Beispiel des Fernsehens<br />

auf öffentlichen Plätzen (S. 101–186). Es geht<br />

um eine kulturvergleichende Studie zwischen<br />

Deutschland und den USA, konkreter: zwischen<br />

Hamburg und Indianapolis. Die mediale<br />

Durchdringung des öffentlichen Raums als<br />

Ausdruck einer Mediatisierung des Alltags zu<br />

verstehen, ist sicherlich nicht falsch. So kann<br />

man auch das Fernsehen an öffentlichen Plätzen<br />

zum Gegenstand einer Untersuchung machen.<br />

Für wie bedeutsam dieses Phänomen im<br />

431


M&K 50. Jahrgang 3/2002<br />

Kontext einer umfassenden Mediatisierung<br />

einzuschätzen ist, das bliebe zu diskutieren<br />

(wenngleich gerade auf diesem Terrain ein<br />

ausgesprochenes Forschungsdefizit besteht).<br />

Wichtiger ist erst einmal die daraus abzuleitende<br />

Lektion, dass nämlich eine elaborierte situationsbezogene<br />

Theorie der <strong>Medien</strong>kommunikation<br />

zu entwickeln sei. Überdies sei das bisherige,<br />

vor allem am Paradigma des Informationstransports<br />

gesammelte Wissen über die<br />

Fernsehnutzung neu zu überdenken. Bezogen<br />

beispielsweise auf den Uses and Gratifications-<br />

Ansatz wird das Moment des zufälligen oder<br />

ungewollten Fernsehens virulent, das es für einen<br />

Anhänger dieses Ansatzes eigentlich gar<br />

nicht geben kann. Als ein zentraler Kern bleibt<br />

überdies, dass die Kommunikation auf öffentlichen<br />

Plätzen medial durchdrungen und dadurch<br />

verändert wird. Im konkreten Fall des<br />

Fernsehens auf öffentlichen Plätzen und Orten<br />

geht es um den besonderen Kontext der Rezeption<br />

unter den Bedingungen anwesender Dritter.<br />

Darüber hinaus ist dies gerade mit Blick auf<br />

das Phänomen der mobilen Kommunikation<br />

von besonderer Relevanz. Man hat es mit einer<br />

veränderten Situationsdefinition zu tun. Doch<br />

während hinsichtlich des Fernsehens, wie<br />

Krotz feststellt, die Regeln der öffentlichen<br />

Kommunikation respektiert werden, vielmehr<br />

sogar die Attraktivität des öffentlichen Ortes<br />

erhöht werden soll, wird durch die mobile<br />

Kommunikation in die bisherige kommunikative<br />

Ordnung eingegriffen. So wird das Thema<br />

der <strong>Medien</strong>nutzung an öffentlichen Plätzen /<br />

Orten gerade dann von besonderem Belang,<br />

wenn man die Vielfalt der verwendeten <strong>Medien</strong><br />

berücksichtigt – bis hin zu dem, dass man mit<br />

den neuen technischen Möglichkeiten eines<br />

UMTS-Standards sogar mit dem Handy fernsehen<br />

kann.<br />

Im letzten Teil werden gewissermaßen Bausteine<br />

einer kommunikations<strong>wissenschaft</strong>lichen<br />

Theorie der Mediatisierung zusammen<br />

getragen. Insbesondere wird Mediatisierung<br />

vor dem Hintergrund einer Betrachtung langfristiger<br />

Folgen (Stichwort: Kultivierungsthese)<br />

in Verbindung mit der Ausdifferenzierung<br />

von <strong>Medien</strong>umgebungen bei zunehmender<br />

Komplexität diskutiert. Die <strong>Medien</strong>, so ein Fazit,<br />

übernehmen immer spezialisiertere Funktionen,<br />

wobei eine Ökonomisierung und Kommerzialisierung<br />

Katalysatoren für Mediatisierungsprozesse<br />

darstellen. Als Referenz wird<br />

McLuhan – und in dessen Folge Postman, Flus-<br />

432<br />

ser und Virillo – genannt, allerdings mit einer<br />

eher ernüchternden Feststellung: dass sich<br />

„ihre Texte als Anreiz für eine empirische<br />

<strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong> lesen (lassen;<br />

d.V.), die sich mit Mediatisierung und deren<br />

Folgen beschäftigt. Sehr viel mehr ist von einem<br />

analytischen Standpunkt aus ihren Schriften<br />

allerdings (...) nicht zu gewinnen“ (S. 239).<br />

Dem folgt eine Diskussion der von Ulrich Beck<br />

vorgestellten Individualisierungsthese und<br />

schlussendlich eine Verortung von Mediatisierung<br />

als Prozess der Zivilisation. Gerade bezogen<br />

auf das Werk von Norbert Elias kann denn<br />

auch deutlich gemacht werden, dass <strong>Medien</strong>analyse<br />

immer auch Gesellschaftsanalyse ist.<br />

Hier schließt die Arbeit und lässt, gewissermaßen<br />

als ein Stück ohne Happy End, noch Einiges<br />

offen.<br />

Die Arbeit von Friedrich Krotz steckt einen<br />

Rahmen – den Rahmen der Mediatisierung –<br />

ab, innerhalb dessen Prozesse der Durchdringung<br />

des Alltags untersucht werden können,<br />

wobei er der <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong><br />

nachgerade den Status einer Grundlagen<strong>wissenschaft</strong><br />

zuweist, „so sie ihre Aufgaben richtig<br />

erledigt“ (S. 4). Friedrich Krotz versucht sich<br />

nicht an einer geschlossenen Theorie der Mediatisierung.<br />

Vielmehr liefert er innerhalb des<br />

gespannten Rahmens Mosaiksteinchen (Krotz<br />

spricht selbst von Bausteinen), die, mal enger<br />

zusammenliegend, ein Teilbild ergeben (insbesondere<br />

in der Verbindung von symbolischem<br />

Interaktionismus und Cultural Studies), mal etwas<br />

verstreuter nur die Konturen aufzeigen<br />

und damit die Perspektive für mögliche integrative<br />

Betrachtungsweisen eröffnen (etwa in<br />

der Bezugnahme auf McLuhan und nicht zuletzt<br />

auf Norbert Elias). Friedrich Krotz sagt<br />

selbst, dass er nicht der Entdecker der Mediatisierung<br />

sei. Man ist erinnert an das Gleichnis<br />

von Bernhard von Chartres, dass wir wie Zwerge<br />

auf den Schultern von Riesen seien, die weiter<br />

sehen können als diese Riesen selbst, das<br />

von Robert K. Merton (1980) unter dem Titel<br />

„Auf den Schultern von Riesen“ aufgearbeitet<br />

ist.<br />

Die Arbeit lässt Fragen offen, doch evoziert<br />

sich auch erst solche, sie liefert durch ihre heuristische<br />

Qualität Anknüpfungspunkte für weitere<br />

Forschung gerade über eine Mainstream-<br />

<strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong> (wie sie Krotz<br />

immer wieder mal zu bezeichnen pflegt) hinaus.<br />

Doch er zeichnet diese nicht als Buhmann,<br />

sondern als Reibungsfläche. Er geht über die


Massenmedien hinaus, indem er auch die Facette<br />

einer computervermittelten Kommunikation<br />

reflektiert (bis hin zu einer Kommunikation<br />

mit virtuellen Kreaturen). Und er greift, last<br />

but not least, vernachlässigte Forschungsfelder<br />

– hier: die mediale Kommunikation auf öffentlichen<br />

Plätzen – auf. Man mag einwenden, dass<br />

Mediatisierung vor allem als massenmediale<br />

Mediatisierung und weniger als „Telematisierung“<br />

verstanden wird. Doch neben Online-<br />

Chats oder Talk Shows wird gerade vor dem<br />

Hintergrund einer Kommunikation auf öffentlichen<br />

Plätzen eine sich verschiebende Schnittstelle<br />

von öffentlicher und privater Kommunikation,<br />

vom Eindringen des Privaten in das Öffentliche<br />

bis hin zu einer „Tyrannei der Intimität“<br />

(Sennett 1986) zum Thema, das<br />

insbesondere bezüglich mobiler Kommunikation<br />

von besonderer Aktualität ist und gerade<br />

für zukünftige Forschung Gewinn bringend<br />

sein kann. Das Buch stellt ein Plädoyer für eine<br />

<strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong> als Basis<strong>wissenschaft</strong><br />

dar, die sie allerdings nur sein kann,<br />

wenn sie sich nicht versperrt, die Facetten einer<br />

Mediatisierung zu beleuchten. Ja, das Buch fordert<br />

geradezu heraus, weiter zu denken – und<br />

vor allem fordert es heraus, weiter zu forschen.<br />

Joachim R. Höflich<br />

Literatur:<br />

Merton, Robert K.: Auf den Schultern von Riesen.<br />

Ein Leitfaden durch das Labyrinth der<br />

Gelehrsamkeit. Frankfurt/Main 1980.<br />

Sennett, Richard: Verfall und Ende des öffentlichen<br />

Lebens. Die Tyrannei der Intimität.<br />

Frankfurt/Main 1986.<br />

Michael Kunczik/Astrid Zipfel<br />

Publizistik<br />

Ein Studienhandbuch<br />

Köln/Weimar/Wien: Böhlau 2001. – 549 S.<br />

ISBN 3-8252-2256-X<br />

In den letzten Jahren ist eine Reihe zum Teil<br />

recht unterschiedlich konzeptionierter Einführungen,<br />

Hand- und Lehrbücher zur Publizistik-<br />

und/oder <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong><br />

erschienen, die ihr Publikum innerhalb recht<br />

ähnlicher Zielgruppen suchen. Für Studierende<br />

ist es sicher ein maßgebliches Selektionskriterium,<br />

wenn ein solches Buch von Lehrenden<br />

des Instituts geschrieben wird, an dem sie selbst<br />

Besprechungen<br />

studieren, weil dadurch nicht zuletzt auch<br />

Lehr- und Forschungsbereiche beschrieben<br />

sind. Darüber hinaus liefert ein Vergleich verschiedener<br />

derartiger Handbücher und Einführungen<br />

aber auch aufschlussreiche Einblicke<br />

in das, was andere anderswo zu den zentralen<br />

Gegenstandsbereichen des Fachs zusammenfassen<br />

und wie sie dabei vorgehen.<br />

Erleichtert wird dieser Vergleich, wenn die<br />

Fragen, was warum und wie behandelt wird,<br />

explizit thematisiert werden. Das macht es auch<br />

für die Autoren leichter, die Marktlücke für ihr<br />

eigenes Buch zu finden.<br />

Welche Lücke füllt das Studienhandbuch<br />

Publizistik? Die Frage, die sich in diesem Zusammenhang<br />

aufdrängt, ist die nach der Begründung<br />

des Titels. „Einführung in die <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>“,<br />

„Orientierung<br />

<strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>“, „Einführung<br />

in die Publizistik<strong>wissenschaft</strong>“ etc. – diese Titel<br />

und zahlreiche andere einschlägige Einführungen<br />

beinhalten trotz unterschiedlicher Schwerpunkte<br />

(selbstverständlich) alle den Begriff<br />

„Wissenschaft“. Zwar weisen Kunczik/Zipfel<br />

gleich auf den ersten Seiten daraufhin, dass für<br />

das Fach, um dessen Inhalte es gehen soll, an<br />

unterschiedlichen Instituten unterschiedliche<br />

Bezeichnungen gebräuchlich sind (17), die sich<br />

auch nicht selten auf unterschiedliche Schwerpunktsetzungen<br />

durchschlagen. Vor diesem<br />

Hintergrund kann man aber nur vermuten, das<br />

der Titel als Anlehnung an das Institut, an dem<br />

die beiden Autoren tätig sind – das Institut für<br />

Publizistik an der Universität Mainz – gemeint<br />

ist und sich damit an dort gewachsenen Strukturen<br />

orientiert.<br />

Gleichwohl rekurriert das Buch im Wesentlichen<br />

auf die (mehr oder weniger) zentralen<br />

Gegenstände der Publizistik- und <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>,<br />

welche „[…] sich in erster<br />

Linie mit dem <strong>Kommunikations</strong>prozess befasst,<br />

der sich in der Öffentlichkeit vollzieht“<br />

(17). Es soll, so wird es im Vorwort beschrieben,<br />

vielfältige Funktionen erfüllen: Es ist nicht<br />

nur als Einführung konzipiert, sondern will<br />

darüber hinaus auch den „State of the Art“ zusammenfassen<br />

und reflektieren. Damit ist es,<br />

so die Autoren weiter, nicht nur für Studienanfänger<br />

geeignet, sondern auch als Nachschlagewerk<br />

für Fortgeschrittene und als Repetitorium<br />

für Examenskandidaten. Weil das<br />

Buch „auch praxisrelevante Fragestellungen“<br />

(als Beispiel dafür gelten hier Probleme journalistischer<br />

Ethik) berücksichtigt, wendet es sich<br />

433


M&K 50. Jahrgang 3/2002<br />

außer an Studenten der Publizistik, <strong>Kommunikations</strong>-<br />

und <strong>Medien</strong><strong>wissenschaft</strong> sowie der<br />

Journalistik (Klappentext) darüber hinaus<br />

ebenfalls an Berufspraktiker.<br />

Damit ist ein breiter Rahmen aufgespannt,<br />

der mit sechs großen Hauptkapiteln ausgefüllt<br />

werden soll. Dabei zeigen allein die Kapitelüberschriften<br />

teilweise höchst überschiedliche<br />

Reichweiten und Abstraktionsniveaus an, was<br />

durch den ungleichgewichtigen Umfang der<br />

Kapitel noch unterstrichen wird.<br />

Im ersten Teil (gut 40 Seiten) werden unter<br />

der Überschrift „Einführung und Begriffklärung“<br />

zunächst die Gegenstandsbereiche<br />

des Fachs anhand der Lasswell-Formel systematisiert.<br />

Darauf folgen die Darstellung des<br />

Verhältnisses von Theorie und Empirie und<br />

Definitionsarbeit in Bezug auf die Begriffe<br />

„Kommunikation“ und „Massenkommunikation“.<br />

Der zweite Teil „Massenmedien und Gesellschaft“<br />

(knapp 70 Seiten) führt zunächst in<br />

die „Grundzüge der Systemtheorie“ ein, die<br />

u. a. eine kritische Behandlung der funktionalstrukturellen<br />

Analyse von Niklas Luhmann<br />

enthält (81 ff.). Dazu gehören der Vorwurf der<br />

empirischen Unüberprüfbarkeit und die Kritik<br />

an der Verwendung tautologischer und nicht<br />

operationalisierbarer Begriffe (82). Die folgenden<br />

Abschnitte des zweiten Teils beschäftigen<br />

sich mit Ansätzen zum Verhältnis von „<strong>Medien</strong><br />

und Politik“, mit Politikverdrossenheit und<br />

mit „Politik und Internet“. Im letzten Abschnitt<br />

dieses zweiten Teils, „Massenmedien<br />

und sozialer Wandel“, wird schließlich das Einflusspotenzial<br />

der Massenmedien auf soziale<br />

Veränderungsprozesse sowohl grundsätzlich<br />

als auch speziell in Bezug auf Entwicklungsländer<br />

betreffende Aspekte thematisiert.<br />

Auf über einhundert Seiten beschäftigt sich<br />

Teil drei des Studienhandbuchs mit dem großen<br />

Forschungsfeld zum Journalismus. Dabei<br />

geht es zunächst um die Journalisten selbst, um<br />

ihr Berufsfeld, soziodemographische Daten,<br />

historische Entwicklungslinien und um Indikatoren<br />

journalistischer Professionalisierung.<br />

Nachfolgend werden in Anlehnung an die Systematisierung<br />

von Siegfried Weischenberg,<br />

die von Frank Esser weiterentwickelt wurde<br />

(160 f.), auf Ebene des Subjekts, der Institution,<br />

der <strong>Medien</strong>struktur und der Gesellschaft verschiedene<br />

„Einflussfaktoren im Journalismus“<br />

zusammengefasst. Dazu gehören Konzepte zu<br />

Berufsrollen und Sozialisation, ökonomische<br />

und politische Einflüsse sowie das Verhältnis<br />

434<br />

von Journalismus und Public Relations. Jenseits<br />

dieses Verhältnisses tauchen die Public<br />

Relations als eigener Forschungsgegenstand<br />

der <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong> (auch an anderer<br />

