Kommunikations- wissenschaft - Medien ...
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M&K 48. Jg. 2000/1 E 20039 F<br />
&<br />
HANS-BREDOW-INSTITUT<br />
<strong>Medien</strong><br />
<strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong><br />
Wolfgang Hoffmann-Riem<br />
Thesen zur Regulierung der dualen Rundfunkordnung<br />
Otfried Jarren<br />
Gesellschaftliche Integration durch <strong>Medien</strong>? Zur Begründung<br />
normativer Anforderungen an <strong>Medien</strong><br />
Ralph Weiß<br />
„Praktischer Sinn“, soziale Identität und Fern-Sehen.<br />
Ein Konzept für die Analyse der Einbettung kulturellen Handelns<br />
in die Alltagswelt<br />
Britta M. Schultheiss/Stefan A. Jenzowsky<br />
Infotainment: Der Einfluss emotionalisierend-affektorientierter Darstellung<br />
auf die Glaubwürdigkeit<br />
Ulrich Saxer<br />
Mythos Postmoderne: <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>liche Bedenken<br />
Karl-Heinz Ladeur<br />
Der „Funktionsauftrag“ des öffentlich-rechtlichen Rundfunks –<br />
auf „Integration“ festgelegt oder selbst definiert? Anmerkungen<br />
zu drei Rechtsgutachten<br />
Nomos Verlagsgesellschaft<br />
Baden-Baden<br />
Die neue Rundfunk und Fernsehen
M&K 48. Jahrgang 1/2000<br />
II
M&K 48. Jg. 2000/1<br />
HANS-BREDOW-INSTITUT<br />
&<br />
I<br />
<strong>Medien</strong><br />
<strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong><br />
Redaktion:<br />
Hardy Dreier, Uwe Hasebrink, Thorsten Held, Otfried Jarren,<br />
Friedrich Krotz, Susanne Kubisch, Claudia Lampert, Christiane<br />
Matzen, Eva Rischkau, Hermann-Dieter Schröder, Wolfgang Schulz,<br />
Jutta Simon, Ralph Weiß<br />
Nomos Verlagsgesellschaft<br />
Baden-Baden
M&K 48. Jahrgang 1/2000
EDITORIAL<br />
Vom Jahr 2000 an trägt die Zeitschrift „Rundfunk und Fernsehen“ einen neuen Namen:<br />
„<strong>Medien</strong> & <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>“, abgekürzt M&K. Der neue Titel benennt,<br />
was seit langem Gegenstand und Perspektive der Zeitschrift ist: Zu ihrem Gegenstandsbereich<br />
gehören alle <strong>Medien</strong> – seien es „alte“ oder „neue“ – und sie versteht sich als interdisziplinäres<br />
Forum für theoretische und empirische Beiträge aus der gesamten <strong>Medien</strong>-<br />
und <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>. Der neue Titel, der keine Begrenzung des<br />
Spektrums auf Hörfunk und Fernsehen mehr nahe legt, soll auch Autoren und Lesern<br />
aus neuen Bereichen, z. B. den Online-<strong>Medien</strong> und der Telekommunikation, signalisieren,<br />
dass die Zeitschrift für sie relevante Inhalte bietet.<br />
Unter dem Titel „Rundfunk und Fernsehen“ ist die Zeitschrift, die zuerst 1948 erschien<br />
und seit 1953 vom Hans-Bredow-Institut herausgegeben und redaktionell betreut wird,<br />
zu einem zentralen Forum des kommunikations<strong>wissenschaft</strong>lichen Diskurses geworden,<br />
für viele Mitglieder der Scientific Community gehört „RuF“ einfach dazu. Es fällt<br />
daher nicht leicht, von einem so traditionsreichen Namen Abschied zu nehmen. Mit dem<br />
Beginn des Jahres 2000, in dem das Hans-Bredow-Institut seinen 50. Geburtstag feiern<br />
wird, scheint uns jedoch der richtige Anlass gegeben, die von „Rundfunk und Fernsehen“<br />
begründete Tradition unter einem neuen und heute, angesichts der gravierenden<br />
Veränderungen der <strong>Medien</strong>, sachlich angemesseneren Titel fortzuführen.<br />
Auch als „<strong>Medien</strong> & <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>“ wird die Zeitschrift dem bisherigen<br />
Konzept folgen. Es wird weiterhin die Rubriken Aufsätze, Berichte und Diskussionsbeiträge,<br />
Rezensionen und Literaturberichte geben, ebenso die Serviceteile Literaturverzeichnis<br />
und Zeitschriftenlese. Unverändert wird sich die Redaktion um die Qualität<br />
der Inhalte bemühen und das anonymisierte externe und interne Begutachtungsverfahren<br />
fortführen. Die Einbeziehung externen Sachverstandes bei der Begutachtung<br />
eingereichter Manuskripte ist ein fester, sehr hilfreicher Bestandteil in der Arbeit der Redaktion<br />
und trifft in der Regel auf eine hohe Bereitschaft innerhalb der Scientific Community,<br />
für die wir uns auch bei dieser Gelegenheit herzlich bedanken. Wir hoffen, dass<br />
mit dieser Unterstützung „<strong>Medien</strong> & <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>“ in den kommenden<br />
Jahren das bieten wird, was „Rundfunk und Fernsehen“ in der Vergangenheit ausgemacht<br />
hat: innovative Theorie, aktuelle Themen, aufschlussreiche Empirie, professionelle<br />
Methoden und fruchtbare Diskussionen.<br />
Die Redaktion<br />
3
M&K 48. Jahrgang 1/2000<br />
4
Editorial 3<br />
AUFSÄTZE<br />
INHALTSVERZEICHNIS<br />
Wolfgang Hoffmann-Riem Thesen zur Regulierung der dualen Rundfunkordnung<br />
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7<br />
Otfried Jarren Gesellschaftliche Integration durch <strong>Medien</strong>? Zur<br />
Begründung normativer Anforderungen an <strong>Medien</strong> 22<br />
Ralph Weiß „Praktischer Sinn“, soziale Identität, und Fern-Sehen.<br />
Ein Konzept für die Analyse der Einbettung<br />
kulturellen Handelns in die Alltagswelt . . . . . . . . . 42<br />
BERICHTE<br />
Britta M. Schultheiss/ Infotainment: Der Einfluss emotionalisierend-af-<br />
Stefan Jenzowsky fektorientierter Darstellung auf die Glaubwürdigkeit<br />
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63<br />
LITERATUR<br />
Aufsätze<br />
Ulrich Saxer Mythos Postmoderne: <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>liche<br />
Bedenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85<br />
Karl-Heinz Ladeur Der „Funktionsauftrag“ des öffentlich-rechtlichen<br />
Rundfunks – auf „Integration“ festgelegt oder selbst<br />
definiert? Anmerkungen zu drei Rechtsgutachten . 93<br />
Besprechungen<br />
Joan Kristin Bleicher Martin Jurga: Fernsehtextualität und Rezeption.<br />
Opladen/Wiesbaden 1999 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107<br />
Thomas Bruns Klaus Kamps: Politik in Fernsehnachrichten. Struktur<br />
und Präsentation internationaler Ereignisse – ein<br />
Vergleich. Baden-Baden 1999 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108<br />
Elisabeth Clausen-Muradian Volker Nowosadtko: Frequenzplanungsrecht. Nutzung<br />
terrestrischer Frequenzen durch öffentlichrechtliche<br />
Rundfunkanstalten. Baden-Baden 1999 . 110<br />
Dieter Dörr Georg Ress/Jürgen Bröhmer: Europäische Gemeinschaft<br />
und <strong>Medien</strong>vielfalt. Die Kompetenzen der<br />
Europäischen Gemeinschaft zur Sicherung des Pluralismus<br />
im <strong>Medien</strong>bereich. Frankfurt/M. 1998 . . . 112<br />
Dieter Dörr Philipp Steinwärder: Die Arbeitsgemeinschaft der<br />
öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik<br />
Deutschland: Entstehung, Tätigkeitsfelder<br />
und Rechtsnatur. Eine rechts<strong>wissenschaft</strong>liche<br />
Untersuchung zur Entwicklung, den Aufgaben und<br />
der Organisation der ARD. Baden-Baden 1998 . . . 114<br />
5
Christiane Eilders Ulrich Sarcinelli (Hrsg.): Politikvermittlung und<br />
Demokratie in der <strong>Medien</strong>gesellschaft. Beiträge zur<br />
politischen <strong>Kommunikations</strong>kultur, Opladen/<br />
Wiesbaden 1998 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116<br />
Michael Jäckel Peter Sicking: Leben ohne Fernsehen. Eine qualitative<br />
Nichtfernseherstudie, Wiesbaden 1998 . . . . . . 119<br />
Udo Michael Krüger G. Christine Müller: Der europäische Fernsehabend.<br />
Köln 1999 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121<br />
Hans-Dieter Kübler Klaus Merten: Gewalt durch Gewalt im Fernsehen?<br />
Opladen/Wiesbaden 1999 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123<br />
Margret Lünenborg Waltraud Cornelißen/Christa Grebel: Gleichberechtigung<br />
on air? Zur Präsentation von Männern<br />
und Frauen im niedersächsischen Hörfunk – eine<br />
empirische Untersuchung. Berlin: Vistas 1999 . . . . 125<br />
Roland Mangold Jürgen Grimm: Fernsehgewalt: Zuwendungsattraktivität<br />
– Erregungsverläufe – sozialer Effekt. Zur Begründung<br />
und praktischen Anwendung eines kognitiv-psychologischen<br />
Ansatzes der <strong>Medien</strong>rezeptionsforschung<br />
am Beispiel von Gewaltdarstellungen.<br />
Opladen/Wiesbaden 1999 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127<br />
Tilmann Sutter Brit Großmann: <strong>Medien</strong>rezeption: Bestehende Ansätze<br />
und eine konstruktivistische Alternative. Opladen/Wiesbaden<br />
1999 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129<br />
Sabine Trepte Bettina Fromm: Privatgespräche vor Millionen.<br />
Fernsehauftritte aus psychologischer und soziologischer<br />
Perspektive. Konstanz 1999 . . . . . . . . . . . . . . 132<br />
Zeitschriftenlese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134<br />
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154<br />
English abstracts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162<br />
6
Thesen zur Regulierung der dualen Rundfunkordnung*<br />
Wolfgang Hoffmann-Riem<br />
Die duale Rundfunkordnung hat sich in Deutschland bewährt. Ihre Regulierung muss<br />
aber auf die Veränderungen der Multimedia-Märkte abgestimmt sein. Die zukünftige<br />
<strong>Medien</strong>regulierung wird den der Veranstaltung vor-, neben- und nachgelagerten Bereichen<br />
vermehrte Aufmerksamkeit zuwenden müssen; vor allem ist für die Verwirklichung<br />
von Zugangschancengerechtigkeit zu sorgen. Selbstregulierung ist für die <strong>Medien</strong> unabdingbar,<br />
sie bedarf aber ergänzender hoheitlicher Sicherungen der Funktionsfähigkeit<br />
der <strong>Medien</strong>ordnung.<br />
I. Die Grundidee der dualen Rundfunkordnung<br />
1. Die Einführung einer dualen Rundfunkordnung in Deutschland war nicht die Umsetzung<br />
einer systematisch entwickelten Konzeption; diese Rundfunkordnung hat sich<br />
vielmehr in verschiedenen Schritten in einem Feld entwickelt, das durch neue technologische<br />
Möglichkeiten, publizistische Entfaltungs- und ökonomische Verwertungsinteressen,<br />
politische Konflikte, rechtliche Vorgaben und verfassungsgerichtliche Interventionen<br />
geprägt war.<br />
2. Die duale Rundfunkordnung baut auf je unterschiedlichen Strukturen des privatwirtschaftlichen<br />
Rundfunks einerseits und des öffentlich-rechtlichen Rundfunks andererseits<br />
auf. Die Kombination beider Säulen soll die Rundfunkfreiheit dadurch fördern,<br />
dass es in den Strukturen verankerte unterschiedliche Programmorientierungen und zugleich<br />
Möglichkeiten der Kompensation der Nachteile eines Systems durch Vorteile des<br />
anderen und umgekehrt gibt (Idee struktureller Diversifikation). Der bedeutsamste<br />
Strukturunterschied besteht in dem zwischen Privatwirtschaftlichkeit einerseits und<br />
Gemeinwirtschaftlichkeit andererseits. Beide Säulen stehen im Wettbewerb zueinander.<br />
In programmlicher Hinsicht ist dies ein publizistischer Wettbewerb, kein ökonomischer.<br />
3. Das Bundesverfassungsgericht sieht in der Verkoppelung beider Säulen eine Rechtfertigung<br />
dafür, dass die Vielfaltsanforderungen für privatwirtschaftlichen Rundfunk<br />
verringert werden können, aber nur „solange und soweit die Wahrnehmung dieser Aufgaben<br />
jedenfalls durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk wirksam sichergestellt ist“.<br />
Die duale Rundfunkordnung ist zwar nicht verfassungsrechtlich aufgegeben. Die Beseitigung<br />
der Dualität hätte aber erhebliche normative Folgerungen für die Anforderungen<br />
an die Rundfunkordnung, etwa an die Betätigung von privaten Rundfunkveranstaltern.<br />
II. Veränderungen der Ausgangslage<br />
AUFSÄTZE<br />
4. Die Europäisierung des Rundfunkwesens hat die Entstehung einer dualen Rundfunkordnung<br />
befördert. Die EG-Aktivitäten zielen durchgängig auf eine Stärkung der pri-<br />
* Zusammenfassende Thesen der Untersuchung „Regulierung der dualen Rundfunkordnung –<br />
Grundsatzfragen“, die in Kürze als Monografie im Nomos-Verlag erscheint.<br />
7
M&K 48. Jahrgang 1/2000<br />
vatwirtschaftlichen Säule der Rundfunkordnung, stellen aber die duale Ordnung nicht<br />
grundsätzlich in Frage. Durch das auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk bezogene<br />
Protokoll zum Amsterdamer Vertrag ist die Dualität bestärkt worden.<br />
5. Neuerungen bei den Informationstechnologien, den Netzinfrastrukturen, den Geräten<br />
sowie den technischen und inhaltlichen <strong>Kommunikations</strong>diensten führen zur<br />
Vervielfältigung der Übertragungskapazitäten, zu neuen Inhalten der Individual- und<br />
Massenkommunikation, zu neuen Arten und Pfaden der Verbreitung und zu neuen<br />
Programm- und Vermarktungsformen, aber auch zu neuen Rezeptionsmöglichkeiten<br />
und -gewohnheiten. Die Informationstechnologie-, Telekommunikations- und <strong>Medien</strong>märkte<br />
durchdringen und überlagern einander zunehmend (Konvergenzen). Neue<br />
Anbieter treten auf und alte wie neue Akteure versuchen, ihre Aktivitäten auf unterschiedliche<br />
Glieder der Multimedia-Wertschöpfungskette zu erstrecken bzw. an mehreren<br />
Stellen in dem sich entwickelnden Multimedia-Wertschöpfungsnetzwerk zu handeln,<br />
dabei insbesondere Größen- und sonstige Synergieeffekte zu nutzen.<br />
6. Die früher als relativ einheitlicher Vorgang gehandhabte Rundfunkveranstaltung<br />
i. w. S. (Einheit von Produktion, Veranstaltung und Verbreitung) löst sich zunehmend<br />
in einzelne Segmente auf und wird zugleich durch neuartige Handlungssegmente ergänzt.<br />
Das integrierte, veranstalterzentrierte Rundfunksystem wandelt sich zu einem<br />
desintegrierten System von Dienstleistern verschiedener Elemente der (Massen)kommunikation.<br />
Die Rundfunkordnung ist nur noch ein Teil einer übergreifenden, dienstebezogen<br />
diversifizierten <strong>Kommunikations</strong>- und Informationsordnung, deren Entwicklungsstand<br />
auf die Möglichkeit der Ausgestaltung der speziellen Rundfunkordnung<br />
zurückwirkt.<br />
7. Rundfunkveranstaltung i. e. S. – verstanden insbesondere als Festlegung der Struktur<br />
des Programms, Zusammenstellung der Segmente und Angebot unter einheitlichem Namen<br />
– lässt sich zwar rechtlich von den ihr vor-, neben- und nachgelagerten Bereichen<br />
trennen. Allein auf die Veranstaltung i. e. S. zu sehen und Regulierung nur darauf auszurichten,<br />
geht aber angesichts der Überlappungen und Vernetzungen sowie wechselseitigen<br />
Austauschbarkeiten an der Realität der <strong>Medien</strong>märkte vorbei. Der Grundstein<br />
für Gefährdungen einer funktionsfähigen <strong>Medien</strong>ordnung kann in den Bereichen der<br />
Programmproduktion, -verbreitung und -rezeption ebenso gelegt werden wie bei der<br />
Rundfunkveranstaltung i. e. S. Neue Risiken für die Funktionsfähigkeit der <strong>Medien</strong>ordnung<br />
können insbesondere durch diverse Zugangsfilter (s. u. Punkt 18 ff.) verwirklicht<br />
werden.<br />
8. Die Entkoppelung und Vermehrung der für die Rundfunkfreiheit erheblichen<br />
Segmente und Ebenen und deren notwendiges Zusammenwirken führen zu neuen<br />
rundfunkverfassungsrechtlichen Fragen und zu neuen Aufgaben der <strong>Medien</strong>regulierung.<br />
III. Die Berechtigung hoheitlicher Rundfunkregulierung<br />
9. Die Berechtigung hoheitlicher Rundfunkregulierung entfällt durch die schon weitgehend<br />
erfolgte und weiter voranschreitende Überwindung der Knappheit von Übertragungskapazitäten<br />
nicht notwendig. Die Frequenzzuteilung unter Knappheitsbedingungen<br />
bot sich lange Zeit als rechtstechnischer Anknüpfungspunkt einer die fernmelderechtliche<br />
Regelung ergänzenden rundfunkrechtlichen Regulierung an; bei Wegfall der<br />
Knappheit können andere Anknüpfungspunkte genutzt werden.<br />
8
10. Rundfunkrechtliche Regulierung folgte stets eigenständigen Zielen, deren Beachtlichkeit<br />
nicht auf Knappheitslagen begrenzt war und die auf neuartige Gefährdungslagen<br />
eingestellt werden können. Der Abbau oder gar Wegfall der Knappheit der Verbreitungsmöglichkeiten<br />
ändert nichts an der fortbestehenden Maßgeblichkeit verfassungsrechtlicher<br />
Ziele der Rundfunkregulierung, kann aber den möglichen Weg der<br />
Zielerreichung beeinflussen. Neuartige Gefährdungen können darüber hinaus neue<br />
Wege der Zielverwirklichung erfordern.<br />
11. Das Recht verfolgt unterschiedliche Ziele bei Schrankengesetzen einerseits (Art. 5<br />
Abs. 2 GG) und <strong>Medien</strong>-Ausgestaltungsgesetzen andererseits (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG).<br />