Stelle) nicht auf. Den Abschluss des dritten<br />

Teils bildet ein Kapitel zur „Berufsethik des<br />

Journalismus“.<br />

Unter der Überschrift „Nachrichtenauswahl“<br />

fasst der vierte Teil der Einführung auf<br />

gut 40 Seiten die Ansätze der Gatekeeper- und<br />

News-Bias-Forschung sowie die Nachrichtenwert-Theorie<br />

und das Framing-Konzept zusammen.<br />

Vor dem Hintergrund der verschiedenen,<br />

die Nachrichtenauswahl beeinflussenden<br />

Faktoren wird im letzen Abschnitt dieses vierten<br />

Teils die Frage nach der Realitätsadäquatheit<br />

der so zustande kommenden Berichterstattung<br />

und nach journalistischer Objektivität gestellt<br />

(276 ff.). Dazu werden in Anlehnung an<br />

Ulrich Saxer vier Grundpositionen in Bezug<br />

auf Wünschbarkeit und Möglichkeit von Objektivität<br />

diskutiert.<br />

Den weitaus größten Teil des Studienhandbuchs<br />

„Publizistik“ nimmt mit der „Wirkungsforschung“<br />

der Teil fünf ein, der über 130 Seiten<br />

umfasst. Der Aufbau dieses Teils orientiert<br />

sich nach der anfänglichen Diskussion des Wirkungsbegriffs<br />

und der Darstellung der intervenierenden<br />

Variablen im Wirkungsprozess im<br />

Wesentlichen an der für diesen Bereich üblichen<br />

und zweckmäßigen Gliederung nach den<br />

verschiedenen Ansätzen und Hypothesen der<br />

Wirkungsforschung. Mit der Vorstellung der<br />

Arbeiten zur „Wirkung von Gewaltdarstellungen<br />

(409 ff.) wird zum Ende dieses fünften Teils<br />

ein Spezialgebiet der Wirkungsforschung herausgegriffen.<br />

Der Internationalen Kommunikation gilt<br />

schließlich der sechste und letzte Teil des Buches<br />

(gut 30 Seiten), der mit der Vorstellung der<br />

Diskussionen zu Kulturimperialismus und<br />

Globalisierung sowie zur Weltinformationsordung<br />

(die sich hier vor allem auf die 80er Jahre<br />

bezieht) vor dem Hintergrund der internationalen<br />

<strong>Kommunikations</strong>politik eingeleitet wird.<br />

Mit der anschließenden Vorstellung empirischer<br />

Studien zum internationalen Nachrichtenfluss<br />

werden verschiedene Befunde zusammengefasst,<br />

die sich im Wesentlichen auf die<br />

Einflüsse international agierender Nachrichtenagenturen<br />

und auf Nachrichtenfaktoren und<br />

-werte als zentrale Determinanten internationaler<br />

Berichterstattung beziehen.<br />

Die Entstehung und das Vorgehen interna-


tionaler <strong>Medien</strong>konzerne wird dann vor dem<br />

Hintergrund einer medienökonomischen Perspektive<br />

beleuchtet, welche verschiedene Formen<br />

von Konzentrationsprozessen und Fusionen<br />

zusammenstellt. Für die exemplarische<br />

Darstellung der hierbei wirkenden Faktoren<br />

wird das „Beispiel Rupert Murdoch und die<br />

News Corp.“ (438 ff.) gewählt.<br />

Der fünfte und letzte Abschnitt dieses sechsten<br />

Teils behandelt das Operieren internationaler<br />

Werbe- und PR-Agenturen. Dabei geht es<br />

vor allem um die Entwicklungsstufen in Richtung<br />

zunehmender Internationalisierung und<br />

um die Vor- und Nachteile der Holding als Organisationsform.<br />

Als Beispiel für den Werbe-,<br />

PR- und Marketingbereich wird hier die<br />

Dienstleistungsgruppe „WPP“ gewählt.<br />

In fast allen sechs Teilen des Studienhandbuchs<br />

„Publizistik“ tauchen in den Binnengliederungen<br />

die Begriffe „Multimedia“, „Neue<br />

<strong>Medien</strong>“ und „Internet“ in der einen oder anderen<br />

Kombination auf. Auf diese Art und<br />

Weise werden die Einflüsse, welche die Online-<br />

Kommunikation auf die verschiedenen Forschungsfelder<br />

genommen hat, verdeutlicht.<br />

Zwischen den Teilbereichen gibt es so gut<br />

wie keine ‚geführten’ Übergänge und auch die<br />

Gliederung innerhalb der sechs Hauptkapitel<br />

ist nicht immer einsichtig. Dies kann aber auch<br />

den Vorteil haben, dass die Abschnitte relativ<br />

unabhängig voneinander gelesen werden können.<br />

Die eingangs formulierte Kritik in Bezug auf<br />

den Titel des Buches gilt auch für den Untertitel<br />

„Studienhandbuch“. Dabei ist es nicht so<br />

maßgeblich, dass damit an vielen Universitäten<br />

ein Leitfaden für alle Fragen der Studienberatung<br />

gemeint ist. Zentraler ist, dass ein Handbuch<br />

zum Selbst- und Weiterstudium mehr<br />

„Meta-Informationen“ enthalten müsste: Umfangreiche<br />

Handbücher/Studienbücher können<br />

kaum so aktuell und speziell sein wie thematisch<br />

fokussierte Sammelbände, Reader,<br />

Lehrbücher etc. Gerade deswegen sollten sie als<br />

besondere Leistung eine nachvollziehbare Systematisierung<br />

anbieten, die dem Leser die Möglichkeit<br />

gibt, Nutzen und Grenzen des Buches<br />

besser einschätzen zu können. Dazu könnte<br />

auch eine Empfehlung zur Nutzung des Buches<br />

selbst gehören. Gerade wenn viele verschiedene<br />

Zielgruppen angesprochen werden sollen,<br />

können zum Beispiel unterschiedliche „Lesepfade“<br />

Sinn machen.<br />

Die Autoren haben nach eigenen Angaben<br />

Besprechungen<br />

viel Wert auf eine umfassende und aktuelle Literaturauswahl<br />

gelegt (Vorwort), die sich auf<br />

über 70 Seiten erstreckt. Sicher wäre sie noch<br />

besser für das Weiterstudium nutzbar, wenn<br />

die Literaturangaben auch inhaltlich auf die<br />

sechs großen Teilbereiche bezogen wären und<br />

zusätzlich Empfehlungen zu weiterführender<br />

Literatur aufgeführt wären.<br />

Wiebke Loosen<br />

Manfred Rexin (Hrsg.)<br />

Radio-Reminiszenzen<br />

Erinnerungen an RIAS Berlin<br />

Berlin: Vistas, 2002. – 474 S.<br />

(Schriftenreihe der <strong>Medien</strong>anstalt Berlin-Brandenburg;<br />

13)<br />

ISBN 3-89158-335-4<br />

Der „Rundfunk im amerikanischen Sektor“<br />

(RIAS) hat von 1946 bis 1993 die Ereignisse<br />

und die Entwicklungen in Berlin, aber auch in<br />

der SBZ bzw. DDR gespiegelt und beeinflusst.<br />

Was 1945 als „Drahtfunk im amerikanischen<br />

Sektor“ (DIAS) begann, endete nach der<br />

deutsch-deutschen Vereinigung, weil die wesentliche<br />

Aufgabe der Sendeanstalt, die Bevölkerung<br />

der DDR mit alternativen Informationen<br />

und Meinungen zu versorgen, entfallen<br />

war. Der RIAS wurde mit dem Deutschlandfunk<br />

in Köln und dem im Osten Berlins entstandenen<br />

Deutschlandsender Kultur zu einer<br />

neuen öffentlich-rechtlichen Anstalt – zum<br />

Deutschlandradio – vereint.<br />

Das von Manfred Rexin herausgegebene<br />

Buch erhebt nicht den Anspruch, eine historisch-kritische<br />

Gesamtdarstellung der Geschichte<br />

des RIAS zu sein. Der Herausgeber<br />

wollte zunächst nur die persönlichen Erinnerungen<br />

aus der RIAS-Zeit der früheren Kolleginnen<br />

und Kollegen aus der von Rexin geleiteten<br />

Hauptabteilung „Kultur und Zeitgeschichte“<br />

festhalten und in einem kleinen Buch<br />

veröffentlichen. Mit der Unterstützung der<br />

<strong>Medien</strong>anstalt Berlin-Brandenburg, die sich für<br />

das Vorhaben von Rexin interessierte, konnte<br />

das Projekt umfangreicher angelegt werden,<br />

und so ist ein Band mit 41 Berichten von ehemaligen<br />

Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des<br />

RIAS zu den unterschiedlichsten Themenbereichen<br />

und Feldern der Programmarbeit des<br />

RIAS entstanden. Manfred Rexin hat dem<br />

Buch „Eine historische Skizze“ zur Geschichte<br />

435


M&K 50. Jahrgang 3/2002<br />

des RIAS vorangestellt und mit Dokumenten<br />

zu den Themenbereichen „1949: Sendungen für<br />

Hörer in der Sowjetzone“, „Der RIAS am 16.-<br />

17. Juni 1953“ und „Tödliche Konsequenz –<br />

Strafurteile zu RIAS-Kontakten“ ergänzt.<br />

Die Beiträge sind in drei große historische<br />

Abschnitte „Frühe Jahre“, „Mauerzeiten“ und<br />

„Späte Jahre“ gegliedert. Unter der Überschrift<br />

„Funkkulturen“ fasst Rexin Erinnerungen zur<br />

Geschichte einzelner Programmsparten zusammen.<br />

In einem weiteren Teil „Funkgestalten“<br />

werden Hans Rosenthal, der Leiter der<br />

RIAS-Unterhaltungsabteilung, Ludwig von<br />

Hammerstein, der RIAS-Intendant von 1974<br />

bis 1985, und Ruprecht Kurzrock, der Redakteur<br />

der „RIAS-Funkuniversität“ vorgestellt.<br />

Der 470 Seiten starke Textteil wird ergänzt<br />

durch ein Namensregister der im Band vorkommenden<br />

RIAS-Mitarbeiter mit entsprechenden<br />

Seitenzahlverweisen.<br />

Die Beiträge des Bandes sind sehr unterschiedlich:<br />

von sehr subjektiven, eher persönlichen<br />

Erlebnisschilderungen reichen sie bis zur<br />

kleinen Aufsätzen, die auf der Basis von Archivmaterial<br />

und Dokumenten erstellt wurden.<br />

Die Zusammenfassung der Geschichte des<br />

RIAS soll der Beitrag des Herausgebers mit<br />

dem Titel „Eine historische Skizze“ liefern,<br />

aber auch dieser Aufsatz ist keine knappe übersichtliche<br />

Zusammenfassung der Geschichte<br />

des Senders. Über weite Strecken präsentiert<br />

Rexin hier in Form von Zitaten Erinnerungstexte<br />

von früheren RIAS-Mitarbeitern, die bereits<br />

vor der Herausgabe dieses Bandes publiziert<br />

worden sind.<br />

Die Fülle des von Manfred Rexin präsentierten,<br />

notwendigerweise subjektiv geprägten Erinnerungsmaterials<br />

ist beeindruckend. Schon<br />

wegen des Materialreichtums ist das Buch eine<br />

einschlägige Quellensammlung mit Zeitzeugenberichten<br />

zur Geschichte des Rundfunks im<br />

Nachkriegsdeutschland. Bedingt durch die<br />

Vorgehensweise des Herausgebers bleiben aber<br />

einzelne Kapitel der Programmgeschichte und<br />

der Organisationsentwicklung des RIAS blass<br />

oder unerwähnt. Einige der wesentlichen<br />

RIAS-Mitarbeiter konnten die erbetenen<br />

Beiträge nicht liefern oder wollten diese nicht<br />

liefern, weil sie enttäuscht „über Form und<br />

Umstände ihres Ausscheidens aus der beruflichen<br />

Arbeit“ beim RIAS waren. (S. 470).<br />

Rexin hat diesen Mangel offensichtlich erkannt,<br />

und so enthält der Band einige Zeitzeugeninterviews,<br />

die der Herausgeber und die<br />

436<br />

Rundfunkhistorikerin Petra Galle geführt haben.<br />

Warum aber im Abschnitt „Funkgestalten“<br />

nur drei Personen und warum gerade diese<br />

portraitiert werden, bleibt unklar. Ein wesentlicher<br />

Themenbereich, nämlich die Arbeit<br />

und der Einfluss der amerikanischen Kontrollgremien<br />

des Senders, wird nicht oder nur in<br />

Randbemerkungen behandelt. Welche Auswirkungen<br />

hatte zum Beispiel die McCarthy-<br />

Ära auf den RIAS? Rexin geht auf diese Frage<br />

in seiner historischen Skizze nur beiläufig ein<br />

(S. 27).<br />

Im Jahre 1947 begann die „Operation Back-<br />

Talk“, die gezielte Ausstrahlung von „Sendungen<br />

für Mitteldeutschland“ (S. 26), mit dem<br />

Ziel, der zunehmend agressiveren Propaganda<br />

der Ostsender gegen die Amerikaner und die<br />

anderen westlichen Mächte entgegen zu wirken.<br />

Ob dabei auch konspirative Mittel und<br />

verdeckte Botschaften benutzt wurden, wird<br />

nicht geklärt. Rexin zitiert in diesem Zusammenhang<br />

den langjährigen Mitarbeiter des<br />

RIAS Egon Bahr: „Es konnte nicht in Frage<br />

kommen, den Sender zu verschlüsselten Botschaften<br />

in die Zone zu missbrauchen. Auch<br />

deutsche Ansinnen dieser Art waren abzuweisen.<br />

Die Hörer sollten vertrauen können;<br />

nichts, was wir sendeten, sollte eine zweite verborgene<br />

Bedeutung haben. Wetterberichte eignen<br />

sich dafür. Schütz (Programmdirektor des<br />

RIAS/Anm. von Rüden) sorgte durch unregelmäßige<br />

Textumstellungen dafür, dass hier kein<br />

Missbrauch hinter dem Rücken der deutschen<br />

Leitung möglich wurde“. (S. 27). Welche<br />

Gründe, Fakten oder Vermutungen zu dieser<br />

Maßnahme führten, bleibt unerörtert. Rexin<br />

verweist gleich im Anschluss an diesen Text<br />

von Egon Bahr auf die ebenfalls von Bahr stammende<br />

Feststellung, dass die im RIAS tätigen<br />

amerikanischen Kontrolloffiziere „tolerant<br />

und liberal waren“ (S. 27).<br />

Gerade durch die breit angelegte Dokumentation<br />

von Zeitzeugenberichten wird das Fehlen<br />

einer historisch-kritischen Darstellung der<br />

RIAS-Geschichte besonders deutlich. Auch die<br />

Veröffentlichung aus dem Jahre 1994 von Herbert<br />

Kundler: „RIAS Berlin. Eine Radiostation<br />

in einer geteilten Stadt“ ist bei allen Verdiensten<br />

dieser Publikation noch keine einschlägige Gesamtdarstellung<br />

der Geschichte des Senders.<br />

Bis diese Lücke durch die rundfunkhistorische<br />

Forschung geschlossen wird, ist neben dem von<br />

Manfred Rexin herausgegebenen Buch und der<br />

Veröffentlichung von Herbert Kundler auch


die Veröffentlichung von Petra Galle und Axel<br />

Schuster: „Archiv und Sammelgut des RIAS<br />

Berlin – Ein Findbuch zum Bestand im deutschen<br />

Rundfunkarchiv. Potsdam 2000“ hinzuweisen.<br />

Dieser Band enthält auf knapp 23 Seiten<br />

einen präzisen historischen Überblick über<br />

die RIAS-Geschichte.<br />

Peter von Rüden<br />

Pippa Norris<br />

A Virtuous Circle<br />

Political Communications in Postindustrial<br />

Societies<br />

Cambridge: Cambridge Univ. Press, 2000. –<br />

352 S.<br />

ISBN 0-521-79015-8<br />

Titel und Untertitel des Buches zeugen von<br />

einem ambitionierten Programm. „Political<br />

Communications in Postindustrial Societies“:<br />

kein Ausschnitt, keine Fallstudie, keine Momentaufnahme<br />

– eine Gesamtsicht der politischen<br />

Kommunikation soll gegeben werden.<br />

Und mit „Virtuous Circle“ – einem Regelkreis<br />

aus sich wechselseitig verstärkenden Prozessen<br />

– hat Pippa Norris (Harvard University) eine<br />

Metapher gewählt, die zu einem Kürzel mit<br />

ähnlicher Nachhaltigkeit werden soll, wie es<br />

„Two Step Flow“, „Agenda Setting“ oder „Video<br />

Malaise“ beschieden war.<br />

Die Video-Malaise-Theorie mit ihren vielen<br />

Facetten – von den Langs über Robinson bis zu<br />

Patterson und Putnam – hat die Forschung zur<br />

politischen Kommunikation in den letzten 10<br />

Jahren geprägt. Die <strong>Medien</strong> seien für das Anwachsen<br />

von Apathie, Misstrauen und Zynismus<br />

verantwortlich; insbesondere das Fernsehen<br />

untergrabe die Grundfesten der Gesellschaft.<br />

Auch außerhalb der Fachgrenzen ist<br />

diese Sichtweise weit verbreitet, wie die Popularität<br />

der Thesen von Neil Postman oder das<br />

Lamento über amerikanisierte Wahlkämpfe<br />

und über den Negativismus des Fernsehens zeigen.<br />

In Europa kann dabei nahtlos an die philosophische<br />

Tradition der Kritischen Theorie<br />

angeknüpft werden. Der „Strukturwandel der<br />

Öffentlichkeit“ ist die Folie, auf der die Verfallstheorien<br />

gedeihen, denen zufolge wir uns<br />

immer weiter vom goldenen Zeitalter der entfalteten<br />

Öffentlichkeit entfernen. Norris wendet<br />

sich aus theoretischen und methodischen<br />

Besprechungen<br />

Gründen mit Vehemenz gegen diese „conventional<br />

wisdom“ – nicht immer mit der nötigen<br />

Differenzierung.<br />

Grundlage ihrer Argumentation bilden die<br />

strukturellen Veränderungen in der politischen<br />

Kommunikation unter dem Kommunikatorenaspekt<br />

– im <strong>Medien</strong>system und in den <strong>Kommunikations</strong>strategien<br />

der Parteien. Norris gelingt<br />

hier ein konziser Überblick mit aufschlussreichen<br />

intermedialen und internationalen<br />

Vergleichen; besonders gut gelungen ist ihre<br />

Typologie von Wahlkampagnen.<br />

Aber der Hauptteil ihrer Argumentation<br />

setzt auf der Rezipientenseite an – sie entfaltet<br />

eine Wirkungstheorie. Ihre Hypothese: Je<br />

mehr die Bürger ihre Aufmerksamkeit den<br />

politischen <strong>Medien</strong>informationen zuwenden,<br />

desto stärker werden politisches Wissen, Vertrauen<br />

in das politische System und bürgerliches<br />

Engagement – und umgekehrt: Wissen,<br />

Vertrauen und Engagement wirken wiederum<br />

verstärkend auf die <strong>Medien</strong>zuwendung. Sie<br />

modelliert ein Wechselspiel aus Nutzung politischer<br />

<strong>Medien</strong>inhalte und Ausbildung politischer<br />

Tugenden („virtues“).<br />

Sie prüft dies im Einzelnen für politisches<br />

Wissen (z. B. zu Positionen konkurrierender<br />

Parteien), politische Einstellungen (z. B. Haltung<br />

zur Einführung des Euro und generelle<br />

Unterstützung des europäischen Gedankens)<br />

und politisches Handeln (z. B. Wahlbeteiligung).<br />

Dabei stützt sie sich jeweils auf Sekundäranalysen<br />

europaweiter und US-amerikanischer<br />

Umfragen.<br />

So prüft sie zunächst einmal, in welchem<br />

Maße die Zuwendung zu Nachrichten das politische<br />

Wissen erklärt – kontrolliert durch sozio-demographische<br />

Variablen und Einstellungsvariablen<br />

(politisches Interesse).<br />

Es ergibt sich (S. 216f): Auch bei Kontrolle<br />

anderer Variablen kann ein Teil der Unterschiede<br />

im politischen Wissen (zu Sachproblemen<br />

und zu Positionen von Parteien) durch<br />

Unterschiede in der Zuwendung zu aktueller<br />

Berichterstattung (Nachrichtennutzung) erklärt<br />

werden. Ihr Fazit: „The more one knows,<br />

the more one can learn“ (S. 223); damit schließt<br />

sie an die Wissensklufthypothese an.<br />

Nächster Prüfstein: Gibt es einen Zusammenhang<br />

von Zuwendung zu <strong>Medien</strong> und politischen<br />

Einstellungen ? Ausgangspunkt ist die<br />

Erosion des Vertrauens in die politischen Akteure,<br />

in den politischen Prozess und in das politische<br />

System insgesamt. Dabei wird zwischen<br />

437


M&K 50. Jahrgang 3/2002<br />

spezifischer und genereller Unterstützung unterschieden.<br />

Die spezifische Unterstützung bezieht sich<br />

auf einzelne Politiker, Programme und Entscheidungen.<br />

In ihrer Auswertung der Daten<br />

zeigt sich ein deutliches Muster: Bei negativer<br />

Berichterstattung verringert sich die spezifische<br />

Unterstützung. Unter bestimmten Bedingungen<br />

beeinflusst die Berichterstattung die<br />

Beurteilung der Leistungen von Regierungen<br />

(Beispiel Euro). Unterstützt wird dies durch<br />

eine Analyse von Aggregatdaten aus Inhaltsanalysen<br />

und Befragungen im Zeitablauf. Sie<br />

findet eine Korrelation zwischen einer konsistent<br />

und anhaltend negativen Berichterstattung<br />

zum Euro und einer verringerten Unterstützung<br />

für Währungsunion speziell und für<br />

Europa generell in der öffentlichen Meinung<br />

der EU-Länder – eine Bestätigung von an anderen<br />

Stellen gefundenen Zusammenhängen<br />

und eine Stützung der Media-Malaise-Position.<br />

Weiter gehend ist die Behauptung, die Zuwendung<br />

zu aktuellen <strong>Medien</strong> führe zum Entzug<br />

von genereller Unterstützung des politischen<br />

Systems. Hier findet sie aber statt einer<br />

Bestätigung eine gegenläufige Bewegung. Die<br />

<strong>Medien</strong>zuwendung mindert nicht die Unterstützung<br />

der politischen Prinzipien der Europäischen<br />

Gemeinschaft (Freiheit, Gleichheit,<br />

Demokratie), sondern der Grad an <strong>Medien</strong>zuwendung<br />

hat keinen Einfluss auf die Unterstützung<br />

oder erhöht sie sogar geringfügig. Das<br />

gleiche Bild bietet sich bei den Indikatoren Vertrauen<br />

zu anderen Nationen, Vertrauen in die<br />

europäischen Organisationen und Bewertung<br />

der generellen politischen Leistung des EU-<br />

Systems: Je mehr die europäischen Bürger aktuelle<br />

<strong>Medien</strong> nutzen, desto größer ist ihre generelle<br />

Unterstützung von Europa – auch bei<br />

Kontrolle anderer Faktoren. Oder negativ formuliert:<br />

Je weniger sie sich den Nachrichten<br />

zuwandten, desto geringer fällt das Vertrauen<br />

in die Europäische Union aus (S. 250).<br />

Aber auch die umgekehrte Kausalinterpretation<br />

ist denkbar: Politische Unterstützung<br />

führt zu Nachrichtenzuwendung. Dies wird<br />

durch Auswertung einer britischen Panelstudie<br />

geprüft. Die Daten geben kein einheitliches<br />

Bild – belastbare Aussagen über die Richtung<br />

der Kausalität zwischen Vertrauen und <strong>Medien</strong>gebrauch<br />

sind nicht zu treffen. Sie schließt<br />

daraus eine wechselseitige Verstärkung der<br />

Faktoren im Verlauf des Wahlkampfes: Je mehr<br />

sich einer den <strong>Medien</strong> zuwendet, desto mehr<br />

438<br />

Vertrauen entwickelt er; und je mehr Vertrauen<br />

er entwickelt, desto größer fällt die Zuwendung<br />

zu den <strong>Medien</strong> aus. Oder in negativer<br />

Formulierung: je weniger Zuwendung zur Berichterstattung,<br />

desto weniger Vertrauen, desto<br />

weniger Zuwendung usw. Positive wie negative<br />

Variante des Ergebnisses stützen nicht die<br />

Media-Malaise-Theorie.<br />

Schließlich: In welchem Verhältnis stehen<br />

politisches Handeln und <strong>Medien</strong>zuwendung?<br />

Norris prüft den Einfluss von politischer Kommunikation<br />

auf das Handeln anhand der Wahlbeteiligung<br />

zum Europäischen Parlament in 15<br />

europäischen Staaten zu verschiedenen Zeitpunkten;<br />

sie findet – auch bei Kontrolle anderer<br />

Variablen – keine Bestätigung dafür, dass<br />

vermehrte Zuwendung mit verringerter Wahrscheinlichkeit<br />

der Wahlbeteiligung einherginge<br />

(S. 263), sondern sieht das Gegenteil bestätigt:<br />

Vermehrte Zuwendung korreliert mit erhöhter<br />

Teilnahmebereitschaft. Dabei macht sie deutlich,<br />

dass zwischen genereller Fernsehnutzung<br />

und der Nutzung aktueller Fernsehformate unterschieden<br />

werden muss (S. 290). Denn es besteht<br />

ein Zusammenhang zwischen hoher Fernsehnutzung<br />

und niedrigem Engagement, aber<br />

es ist keiner nachzuweisen zwischen der Nutzung<br />

journalistischer Inhalte und den Einstellungen<br />

bzw. dem Handeln (S. 305f).<br />

Aussagen zu den mobilisierenden Wirkungen<br />

der Netzkommunikation trifft sie mit Vorsicht.<br />

Sie vermutet, dass die organisierte netzgestützte<br />

politische Kommunikation (in Netzwerken<br />

von Aktivisten und in Organisationen)<br />

relevanter sein wird als die partizipativen Effekte<br />

im Hinblick auf bisher nicht politisch inkludierte<br />

Bürger.<br />

Stark verkürzt ergeben ihre Analysen folgendes<br />

Bild: In der Video-Malaise-Theorie<br />

wird eine negative Korrelation angenommen.<br />

Ausgeprägte Zuwendung zur Berichterstattung<br />

gehe mit geringem Vertrauen in die Politik<br />

und geringer Bereitschaft zum bürgerlichen<br />

Engagement einher. Dies hatten die Vertreter<br />

als einen <strong>Medien</strong>effekt interpretiert. Norris<br />

kann dies weder für Europa noch für die USA<br />

bestätigen. Sie findet vielmehr einen positiven<br />

Zusammenhang zwischen der Nutzung aktueller<br />

<strong>Medien</strong> und dem politischen Wissen, dem<br />

Vertrauen in das politische System und dem<br />

politischen Engagement. Diejenigen, die sich<br />

mehr den aktuellen <strong>Medien</strong> zuwenden, wissen<br />

mehr, haben mehr Vertrauen und sind aktiver.<br />

Die Daten sagen wenig dazu, wer wen in dem


„komplexen Tango“ (S. 207) führt. Aber ihrer<br />

Auffassung nach können die statistischen Zusammenhänge<br />

nicht als einseitige Kausalrelation,<br />

sondern am schlüssigsten als eine wechselseitige<br />

Verstärkung von Zuwendung und Veränderung<br />

gedeutet werden, als Interdependenz<br />

– bei der die Faktoren in einer Wechselwirkung<br />

verknüpft sind und sich auf diese Weise eine<br />

spiralförmige Dynamik ergibt: Je stärker sich<br />

jemand politisch engagiert, je mehr jemand<br />

weiß und vertraut, desto mehr wendet er sich<br />

der Berichterstattung zu. Und desto mehr festigen<br />

sich wiederum seine Einstellungen, sein<br />

Wissen, seine Handlungsweisen.<br />

Das logische Gegenstück zu dieser Aufwärtsspirale<br />

ist die Abwärtsspirale: Je geringer<br />

die Zuwendung, desto geringer Wissen, Vertrauen<br />

und Engagement. Und auch hier wäre die<br />

wechselseitige Verstärkung eine plausible Interpretation.<br />

Das wird von Norris nur gestreift<br />

(S. 317, 250). Sie konzentriert sich vielmehr auf<br />

den Wissenszuwachs, die Aktivierung, die Vertrauensbildung<br />

– die tugendhafte Seite der Medaille,<br />

den „virtuous circle“. Aber erst aus der<br />

Abwärtsspirale erklären sich die Befunde, dass<br />

politisches Engagement und allgemeine Fernsehnutzung<br />

sehr wohl negativ korrelieren (S.<br />

317). Dieses Zugleich von Abwärts- und Aufwärtsspirale<br />

ist nicht nur für die Beurteilung des<br />

„digital divide“ von Bedeutung.<br />

Ihr Spiralmodell ruht auf einem empirischen<br />

Fundament, bei dem die Last auf die Fläche<br />

verteilt wird: Sie findet zwar in ihren einzelnen<br />

Analysen immer nur schwache Zusammenhänge,<br />

aber dies zu verschiedenen Zeitpunkten aus<br />

einem langen Zeitraum und mit verschiedenen<br />

Datensätzen aus verschiedenen politischen<br />

Kontexten mit unterschiedlichen Variablen<br />

und Erhebungsmethoden. Man kann dies<br />

eklektisch oder gar postmodern nennen, aber<br />

diese Vorgehensweise erlaubt ihr, sich auf „kumulative<br />

Evidenz“ zu berufen. Zwar überzeugt<br />

keine der vielen multivariaten Analysen für sich<br />

genommen – dafür sind es jeweils zu viele Variablen<br />

mit insgesamt nur gering erklärter Varianz;<br />

aber ihre Position wird durch die Auswertungen<br />

insgesamt stimmig und überzeugend.<br />

Ihre theoretische Figur setzt sich also aus vier<br />

Elementen zusammen: 1. die Feststellung von<br />

statistisch positiven Korrelationen zwischen<br />

Zuwendung zu politischen <strong>Medien</strong>inhalten und<br />

politischem Wissen, Interesse und Engagement;<br />

2. die Annahme einer wechselseitigen Kausalbeziehung<br />

dieser Variablen; 3. die Annahme ei-<br />

Besprechungen<br />

ner Dynamisierung dieser Beziehung aufgrund<br />

der wechselseitigen Verstärkung; 4. die Bewertung<br />

dieses Prozesses als politisch positiv.<br />

Dies fasst sie insgesamt in die Metapher des<br />

„virtuous circle“. Dies ist ein in doppelter Hinsicht<br />

positiv konnotierter Terminus: ein Regelkreis<br />

mit positiver Rückkopplung – ein sich<br />

aufschaukelnder Prozess – wird positiv bewertet.<br />

„Virtuous Circle“ ist ein 1953 von Edith<br />

Simon geprägter Gegenbegriff zu „vicious<br />

circle“ (circulus vitiosus). Beide haben die<br />

gleiche logische Struktur, aber im Teufelskreis<br />

verstärken sich die vices (Laster), im „Engelskreis“<br />

die virtues (Tugenden). Norris nimmt eigenartigerweise<br />

keinerlei Bezug auf die Schweigespirale<br />

– was zumindest im Hinblick auf die<br />

Metapher nahe gelegen hätte.<br />

Man fragt sich – wenn man in kybernetischen<br />

Regelkreisen denkt – wo das hinführen<br />

soll, die von ihr so gepriesene positive Verstärkung.<br />

Wo bleibt die negative Rückkopplung,<br />

die Stabilisierung durch Gegenkopplung? Sie<br />

könnte die Gestalt von Deckeneffekten bei den<br />

Engagierten oder die von Bodeneffekten bei<br />

den Desinteressierten annehmen. Auch ein<br />

Einschwingen des Zusammenhangs im Zeitablauf<br />

ist denkbar, etwa bedingt durch in großen<br />

Abständen einsetzende Partizipationsschübe<br />

(die „68er“ oder die „89er“) oder bedingt durch<br />

den kurzfristigen Rhythmus von Wahlen.<br />

Norris stellt diese Frage in ihrem Buch nicht<br />

explizit, aber sie hat einen Hinweis darauf an<br />

der unauffälligsten Stelle versteckt: Auf dem<br />

Umschlag des Buches prangt Pieter Bruegels<br />

„Turmbau von Babel“. Eine Spirale schraubt<br />

sich in den Himmel, deren Ende die Akteure<br />

auf dem Bild nicht kennen – Mahnung an die<br />

zeitgenössischen Betrachter in den aufstrebenden<br />

Niederlanden, zu bedenken, wohin spiralförmige<br />

Prozesse führen.<br />

Gerhard Vowe<br />

Klaus Neumann-Braun / Stefan Müller-<br />

Doohm (Hrsg.)<br />

<strong>Medien</strong>- und <strong>Kommunikations</strong>soziologie<br />

Eine Einführung in zentrale Begriffe und<br />

Theorien<br />

München: Juventa, 2000. – 222 S.<br />

ISBN 3-7799-1461-1<br />

In der letzten Zeit sind, dem angloamerikanischen<br />

Vorbild folgend, eine Reihe von deutsch-<br />

439


M&K 50. Jahrgang 3/2002<br />

sprachigen Einführungen in die <strong>Medien</strong>- und<br />

<strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong> erschienen, weitere<br />

Bände sind in Vorbereitung. Getragen von<br />

der Hoffnung der Lektoren und Autoren, Studierende<br />

könnten im Zeitalter von Xerographie<br />

und Internet doch noch vermehrt zum Kauf<br />

von Büchern bewegt werden, versuchen sie –<br />

mehr oder minder gelungen – eine erste Orientierung<br />

in den jeweiligen Wissensbeständen,<br />

eine Vermittlung von Begrifflichkeiten, Theorien<br />

und Methoden zu leisten sowie einen relevanten<br />

Bezug zur <strong>Medien</strong>praxis herzustellen.<br />

Der Schwerpunkt des von Klaus Neumann-<br />

Braun und Stefan Müller-Doohm herausgegebenen<br />

Bandes liegt auf soziologischen Zugängen<br />

zu zentralen medientheoretischen Fragestellungen<br />

und Problemen, deren Vielfalt in<br />

der deutschen Diskussion eindrucksvoll demonstriert<br />

wird. Didaktisch geschickt organisiert,<br />

beginnt und endet das Buch mit einem<br />

Fallbeispiel aus der Radiounterhaltung, auf<br />

das in den von verschiedenen Autoren geschriebenen<br />

Kapiteln immer wieder Bezug genommen<br />

wird, so dass eine facettenreiche und<br />

umfassende Analyse entsteht. Neben zentralen<br />

Grundbegriffen der Kommunikation (wie z. B.<br />

„‚Face-to-Face‘-Kommunikation“ oder „Öffentlichkeit“)<br />

werden – so die Herausgeber<br />

(S. 5) – die derzeit wichtigsten soziologisch<br />

ausgerichteten <strong>Medien</strong>theorien (Systemtheorie,<br />

Frankfurter Schule, Cultural Studies, poststrukturalistische<br />

<strong>Medien</strong>forschung, handlungstheoretisch<br />

orientierte Publikumsforschung)<br />

diskutiert. Die theoretisch unterschiedlich<br />

orientierten Autoren garantieren<br />

eine Pluralität von Zugängen, die durch prägnante<br />

Ausschnitte aus Originaltexten wichtiger<br />

Theoretiker (z. B. Brecht, Habermas, Adorno,<br />

Baudrillard) ergänzt wird.<br />

Der umsichtig geplante und aufbereitete<br />

Band, der allerdings eher eine Einführung in die<br />

<strong>Medien</strong>soziologie als in die <strong>Kommunikations</strong>soziologie<br />

ist, ist meiner Ansicht nach gelungen<br />

und gut in der Lehre einsetzbar. Die Autoren<br />

geben sich große Mühe, sich klar, strukturiert<br />

und deutlich auszudrücken. Auch schwierige<br />

Zusammenhänge werden mit Beispielen anschaulich<br />

dargestellt, so z. B. von Ulrich Wenzel<br />

die poststrukturalistische <strong>Medien</strong>forschung,<br />

von Josef Wehner der Beitrag der Systemtheorie<br />

zum Verständnis elektronischer<br />

<strong>Medien</strong> oder von Friedrich Krotz der Ansatz<br />

der Cultural Studies. Hier erweist es sich von<br />

Vorteil, dass jeder seine favorisierte Theorie<br />

440<br />

oder sein Spezialthema darstellt. So referiert<br />

z. B. Klaus Neumann-Braun abschließend<br />

kompakt und mit vielen Beispielen die handlungstheoretisch<br />

orientierte Rezeptionsforschung.<br />

Dieses nahe liegende Vorgehen hat aber auch<br />

Nachteile, da eine kritische Diskussion und<br />

weiterführende Nachbetrachtung des Dargestellten<br />

in den einzelnen Kapiteln weitgehend<br />

unterbleibt. Zum Beispiel diskutiert Stefan<br />

Müller-Doohm sehr prägnant und übersichtlich<br />

die kritische <strong>Medien</strong>theorie der Frankfurter<br />

Schule, die auch von Vertretern dieses Ansatzes<br />

(z. B. Martin Jay, Douglas Kellner) geäußerte<br />

Kritik an der Theorie der Kulturindustrie<br />

kommt in seiner Darstellung aber nicht<br />

vor. Dadurch wird eine reflexive und kritische<br />

Auseinandersetzung von Studierenden mit diesem<br />

Ansatz nicht gerade erleichtert. Müller-<br />

Doohm referiert auch Adornos aus heutiger<br />

Sicht sehr problematische Analyse des Jazz als<br />

Zeichen für „Kulturzerfall“ in affirmativer<br />

Weise (S. 77). Es ist zu befürchten, dass Adornos<br />

Leserschaft unter Studierenden dadurch<br />

nicht zunimmt.<br />

Um diese Engführungen der Analyse und<br />

Darstellung zu vermeiden, wäre es sinnvoll gewesen,<br />

wenn die Autoren sich z. B. gegenseitig<br />

kommentiert hätten, so dass eine engere Vernetzung<br />

der einzelnen Beiträge ermöglicht<br />

worden wäre. Ein Anfänger in der Diskussion<br />

wird den jeweiligen Darstellungen folgen müssen,<br />

ohne die Instrumente in die Hand zu bekommen,<br />

mit denen er sie kritisch hinterfragen<br />

und weiterdenken kann. Auch Josef Wehner<br />

bemüht sich in seinem ansonsten sehr zu empfehlenden<br />

Kapitel etwas forciert, die unbedeutende<br />

und schwierige Rolle von ideologiekritischen<br />

<strong>Medien</strong>- und Gesellschaftsanalysen aus<br />

Sicht der Luhmannschen Systemtheorie zu vermitteln,<br />

ohne dessen durch Gehlen und Schelsky<br />

geschulte Position in dieser Hinsicht kritisch<br />

zu hinterfragen, was für ein Einführungsbuch<br />

wichtig wäre. Nicht alle Studierenden<br />

werden sich Luhmanns neu-europäischem<br />

Quietismus anschließen wollen.<br />

Inhaltlich hat das Buch – wie jede Einführung<br />

– notwendigerweise Lücken, die sicherlich<br />

auch durch ein vom Verlag vorgegebenes<br />

Seitenlimit bedingt sind. So fehlen z. B. eine<br />

Analyse der wissenssoziologischen und konversationsanalytischen<br />

Beiträge zur <strong>Medien</strong>soziologie,<br />

eine ausführlichere Untersuchung<br />

psychoanalytischer Ansätze (Zizek) sowie eine


Betrachtung kritischer Ansätze jenseits der<br />

Frankfurter Schule. Beiträge zu Raymond Williams‘<br />

Fernsehanalysen, die für die angloamerikanische<br />

Forschung sehr wichtig waren, zu<br />

Norman Denzins filmsoziologischen Arbeiten<br />

und zur feministischen <strong>Medien</strong>forschung (z. B.<br />

Donna Haraway) hätten den Band sicherlich<br />

fruchtbar ergänzt. Auch die neuen Informations-<br />

und <strong>Kommunikations</strong>technologien werden<br />

nur am Rande zum Thema. Eine Diskussion<br />

der Analysen von Mark Poster, N. Katherine<br />

Hayles oder Manuel Castells wäre hilfreich<br />

gewesen. Dies sollen aber nur Hinweise sein.<br />

Keine Einführung kann vollständig sein, zumal<br />

das Hauptinteresse der Autoren der deutschsprachigen<br />

Forschung gilt. Insgesamt gesehen<br />

sind die Bemühungen der Gruppe um Stefan<br />

Müller-Doohm und Klaus Neumann-Braun,<br />

die Vielstimmigkeit soziologischer <strong>Medien</strong>forschung<br />

zu demonstrieren, sehr zu loben. Das<br />

Buch sei allen empfohlen, denen eine soziologische<br />

Analyse der <strong>Medien</strong>gesellschaft wichtig<br />

ist.<br />

Rainer Winter<br />

Felix Weil<br />

Die <strong>Medien</strong> und die Ethik<br />

Grundzüge einer brauchbaren <strong>Medien</strong>ethik<br />

Freiburg: Alber, 2001. – 258 S.<br />

(Alber-Reihe Thesen; 20)<br />

3-495-48025-0<br />

Zugl.: Münchener Dissertation 1999<br />

Das Feld der <strong>Medien</strong>ethik erfreut sich wachsender<br />

Aufmerksamkeit, die sich in einer zunehmenden<br />

Zahl von Büchern mit Grundlagencharakter<br />

niederschlägt. Die Dissertation<br />

des nun in einer Stuttgarter E-Commerce-<br />

Plattform Geschäftsführenden Gesellschafters<br />

gehört zu denjenigen Publikationen, die sich<br />

weniger damit beschäftigen, von anderen vorgelegte<br />

Grundlagen weiterzuentwickeln; vielmehr<br />

wird ein neuer Zugang zu <strong>Medien</strong>phänomenen<br />

in ethischer Absicht gesucht. Dabei<br />

handelt es sich – wie der Untertitel sagt – um<br />

Grundzüge einer <strong>Medien</strong>ethik, das heißt: Fälle<br />

stehen nicht im Vordergrund, sondern dienen<br />

lediglich zum Beleg dafür, dass es sich bei der<br />

vorgelegten Konzeption um eine „brauchbare“<br />

Ethik handelt.<br />

Diese wird in vier Kapiteln entwickelt. Im<br />

Besprechungen<br />

1. Kapitel geht es um „Die <strong>Medien</strong> als Bereich<br />

der philosophischen Ethik“. Hier wird die Frage<br />

erörtert, ob es sich in speziellen oder angewandten<br />

Ethiken – gleich welche davon man<br />

betrachtet – um Anwendungen oder Applikationen<br />

von Prinzipien einer „allgemeinen“<br />

Ethik handelt. Gestützt auf eine Analyse des<br />

Schachspiels lehnt der Autor dies ab. <strong>Medien</strong>ethik,<br />

will sie brauchbar sein, muss sich dadurch<br />

als solche erweisen, dass sie in der konkreten<br />

Situation, die zu regeln ist, plausible<br />

Normen entwickelt, sittliches Wissen und<br />

Empfinden selbstverständlich vorausgesetzt.<br />

Als Kronzeugen für sein Konzept ruft er den<br />

späten Wittgenstein auf. Der Philosoph ist auch<br />

der am häufigsten zitierte Autor in diesem<br />

Buch. <strong>Medien</strong>ethik ist demzufolge eine Ethik<br />

für den Bereich „<strong>Medien</strong>“, deren Prinzipien<br />

sich im konkreten Gebrauch der <strong>Medien</strong> ergeben.<br />

Die so entstehende <strong>Medien</strong>ethik wird sich<br />

einerseits auf den Stand der Forschung in der<br />

<strong>Medien</strong>- und <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong><br />

sowie auf Erfahrungen von <strong>Medien</strong>praktikern<br />

stützen. Andererseits wird sie gezielt versuchen,<br />

sie „brauchbar“ für ihre Theoriebildung<br />

zu rekonstruieren.<br />

Damit kommen also die <strong>Medien</strong> in den Blick:<br />

Über sie schreibt er im 2. Kapitel unter der<br />

Überschrift „Von der Möglichkeit und dem<br />

Zwang, präsent zu sein“. Er kennzeichnet die<br />

<strong>Medien</strong> als einen diversifizierten Kultursachbereich<br />

und näherhin als Raum, der Möglichkeiten<br />

der Präsenz eröffnet und gleichzeitig dazu<br />

zwingt, in diesen Raum einzutreten, will man<br />

präsent sein. Diese Präsenz durch <strong>Medien</strong>gebrauch<br />

ist ein anthropologisches Grunddatum.<br />

Dass dieser Raum, den die <strong>Medien</strong> darstellen,<br />

der Regulation bedarf, steht für Weil außer Frage.<br />

Besonderes Kennzeichen der aktuellen Entwicklung<br />

ist die <strong>Medien</strong>-Konvergenz im Zeichen<br />

des Internets.<br />

Im folgenden 3. Kapitel geht es dann unter<br />

der Überschrift „Mediale Kommunikation beruht<br />

auf Signalübertragung, aber erschöpft sich<br />

nicht darin“ um die Spielregeln, die diese medial<br />

geprägte Welt beherrschen. Hauptsächlich<br />

dreht es sich dabei um die Bewertung verschiedener<br />

Typen von <strong>Medien</strong>ethik. Als „medienethisch<br />

defizitär“ kritisiert er eine „Zweckbeliebige<br />

Enthaltungs-‚Ethik‘“, zu der Luhmanns<br />

<strong>Kommunikations</strong>theorie führe. Eine „zweckkritische<br />

Negations- und Emanzipationsethik“<br />

nennt er Adorno-Horkheimers <strong>Medien</strong>kritik.<br />

Auch eine „zweckautoritäre Schutz- und Kon-<br />

441


M&K 50. Jahrgang 3/2002<br />

trollethik“ reicht ihm nicht aus.<br />

Im 4. Kapitel skizziert er schließlich den<br />

„Übergang von den defizitären Ethikformen<br />

auf der Basis eines reduzierten <strong>Kommunikations</strong>begriffes<br />

zur Gebrauchsethik des <strong>Medien</strong>bereiches“.<br />

Als oberste Maxime stellt er die<br />

prinzipielle Offenheit und Zugänglichkeit des<br />

Raumes der Kommunikation als oberstes Prinzip<br />

der <strong>Medien</strong>ethik heraus: „Der Raum der<br />

Kommunikation hat prinzipiell offen zu stehen<br />

für die angemessene Verwirklichung von Präsenz<br />

(sei es veröffentlichender, sei es rezipierender<br />

Art)“ (S. 160). Er wendet sich damit gegen<br />

jede Form faktischer oder bewusster Diskriminierung<br />

beim Zugang zu den <strong>Medien</strong>. Er<br />

kommt dann unvermittelt auf die Problematik<br />

von Scham im Zusammenhang mit medial präsentierter<br />

Sexualität zu sprechen, um zu zeigen,<br />

in welchen konkreten Zusammenhängen und<br />

in welcher Form und für welche Rezipienten es<br />

angemessen ist, Sexualität zu zeigen. Das Prinzip<br />

der Kontextualität ist ihm außerordentlich<br />

wichtig. Sensitivität für Kontexte ist demnach<br />

wichtiger als autoritäre Kontrolle bzw. Beschränkung<br />

von <strong>Medien</strong>. Am Ende dieses Kapitels<br />

verteidigt der Autor sein Konzept gegen<br />

mögliche Einwände, etwa den, dass der einzelne<br />

<strong>Medien</strong>nutzer dadurch überfordert werde,<br />

oder den, dass seine Konzeption an den <strong>Medien</strong>realitäten<br />

vorbeigeht.<br />

Seine Devise: „Klarheit, nicht Wahrheit. Gewissheit,<br />

nicht Wissen. Optimierung, nicht Totalität“.<br />

Wer nicht das ganze Buch studieren<br />

will, wird wenigstens die das Werk als 5. Kapitel<br />

beschließende Kurzzusammenfassung der<br />

Weil’schen Ethik in 7 Geboten lesen.<br />

Zweifellos hat sich der Autor mit vielen<br />

Aspekten der <strong>Medien</strong>diskussion recht originell<br />

beschäftigt. Im Unterschied zu theoriebeladenen<br />

Zugängen in manchen neueren Beiträgen<br />

442<br />

zur <strong>Medien</strong>ethik ist die kontextbezogene Argumentation<br />

und auch sein Insistieren darauf<br />

produktiv. Kritische Anmerkungen: Ein allgemeiner,<br />

durchgängiger Einwand richtet sich gegen<br />

den Sprachgebrauch des Verfassers: allzu<br />

unbeholfen und unkonventionell kommt er daher,<br />

assoziiert zuweilen ungebremst, baut Satzungetüme.<br />

Sperrig ist auch die häufige Erweiterung<br />

von Originalzitaten durch eigene Kommentare.<br />

Er verstärkt so den Charakter des Buches<br />

als einer Außenseiter-Publikation und<br />

positioniert sich so gerade nicht „im Kontext“;<br />

ein Sachverhalt, der ihm sonst so wichtig ist.<br />

Ein Widerspruch im Konzeptionellen liegt sodann<br />

in dem ungeklärten Verhältnis zwischen<br />

den Handlungsimperativen in konkreten Situationen<br />

einerseits und Regeln, Prinzipien und<br />

Normen andererseits. Will man nicht eine reine<br />

Situationsethik vertreten (und Weil outet sich<br />

nicht als Verfechter der Situationsethik), dann<br />

muss man auch die Bedeutung von allgemeineren<br />

Normen für Situationen akzeptieren. Dann<br />

aber ist eine Gestalt traditioneller Moralphilosophie<br />

nicht weit, die eine „Anwendung“ von<br />

Normen auf konkrete Situationen und Fälle<br />

ohne genaue Prüfung und Beschreibung dieser<br />

Situation bzw. der Fälle und die Umstände des<br />

Handelns in diesen Situationen und Fällen<br />

nicht zuließ. Gern hätte man auch etwas mehr<br />

über die unternehmerischen Prinzipien von<br />

<strong>Medien</strong>unternehmen gelesen – moderne <strong>Medien</strong>ethik<br />