Die für die Funktionsweise der dualen Rundfunkordnung maßgebenden Ausgestaltungsgesetze<br />
müssen sich an ihrem Beitrag zur Sicherung der Funktionsfähigkeit der<br />
<strong>Medien</strong>ordnung rechtfertigen lassen. Die Begriffe „kommunikative Vielfalt“ und „kommunikative<br />
Chancengerechtigkeit“ bezeichnen anerkannte – im Einzelnen näher zu<br />
operationalisierende – Bündel von Zielen. Da ein zentraler Bezugspunkt der Rundfunkfreiheit<br />
die Meinungsbildungsfreiheit der Rezipienten ist, müssen rundfunkrechtliche<br />
Regeln auch auf die kommunikative Kompetenz der Bürgerinnen und Bürger abgestimmt<br />
sein.<br />
12. Der Aufbruch in die Multimedia-Welt schafft keine Rechtfertigung, das Niveau der<br />
Zielerwartungen zu verringern. Im Gegenteil könnte er als Chance genutzt werden, dieses<br />
Niveau angesichts der neuen Möglichkeiten sogar höher als bisher anzusetzen. Jedenfalls<br />
ist es eine Herausforderung der Wissens- und Informationsgesellschaft, zumindest<br />
an den tradierten normativen Werten einer freiheitlichen Gesellschaft, so auch an<br />
denen der Emanzipation der Bürgerinnen und Bürger und des Schutzes vor Manipulation,<br />
festzuhalten und in der gegenwärtigen Zeit des multimedialen Umbruchs das gesellschaftlich<br />
verfügbare Potenzial an Werten, Informationen und Ideen möglichst weitgehend<br />
zugänglich zu machen und für möglichst viele nutzbar werden zu lassen. Es sollte<br />
auch denjenigen zugute kommen, denen dies bisher aufgrund ihrer Lebenssituation<br />
oder begrenzter persönlicher Kompetenzen erschwert war.<br />
13. Die empirischen Anzeichen deuten demgegenüber eher in die Richtung, dass diese<br />
Ziele nicht vorrangiger Bezugspunkt der Entwicklung sind. In erster Linie werden<br />
ökonomische Entfaltungsinteressen befriedigt; Manipulationsrisiken nehmen zu; die<br />
Kluften in den soziokulturellen, finanziellen und technologischen Zugangsmöglichkeiten<br />
werden eher größer, also z. B. Ungleichheiten eher verstärkt als abgebaut. Daraus<br />
könnte eine neue soziale Frage, die der Informations- und Wissensgesellschaft, entstehen.<br />
IV. Regelungsziele und Risiken ihrer Verfehlung<br />
Hoffmann-Riem · Regulierung des dualen Rundfunks<br />
14. Die Ausgestaltung der Rundfunkordnung muss dem Ziel „gleichgewichtiger Vielfalt“<br />
unter Vermeidung der Risiken von Fehlentwicklungen dienen. Hoheitliche Rundfunkregulierung<br />
ist als Mittel gerechtfertigt, soweit alleinige Selbstregulierung – d. h. in<br />
einer privatwirtschaftlichen Ordnung regelhaft Marktregulierung – zu verfassungsrechtlich<br />
gewichtigen Fehlentwicklungen (Marktversagen) führen würde, die nach der<br />
Einschätzung des Gesetzgebers durch Regulierung vermieden oder doch gemildert werden<br />
können. Nicht zu übersehen sind aber auch Risiken des Regulierungsversagens; diese<br />
dürfen nicht gewichtiger sein, sondern sollten möglichst im Vergleich zu denen des<br />
Marktversagens als geringer zu bewerten sein.<br />
9
M&K 48. Jahrgang 1/2000<br />
15. <strong>Medien</strong>ökonomische Analysen unter besonderer Berücksichtigung struktureller Besonderheiten<br />
der <strong>Medien</strong>märkte zeigen Defizite einer alleinigen Marktsteuerung. Insbesondere<br />
die Theorien, die sich mit der Produktion meritorischer Güter, mit externen Effekten<br />
und mit der Netzwerkökonomie befassen, können solche Risiken auch theoretisch<br />
plausibilisieren und zeigen, dass im <strong>Medien</strong>- und Informationsmarkt strukturell<br />
besondere Risiken angelegt sind. Der aktuelle Umbruch der <strong>Medien</strong>landschaft indiziert<br />
besondere Macht- und Konzentrationspotenziale sowie Missbrauchsrisiken, insbesondere<br />
bei der Zugangsfilterung. Die Palette möglicher Risiken ist größer und vielschichtiger,<br />
als das Bundesverfassungsgericht in seiner bisherigen Rechtsprechung berücksichtigen<br />
konnte.<br />
16. Da es schon medienrechtliche Regulierungen gibt, ist insbesondere zu fragen, ob sie<br />
ausreichen bzw. zur Fehlsteuerung führen. Gegenstand der medienverfassungsrechtlichen<br />
Beurteilung ist nicht die Chance für die Verwirklichung wirtschaftlicher Interessen<br />
– etwa der gewinnmaximalen Teilhabe an der Wertschöpfung im Multimedia-<br />
Markt –, sondern die auf publizistischem Wettbewerb aufbauende Funktionsfähigkeit<br />
der <strong>Medien</strong>ordnung, die der Sicherung der <strong>Medien</strong>freiheit auch und in erster Linie als<br />
Meinungsbildungsfreiheit der Bürgerinnen und Bürger dient.<br />
17. Die weitgehende Entkoppelung der verschiedenen freiheitsrelevanten Ebenen von<br />
Produktion, Veranstaltung i. e. S. und Verbreitung und deren weitere Ausdifferenzierung<br />
(s. Punkt 6 und 72) führen zu ebenenspezifischen Fragen nach Risiken und<br />
entsprechenden Regelungsbedarfen und Regelungsmöglichkeiten und nach Möglichkeiten<br />
der kooperativen Verkoppelung. Auf jeder der Ebenen ist zu fragen, wieweit die<br />
Ziele des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG durch marktmäßige Organisation erreicht werden können<br />
oder wieweit ergänzend oder ersetzend besondere Ausgestaltungen erforderlich sind.<br />
V. Gefährdungen der Zugangschancengerechtigkeit<br />
18. Aktuelle medienpolitische Vorschläge befassen sich zwar auch, aber nur in eingeengter<br />
Hinsicht, mit den aktuell dringend gewordenen Problemen der Zugangsfilterung<br />
und damit dem Risiko der Verfehlung der Zugangschancengerechtigkeit. Wichtige normative<br />
Zielebenen verweisen auf die Notwendigkeit von Sicherungen für<br />
• die Zugangschancengerechtigkeit für Kommunikatoren, insbesondere im Sinne<br />
eines Zugangs zu Produktionsfaktoren, zu Verbreitungs- und Vermarktungsmöglichkeiten;<br />
• die Empfangschancengerechtigkeit für Nutzer, insbesondere im Sinne einer Zugänglichkeit<br />
der Netzinfrastruktur, der Verfügbarkeit nicht nur quantitativ, sondern<br />
auch qualitativ den Bedürfnissen angemessener, auf die gesellschaftlichen<br />
Möglichkeiten abgestimmter Inhaltsangebote;<br />
• eine manipulationsfreie (-arme) Rezeptionssituation und<br />
• die Zugänglichkeit in einer auf die kommunikative Kompetenz der Rezipienten<br />
abgestimmten, sie gegebenenfalls fördernden Weise.<br />
19. Zugangsprobleme gibt es in verschiedenen, miteinander verkoppelten Dimensionen,<br />
so insbesondere als (vorrangig)<br />
• vertriebsbezogene Zugangsprobleme;<br />
• angebotsbezogene Zugangsprobleme;<br />
• rezipientenbezogene Zugangsprobleme.<br />
10
Hoffmann-Riem · Regulierung des dualen Rundfunks<br />
20. Gegenwärtig sind die Probleme des Zugangs zu Verbreitungsinfrastrukturen von besonderer<br />
Relevanz, da dort Weichen gestellt und Strukturen eingerichtet werden, die in<br />
Zukunft nur schwer korrigierbar sein dürften. Problematische Zugangshürden können<br />
insbesondere in folgenden Kontexten errichtet werden:<br />
• Setzung von Konditionen für den Zugang zur Verbreitung von <strong>Kommunikations</strong>diensten;<br />
• Multiplexing;<br />
• Programmpaketvermarktung;<br />
• Navigationssysteme.<br />
21. Nachhaltige Vermachtungsrisiken gibt es auch mit dem Blick auf die Zugänglichkeit<br />
der Rundfunkveranstalter zu Produktionsressourcen und Programmrechten.<br />
22. Die zurzeit beobachtbare Tendenz zur Verkoppelung von Marktmacht in unterschiedlichen<br />
Sektoren der <strong>Medien</strong>märkte verändert die <strong>Kommunikations</strong>verhältnisse<br />
nachhaltig, ohne dass es schon angemessene regulative Gegenvorkehrungen für den Fall<br />
der Gefährdung der Funktionsfähigkeit der <strong>Medien</strong>ordnung gäbe.<br />
VI. <strong>Medien</strong>regulierung als hoheitlich regulierte Selbstregulierung<br />
23. Rundfunkregulierung gilt zwar einem besonderen Gegenstandsbereich mit spezifischen<br />
Regulierungsaufgaben, kann aber grundsätzlich auf die gleichen Regulierungskonzepte<br />
und -instrumente zugreifen, die in anderen Zusammenhängen für hoheitliche<br />
Regulierungen entwickelt wurden. Gegenwärtig werden die Aufgaben und die Verantwortungsteilung<br />
zwischen Hoheitsträgern (Staat) und Gesellschaft in vielen Bereichen<br />
neu konzipiert. Dazu gehören die weltweiten, auch im EG-Bereich forcierten, Bemühungen,<br />
möglichst weitgehend auf Selbstregulierung zu vertrauen. Selbstregulierung<br />
gibt es nicht nur in Form der Marktregulierung.<br />
24. Soweit der Staat – wie aufgrund des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG – in Bereichen mit Selbstregulierung<br />
weiter Verantwortung für die Verwirklichung bestimmter Ziele oder die<br />
Wahrnehmung bestimmter Aufgaben trägt, muss er einen regulativen Rahmen für die<br />
Selbstregulierung bereitstellen (hoheitlich regulierte gesellschaftliche Selbstregulierung).<br />
Ergänzend kann es erforderlich sein, seine Auffangverantwortung insbesondere<br />
zur Abfederung negativer Folgewirkungen der Selbstregulierung zu nutzen.<br />
25. Die Aufgaben der Sicherung der Freiheitlichkeit der Kommunikation und das damit<br />
gekoppelte Gebot der Staatsferne bzw. Staatsfreiheit haben dazu geführt, dass der <strong>Medien</strong>bereich<br />
seit jeher auf Selbstregulierung, und zwar auf je unterschiedliche Typen der<br />
Selbstregulierung, ausgerichtet ist, dass der Gewährleistungsauftrag des Staates aber eine<br />
regulative Umhegung erlaubt und fordert, soweit sonst publizistische Gemeinwohlbelange<br />
nicht hinreichend berücksichtigt werden.<br />
26. In heuristischer Absicht sollen mit dem Begriff der rundfunkrechtlichen „Steuerung“<br />
Tätigkeiten von Hoheitsträgern bezeichnet werden, mit denen sie auf die Akteure<br />
im Rundfunkbereich einwirken, um dem Gewährleistungsauftrag des Art. 5 Abs. 1<br />
Satz 2 GG nachzukommen. Dass sie dabei nur in den Grenzen der Verfassung, also insbesondere<br />
unter Ausschluss programminhaltlicher Lenkung, handeln, muss stets gesichert<br />
bleiben.<br />
27. Sowohl die Steuerung komplexer sozialer Systeme als auch des Verhaltens Einzelner<br />
ist schwierig. Deterministische, auf lineare Kausalitäten ausgerichtete Steuerungskon-<br />
11
M&K 48. Jahrgang 1/2000<br />
zepte sind meist untauglich; unter den gegenwärtigen Ungewissheitsbedingungen und<br />
angesichts der vielfältigen Vernetzungen sind insbesondere verschlungene, nicht leicht<br />
nachvollziehbare Wirkungspfade und dynamische Rückkoppelungen einzukalkulieren,<br />
so dass es sich empfiehlt, entsprechend voraussetzungsvolle Steuerungskonzepte zu nutzen.<br />
28. Typisch für moderne <strong>Medien</strong>regulierung ist eine Steuerung unter Nutzung von<br />
rechtlichen Rahmen- und Strukturvorgaben, die durch einzelne Verhaltensregeln ergänzt<br />
werden. <strong>Medien</strong>aufsicht unterstützt die Struktursteuerung (z. B. durch begrenzte<br />
Programminhaltsbindungen, Werberestriktion etc.) und ermöglicht die Korrektur von<br />
Fehlverhalten im Einzelfall.<br />
VII. Schwierigkeiten erfolgreicher Regulierung<br />
29. Rechtliche Einwirkungen auf ein gesellschaftliches Feld (inputs) können – neben<br />
Folgenlosigkeit – Folgen verschiedener Art bewirken. Von der Veranlassung konkreten<br />
Verhaltens (output) sind die Wirkungen auf die konkret Betroffenen (impact) und davon<br />
die Auswirkungen in den betreffenden gesellschaftlichen Bereichen (outcome) zu<br />
unterscheiden.<br />
30. Welche rechtlichen Instrumente zum Erfolg führen, lässt sich nicht gegenstandsneutral<br />
und abstrakt bestimmen. Steuerungserfolge werden maßgebend durch die in<br />
dem Regelungsfeld bestimmenden Handlungsrationalitäten („Eigenlogiken“) beeinflusst.<br />
Am ehesten werden rechtliche Vorgaben befolgt, wenn sie Optionen bereitstellen,<br />
die ein Verhalten erlauben, das mit den Eigeninteressen der Betroffenen kompatibel<br />
ist oder das ihnen besondere Vorteile verspricht. Diese Eigeninteressen sind allerdings<br />
häufig nicht bei allen Betroffenen identisch, so dass die Interessenheterogenität der verschiedenen<br />
Akteure berücksichtigt werden muss und gegebenenfalls auch für die Steuerung<br />
(strategisch) genutzt werden kann.<br />
31. Rechtliche Steuerung gegen die Interessen der Betroffenen führt zu Ausweichreaktionen<br />
und ist nur ausnahmsweise – etwa unter Einsatz von Repression – erfolgreich.<br />
Repression aber ist in einer auf Selbstregulierung aufbauenden Ordnung ein Fremdkörper<br />
und kann daher nur ausnahmsweise Erfolg versprechend eingesetzt werden.<br />
32. Soweit die Verfolgung der Eigeninteressen nicht zur Befriedigung von Gemeinwohlinteressen<br />
ausreicht, sollte darauf hingewirkt werden, den Betroffenen einen Verhaltenskorridor<br />
zu eröffnen, der es ihnen zwar ermöglicht, aber auch nur erlaubt, Optionen<br />
zu wählen, die zugleich gemeinwohlverträglich sind. Zielverwirklichung durch Kooperation<br />
der hoheitlichen Verantwortungsträger mit den Betroffenen ist ein häufig gewählter<br />
Weg in einer im Wesentlichen auf Selbstregulierung beruhenden rechtlichen<br />
Ordnung.<br />
33. Die Erfahrungen mit <strong>Medien</strong>recht und <strong>Medien</strong>aufsicht – in Diskussionen meist konzentriert<br />
und reduziert auf Rundfunkaufsicht – geben weltweit viele Anwendungsbeispiele<br />
für die Schwierigkeiten der hoheitlichen Steuerung und damit für die Richtigkeit<br />
der soeben allgemein formulierten Thesen. Aufsichtliche Einwirkungen auf den privaten<br />
Rundfunk waren zwar nicht durchgängig folgenlos; sie haben insbesondere zu einer<br />
relativen Ordnung der Entwicklung des Rundfunkwesens beigetragen. Aufsicht war<br />
aber umso schwieriger und zum Teil folgenloser, je stärker die Aufsichtsziele und -instrumente<br />
mit den Orientierungen der Unternehmen am Markterfolg kollidierten (so<br />
z. B. bei programminhaltlichen Vorgaben oder bei der Konzentrationsbekämpfung).<br />
12
Hoffmann-Riem · Regulierung des dualen Rundfunks<br />
Allerdings gab es auch erhebliche regulative Einwirkungen, die den Beaufsichtigten<br />
(oder einem Teil von ihnen) zugute kamen oder sie zumindest nicht behinderten.<br />
34. Es gibt keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass hoheitliche Regulierung und<br />
Aufsicht unter den neuen Bedingungen der Multimedia-Wirtschaft leichter fallen bzw.<br />
erfolgreicher sein werden als die traditionelle Rundfunkaufsicht. Die Ausdifferenzierung<br />
der verschiedenen Wertschöpfungsakte und die Möglichkeiten zu ihrer unterschiedlichen<br />
Kombination werden Aufsicht ebenso erschweren wie die zunehmende Internationalisierung.<br />
35. Auf Befunde nachhaltiger Nichtbefolgung bzw. des Unterlaufens aufsichtlicher<br />
Maßnahmen hat die <strong>Medien</strong>aufsicht häufig mit einer Zurücknahme der Anforderungen<br />
und der Gesetzgeber mit einer Modifikation der Regulierungsziele und/oder Abschwächung<br />
der Aufsichtsinstrumente – also durch einen problematischen normativen<br />
Verzicht – reagiert.<br />
36. Die Erfüllung des gesetzlichen Gewährleistungsauftrags des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG<br />
bemisst sich am impact (an der Art des Gebrauchs der Rundfunkfreiheit durch die<br />
Grundrechtsbegünstigten) und am outcome (insbesondere an der Funktionsfähigkeit<br />
der <strong>Medien</strong>ordnung als Teil der Gesellschaftsordnung). Rechtliche Maßnahmen sind<br />
meist so konstruiert, dass sie auf einen bestimmten output hinzielen, von dem angenommen<br />
wird, dass impact und outcome in der erwünschten Weise beeinflusst werden.<br />
Die auf die Veranstaltung von Rundfunk ausgerichtete Steuerung hat es allerdings<br />
schwer, erwünschte outputs (und in der Folge den angestrebten impact und outcome)<br />
zu bewirken.<br />
VIII. Zusammenspiel von <strong>Medien</strong>recht und anderen Teilen der Rechtsordnung<br />
37. Ein Teil der Regulierungsprobleme lässt sich durch Rückgriff auf sonstige Teile der<br />
Rechtsordnung (Telekommunikations-, Zivil-, Wirtschafts-, Urheberrecht u. a.) bewältigen,<br />
die zusammen mit <strong>Medien</strong>recht als wechselseitig nutzbare Teil-Auffangordnungen<br />
verstanden werden können. Die rechtlichen Teilgebiete folgen aber eigenen Zielen<br />
und Rationalitäten und sind nicht geeignet, den Bedarf zur Sicherung der Funktionsfähigkeit<br />
der Rundfunkordnung so zu befriedigen, dass auf rundfunkspezifische Regulierung<br />
verzichtet werden könnte.<br />
38. Der Vorschlag, den ordnungspolitischen Rahmen für Rundfunk zu ändern und<br />
Rundfunkrecht in dem allgemeinen Wirtschaftsrecht aufgehen zu lassen, ist mit den<br />
Grundprinzipien der deutschen dualen Rundfunkordnung nicht vereinbar, weil er darauf<br />