ist ohne eine ausgearbeitete Position<br />

dazu nicht denkbar. Den Einwand gegen seine<br />

Konzeption, den er selbst formuliert, nämlich<br />

dass sie das Individuum überfordere, räumt er<br />

nicht wirklich aus. Obschon teils in Einzelpassagen<br />

interessant und mit originellen Beispielen,<br />

wird das Konzept in Fachkreisen, für die es<br />

bestimmt ist, kaum größere Resonanz finden.<br />

Wolfgang Wunden


Zeitschriftenlese<br />

AfP<br />

Jg 33 (2002) Nr 1<br />

Seiler, Wolfgang: Pressekonzentration und<br />

publizistische Vielfalt nach zehn Jahren deutscher<br />

Einheit. – S. 1 – 12<br />

Smid, Jörg F.: Der Journalist als Insider aufgrund<br />

öffentlich zugänglicher Informationen?<br />

– S. 13 – 17<br />

Münch, Henning: Der Schutz der Privatsphäre<br />

in der Spruchpraxis des Deutschen Presserats:<br />

eine Analyse der Arbeit der freiwilligen Presseselbstkontrolle.<br />

– S. 18 – 21<br />

Comm/Ent<br />

Jg 23 (2001) Nr 2<br />

Brennan, Lorin: Financing intellectual property<br />

under federal law: a national imperative.<br />

– S. 195 – 312<br />

Brennan, Lorin: Financing intellectual property<br />

under revised article 9: national and international<br />

conflicts. – S. 313 – 456<br />

Hollingsworth, Joel S.: Stop me if I’ve heard<br />

this already: the temporal remoteness aspect of<br />

the subconscious copying doctrine. – S. 457 –<br />

476<br />

McGinity Bonini, Chelsea: Claim construction<br />

must be reexamined – as a matter of fact, Pitney<br />

Bowes undermines Markman. – S. 477 – 503<br />

Communicatio Socialis<br />

Jg 34 (2001) Nr 4<br />

Pörksen, Bernhard: Die Wirklichkeit der Neonazis:<br />

extremistische Kommunikation in der<br />

demokratischen Gesellschaft. – S. 385 – 420<br />

Eilers, Franz-Josef: Missionarische Kommunikation<br />

ins Dritte Jahrtausend: theologische Anmerkungen<br />

für eine Grundlegung. – S. 421 –<br />

437<br />

Westerbarkey, Joachim: Propaganda, Public<br />

Relations, Reklame: ein typologischer Entwurf.<br />

– S. 438 – 447<br />

Hoffmann, Anne: Islam in den <strong>Medien</strong>: der publizistische<br />

Konflikt um die Friedenspreisverleihung<br />

an Annemarie Schimmel. – S. 448 – 465<br />

Communication Research<br />

Jg 29 (2002) Nr 1<br />

Hawkins, Robert P. u.a.: What holds attention<br />

to television?: strategic inertia of looks at content<br />

boundaries. – S. 3 – 30<br />

Beentjes, Johannes W. J.; Oordt, Marianne van;<br />

Voort, Tom H. A. van der: How television<br />

commentary affects children’s judgements on<br />

soccer fouls. – S. 31 – 45<br />

Scheufele, Dietram: Examining differential<br />

gains from mass media and their implications<br />

for participatory behavior. – S. 46 – 65<br />

Flanagin, Andrew J.; Tiyaamornwong, Vanessa;<br />

O’Connor, Joan: Computer-mediated<br />

group work: the interaction of members sex<br />

and anonymity. – S. 66 – 93<br />

Communication Theory<br />

Jg 12 (2002) Nr 1<br />

Kalbfleisch, Pamela J.: An introduction: communication-based<br />

theory development: building<br />

theories for communication research. – S. 5<br />

– 7<br />

Albada, Kelly Fudge; Knapp, Mark L.; Theune,<br />

Katheryn E.: Interaction appearance theory:<br />

changing perceptions of physical attractiveness<br />

through social interaction. – S. 8 – 40<br />

Duck, Steve: Hypertext in the key of G: three<br />

types of „history“ as influences on conversational<br />

structure and flow. – S. 41 – 62<br />

Kalbfleisch, Pamela J.: Communicating in mentoring<br />

relationships: a theory for enactment. –<br />

S. 63 – 69<br />

Koerner, Ascan F.; Fitzpatrick, Mary Anne:<br />

Toward a theory of family communication. –<br />

S. 70 – 91<br />

Acitelli, Linda K.: Relationship awareness:<br />

crossing the bridge between cognition and<br />

communication. – S. 92 – 112<br />

Communications<br />

Jg 26 (2001) Nr 4<br />

Renckstorf, Karsten; McQuail, Denis; Rosenbaum,<br />

Judith E.: Action theoretical approaches<br />

in European communication research: some introductory<br />

remarks. – S. 333 – 336<br />

McQuail, Denis: With more hindsight: conceptual<br />

problems and some ways forward for media<br />

use research. – S. 337 – 350<br />

443


M&K 50. Jahrgang 3/2002<br />

Rompaey, Veerle van; Roe, Keith: The home as<br />

a Multimedia environment: families’ conception<br />

of space and the introduction of Information<br />

and Communication technologies in the<br />

home. – S. 351 – 370<br />

Vandebosch, Heidi: Media use as an adaption<br />

or coping tool in prison. – S. 371 – 388<br />

Renckstorf, Karsten; Wester, Fred: The „media<br />

use as social action“ approach: theory, methodology,<br />

and research evidence so far. – S. 389 –<br />

420<br />

Konig, Ruben; Renckstorf, Karsten; Wester,<br />

Fred: Patterns in television news use. – S. 421 –<br />

442<br />

Schaap, Gabi: Using protocol analysis in television<br />

news research: proposal and first tests. –<br />

S. 443 – 464<br />

Rosenbaum, Judith E.; Beentjes, Johannes W.<br />

J.: Beyond the couch potato: reconceptualizing<br />

media literacy. – S. 465 – 482<br />

Hermans, Liesbeth: Occupational activities of<br />

Dutch journalists in a television newsroom. –<br />

S. 483 – 498<br />

Charlton, Michael: „Para-social interaction“:<br />

social interaction as a matter of fact?. – S. 499 –<br />

508<br />

Computer und Recht<br />

Jg 18 (2002) Nr 2<br />

Westerholt, Margot von; Berger, Konrad: Der<br />

Application Service Provider und das neue<br />

Schuldrecht: vertragsrechtliche Fragen zu seiner<br />

Stellung zwischen Lieferanten und Kunden.<br />

– S. 81 – 87<br />

Piepenbrock, Hermann-Josef; Schuster, Fabian:<br />

GWB und TKG: Gegeneinander, Nebeneinander<br />

oder Miteinander?: zum Verhältnis<br />

zwischen sektorspezifischen und allgemeinen<br />

Kartellrecht. – S. 98 – 106<br />

Der Beitrag behandelt das Verhältnis des sektorspezifischen<br />

Kartellrechts des TKG zu dem allgemeinen<br />

Kartellrecht des GWB. Vertieft behandelt werden dabei<br />

Umfang und Bedeutung der Abgrenzungsnorm<br />

des § 2 Abs. 3 TKG sowie die Verzahnung von § 33<br />

TKG und § 19 GWB und damit die Übernahme der<br />

Essential-Facilities-Doktrin in das allgemeine Kartellrecht.<br />

Neben der Frage, welche Regelungen materiellrechtlich<br />

anwendbar sind, gehen die Verfasser der Frage<br />

nach, welche Behörde – RegTP oder BKartA – und<br />

welche Gerichte – Verwaltungs- oder Zivilkartellgerichte<br />

– für kartellrechtliche Streitigkeiten im Telekommunikationsbereich<br />

zuständig sind.<br />

444<br />

Windthorst, Kay: Von der Informationsvorsorge<br />

des Staates zur staatlichen Gewährleistung<br />

eines informellen Universaldienstes. –<br />

S. 118 – 126<br />

Ein Grundproblem der Informationsgesellschaft ist<br />

es, jedem einen ausreichenden Zugang zu elektronisch<br />

übermittelten Informationen zu sichern. Der Beitrag<br />

stellt die Konzepte und Tragweite verschiedener ordnungspolitischer<br />

Vorstellungen – Informationsvorsorge,<br />

Grundversorgung und Universaldienstgewährleistung<br />

– und zeigt deren Strukturprobleme auf. Der<br />

Verfasser kommt zu dem Ergebnis, diese Modelle Gemeinwohlbelange<br />

nach abweichenden Grundsätzen<br />

zu sichern versuchen, dass sie dabei aber durch ähnliche<br />

technische, wirtschaftliche und gesellschaftliche<br />

Bedingungen beeinflusst werden und dadurch in ihrer<br />

Struktur gemeinsame Merkmale aufweisen.<br />

Enzmann, Matthias; Roßnagel, Alexander:<br />

Realisierter Datenschutz für den Einkauf im<br />

Internet: das Projekt DASIT. – S. 141 – 150<br />

Scheffler, Hauke: Einsatz einer Pay-TV Piraten-SmartCard:<br />

strafrechtliche Würdigung. –<br />

S. 151 – 155<br />

Ulbricht, Johannes; Meuss, Holger: Juristische<br />

Aspekte von extended links und smart tags. –<br />

S. 162 – 168<br />

Die vom W3C entwickelte Technologie der Extended<br />

Links, die nun von Microsoft adaptiert und zu sog.<br />

Smart Tags ausgebaut wurde, hat nach Ansicht der<br />

Verfasser großes Zukunftspotential. Während normale<br />

Hyperlinks eher die Funktion einer Fußnote erfüllen,<br />

sind Smart Tags mit dem Kommentar eines Dritten<br />

vergleichbar, der verschiedene Textstellen miteinander<br />

verbindet bzw. miteinander in Bezug setzt,<br />

ohne dass der Autor dies billigen oder wissen könnte.<br />

Der Beitrag untersucht rechtliche Aspekte für den<br />

Fall, dass Microsoft Smart Tags in die Windows- oder<br />

Office-Distributionen integriert. Potentielle Konflikte<br />

treten danach in Form von Knappheits- und Zuordnungs-<br />

und Integritätsproblemen, aber auch im<br />

Bereich von Wettbewerbs- und Kartellrecht, im Urheber-<br />

und Datenschutzrecht und nicht zuletzt im<br />

Hinblick auf das werberechtliche Trennungsgebot<br />

nach § 9 Abs. 1 MDStV auf.<br />

Jg 18 (2002) Nr 3<br />

Jaeger, Till; Koglin, Olaf: Der rechtliche Schutz<br />

von Fonts. – S. 169-174<br />

Ladeur, Karl-Heinz: Frequenzverwaltung und<br />

Planungsrecht: zugleich ein Beitrag zum Verhältnis<br />

von TKG und allgemeinem Verwaltungsrecht.<br />

– S. 181-191<br />

Das Telekommunikationsrecht wirft eine Reihe verfahrensrechtlicher<br />

Fragen auf, die auch für das allgemeine<br />

Verwaltungsrecht von Bedeutung sind. Der<br />

Beitrag beschreibt die Orientierung des Gesetzgebers<br />

bei der Ausgestaltung der Frequenzplanung an dem<br />

allgemeinen Planungsrecht und untersucht Spannungen<br />

und Konflikte zwischen Bau- und Frequenzplanung.<br />

Der Verfasser kritisiert dabei – insbesondere


vor dem Hintergrund der Digitalisierung von Funksignalen<br />

–, dass das planerische Moment der Frequenzverwaltung<br />

zu wenig eigenständige Elemente<br />

gegenüber dem Modell der raumbezogenen Infrastrukturplanungen<br />

entwickelt hat, wodurch dem Verfahren<br />

der Planung eine umso größere Rolle zukomme.<br />

Der Beitrag untersucht dann die Interessen der<br />

Rundfunkveranstalter sowie Beteiligungsrechte im<br />

Frequenzplanungsverfahren. Abschließend werden<br />

Probleme des Rechtsschutzes gegen Planungs- und<br />

Frequenzzuweisungsentscheidungen dargestellt.<br />

Mai, Gerald: Wertpapierhandel im Internet: besondere<br />

Rechte und Pflichten der Vertragsparteien<br />

im Rahmen von Internet-Brokerage. –<br />

S. 200 – 207<br />

Ulmer, Detlef: Online-Vertragsschluss: ein<br />

Verfahren wird populär?. – S. 208 – 212<br />

Rehmann, Franz-Josef; Bahr, Martin: Klingeltöne<br />

für Handys: eine neue Nutzungsart?. –<br />

S. 229 – 233<br />

Computer und Recht international<br />

Jg 3 (2002) Nr 1<br />

Band, Jonathan; Kennedy, Charles: The USA-<br />

Patriot Act: a concise analysis of the legislative<br />

reaction in the US to September 11th 2001. –<br />

S. 1 – 6<br />

Strowel, Alain: Exhaustion: new interpretation<br />

for software distribution?: a European notion<br />

of consent could determine the exhaustion of a<br />

copyright holder’s distribution right. – S. 7 – 9<br />

Convergence<br />

Jg 7 (2001) Nr 4<br />

Kyrish, Sandy: Lessons from a „Preditive History“:<br />

what videotext told us about the World<br />

Wide Web. – S. 10 – 29<br />

Lauria, Rita: In Love with our technology: virtual<br />

reality: a brief intellectual history of the<br />

idea of virtuality and the emergence of a media<br />

environment. – S. 30 – 51<br />

Aikat, Debashis: Pioneers of the early digital<br />

era: innovative ideas that shaped computing in<br />

1833-1945. – S. 52 – 81<br />

Kavoori, Anandam P.; Chadha, Kalyani: Net<br />

tarot in New Delhi: reading the future of the<br />

Internet in advertising. – S. 82 – 95<br />

Rogers, Everett M.: The digital divide. – S. 96 –<br />

113<br />

Zeitschriftenlese<br />

European Journal of Communication<br />

Jg 17 (2002) Nr 1<br />

Zoonen, Liesbet van: Gendering the Internet:<br />

claims, controversies and cultures. – S. 5 – 24<br />

„In this article the mutual shaping of the Internet and<br />

gender is analysed. ... Drawing from cultural and technology<br />

studies, we assume that the gendered meanings<br />

of the Internet arise particularly at the moment of domestication.<br />

In-depth interviews with young couples<br />

are used to illustrate how the social, symbolic and individual<br />

dimensions of gender interact with everyday<br />

uses and interpretations of the Internet, showing four<br />

types of articulations constituting traditional, deliberative,<br />

reversed and individualized use cultures.<br />

Whereas male usage primarily explains these types,<br />

the interviews show that this does not automatically<br />

result in the construction of a masculine domain in the<br />

household. It opens up space for shared and feminine<br />

appropriations as well.“<br />

Eilders, Christiane: Conflict and consonance in<br />

media opinion: political positions of five German<br />

quality newspapers. – S. 25 – 64<br />

„This article examines the degree of conflict and consonance<br />

in the editorials of five German quality newspapers<br />

between 1994 and 1998. The degree of correspondence<br />

in the media system is discussed against the<br />

background of Germany’s pluralistic media structure<br />

on the one hand and concepts of public opinion on the<br />

other hand. Rather than investigating the differential<br />

issue selection among the newspapers, the analysis<br />

compares the opinions on issues correspondingly addressed<br />

by several newspapers. It focuses on the<br />

newspapers’ positions regarding fundamental political<br />

conflicts and identifies spheres of consensus and conflict<br />

in the media system. Although the newspapers<br />

represent distinctly different political orientations,<br />

each of them also showed issue-specific deviations<br />

from its general preference for left or right policy alternatives.<br />

Results indicate considerable degrees of<br />

consonance regarding external relations issues and education<br />

policy. Conflict evolved around law and order<br />

and migration issues.“<br />

Bonfadelli, Heinz: The Internet and knowledge<br />

gaps: a theoretical and empirical investigation.<br />

– S. 65 – 84<br />

„... This article explores the theoretical potential of the<br />

knowledge gap perspective for Internet research and<br />

presents data based on two recent Internet surveys,<br />

which demonstrate a double digital divide. Access to<br />

the Internet in Switzerland is still dominated by welleducated,<br />

affluent, young males and between 1997 and<br />

2000 the gap between those who do and those who do<br />

not have access widened not narrowed. Furthermore,<br />

there are gaps in the use of the Internet too. More educated<br />

people use the Internet more actively and their<br />

use is more information oriented, whereas the less educated<br />

seem to be interested particularly in the entertainment<br />

functions of the Internet.“<br />

Snoeijer, Roland; Vreese, Claes H. de; Semetko,<br />

Holli A.: The effects of live television reporting<br />

on recall and appreciation of political news. –<br />

S. 85 – 102<br />

445


M&K 50. Jahrgang 3/2002<br />

„This study investigates the effects of live and non-live<br />

reporting on recall and appreciation of political television<br />

news. A sample of 161 randomly selected adults<br />

participated in an experiment testing the effects of format<br />

difference (a live cross-talk between reporters vs.<br />

a canned field report). Using an authentic experimental<br />

news bulletin produced in cooperation with the national<br />

Dutch public broadcaster, NOS, the findings<br />

did not support the hypothesis that the live cross-talk<br />

format enhances recall or appreciation. In fact, the results<br />

showed that the non-live field report format resulted<br />

in greater recall. These findings challenge the<br />

common newsroom assumption about the attractiveness<br />

of live reporting and have practical policy implications<br />

for both news practitioners and actors in the<br />

political arena.“<br />

Mühlenfeld, Hans-Ulrich: Mass Communication<br />

as participation: Web-radio in Germany:<br />

legal hazards and its contribution to an alternative<br />

way of mass communication. – S. 103 – 113<br />

Federal Communications Law Journal<br />

Jg 54 (2001) Nr 1<br />

Sidak, Gregory: Acquisitions by partially privatized<br />

firms: the case of Deutsche Telecom<br />

and VoiceStream. – S. 1 – 30<br />

Pritchard, David: A tale of three cities: „diverse<br />

and antagonistic“ information in situations<br />

of local newspaper/broadcast cross-ownership.<br />

– S. 31 – 52<br />

Human Communication Research<br />

Jg 28 (2002) Nr 1<br />

Taylor, Paul J.: A cylindrical model of communication<br />

behavior in crisis negotiations. – S. 7 –<br />

48<br />

Caughlin, John P.: The demand/withdraw pattern<br />

of communication as a predictor of marital<br />

satisfaction over time: unresolved issues and<br />

future directions. – S. 49 – 85<br />

Nichols Saphir, Melissa; Chaffee, Steven H.:<br />

Adolescents’ contributions to family communication<br />

patterns. – S. 86 – 108<br />

Shapiro, Michael A.; Fox, Julia R.: The role of<br />

typical and atypical events in story memory. –<br />

S. 109 – 135<br />

Journal of Media Economics<br />

Jg 15 (2002) Nr 1<br />

Bridges, Janet A.; Litman, Barry R.; Bridges,<br />

Lamar W.: Rosse’s Model revisited: moving to<br />

concentric circles to explain newspaper competition.<br />

– S. 3 – 20<br />

446<br />

Lacy, Stephen; Coulson, David C.; Cho, Hiromi:<br />

Competition for readers among U.S. metropolitan<br />

daily, nonmetropolitan daily, and<br />

weekly newspapers. – S. 21 – 40<br />

Chen, Ping-Hung: Who owns cable television?:<br />

media ownership concentration in Taiwan.<br />

– S. 41 – 56<br />

Journalism & Mass Communication<br />

Quarterly<br />

Jg 78 (2001) Nr 3<br />

Harry, Joseph C.: Covering conflict: a structural-pluralist<br />

analysis of how a small-town<br />

and a big-city newspaper reported an environmental<br />

controversy. – S. 419 – 436<br />

Fico, Frederick; Freedman, Eric: Setting the<br />

news story agenda: candidates and communicators<br />

in news coverage of a Governor’s race. –<br />

S. 437 – 449<br />

Lacy, Stephen; Coulson, David C.; Cho, Hiromi:<br />

The impact of competition on weekly<br />

newspaper advertising rates. – S. 450 – 465<br />

Beam, Randal A.: Does it pay to be a marketoriented<br />

daily newspaper?. – S. 466 – 483<br />

Marton, Krisztina; Stephens, Lowndes F.: The<br />

New York Times’ conformity to AAPOR<br />

standards of disclosure for the reporting of<br />

public opinion polls. – S. 484 – 502<br />

Mizuno, Takeya: The creation of the „free“<br />

press in Japanese-American camps: the war relocation<br />

authority’s planning and making of the<br />

camp newspaper policy. – S. 503 – 518<br />

Adams, Edward E.; Baldasty, Gerald J.: Syndicated<br />

service dependence and a lack of commitment<br />

to localism: scripps newspapers and market<br />

subordination. – S. 519 – 532<br />

Tewksbury, David; Weaver, Andrew J.; Maddex,<br />

Brett D.: Accidentally informed: incidental<br />

news exposure on the world wide web. –<br />

S. 533 – 554<br />

Lin, Carolyn A.; Jeffres, Leo W.: Comparing<br />

distinctions and similarities across websites of<br />

newspapers, radio stations, and television stations.<br />

– S. 555 – 574<br />

Kommunikation & Recht<br />

Jg 5 (2002) Nr 1<br />

Heinze, Meinhard: Arbeits- und verfassungsrechtliche<br />

Aspekte des Gesetzentwurfs zur Reform<br />

des Urhebervertragsrechts. – S. 1 – 7


Lüdemann, Volker; Adams, Nils: Die elektronische<br />

Signatur in der Rechtspraxis. – S. 8 – 12<br />

Hüttche, Tobias: Auf welcher (Bilanz-)Seite<br />

steht die Website?. – S. 13 – 16<br />

Wissmann, Martin; Gravenitz, Albrecht von:<br />

Mobilfunkmasten: ein neues Geschäft im Lichte<br />

des Telekommunikationsrechts. – S. 17 – 26<br />

Das Geschäft mit Mobilfunkmasten ist auch in<br />

Deutschland auf dem Vormarsch. Das Angebot im<br />

Mastengeschäft ist dabei umfangreich und reicht von<br />

der Vermietung von Grundstücken mit unbestückten<br />

Masten über Wartungsangebote bis hin zum Betrieb<br />

ganzer Netzteile. Die Anbieter dringen damit in einen<br />

Bereich vor, der ursprünglich nur für die Mobilfunknetzbetreiber<br />

vorgesehen war. Der Beitrag beschreibt<br />

zunächst das Mastengeschäft und die entsprechenden<br />

Geschäftsmodelle und untersucht das Geschäftsfeld<br />

dann vor dem Hintergrund telekommunikationsrechtlicher<br />

Vorgaben, insbesondere den Lizenzvorschriften<br />

und den aus den Netzzugangsbestimmungen<br />

des TKG erwachsenden Zugangsansprüchen gem. §<br />

33 TKG.<br />

Stögmüller, Thomas: Glücksspiele, Lotterien<br />

und Sportwetten im Internet. – S. 27 – 32<br />

Sidler, Oliver: Die Fernmeldegesetzgebung in<br />

der Schweiz: ein Überblick. – S. 33 – 39<br />

Jg 5 (2002) Nr 2<br />

Remmert, Andreas; Viefhues, Wolfram: Gesetz<br />

über elektronische Register und Justizkosten<br />

für Telekommunikation (ERJuKoG): ein<br />

Überblick. – S. 57 – 59<br />

Geis, Ivo: Die neue Signaturverordnung: das<br />

Sicherheitssystem für die elektronische Kommunikation.<br />

– S. 59 – 62<br />

Trafkowski, Armin: <strong>Medien</strong>kartellrecht: die<br />

Notwendigkeit der Harmonisierung zweier<br />

Rechtsgebiete. – S. 62 – 66<br />

„Die Bundesländer haben eine ,Reform der <strong>Medien</strong>ordnung’<br />

ins Auge gefasst. Sie soll durch den Sechsten<br />

Rundfunkänderungsstaatsvertrag verwirklich werden.<br />

Unter anderem steht dabei das Rundfunkkonzentrationsrecht<br />

auf dem Prüfstand. Anlässlich der<br />

Reform bietet es sich an, das Verhältnis des Rundfunkrechts<br />

als einer Art Sonderkartellrecht zum Bundeskartellrecht<br />

noch einmal zu beleuchten und nach<br />

Wegen zu suchen, durch welche die vielfältigen Konflikte<br />

zwischen beiden Regelungssystemen abgemildert<br />

werden können.“<br />

Storr, Stefan: Die Versteigerung von Telekommunikationslizenzen:<br />

sachgerechtes Verteilungsverfahren<br />

oder neue Einnahmequelle für<br />

den Staat?. – S. 67 – 74<br />

Vor dem Hintergrund der Diskussion um die Rechtmäßigkeit<br />

des UMTS-Versteigerungsverfahrens geht<br />

Zeitschriftenlese<br />

der Beitrag der Frage nach, inwieweit das Lizenzvergabeverfahren<br />

in Form der Versteigerung ein sachgerechtes,<br />

geeignetes und zumutbares Verteilungsverfahren<br />

für in der Zahl beschränkte Telekommunikationslizenzen<br />

ist. Diskutiert werden dabei auch<br />

Gesichtspunkte, die das Entschließungs- und Auswahlermessen<br />

der Regulierungsbehörde bei der Auswahl<br />

des Vergabeverfahrens beschränken können, wie<br />

etwa unterschiedliche Marktzugangsbedingungen der<br />

Wettbewerber. Am Ende untersucht der Verfasser<br />

noch überblicksartig eine mögliche Beteiligung der<br />

Bundesländer an einem Versteigerungserlös.<br />

Müller-Terpitz, Ralf: Verwaltungsrechtliche<br />

Aspekte des Vergabeverfahrens nach § 11 TKG.<br />

– S. 75 – 82<br />

„Die UMTS-Versteigerung vom August 2000 hat<br />

nicht nur eine enorme Geldmenge in die chronisch<br />

leeren Kassen des Bundesfinanzministers gespült,<br />

sondern Juristen auch eine Fülle von Rechtsfragen<br />

hinsichtlich der Versteigerung öffentlicher Güter aufgegeben,<br />

über die seitdem trefflich gestritten wird. Im<br />

Mittelpunkt der Diskussion steht dabei die prinzipielle<br />

Zulässigkeit eines solchen Versteigerungsverfahrens,<br />

die im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG, das Finanzverfassungs-<br />

(Art. 105 ff. GG), Gemeinschaftsund<br />

Aktienrecht problematisiert wird. Nicht weniger<br />

von Interesse sind die bislang eher am Rande beleuchteten<br />

verwaltungsrechtlichen Aspekte, die sich im Zusammenhang<br />

mit einer Lizenzvergabe nach § 11 TKG<br />

stellen. Der Beitrag kommt insoweit zu dem Ergebnis,<br />

dass es sich bei der Auktion (§ 11 Abs. 4 TKG) bzw.<br />

der Ausschreibung (§ 11 Abs. 6 TKG) um gestufte<br />

Verwaltungsverfahren handelt, bei denen die jeweils<br />

erreichte Verfahrensstufe durch einen selbständig anfechtbaren<br />

Verwaltungsakt beschlossen wird. Er endet<br />

mit Überlegungen zur ,Rückabwicklung‘ des Vergabeverfahrens<br />

für den Fall einer erfolgreichen verwaltungsgerichtlichen<br />

Klage.“<br />

Spindler, Gerald: Haftung des Internet-Auktionsveranstalters<br />

für markenrechtsverletzende<br />

Inhalte Dritter. – S. 83 – 85<br />

Jg 5 (2002) Nr 3<br />

Kotthoft, Jost: Softwareerstellungs-Verträge<br />

nach der Schuldrechtsmodernisierung. – S. 105<br />

– 110<br />

Ladeur, Karl-Heinz: Europäisches Telekommunikationsrecht<br />

im Jahre 2001. – S. 110 – 120<br />

„Der Beitrag gibt einen Überblick über die Entwicklung<br />

des EG-Telekommunikationsrechts, insbesondere<br />

die Diskussion über das neue ,Telekommunikationspaket‘,<br />

das die bisherigen Rechtsakte ersetzen soll.<br />

Es wird auch das Telekommunikationsrecht in<br />

Deutschland wesentlich verändern: Dies gilt vor allem<br />

für das Verfahren und die stärkere Annäherung an das<br />

Wettbewerbsrecht. Daneben wird über neuere Entscheidungen<br />

der europäischen Gerichte und der Kommission<br />

berichtet, die für die Telekommunikation von<br />

Bedeutung sein können.“<br />

Koch, Alexander: Zur Einordnung von Internet-Suchmaschinen<br />

nach dem EGG. – S. 120 –<br />

127<br />

447


M&K 50. Jahrgang 3/2002<br />

In dem Beitrag beschreibt der Verfasser zunächst die<br />

verschiedenen Erscheinungsformen von Suchmaschinen<br />

und versucht dann, die einzelnen Angebote in das<br />

Telekommunikations- und Multimediarecht einzuordnen.<br />

Daraufhin werden Anwendbarkeit und praktische<br />

Auswirkungen des neuen TDG-Haftungsrechts<br />

nach der Umsetzung der E-Commerce-Richtlinie<br />

insbesondere vor dem Hintergrund des Verlinkens<br />

rechtswidriger Inhalte untersucht. Der Verfasser<br />

kommt zu dem Ergebnis, dass Suchmaschinen zwar<br />

gesetzlich erfassbar sind, aber nicht unmittelbar unter<br />

eine der Haftungsprivilegierungen des TDG fallen<br />

und plädiert insoweit für eine analoge Anwendung<br />

von § 10 TDG.<br />

Roth, Gregor; Groß, Marco: Pflichtangaben<br />

auf Geschäftsbrief und Bestellschein im Internet.<br />

– S. 127 – 135<br />

Schmittmann, Jens M.: Kosten beim Empfänger<br />

unerwünschter e-mail-Werbung. – S. 135 –<br />

138<br />

Dietrich, Christian: Der Zugang einer per E-<br />

Mail übermittelten Willenserklärung. – S. 138 –<br />

142<br />

Media, Culture & Society<br />

Jg 24 (2002) Nr 1<br />

Splichal, Slavko: The principle of publicity, public<br />

use of reason and social control. – S. 5 – 26<br />

Zhong, Yong: Debating with muzzled mouths:<br />

a case analysis of how control works in a Chinese<br />

television debate used for educating<br />

youths. – S. 27 – 48<br />

Pan, Xiaping: Consensus behind disputes: a<br />

critical discourse analysis of the media coverage<br />

of the right-of-abode issue in postcolonial<br />

Hong Kong. – S. 49 – 68<br />

Avraham, Eli: Social-political environment,<br />

journalism practice and coverage of minorities:<br />

the case of the marginal cities in Israel. – S. 69 –<br />

86<br />

Bennett, Andy: Music, media and urban mythscapes:<br />

a study of the „Canterbury Sound“. – S.<br />

87 – 100<br />

Healey, Tim; Ross, Karen: Growing old invisibly:<br />

older viewers talk television. – S. 105 – 120<br />

He, Zhue; Zhu, Jian-hua: The ecology of online<br />

newspapers: the case of China. – S. 121 – 138<br />

Jg 24 (2002) Nr 2<br />

Srinivas, Lakshmi: The active audience: spectatorship,<br />

social relations and the experience of<br />

cinema in India. – S. 155 – 174<br />

448<br />

Hallin, Daniel C.; Papathanassopoulos,<br />

Stylianos: Political clientelism and the media:<br />

Southern Europe and Latin America in comparative<br />

perspective. – S. 175 – 196<br />

Clayman, Steven E.: Tribune of the people:<br />

maintaining the legitimacy of aggressive journalism.<br />

– S. 197 – 216<br />

Kim, Pyungho; Sawhney, Harmeet: A machine-like<br />

new medium: theoretical examination<br />

of interactive TV. – S. 217 – 234<br />

Hope, Wayne: Whose all blacks?. – S. 235 – 254<br />

Abramson, Bram Dov: Country music and cultural<br />

industry: mediating structures in transnational<br />

media flow. – S. 255 – 274<br />

Media Perspektiven<br />

(2001) Nr 12<br />

Vogel, Andreas: Onlinestrategien der Pressewirtschaft:<br />

Bestandsaufnahme des Onlineengagements<br />

der großen Zeitungs- und Zeitschriftenverlage.<br />

– S. 590 – 601<br />

Schütz, Walter J.: Deutsche Tagespresse 2001:<br />

Trotz Bewegung im Markt keine wesentliche<br />

Erweiterung des publizistischen Angebots. –<br />

S. 602 – 632<br />

Schütz, Walter J.: Redaktionelle und verlegerische<br />

Struktur der deutschen Tagespresse:<br />

Übersicht über den Stand 2001. – S. 633 – 642<br />

(2002) Nr 1<br />

Müller, Dirk K.: Nutzungsmessung des Radios:<br />

Uhr oder Ohr?: erfüllen Radiometersysteme<br />

die Anforderungen an die Erhebung der<br />

Hörfunknutzung?. – S. 2 – 8<br />

Feierabend, Sabine; Klingler, Walter: <strong>Medien</strong>und<br />

Themeninteressen Jugendlicher: Ergebnisse<br />

der JIM-Studie 2001 zum <strong>Medien</strong>umgang<br />

Zwölf- bis 19-Jähriger. – S. 9 – 21<br />

Oehmichen, Ekkehardt: Offliner 2001: Internetverweigerer<br />

und potenzielle Nutzer: ein<br />

Abschätzungsversuch der mittelfristigen Onlineverbreitung.<br />

– S. 22 – 33<br />

Woldt, Runar: Konturen des digitalen Kabelmarkts:<br />

sind Vielfalt und offener Zugang gewährleistet?.<br />

– S. 34 – 49


(2002) Nr 2<br />

Frey-Vor, Gerlinde; Gerhard, Heinz; Mende,<br />

Annette: Daten der <strong>Medien</strong>nutzung in Ostund<br />

Westdeutschland: Ergebnisse von 1992 bis<br />

2001 im Vergleich. – S. 54 – 69<br />

Frey-Vor, Gerlinde; Gerhard, Heinz; Mohr,<br />

Inge: Mehr Unterschiede als Annäherung: Informationsnutzung<br />

von Ost- und Westdeutschen:<br />

Einstellungen und Erwartungen. – S. 70<br />

– 76<br />

Krüger, Udo Michael: Politikvermittlung im<br />

Fernsehen: ARD, ZDF, RTL, Sat.1 und Pro-<br />

Sieben im Vergleich. – S. 77 – 87<br />

Eckhardt, Josef; Mohr, Inge; Windgasse, Thomas:<br />

<strong>Medien</strong>nutzung bei Kindern: Radio im<br />

Abseits?: Ergebnisse einer Repräsentativbefragung<br />

in Berlin/Brandenburg und Nordrhein-<br />

Westfalen. – S. 88 – 104<br />

medien + erziehung<br />

Jg 46 (2002) Nr 2<br />

Körner, Sven: Den Body checken: Versuch<br />

über den Körper in <strong>Medien</strong>, Sport und Bio<strong>wissenschaft</strong>en.<br />

– S. 78 – 82<br />

Bieber, Christoph: Der Körper als Kapitalanlage:<br />

Politiker in alten und neuen <strong>Medien</strong>. – S. 83<br />

– 88<br />

Hahn, Kornelia: Körperrepräsentation in der<br />

<strong>Medien</strong>gesellschaft. – S. 89 – 94<br />

Weyland, Beate: Eine noch junge Disziplin:<br />

<strong>Medien</strong>pädagogik in Italien. – S. 111 – 117<br />

Hüther, Jürgen: Wegbereiter der <strong>Medien</strong>pädagogik<br />

(4): Martin Keilhacker (1894 – 1989).<br />

– S. 118-121<br />

<strong>Medien</strong> praktisch<br />

Jg 26 (2002) Nr 1<br />

Kübler, Hans-Dieter: 50plus – aber kaum älter:<br />

„Senioren“ und <strong>Medien</strong>. – S. 4 – 8<br />

Der Beitrag befasst sich mit der Rolle der über Fünfzigjährigen<br />

als Zielgruppe und Marktsegment, ihrer<br />

Darstellung in den <strong>Medien</strong> sowie ihrer <strong>Medien</strong>nutzung.<br />

Trotz ihres hohen Kaufkraftpotenzials und der<br />

vergleichsweise intensiven <strong>Medien</strong>nutzung wird den<br />

Senioren in den <strong>Medien</strong> vergleichsweise wenig Bedeutung<br />

geschenkt und ein sehr stereotypes Bild der Altersgruppe<br />

gezeichnet.<br />

Gast, Wolfgang: Die Ausgegrenzten: <strong>Medien</strong>und<br />

Werbeangebote und die 50+-Generation. –<br />

S. 9 – 13<br />

Zeitschriftenlese<br />

Stadelhofer, Carmen: www.senioren: Interneterschließung<br />

– auch für ältere Erwachsene!. –<br />

S. 14 – 18<br />

Das Internet bietet auch oder insbesondere für ältere<br />

Menschen vielfältige Möglichkeiten. Häufig fehlt es<br />

jedoch an Zugangsmöglichkeiten und medienpädagogischen<br />

Konzepten, um das Medium dieser Zielgruppe<br />

näher zu bringen. Die Autorin stellt in ihrem Beitrag<br />

verschiedene erfolgreiche Projekte vor (z.B. Senior-Info-Mobil,<br />

Senior-Internet-Cafés), weist aber<br />

auch auf Probleme und Bedarfe hin und zeigt konkrete<br />

Handlungsoptionen auf. Hierzu zählen u.a. der<br />

Aufbau von Kompetenz-Netzwerken, Maßnahmen<br />

zur Qualifizierung und Weiterbildung und der Aufund<br />

Ausbau von „regionalen Servicepoints“, an denen<br />

sich Seniorinnen und Senioren beim Einstieg ins Internet<br />

gegenseitig unterstützen.<br />

Stadelhofer, Carmen; Carls, Christian: Virtuelle<br />

Selbstlerngruppen: neue Anforderungen in<br />

der allgemeinen Weiterbildung für Ältere. –<br />

S. 19 – 22<br />

Die Autoren skizzieren verschiedene Projekte zum<br />

Selbstlernen, die vom Zentrum für Allgemeine Wissenschaftliche<br />

Weiterbildung der Universität Ulm<br />

(ZAWiW) in Kooperation mit älteren Menschen initiiert<br />

und durchgeführt wurden. Die sich daraus entwickelten<br />

Anschlussprojekte wie z.B. das „Virtuelle<br />

Lernnetzwerk für ältere Erwachsene (ViLE)“ machen<br />

deutlich, dass in diesem Bereich eine große Nachfrage<br />

seitens der Seniorinnen und Senioren besteht.<br />

Flueren, Hanns J.; Klein, Marion; Redetzki-<br />

Rodermann, Heidrun: Das Altersbild der deutschen<br />

Daily Soaps: Ergebnisse einer quantitativ-qualitativen<br />

Untersuchung. – S. 23 – 27<br />

Barthelmes, Jürgen: „Im Meer der Bilder tauche<br />

ich immer wieder auf“: was suchen die Jugendlichen<br />

in den <strong>Medien</strong>?: Ergebnisse einer<br />

Längsschnittstudie. – S. 28 – 33<br />

Vor dem Hintergrund einer Längsschnittstudie zu<br />

den „<strong>Medien</strong>erfahrungen von Jugendlichen“ beschäftigt<br />

sich der Autor u.a. mit der Frage, was Jugendliche<br />

in den <strong>Medien</strong> suchen. Die Ergebnisse der Studie zeigen,<br />

dass die Suche nach Sicherheit, Schutz und Stabilität<br />

nicht nur in der Adoleszenz, sondern auch in der<br />

<strong>Medien</strong>nutzung der Heranwachsenden eine bedeutende<br />

Rolle spielt: „Zur Bewältigung des heutigen Alltags<br />

gehört für Jugendliche auch dazu, Vertrautheit<br />

und Sicherheit im Umgang mit <strong>Medien</strong> zu erreichen.<br />

In der Auswahl ihrer Lieblingsfilme zeigt sich deutlich<br />

als Leitmotiv das Bedürfnis und die Suche nach Sicherheit,<br />

Verlässlichkeit und Geborgenheit.“ (S. 30)<br />

Sander, Ekkehard: Das neue Generationsverhältnis:<br />

wie <strong>Medien</strong>kompetenz in der Familie<br />

entsteht. – S. 33 – 37<br />

Ebenfalls mit Bezug auf die Längsschnittstudie „<strong>Medien</strong>erfahrung<br />

von Jugendlichen“ verweist der Autor<br />

auf die zentrale Bedeutung der Familie im Rahmen der<br />

<strong>Medien</strong>nutzung von Heranwachsenden. Auf der Basis<br />

einer Befragung von 22 Familien mit 13-/14-jährigen<br />

Kindern untersuchte der Autor die Frage, „ob in kul-<br />

449


M&K 50. Jahrgang 3/2002<br />

turellen Gemeinsamkeiten von Eltern und ihren heranwachsenden<br />

Kindern ein neues Generationsverhältnis<br />

zum Ausdruck kommt.“ (S. 34). In den Gesprächen<br />

mit den Eltern wurde deutlich, dass <strong>Medien</strong>erlebnisse<br />

eine nachhaltige Bedeutung haben und eine<br />

Verständigungsgrundlage für die <strong>Medien</strong>nutzung und<br />

Geschmacksvorlieben von Kindern und Jugendlichen<br />

bieten.<br />

Vogelgesang, Waldemar: „Wir müssen surfen<br />

lernen“: ein Beitrag zur ungleichen Internetnutzung<br />

von Stadt- und Landjugendlichen. –<br />

S. 38 – 43<br />

Wenngleich bei der Internetnutzung eine Verringerung<br />

der geschlechtsspezifischen Unterschiede festzustellen<br />

ist, bestätigen die Ergebnisse den alters- und<br />

bildungsbedingten „digital divide“ und verweisen zugleich<br />

auf deutlich Unterschiede beim Surfen: Die<br />

Jüngeren respektive diejenigen mit niedrigerem Bildungsniveau<br />

surfen vor allem aus Spaß und laden sich<br />

vorzugsweise Dateien aus dem Netz, während die<br />

Älteren bzw. die Höhergebildeten das Internet<br />

primär als Informations- und <strong>Kommunikations</strong>medium<br />

nutzen. Daneben zeigen sich auch regionale<br />

Unterschiede: „Mädchen, jüngere und vor allem auf<br />

dem Land lebende Jugendliche mit einer niedrigeren<br />

Bildung haben einen deutlichen Nachholbedarf.“<br />

(S. 41) Der Autor plädiert in diesem Zusammenhang<br />

für die Förderung von <strong>Medien</strong>kompetenz durch<br />

subjektorientierte Formen aktiver <strong>Medien</strong>arbeit, „ansonsten<br />

ist zu befürchten, dass neue soziale Verwerfungen,<br />

entstehen bzw. vorhandene vertieft werden.“<br />

(S. 42)<br />

Grunder, Hans-Ulrich: Mädchen und <strong>Medien</strong>:<br />

geschlechtsspezifisch innovative Schulprojekte<br />

im Bereich der Neuen <strong>Medien</strong>. – S. 44 – 47<br />

Der Autor resümiert die Evaluationsergebnisse verschiedener<br />

<strong>Medien</strong>projekte zur geschlechtsspezifischen<br />

Nutzung Neuer <strong>Medien</strong>, die in Baden-Württemberg<br />

durchgeführt wurden. Im Mittelpunkt steht<br />

die Frage nach motivierenden Unterrichtsmaßnahmen<br />

und die Realisierungsmöglichkeiten medienpädagogischer<br />

Konzepte. Befragt wurden die Beteiligten<br />

von 10 erfolgreich durchgeführten Projekten. Obwohl<br />

gleich vorweg betont wird, dass die Studie eindeutig<br />

die Nutzung von medienpädagogischen<br />

Projekten für Mädchen belege, zeigt der Beitrag, dass<br />

nicht nur monoedukativ angelegte, sondern auch koedukative<br />

Projekte gewinnbringend sein können. Entscheidend<br />

scheint vor allem die Sensibilität aller Beteiligten<br />

für die Thematik. Fortbildungsangebote und<br />

andere Formen der Unterstützung sind in diesem Zusammenhang<br />

von zentraler Bedeutung.<br />

Gerhard, Cordula; Pohlmann, Horst: Projekt<br />

Jumek: Vermittlung multimedialer Kompetenzen<br />

bei sozial benachteiligten Jugendlichen. –<br />

S. 47 – 49<br />

Hinter der Abkürzung „Jumek“ verbirgt sich das Projekt<br />

Jugend<strong>Medien</strong>Kompetenz des „Computerprojekts<br />

Köln“, in dessen Rahmen insbesondere benachteiligte<br />

Jugendliche im Bereich Multimedia gefördert<br />

werden sollen. Ziel ist es, durch die Zugangseröffnung<br />

zu medialen Bildungsangeboten zum einen das Selbstwertgefühl<br />

und zum anderen die Partizipationsmög-<br />

450<br />

lichkeiten, Berufs- und Lebensperspektiven von Heranwachsenden<br />

zu verbessern.<br />

Bickelhaupt, Thomas; Buschmann, Gerd: Die<br />

Erschaffung Adams in der Werbung: Michelangelos<br />

Deckenfresko der Sixtina in einem<br />

Massenmedium, Teil 1. – S. 57 – 61<br />

Mikos, Lothar: Eleven-Nine, das Fernsehen<br />

und die Folgen: Anmerkungen zur Katastrophen-<br />

und Kriegsberichterstattung. – S. 61 – 63<br />

Heidtmann, Horst: „Am coolsten sind Spiele<br />

so mit 3-D“: Multimedia im <strong>Medien</strong>alltag von<br />

Kindern und Jugendlichen. – S. 63 – 66<br />

Multimedia und Recht<br />

Jg 5 (2002) Nr 2<br />

Roßnagel, Alexander: Weltweites Internet –<br />

globale Rechtsordnung?. – S. 67 – 70<br />

„Im Internet findet ein Geschäfts- und Rechtsverkehr<br />

ohne Grenzen statt. Weit über einhundert Staaten mit<br />

jeweils eigenen Rechtsordnungen sind an das Internet<br />

angeschlossen. Daher drängt sich die Frage auf, ob ein<br />

weltweiter Geschäfts- und Rechtsverkehr mit so vielen<br />

Rechtsordnungen auskommen kann oder ob das<br />

Internet eine globale Rechtsordnung benötigt. Diese<br />

Frage soll im Folgenden zu beantworten versucht<br />

werden, indem sie in die in ihr enthaltenen Teilfragen<br />

aufgespaltet wird. Zunächst wird untersucht, ob überhaupt<br />

Regelungen im Internet benötigt werden, und<br />

hier anschließend, ob dafür eine spezifische Ordnung<br />

erforderlich ist. Weiter ist zu fragen, ob diese Ordnung<br />

als Rechtsordnung von demokratisch gewählten<br />

Gesetzgebern aufgestellt werden muss oder ob sie<br />

nicht ebenso oder gar besser in Form von Selbstregulierung<br />

oder durch Techniklösungen gefunden werden<br />

sollte. Schließlich wird die Frage beantwortet, ob<br />

eine globale Rechtsordnung benötigt wird und wie<br />

diese erreicht werden könnte.“<br />

Fischer, Martin; Galster, Rüdiger: Auswirkungen<br />

der Schuldrechtsmodernisierung auf Telekommunikationsverträge.<br />

– S. 71 – 74<br />

Sedlmeier, Tobias; Kolk, Daniel: ASP: eine vertragstypologische<br />

Einordnung. – S. 75 – 80<br />

Czychowski, Christian; Bröcker, Klaus Tim:<br />

ASP: ein Auslaufmodell für das Urheberrecht?.<br />

– S. 81 – 83<br />

Mietzel, Jan Gerd; Hero, Marco: Sittenwidriger<br />

Domainhandel: gibt es die „Hinterhaltsdomain“?.<br />

– S. 84 – 88<br />

Jg 5 (2002) Nr 3<br />

Metzger, Axel; Kreutzer, Till: Richtlinie zum<br />

Urheberrecht in der „Informationsgesellschaft“:<br />

Privatkopie trotz technischer Schutzmaßnahmen?.<br />

– S. 139 – 141


Eichmann, Daniel; Sörup, Thorsten: Das Telefongewinnspiel:<br />

zwischen Strafbarkeit und<br />

Wettbewerbsverstoß. – S. 142 – 147<br />

Bremer, Karsten: Radikal-politische Inhalte<br />

im Internet: ist ein Umdenken erforderlich?. –<br />

S. 147 – 152<br />

Der Beitrag gibt einen Überblick über bisherige und<br />

aktuelle Ansätze und Vorschläge zur Eindämmung<br />

strafbarer und radikaler politischer Inhalte und deren<br />

Erfolge bzw. Defizite. Erörtert wird auch, inwieweit<br />

eine Selbstkontrolle der Nutzer zur Eingrenzung der<br />

Verbreitung solcher Veröffentlichungen beitragen<br />

kann. Vor dem Hintergrund praktischer und rechtlicher<br />

Hindernisse bei der Durchsetzung bisheriger<br />

Ansätze schlägt der Verfasser eine Erweiterung des<br />

aktiven Personalitätsprinzips vor, wodurch deutsche<br />

Täter haftbar gemacht werden, die bislang aus dem<br />

Ausland agieren, wo sie vor den deutschen und den jeweiligen<br />

nationalen Strafverfolgungsbehördensicher<br />

sind.<br />

Hellmich, Stefanie: Location based services:<br />

datenschutzrechtliche Anforderungen. – S. 152<br />

– 158<br />

„Der Beitrag beschäftigt sich mit den datenschutzrechtlichen<br />

Anforderungen an die Erbringung von<br />

,Location Based Services’, sog. standortbasierte<br />

Dienste. Auf Grund des Zusammenwirkens verschiedener<br />

Anbieter bei der Bereitstellung dieser Dienste<br />

und des gesetzlich nicht näher geregelten Umgangs<br />

mit Standortdaten bestehen hinsichtlich der datenschutzrechtlichen<br />

Pflichten der Anbieter zahlreiche<br />

Unklarheiten. Die Richtlinie des Europäischen Parlamentes<br />

und des Rates über die Verarbeitung personenbezogener<br />

Daten und den Schutz der Privatsphäre<br />

in der elektronischen Kommunikation in der Fassung<br />

des Entwurfs der Kommission v. 12.7.2000 und der<br />

vom Rat abgeänderten Fassung v.13.11.2001 führt<br />

weit reichende Vorgaben für Anbieter ein und stellt<br />

insbesondere die bisherige Unterscheidung im deutschen<br />

Recht zwischen Anbietern von Telediensten<br />

und Anbietern von Telekommunikations(TK)-Diensten<br />

in Frage.“<br />

Multimedia und Recht, Beilage<br />

Jg 5 (2002) Nr 3<br />

Schuster, Fabian; Müller, Ulf; Drewes, Stefan:<br />

Entwicklung des Internet- und Multimediarechts<br />

von April bis Dezember 2001. – S. 1 – 44<br />

Der nach einzelnen Schwerpunktthemen gegliederte<br />

Beitrag vermittelt eine Übersicht über die in den letzten<br />

Monaten ergangenen rechts<strong>wissenschaft</strong>lichen<br />

Diskussionen und gerichtlichen wie politischen Entscheidungen<br />

in den Bereichen Telekommunikation,<br />

E-Commerce, Haftungsfragen im Internet, Domainstreitigkeiten,<br />

Urheberrecht und Datenschutz. Am<br />

Ende der einzelnen Schwerpunkte weisen die Verfasser<br />

auf die zum Thema gehörenden Entscheidungen<br />

und rechts<strong>wissenschaft</strong>lichen Beiträge hin.<br />

New media & society<br />

Jg 4 (2002) Nr 1<br />

Papacharissi, Zizi: The virtual sphere: the In-<br />

Zeitschriftenlese<br />

ternet as a public sphere. – S. 9 – 28<br />

„(...) Das Internet und verwandte Technologien haben<br />

einen neuen öffentlichen Raum für die politische Auseinandersetzung<br />

geschaffen; ob sich dieser Raum zu<br />

einer Öffentlichkeit entwickelt, hängt nach Auffassung<br />

der Verfasserin nicht von der Technologie ab.“<br />

Martinson, Anna M.; Walker Vaughan, Misha;<br />

Schwartz, Nancy: Women’s experiences of<br />

leisure: implications for design. – S. 29 – 50<br />

Vrooman, Steven S.: The art of invective: performing<br />

identity in cyberspace. – S. 51 – 70<br />

Der Verfasser untersucht das Phänomen des „Flaming“<br />

im Bereich der computervermittelten Kommunikation.<br />

Aus einer rhetorischen Perspektive ordnet er<br />

es in die Geschichte der Beschimpfungen in Kunst und<br />

Gesellschaft ein. Er wendet sich gegen die technikdeterministische<br />

Auffassung, Flaming gehe kausal auf<br />

Charakteristika der computervermittelten Kommunikation<br />

zurück. Angesichts der strategischen Orientierung<br />

verschiedener Arten von Beschimpfungen plädiert<br />

er dafür, in diesen den Ausdruck sozialer und individueller<br />

Identitätsbildung zu sehen.<br />

Spitzberg, Brian H.; Hoobler, Gregory: Cyberstalking<br />

and the technologies of interpersonal<br />

terrorism. – S. 71 – 92<br />

Winseck, Dwayne: Illusions of perfect information<br />

and fantasies of control in the information<br />

society. – S. 93 – 122<br />

Political Communication<br />

Jg 19 (2002) Nr 1<br />

Goldstein, Ken; Freedman, Paul: Lessons<br />

learned: campaign advertising in the 2000 elections.<br />

– S. 5 – 28<br />

Valentino, Nicholas A.; Traugott, Michael W.;<br />

Hutchings, Vincent L.: Group cues and ideological<br />

constraint: a replication of political advertising<br />

effects studies in the lab and in the<br />

field. – S. 29 – 48<br />

Althaus, Scott L.; Nardulli, Peter F.: Candidate<br />

appearances in presidential elections, 1972 –<br />

2000. – S. 49 – 72<br />

Cappella, Joseph N.; Price, Vincent; Nir,<br />

Lilach: Argument repertoire as a reliable and<br />

valid measure of opinion quality: electronic<br />

dialogue during campaign 2000. – S. 73 – 94<br />

Price, Vincent; Cappella, Joseph N.; Nir,<br />

Lilach: Does disagreement contribute to more<br />

deliberative opinion?. – S. 95 – 112<br />

Hall Jamieson, Kathleen; Waldmann, Paul: The<br />

morning after: the effect of the network call for<br />

Bush. – S. 113 – 118<br />

451


M&K 50. Jahrgang 3/2002<br />

Public Opinion Quarterly<br />

Jg 65 (2001) Nr 4<br />

Bishop, George; Smith, Andrew: Response-order<br />

effects and the early Gallup split-ballots. –<br />

S. 479 – 505<br />

Canache, Damarys; Mondak, Jeffery J.; Seligson,<br />

Mitchell A.: Meaning and measurement<br />

in cross-national research on satisfaction with<br />

democracy. – S. 506 – 528<br />

Epstein, Joan Faith; Ripley Parker, Peggy;<br />

Kroutil, Larry A.: Mode effects in self-reported<br />

mental health data. – S. 529 – 549<br />

TelevIZIon<br />

Jg 14 (2001) Nr 2<br />

Kübler, Hans-Dieter: Vom Fernsehkindergarten<br />

zum multimedialen Kinderportal. – S. 4 – 17<br />

„Die Wünsche der Kinder an ihr bevorzugtes Medium<br />

Fernsehen sind von Beginn an bis heute eher gleich geblieben.<br />

Sie wollen Spaß haben, unterhalten werden<br />

und hin und wieder auch etwas lernen. Ein kaum noch<br />

zu überblickender „<strong>Medien</strong>betrieb“ – zuständig für<br />

das Kinderfernsehen – hat sich hieran abgearbeitet.“<br />

Liedemann, Dieter: Kinderfernsehen zwischen<br />

Fantasie und Pädagogik: Notizen zum Kinderfernsehen<br />

in der DDR. – S. 18 – 22<br />

Erlinger, Hans Dieter: Notizen zum goldenen<br />

Zeitalter des Angebotsfernsehens für Kinder. –<br />

S. 23 – 26<br />

Löhr, Paul: Gut geträumt ist halb gewonnen:<br />

die Träume der Kinderfernseh-Schaffenden. –<br />

S. 27 – 30<br />

„Das Kinderfernsehen in Deutschland wurde bei seinem<br />

Start von Idealisten gestaltet, die daran gingen,<br />

die Wirkmächtigkeit dieses Mediums inhaltlich, ästhetisch<br />

und dramatisch zu nutzen, um Kinder zu fördern.“<br />

Mikos, Lothar: Fantasiewelten und Fantasiegeschichten:<br />

Ästhetik des Kinderfernsehens und<br />

die Erinnerungen junger Erwachsener. – S. 31 –<br />

37<br />

„Kinder entnehmen dem Fernsehen symbolisches<br />

Material, um ihre Fantasien ästhetisch zu gestalten.<br />

Die Programme des Kinderfernsehens gehen zu wenig<br />

auf diese Bedürfnisse ein.“<br />

Müller, Susanne: Als Maja mit Timm Thaler in<br />

der Kiste rappelte: Kinderprogrammredakteure<br />

sind keine Träumer. – S. 38 – 41<br />

Müntefering, Gert K.: Die Träume der ARD<br />

zum Kinderfernsehen: eine notwendigerweise<br />

wache Betrachtung. – S. 42 – 43<br />

452<br />

Albers, Margret: Hauptsache bunt?: ein kurzer<br />

Überblick über die Entwicklung des Kinderfernsehens<br />

privater TV-Sender. – S. 44 – 46<br />

TMR<br />

Jg 54 (2002) Nr 1<br />

Tschoepe, Sven: Jurisdictional and choice-oflaw-aspects<br />

of mobile commerce and mobile<br />

services, Part II. – S. 5 – 13<br />

Kugelmann, Dieter: Völkerrechtliche Mindeststandards<br />

für die Strafverfolgung im Cyberspace:<br />

die Cyber-Crime Konvention des Europarates.<br />

– S. 14 – 23<br />

Heisz, Janina: Rough justice: zur Uniform Dispute<br />

Resolution Policy der ICANN. – S. 24 –<br />

33<br />

Tolley’s Communications Law<br />

Jg 7 (2002) Nr 1<br />

Osborne, Dawn; Palmer, Steve: To register or<br />

not to register, that is the question?: domain<br />

name registration strategy. – S. 3 – 8<br />

Davies, Clive: Software licensing in the 21stcentury.<br />

– S. 8 – 13<br />

Johnson, Karen: The legality of prize competitions:<br />

could it be you?. – S. 13 – 15<br />

Trends in Communication<br />

Jg 31 (2001) Nr 8<br />

Scarbrough, Harry; Swan, Jacky: Knowledge<br />

communities and innovation. – S. 7 – 20<br />

Sole, Deborah; Huysman, Marleen: Knowledge,<br />

practice and the role of location: a community<br />

of practice perspective. – S. 21 – 36<br />

Hippel, Eric von: Innovation by User Communities.<br />

– S. 37 – 44<br />

Broendsted, Jens; Elkjaer, Bente: Learning with<br />

ICT in communities of practice. – S. 45 – 63<br />

Asensio, Mireia; Hodgson, Vivien: Virtual<br />

communities in education: culture or cultural<br />

artifact?. – S. 65 – 76<br />

Huysman, Marleen; Baalen, Peter van: Knowledge<br />

sharing, communities, and social capital:<br />

a relational base of knowledge management. –<br />

S. 77 – 90


Zeitschrift für <strong>Medien</strong>psychologie<br />

Jg 14 (2002) Nr 1<br />

Schiffer, Kathrin; Ennemoser, Marco; Schneider,<br />

Wolfgang: Die Beziehung zwischen dem<br />

Fernsehkonsum und der Entwicklung von<br />

Sprach- und Lesekompetenzen im Grundschulalter<br />

in Abhängigkeit von der Intelligenz.<br />

– S. 2 – 13<br />

Knobloch, Silvia; Zillmann, Dolf; Gibson,<br />

Rhonda: Effects of salient news items on information<br />

acquisition and issue perception. – S. 14<br />

– 22<br />

Dumont, Kitty; Neumann, Jörg; Frindte,<br />

Wolfgang: Determinanten der E-Mail-Nutzung<br />

bei Wissenschaftlern. – S. 23 – 33<br />

Krämer, Nicole C.: <strong>Medien</strong>psychologische<br />

Methoden: können virtuelle Helfer uns wirklich<br />

helfen?: Verfahren zur Evaluation von anthropomorphenMensch-Technik-Schnittstellen.<br />

– S. 34 – 37<br />

ZUM<br />

Jg 46 (2002) Nr 2<br />

Schwarze, Jürgen: Grenzen der Harmonisierungskompetenz<br />

der EG im Presserecht: zugleich<br />

eine Anmerkung zum zweiten Vorschlag<br />

der Kommission über eine Tabakwerbe-Richtlinie<br />

vom 30. Mai 2001. – S. 89-96<br />

Der Autor setzt sich mit der Frage auseinander, inwieweit<br />

die von der Europäischen Kommission vorgeschlagene<br />

Tabakwerbe-Richtlinie von den Kompetenzen<br />

der Europäischen Gemeinschaft gedeckt ist.<br />

Hierzu werden zunächst die relevanten Passagen aus<br />

dem Urteil des EuGH zum Tabakwerbeverbot dargestellt,<br />

und im Anschluss wird die Reichweite der<br />

Kompetenz der Gemeinschaft zu presserechtlichen<br />

Regelungen unter Einbeziehung auch der vom Gerichtshof<br />

nicht berücksichtigten Gesichtspunkte untersucht.<br />

Der Beitrag geht dabei insbesondere auf die<br />

Frage ein, ob sich aus der Tatsache, dass der Pressemarkt<br />

nur in geringem Maße grenzüberschreitenden<br />

Charakter aufweist, Einschränkungen für die Regelungskompetenz<br />

der Gemeinschaft ergeben. Das Ergebnis<br />

der Untersuchung lautet, dass die Kommission<br />

mit ihrem Richtlinienvorschlag vom 30.5.2001 über<br />

ein gemeinschaftsweites Verbot der Tabakwerbung<br />

die Grenzen der Kompetenzen der Europäischen Gemeinschaft<br />

überschritten habe.<br />

Görlitz, Niklas: Tabakwerbung und Europa:<br />

im zweiten Anlauf endlich am Ziel?: der Vorschlag<br />

der Kommission für eine Richtlinie über<br />

Werbung und Sponsoring zu Gunsten von Tabakerzeugnissen<br />

und dessen Vereinbarkeit mit<br />

primären Gemeinschaftsrecht. – S. 97 – 105<br />

Gersdorf, Hubertus: <strong>Medien</strong>rechtliche Anfor-<br />

Zeitschriftenlese<br />

derungen an die Veranstaltung privater Vollprogramme<br />

unter besonderer Berücksichtigung<br />

des Merkmals der Information. – S. 106 –<br />

113<br />

Dem Beitrag liegt ein Rechtsgutachten zu Grunde, das<br />

der Verfasser im Auftrag des Verbandes Privater<br />

Rundfunk und Telekommunikation e.V. (VPRT) erstellt<br />

hat. Hintergrund der Untersuchung ist der von<br />

Verantwortlichen der Rundfunkaufsicht und von<br />

sonstigen Kreisen erhobene Vorwurf, (einzelne) private<br />

Rundfunkveranstalter erfüllten kaum noch ihre<br />

Verpflichtung als Vollprogrammveranstalter (etwa<br />

wegen eines schwindenden „Politikanteils“). Bei einem<br />

Vollprogramm handelt es sich laut Rundfunkstaatsvertrag<br />

um ein Rundfunkprogramm mit vielfältigen<br />

Inhalten, in welchem Information, Bildung, Beratung<br />

und Unterhaltung einen wesentlichen Teil des<br />

Gesamtprogramms bilden. Der Autor kommt unter<br />

anderem zu dem Ergebnis, dass eine Gleichsetzung<br />

des Begriffs der Information mit der Berichterstattung<br />

über Politik im Rundfunkstaatsvertrag keine Stütze<br />

finde. Der einfachgesetzliche Informationsbegriff sei<br />

inhaltsneutral und betreffe die Berichterstattung über<br />

alle Lebensbereiche. Die Elemente „Information, Bildung,<br />

Beratung und Unterhaltung“ bezögen sich allein<br />

auf die Art und Weise der Vermittlung von Inhalten;<br />

sie seien reine Darstellungsformen. Die von dem<br />

Gesetzgeber gewählten Begriffsbestimmungen seien<br />

daher ungeeignet, die intendierte Abgrenzung zwischen<br />

Voll- und Spartenprogrammen vorzunehmen.<br />

Freys, Alexander: Zur Zulässigkeit von beschreibenden<br />

Domains im Internet: Anmerkung<br />

zum Urteil des BGH „Mitwohnzentrale.de“.<br />

– S. 114 – 118<br />

Reinwald, Gerhard: Jugendmedienschutz im<br />

Telekommunikationsbereich in Bundeskompetenz?:<br />

verfassungsrechtliche Überlegungen<br />

im Umfeld des Art. 74 Abs. 1Nr. 7 GG. – S. 119<br />

– 125<br />

Der Verfasser ist Fachreferent im Bereich Recht der<br />

Bayerischen Landeszentrale für neue <strong>Medien</strong> in München.<br />

Anlässlich der geplanten neuen Jugendschutzregelungen<br />

auf der Ebene des Bundes und der Ebene der<br />

Länder (dort in Form des Jugendmedienschutzstaatsvertrags)<br />

geht der Verfasser der Frage der Regelungskompetenzen<br />

in diesem Bereich nach. Er untersucht,<br />

inwieweit sich eine Kompetenz des Bundes aus Art. 74<br />

Abs. 1 Nr. 7 GG („öffentliche Fürsorge“) herleiten<br />

lässt. Das Ergebnis lautet, dass dem Bund „zumindest<br />

keine Kompetenz im Bereich der elektronischen <strong>Medien</strong>“<br />

zugesprochen werden könne.<br />

Hopf, Kristina: Zwischen Intendantenbefugnis<br />

und Zensurverbot: Jugendschutz in privaten<br />

Rundfunkangeboten in Bayern: Tagungsbericht<br />

zum 4. BLM-Symposion <strong>Medien</strong>recht<br />

2001. – S. 126 – 130<br />

Jg 46 (2002) Nr 3<br />

Rehbinder, Manfred; Schmaus, Stefan: Rechtsfragen<br />

beim E-Book-Verlagsvertrag: zugleich<br />

453


M&K 50. Jahrgang 3/2002<br />

ein Beitrag zum einhundertsten Jahrestag des<br />

Inkrafttretens des Gesetzes über das Verlagsrecht<br />

am 1. Januar 2002. – S. 167 – 170<br />

Becker, Bernhard von: Vertrieb von Verlagserzeugnissen.<br />

– S. 171 – 181<br />

Schaefer, Klaus; Kreile, Johannes; Gerlach,<br />

Sascha: Nationale Filmförderung: Einfluss und<br />

Grenzen des europäischen Rechts. – S. 182 –<br />

193<br />

454<br />

Pfennig, Gerhard: Die Harmonisierung des<br />

Folgerechts in der EU. – S. 194 – 201<br />

Müller, Tobias: Konkurrenz von Einwilligungsberechtigten<br />

in der Neufassung des § 22<br />

KUG: zugleich Besprechung von OLG München<br />

ZUM 2001, 708. – S. 202 – 204<br />

Kläver, Magdalene: Vermögensrechtliche Aspekte<br />

des zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts.<br />

– S. 205 – 209


Literaturverzeichnis<br />

11 Bibliographien. Lexika<br />

12 Jahrbücher. Geschäftsberichte<br />

21 <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong> und -forschung<br />

22 Journalismus. <strong>Medien</strong>berufe<br />

23 Publizistische Persönlichkeiten<br />

24 <strong>Medien</strong>institute<br />

31 Kommunikation<br />

32 <strong>Kommunikations</strong>politik<br />

33 Lokalkommunikation. Bundesländer<br />

41 Massenkommunikation Politik<br />

42 Massenkommunikation Gesellschaft<br />

43 Massenkommunikation Kultur<br />

11 Bibliographien. Lexika<br />

Hörfunk und Fernsehen: Aufsatznachweis aus<br />

Zeitschriften und Sammelwerken; Jahresband<br />

2001. – Köln: WDR, 2002. – 369 S.<br />

21 <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong> und<br />

-forschung<br />

Einführung in die <strong>Medien</strong><strong>wissenschaft</strong>: Konzeptionen,<br />