zielt, den ökonomischen Wettbewerb zum zentralen Steuerungsmodus im Programmbereich<br />
zu erheben. Auf diesem Steuerungsmodus aber baut allgemeines Wirtschaftsrecht<br />
auf. Es wäre ein Strukturwiderspruch, öffentlich-rechtlichen Rundfunk einerseits<br />
von ökonomischen Imperativen freizustellen (Gemeinwirtschaftlichkeit) und<br />
ihn im Programmverhalten zugleich allein oder auch nur vorrangig ökonomischen<br />
Steuerungsimpulsen auszusetzen.<br />
39. Für die Regulierung privatwirtschaftlichen Rundfunks scheidet ein durch spezifische<br />
rundfunkrechtliche Bindungen modifiziertes Wirtschaftsrecht allerdings nicht von<br />
vornherein aus. Die gebotene rundfunkspezifische Modifikation könnte allerdings zum<br />
Funktionswandel des Wirtschaftsrechts und der wirtschaftsrechtlichen Aufsicht führen<br />
und damit den Charakter des Wirtschaftsrechts als eines allgemeinen – also im Regelfall<br />
13
M&K 48. Jahrgang 1/2000<br />
losgelöst von den spezifischen Strukturen und Leistungsmerkmalen des jeweiligen<br />
Marktes wirkenden – Rechtsrahmens unterminieren.<br />
40. Eine entsprechende wirtschaftsrechtliche Regulierung könnte aus Gründen fehlender<br />
Gesetzgebungskompetenz des Bundes nicht als Ausgestaltungsgesetz im Sinne des<br />
Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ergehen; als Schrankengesetz im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG<br />
aber könnte sie nicht speziell auf die Sicherung der Funktionsfähigkeit der <strong>Medien</strong>ordnung<br />
ausgerichtet sein. Inhaltlich müsste eine rein wirtschaftsrechtliche Steuerung zur<br />
Notwendigkeit anderweitiger Absicherungen der Funktionsfähigkeit der <strong>Medien</strong>ordnung<br />
führen. Gemäß der Logik der dualen Rundfunkordnung, nämlich wegen des normativen<br />
„Scharniers“ bei der Vielfaltssicherung (s. o. Punkt 2 und 3), käme als Alternative<br />
in Betracht, die Fähigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zur Abfederung von<br />
Vielfaltsdefiziten privaten Rundfunks im Vergleich zum Status quo zu verstärken.<br />
IX. Aufgabe fortwährender Überprüfung der Tauglichkeit der Regulierung beider<br />
Teile der dualen Rundfunkordnung<br />
41. Auch schon vorhandene Regulierungen gehören auf den Prüfstand der fortwährenden<br />
Funktionstauglichkeit. Dies gilt für die Regelungen beider Säulen der Rundfunkordnung<br />
sowie für deren Zusammenspiel. Die Fixierung der gegenwärtigen Diskussion<br />
fast nur auf öffentlich-rechtlichen Rundfunk bewirkt eine der dualen Ordnung nicht angemessene<br />
Schieflage.<br />
42. Rundfunkgesetzgebung ist Gesetzgebung zur freiheitsermöglichenden Ausgestaltung<br />
der Rundfunkordnung. Sie ist daher auf die Funktionsfähigkeit dieser Rundfunkordnung<br />
bezogen. Es gibt selbstverständlich auch rechtliche Grenzen zulässiger Ausgestaltung.<br />
In dem durch sie markierten „Korridor“ geht es allerdings in erster Linie um<br />
Optimierung bei der Auswahl und Kombination von Gestaltungsoptionen. Deshalb hat<br />
die <strong>wissenschaft</strong>liche und praktische Diskussion um Rundfunkausgestaltung in vielem<br />
notwendig den Charakter einer medienpolitischen Diskussion.<br />
43. In der aktuellen medienpolitischen Diskussion wird das Nebeneinander von öffentlich-rechtlichem<br />
und privatem Rundfunk als solches nicht zur Disposition gestellt. Die<br />
grundsätzliche Akzeptanz und wechselseitige Koexistenz beider Säulen sind gegenwärtig<br />
gesichert. Insofern besteht kein Anlass zur Umsteuerung.<br />
X. Insbesondere: Zum Funktionsauftrag öffentlich-rechtlichen Rundfunks<br />
44. Der Vorwurf einer Expansion öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist der empirischen<br />
Prüfung zugänglich, diese bedarf dafür aber eines normativen Maßstabs. Eine Expansion<br />
durch Tätigkeiten außerhalb des gesetzlichen Auftrages wäre rechtswidrig, also<br />
korrekturbedürftiges Fehlverhalten. Nicht als Expansion, sondern als Erfüllung seines<br />
Entwicklungsauftrages einzuordnen wäre allerdings eine (aufgabengerechte) Reaktion<br />
des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auf Marktveränderungen; sein Bemühen, in der<br />
publizistischen Konkurrenz mit privatem Rundfunk erfolgreich zu sein – z. B. durch<br />
entsprechende Ausdifferenzierung des Programmangebots –, ist der dualen Rundfunkordnung<br />
gemäß.<br />
45. Begrenzungen des Programmauftrags öffentlich-rechtlichen Rundfunks sind verfassungsrechtlich<br />
nicht von vornherein ausgeschlossen. Programmbegrenzungen bedürfen<br />
wegen des Gebots der Staatsfreiheit auch bei gesetzgeberischem Handeln aber besonde-<br />
14
Hoffmann-Riem · Regulierung des dualen Rundfunks<br />
rer, insbesondere prozeduraler, Absicherungen und müssen inhaltlich an dem Ziel der<br />
Verbesserung der Funktionsfähigkeit der dualen Rundfunkordnung gerechtfertigt werden.<br />
46. Der Vorschlag einer Bereichsabgrenzung öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch<br />
Präzisierung eines „Funktionsauftrags“ hat viele Vorläufer, die darauf gezielt haben, das<br />
Betätigungsfeld öffentlich-rechtlichen Rundfunks zugunsten der Entfaltungschancen<br />
privaten Rundfunks zu begrenzen.<br />
47. Der in dieser Diskussion zur Ersetzung des Begriffs der Grundversorgung neu eingeführte<br />
Begriff des Funktionsauftrags führt nicht, jedenfalls nicht notwendig zur Begrenzung<br />
des Aufgabenfeldes des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Schon der – in der<br />
Tat missverständliche – Vorgängerbegriff der „Grundversorgung“ war ein zukunftsoffen<br />
formulierter Funktionsbegriff, der die Entwicklungsdynamik aufgreifen wollte<br />
und eine Bereichsabgrenzung oder gar Marginalisierung des öffentlich-rechtlichen<br />
Rundfunks gerade ausschließen sollte.<br />
48. Richtig – nämlich entwicklungsoffen – verstanden ist der Begriff „Funktionsauftrag“<br />
besser als der bisher übliche des „Programmauftrags“ geeignet, die verschiedenen Teilaufgaben<br />
des öffentlich-rechtlichen Rundfunks funktionsbezogen zu bündeln, die zwar<br />
stets auf das Programm bezogen sein müssen, sich aber in der ausdifferenzierten dynamischen<br />
<strong>Medien</strong>welt im Interesse der Funktionsfähigkeit der Rundfunkordnung auch<br />
in die der Veranstaltung i. e. S. vor-, neben- und nachgelagerten Bereiche erstrecken.<br />
49. Weder mit der (richtig verstandenen) Komplementärfunktion noch mit der Integrationsfunktion<br />
lässt sich rechtfertigen, öffentlich-rechtlichen Rundfunk auf Vollprogramme<br />
und bestimmte (nicht massenattraktive) Spartenprogramme zu begrenzen oder<br />
zielgruppenbezogene Programme grundsätzlich auszuschließen. Ebenso gibt es keine<br />
Rechtfertigung, ihm massenattraktive Unterhaltung vorzuenthalten. Stets, also auch im<br />
Bereich massenattraktiver Programme, bedarf es Sicherungen einer meritorischen Qualität<br />
der Programmangebote.<br />
50. Dies gilt auch für den Fall weiterer Fragmentierung der Rundfunkprogramme, etwa<br />
im Sinne einer Zunahme von Sparten- und Zielgruppenprogrammen. An solchen Entwicklungen<br />
teilzunehmen, ist dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht grundsätzlich<br />
verwehrt. Die Sicherung einer besonderen Public-Service-Qualität in dem betreffenden<br />
Angebot (nicht zwingend in jeder einzelnen Sendung) ist aber Bedingung der Veranstaltung<br />
solcher Programme.<br />
51. Eine Schutzzone privaten Rundfunks vor publizistischem Wettbewerb durch öffentlich-rechtlichen<br />
Rundfunk wäre in der dualen Rundfunkordnung mit der Idee der<br />
Vielfaltssicherung durch Angebote von Trägern zweier unterschiedlich strukturierter<br />
und orientierter Teilordnungen unvereinbar. Da alle Programmsegmente für die Meinungsbildungsfreiheit<br />
der Bürgerinnen und Bürger relevant sind oder doch sein können,<br />
muss der publizistische Wettbewerb als Modus der Verwirklichung medienverfassungsrechtlicher<br />
Ziele für alle funktional äquivalenten Programmangebote nutzbar sein.<br />
Ein funktionierender publizistischer Wettbewerb setzt also voraus, dass beide Säulen<br />
alle Zuschauer- bzw. Hörerschaften unter Berücksichtigung ihrer <strong>Kommunikations</strong>bedürfnisse<br />
und Rezeptionsgewohnheiten bedienen dürfen (nicht müssen) und versuchen,<br />
im Rahmen ihres spezifischen Auftrags die jeweils besseren Rezeptionschancen zu haben<br />
– z. B. über unterschiedliche Präsentationsformen, programmliche Schwerpunkte,<br />
berücksichtigte Vielfaltsdimensionen oder durch sonstige inhaltliche Qualitäten.<br />
15
M&K 48. Jahrgang 1/2000<br />
XI. Entwicklungsmöglichkeiten<br />
52. Privatem wie öffentlich-rechtlichem Rundfunk steht nach Maßgabe der jeweils für<br />
sie geltenden Gesetze der Zugang zu allen Verbreitungstechnologien offen, auch zum<br />
Internet.<br />
53. Bei der Internet-Nutzung sind dabei unterschiedliche Betätigungsfelder zu unterscheiden.<br />
(1) Die Nutzung des Internet als Medium für ergänzende Informationen zum üblichen<br />
Rundfunkprogramm (Annexdienste).<br />
(2) Die Nutzung des Internet zur Verbreitung von Rundfunkprogrammen, die<br />
auch über andere Verbreitungstechnologien verbreitet werden (Erweiterung der<br />
technischen Plattform).<br />
(3) Die Nutzung des Internet zur Verbreitung neuartiger, speziell auf das Internet<br />
abgestimmter Programminhalte.<br />
54. Für privatwirtschaftlichen Rundfunk hat der <strong>Medien</strong>dienste-Staatsvertrag (MDStV)<br />
eine Einengung der Geltungskraft des Rundfunkstaatsvertrages (RStV) gebracht: Die<br />
Anwendung des Landesrundfunkrechts auf <strong>Medien</strong>dienste ohne Charakter der „Darbietung“<br />
(ohne stärkere Meinungsrelevanz bzw. ohne besondere kommunikative Wirkungskraft)<br />
ist in der Folge ausgeschlossen.<br />
55. Der 4. Rundfunkänderungsstaatsvertrag betrifft und begrenzt die Annextätigkeiten<br />
des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, schließt aber die Nutzung des Internet zur (zusätzlichen)<br />
Verbreitung ohnehin veranstalteter Rundfunkprogramme ebenso wenig aus<br />
wie die Nutzung des Internet für neuartige Rundfunkdienste. Weder der MDStV noch<br />
der RStV regelt bzw. begrenzt die Nutzung des Internet durch öffentlich-rechtlichen<br />
Rundfunk. Entscheidend für sein Tätigkeitsfeld ist vielmehr, ob die Rundfunkgesetze<br />
die Internet-Nutzung ausschließen. Dies ist eine Frage der Auslegung der Normen über<br />
den Funktionsauftrag öffentlich-rechtlichen Rundfunks.<br />
56. Der Vorschlag, privatem Rundfunk die Finanzierung über Werbung und Sponsoring<br />
vorzubehalten, d. h. sie öffentlich-rechtlichem Rundfunk zu verwehren, würde der Idee<br />
struktureller Diversifikation in besonderem Maße entsprechen; seine Umsetzung ist<br />
allerdings verfassungsrechtlich nicht geboten. Sie bedürfte begleitender Vorkehrungen<br />
zur Erfüllung des Gebots funktionsgerechter Finanzierung.<br />
57. Pay-TV durch öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten wäre zwar nicht von Verfassung<br />
wegen ausgeschlossen, seine Einführung wäre aber in medienpolitischer Hinsicht<br />
für öffentlich-rechtlichen Rundfunk gegenwärtig riskant.<br />
58. Eine Finanzierung öffentlich-rechtlichen Rundfunks aus Steuermitteln wäre verfassungsrechtlich<br />
nur zulässig, wenn besondere – insbesondere prozedurale – Sicherungen<br />
der Staatsunabhängigkeit eingeführt würden.<br />
59. Eine Neuordnung der <strong>Medien</strong>aufsicht, insbesondere der Aufsicht über privaten<br />
Rundfunk, kann sinnvollerweise nicht abgelöst von der Art der Regulierung erfolgen.<br />
Viele der aktuell diskutierten Vorschläge über die Konzentration bzw. Veränderung von<br />
Aufsicht stehen in untrennbarem Zusammenhang mit dem Regulierungskonzept selbst,<br />
ohne dass sie aber entsprechend weiträumig und tief konzipiert werden. Die Diskussion<br />
ist daher unzuträglich verkürzt.<br />
16
Hoffmann-Riem · Regulierung des dualen Rundfunks<br />
XII. Selbstregulierung und Aufsicht beim privaten Rundfunk<br />
60. In der privatwirtschaftlichen Säule der Rundfunkordnung ist maßgebendes Ordnungsprinzip<br />
die über den Markt erfolgende, ökonomisch determinierte Selbstregulierung.<br />
Mit ihr sind in der Rechtsordnung die Grundelemente von Privatwirtschaftlichkeit<br />
und -rechtlichkeit gekoppelt, ohne dass dies einer spezifischen Regulierung<br />
bedürfte. Das Privatrecht schafft den institutionellen Rahmen für Privatautonomie.<br />
Autonom bestimmtes und verwaltetes Eigeninteresse wird zur maßgebenden Steuerungsressource;<br />
Privateigentum und Wettbewerb sind konstituierende Elemente.<br />
<strong>Medien</strong>recht ergänzt dies durch eine an den Zielvorgaben des Art. 5 GG orientierte<br />
regulative Umhegung privatautonomen Verhaltens (regulierte Selbstregulierung).<br />
61. Entfaltung am <strong>Medien</strong>markt unter Nutzung seiner Eigenrationalitäten heißt primäre<br />
Orientierung am wirtschaftlichen Erfolg; erlaubt und „normal“ ist die Verfolgung eines<br />
Ertrags- und Gewinninteresses (abgesichert in Art. 12, 14, 2 Abs. 1 GG). „Verdienen“<br />
(im Eigeninteresse), nicht etwa „Dienen“ (am Gemeinwohl) ist legitimerweise die<br />
Leitlinie der Marktorientierung. Rundfunkrecht muss aber wegen der Vorgaben des<br />
Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG um praktische Konkordanz von „Verdienen“ und „Dienen“<br />
bemüht sein. Die Teilhabe privaten Rundfunks am publizistischen Wettbewerb erfolgt<br />
nach Maßgabe des wirtschaftlichen Wettbewerbs. In einer dualen Ordnung ist dies<br />
verfassungsrechtlich unbedenklich, weil (und solange) die möglicherweise so nicht zu<br />
erfüllenden medienverfassungsrechtlichen Vielfaltsanforderungen jedenfalls durch<br />
den öffentlich-rechtlichen Rundfunk bedient werden können (s. o. Punkt 3).<br />
62. Selbstregulierung bildet sich in der privatwirtschaftlichen Rundfunkordnung auf<br />
verschiedenen Ebenen ab, so als unternehmensinterne, aber auch als marktbezogene<br />
Selbstregulierung. Auch die verschiedenen Selbstkontrolleinrichtungen der <strong>Medien</strong>wirtschaft<br />
sind Erscheinungsformen von Selbstregulierung, die aber auf enge Aufgabenfelder<br />
begrenzt sind. Sie bewirken eine (begrenzte) Entlastung der hoheitlichen<br />
<strong>Medien</strong>aufsicht.<br />
63. Die Rundfunkordnung ist umso leistungsfähiger konzipiert, je weniger die Rundfunkaufsicht<br />
in konkreten Einzelfällen zur Gegensteuerung benötigt wird, d. h. je stärker<br />
die Selbstregulierung der Rundfunkwirtschaft zur Erzielung auch der erwünschten<br />
Gemeinwohlwirkungen beiträgt. Rundfunkaufsicht kann aber unentbehrlich zur gemeinwohlorientierten<br />
Regulierung dieser Selbstregulierung sein.<br />
64. Die hoheitliche Rundfunkaufsicht durch Landesmedienanstalten als grundrechtssichernden<br />
Anstalten hat im Laufe der Zeit in Verarbeitung der Erfahrungen mit praktizierter<br />
<strong>Medien</strong>aufsicht (s. o. Punkt 33) einen Wandel durchgemacht. Ein von der Arbeitsgemeinschaft<br />
der Landesmedienanstalten im Jahre 1999 ausgearbeitetes Positionspapier<br />
dokumentiert das Bemühen, die Verantwortung für konkrete Ergebnisse und<br />
Wirkungen von Aufsicht (die sog. Erfüllungsverantwortung) zurückzunehmen und sich<br />
verstärkt auf Setzung eines Rahmens und von Spielregeln zu konzentrieren, vor allem<br />
aber konzipierend, beratend und koordinierend tätig zu werden (im Zuge der sog.<br />
Gewährleistungsverantwortung). Dies wird durch eine als Auffangverantwortung zu<br />
verstehende Missbrauchsaufsicht und Sorge für den Schutz von Minderheiten ergänzt.<br />
Solche Veränderungen entsprechen einem weltweit beobachtbaren Trend der Regulierung.<br />
65. Hoheitliche <strong>Medien</strong>aufsicht ist in vielem auf die Mitwirkungsbereitschaft der Beaufsichtigten<br />
angewiesen (s. o. Punkt 32). Die Kooperation kann die Aufsichtsträger in<br />
den Augen externer Beobachter diskreditieren (Eindruck von Kollusion u. ä.); auch be-<br />
17
M&K 48. Jahrgang 1/2000<br />
stehen Risiken einer unzuträglichen Nähe zu den Regulierten (Distanzverlust), der<br />
Übernahme ihrer Perspektiven oder gar der Verstrickung in deren Handlungsrahmen<br />
(capture).<br />
XIII. Selbstregulierung und Aufsicht beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk<br />
66. In der öffentlich-rechtlichen Säule ist maßgebendes Ordnungsprinzip ebenfalls die<br />
(regulierte) Selbstregulierung, aber in anderer Weise als beim privaten Rundfunk. Als<br />
rechtliche Konstrukte des Staates mit einem spezifisch definierten Aufgabenfeld ist den<br />
Rundfunkanstalten nach Maßgabe der vom Gesetzgeber geschaffenen Strukturen rechtliche<br />
Autonomie gewährt. Eine Orientierung am Gewinninteresse ist ihnen untersagt.<br />
Rundfunkfreiheit darf nicht als „verdienende“ Freiheit genutzt werden. Das verfassungsrechtliche<br />
Gebot funktionsgerechter Finanzierung des öffentlich-rechtlichen<br />
Rundfunks soll sichern, dass die Einhaltung dieser Vorgabe möglich ist.<br />
67. Selbstregulierung wirkt sich auch beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk auf verschiedenen<br />
Ebenen aus. Ein wichtiges Feld ist organisationsinterne Selbstregulierung<br />
(auch durch plural zusammengesetzte Organe etc.), die durch selbstregulative Vorkehrungen<br />
für Effizienz (etwa durch Einführung neuer Managementstrukturen, Budgetierung,<br />
Controlling u. ä.) ergänzt wird.<br />
68. Hinzu kommt in programmlicher Hinsicht eine der Public-Service-Idee verpflichtete<br />
Selbstregulierung. Die Maßstäbe dafür sind in professioneller Eigenverantwortung zu<br />
konkretisieren. Interner Anstaltsaufbau und (vorrangige) Gebührenfinanzierung sind<br />
strukturelle Vorkehrungen dafür, dass die professionelle Verantwortung der im Programmbereich<br />
Tätigen sich in Distanzierung vom ökonomischen Markt folgenreich an<br />
Kriterien publizistischer Relevanz orientiert.<br />
69. Die aktuellen Versuche der Rundfunkanstalten zur Operationalisierung der Public-<br />
Service-Orientierung und der Herausarbeitung eines spezifischen Programmprofils und<br />
damit zur ausdrücklichen Entwicklung von Maßstäben der Programmqualität sowie<br />
zum Aufbau eines Qualitätsmanagements und Qualitätscontrolling zeigen Möglichkeiten<br />
selbstregulativer Reaktion auf sich verändernde Rahmenbedingungen. Sie sind auch<br />
in ausgelagerte, programmrelevante Bereiche hin zu erstrecken.<br />
70. Die vorrangig binnenorganisatorisch (plural) eingerichtete Rundfunkaufsicht ist ein<br />
Teilelement selbstregulativer Organisation, die durch die regulativen Rahmenvorgaben<br />
des Rundfunkrechts vorstrukturiert worden ist und deren Funktionieren durch die (verfassungsrechtlich<br />
notwendig begrenzte) staatliche Rechtsaufsicht überwacht wird. Die<br />
hoheitliche Rechnungsprüfung durch Rechnungshöfe und die mit der Gebührenfinanzierung<br />
gekoppelte externe Rechenschaftspflicht gegenüber der Kommission zur Ermittlung<br />
des Finanzbedarfs (KEF) und dem Parlament sind weitere regulative Umhegungen<br />
der Selbstregulierung.<br />
71. Für eine auf Public Service ausgerichtete Einrichtung ist Rechenschaft gegenüber der<br />
Allgemeinheit (Öffentlichkeit) eine besonders wichtige Bezugsgröße der Legitimation<br />
(public accountability). Deswegen gewinnt Transparenz große normative Bedeutung<br />
für das Handeln der Rundfunkanstalten. Selbstregulative Prozesse können durch verstärkten<br />
Dialog mit der Öffentlichkeit bereichert werden, so z. B. durch deren verstärkte<br />
Einbeziehung in die Erarbeitung von Programmprofilen und das Qualitätsmanagement,<br />
durch eingehendere Informationen über Programmentwicklungsplanungen bis hin zur<br />
öffentlichen Konkretisierung von Zielvorgaben.<br />
18
Hoffmann-Riem · Regulierung des dualen Rundfunks<br />
XIV. Die Zuordnung der beiden Säulen der Rundfunkordnung<br />
72. Für die Zuordnung der beiden Säulen gibt es – trotz anfänglichen Fehlens eines konzeptionellen<br />
Designs (s. o. Punkt 1) – einige typische Konstruktionsprinzipien als Konkretisierungen<br />
der Grundidee struktureller Diversifikation:<br />
• die unterschiedliche Einstellung zum Prinzip Wettbewerb (publizistischer/ökonomischer<br />
Wettbewerb);<br />
• damit verbunden die Anerkennung je unterschiedlicher Eigenrationalitäten (insbesondere<br />
privatwirtschaftliches Ertrags- und Gewinnmotiv einerseits und gemeinwirtschaftlich<br />
fundierte Gemeinwohlorientierung andererseits);<br />
• unterschiedliche, auch unterschiedlich intensive Programmbindungen;<br />
• unterschiedliche Verfahren der Zuteilung technischer Ressourcen, insbesondere<br />
der Übertragungskapazitäten;<br />
• unterschiedliche Regeln über den jeweils bevorzugten Zugriff auf unterschiedliche<br />
finanzielle Ressourcen (Werbung einerseits, Gebühren andererseits);<br />
• unterschiedliche Freiheiten zur Betätigung in anderen Marktsegmenten.<br />
Demgegenüber wird die Zuordnung der beiden Säulen nicht durch eine programmgegenständliche<br />
Bereichsabgrenzung oder einen grundsätzlichen Ausschluss bestimmter<br />
Verbreitungstechnologien für eine der Säulen vorgenommen (s. o. Punkt 47 ff.,<br />
51 ff.).<br />
73. Das Zusammenspiel der beiden Säulen der dualen Ordnung erlaubt es in vielen Situationen,<br />
hoheitliche Interventionen in den jeweiligen Säulen vorsichtiger, schonender<br />
einzusetzen, als wenn das Vertrauen auf die Funktionsfähigkeit der gesamten Rundfunkordnung<br />
allein auf eine Säule gestützt wäre. So dürfen Funktionserwartungen an die<br />
eine Säule zurückgeschraubt werden, wenn sie in der anderen Säule in abgesicherter<br />
Weise, insbesondere ohne funktionswidrige Belastungen, befriedigt werden. Auch ist es<br />
möglich, normwidrige Funktionsdefizite in der jeweiligen Säule zu bekämpfen, ohne<br />
zugleich das duale System als solches zur Disposition stellen zu müssen. Strukturdualität<br />
ist insofern eine besondere Ausprägung des rechtsstaatlichen Grundsatzes möglichst<br />
schonender Intervention in Autonomiebereiche.<br />
XV. Ausweitung des Prinzips struktureller Diversifikation<br />
74. Solange Tätigkeiten in den jetzt vor-, neben- und nachgelagerten Märkten noch zum<br />
selbstverständlichen Aufgabenfeld der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten selbst<br />
gehörten, wirkten sich deren Strukturprinzipien auch bei diesem Handeln aus. Die<br />
verstärkte Auslagerung von Tätigkeiten und die Abhängigkeit vom Erwerb benötigter<br />
Leistungen an den <strong>Medien</strong>märkten haben zu einer Reduktion des Anwendungsbereichs<br />
gesicherter struktureller Diversifikation geführt und werden es vermutlich noch weiter<br />
tun. Daraus können Probleme der Funktionsfähigkeit der <strong>Medien</strong>ordnung entstehen.<br />
75. In der dualen Rundfunkordnung wirken sich die Probleme der Zugänglichkeit zu<br />
den Leistungen des Multimedia-Wertschöpfungsnetzwerks auf die privatwirtschaftliche<br />
und die öffentlich-rechtliche Säule in unterschiedlicher Weise aus.<br />
a) Rechtlich sind die Unternehmen privaten Rundfunks nicht gehindert, sich indem<br />
gesamten Multimedia-Wertschöpfungsnetzwerk zu betätigen und damit – je<br />
19
M&K 48. Jahrgang 1/2000<br />
nach den finanziellen u. ä. Möglichkeiten – aus eigener Kraft Zugangshürden zu<br />
überwinden.<br />
b) Anders der öffentlich-rechtliche Rundfunk, der nicht ultra vires handeln darf.<br />
Allerdings sind die gegenwärtigen Aufgabennormen relativ weit gefasst und<br />
erlauben Tätigkeiten in den vor-, neben- und nachgelagerten Bereichen. Beschränkungen<br />
der Tätigkeit in vor-, neben- und nachgelagerten Bereichen sind für<br />
die Funktionsfähigkeit der <strong>Medien</strong>ordnung nicht unproblematisch, da sie dem<br />
öffentlich-rechtlichen Rundfunk Möglichkeiten nehmen könnten, die vielen<br />
aktuellen und potenziellen Zugangshürden aus eigener Kraft (etwa durch eigene<br />
Betätigung) zu nehmen. Zum Ausgleich müssten in der Rechtsordnung andere<br />
(besondere) Vorkehrungen zur Sicherung der Zugänglichkeit geschaffen<br />
werden.<br />
76. Die Vermachtungs- und Missbrauchsrisiken in den Multimedia-Netzwerken können<br />
es nahe legen, das Grundprinzip struktureller Diversifikation auch in andere Bereiche<br />
als die der Rundfunkveranstaltung i. e. S. zu erstrecken und neue Vorkehrungen zur<br />
Sicherung der Funktionsfähigkeit der <strong>Medien</strong>ordnung, etwa in den Bereichen der Produktion,<br />
der Erstellung und des Betriebs der <strong>Kommunikations</strong>infrastruktur sowie der<br />
Dienste mit Zugangsfilterungsfunktion, vorzusehen.<br />
77. §§ 52, 53 RStV 1999 dokumentieren den staatlichen Regelungsanspruch für ein Teilsegment<br />
und wollen insbesondere die Zugänglichkeit sichern. Dort werden in erster<br />
Linie „Spielregeln“ aufgestellt, z. B. für die Kabelverbreitung, aber auch für Zugangsdienste<br />
einschließlich der Navigatoren. Sollte der Gesetzgeber unter Nutzung seiner<br />
Einschätzungsprärogative zum Ergebnis kommen, dass die Vorkehrungen nicht reichen<br />
und dass auch eine Aufstockung der Verhaltensregeln und Sanktionen nicht effektiv<br />
oder gar kontraproduktiv ist, muss stattdessen gegebenenfalls auch für alternative Strukturen<br />
– etwa durch ergänzende gemeinwirtschaftliche Träger dieser Dienste – gesorgt<br />
werden. Der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers ist jedenfalls weit genug.<br />
78. Die Grundidee struktureller Diversifikation ist nicht auf Rundfunkprogramme begrenzt,<br />
sondern kann auch auf andere kommunikative Dienste bezogen werden, die<br />
gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG regelbar sind und bei denen Regelungsbedarf besteht.<br />
Angesichts der Dynamik des Multimediabereichs und der Konvergenzprozesse können<br />
sich neue Regelungsbedarfe entwickeln, z. B. für den Teil der <strong>Medien</strong>dienste, die ohnehin<br />
verfassungsrechtlich vom Rundfunkbegriff erfasst werden bzw. in den Geltungsbereich<br />
des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG fallen. Auch Dienste auf der Grenzlinie zwischen<br />
Massen- und Individualkommunikation können betroffen sein, sofern sie für die<br />
zukünftige Funktionsfähigkeit der <strong>Medien</strong>ordnung wichtig sind. Art und Intensität<br />
möglicher Regulierung sind eigenständig zu bestimmen.<br />
XVI. Ausblick<br />
79. Das Bild von den zwei „Säulen“ der Rundfunkordnung beruht auf einer erheblich<br />
vereinfachten Realitätswahrnehmung. Es drückt nicht hinreichend aus, dass die <strong>Medien</strong>ordnung<br />
aus einem komplizierten Gerüst mit unterschiedlichen und je unterschiedlich<br />
tragfähigen Pfeilern und unterschiedlich belastbaren Verstrebungen besteht. Auch gibt<br />
es in ihr faktisch vielfältige Kooperationsformen zwischen Akteuren beider „Säulen“<br />
und zunehmend hybride Leistungsträger. Das Bild von den Säulen speichert gleichwohl<br />
in pragmatischer Absicht eine gedankliche Bündelung der strukturell gegensätzlichen<br />
20
Hoffmann-Riem · Regulierung des dualen Rundfunks<br />
Teilelemente der <strong>Medien</strong>ordnung und kann insofern (wenn auch nur mit Vorbehalt)<br />
weiter genutzt werden.<br />
80. Die privatwirtschaftliche Säule trifft auf keine besonderen rechtlichen Grenzen der<br />
Betätigung in den Segmenten der Multimedia-Märkte. Ihre Lebensfähigkeit bedarf keiner<br />
zusätzlichen Absicherung. Bestands- und Entwicklungsgarant privatwirtschaftlicher<br />
<strong>Medien</strong> ist der Markt. Überlebensgarantien gibt es im rechtlichen Rahmen nach<br />
Maßgabe der Marktgesetzlichkeiten, aber auch nur nach ihnen.<br />
81. Demgegenüber hängt die Leistungsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks von<br />
besonderen, rechtlich geschaffenen Handlungsvoraussetzungen ab, und zwar auch für die<br />
veranstaltungsbezogenen Tätigkeiten in den vor-, neben- und nachgelagerten Bereichen.<br />
Dementsprechend ist die Ausstrahlung der Bestands- und Entwicklungsgarantie in diese<br />
Bereiche hinein Grundlage der Zukunftsfähigkeit öffentlich-rechtlichen Rundfunks.<br />
82. Eine zeitangemessene Bestimmung eines Funktionsauftrags öffentlich-rechtlichen<br />
Rundfunks reicht über den Bereich der Veranstaltung i. e. S. hinaus und muss insbesondere<br />
die vielfältigen Gefährdungen der Zugänglichkeit verarbeiten, die nicht nur im Produktionsbereich<br />
und beim Rechteerwerb bestehen können, sondern auch bei der Programmverbreitung<br />
und -rezeption (s. o. Punkt 18 – 22).<br />
83. Im Einzelnen sind noch viele Fragen offen, so z. B. nach der für sonstige Tätigkeiten<br />
geforderten Nähe zur Programmveranstaltung i. e. S., nach den Grenzen der Kooperation<br />
mit Dritten, nach Regeln der Beteiligungsverwaltung, nach der Möglichkeit der Produktion<br />
auch für sonstige <strong>Medien</strong>unternehmen, nach der haushaltswirtschaftlichen Behandlung<br />
oder nach medienspezifischem Controlling. Wieweit selbstregulative Mechanismen<br />
ausreichen oder deren regulative Umhegung erforderlich ist, bedarf weiterer Abklärung.<br />
84. Eine schleichende Ökonomisierung der fragmentierten Lebenswelten einer Rundfunkanstalt<br />
muss vermieden werden. Insofern wird auch zu klären sein, ob, wieweit und<br />
wie die rundfunkgesetzlich vorgesehenen strukturellen Sicherungen der Gemeinwohlorientierung<br />
– etwa die Zielvorgaben und die Verantwortlichkeit pluraler Gremien – in<br />
diese weiteren Bereiche hinein zu erstrecken sind. Aufgabe muss auch hier die Aktivierung<br />
von Selbstregulierungspotenzialen in einem die Public-Service-Orientierung der<br />
Rundfunkveranstaltung sichernden regulativen Rahmen sein.<br />
85. Die Sicherung der Funktionsfähigkeit der Rundfunkordnung muss auf die Freiheit<br />
der Meinungsbildung der Rezipienten bezogen bleiben. Ihnen hilft es nicht, wenn es für<br />
ein Segment (für die Veranstaltung von Rundfunk i. e. S.) Sicherungen einer treuhänderischen<br />
Gemeinwohlbindung gibt, diese aber in anderen relevanten Segmenten (etwa bei<br />
der Produktion, der Verbreitung des Programms oder der Gestaltung der Rezeptionsbedingungen)<br />
unterlaufen, verdünnt oder verfälscht werden.<br />
86. Es ist absehbar, dass die <strong>Medien</strong>ordnung der näheren Zukunft in den wesentlichen<br />
Elementen privatwirtschaftlich gestaltet sein wird. Eine treuhänderische Orientierung<br />
an den Zielen kommunikativer Vielfalt, Chancengerechtigkeit und Kompetenz bleibt<br />
angesichts neuartiger Gefährdungen für mehrere Segmente der <strong>Medien</strong>betätigung wichtig;<br />
gemeinwirtschaftliche Strukturen sind als Ergänzung der Marktstrukturen allem<br />
Anschein nach dafür unverzichtbar. Maßnahmen zur Sicherung der Freiheit der Kommunikation<br />
und <strong>Medien</strong> aller werden zukünftig vielleicht noch wichtiger als sie in der<br />
Vergangenheit waren und in der Gegenwart sind. Denn Vertrauen auf den Markt allein<br />
reicht angesichts seiner Funktionsdefizite nicht. Allerdings ist auch er ein wichtiger und<br />
in einer privatwirtschaftlichen Ordnung unverzichtbarer Modus der Selbstregulierung.<br />
21
M&K 48. Jahrgang 1/2000<br />
Gesellschaftliche Integration durch <strong>Medien</strong>?<br />
Zur Begründung normativer Anforderungen an <strong>Medien</strong><br />
Otfried Jarren<br />
Der Beitrag setzt sich mit den in der <strong>wissenschaft</strong>lichen Diskussion befindlichen Integrationskonzepten<br />
zur <strong>Medien</strong>kommunikation auseinander. In traditionellen Konzepten<br />
wird das Integrationspotential der <strong>Medien</strong> vielfach überschätzt, indem konkrete materielle<br />
Leistungen erwartet werden. Diese Erwartung schlägt sich in bestimmten normativen<br />
Vorgaben nieder. In jüngeren systemtheoretischen Überlegungen hingegen<br />
wird die Integrationsleistung auf <strong>Kommunikations</strong>prozesse gleichsam reduziert. Anscheinend<br />
bedarf es dann keiner normativen Anforderungen mehr. Der Autor zeigt, dass<br />
<strong>Medien</strong> durch die Verarbeitung und Bereitstellung von Themen aus allen gesellschaftlichen<br />
Teilsystemen faktisch wie auch symbolisch einen Integrationsbeitrag zu leisten vermögen.<br />
Die normative Anforderung zur Integrationskommunikation wird hingegen dadurch<br />
nicht obsolet: Mittels dieser Anforderung werden <strong>Medien</strong>organisationen auf die<br />
Gesellschaft orientiert, weil sich gesellschaftliche Akteure kritisch mit konkreten Leistungen<br />
auseinander setzen können. Durch medienpolitische Vorkehrungen (Strukturvielfalt<br />
im <strong>Medien</strong>system), durch Leistungsaufträge an <strong>Medien</strong> wie durch Anforderungen<br />
zur (Selbst-)Evaluation oder zum Qualitätsmanagement an Redaktionen kann die<br />
Verpflichtung zur Integrationskommunikation stabilisiert werden.<br />
Integration durch <strong>Medien</strong> wird in der aktuellen medienpolitischen Debatte vielfach als<br />
obsolet oder als undurchführbar angesehen. Dabei wird auf die Unmöglichkeit, zu gesicherten<br />
empirischen Befunden und damit zu gültigen Aussagen über die Integrationsleistung<br />
von Massenmedien zu gelangen, verwiesen. Die verführt dazu, den normativen<br />
Anspruch an den Rundfunk zur Mitwirkung an der gesellschaftlichen Integration für<br />