Theorien, Methoden, Anwendungen/Rusch,<br />

Gebhard (Hrsg.). – Wiesbaden:<br />

Westdeutscher, 2002. – 393 S.<br />

Einführung in die Publizistik<strong>wissenschaft</strong>/Jarren,<br />

Otfried; Bonfadelli, Heinz (Hrsg.). – Wien:<br />

Haupt, 2001. – 538 S.<br />

How to publish your communication research:<br />

an insider’s guide/Alexander, Alison; Potter,<br />

James (Hrsg). – London: Sage, 2001. –<br />

161 S.<br />

22 Journalismus. <strong>Medien</strong>berufe<br />

Ehmig, Simone Christine: Generationswechsel<br />

im deutschen Journalismus: zum Einfluß historischer<br />

Ereignisse auf das journalistische<br />

Selbstverständnis. – Freiburg: Alber, 2000. –<br />

388 S. (Alber-Reihe Kommunikation; 26)<br />

Foerstel, Herbert N.: From Watergate to Monicagate:<br />

ten controversies in modern journalism<br />

and media. – Westport: Greenwood Pr.,<br />

2001. – 279 S.<br />

Jogschies, Rainer: Emotainment – Journalismus<br />

am Scheideweg: der Fall Sebnitz und seine<br />

Folgen. – Münster: Lit, 2001. – 182 S. (Journalismus:<br />

Theorie und Praxis; 1)<br />

51 Telekommunikation. Informationsgesellschaft<br />

52 Neue Technologien. Multimedia<br />

61 Internationale Kommunikation<br />

62 Europa Kommunikation<br />

71 Massenmedien, allgemein<br />

72 <strong>Medien</strong> Bildung<br />

73 <strong>Medien</strong> Ökonomie<br />

74 <strong>Medien</strong> Recht<br />

75 Rundfunk<br />

76 Werbung<br />

81 Publikum. <strong>Medien</strong>nutzung<br />

82 Rezeptionsforschung<br />

83 Kinder Jugendliche <strong>Medien</strong><br />

91 Literatur zu einzelnen Ländern<br />

Journalistenausbildung für eine veränderte <strong>Medien</strong>welt:<br />

Diagnosen, Institutionen, Projekte/<br />

Altmeppen, Klaus-Dieter; Hömberg, Walter<br />

(Hrsg.). – Wiesbaden: Westdt. Verl., 2002. –<br />

190 S.<br />

Die Kultur der <strong>Medien</strong>: Untersuchungen zum<br />

Rollen- und Funktionswandel des Kulturjournalismus<br />

in der <strong>Medien</strong>gesellschaft/ Haller,<br />

Michael (Hrsg.). – Münster: LIT Verl., 2002. –<br />

234 S. (<strong>Medien</strong>: Forschung und Wissenschaft; 1)<br />

Leschke, Rainer: Einführung in die <strong>Medien</strong>ethik.<br />

– München: Fink, 2001. – 385 S. (UTB für<br />

Wissenschaft; 2250)<br />

Markel, Mike: Ethics in technical communication:<br />

a critique and synthesis. – Westport: Ablex<br />

Publ., 2001. – 262 S.<br />

<strong>Medien</strong>ethik zwischen Theorie und Praxis:<br />

Normen für die <strong>Kommunikations</strong>gesellschaft/<br />

Schicha, Christian; Brosda, Carsten (Hrsg.). –<br />

Münster: Lit Verl., 2000. – 223 S. (ikö-Publikationen;<br />

2)<br />

<strong>Medien</strong>sprache – <strong>Medien</strong>kritik/ Breuer, Ulrich;<br />

Korhonen, Jarmo (Hrsg.). – Frankfurt: Lang,<br />

2001. – 386 S. (Finnische Beiträge zur Germanistik;<br />

4)<br />

Wortverbunden – zeitbedingt: Perspektiven<br />

der Zeitschriftenforschung/Hackl, Wolfgang;<br />

Krolop, Kurt (Hrsg.). – Innsbruck: Studien-<br />

Verl., 2001. – 344 S<br />

24 <strong>Medien</strong>institute. Bibliotheken. Datenbanken<br />

Vernetzungen: Archivdienstleistungen in Presse,<br />

Rundfunk und Online-<strong>Medien</strong>/ Englert,<br />

Marianne; Lange, Eckhard Schmitt, Heiner<br />

455


M&K 50. Jahrgang 3/2002<br />

(Hrsg.). – Hamburg: Lit, 2001. – 302 S. (Beiträge<br />

zur <strong>Medien</strong>dokumentation; 5)<br />

31 Kommunikation<br />

Bildschirm – <strong>Medien</strong> – Theorien/Gendolla, Peter;<br />

Ludes, Peter; Roloff, Volker (Hrsg.). –<br />

München: Fink, 2001. – 183 S.<br />

Faßler, Manfred: Netzwerke: Einführung in<br />

die Netzstrukturen, Netzkulturen und verteilte<br />

Gesellschaftlichkeit. – München: Fink, 2001.<br />

– 324 S.<br />

Kommunikation im Gespräch: Festschrift für<br />

Franz R. Stuke/ Kruck, Peter (Hrsg.). – Münster:<br />

Daedalus-Verl., 2002. – 253 S. (Kommunikation<br />

im Gespräch; 4)<br />

33 Lokalkommunikation. Bundesländer<br />

Burkhardt, Wolfgang: Ein Medium setzt sich<br />

durch – Das lokale Fernsehen in Thüringen:<br />

Reichweite und Akzeptanz. – München:<br />

KoPäd Verl., 2002. – 132 S. (TLM-Schriftenreihe;<br />

14)<br />

Wichert, Lothar: Radioprofile in Berlin-Brandenburg:<br />

die privaten und zwei öffentlichrechtliche<br />

Programme im Vergleich. – Berlin:<br />

Vistas, 2002. – 121 S. (Schriftenreihe der<br />

MABB; 14)<br />

41 Massenkommunikation Politik<br />

Bellers, Jürgen: Politische Ökonomie der <strong>Medien</strong>.<br />

– Münster: Lit, 2002. – 119 S. (Einführungen<br />

Politik; 3)<br />

Eilders, Christiane: Conflict and Consonance<br />

in Media Opinion: Political Positions of five<br />

German Quality Newspapers. – Berlin: Wissenschaftszentrum<br />

für Sozialforschung, 2001. –<br />

34 S. (WZB Discussion Paper; P 01-702)<br />

Kriesi, Hanspeter: Die Rolle der Öffentlichkeit<br />

im politischen Entscheidungsprozess. – Berlin:<br />

Wissenschaftszentrum für Sozialforschung,<br />

2001. – 62 S. (WZB Discussion Paper; P 01-701)<br />

Public information campaigns and opinion research:<br />

a handbook for the Student & Practitioner/<br />

Klingemann, Hans-Dieter; Römmele,<br />

Andrea (Hrsg.). – London: Sage, 2002. – 193 S.<br />

42 Massenkommunikation Gesellschaft<br />

Downing, John D. H.: Radical media: rebellious<br />

communication and social movements. –<br />

London: Sage, 2001. – 426 S.<br />

456<br />

43 Massenkommunikation Kultur<br />

Bock, Wolfgang: Bild – Schrift – Cyberspace:<br />

Grundkurs <strong>Medien</strong>wissen. – Bielefeld: Aisthesis<br />

Verl., 2002. – 262 S.<br />

Frey, Siegfried: Die Macht des Bildes: der Einfluß<br />

der nonverbalen Kommunikation auf Kultur<br />

und Politik. – Bern: Huber, 1999. – 173 S.<br />

Kommunikation visuell: das Bild als Forschungsgegenstand<br />

– Grundlagen und Perspektiven/Knieper,<br />

Thomas; Müller, Marion<br />

G. (Hrsg.). – Köln: Halem, 2001. – 283 S.<br />

Prix Europa: Yearbook 2001. – Berlin: Prix Europa,<br />

2001. – 195 S.<br />

Straßner, Erich: Text-Bild-Kommunikation,<br />

Bild-Text-Kommunikation. – Tübingen: Niemeyer,<br />

2002. – 106 S. (Grundlagen der <strong>Medien</strong>kommunikation;<br />

13)<br />

Wohlfromm, Anja: Museum als Medium –<br />

Neue <strong>Medien</strong> in Museen: Überlegungen zu<br />

Strategien kultureller Repräsentation und ihre<br />

Beeinflussung durch digitale <strong>Medien</strong>. – Köln:<br />

Halem, 2002. – 139 S. (Forum neue <strong>Medien</strong>; 2)<br />

51 Telekommunikation. Informationsgesellschaft<br />

Convergence of telecommunications and<br />

broadcasting in Japan, United Kingdom and<br />

Germany: technological change, public policy<br />

and market structure/Nakamura, Kiyoshi; Agata,<br />

Koichiro (Hrsg.). – Richmond: Curzon Pr.,<br />

2001. – 159 S.<br />

Holznagel, Bernd; Grünwald, Andreas; Hanßmann,<br />

Anika: Elektronische Demokratie: Bürgerbeteiligung<br />

per Internet zwischen Wissenschaft<br />

und Praxis. – München: Beck, 2001. – 220<br />

S. (Information und Recht; 24)<br />

Schneider, Volker: Die Transformation der Telekommunikation:<br />

vom Staatsmonopol zum<br />

globalen Markt (1800-2000). – Frankfurt a.<br />

Main: Campus Verl., 2001. – 344 S.<br />

Stumpf, Ulrich: Prospects for Improving Competition<br />

in Mobile Roaming. – Bad Honnef:<br />

WIK, 2002. – 28 S. (Diskussionsbeiträge; 232)<br />

52 neue Technologien. Multimedia<br />

Brandl, Annette: Webangebote und ihre Klassifikation:<br />

Typische Merkmale aus Expertenund<br />

Rezipientenperspektive. – München: R.<br />

Fischer, 2002. – 176 S. (Angewandte <strong>Medien</strong>forschung;<br />

21)


Chat-Kommunikation: Sprache, Interaktion,<br />

Sozialität & Identität in synchroner computervermittelter<br />

Kommunikation: Perspektiven auf<br />

ein interdisziplinäres Forschungsfeld/Beisswenger,<br />

Michael (Hrsg.). – Stuttgart: ibidem-<br />

Verl., 2002. – 552 S.<br />

Lee, Hwa-Haeng: Deutsche TV-Anbieter im<br />

Internet: eine empirisch-analytische Untersuchung<br />

der Online-Aktivitäten von RTL und<br />

ZDF. – Hagen: ISL-Verl., 2001. – 373 S. (Bochumer<br />

Studien zur Publizistik- und <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>;<br />

97)<br />

Wer regiert das Internet?: ICANN als Fallbeispiel<br />

für Global Internet Governance/Hamm,<br />

Ingrid; Machill, Marcel (Hrsg.). – Gütersloh:<br />

Verl. Bertelsmann-Stiftung, 2001. – 498 S.<br />

71 Massenmedien, allgemein<br />

Grütter, Rolf: Knowledge media and healthcare:<br />

opportunities and challenges. – London:<br />

Idea Group Publ., 2001. – 283 S.<br />

Guttman, Nurit: Public health communication<br />

interventions: Values and ethical dilemmas. –<br />

London: Sage, 2000. – 286 S.<br />

Mass media in 2025: industries, organizations,<br />

people and nations/Thomas, Erwin K.; Carpenter,<br />

Brown H.( Hrsg.). – Westport: Greenwood<br />

Pr., 2001. – 202 S.<br />

Nawawy, Mohammed El-: The Israeli-Egyptian<br />

peace process in the reporting of western<br />

journalists. – London: Ablex Publ., 2001. – 214<br />

S.<br />

Poenicke, Anke: Afrika in deutschen <strong>Medien</strong><br />

und Schulbüchern. – St. Augustin: Konrad-<br />

Adenauer-Stiftung, 2001. – 59 S.<br />

Pütz, Susanne: Theaterereignis – Fernsehereignis:<br />

die Theaterberichterstattung im bundesdeutschen<br />

Fernsehen von 1952 bis 1995. –<br />

Frankfurt am Main: Lang, 2001. – 328 S. (<strong>Medien</strong><br />

und Fiktionen; 1)<br />

Roßmann, Constanze: Die heile Welt des Fernsehens:<br />

eine Studie zur Kultivierung durch<br />

Krankenhausserien. – München: R. Fischer,<br />

2002. – 179 S. (Angewandte <strong>Medien</strong>forschung;<br />

22)<br />

Thiele, Martina: Publizistische Kontroversen<br />

über den Holocaust im Film. – Münster: LIT<br />

Verl., 2002. – 570 S. (<strong>Medien</strong>- und <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>;<br />

1)<br />

Literaturverzeichnis<br />

72 <strong>Medien</strong> Bildung<br />

Bounin, Ingrid: Faszination digitales Radio:<br />

Beispiele multimedialer Radioproduktion im<br />

Unterricht; für alle Klassenstufen und Schularten/Ministerium<br />

für Kultus, Jugend und Sport<br />

Baden-Württemberg (Hrsg.). – Donauwörth:<br />

Auer, 2000. – 59 S.<br />

Bruner, Claudia Franziska; Winklhofer, Ursula;<br />

Zinser, Claudia: Partizipation – ein Kinderspiel?:<br />

Beteiligungsmodelle in Kindertagesstätten,<br />

Schulen, Kommunen und Verbänden. –<br />

Berlin: Dt. Jugendinstitut, 2001. – 102 S.<br />

Kobbeloer, Michael: Internetnutzung von Erzieherinnen:<br />

Darstellung und Auswertung einer<br />

Studie zur <strong>Medien</strong>kompetenz. – Berlin:<br />

Cornelsen, 2002. – 126 S.<br />

Treumann, Klaus Peter; Baacke, Dieter;<br />

Haacke, Kirsten: <strong>Medien</strong>kompetenz im digitalen<br />

Zeitalter: wie die neuen <strong>Medien</strong> das Leben<br />

und Lernen Erwachsener verändert. – Opladen:<br />

Leske + Budrich, 2002. – 480 S. (Schriftenreihe<br />

<strong>Medien</strong>forschung der LfR; 39)<br />

73 <strong>Medien</strong> Ökonomie<br />

Beschäftigte und wirtschaftliche Lage des<br />

Rundfunks in Deutschland 1999/2000: Studie<br />

des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung<br />

in Kooperation mit dem Hans-Bredow-Institut<br />

und der AG <strong>Kommunikations</strong>forschung<br />

München. – Berlin: Vistas, 2002. –<br />

268 S. (Schriftenreihe der Landesmedienanstalten;<br />

24)<br />

Doyle, Gillian: Understanding media economics.<br />

– London: Sage, 2002. – 184 S.<br />

Print contra Online?: Verlage im Internetzeitalter/<br />

Altobelli, Claudia Fantapié (Hrsg.). –<br />

München: R. Fischer, 2002. – 200 S. (Hamburger<br />

Forum <strong>Medien</strong>ökonomie; 4)<br />

Schlegel, Maike: Marketing-Instrumente für<br />

Online-Zeitungen: Gestaltungsoptionen und -<br />

praxis am Beispiel des Online-Engagements<br />

überregionaler Tageszeitungen. – München: R.<br />

Fischer, 2002. – 308 S (Reihe <strong>Medien</strong>-Skripten;<br />

38)<br />

Wirtz, Bernd W.: <strong>Medien</strong>- und Internetmanagement.<br />

– Wiesbaden: Gabler, 2001. – 571 S.<br />

74 <strong>Medien</strong> Recht<br />

Albrecht, Hans-Jörg; Hotter, Imke: Rundfunk<br />

und Pornographieverbot: eine (auch rechtsver-<br />

457


M&K 50. Jahrgang 3/2002<br />

gleichende) Untersuchung zur Reichweite des<br />

Pornographieverbots im Rundfunk im weiteren<br />

Sinne. – München: R. Fischer, 2002. – 181 S.<br />

(BLM-Schriftenreihe; 68)<br />

Ausgewählte Rechtsgrundlagen des Presseund<br />

Rundfunkrechts/Holznagel, Bernd; Vollmeier,<br />

Ines (Hrsg.). – Münster: Lit, 2001. – 225<br />

S. (Arbeitsberichte zum Informations-, Telekommunikations-<br />

und <strong>Medien</strong>recht; 9)<br />

Bernard, Claudia: Rundfunk als Rechtsbegriff:<br />

Bedeutung, Inhalt und Funktion des Rundfunkbegriffs<br />

unter besonderer Berücksichtigung<br />

der Multimediadienste. – Herbolzheim:<br />

Centaurus, 2001. – 268 S. (Aktuelle Beiträge<br />

zum Öffentlichen Recht; 6)<br />

Cannivé, Klaus: Infrastrukturgewährleistungen<br />

in der Telekommunikation zwischen Staat<br />

und Markt: eine verfassungsrechtliche Analyse<br />

des Universaldienstkonzepts im TKG. – Berlin:<br />

Duncker & Humblot, 2001. – 307 S. (Schriften<br />

zu <strong>Kommunikations</strong>fragen; 29)<br />

Ewers, Martin: Zusammenschaltung von Telekommunikationsnetzen:<br />

Entgeltbestimmunug<br />

und Kostenrechnung. – Baden-Baden: Nomos,<br />

2002. – 403 S. (Law and economics of internetional<br />

telecommunications; 47)<br />

Hoffmann-Riem, Wolfgang: <strong>Kommunikations</strong>freiheiten:<br />

Kommentierung zu Art. 5 Abs.<br />

1 und 2 sowie Art. 8 GG. – Baden-Baden: Nomos,<br />

2002. – 315 S.<br />

Internetrundfunk und Breitbanddienste im Internet:<br />

Regulierung. – Berlin: Vistas, 2002. – 51<br />

S. (LfR-Dokumentation; 19)<br />

Kammerbeschlüsse des Bundesverfassungsgerichts<br />

zu den <strong>Kommunikations</strong>freiheiten (Art.<br />

5 Abs. 1 und 2 sowie Art. 8 GG): Sammlung<br />

von Entscheidungen 1996-2001. – Baden-Baden:<br />

Nomos, 2002. – 220 S.<br />

Klein, Christina: Die Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes<br />

in der Europäischen<br />

Union: unter besonderer Berücksichtigung der<br />

Universaldienstgewährleistung in Frankreich<br />

und Deutschland. – Hamburg: Kovac, 2000. –<br />

409 S. (Schriftenreihe Studie zur Rechts<strong>wissenschaft</strong>;<br />

76)<br />

Özkan, Hüseyin: Rundfunkfreiheit in<br />

Deutschland und in der Türkei unter<br />

Berücksichtigung der Staatsferne des Rundfunks.<br />

– Frankfurt: Lang, 2002. – 461 S. (Studien<br />

zum internationalen, europäischen und öffentlichen<br />

Recht; 11)<br />

458<br />

Preuße, Thomas: Informationsdelikte im Internet.<br />

– Hamburg: Kovac, 2001. – 237 S. (Recht<br />

der neuen <strong>Medien</strong>; 2)<br />

Reinke, Peter F.: Der Zweck des Telekommunikationsgesetzes:<br />

eine öffentlich-rechtliche<br />

Untersuchung des § 1 TKG. – Frankfurt: Lang,<br />

2001. – 170 S.<br />

Roider, Claudia: Perspektiven einer europäischen<br />

Rundfunkordnung: eine Untersuchung<br />

der gemeinschaftsrechtlichen Direktiven unter<br />

besonderer Berücksichtigung des Pluralismusgebots.<br />

– Berlin: Duncker & Humblot,<br />

2001. – 327 S. (Schriften zum Europäischen<br />

Recht; 81)<br />

Schulz, Wolfgang; Held, Thorsten; Kops, Manfred:<br />

Perspektiven der Gewährleistung freier<br />

öffentlicher Kommunikation: ein interdisziplinärer<br />

Versuch unter Berücksichtigung der<br />

gesellschaftlichen Bedeutsamkeit und Marktfähigkeit<br />

neuer <strong>Kommunikations</strong>dienste. – Baden-Baden:<br />

Nomos, 2002. – 314 S. (Regulierung<br />

und Recht der Kommunikation; 1)<br />

UMTS-Lizenzvergabe: Rechtsfragen der staatlichen<br />

Versteigerung knapper Ressourcen/ Piepenbrock,<br />

H. J.; Schuster, Fabian (Hrsg.). – Baden-Baden:<br />

Nomos, 2001. – 508 S.<br />

Wagner, Christoph; Grünwald, Andreas:<br />

Rechtsfragen auf dem Weg zu DVB-T: Planungssicherheit<br />

beim Übergang zur digitalen<br />

Rundfunkübertragung. – Berlin: Vistas, 2002. –<br />

111 S. (Schriftenreihe der MABB; 12)<br />

Wolff, Stephan: Der Kontrahierungszwang im<br />

deutschen Telekommunikationsrecht. – Hamburg:<br />

Kovac, 2002. – 283 S. (Studienreihe wirtschaftliche<br />

Forschungsergebnisse; 24)<br />

75 Rundfunk<br />

Daily Talkshows: Untersuchungen zu einem<br />

umstrittenen TV-Format/Gerhards, Claudia;<br />

Möhrmann, Renate (Hrsg.). – Frankfurt: Lang,<br />

2002. – 180 S. (Studien zum Theater, Film und<br />

Fernsehen; 40)<br />

Geisler, Rainer M.: Controlling deutscher TV-<br />

Sender: Fernsehwirtschaftliche Grundlagen –<br />

Stand der Praxis – Weiterentwicklung. – Wiesbaden:<br />

DUV, 2001. – 311 S.<br />

Herbst, Maral: Demokratie und Maulkorb: der<br />

deutsche Rundfunk in Berlin zwischen Staatsgründung<br />

und Mauerbau. – Berlin: Vistas,<br />

2001. – 317 S.


Hörfunk der Zukunft: Technik, Entwicklung,<br />

Marktchancen/Gongolsky, Mario (Hrsg.). –<br />

Bonn: Mediaclinic, 2001. – 147 S.<br />

Ladler, Karl: Hörspielforschung: Schnittpunkt<br />

zwischen Literatur, <strong>Medien</strong> und Ästhetik. –<br />

Wiesbaden: DUV, 2001. – 221 S.<br />

Petri, Stephanie: Fanclubs zu ARD-Serien: ein<br />

Beitrag über mediale Kommunikation. –<br />

Frankfurt: Lang, 2002. – 249 S.<br />

Radio-Reminiszenzen: Erinnerung an RIAS<br />

Berlin/Rexin, Manfred (Hrsg.). – Berlin: Vistas,<br />

2002. – 474 S. (Schriftenreihe der MABB; 13)<br />

76 Werbung<br />

Markenmanagement: Grundfragen der identitätsorientierten<br />

Markenführung; mit Best<br />

Practice-Fallstudien/Meffert, Heribert; Burmann,<br />

Christoph; Koers, Martin (Hrsg.). –<br />

Wiesbaden: Gabler, 2002. – 680 S.<br />

Werberecht TV und Internet: Praxisorientierter<br />

Leitfaden für die werbende Industrie/<br />

SevenOne Media GmbH (Hrsg.). – München:<br />

SevenOne Media GmbH, 2001. – 269 S.<br />

81 Publikum. <strong>Medien</strong>nutzung<br />

Massenkommunikation 2000: Images und<br />

Funktionen der Massenmedien im Vergleich. –<br />

Frankfurt am Main: Media Perspektiven, 2001.<br />

– 22 S.<br />

Meyen, Michael: Hauptsache Unterhaltung:<br />

<strong>Medien</strong>nutzung und <strong>Medien</strong>bewertung in<br />

Deutschland in den 50er Jahren. – Münster: Lit,<br />

2001. – 328 S. (<strong>Kommunikations</strong>geschichte; 14)<br />

Trepte, Sabine: Der private Fernsehauftritt als<br />

Selbstverwirklichung: die Option des Auftritts<br />

als Rezeptionsphänomen und zur Konstruktion<br />

des Selbst. – München: R. Fischer, 2002. –<br />

239 S. (Reihe <strong>Medien</strong>-Skripten; 39)<br />

82 Rezeptionsforschung<br />

Schwender, Clemens: <strong>Medien</strong> und Emotionen:<br />

Evolutionspsychologische Bausteine einer <strong>Medien</strong>theorie.<br />

– Wiesbaden: DUV, 2001. – 342 S.<br />

Aufmerksamkeit, <strong>Medien</strong> und Ökonomie/<br />

Bleicher, Joan K.; Hickethier, Knut (Hrsg.). –<br />

Münster: Lit, 2002. – 226 S. (Beiträge zur <strong>Medien</strong>ästhetik<br />

und <strong>Medien</strong>geschichte; 13)<br />

Empirische Perspektiven der Rezeptionsforschung/<br />

Rößler, Patrick; Kubisch, Susanne;<br />

Gehrau, Volker (Hrsg.). – München: R. Fi-<br />

Literaturverzeichnis<br />

scher, 2002. – 211 S. (Angewandte <strong>Medien</strong>forschung;<br />

23)<br />

Miller, Toby; McHour, Alec: Popular culture<br />

and everyday life. – London: Sage, 1998. – 224<br />

S.<br />

83 Kinder Jugendliche <strong>Medien</strong><br />

50 Jahre Kinderfernsehen in Deutschland: eine<br />

Festschrift für Mensch Träume Programme/<br />

Löhr, Paul (Hrsg.). – München: Internationales<br />

Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen<br />

(IZI), 2001. – 106 S.<br />

Alles Seifenblasen?: die Bedeutung von Daily<br />

Soaps im Alltag von Kindern und Jugendlichen/Götz,<br />

Maya (Hrsg.). – München: KoPäd<br />

Verl., 2001. – 395 S.<br />

Fix, Tina Georgia: Generation @ im Chat: Hintergrund<br />

und explorative Motivstudie zur jugendlichen<br />

Netzkommunikation. – München:<br />

KoPäd Verl., 2001. – 153 S.<br />

Kähler, Daniel: Die Mediatisierung der Jugend:<br />

der kreative Umgang Jugendlicher mit <strong>Medien</strong>.<br />

– Aachen: Shaker, 2001. – 352 S.<br />

Livingstone, Sonia M.: Young people and new<br />

media: childhood and the changing media environment.<br />

– London: Sage, 2002. – 277 S.<br />

Realität maßgeschneidert – schöne, neue Welt<br />

für die Jugend?: Real-Life-Formate – Fernsehen<br />

der Zukunft oder eine Eintagsfliege?/<br />

Grimm, Petra (Hrsg.). – Berlin: Vistas, 2002. –<br />

79 S. (Schriftenreihe der NLM; 13)<br />

91 Literatur zu einzelnen Ländern<br />

Blaney, Joseph R.; Benoit, William L.: The<br />

Clinton scandals and the politics of image restoration.<br />

– Westport: Praeger Publ., 2001. –<br />

164 S.<br />

Culture and technology in the new Europe:<br />

civic discourse in transformation in post-communist<br />

nations/Lengel, Laura (Hrsg.). – Stamford:<br />

Ablex Publ., 2001. – 404 S.<br />

Cyberpath to development in Asia: issues and<br />

challenges/Rao, Sandhya; Klopfenstein, Bruce<br />

C. (Hrsg.). – London: Praeger Publ., 2001. –<br />

199 S.<br />

Hayden, Joseph: Covering Clinton: the President<br />

and the Press in the 1990s. – London:<br />

Preager Publ., 2001. – 149 S.<br />

Hillard, Robert L.: Media, education, and<br />

America’s counter-culture revolution: lost and<br />

459


M&K 50. Jahrgang 3/2002<br />

found opportunities for media impact on education,<br />

gender, race, and the arts. – Westport:<br />

Ablex Publ., 2001. – 191 S.<br />

Huff, W. A. Kelly: Regulating the future: broadcasting<br />

technology and governmental control.<br />

– Westport: Praeger Publ., 2001. – 233 S.<br />

Kieserling, Hans: Das Fernsehrecht Spaniens. –<br />

Frankfurt/M: Lang, 2002. – 588 S.<br />

460<br />

Nesemann, Katrin: <strong>Medien</strong>politik im Libanon:<br />

Regulationstendenzen nach dem Bürgerkrieg. –<br />

Hamburg: Dt. Orient-Institut, 2001. – 141 S.<br />

(Hamburger Beiträge: <strong>Medien</strong> und politische<br />

Kommunikation – Naher Osten und islamische<br />

Welt; 4)<br />

Scheuer, Jeffrey: The sound bite society: how<br />

television helps the right and hurts the left. –<br />

New York: Routledge, 2001. – 230 S.