obsolet zu erklären (vgl. dazu Wuerth 1999). Das Problem der Bewertung empirischer<br />
Befunde kann jedoch nicht gegen die Notwendigkeit von normativen Anforderungen<br />
ausgespielt werden. Anforderungen zur Integrationskommunikation sind normativ an<br />
<strong>Medien</strong>organisationen zu stellen, um <strong>Medien</strong> auf die Abbildung gesellschaftlicher Diskurse<br />
zu orientieren. Und Normen sind zudem notwendig, wenn <strong>Medien</strong>leistungen<br />
zum Gegenstand medienkritischer Debatten werden sollen. Dazu bedarf es jedoch weniger<br />
inhaltlicher, gegenständlich-konkreter als vielmehr prozeduraler Vorgaben für<br />
eine publizistische Praxis, die sich der gesellschaftlichen Diskurse anzunehmen hat. Diese<br />
Verpflichtung sollte insbesondere dann bestehen, wenn Organisationen das <strong>Medien</strong>privileg<br />
für sich in Anspruch nehmen wollen (vgl. Wolfgang Schulz 1999).<br />
1. Problemaufriss: Gesellschaftliche Integration und <strong>Medien</strong><br />
Im folgenden Beitrag werden zunächst unterschiedliche theoretische Integrationskonzepte<br />
vorgestellt und diskutiert. Dann wird gefragt, ob und welchen Beitrag Massenmedien<br />
zur gesellschaftlichen Integration zu leisten vermögen. Die Analyse zeigt, dass<br />
die den <strong>Medien</strong> vielfach zugeschriebene allgemeine Integrationsfunktion – zumal im<br />
Sinne einer Art „Generalfunktion“ – das Potenzial von <strong>Medien</strong> grundsätzlich überschätzt<br />
(vgl. dazu auch Winfried Schulz 1999). <strong>Medien</strong> kommt jedoch im Zusammenhang<br />
mit anderen Organisationen, vor allem in der Interaktion mit den intermediären<br />
22
Jarren · Integration durch <strong>Medien</strong><br />
Akteuren der Gesellschaft (wie Parteien, Verbänden, Kirchen, Gewerkschaften, Neuen<br />
Sozialen Bewegungen), die Aufgabe zu, gesellschaftliche Selbstverständigungsdiskurse<br />
zu ermöglichen und zu führen. Potenziell wie auch faktisch wird diese Aufgabe vor allem<br />
von jenen <strong>Medien</strong> wahrgenommen, die normativ auf die Abbildung politischer und<br />
sozialer Realität durch Gesetz, Konzession oder Leistungsauftrag festgelegt sind (Festlegung<br />
von Versorgungsräumen), die sich entsprechend intern organisieren (Bereitstellung<br />
von publizistischen Programmen; Aufbau redaktioneller Strukturen; Realisierung<br />
bestimmter redaktioneller Ziele) und eine entsprechende Unternehmenskultur entwickeln<br />
(vgl. zu den unterschiedlichen Anforderungen bspw. Stock 1981).<br />
Die normative Verpflichtung zur Realisierung von Integrationsaufgaben ist grundsätzlich<br />
als prozedurale Anforderung zu begreifen und kann erst in zweiter Linie als konkrete,<br />
gegenständliche Vorgabe zur dauerhaften Realisierung in Form beispielsweise bestimmter<br />
Programmformen oder gar Inhalte formuliert werden (vgl. dazu grundlegend<br />
Vesting 1997). Integration kann nur im sozialen Prozess erzielt und nicht durch Vorabfestlegungen<br />
bestimmt werden. Integrationsvorstellungen und -ziele verändern sich im<br />
Kontext des sozialen Wandels, dem jede Gesellschaft unterliegt. Die Anforderungen an<br />
Verbreitungs- oder Programmformen sowie Inhalte sind also dynamisch und müssen<br />
durch gesellschaftliche Diskurse über Normen und Leistungsaufträge immer wieder neu<br />
bestimmt werden. Zur Ermöglichung dieser Diskurse sind an <strong>Medien</strong>organisationen<br />
jedoch entsprechende Anforderungen zu stellen: Sie sollen zum einen den Diskurs in der<br />
Gesellschaft ermöglichen, indem sie Themen, Wissen und Deutungen bereitstellen. Sie<br />
gehören zum anderen – als eine Art Infrastruktureinrichtung – zum intermediären<br />
System der Gesellschaft, das vielfältige intra- und intersystemische <strong>Kommunikations</strong>beziehungen<br />
erst ermöglicht. Von ihrer Position innerhalb der gesellschaftlichen Infrastruktur<br />
ist ihr Leistungspotenzial abhängig, und deshalb ist die gewählte Organisationsform<br />
eben nicht beliebig. Und zum Dritten ist von den in <strong>Medien</strong>organisationen und<br />
mit Privilegien versehenen Kommunikatoren zu erwarten, dass sie ihre Vermittlungsfunktion<br />
auch unter dem Aspekt Integration reflektieren und entsprechende professionelle<br />
Vorkehrungen treffen. Alle drei Aspekte machen deutlich: Die Institutionalisierung<br />
von <strong>Medien</strong> ist – zumal unter mediengesellschaftlichen Bedingungen – eine<br />
normative Frage von Gewicht, denn von verschiedenen <strong>Medien</strong>organisationen werden<br />
bekanntlich unterschiedliche Strukturen ausgebildet und Leistungen für die gesellschaftliche<br />
Kommunikation erbracht, wie es zahlreiche Studien zeigen (vgl. die<br />
systemtheoretisch fundierte Analyse bei Wehmeier 1998; vgl. ferner bezogen auf die Politikberichterstattung<br />
Jarren/Donges 1996 oder bezüglich redaktioneller Strukturen<br />
Altmeppen/Donges/Engels 1999).<br />
Integration ist allgemein als ein Prozess zu verstehen, der Einzelne, Gruppen wie Organisationen<br />
umfasst, der sich anhaltend auf unterschiedlichen gesellschaftlichen Ebenen<br />
vollzieht und daher aufgrund seines hohen Komplexitätsgrades als soziales Totalphänomen<br />
nicht hinreichend empirisch gemessen oder erfasst werden kann. Integration als<br />
Konstruktion sozialer Realität vollzieht sich im Wesentlichen durch Kommunikation.<br />
Da die gesellschaftliche Kommunikation in der modernen Gesellschaft sich weitgehend<br />
über <strong>Medien</strong> vollzieht, kommt den Massenmedien eine zentrale Funktion für (Integrations-)Diskurse<br />
(als Vermittler) und auch als soziostruktureller Infrastrukturfaktor zu<br />
(dazu bereits Maletzke 1980). Dabei sind vor allem die auf Integration verpflichteten <strong>Medien</strong>organisationen,<br />
wie die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, als zentraler Infrastrukturbestandteil<br />
der „<strong>Medien</strong>gesellschaft“ anzusehen, da ihnen die Aufgabe obliegt,<br />
den gesellschaftlichen Selbstverständigungsprozess abzubilden, durch eigene pu-<br />
23
M&K 48. Jahrgang 1/2000<br />
blizistische Leistungen voranzutreiben und auch explizit Integrationsdiskurse zu führen<br />
(vgl. dazu Langenbucher 1990). Aufgabe der empirischen Forschung ist es, diese Leistung<br />
anhaltend zu evaluieren, damit die Befunde bei der Entwicklung von <strong>Medien</strong>organisation<br />
und Programm Berücksichtigung finden, und damit entschieden werden kann,<br />
welchen Integrationszielen durch welche Organisationsformen und Angebote am besten<br />
entsprochen werden sollte. Das erfordert jedoch eine erweiterte Sichtweise in der<br />
empirischen Forschung: Es geht nicht allein um Rezipienten und Rezeption oder die <strong>Medien</strong>inhalte,<br />
sondern um die Organisationsverfassung („Unternehmenskultur“), die vorfindliche<br />
publizistische Praxis und um die Interaktionsqualität von <strong>Medien</strong> im kommunikativen<br />
Prozess (Meso-Ebene) (vgl. dazu bspw. die SRG-Studie von Steinmann 1999).<br />
2. Integration als Problem moderner Gesellschaften<br />
Gesellschaftliche Modernisierung hat vor allem zu Veränderungen in den Verkehrs- und<br />
<strong>Kommunikations</strong>möglichkeiten geführt und vielfältige neue Formen der sozialen Gesellung,<br />
der Vergemeinschaftung und des Austausches den Individuen ermöglicht. Im<br />
Zuge des voranschreitenden Modernisierungsprozesses stellt sich daher die Frage nach<br />
der gesellschaftlichen und kulturellen Integration in besonderer Weise. Dies zumal<br />
dann, wenn sich eine Gesellschaftsform herauszubilden beginnt, die als „<strong>Medien</strong>gesellschaft“<br />
bezeichnet werden kann. Werden hochmoderne Gesellschaften durch Kommunikation<br />
und damit durch <strong>Medien</strong> „zusammengehalten“? (Vgl. dazu Münch 1998)<br />
Das Nebeneinander von höchst unterschiedlichen Lebensstilen, die rasch voranschreitende<br />
Pluralisierung von gesellschaftlichen Wert- und Normvorstellungen, die selektive<br />
Nutzung von Informations- und Unterhaltungsangeboten – ermöglicht und beeinflusst<br />
durch <strong>Medien</strong> – irritiert die Gesellschaft auch deshalb, weil sich der Wandel immer<br />
rascher vollzieht, weil sich immer speziellere Kulturen und Subkulturen herausbilden,<br />
weil die Ergebnisse dieser Veränderung kaum noch sicher zu prognostizieren sind<br />
und weil der Blick auf oder in zahllose Subkulturen den Betrachter zu überraschen oder<br />
sogar zu irritieren vermag. Wir haben es mit einem evolutionären Prozess zu tun, der<br />
nun jedoch innerhalb der funktional differenzierten Gesellschaft nicht einmal mehr<br />
konkurrenzfrei betrachtet und interpretiert werden kann: Aus welcher Perspektive und<br />
anhand welcher Normen sollte dies geschehen? (Vgl. dazu die Beiträge in Bettelheim/Fritz/Pennauer<br />
1998)<br />
Die Einheit der Gesellschaft scheint uns verloren gegangen zu sein, weil es an übergreifend<br />
wirkenden Instanzen zur Koordination, zur Herstellung und sogar zur Beschreibung<br />
von Einheit der Gesellschaft (scheinbar) fehlt. Die gesellschaftliche Unübersichtlichkeit<br />
nimmt zu, und die weltgesellschaftliche Perspektive vermag uns nicht über die<br />
unmittelbaren Probleme sozial-räumlicher wie sozialer Desintegrationsphänomene hinwegzuhelfen.<br />
Dabei ist es belanglos, ob diese Veränderungen nun entlang alter oder neuer<br />
ökonomischer wie politischer Bruchlinien verlaufen. Und dass sich mittels Kommunikation<br />
alle Probleme schon lösen werden, vermögen wir allenfalls (system-)theoretisch<br />
einzusehen, aber nicht (sozial) zu begreifen oder gar zu akzeptieren. Menschliches<br />
Zusammenleben ist ohne sinnhaftes Handeln und damit ohne Bezug auf Normen eben<br />
schlecht vorstellbar und – alteuropäisch wie wir nun einmal sind – auch nicht erwünscht.<br />
Damit lässt sich das anhaltende Interesse und Bedürfnis an Integration und die wiederholten<br />
Debatten darüber erklären.<br />
Die Diskussion um gesellschaftliche Integration ist nun aber keineswegs neu. Bereits mit<br />
dem Aufkommen von Radio und Fernsehen sah man die Gefahren einer atomisierten<br />
24
Jarren · Integration durch <strong>Medien</strong><br />
(Massen-)Gesellschaft, den Verlust von Zusammenhalt und Gemeinschaft heraufziehen.<br />
Ähnliche Gefahren wurden im Zusammenhang mit der Programmvermehrung durch<br />
Kabelkommunikation gesehen oder werden heute im Kontext mit dem Internet behauptet.<br />
Die Debatte über Integration und Desintegration gehört gleichsam zum Dauerthema<br />
moderner Gesellschaften. So wurden Fragen der Integration innerhalb der diese<br />
Entwicklung reflektierenden Wissenschaften zunächst im Zusammenhang mit dem<br />
entstehenden Nationalstaat und den Folgen der Industrialisierung aufgeworfen und diskutiert,<br />
ohne dass jedoch ein theoretisches Konzept oder ein Modell zur Analyse von<br />
Integration entwickelt werden konnte (vgl. Ronneberger 1985; vgl. Friedrich/Jagodzinski<br />
1999).<br />
Da über Integration immer wieder gesellschaftlich debattiert werden muss, liegt der<br />
Schlüssel zum Verständnis von Integration in der gesellschaftlichen Debatte darüber:<br />
Kommunikation über Integration ist erforderlich, damit sich die Gesellschaftsmitglieder<br />
immer wieder über gemeinsame Ziele und Wege verständigen können. Kommunikation,<br />
verstanden als eine Form sozialen Handelns, ermöglicht gleichermaßen symbolische<br />
wie materielle Integration. Im Ergebnis kann es zu gemeinsam geteilten Wissensbeständen,<br />
zu spezifischen sozialen Handlungsformen, zur Bildung von Organisationen<br />
sowie zur Herausbildung von Institutionen kommen, die den jeweiligen Bedürfnissen<br />
nach Integration materiell wie auch symbolisch entsprechen.<br />
Die Schweiz als multikulturelles Land ist ein Beispiel für diese Form eines anhaltenden,<br />
vielschichtigen Integrationsdiskurses (vgl. die Analysen von Deutsch 1976, Schmid 1981<br />
oder Steinberg 1996). Viele kulturelle, soziale und politische Ereignisse und Entscheidungen<br />
werden unter dem Aspekt betrachtet: Fördert oder gefährdet dies den Zusammenhalt<br />
der Nation, der Sprachgruppen oder der Landesteile? Selbst ohne spezifischen<br />
Anlass kommt es kontinuierlich-diskontinuierlich zu derartigen Debatten, weil sie zur<br />
politischen Kultur gehören, zum Alltagsbestandteil geworden sind. Diese Debatten,<br />
Diskussionen oder gar Diskurse sind jedoch keine Selbstverständlichkeit, sondern sie<br />
bedürfen der Akteure und – vor allem – der Vermittlungsstellen, die sich des Themas annehmen,<br />
weil es ihnen normativ aufgetragen wurde (wie etwa der SRG) oder weil sie sich<br />
der Sache annehmen wollen (wie die schweizerische Presse). Debatten und Diskurse<br />
sind, wenn sie denn auf Dauer gestellt werden sollen, auf entsprechende Vermittlungsinstanzen,<br />
auf intermediäre Einrichtungen, angewiesen (vgl. dazu die komparative Studie<br />
von Bulck/Poecke 1996). Vor allem auf Vermittlung ausgerichtete Akteure (wie Parteien,<br />
Verbände) organisieren in wie auch zwischen Teilsystemen Kommunikation. Es<br />
erscheint daher in theoretischer Perspektive gerechtfertigt, von der Relevanz des intermediären<br />
Systems für die gesellschaftliche Integration auszugehen. Die in rechtlicher<br />
Hinsicht herausgehobene Position von Akteuren des intermediären Systems (bspw. Privilegien<br />
für Parteien) ist ein empirischer Hinweis für die faktische Bedeutung der intermediären<br />
Organisationen (vgl. dazu, mit Beispielen für die Schweiz, Kriesi 1996).<br />
Da sich Integration immer in konkreten Gesellschaften in bestimmten Macht- und Erwartungsstrukturen<br />
vollzieht, kann dieser soziale Prozess kaum inhaltlich neutral gesehen<br />
und beurteilt werden. Integration war mit bestimmten normativen (lange Zeit sogar<br />
staatlich-politischen) Ordnungsvorstellungen, entsprechenden Organisationen sowie<br />
Institutionen und sozialen Sanktionsmöglichkeiten auf das Engste verknüpft. Auch heute<br />
steht hinter der Forderung nach dem Postulat der Integration immer eine bestimmte<br />
soziale Ordnungsvorstellung. Gesamtgesellschaftlich gesehen hat sich jedoch die Anzahl<br />
an Vorstellungen über diese Ordnung erhöht und unterschiedliche Vorstellungen<br />
konkurrieren miteinander. Einheitliche Ordnungsvorstellungen sind immer weniger<br />
25
M&K 48. Jahrgang 1/2000<br />
existent. Auch starke, mächtige Institutionen mit wirksamen Sanktionsinstrumenten<br />
scheinen nicht mehr verfügbar zu sein, zumindest scheint wenig Verlass auf sie. Auch<br />
aus diesem Grund wird wieder anhaltend über den gesellschaftlichen Zusammenhalt –<br />
beispielsweise im Rahmen von kommunitaristischen Konzepten – debattiert und dabei<br />
auf die Bedeutung von Kommunikation verwiesen.<br />
3. Integration und Integrationsbegriff im Alltags- und Wissenschaftsdiskurs<br />
Unter Integration wird höchst Unterschiedliches verstanden oder intendiert, wobei die<br />
ausgeprägte Verwobenheit von Alltags- und Wissenschaftsdiskurs auffällig ist.<br />
Das Verständnis von Integration, sei es nun<br />
• in seiner räumlichen (lokal, regional, national, international, global),<br />
• in seiner sozialen (zwischen Individuen, zwischen unterschiedlichen sozialen Gruppen),<br />
• in seiner sozial-räumlichen (zwischen bestimmten Kultur- und Sprachgebieten) oder<br />
gar<br />
• in seiner systemischen Variante (Organisation, Gesellschaft),<br />
ist immer stark normativ ausgerichtet, weil Integrationsleistungen von Einzelnen, von<br />
Gruppen, von Organisationen wie von Institutionen erwartet werden. Im Mittelpunkt<br />
des Interesses steht zumeist das Individuum: Wie ist es sozial (in Organisationen) und<br />
räumlich (Nationalstaat, Region, Gemeinde, Quartier) integriert, wie vollziehen sich Integrationsprozesse<br />
(bspw. in Form der Sozialisation)? Integration wird dabei vielfach in<br />
Beziehung zu „Heimat“ oder „Identität“ gesetzt und der Begriff wird deshalb sowohl<br />
lebensweltlich wie auch <strong>wissenschaft</strong>lich für höchst unterschiedliche Phänomene benutzt.<br />
Integration wird jedoch auch unter Systemaspekten betrachtet, so wenn behauptet<br />
wird, dass ein kulturelles oder politisches System mit seinen Organisationen einen<br />
hohen oder geringen Grad an Integration aufweist. Meso- und Makroebene finden hingegen<br />
deutlich geringere Beachtung, auch in der Publizistik- und <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>.<br />
Mikrobezogene Problemstellungen, wie die Sozialisation, stehen im Mittelpunkt<br />
der <strong>wissenschaft</strong>lichen Reflexion. An theoretischen Bemühungen fehlt es hingegen.<br />
Die enge Verschränkung von Alltagsdiskussionen und <strong>wissenschaft</strong>licher Diskussion<br />
stellt ebenso ein Problem dar wie die Überwölbung der Diskussion um Integration mit<br />
staatlichen – phasenweise sogar völkischen – oder moralischen Kategorien. Sowohl in<br />
der Alltags- wie auch in der Wissenschaftsdiskussion dominiert somit ein stark kontextabhängiges<br />
Verständnis von Integration bzw. Desintegration (vgl. dazu die Hinweise<br />
bei Hummel 1996). Das ist Problem und Chance zugleich: Problem deshalb, weil<br />
durch den Bezug stark situative Komponenten selbst in die <strong>wissenschaft</strong>liche Analyse<br />
Eingang finden. Chance deshalb, weil die Auseinandersetzung über Integration einen<br />
gesellschaftlichen Reflexionsprozess ermöglicht, der nicht jenseits <strong>wissenschaft</strong>licher<br />
Überlegungen steht. Theoretisch gewendet: Die gesellschaftliche wie die <strong>wissenschaft</strong>liche<br />
Debatte über Integration ist ein Beitrag zur Integration selbst. Der „Wert“ der Kategorie<br />
und der „Wert“ des Prozesses ergeben sich aus dem Selbststeuerungspotenzial,<br />
der diesen Diskursen innewohnt. Debatten über Staatlichkeit, Gerechtigkeit, Wohlfahrt<br />
oder eben Integration dienen der gesellschaftlichen Selbstverständigung und der Selbststeuerung<br />
(vgl. dazu unter öffentlichkeitstheoretischen Vorstellungen Wessler 1999). Sie<br />
sind gewissermaßen zwangsläufig normativ.<br />
26
3.1. Integration im Alltagsdiskurs<br />
Die Diskussion um Integration wird zumeist von jenen geführt, die sich selbst als integriert<br />
bezeichnen: Sie verlangen von anderen die Integration (bspw. von Ausländern) als<br />
einseitigen Akt, oder sie sehen Integration als dauernde Aufgabe für sich selbst bezogen<br />
auf bestimmte Teilgruppen der Gesellschaft (bspw. Integrationshilfe für Kinder/Jugendliche).<br />
In der Regel wird eine Unterordnung verlangt oder eine Anpassungsleistung<br />
erwartet. Dort, wo die Aufgabe zur Mitwirkung an Integrationsprozessen kollektiv anerkannt<br />
ist, erfolgt die Bearbeitung des Problems zum einen durch Eigenleistung (Erziehung)<br />
und zum anderen über eigens dafür geschaffene Institutionen (wie Kindergarten,<br />
Schule). Dort, wo die Bereitschaft zur Mitwirkung an Integrationsprozessen nicht<br />
anerkannt ist oder nur zum Teil akzeptiert wird, erfolgt die Bearbeitung vor allem durch<br />
repressive Maßnahmen (vgl. dazu auch Adams 1979).<br />
Aufgrund der Einsicht in die Fragilität jeglicher Gesellschaftsform – vor allem moderner,<br />
sich differenzierender Gesellschaften – wird Integration zu einer Art übergreifendem<br />
Programm in der Alltagskommunikation: Alle staatlichen Institutionen werden<br />
darauf verpflichtet, und alle staatsnahen Akteure und Organisationen (vor allem jene des<br />
intermediären Systems) verpflichten sich gleichsam selbst dazu (vgl. zum Aspekt der politischen<br />
Integration De Vree 1972, Elster 1989; vgl. auch die Fallstudien über die<br />
Schweiz: Meier-Dallach/Nef/Ritschard 1990 sowie unter dem Aspekt Multikulturalität<br />
Linder 1999, S. 27ff.). An andere Akteure (wie aus dem Wirtschaftssystem) werden zumindest<br />
entsprechende Erwartungen adressiert. Die Forderung nach Integration ist<br />
gleichsam permanent vorhanden, wird von einzelnen – wenn auch unterschiedlichen –<br />
Akteursgruppen immer erneut vorgebracht, wenn auch damit jeweils bestimmte und<br />
unterschiedliche normative Zielsetzungen verbunden werden.<br />
Desintegration ist – zumindest im demokratischen Gemeinwesen – kein Ziel, das Akteure<br />
aktiv und explizit verfolgen (können). Durch die kommunikative Benennung jener,<br />
die nicht integriert sind (und sich zu integrieren haben), wird eine Unterscheidung<br />
eingeführt. Diese Unterscheidung kann abgrenzende, ja auch diskriminierende Züge annehmen.<br />
Damit bleibt der Integrationsbegriff auf der Akteurs- und Handlungsebene offen;<br />
er wird generell und neutral ebenso verwandt wie auch spezifisch, normativ und diskriminierend.<br />
Auffällig ist, das Integrationsforderungen vorrangig an die betroffene<br />
Gruppe und an staatliche und gesellschaftliche Akteure gerichtet werden, die als zuständig<br />
benannt sind, und weniger an ökonomische Akteure. Integration scheint also<br />
vorrangig als eine politische, soziale und kulturelle Aufgabe angesehen zu werden, um<br />
die sich das politische System zu bemühen habe. Das ökonomische System wird weniger<br />
als Adressat gesehen, denn Forderungen hinsichtlich der Einbeziehung oder Integration<br />
in die ökonomische Wohlfahrt werden an das politische System adressiert.<br />
3.2. Integration im Wissenschaftsdiskurs<br />
Jarren · Integration durch <strong>Medien</strong><br />
Integration ist in den meisten <strong>wissenschaft</strong>lichen Ansätzen grundsätzlich positiv konnotiert;<br />
zumindest Desintegration und Zerfall oder negative Integration gilt es zu vermeiden.<br />
Dabei wird (stillschweigend) davon ausgegangen, dass es so etwas wie eine allgemein<br />
akzeptierte soziale Einheit oder so etwas wie ein übergeordnetes Ganzes gibt,<br />
die oder das es zu schützen oder – bestenfalls – weiterzuentwickeln gilt. Je nach historischem<br />
Zeitpunkt, staatspolitischem Verständnis und gesellschaftspolitischer Norm werden<br />
dafür aber höchst unterschiedliche Ziele formuliert und Bedingungen angenommen<br />
(vgl. Rühl 1985).<br />
27
M&K 48. Jahrgang 1/2000<br />
Integration als <strong>wissenschaft</strong>licher Topos ist verbunden mit der soziologischen – und<br />
zum Teil auch rechts- bzw. staatsphilosophischen – Reflexion über die Folgen der Modernisierung<br />
von Gesellschaften. Die Debatte fällt historisch mit der Herausbildung von<br />
Nationalstaaten zusammen. Die Herstellung und Aufrechterhaltung nationaler Ordnungen<br />
und die Bewahrung sich modernisierender Gesellschaften trotz funktionaler<br />
Differenzierung steht im Mittelpunkt der Reflexion. Vermittels staatlicher und gesellschaftlicher<br />
Institutionen sowie Organisationen, durch deren materielle und symbolische<br />
Leistungen, sollen (National-)Staat und Gesellschaft zusammengehalten werden<br />
(wiederum für das Beispiel Schweiz: vgl. Linder 1994). Die Ideen, die mit der Begründung<br />
des Nationalstaates zusammenhingen, werden heute für den Europäisierungsprozess<br />
postuliert. Und so ist es nicht verwunderlich, dass im Zeitalter einer bewusst<br />
wahrgenommenen Globalisierung Integrationsfragen aufgeworfen und debattiert werden.<br />
Dass sich Integrationserwartungen auch auf Massenmedien erstrecken und sich in entsprechenden<br />
normativen Formulierungen niederschlagen, ist verständlich, waren doch<br />
die <strong>Medien</strong> eng mit der Nationalstaatsentwicklung verbunden, wie die Presse, oder wurden<br />
auf die Gesamtgesellschaft, wie der Rundfunk, sogleich verpflichtet. Das geht so<br />
weit, dass zunächst der Hörfunk zur staatlich-territorialen Sache selbst wurde. Bei seiner<br />
späteren Organisationsform (öffentlich-rechtlich) wurde das Konzept des Integrationsrundfunks<br />
zum Programm (vgl. dazu allgemein sowie mit Bezug auf die Schweiz<br />
Saxer 1990, 1994). Im Zuge des Europäisierungsprozesses setzen heute die europäischen<br />
Akteure wie die EU-Kommission oder das -Parlament auf europäisierte (Integrations-)<br />
<strong>Medien</strong>. Vor allem dem öffentlichen Rundfunk wurde und wird explizit eine Integrationsaufgabe<br />
zugewiesen (vgl. die allgemeine Darstellung bei Meckel 1994; aktuell dazu<br />
Meyer 1999). Auch an privat-kommerzielle Rundfunkveranstalter werden, allerdings in<br />
allgemeiner Form, diese Erwartungen gerichtet. Zur Rechtfertigung der staatlichen Einbindung<br />
oder der gesellschaftlichen Kontrolle von <strong>Medien</strong> wurde und wird auf drohende<br />
Desintegration verwiesen, und es werden die entsprechenden sozialen (Problem-)<br />
Gruppen benannt (bspw. Ausländer, Sprachgruppen, ethnische Minderheiten, Kinder<br />
oder Jugendliche).<br />
Auch die frühen systemtheoretischen Ansätze sind nicht frei von normativen Vorstellungen<br />
(vgl. dazu generell Wagner 1993). Vor allem wird in ihnen Gesellschaft als erfassbare,<br />
beschreibbare Einheit betrachtet. Bezogen auf Integration werden in strukturfunktionaler<br />
Perspektive vor allem Gleichgewichtsmodelle entwickelt: Ressourcen und<br />
Gratifikationen sollten in einer Gesellschaft möglichst gleich oder doch zumindest so<br />
verteilt werden, dass es nicht zu kulturellen, sozialen oder politischen Krisen und somit<br />
zu Ungleichgewichtszuständen kommt. Integration wird als der Normalzustand – zumindest<br />
als anzustrebender Zustand – sozialer Systeme aufgefasst. Entsprechend gilt es,<br />
Konflikte zu vermeiden oder so zu organisieren, dass Normalzustände immer wieder<br />
erreicht werden können. Und entsprechend diesem Ziel werden gesellschaftlichen Organisationen<br />
„Funktionen“ (zumeist normativer Art) zugewiesen (Informations-, Kritik-,<br />
Kontrollfunktion der <strong>Medien</strong>) (so bspw. bei Ronneberger 1985).<br />
Der traditionelle Wissenschaftsdiskurs über Integration ist somit geprägt von einer Vorstellung<br />
über die Notwendigkeit einer Einheit der und auch einer Einheit in der Gesellschaft,<br />
und er „leidet“ damit an einer normativen Überhöhung: Die Angst vor dem sozialen<br />
Zerfall (soziologisches Theorem von der Massengesellschaft) und die Furcht vor<br />
dem Verlust oder Zerfall des Staates (Staatsganzes) prägen die Debatte von Beginn an<br />
28
Jarren · Integration durch <strong>Medien</strong><br />
(soziologische Theorie; Staatstheorie; Theorie der Internationalen Beziehungen/Internationale<br />
Politik; Begriffe: Nation, Staat, Volk, Gemeinschaft). Damit verbunden sind<br />
bestimmte Norm-, Wert- und Kulturvorstellungen. Sie zu formulieren und durchzusetzen<br />
ist denn auch Ziel <strong>wissenschaft</strong>licher Bemühungen.<br />
Es lassen sich folgende unterschiedlichen Grundvorstellungen im Wissenschaftsdiskurs<br />
zur Integrationsproblematik ausmachen (vgl. dazu Hummel 1996 sowie Hradil 1997):<br />
• Integration als Unterordnung: Integration entsteht durch die Anerkennung von<br />
Normen und Werten. Je stärker diese internalisiert sind, desto ausgeprägter ist Integration<br />
vorhanden. Integration ist in dieser Perspektive ein Mittel zur Aufrechterhaltung<br />
und Stabilisierung von Gesellschaft oder sozialen Teilsystemen.<br />
• Integration als Aufnahme: Integration geschieht durch die Aufnahme von Individuen<br />
und Gruppen in vorhandene Strukturen, so durch die Zuweisung von Positionen<br />
und Funktionen. Dies setzt zwar eine gewisse Offenheit oder Variabilität eines Sozialsystems<br />
voraus, aber es wird von einem vorhandenen, einem gegebenen System ausgegangen.<br />
Aus dem Ausmaß an Konsens lässt sich der Integrationsgrad ablesen. Diese<br />
Form der Integration unterscheidet sich von Akkulturation und Assimilation, weil<br />
in dieser Vorstellung alle Beteiligten bereit zur sozialen Veränderung sind.<br />
• Integration als partielle Desintegration: Bei dieser Vorstellung von Integration wird<br />
Dissens und damit partielle Desintegration als unvermeidlicher Bestandteil einer<br />
(modernen) Gesellschaft angenommen. Dissens, so die Annahme, trägt – zumindest<br />
unter der Voraussetzung gemeinsam geteilter Grundwerte und sozial geregelter sowie<br />
weitgehend akzeptierter Formen der Konfliktaustragung – zur Stabilität von sozialen<br />
Systemen bei. Integration erfolgt in diesem Konzept weitgehend über Formen<br />
der emotionalen Identifikation, an der Symbole großen Anteil haben.<br />
Mit den hier nur knapp bezeichneten <strong>wissenschaft</strong>lichen Vorstellungen von Integration<br />
konkurriert als neuerer Ansatz die Vorstellung von Integration als Konstruktion sozialer<br />
Realität. Darauf soll im Folgenden eingegangen werden, mit dem Ziel zu zeigen, dass<br />
für die theoretische Fundierung von Integrationskonzepten die materiellen, objektiven<br />
Aspekte allein nicht hinreichend sind.<br />
4. Integration als Konstruktion sozialer Realität durch Kommunikation – Ein<br />
theoretisches Konzept<br />
Da das Phänomen Integration im Kontext mit den komplexen Differenzierungs- und<br />
Modernisierungsprozessen gesehen werden kann, bietet sich die neuere Systemtheorie<br />
als Basiskonzept an. Jedoch: Aus funktional-struktureller Sicht der neueren Systemtheorie<br />
ist das Thema „Integration“ schlicht keines. Die Einheit der Gesellschaft ist –<br />
nach Luhmann (1997) – das Verfahren ihrer Produktion. Gesellschaft als autopoietisches<br />
System reproduziert sich kommunikativ im Netzwerk von Kommunikationen, und die<br />
Gesellschaft ist das einzige Sozialsystem, dessen Umwelt fundamental nicht kommunikativ<br />
ist. Die kollektive Akzeptanz von Werten, Normen und Verfahren, ein Thema der<br />
(älteren) struktur-funktionalen Ansätze, ist diesem Ansatz gleichsam nicht mehr angemessen,<br />
denn Konsens kann kein Ziel sein, weil es ihn weder „strukturell“ noch „faktisch“<br />
gibt. Die Schwäche dieser systemtheoretischen Sichtweise ist, zumal dann, wenn<br />
es um die Erklärung von Entwicklung und Bestand sozialer Systeme und somit um Integrationsfragen<br />
geht, offenkundig. Dennoch: Integrationsbegriff und Systemtheorie<br />
können produktiv aufeinander bezogen werden, allerdings unter der Voraussetzung,<br />
29
M&K 48. Jahrgang 1/2000<br />
dass der Begriff reformuliert und der systemtheoretische Bezugsrahmen so konstruiert<br />
wird, dass er Kopplungen zwischen den Teilsystemen erkennt, bei denen Organisationen<br />
eine spezifische Rolle spielen. Diese Kopplungen sind auch in der Forschung zur<br />
Theorie sozialer Systeme noch so schwach und mit so heterogenen Ergebnissen erforscht,<br />
dass hier Andeutungen genügen müssen.<br />
Die Herausbildung sozietaler Systeme ist – auch in systemtheoretischer Sichtweise – ein<br />
folgenreicher Vorgang, weil diese sich autonomisieren. Sie entwickeln spezifische Operationsweisen<br />
und verarbeiten das, was außerhalb ihrer vorkommt, nur nach dieser Spezifik<br />
und konstruieren auf dieser Basis „ihre“ soziale Realität. Alles, was sonst noch in<br />
der Gesellschaft vorgehen mag, geschieht funktionsystemintern in der Perspektive dieser<br />
– und eben keiner anderen – Realität. Die Funktionssysteme sind in ihrer Funktion<br />
ausgerichtet auf die Bewältigung bestimmter (für sie systemgefährdender) Komplexitäten.<br />
Sie tun dies autonom, und ob ihre Funktionserfüllungsstrategien gleichsam kompatibel<br />
mit den Funktionserfüllungsstrategien anderer Funktionssysteme (oder gar einem<br />
Systemzusammenhang) ist, ist nicht gesagt. Es gilt: Das Ganze, an dem sie sich orientieren,<br />
ist das Ganze von ihnen aus gesehen.<br />
Die Gesamtgesellschaft lässt sich – in dieser Sichtweise – also nicht mehr insgesamt beobachten<br />
oder darstellen. Die Einheit der Gesellschaft in der Gesellschaft – wie sie die<br />
alte Integrationslehre verstand – ist nur noch als imaginäre Einheit, gleichsam als semantische<br />
Imagination, zu haben (vgl. dazu grundlegend Fuchs 1992). Andererseits<br />
heißt Differenzierung, verstanden als Systemdifferenzierung, keineswegs Indifferenz:<br />
Das Differente hängt zusammen, weil es ja different und eben nicht indifferent ist. Im<br />
Zuge der Differenzierung bilden sich Einheiten heraus, die als Ganzes durchaus gesehen<br />
und beschrieben werden können. Differenzen lassen sich aber auch bezogen auf das bestimmte<br />
Ganze ausmachen und mit Blick auf dieses Ganze als kohärent different thematisieren.<br />
Und für evolutionäre Prozesse gilt, dass sich im Zuge der Evolution Formen<br />
für Beziehungen zwischen Systemen herausbilden, die limativ – gleichsam wie „Begrenzungen“<br />
– fungieren, d. h. die Beziehungen sind nicht (mehr) beliebig gestaltbar<br />
(vgl. Willke 1993).<br />
Aus diesen (system-)theoretischen Überlegungen lassen sich gewichtige Schlussfolgerungen<br />
für ein Integrationskonzept ableiten: Das Streben nach Einheit, und somit auch<br />
nach Integration als realer Leistung, ist weder möglich, noch wäre sie, wenn es sie denn<br />
gäbe, empirisch beobachtbar. Jede Vorstellung von Einheit der Gesellschaft – wenn auch<br />
schlicht als Imagination zu begreifen – vermag aber durch darauf basierender Kommunikation<br />
eben dieses Ziel „wirksam“ werden zu lassen, weil sie – selbst wenn auch nur<br />
wahrgenommen als Irritation – Anschlusskommunikation ermöglicht. Anschlusskommunikation<br />