CHRONIK<br />

Chronik der <strong>Medien</strong>entwicklung in Deutschland 2001<br />

Hermann-Dieter Schröder<br />

1. <strong>Medien</strong>regulierung (<strong>Medien</strong>politik / <strong>Medien</strong>recht)<br />

2. <strong>Medien</strong>unternehmen<br />

3. <strong>Medien</strong>angebote<br />

3.1 Presse<br />

3.2 Rundfunk<br />

3.3 Online-<strong>Medien</strong><br />

4. Werbung<br />

5. <strong>Medien</strong>nutzung<br />

1. <strong>Medien</strong>regulierung (<strong>Medien</strong>politik / <strong>Medien</strong>recht)<br />

Am 1. Januar tritt der novellierte Rundfunkstaatsvertrag1 in Kraft. Damit werden die<br />

Grundgebühr auf 5,32 Euro und die Fernsehgebühr auf 11,83 Euro monatlich erhöht.<br />

Computer mit Online-Anschluss sind bis Ende 2004 von der Rundfunkgebührenpflicht<br />

ausgenommen. Werbung ist auf den Teletext-Seiten der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten<br />

nicht mehr zugelassen. Auch das Gegendarstellungsrecht für das erste<br />

Fernsehprogramm ist neu geregelt: Es ist bei der Rundfunkanstalt durchzusetzen, die<br />

den betreffenden Beitrag zu verantworten hat.<br />

Ebenfalls am 24. Januar verkündet das Bundesverfassungsgericht sein Urteil über die<br />

Verfassungsbeschwerden von n-tv gegen das seit 1964 bestehende Verbot von Fernsehaufnahmen<br />

in Gerichtsverhandlungen. Mit einer Mehrheit von 5 : 3 Stimmen wird die<br />

Beschwerde als nicht begründet zurückgewiesen. 2<br />

Am 24. Januar entscheidet das Verwaltungsgericht Hannover, dass der Beamtenbund<br />

in der Versammlung der Niedersächsischen Landesmedienanstalt (NLM) nicht vertreten<br />

sein kann, wenn er nicht gemäß Landesmediengesetz für mindestens jede zweite<br />

Amtszeit eine Frau entsendet. Der Beamtenbund hatte geltend gemacht, dass er keine<br />

Frau habe entsenden können, weil keine der dafür vorgeschlagenen Frauen aus dem Vorstand<br />

oder den Fachverbänden bereit gewesen sei, das Mandat zu übernehmen. Das Gericht<br />

hält dem entgegen, dass es nicht darum ginge, Verbandsinteressen zu vertreten,<br />

sondern die gesellschaftliche Vielfalt zu repräsentieren. Deshalb sei die Suche nach einer<br />

Vertreterin nicht auf die Leitungsebene des Verbandes zu beschränken.<br />

Am 1. Februar wird der Streit zwischen der RTL Group und dem Leipziger Kabelnetzbetreiber<br />

Primacom beigelegt. Primacom hatte im Vorjahr begonnen, Programme<br />

wie ProSieben, RTL II und Vox nur noch gegen zusätzliches Entgelt in Digitalpaketen<br />

an Leipziger Haushalte zu verbreiten. Das Leipziger Landgericht hatte dieses Modell<br />

aus urheber- und vertragsrechtlichen Gründen bereits im Vorjahr untersagt. Gegenüber<br />

der RTL Group sichert Primacom nun zu, zunächst bis zum 31. März 2002 die Fernsehprogramme<br />

RTL, RTL II, Super RTL und Vox analog und im Basispaket primaTV<br />

auch digital zu verbreiten. Auch die Dienste von RTL New Media sollen digital verbreitet<br />

werden.<br />

1 Abgedruckt in Funkkorrespondenz 1/2001.<br />

2 Abgedruckt in epd medien 7/2002.<br />

461


M&K 50. Jahrgang 3/2002<br />

Am 26. Februar weist der Verband Privater Rundfunk und Telekommunikation<br />

(VPRT) die Forderung der Gemeinsamen Stelle Jugendschutz und Programm der Landesmedienanstalten<br />

zurück, für so genannte Reality Soaps (auch Psychoformate genannt)<br />

freiwillige Verhaltensgrundsätze aufzustellen. Auch die von Politikern geforderte<br />

Einrichtung einer Kommission zur Ethik der Programmveranstalter sei nur dazu angetan,<br />

Verantwortlichkeiten zu verwischen. Unterdessen nimmt das Interesse der<br />

Zuschauer an solchen Sendungen deutlich ab; die meisten werden im Laufe des Jahres<br />

aus wirtschaftlichen Gründen eingestellt.<br />

Am 1. März entscheidet der Bundesgerichtshof nach einem zehn Jahre andauernden<br />

Rechtsstreit, dass die ARD wegen ihrer Sendung „Tagesschau“ nicht verlangen kann,<br />

dass ähnliche Sendungstitel wie „Tagesreport“ (Sat.1) oder „Tagesbild“ (ProSieben) unterlassen<br />

werden.<br />

Am 6. März entscheidet der Bundesgerichtshof, dass Kabelnetzbetreiber bei Preiserhöhungen<br />

nicht auf die Zustimmung von Wohnungsunternehmen angewiesen sind.<br />

Eine entsprechende Vertragsklausel ist nichtig.<br />

Am 23. März weist der baden-württembergische Verwaltungsgerichtshof einen Eilantrag<br />

ab, mit dem die NPD durchsetzen wollte, dass der SWR einen von ihr produzierten<br />

fremdenfeindlichen Wahlwerbespot senden muss.<br />

Am 19. Juni entscheidet der 1. Senat des Bundesarbeitsgerichts, dass Redaktionsstatute<br />

als Bestandteil von Arbeitsverträgen zulässig sind. 3 Beim Mannheimer Morgen war<br />

1969 ein Redaktionsstatut eingeführt worden, das in der seit 1975 geltenden Fassung<br />

dem Redaktionsrat ein Mitbestimmungsrecht bei der Besetzung der Chefredaktion gab.<br />

1996 hatte der Verlag das Statut gekündigt mit der Begründung, die Vereinbarung führe<br />

zu einer Einschränkung der verlegerischen Entscheidungs- und Pressefreiheit und<br />

verstoße gegen den im Betriebsverfassungsgesetz festgelegten Tendenzschutz. Das Gericht<br />

kommt zu dem Urteil, dass das Redaktionsstatut fortbesteht und nur mit Mitteln<br />

des Arbeitsvertragsrechts beendet werden kann.<br />

Am 22. Juli beschließt die Sächsische Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue<br />

<strong>Medien</strong> (SLM) eine Beanstandung auf der Grundlage der EU-Fernsehrichtlinie wegen<br />

pornografischer Inhalte des englischen Adult Channel. Das Programm wird in Leipzig<br />

vom Kabelnetzbetreiber Primacom mit einer digitalen Vorsperre verbreitet. Die Gemeinsame<br />

Stelle Jugendschutz und Programm der Arbeitsgemeinschaft der Landesmedienanstalten<br />

hat den Pornografieverdacht der SLM bestätigt. Da das Programm in England<br />

von der ITC zugelassen ist, wird zunächst bei der EU-Kommission angefragt, ob<br />

die von der SLM geplanten Maßnahmen mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sind.<br />

Am 19. September unterzeichnen die Repräsentanten von ARD, ZDF, RTL, der<br />

Kirch-Gruppe und der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM) eine<br />

gemeinsame Erklärung der deutschen Programmveranstalter und der Landesmedienanstalten<br />

zur zügigen Einführung der Multimedia Home Platform (MHP) 4 und verpflichten<br />

sich zur Einführung der MHP als Standard für interaktives Fernsehen. Danach sollen<br />

alle neuen interaktiven Mehrwertfunktionen auf dem MHP-Standard entwickelt<br />

werden, bis zum 1.7.2002 erste Dienste im MHP-Standard angeboten werden und alle<br />

bestehenden Dienste in absehbarer Zeit auf MHP überführt werden. Auf diese Weise<br />

soll auch für die neuen Kabelnetzbetreiber eine verbindliche Vorgabe erreicht werden.<br />

3 Aktenzeichen 1 AZR 463/00.<br />

4 Abgedruckt in epd medien 76/2001.<br />

462


Schröder · Chronik 2001<br />

Am 5. November veröffentlicht die EU-Kommission eine Mitteilung über die Anwendung<br />

der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.<br />

5 Die Kommission hält daran fest, dass sie für die Kontrolle staatlicher Beihilfen<br />

auch im Rundfunkbereich zuständig ist. Ein im Juni vorgelegter Entwurf hatte gefordert,<br />

der öffentliche Versorgungsauftrag solle gesetzlich eindeutig definiert werden.<br />

ARD, ZDF und der Bundesrat hatten eingewandt, die EU sei nicht befugt, Auftrag und<br />

Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gemeinschaftsrechtlich zu definieren.<br />

Nunmehr ist nach Einschätzung deutscher <strong>Medien</strong>politiker hinreichend klargestellt,<br />

dass das in Deutschland praktizierte Verfahren der Gebührenfinanzierung nicht<br />

gegen die Regeln der EU verstößt.<br />

Mit Urteil vom 6. Dezember untersagt der Bundesgerichtshof erneut eine Anzeige der<br />

Textilfirma Benetton. Sie genießt nicht den Schutz der Meinungsäußerungsfreiheit, weil<br />

sie die Menschenwürde Aids-Kranker verletzt und damit gegen Artikel 1 des Grundgesetzes<br />

verstößt. Eine frühere Entscheidung in dieser Sache war im Vorjahr vom Bundesverfassungsgericht<br />

unter Hinweis auf die Pressefreiheit aufgehoben und zur erneuten<br />

Prüfung an den BGH zurück verwiesen worden.<br />

Am 12. Dezember beschließt das Europäische Parlament über den offenen MHP-<br />

Standard: Er wird nicht vorgeschrieben, es soll jedoch die „Interoperabilität“ von interaktiven<br />

Digital-Fernsehdiensten und entsprechenden Geräten gefördert werden.<br />

2. <strong>Medien</strong>unternehmen<br />

Die Kirch-Gruppe verkauft mit Wirkung vom 1. Januar den im Austausch gegen eine<br />

Beteiligung an KirchMedia von Rupert Murdoch erworbenen Fernsehveranstalter TM3<br />

an die Euvia Media AG & Co. KG, eine Tochtergesellschaft der H.O.T. Networks. Ziel<br />

ist ein 24-stündiges Live-Programm mit Zuschauerbeteiligung per Call-in, bei dem Erlöse<br />

nicht nur aus Werbung, sondern auch aus Transaktionen wie z. B. der gebührenpflichtigen<br />

Teilnahme an Gewinnspielen oder Votings erzielt werden sollen. Im Mai erwirbt<br />

die ProSiebenSat.1 Media AG 48,4 Prozent der Euvia Media AG.<br />

Am 11. Januar gibt die RTL Group bekannt, dass sie ihren verbliebenen 5-Prozent-<br />

Anteil an Premiere zu einem Preis von 124 Mio. Euro an KirchPayTV verkauft hat. Sie<br />

übt damit eine Option aus, die bereits im März 1999 zwischen Kirch und CLT-UFA,<br />

der Vorgängerin der RTL Group, vereinbart worden war.<br />

Die Gebühreneinzugszentrale (GEZ) teilt am 31. Januar mit, dass zwischen Ende 1998<br />

und Ende 2000 die Gebühreneinnahmen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten<br />

450 Mio. DM höher ausgefallen sind als erwartet. Die Steigerung wird auf ihre Werbekampagne<br />

und die vermehrten Anmeldungen von Empfangsgeräten zurückgeführt.<br />

Nach Schätzung der GEZ sind mehr als 95 Prozent der Haushalte in Deutschland bei<br />

ihr angemeldet. Davon sind 7,7 Prozent von der Gebührenpflicht befreit.<br />

Am 5. Februar teilt die Bertelsmann AG mit, dass sie von der Investmentgesellschaft<br />

Group Bruxelles Lambert (GBL) den 30-Prozent-Anteil an der RTL Group (Umsatz<br />

2000 ca. 8 Mrd. DM) erwirbt. Im Gegenzug erhält die GBL einen Anteil von 25,1 Prozent<br />

an dem fast viermal so großen Bertelsmann-Konzern (Umsatz 2000 ohne RTL<br />

Group ca. 30 Mrd. DM). Dieser Anteil darf nach einigen Jahren an die Börse gebracht<br />

oder an Einzelinteressenten verkauft werden, allerdings mit Vorkaufsrecht der Bertels-<br />

5 Abgedruckt in epd medien 89/2001.<br />

463


M&K 50. Jahrgang 3/2002<br />

mann AG. Damit wird die Bertelsmann-Stiftung 57,6 Prozent der Kapitalanteile an der<br />

Bertelsmann AG halten, 17,3 Prozent die Familie Mohn und 25,1 Prozent die GBL. Der<br />

Erwerb wird am 11. Mai von der Europäischen Kommission genehmigt.<br />

Am 15. März übernimmt die Kirch-Gruppe gemeinsam mit EM.TV die Mehrheit an<br />

SLEC, der Betreibergesellschaft der Formel 1-Autorennen. Vor diesem Hintergrund<br />

vereinbaren am 18. Mai fünf europäische Autohersteller, die an den Rennen mitwirken,<br />

die Gründung einer alternativen Betreibergesellschaft für Autorennen. Sie wollen sicherstellen,<br />

dass solche Rennen nicht nur im Pay-TV, sondern weiterhin im frei empfangbaren<br />

Fernsehen gezeigt werden.<br />

Am 1. Mai erklären die Musik-Konzerne BMG und EMI, die zu den fünf größten der<br />

Branche gehören, dass sie ihr Fusionsvorhaben aufgeben. Die EU-Kommission hatte<br />

eine ablehnende Haltung gezeigt. Für den Fall einer Genehmigung wurden deshalb einschneidende<br />

Auflagen der Kartellbehörde erwartet.<br />

Am 11. Mai beschließt der Verwaltungsrat des SWR eine Umstrukturierung der Fernsehproduktion.<br />

Ein Großteil der szenischen Produktionen des SWR soll künftig nicht<br />

mehr als Eigenproduktion, sondern über die Maran Film GmbH, ein gemeinsames Unternehmen<br />

des SWR und der Bavaria Film GmbH, abgewickelt werden. Im Vorfeld hatte<br />

der Bundesverband deutscher Fernsehproduzenten auf eine Protokollnotiz zum<br />

Rundfunkgebührenstaatsvertrag hingewiesen, nach der ein wesentlicher Teil der Gebührenerhöhung<br />

für die Herstellung neuer Werke durch freie Film- und Fernsehproduzenten<br />

verwendet werden soll. Die Auslagerung dürfe nicht dazu dienen, dass der<br />

SWR auf dem Umweg über Tochterunternehmen Fördermittel erhalte, die für die freie<br />

Produktionswirtschaft vorgesehen sind.<br />

Am 2. Juli stellt Kabel New Media Insolvenzantrag. Das Hamburger Unternehmen<br />

war im Jahre 2000 noch die größte Internet-Agentur Deutschlands mit rund 1.000 Mitarbeitern<br />

und 136,5 Mio. DM Umsatz.<br />

Am 4. September gibt die Deutsche Telekom den vollständigen Verkauf der Kabel-<br />

Tochter KeTeKS mit den noch verbliebenen sechs regionalen Kabelgesellschaften an<br />

Liberty bekannt. Insgesamt sind in diesen Regionen gut 10 Mio. Haushalte angeschlossen,<br />

weitere 5 Mio. sind anschließbar. Der Kaufpreis beträgt 5,5 Mrd. Euro, davon<br />

3 Mrd. in bar, 2,5 Mrd. in Aktien und 1 Mrd. als zehnjährige Schuldverschreibung. Der<br />

Vertrag steht unter dem Vorbehalt der Genehmigung durch das Bundeskartellamt. Die<br />

DLM weist darauf hin, dass hier nicht nur kartellrechtliche, sondern auch medienrechtliche<br />

Fragen zu prüfen sind.<br />

Am 7. September teilt die Kirch-Gruppe mit, dass KirchMedia und ProSiebenSat.1<br />

AG zu einem Unternehmen verschmolzen werden sollen. Der Zusammenschluss soll bis<br />

Juni 2002 vollzogen werden. Er steht noch unter dem Vorbehalt der Zustimmung der<br />

Aufsichtsgremien der beiden Unternehmen. Infolge der Fusionsgerüchte ist die Aktie<br />

der ProSiebenSat.1 AG am 6. September um 20 Prozent eingebrochen.<br />

Unmittelbar nach den Terror-Anschlägen auf New York und Washington am 11. September<br />

ergänzt der Axel-Springer-Verlag seine Unternehmensgrundsätze um die „Unterstützung<br />

des transatlantischen Bündnisses und die Solidarität in der freiheitlichen<br />

Wertegemeinschaft mit den Vereinigten Staaten von Amerika“.<br />

Auf den Münchener <strong>Medien</strong>tagen erklärt Miranda Curtis, die Präsidentin von Liberty<br />

Media International, am 19. Oktober, dass Liberty nicht die Absicht habe, Set-Top-<br />

Boxen nach dem neuen MHP-Standard einzusetzen. Gleiches verlautet auch von Vertretern<br />

der Kabelnetzbetreiber iesy (vormals eKabel Hessen) und ish (vormals Kabel<br />

NRW). Liberty will stattdessen den Kabelkunden eine Dekoder-Box kostenlos zur Verfügung<br />

stellen. Auch der von der Politik gewünschte rasche Ausbau der Kapazitäten auf<br />

464


862 MHz, wie er von Callahan in Bayern und Baden-Württemberg betrieben wird, sei<br />

nicht finanzierbar.<br />

Am 13. November gibt die Deutsche Bank bekannt, dass sie einen Teil ihres Kabelunternehmens<br />

Tele Columbus an Liberty verkauft. Insgesamt hätte Liberty damit den<br />

Direktzugang zu 4,5 Mio. der gegenwärtig 10,1 Mio. Kabelhaushalte in diesen Ländern.<br />

Im Gegenzug wird eine Beteiligung der Bank an der Liberty Kabel Deutschland GmbH<br />

beschlossen. Beide Vereinbarungen stehen unter dem Vorbehalt der Genehmigung<br />

durch das Kartellamt. Noch im November meldet Liberty Media beim Kartellamt auch<br />

die Absicht einer Beteiligung bei BSkyB Germany an, das 22 Prozent der Anteile an Premiere<br />

hält.<br />

3. <strong>Medien</strong>angebote<br />

Schröder · Chronik 2001<br />

3.1 Presse<br />

Am 20. Januar erscheint in Freiburg eine neue Tageszeitung des Verlegers Michael Zäh<br />

mit dem Titel zus. Wegen unzureichender Abonnentenzahlen und Anzeigenerlöse wird<br />

das Blatt nach drei Monaten wieder eingestellt.<br />

Mitte des Jahres wird die Zeitschrift e-Business, ein Ableger der Wirtschaftswoche,<br />

wegen des zurückgehenden Anzeigengeschäfts eingestellt. Die Zeitschrift Net-Business<br />

der Verlagsgruppe Milchstraße, im Frühjahr zunächst von wöchentlichem auf vierzehntägliches<br />

Erscheinen umgestellt, wird im August eingestellt. Damit hat die Krise der<br />

IT-Branche auch einschlägig spezialisierte Zeitschriften erfasst.<br />

Am 11. Juli wird die Kölner Gratiszeitung 20 minuten Köln der 20 min Holding AG<br />

des norwegischen <strong>Medien</strong>konzerns Schibsted AS eingestellt, weil sich die Werbeeinnahmen<br />

nicht erwartungsgemäß entwickeln. Wenige Tage später werden die als Abwehrmaßnahme<br />

gegen den Marktzutritt konzipierten Gratiszeitungen Extra Köln des<br />

Axel-Springer-Verlages und Kölner Morgen der Zeitungsgruppe DuMont Schauberg<br />

ebenfalls eingestellt. Am 11. Mai hatte das Oberlandesgericht Köln eine Klage gegen die<br />

Gratiszeitung abgewiesen. Eine relevante Störung des Zeitungswettbewerbs könne derzeit<br />

nicht angenommen werden.<br />

Am 12. September bringt der Axel-Springer-Verlag eine neue Kaufzeitung Extra für<br />

eine Zielgruppe im Alter von 14 bis 30 Jahren auf den Markt. Das Blatt wird im Rhein-<br />

Neckar-Raum getestet und am 10. Oktober wieder eingestellt, weil der nötige Absatz<br />

nicht erreicht wurde.<br />

Am 30. September beginnt für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung der bundesweite<br />

Vertrieb mit einer Auflage von 600.000 Exemplaren. Der Verkauf erfolgt über<br />

Kioske, Tankstellen und Bäckereien sowie über die eigenen Vertriebsagenturen. 200.000<br />

der 280.000 Abonnenten der FAZ erhalten das Blatt für vier Wochen kostenlos zur Ansicht.<br />

3.2 Rundfunk<br />

Zum Jahresanfang geht ARD Digital in den Regelbetrieb über. Das per Kabel und Satellit<br />

verbreitete Bouquet umfasst 18 Fernseh- und 22 Hörfunkprogramme. Drei der<br />

Fernsehprogramme werden ausschließlich digital übertragen: Eins-Extra bringt stündliche<br />

Nachrichten und weitere Informationsangebote, EinsMuXx sendet das erste Programm<br />

zeitversetzt und EinsFestival zeigt Filme und Serien.<br />

Mit dem 1. Januar übernimmt der Hessische Rundfunk zusätzlich zu den bisherigen<br />

465


M&K 50. Jahrgang 3/2002<br />

vier Hörfunkprogrammen vier weitere Programme in den Regelbetrieb: Das Jugendradio<br />

hr XXL, das Wirtschaftsradio hr skyline, die Klassikwelle sowie das Nachrichtenradio<br />

hr chronos. Sie waren zunächst als digitale Zusatzprogramme gestartet. Inzwischen<br />

werden sie terrestrisch per Mittelwelle oder UKW ausgestrahlt oder per live streaming<br />

im Internet verbreitet. Die terrestrische digitale Verbreitung nach dem DAB-Standard<br />

wird eingestellt.<br />

Am 16. Januar erteilt die <strong>Medien</strong>anstalt Berlin-Brandenburg dem von Spiegel-TV und<br />

dctp geplanten Metropolenfernsehen eine Zulassung für die Kabelverbreitung. Zugleich<br />

wird die Kabelbelegung so geändert, dass das Programm von 15 bis 7 Uhr auf einem analogen<br />

Kanal verbreitet werden kann. Unter dem Namen XXP geht es am 7. Mai auf Sendung.<br />

Besonderes Kennzeichen ist eine vertikal gegliederte Programmstruktur mit Themenschwerpunkten,<br />

die von Woche zu Woche wechseln.<br />

Am 1. März startet RTL Shop, nach H.O.T. und QVC der dritte deutsche Teleshopping-Kanal.<br />

Beteiligt sind RTL Television (55%), deren Tochter RTL Newmedia (25%)<br />

und die französische Sendergruppe M6 (20%). Das Programm wird über Astra 1A verbreitet<br />

und erreicht damit etwa ein Drittel der Fernsehhaushalte. Zusätzlich werden<br />

morgens Programmfenster bei RTL, RTL2, Vox und Onyx genutzt. Auch H.O.T. startet<br />

im März Teleshopping-Fenster im Nachtprogramm und im Morgenprogramm bei<br />

Sat.1 und Kabel 1.<br />

Am 3. Mai einigt sich eine Arbeitsgruppe von Deutscher Welle, ARD und ZDF auf<br />

ein Konzept für einen gemeinsamen deutschsprachigen Auslandskanal, der neben das<br />

dreisprachige Auslandsfernsehen der Deutschen Welle treten soll. Das Programm mit<br />

dem Namen German TV soll zunächst in den USA verbreitet werden und in einer Programmschleife<br />

von acht Stunden pro Tag Sendungen von ARD, ZDF und Deutscher<br />

Welle enthalten. Die Kosten sollen in den USA durch Pay-TV erbracht und im Übrigen<br />

vom Bund getragen werden. In der weiteren Diskussion wird aus dem Bundesrechnungshof<br />

die Befürchtung laut, dass die vorgesehene Anschubfinanzierung von 60 Mio.<br />

DM und ein jährlicher Bundeszuschuss von 5,5 Mio. DM nicht ausreichen werden. Der<br />

Haushaltsausschuss des Bundestages bewilligt am 15. November eine Anschubfinanzierung<br />

von 40 Mio. DM. Der Intendant der Deutschen Welle erklärt daraufhin, ohne<br />

eine Zusage über die notwendigen 60 Mio. DM könne er das Projekt nicht beginnen.<br />

Mit dem Beginn der neuen Bundesligasaison am 28. Juli verlegt Sat.1 seine Fußball-<br />

Sendung ran samstags von 18.30 Uhr auf 20.15 Uhr, offenbar aus Rücksicht auf die Verwertung<br />

im Pay-TV. Dies führt zum Streit zwischen der ARD und der Kirch-Gruppe<br />

über die Kurzberichte, die in der Tagesschau ab 20.00 Uhr gezeigt werden dürfen. Wegen<br />

erheblicher Einbußen bei den Marktanteilen von Sat.1 wird die Sendung jedoch ab<br />

dem 8. September wieder auf 19 Uhr vorgezogen. Damit wird auch der Konflikt über<br />

die Kurzberichte gegenstandslos.<br />

Am 1. September startet ein privater Kanal mit dem Namen ChannelD als deutschsprachiges<br />

Pay-TV für Nordamerika, die Karibik und weite Teile Südamerikas. Das Unternehmen<br />

hat seinen Sitz in Bremerhaven und eine Zulassung der Bremischen Landesmedienanstalt.<br />