wird weitgehend über Massenmedien möglich, weil sie aus einer Vielzahl diversifizierter<br />
und auch dissoziierter <strong>Kommunikations</strong>beziehungen relevante Themen<br />
auswählen, durch ihre Auswahl und Deutung <strong>Kommunikations</strong>beziehungen erhalten<br />
oder neue knüpfen. Die ihnen als Funktion zugeschriebene Ermöglichung der Selbstbeobachtung<br />
der Gesellschaft wird durch die Möglichkeit teilsystemübergreifenden Anschlusses<br />
an Massenkommunikation realisiert. Gesellschaftliche Kommunikation als die<br />
Gesamtheit unterschiedlicher <strong>Kommunikations</strong>typen und -formen erhält durch die<br />
Leistung der Massenmedien eine soziostrukturelle Stabilisierung. Und die wechselseitige<br />
Undurchsichtigkeit gesellschaftlicher Teilsysteme füreinander wird dadurch zumindest<br />
partiell aufgehoben. Allein durch die Imagination von Zusammenhängen und Beziehungen<br />
durch die <strong>Medien</strong> entsteht soziale Bindung, weil teilsystemspezifische Kommunikationen<br />
auf diesem Weg tendenziell gesellschaftsweit sichtbar werden. Und durch<br />
30
Jarren · Integration durch <strong>Medien</strong><br />
konkrete <strong>Medien</strong>leistungen bieten sich zudem „reale“ Optionen für Anschlusskommunikation.<br />
Durch die massenmediale Vermittlungsfunktion wird reale wie auch imaginäre<br />
Integrationskommunikation geleistet, wobei eine Unterscheidung zwischen diesen<br />
Formen empirisch nur von Fall zu Fall und allenfalls graduell möglich ist. Kommunikation<br />
kann – um ein Beispiel zu wählen – von einzelnen Funktionssystemen lediglich<br />
als (störende und sogar irrelevante) Irritation aufgefasst, muss aber dort verarbeitet werden,<br />
um eine Entscheidung vornehmen zu können. Selbst diese Form von Integrationskommunikation<br />
bietet damit Möglichkeiten zur Reflexion über soziale Beziehungen.<br />
Generell: Die in der traditionellen Rede von der Integration unterstellte Einheit der Gesellschaft<br />
wird durch die Aufforderung zur Kommunikation – gleichsam durch die Hintertür<br />
– symbolisch hergestellt. Doch für diese Kommunikation bedarf es der Akteure<br />
und entsprechender Vermittler. Zu den Akteuren zählen vorrangig die gesellschaftsweit<br />
agierenden Organisationen, die wir dem intermediären Bereich zurechnen können. Und<br />
relevante Vermittler sind vor allem jene Organisationen, wie wir sie in Form eigenständig<br />
agierender <strong>Medien</strong> kennen. Massenmedien müssen als auf Dauer gestellte, eigenständige,<br />
von anderen Teilsystemen partiell unabhängige Vermittler agieren können,<br />
weil sie nur so vielfältigste intra- und intersystemische <strong>Kommunikations</strong>beziehungen<br />
herstellen können. Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der <strong>Medien</strong> sind für die Leistungserbringung<br />
wesentlich, und erst durch strukturelle Vielfalt im <strong>Medien</strong>system<br />
(bspw. Vielfalt an Organisationstypen mit unterschiedlichem Leistungspotenzial) kann<br />
gesellschaftliche Kommunikation teilsystemübergreifend gelingen. <strong>Medien</strong> stellen somit<br />
eine Art „Gedächtnis der Gesellschaft“ (Luhmann) dar, indem sie gemeinsam geteiltes<br />
(Hintergund-)Wissen bereitstellen, an den gemeinsam geteilten Wertekanon anschließen,<br />
Themen Relevanz verleihen etc. und damit soziale Beziehungen sichtbar und<br />
eben möglich werden lassen (vgl. dazu auch die Überlegungen bei Rossen 1988).<br />
Die Imagination von Einheit kann als ein gemeinsam unterstelltes Interesse angesehen<br />
werden, reduziert doch das Festhalten an dieser Imagination den Aufwand an Beobachtung<br />
und Kommunikation für die Akteure aller Teilsysteme. Die <strong>Medien</strong> repräsentieren<br />
gleichsam diese gemeinsam geteilte Welt, sie vermögen durch Themensetzung, -selektion<br />
sowie -deutung den Blick und die Aufmerksamkeit zu lenken und insoweit auch die<br />
Akteure zu steuern. Über Kommunikation wird zumindest partiell integriert. So gibt es<br />
Formen expliziter Integrationskommunikation, d. h. entsprechende intentionale Akte,<br />
in denen Integration selbst zum Thema gemacht wird. Und es gibt auch Formen impliziter<br />
Integrations-Diskurse (dazu können bspw. Formen von Werbung oder PR<br />
gehören). Die Kommunikation über Integration konkurriert mit anderen Kommunikationen,<br />
der Grad an Intentionalität ist nicht immer (sogleich) erkennbar oder empirisch<br />
zu erfassen, denn es existieren in differenzierten Gesellschaften andauernd unterschiedliche<br />
Perspektiven bezüglich der Integration nebeneinander. Und die Kommunikation<br />
über Integration selbst unterliegt – nicht allein in historischer Dimension betrachtet –<br />
der Evolution. Jedes Einheitskonzept, das die Gesellschaft gleichsam in sich vorfindet,<br />
ist ein kommuniziertes Einheitskonzept, das der ständigen Interpretation – konkurrierender<br />
Kommunikationen – unterliegt. Wenn also die Einheit der Gesellschaft weder erreicht<br />
noch (empirisch) sicher festgestellt werden kann, so kann doch über Kommunikation<br />
Einheit oder Integration in bestimmten Räumen, für ausgewählte Gruppen und<br />
in bestimmten zeitlichen Phasen erzeugt werden. Und diese Kommunikation findet anhaltend<br />
statt und äußert sich in Wir-Semantiken (vgl. dazu Fuchs 1992: 95ff.).<br />
Das Streben nach gesellschaftlicher Einheit oder der Wunsch nach sozialer Integration,<br />
der Bedarf an Wir-Semantiken, hat wesentlich mit sozialen Orientierungsnotwendig-<br />
31
M&K 48. Jahrgang 1/2000<br />
keiten, wie wir sie auf der Mikro-Ebene (Einzelne, Gruppen) und auf der Meso-Ebene<br />
(Organisationen als Akteure) empirisch ausmachen können, zu tun. Wir-Semantiken<br />
können soziales Verhalten leiten, in Phasen andauernden Wandels Stabilität verleihen<br />
(vgl. Imhof 1998). Dies umso mehr, wenn Welt und Gesellschaft größer und pluraler<br />
werden. Die Einheitsselbstverständlichkeit ist uns gleichsam im Zuge der Differenzierung,<br />
der Herausbildung der modernen Welt, verloren gegangen. Statt der realen Einheit<br />
und einer realen Integration, die wir wohl eher als sozialen Zwang auffassen würden,<br />
existieren Wir-Semantiken. Sie werden wesentlich durch die Massenmedien, vor allem<br />
in der Interaktion der <strong>Medien</strong> mit Akteuren anderer Teilsysteme, erzeugt und bereitgestellt.<br />
Aber auch Organisationen aus unterschiedlichen Teilsystemen wirken<br />
eigenständig auf die Bildung von Wir-Semantiken ein (bspw. PR durch Wirtschaftsunternehmen),<br />
doch nutzen sie dazu vor allem die <strong>Medien</strong>.<br />
Durch <strong>Medien</strong>kommunikation wird, so ist zusammenfassend festzuhalten, zum einen<br />
die Imagination von Einheit erzeugt. Zugleich wird dadurch aber „real“ ein Prozess in<br />
Gang gehalten, der als schwacher Begriff von gesellschaftlicher Einheitsbildung bezeichnet<br />
werden kann, der also das beschreibt, was angesichts des theoretischen Befundes<br />
noch an Bezügen zwischen sich autonomisierenden Teilbereichen der Gesellschaft<br />
möglich ist. Die systemtheoretische Perspektive macht es somit möglich, die stark gegenständlich<br />
ausgerichtete traditionelle Sichtweise auf Integration zu erweitern. Damit<br />
wird das in der Forschung anhaltend bestehende Problem- bzw. Spannungsverhältnis<br />
zwischen materiellen, objektiven und eher auf Kommunikation basierenden Integrationsvorstellungen<br />
sichtbar.<br />
5. Integration und <strong>Medien</strong> als empirisches Forschungsproblem<br />
Ob und inwieweit Integration empirisch festgestellt werden kann, ist<br />
• von der Beobachterperspektive,<br />
• von der normativen Position und<br />
• von den Kriterien/Indikatoren<br />
für Integration abhängig. Da Integration sowohl materiell (bspw. Identität, Zugehörigkeit)<br />
als auch symbolisch (bspw. Gemeinschafts-, Staatsvorstellungen) bestimmt ist,<br />
kann in der Regel empirisch nicht zwischen diesen beiden Polen trennscharf unterschieden<br />
werden. Zudem hat sich die Vorstellung durchgesetzt, Integration nicht statisch,<br />
sondern als Prozess aufzufassen, so dass allenfalls durch komparative empirische<br />
Bemühungen Differenzen ausgemacht und Bewertungen vorgenommen werden können.<br />
Unterscheidungen sind also möglich und Integration kann insoweit auch gemessen<br />
werden. Bislang wurde jedoch darauf verzichtet, einen spezifischen Integrationsindex zu<br />
entwickeln. Die vorhandenen Indikatoren sind stark von den jeweiligen teildisziplinären<br />
Fragestellungen und Traditionen geprägt (vgl. Hummel 1996). Empirische Studien sollten<br />
aufgrund der theoretischen Überlegungen deshalb vor allem<br />
• auf die Mikro- und Meso-Ebene bezogen werden,<br />
• komparativ (soziale wie sozial-räumliche Differenzierung) angelegt werden,<br />
• die Interaktionen zwischen Akteuren unterschiedlicher Teilsysteme und den <strong>Medien</strong><br />
beachten, und<br />
• grundsätzlich als Langfriststudien angelegt werden.<br />
Integration als Prozess zu verstehen, bedeutet zum einen, Kommunikation (und damit<br />
<strong>Medien</strong>: Angebotsformen, Inhalte, Nutzung und Bewertung) zu betrachten. Denn<br />
32
Jarren · Integration durch <strong>Medien</strong><br />
Kommunikation ermöglicht sowohl Integration von Einzelnen in Gruppen oder von<br />
Gruppen in soziale Systeme als auch Integration auf den unterschiedlichen gesellschaftlichen<br />
Ebenen. Zum anderen ist die soziostrukturelle Dimension, also die Verankerung<br />
der <strong>Medien</strong> in der gesellschaftlichen Struktur (im intermediären System) und die Interaktion<br />
zwischen <strong>Medien</strong> und Akteuren, empirisch zu berücksichtigen. Damit geraten<br />
neben den <strong>Medien</strong> vor allem jene Organisationen ins Blickfeld, die in nennenswerter<br />
Weise an gesellschaftlichen Informations- und <strong>Kommunikations</strong>prozessen beteiligt<br />
sind.<br />
Vor allem die Organisationen des intermediären Systems der Gesellschaft (wie Vereine<br />
und Verbände, Kirchen, Parteien, neue soziale Bewegungen) leisten durch ihre Präsenz<br />
Integration auf der Mikro- wie auch Mesoebene. Da sie zugleich aber auch zwischen den<br />
Teilsystemen vermittelnd agieren und zudem Bestandteil der sozialen, politischen und<br />
kulturellen Ordnung einer Gesellschaft sind, wirken sie sowohl aufgrund ihres Status<br />
(„Faktor“) als auch aufgrund ihrer Vermittlungsleistung („Vermittler“) auf der Makroebene<br />
integrativ. Sie tun dies unter mediengesellschaftlichen Bedingungen mehr und<br />
mehr in Kooperation mit (Massen-)<strong>Medien</strong>. In den komplexen Vermittlungsprozessen<br />
kommt den Massenmedien eine besondere Bedeutung zu. Dies mag der Grund dafür<br />
sein, dass bezogen auf Integrationsaspekte vor allem den <strong>Medien</strong> besondere Aufmerksamkeit<br />
zukommt, und dass ihnen – vor allem aber Hörfunk und Fernsehen – eine integrative<br />
Aufgabe (gesamtgesellschaftlich, kulturell, sozial wie auch politisch) zugewiesen<br />
wurde und wird. Allerdings darf dabei nicht übersehen werden, dass <strong>Medien</strong> ihre Integrationsleistungen<br />
im engen Zusammenspiel mit anderen intermediären Organisationen<br />
in der Interaktion (also in anhaltenden Prozessen) erbringen.<br />
Ob und inwieweit <strong>Medien</strong> Integrationsaufgaben nun erfüllen, kann nur zum Teil empirisch<br />
beantwortet werden. Es ergeben sich grundsätzliche Erkenntnisprobleme bezüglich<br />
des sozialen Phänomens Integration:<br />
• Integration ist ein Prozess,<br />
• er umfasst Einzelne und Gruppen wie auch Organisationen und Teilsysteme,<br />
• er vollzieht sich zudem anhaltend auf unterschiedlichen Ebenen und<br />
• kann aufgrund seines hohen Komplexitätsgrades als Totalphänomen nicht hinreichend<br />
empirisch „gemessen“ bzw. erfasst werden.<br />
Durch <strong>Medien</strong> und ihre Angebote wird – in welcher Weise auch immer – auf allen gesellschaftlichen<br />
Ebenen Integration geleistet, doch geschieht dies im Einzelfall durchaus<br />
nicht intentional, und ebenso wenig kann das Ergebnis dieses Handelns allein aus einer<br />
Beobachterperspektive heraus betrachtet und beurteilt werden. Konkret: Was kurzfristig<br />
als integrationsförderlich angesehen wird, kann mittel- oder langfristig desintegrative<br />
Tendenzen im gleichen oder aber in einem anderen sozialen Sektor nach sich ziehen,<br />
ohne dass damit etwas über Ursache-Wirkungs-Beziehungen oder gar über <strong>Medien</strong>einflüsse<br />
in diesem Kontext gesagt werden kann (das als kritische Anmerkung zur Analyse<br />
von Wuerth 1999). Dennoch: Insbesondere durch Kommunikation über Integration<br />
wird das Bewusstsein von Zusammenhängen konstituiert, ohne dass damit sogleich inhaltliche<br />
Festlegungen verbunden sind oder Folgen für mögliche Integrationsprozesse<br />
abzuschätzen wären.<br />
Die Erkenntnisprobleme verschärfen sich, wenn im Wesentlichen nur <strong>Medien</strong> und dann<br />
im Wesentlichen nur deren Vermittlungsleistungen (Inhalte; Rezeption) empirisch betrachtet<br />
werden können (vgl. für komplexe Untersuchungsanlagen die Beiträge in Ha-<br />
33
M&K 48. Jahrgang 1/2000<br />
sebrink/Rössler 1999). Jenseits aller empirischen Probleme im Zusammenhang mit der<br />
Messung und Bewertung von Vermittlungsleistungen der <strong>Medien</strong> kommt noch hinzu,<br />
dass vor allem die Faktorfunktion der <strong>Medien</strong> sich weitgehend einem unmittelbaren empirischen<br />
Zugang entzieht. Zu den Besonderheiten von <strong>Medien</strong> als intermediären Organisationen<br />
gehört aber gerade deren Faktorfunktion, d.h. ihre jeweils spezifische soziostrukturelle<br />
Verankerung in einer konkreten Gesellschaft (vgl. Jarren 1998).<br />
Aufgrund der benannten empirischen Forschungsprobleme bietet es sich an, Integrationsdiskurse<br />
selbst zum Gegenstand der empirischen Forschung zu machen, also anhand<br />
ausgewählter Fallanalysen die diesbezügliche Leistung unterschiedlich verfasster und<br />
strukturierter <strong>Medien</strong> zu messen.<br />
6. Die Integrationspotenziale der <strong>Medien</strong>: Gemeinsamkeiten, Unterschiede und<br />
Wandel<br />
Im Zuge der Herausbildung eines eigenständigen <strong>Medien</strong>systems, seiner Entwicklung<br />
zu einem funktionalen Teilsystem und der fortschreitenden Binnendifferenzierung hat<br />
sich das Integrationspotenzial der Massenmedien erheblich verändert: Solange die Massenmedien<br />
aufgrund ihrer Entstehung und ihres traditionellen Selbstverständnisses eng<br />
mit gesellschaftlichen Gruppen verbunden waren (wie beispielsweise die Presse in Form<br />
der Kirchen- oder Parteipresse oder der öffentliche Rundfunk durch seine gesellschaftlichen<br />
Vorgaben sowie seine internen gesellschaftlichen Aufsichtsstrukturen), schienen<br />
sie den Integrationsauftrag gewissermaßen per se zu erfüllen, weil sie zur gesellschaftlichen<br />
Ordnung des intermediären Gefüges gehörten und die <strong>Kommunikations</strong>tätigkeit<br />
von Organisationen unterstützten. Sie taten dies deshalb, weil sie von den Vertretern relevanter<br />
gesellschaftlicher Kräfte in hohem Maße ökonomisch abhängig und normativ<br />
beeinflusst waren. So wurde auch der öffentliche Rundfunk gesamtgesellschaftlich institutionalisiert,<br />
mit entsprechenden Aufsichtsgremien sowie Binnenstrukturen, und<br />
mit einem klaren (Integrations-)Auftrag versehen (vgl. Saxer 1993).<br />
Die durch die Deregulierungspolitik forcierte Angebotsexpansion vor allem im elektronischen<br />
<strong>Medien</strong>bereich hat nun den Eindruck von möglichen Desintegrationsgefahren<br />
verstärkt aufkommen lassen. Dies vor allem deshalb,<br />
• weil sich die neu institutionalisierten <strong>Medien</strong> inhaltlich weniger auf die traditionellen<br />
Organisationen und Institutionen beziehen,<br />
• weil sie <strong>Medien</strong>publika vorrangig nach ökonomischen – und weniger nach politischen<br />
– Kriterien erreichen (müssen),<br />
• weil sie den Rezipienten mehr Wahlmöglichkeiten zur Unterhaltung und eingeschränkt<br />
auch zur Information zur Verfügung stellen und<br />
• weil die Individualisierung in der <strong>Medien</strong>nutzung zunimmt. Vielfach wird das mit<br />
(gesamtgesellschaftlicher) Fragmentierung gleichgesetzt (vgl. dazu, mit Daten für die<br />
Schweiz, bspw. Meier/Bonfadelli/Schanne 1993).<br />
Zugleich wird diese gesellschaftliche Entwicklung (Individualisierung, Fragmentierung,<br />
Beschleunigung) den <strong>Medien</strong> insgesamt zugeschrieben. Zum Teil werden die <strong>Medien</strong><br />