Sie ist zwar nicht erforderlich, kann aber für die Kabelverbreitung in den<br />

USA nützlich sein. Die Programmrechte werden von öffentlich-rechtlichen und privaten<br />

Veranstaltern erworben.<br />

Die Berichterstattung über die Terror-Anschläge in New York und Washington am<br />

11. September ab 14.48 Uhr MESZ dominiert ab dem späten Nachmittag die deutschen<br />

Fernsehprogramme. Dauersendungen zum aktuellen Geschehen werden auf die verschiedenen<br />

Programme der Senderketten durchgeschaltet. Vor diesem Hintergrund<br />

wird die Ausstrahlung von Fernsehwerbung drastisch verringert, die Bruttowerbeum-<br />

466


Schröder · Chronik 2001<br />

sätze erreichen an diesem Tag mit 5,4 Mio. Euro nur ein Viertel der Werte in den Tagen<br />

zuvor. Auch im weiteren Verlauf gibt es Änderungen in der Programmgestaltung. Comedy-Sendungen,<br />

Shows sowie Action- und Katastrophenfilme werden aus dem Programm<br />

gestrichen.<br />

Am 1. Oktober nimmt das landesweite private Fernsehprogramm tv.nrw in Nordrhein-Westfalen<br />

seinen Sendebetrieb im Kabel auf. Gesellschafter der Betreibergesellschaft<br />

sind die drei größten Zeitungsverlage Nordrhein-Westfalens: die Zeitungsgruppe<br />

WAZ aus Essen, die Verlagsgruppe Rheinische Post aus Düsseldorf und das Verlagshaus<br />

DuMont Schauberg aus Köln.<br />

Am 1. November starten Radio Bremen und NDR das gemeinsame Hörfunkprogramm<br />

Nordwest-Radio. Es tritt an die Stelle der bisherigen Kulturwelle von Radio Bremen,<br />

die wegen der zurückgehenden Einnahmen aus dem ARD-Finanzausgleich so<br />

nicht fortgesetzt werden konnte. Das Projekt ist zunächst bis 2005 befristet.<br />

Am 26. November legt die Arbeitsgemeinschaft der Landesmedienanstalten (ALM)<br />

ihren 3. Programmbericht zur Lage und Entwicklung des Fernsehens vor. Danach ist die<br />

Programmentwicklung auf vielen Kanälen durch eine geringere Programmleistung geprägt,<br />

stattdessen gibt es mehr Werbung, mehr Teleshopping und mehr kurzfristige<br />

Wiederholungen. Die Unterhaltung dominiert, aber neben die Filme und Serien treten<br />

zunehmend Quizsendungen, Shows und Spiele sowie unterhaltende Publizistik etwa in<br />

Form von Talkshows. Die politische Informationsleistung des Fernsehens ist rückläufig.<br />

In keinem der untersuchten privaten Programme hat der Anteil der politischen Publizistik<br />

im weit gefassten Sinne mehr als vier Prozent der Sendezeit betragen. Bei ARD<br />

und ZDF ist der Anteil der politischen Publizistik auf 18 Prozent zurückgegangen.<br />

3.3 Online-<strong>Medien</strong><br />

Am 29. Januar teilt die Kirch-Gruppe mit, dass der Start der von Kirch New Media entwickelten<br />

Entertainment-Plattform maxdome auf unbestimmte Zeit verschoben und die<br />

Gesellschaft mit ProSieben Digital Media zusammengelegt werden soll. Das Unternehmen<br />

soll sich auf den Ausbau des vorhandenen Online-Marken-Netzwerkes beschränken.<br />

Fast zeitgleich wird bekannt gegeben, dass die Bertelsmann Broadband Group in<br />

RTL New Media integriert wird. Wegen der Verzögerungen im Verkauf und im Ausbau<br />

des Kabelnetzes werden vorerst zu geringe Chancen für Inhalte-Anbieter gesehen.<br />

Am 4. April startet www.bild.t-online.de, ein Joint Venture des Axel-Springer-Verlages<br />

mit der T-Online AG, die 37 Prozent der Anteile hält. Beide sind in ihrem Bereich<br />

Marktführer in Deutschland, Bild mit 11 Mio. Lesern, T-Online mit 14 Mio. Nutzern.<br />

Ein Kooperationsprojekt von T-Online und ZDF unter der Adresse www.heute.t-online.de<br />

startet am 25. August. Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger kritisiert<br />

dieses Projekt als rechtswidrig.<br />

Am 9. August teilen die Verlagsgruppen Burda und Milchstraße mit, dass sie ihre Internet-Portale<br />

zusammenlegen und die Focus Digital AG und die Tomorrow Internet<br />

AG zur Tomorrow Focus AG fusionieren. Sie reagieren damit auf die zurückgehenden<br />

Erwartungen im Online-Sektor.<br />

4. Werbung<br />

Für das Gesamtjahr 2001 gehen die Bruttowerbeeinnahmen der <strong>Medien</strong> um 6,3 Prozent<br />

auf 17 Mrd. Euro zurück, ermittelt die AC Nielsen Werbeforschung S+P. Betroffen sind<br />

alle klassischen <strong>Medien</strong>, am stärksten Fachzeitschriften (–15,9%), Zeitungen (–10,5%)<br />

467


M&K 50. Jahrgang 3/2002<br />

und Hörfunk (–10,5%). Gegenüber 1999 verbleibt ein Zuwachs von 4,9 Prozent. Der<br />

langfristige Trend zugunsten der elektronischen <strong>Medien</strong> setzt sich fort: Sie erreichen einen<br />

Marktanteil von 49,9 Prozent, der Anteil der Presse verringert sich auf 47,3 Prozent,<br />

die Plakatwerbung erzielt mit 2,7 Prozent ein nahezu konstantes Ergebnis.<br />

Zum 1. Juli führt der Heinrich Bauer Verlag ein neues Anzeigen-Reservierungssystem<br />

ein, mit dem es möglich ist, bis zu einem halben Jahr im Voraus Anzeigenplätze in Zeitschriften<br />

online zu reservieren. Unter www.adplacement.de sind dazu auch Informationen<br />

über die geplante redaktionelle Struktur und die Branchenzuordnung der bereits<br />

vorliegenden Reservierungen einsehbar.<br />

5. <strong>Medien</strong>nutzung<br />

Die Deutschen verbringen im Durchschnitt knapp achteinhalb Stunden pro Tag mit der<br />

<strong>Medien</strong>nutzung. Das zeigen die im April publizierten Ergebnisse der Langzeitstudie<br />

„Massenkommunikation“, die seit 1964 in mehrjährigen Abständen von ARD und ZDF<br />

durchgeführt wird. Mit 206 Minuten täglich entfällt die meiste Zeit auf den Hörfunk;<br />

mit 185 Minuten folgt das Fernsehen. Die Zeitungslektüre beschäftigt die Menschen eine<br />

halbe Stunde pro Tag, Bücher 18 Minuten, Zeitschriften 10 Minuten, das Internet im<br />

Durchschnitt 13 Minuten. Die Musik-Speichermedien CD, MC und LP werden zusammen<br />

36 Minuten pro Tag genutzt, der Video-Konsum umfasst 4 Minuten täglich.<br />

Im September legen ARD und ZDF neue Ergebnisse aus einer Untersuchung der Internet-Nutzung<br />

vor. Danach sind in Deutschland 24,8 Mio. Erwachsene online. Das Internet<br />

wird von 38,8 Prozent der Deutsch sprechenden Bevölkerung ab 14 Jahren genutzt.<br />

Deutliche Veränderungen zeigen sich hinsichtlich des Nutzungsortes: 1997 war<br />

die Internet-Nutzung noch überwiegend an den Arbeitsplatz oder den Ausbildungsort<br />

gebunden. Inzwischen haben 78 Prozent der User einen Internet-Zugang in ihrer häuslichen<br />

Umgebung.<br />

Zum 31. Oktober scheidet die Motor-Presse Stuttgart, der größte Verlag für Special<br />

Interest-Zeitschriften in Europa, aus der Informationsgemeinschaft zur Feststellung<br />

der Verbreitung von Werbeträgern (IVW) aus und kommt einem Ausschlussverfahren<br />

wegen falscher Meldungen zuvor. Als Folge werden auch bei der Media-Analyse keine<br />

Daten über die Zeitschriften dieses Verlages mehr ausgewiesen. Die Zeitschrift modern<br />

living, deren Auflage um mehr als 80 Prozent überhöht gemeldet wurde, wird eingestellt.<br />

Quellen<br />

epd medien, Funkkorrespondenz, medien aktuell, Media Perspektiven, Presseinformationen<br />

von <strong>Medien</strong>unternehmen, Verbänden und Landesmedienanstalten, eigene Recherchen<br />

468


English Abstracts and Keywords<br />

Helmut Scherer / Werner Wirth: I chat – who am I? Identity and self-presentation<br />

in virtual communication situations (Ich chatte – wer bin ich? Identität und Selbstdarstellung<br />

in virtuellen <strong>Kommunikations</strong>situationen), pp. 337 – 358<br />

As a result of the triumphal march of the Internet, many people feel that the concept of<br />

identity is crumbling. Studies on the construction of identity in virtual reality emphasise,<br />

above all, the free play with virtual identities and the detachment from one’s own<br />

identity, which is anchored in “real life”. This article critically investigates the myth of<br />

free play with identities. It initially clarifies the concept of identity and distinguishes it<br />

from self-presentation. On this basis, it explains which functions could be associated<br />

with authentic and non-authentic self-presentations in the chat context. The theoretical<br />

reflections are subsequently underlaid empirically with the help of a qualitative and a<br />

quantitative study. Both study sections examine users of a specific chat forum. They<br />

show that the approach of examining chatting from the perspective of normality is definitely<br />

fruitful. The distinction between identity and self-presentation makes it clear that<br />

many chatters also foster an authentic self-presentation if they are untruthful with respect<br />

to their individual attributes of identity. Rather than serving to depart from one’s<br />

own identity and to slip into other identities, the reasons for this are rooted in relationship<br />

and communication tactics. The majority of study participants are interested in<br />

building relationships by chatting and some have a major interest in even integrating<br />

these relations into normal everyday life. For the majority, the pretence of false attributes<br />

of identity apparently has the function in this context of enhancing relational<br />

prospects that are often experienced as deficient in everyday life.<br />

Keywords: Authenticity, relationship, chat forum, identity, real life orientation, selfpresentation,<br />

virtual life orientation<br />

Silvia Knobloch / Grit Patzig / Matthias Hastall: “Informational Utility” – Influence<br />

of usefulness on the selective exposure to negative and positive online news („Informational<br />

Utility“ – Einfluss von Nützlichkeit auf selektive Zuwendung zu negativen<br />

und positiven Online-Nachrichten), pp. 359 – 375<br />

In line with the “Informational Utility” model, the “usefulness” of news can be conceptualised<br />

through three subdimensions: the perceived extent of consequences (magnitude),<br />

the probability of involvement (likelihood), and the temporal proximity of<br />

events (immediacy). These aspects of usefulness influence the recipience of news,<br />

which is utilised all the more extensively, the stronger these dimensions are developed.<br />

Furthermore, as they are reputed to influence the recipience of both positive and negative<br />

news (into opportunities or risks), these three dimensions are formulated into two<br />

hypotheses respectively. In two field experiments on positive and negative online news,<br />

grammar-school pupils (n = 137) read fictitious online school magazines, whose articles<br />

varied in terms of dimensions of informational utility. The exposure to these individual<br />

articles was logged via software. Finally, the persons taking part in the experiment<br />

answered a questionnaire. Four of the six hypotheses were confirmed. Likelihood<br />

and immediacy had a significant influence on the use made of positive news and the<br />

“<br />

469


M&K 50. Jahrgang 3/2002<br />

recipience of negative reports were demonstrably influenced by magnitude and immediacy.<br />

Keywords: Informational Utility, usefulness, selective exposure, news<br />

Nicola Döring: Ringtones and logos on the mobile phone: how new media of unicommunication<br />

are used (Klingeltöne und Logos auf dem Handy: Wie neue <strong>Medien</strong><br />

der Uni-Kommunikation genutzt werden), pp. 376 – 401<br />

By concealing or displaying their phone in a systematic way vis-à-vis other persons and<br />

by making it perceptible to outsiders through the selection of certain ringtones and logos<br />

as additional symbolic features, mobile phone users can tell the respective audience<br />

something about their status, their attitudes, their interests and their group affiliations<br />

(uni-communication). This article reconstructs the use of ringtones and logos on the mobile<br />

phone as uni-communicative activity and provides data from three explorative studies:<br />

1. from a quantitative content analysis of ringtones and logo offerings on the Internet,<br />

2. from a guideline-backed oral survey, and 3. from a fully-structured online survey<br />

of mobile phone users. It was revealed that the frequency with which the new ringtones<br />

and logos are loaded onto the mobile phone varies very strongly. The selection of the<br />

category (e.g. ringtone with pop, rock or classical melody; logo with animal, love, sex,<br />

TV or automotive motif) correlates closely with individual interests, gender and age. In<br />

the social context, ringtones and logos indeed become the subject of drawing attention<br />

and making an impression and sometimes stimulate interpersonal as well as intra- and<br />

intergroup follow-up communication.<br />

Keywords: Uni-communication, mobile phones, logos, ringtones, media use<br />

Series: “Classics of Communication and Media Research Today”<br />

Thomas Gebur: Theodor W. Adorno – Criticism of the media as criticism of society<br />

(Theodor W. Adorno – <strong>Medien</strong>kritik als Gesellschaftskritik), pp. 402 – 422<br />

Theodor W. Adorno did not develop a media theory in the more narrow sense. In his<br />

extensive works, various critical media analyses are embedded in a theory of culture industry,<br />

which plays a central role in his theory of society. This article begins by outlining<br />

the context of origin of Adorno’s thoughts in order to shed light upon his specific,<br />

capitalism-critical perspective of the media network. After presenting the societal function<br />

of the culture industry in late capitalism the relevant individual moments are elucidated:<br />

the specific nature of the products of the culture industry on the one hand and the<br />

role of the audiences on the other. The analysis of the interaction between the recipients<br />

and the offerings of mass communication goods seeks to confirm culture industry as a<br />

uniform societal system of integration, the significance of which, in Adorno’s interpretation,<br />

extends beyond a complex of media socialisation. In the analysis of the criticism<br />

levelled against him, comments on Adorno’s characteristic methodology, on his lines of<br />

arguments and on his style illuminate the current relevance of the intention, range and<br />

limitations of his approach. Finally, mention is made of Adorno’s ideas of media pedagogy<br />

and his conceptual reflections on critical recipience research.<br />

Keywords: Theodor W. Adorno, culture industry, criticism of capitalism, theory of society,<br />

critical theory, media capitalism<br />

470


Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieses Heftes<br />

Dr. Daniela Ahrens, Institut Technik & Bildung, Universität Bremen,<br />

Am Fallturm 1, 28359 Bremen, dahrens@uni-bremen.de<br />

Prof. Dr. Joan Kristin Bleicher, Institut für Germanistik II, Universität Hamburg,<br />

Von-Melle-Park 6, 20146 Hamburg, fs5a097@rrz.uni-hamburg.de<br />

Dr. Christiane Eilders, Schwäbische Straße 25, 10781 Berlin,<br />

eilders@medea.wz-berlin.de<br />

Dr. Nicola Döring, Institut für <strong>Medien</strong>- und <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>,<br />

Technische Universität Ilmenau, <strong>Medien</strong>zentrum, Am Eichicht 1, 98693 Ilmenau,<br />

Nicola.Doering@tu-ilmenau.de<br />

Thomas Gebuhr, M.A., Osterdeich 69, 28203 Bremen, gebur@uni-bremen.de<br />

Matthias Hastall, M.A., Technische Universität Dresden,<br />

Institut für <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>, Weberplatz 5, 01062 Dresden,<br />

Matthias.Hastall@mailbox.tu-dresden.de<br />

Prof. Dr. Dr. Ernest W. B. Hess-Lüttich, Institut für Germanistik, Universität<br />

Bern, Länggass-Str. 49, CH-3000 Bern 9, ernest.hess-luettich@germ.unibe.ch<br />

Prof. Dr. Joachim R. Höflich, Philosophische Fakultät, <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>,<br />

Universität Erfurt, Nordhäuser Straße 63, 99089 Erfurt,<br />

I.R.Hoeflich@my-box.de oder joachim.hoeflich@uni-erfurt.de<br />

Dr. Silvia Knobloch, Technische Universität Dresden, Institut für<br />

<strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>, Weberplatz 5, 01062 Dresden,<br />

silvia.knobloch@mailbox.tu-dresden.de<br />

Prof. Dr. Friedrich Krotz, Institut für <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>,<br />

Westfälische Wilhelms-Universität, Bispinghof 9-14, 48143 Münster,<br />

friedrich.krotz@uni-muenster.de<br />

Dr. Wiebke Loosen, Institut für Journalistik und <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>,<br />

Universität Hamburg, Allende-Platz 1, 20146 Hamburg,<br />

wiebke.loosen@uni-hamburg.de<br />

Grit Patzig, M.A., Technische Universität Dresden, Institut für <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>,<br />

Weberplatz 5, 01062 Dresden, Grit.Patzig@mailbox.tu-dresden.de<br />

Prof. Dr. Peter von Rüden, Forschungsstelle Geschichte des Rundfunks in Norddeutschland,<br />

Universität Hamburg, Institut für Germanistik II, Von-Melle-Park 6,<br />

20146 Hamburg, peter.vonrueden@uni-hamburg.de<br />

“<br />

471


M&K 50. Jahrgang 3/2002<br />

Prof. Dr. Helmut Scherer, Institut für Journalistik und <strong>Kommunikations</strong>forschung,<br />

Expo Plaza 12, 30539 Hannover,<br />

Dipl.-Soz. Hermann-Dieter Schröder, Hans-Bredow-Institut, Heimhuder Str. 21,<br />

20148 Hamburg, h.d.schroeder@hans-bredow-institut.de<br />

Prof. Dr. Gerhard Vowe, Technische Universität Ilmenau, Institut für <strong>Medien</strong>-<br />

und <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>, PF 100565, 98684 Ilmenau,<br />

Gerhard.Vowe@tu-ilmenau.de<br />

Prof. Dr. Rainer Winter, Institut für <strong>Medien</strong>- und <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>,<br />

Universitätsstraße 65-67, A-9020 Klagenfurt, rainer.winter@uni-klu.ac.at<br />

Prof. Dr. Werner Wirth, Institut für <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong> (ZW)<br />

der Ludwig-Maximilians-Universität, Oettingenstr. 67, 80538 München,<br />

mail@werner-wirth.de oder wirth@ifkw.uni-muenchen.de<br />

Dr. Wolfgang Wunden, Südwestdeutscher Rundfunk, Unternehmensstrategie,<br />

70150 Stuttgart, Wolfgang.Wunden@swr.de<br />

472


Hinweise für Autorinnen und Autoren<br />

Die <strong>wissenschaft</strong>liche Vierteljahreszeitschrift „<strong>Medien</strong> & <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>“<br />

(bis Ende 1999 „Rundfunk und Fernsehen – Zeitschrift für <strong>Medien</strong>- und <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>“)<br />

wird seit 1953 vom Hans-Bredow-Institut herausgegeben<br />

und redaktionell betreut. Die Zeitschrift ist ein interdisziplinäres Forum für theoretische<br />

und empirische Beiträge aus der gesamten <strong>Medien</strong>- und <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>.<br />

Für die Publikation in „<strong>Medien</strong> & <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>“ kommen folgende<br />

Textsorten in Betracht:<br />

• Aufsätze sollen ein Moment originärer theoretischer Leistung beinhalten bzw. einen<br />

theoretisch weiterführenden Argumentationsgang bieten;<br />

• Berichte sollen Befunde zu einem ausgewiesenen Problem von theoretischer oder<br />

medienpraktischer Relevanz darstellen;<br />

• Unter der Rubrik Diskussion sollen Beiträge erscheinen, die innerhalb eines <strong>wissenschaft</strong>lichen<br />

Diskurses Position beziehen und die Diskussion voranbringen können.<br />

Dabei können auch spekulative Betrachtungen fruchtbar sein.<br />

• Literaturberichte/-aufsätze sollen Literatur bzw. ausgewählte Literatur zu bestimmten<br />

Problemstellungen systematisch und vergleichend zusammenfassen und<br />

eine Übersicht über den Stand der Theorie und/oder Empirie geben.<br />

Die Redaktion bietet außerdem die Möglichkeit zur Stellungnahme und Erwiderung zu<br />

publizierten Beiträgen der oben genannten Kategorien. Stellungnahmen und Erwiderungen,<br />

die den in „<strong>Medien</strong> & <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>“ üblichen inhaltlichen und<br />

formalen Standards entsprechen und geeignet sind, die <strong>wissenschaft</strong>liche Diskussion zu<br />

fördern, werden im nächstmöglichen Heft publiziert. Die Redaktion räumt dabei dem<br />

Autor bzw. der Autorin des Beitrages, auf den sich die Stellungnahme bezieht, die Möglichkeit<br />

einer Erwiderung ein.<br />

Manuskripte, die zur Publikation in „<strong>Medien</strong> & <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>“ eingereicht<br />

werden, dürfen nicht anderweitig veröffentlicht sein und bis Abschluss des Begutachtungsverfahrens<br />

nicht anderen Stellen zur Veröffentlichung angeboten werden.<br />

Im Sinne der Förderung des <strong>wissenschaft</strong>lichen Diskurses und der kumulativen Forschung<br />

sowie der Qualitätssicherung legt die Redaktion bei der Begutachtung von Beiträgen<br />

besonderen Wert darauf, dass größtmögliche Transparenz hinsichtlich der verwendeten<br />

Daten hergestellt wird. Autorinnen und Autoren empirischer Beiträge verpflichten<br />

sich mit der Einreichung des Manuskripts, dass sie die Art und Weise der Datenerhebung<br />

bzw. den Zugang zu Datenbeständen, die von Dritten (z. B. Datenbanken) zur<br />

Verfügung gestellt worden sind, ausreichend dokumentieren, um so die Voraussetzungen<br />

für Sekundäranalysen und Replikationen zu schaffen. Zugleich erklären sie sich bereit,<br />

die verwendeten Daten bei <strong>wissenschaft</strong>lich begründeten Anfragen im Rahmen der jeweils<br />

gegebenen Möglichkeiten für weitere Analysen zur Verfügung zu stellen.<br />

Formalien:<br />

• Manuskripte sind der Redaktion in dreifacher Ausfertigung zuzuschicken.<br />

• Da die eingereichten Manuskripte anonymisiert begutachtet werden, sind zwei Titelblätter<br />

erforderlich: eines mit Angabe des Titels und der Namen und Anschriften<br />

der Autorinnen und Autoren, eines ohne Anführung der Namen und Adressen. Das<br />

Manuskript selbst darf keine Hinweise auf die Autorinnen und Autoren enthalten.<br />

“<br />

473


M&K 50. Jahrgang 3/2002<br />

• Beizufügen ist eine kurze Zusammenfassung des Beitrags (max. 15 Zeilen), die dem<br />

Leser als selbständiger Text einen hinreichenden Eindruck vom Inhalt des jeweiligen<br />

Beitrags vermittelt.<br />

• Der Umfang der Beiträge soll 20 Manuskriptseiten (55.000 Zeichen) nicht überschreiten.<br />

• Die Manuskriptseiten müssen im DIN A4-Format (einseitig), anderthalbzeilig beschrieben<br />

und mit ausreichendem Rand versehen sein.<br />

• Gliederung des Textes: Jedes Kapitel und Unterkapitel sollte mit einer Überschrift<br />

(in Dezimalzählung) versehen sein.<br />

• Hervorhebungen im Text sind kursiv oder fett zu kennzeichnen.<br />

• Für Hinweise und Literaturbelege bestehen wahlweise zwei Möglichkeiten:<br />

a) durch Angabe von Autor, Erscheinungsjahr und Seitenziffer im fortlaufenden<br />

Text – z. B.: . . . (Müller, 1990: 37 – 40) . . . –, wobei der vollständige bibliographische<br />

Nachweis über ein Literaturverzeichnis im Anschluss an den Beitrag erfolgt;<br />

b) über durchnumerierte Anmerkungsziffern, wobei der Text der Anmerkung auf<br />

der entsprechenden Seite aufgeführt wird.<br />

Über eine Annahme des Manuskripts und den Zeitpunkt der Veröffentlichung entscheidet<br />

die Redaktion auf der Grundlage redaktionsinterner und externer Gutachten.<br />

Dem/der Autor/in wird die Redaktionsentscheidung schriftlich mitgeteilt. Im Falle einer<br />

Entscheidung für Überarbeitung, Neueinreichung oder Ablehnung legt die Redaktion<br />

die Gründe für ihre Entscheidung offen. Dazu werden die anonymisierten Gutachten,<br />

evtl. auch nur in Auszügen, zugesandt. Das Begutachtungsverfahren ist in der<br />

Regel sechs Wochen nach Eingang des Manuskripts abgeschlossen; falls die Begutachtung<br />

längere Zeit erfordert, werden die Autor/inn/en benachrichtigt.<br />

Von jedem Originalbeitrag werden 20 Sonderdrucke kostenlos zur Verfügung gestellt.<br />

Weitere Sonderdrucke können bei Rückgabe der Fahnenkorrektur an die Redaktion<br />

schriftlich gegen Rechnung bestellt werden.<br />

Verlag und Redaktion haften nicht für Manuskripte, die unverlangt eingereicht werden.<br />

Mit der Annahme eines Manuskripts erwirbt der Verlag von den Autorinnen und Autoren<br />

alle Rechte, insbesondere auch das Recht der weiteren Vervielfältigung zu gewerblichen<br />

Zwecken im Wege des fotomechanischen oder eines anderen Verfahrens.<br />

Anschrift der Redaktion: Hans-Bredow-Institut<br />

Heimhuder Straße 21, 20148 Hamburg (Tel. 0 40/45 02 17-41)<br />

<strong>Medien</strong> & <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong><br />

Herausgegeben vom Hans-Bredow-Institut für <strong>Medien</strong>forschung an der Universität Hamburg<br />

ISSN 1615-634X<br />

Die Zeitschrift sowie alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung,<br />

die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des<br />

Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und<br />

die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.<br />

Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden, 2002. Printed in Germany.<br />

Bezugsbedingungen: Die Zeitschrift erscheint vierteljährlich (4 Hefte jährlich), Jahresabonnement € 64,–, Jahresabonnement<br />

für Studenten € 40,– (gegen Nachweis), Einzelheft € 20,– jeweils zuzügl. Versandkosten (inkl.<br />

MwSt); Bestellungen nehmen der Buchhandel und der Verlag entgegen; Abbestellungen vierteljährlich zum Jahresende.<br />

Zahlung jeweils im Voraus an Nomos Verlagsgesellschaft, Postscheckk. Karlsruhe 736 36-751 und Stadtsparkasse<br />

Baden-Baden, Konto 5-002 266.<br />

Verlag und Anzeigenannahme: Nomos Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, 76520 Baden-Baden,<br />

Telefon: (0 72 21) 21 04-0, Telefax: 21 04 27.<br />

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M&K 2002/3 <strong>Medien</strong> & <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>

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