dafür sogar unmittelbar – im Sinne der Behauptung kausaler Wirkungszusammenhänge<br />
– verantwortlich gemacht. Ein derartiger Effekt als spezifischer <strong>Medien</strong>effekt lässt<br />
sich jedoch nicht nachweisen. <strong>Medien</strong> haben allerdings am Prozess der gesamtgesellschaftlichen<br />
Modernisierung, an Individualisierung und Wertewandel, einen erhebli-<br />
34
Jarren · Integration durch <strong>Medien</strong><br />
chen Anteil, und sie beeinflussen damit auch Integrationsmöglichkeiten (vgl. dazu Hasebrink<br />
1999). Aufgrund der<br />
• Angebotsexplosion (Zahl der verfügbaren nationalen wie auch internationalen Angebote;<br />
„Rund-um-die-Uhr-Verfügbarkeit“ von elektronischen Angeboten) sowie<br />
• neuer Angebotsformen (bspw. als Zielgruppen- und Spartenmedien) und<br />
• der neuen Angebotsbreite (kulturell wie politisch wird in inhaltlicher Hinsicht immer<br />
mehr möglich)<br />
wirken sie auf den Sozialisationsprozess ebenso wie auf die Ausbildung von Meinungen,<br />
Einstellungen und Werten ein. Andererseits ermöglichen sie vielfältige neue Formen von<br />
realer und symbolischer Integration, so wenn sie über immer mehr Entwicklungen in<br />
der Weltgesellschaft berichten.<br />
Insgesamt betrachtet gewinnen die <strong>Medien</strong> aufgrund ihrer zunehmenden Reichweite<br />
und des hohen Grades an Durchdringung gegenüber den bislang dominanten Sozialisations-<br />
und Integrationsinstanzen an Bedeutung. Vor allem gewinnen sie an Einfluss im<br />
intermediären Bereich der Gesellschaft, weil sie mehr und mehr zu einer Voraussetzung<br />
für die Informations- und <strong>Kommunikations</strong>leistungen anderer intermediärer Organisationen<br />
werden. Sie sind präsenter, verfügbarer und in kommunikativer Hinsicht leistungsfähiger<br />
als andere Organisationen und orientieren sich inhaltlich mehr und mehr<br />
in weltgesellschaftlich-pluraler Hinsicht (und insoweit auch globaler) als die herkömmlichen<br />
Organisationen, die an (alten) Wertvorstellungen stärker festhalten. <strong>Medien</strong> nehmen<br />
mehr und mehr eine – in inhaltlicher Hinsicht eher wertneutrale – eigenständige<br />
Vermittler- wie auch Faktorposition ein, d. h. sie lassen sich weniger auf bestimmte<br />
Normen oder Überzeugungen verpflichten. Sie „emanzipieren“ sich von den anderen<br />
intermediären Instanzen, werden jedoch zugleich durch Kommerzialisierungsprozesse<br />
stärker auf das ökonomische System verpflichtet (vgl. McQuail 1992). Jenseits aller<br />
rechtlichen Vorgaben und medienpolitischen Programme vollzieht sich der Wandel vom<br />
Angebots- zum Nachfragemarkt. Empirisch ist das vor allem bei privatkommerziellen<br />
Rundfunkveranstaltern zu beobachten, die ständig ihr Programm den Werbevorgaben<br />
und den über Einschaltquoten vermittelten Publikumsinteressen anpassen. Dieser Wandel<br />
hat auch den Printmediensektor erfasst: Auch dort werden in immer kürzeren<br />
Zeiträumen Produkte relauncht oder neue Produkte (vor allem im Bereich der Zeitschriften)<br />
auf den Markt gebracht und wieder vom Markt genommen. Die Produktlebenszyklen<br />
werden kürzer. Selbst der in Deutschland hoch konzentrierte Tageszeitungsmarkt<br />
ist im Umbruch, wie der „Kölner Zeitungskrieg“ Ende 1999/Anfang 2000<br />
zeigt.<br />
Der Wandel im <strong>Medien</strong>system insgesamt wie bei den Angebotsformen und Inhalten einzelner<br />
<strong>Medien</strong>gattungen wirkt sich – bezogen auf das Integrationspotenzial – unterschiedlich<br />
aus: Während die informierenden Printmedien (vor allem: Tageszeitungen)<br />
Kommunikationen in konkreten geographischen Räumen ermöglichen und insoweit<br />
vor allem räumlich-sozial zu integrieren vermögen, sind die elektronischen Massenmedien<br />
stärker sozial-räumlich ausgerichtet. Sie können dies sein, weil sie als jüngere <strong>Medien</strong><br />
neben den Printmedien eine ergänzende Funktion wahrnehmen. Und sie sind deshalb<br />
– jenseits aller technischen Aspekte (Bereitstellungsmerkmale, Distributionsmöglichkeiten)<br />
– stärker auf bestimmte Gruppen hin ausgerichtet, auch weil sie neben<br />
traditionellen journalistischen Angeboten (Information, Orientierung) allgemeine publizistische<br />
Produkte bereitstellen (Unterhaltung, Service, Entspannung), die zumindest<br />
in räumlicher Hinsicht allgemeiner ausgerichtet sein können (Kulturraumbezug). Und<br />
35
M&K 48. Jahrgang 1/2000<br />
im Bereich der sich herausbildenden Netzkommunikation, die potenziell die gesamte<br />
Welt zu umspannen vermag, stehen vor allem globale soziale Bezüge im Mittelpunkt.<br />
Die elektronischen <strong>Medien</strong>angebote lassen sich nur zum Teil auf konkrete geographische<br />
Räume beziehen, und mit diesen Angeboten wird eher Kultur- und Sprachräumen<br />
gefolgt. Während Druckmedien vor allem Angebote mit kognitivem Anspruch (Information,<br />
Service, Alltagsorganisation) unterbreiten und entsprechend räumlich-sozial<br />
nachgefragt werden, unterbreiten die elektronischen <strong>Medien</strong> stärker Angebote mit<br />
affektivem Anspruch (Entspannung, Gruppenzugehörigkeit, Alltagsbewältigung), die<br />
wiederum von bestimmten sozialen Gruppen unterschiedlich präferiert werden.<br />
Trotz aller Unterschiedlichkeit hinsichtlich der potenziellen Integrationsleistung einzelner<br />
<strong>Medien</strong>typen ist zugleich auch das gesamte <strong>Medien</strong>system zu betrachten, denn als<br />
soziokulturelle Institution der Gesellschaft regelt es in sozialnormativer Hinsicht:<br />
Durch sein kontinuierliches und für alle präsentes Angebot an publizistischen Aussagen<br />
werden Ereignisse, Meinungen, Ansichten wie auch kulturelle Vorstellungen geformt,<br />
kategorial eingeordnet und präsentiert. Bezogen auf Integrationspotenziale heißt dies<br />
für das <strong>Medien</strong>system:<br />
• In sachlicher Hinsicht stellt es die Themen für die gesamtgesellschaftliche Kommunikation<br />
bereit und ermöglicht durch Selektionsentscheidungen vielfältige Möglichkeiten<br />
zur Anschlusskommunikation.<br />
• Durch die Herstellung von Öffentlichkeit werden den Akteuren in zeitlicher Hinsicht<br />
dauerhaft Formen zur Anschlusskommunikation ermöglicht.<br />
• Und da an der Massenkommunikation alle Individuen wie Akteure Anteil als auch<br />
(potenziell) Zugang dazu haben, sind in sozialer Hinsicht alle an diesem Prozess andauernd<br />
beteiligt.<br />
In historischer Perspektive gesehen, kann das Integrationspotenzial der <strong>Medien</strong> als gewachsen<br />
bezeichnet werden. Und dieses Potenzial der Massenmedien liegt nicht in jedem<br />
einzelnen Medium oder in einem einzelnen <strong>Medien</strong>teilsystem (wie bspw. dem Hörfunk),<br />
wohl aber im <strong>Medien</strong>system insgesamt: Aufgrund seiner enormen kommunikativen<br />
Leistungsfähigkeit umfasst und durchdringt es die Gesamtgesellschaft und stellt<br />
damit eine wesentliche Voraussetzung für Integrationsprozesse dar. Das <strong>Medien</strong>system<br />
ist vor allem eine Art Infrastruktureinrichtung, von dessen Struktur Umfang und Qualität<br />
der gesellschaftlichen Kommunikation abhängig ist. Die Aufrechterhaltung von<br />
Strukturvielfalt im <strong>Medien</strong>system ist damit unter regulatorischen Aspekten die zentrale<br />
Aufgabe auch zur Erhaltung des Integrationspotenzials. Und aus soziostrukturellen<br />
Gründen ist die Zuweisung normativer Aufgaben an einzelne <strong>Medien</strong> oder an <strong>Medien</strong>teilsysteme<br />
(bspw. bezüglich Integration) zwar nur als eine schwache Vorgabe anzusehen,<br />
aber durchaus – wie noch zu zeigen sein wird – relevant.<br />
Dabei sollte allerdings nicht übersehen werden, dass das <strong>Medien</strong>system zu spezifischen<br />
Formen der Selbstintegration fähig ist: Durch die Selbstbezüglichkeit, also durch die<br />
wechselseitige Beobachtung innerhalb des <strong>Medien</strong>systems, erfolgt eine Form von<br />
Selbstintegration auf der Inhaltsebene, zumal im journalistischen Bereich. <strong>Medien</strong> nehmen<br />
das auf, was Agenturen anbieten, Akteure der gesellschaftlichen Teilsysteme bereitstellen<br />
(vor allem: PR), und sie berücksichtigen zudem das, was die jeweiligen Qualitätsmedien<br />
aufgreifen (Inter-Media-Agenda-Setting-Effekt). So finden sich im zentralen<br />
Leistungsbereich Information/Orientierung der <strong>Medien</strong> strukturähnliche Angebote<br />
und durchgängig auch ein hohes Maß an inhaltlicher Übereinstimmung (inhaltliche<br />
36
Jarren · Integration durch <strong>Medien</strong><br />
Homogenität). Auf diese Weise bildet sich eine Art <strong>Medien</strong>hierarchie (von den publizistisch-journalistisch<br />
orientierten Voll(programm)anbietern bis hin zu den publizistischökonomisch<br />
ausgerichteten Zielgruppenanbietern) heraus, die auch von den Rezipienten<br />
(an-)erkannt wird und für Nutzungsverhalten prägend ist. Diese Hierarchie zeigt<br />
sich bspw. auch dann, wenn nach der Glaubwürdigkeit von einzelnen <strong>Medien</strong> gefragt<br />
wird.<br />
Zur Aufrechterhaltung dieser Form von sozialer Ordnung im <strong>Medien</strong>system ist allerdings<br />
die normative Einforderung und Durchsetzung von Qualitätsmaßstäben relevant,<br />
weil dadurch die soziale Hierarchie gleichsam stabilisiert wird. So kritisieren <strong>Medien</strong> in<br />
Form von <strong>Medien</strong>kritik vor allem dann ein „Fehlverhalten“, wenn ein Medium bestimmten<br />
normativen Anforderungen oder Selbstverpflichtungen tatsächlich oder vermeintlich<br />
nicht entspricht. Der Verzicht auf jegliche normative Anforderung, wie in<br />
manchen wirtschaftsliberalen Ordnungsvorstellungen formuliert, käme einem Verzicht<br />
auf Setzung von Maßstäben gleich, auf die aber die medieninterne (Selbst-)Kritik angewiesen<br />
ist. Dieser Tatbestand verweist zudem auf die strukturelle Bedeutung von öffentlich-rechtlichen<br />
<strong>Medien</strong>organisationen (Qualitätsangebot; Vorbildfunktion).<br />
<strong>Medien</strong> sind aber nicht nur Infrastruktur, sie sind zudem aktiv an Integrationsprozessen<br />
beteiligt, indem durch spezifische Angebotsformen und Inhalte Akteuren Optionen<br />
geboten oder Grenzen gesetzt werden. Hinsichtlich dieser aktiven Komponente kommt<br />
insbesondere in einem sich zunehmend weiter differenzierenden <strong>Medien</strong>system dem mit<br />
einem entsprechenden Leistungsauftrag zur Integration versehenen <strong>Medien</strong>bereich eine<br />
besondere Bedeutung zu (vgl. dazu etwa Wilke 1996). So leistet bspw. der öffentliche<br />
Rundfunk diese Aufgabe durch seine spezifische Marktpräsenz und Organisationsweise,<br />
vor allem aber durch den Selbstanspruch zu integrieren sowie durch spezifische Programmleistungen<br />
in Form von Voll- oder Spartenprogrammen (dazu grundlegend<br />
Holznagel/Vesting 1999). Für diese Art der Programmierung ist der normative Auftrag<br />
– an den öffentlichen Rundfunk – allerdings relevant. Da es in der hochflexiblen Gesellschaft<br />
nicht ein (gleichsam statisches) „Dauerangebot“ zur Integration geben kann,<br />
besteht die zentrale Aufgabe des öffentlichen Rundfunks darin, beständig nach neuen<br />
Formen zu suchen und entsprechende Angebote zu unterbreiten. Er kann dabei aber<br />
nicht, so die vielfach geäußerte Erwartung, eine Art „Generalintegration“ innerhalb der<br />
Gesellschaft leisten und damit zugleich auch noch kompensatorisch die Schwächen anderer<br />
<strong>Medien</strong> oder intermediärer Organisationen auszugleichen versuchen. Wohl aber<br />
kann er generell durch allgemeine normative Vorgaben und speziell durch organisatorische<br />
Entscheidungen auf dieses Ziel hin programmiert werden (Aufgabe der Reflexion<br />
von entsprechenden Angebotsformen). Und die Leistungserbringung kann evaluiert,<br />
gesellschaftlich debattiert und durch neue Entscheidungen korrigiert werden. Es gilt,<br />
durch rechtliche Vorgaben die Kommunikation über kommunikative Angebotsformen<br />
bezüglich des (Teil-)Ziels Integration nicht nur zu ermöglichen, sondern strukturell abzusichern.<br />
7. Von der Relevanz normativer Anforderungen – Schlussbemerkungen<br />
Die theoretischen Überlegungen und empirischen Hinweise zum Integrationspotenzial<br />
haben deutlich gemacht, dass eine Art „Generalintegrationsleistung“ von <strong>Medien</strong> nicht<br />
erwartet werden kann. <strong>Medien</strong> erbringen Integrationsleistungen im Wesentlichen in der<br />
Interaktion mit Akteuren aus anderen Teilsystemen im Prozess. Hinsichtlich des Integrationspotenzials<br />
gibt es aufgrund von Bereitstellungsmerkmalen und Angebotsfor-<br />
37
M&K 48. Jahrgang 1/2000<br />
men Unterschiede zwischen Print- und den elektronischen <strong>Medien</strong>. Hierzu liegen bislang<br />
jedoch keine empirischen Studien vor. Andererseits unterscheiden sich verschieden<br />
institutionalisierte (also unterschiedlich rechtlich verfasste und ökonomisch orientierte)<br />
<strong>Medien</strong> bezüglich ihres Potenzials zur gesellschaftlichen Integration, was sich an Organisationsstrukturen,<br />
Angebotsformen, -inhalten und -qualitäten empirisch nachweisen<br />
lässt. Unter Integrationsaspekten ist die empirische Analyse auf diesen Ebenen sinnvoll,<br />
doch bedarf es dazu eines erweiterten Modells: Der empirische Blick allein auf die <strong>Medien</strong>,<br />
ihre Inhalte oder die Rezeption reicht nicht aus. Themen und Wissen, auch Kenntnisse<br />
über Normen, Werte und Verfahren, werden zwar gesellschaftsweit weitgehend<br />
über <strong>Medien</strong> vermittelt, aber nicht von ihnen (allein) erzeugt. Dies geschieht durch Akteure<br />
in allen Teilsystemen, wesentlich aber über jene Akteure, die dem intermediären<br />
System zuzurechnen sind. Sie sind es, die vor allem Themen für die <strong>Medien</strong>vermittlung<br />
bereitstellen und damit weitgehend die öffentliche Agenda bestimmen. <strong>Medien</strong> greifen<br />
auf die bereitgestellten Informationen zu, weniger greifen sie eigenständig Themen auf.<br />
In inhaltlicher Dimension sind <strong>Medien</strong> als prinzipiell offen anzusehen. Andererseits orientieren<br />
sich <strong>Medien</strong> im entstandenen Nachfragemarkt mehr und mehr an Werbung und<br />
Publikum. Die Interaktionen zwischen Akteuren, <strong>Medien</strong> und Publikum gewinnen damit<br />
für die Analyse an Bedeutung, denn in diesen Prozessen wird auch über die Möglichkeiten<br />
einer Integrationskommunikation entschieden. In empirischer Forschung ist<br />
demnach diesen Interaktionen und ihren Ergebnissen, auch und gerade im Hinblick auf<br />
das Leistungsprofil von einzelnen <strong>Medien</strong> (Grad an Vermittlungsleistung vs. Eigenleistung),<br />
Aufmerksamkeit zu schenken. Die Analyse konkreter Integrationsdiskurse bietet<br />
sich für empirische Studien an, zumal dann, wenn mögliche Leistungsunterschiede<br />
zwischen <strong>Medien</strong> ermittelt werden sollen.<br />
Die empirische Sichtweise ist zudem um normative Aspekte bezüglich der Integrationsfunktion<br />
von <strong>Medien</strong> zu ergänzen: Eine Orientierung von <strong>Medien</strong> auf Integrationskommunikation<br />
kann durch gesetzliche Bestimmungen oder Konzessionen nur in allgemeiner<br />
Form verpflichtend gemacht werden, aber nicht bezogen auf konkrete Ziele<br />
(und schon gar nicht im Ergebnis erfolgreich durchgesetzt werden). Denn: Auch Gesetzgeber<br />
und Gesetze können allenfalls normativ Integration verlangen, also den Prozess<br />
einfordern, aber nicht konkrete inhaltliche Vorgaben machen. Die Selektion innerhalb<br />
von <strong>Medien</strong> erfolgt auf Basis des jeweiligen publizistischen und redaktionellen Entscheidungsprogramms.<br />
Diese Programme können aber durch normative Vorgaben für<br />
<strong>Medien</strong> in Form von Organisationsregelungen (rechtliche Vorgaben hinsichtlich Organisation;<br />
Vorgaben hinsichtlich eines Qualitätsmanagements u. a. m.) beeinflusst werden.<br />
Zu den Schwächen bisheriger Regulierungspraxis gehört, dass evaluative Programme,<br />
zumal Pflichten zur Selbstevaluation oder zum Qualitätsmanagement, im <strong>Medien</strong>bereich<br />
nicht etabliert sind. Da generell mit allgemeinen normativen Vorgaben selbst bestimmte<br />
Ziele nicht sicher erreicht werden können, verweist dies auf die Notwendigkeit<br />
strukturpolitischer Entscheidungen und struktureller Vorgaben für <strong>Medien</strong>organisationen.<br />
Zweierlei Problemstellungen sind im Kontext dieses Problemzusammenhangs zu sehen<br />
und weiterzuverfolgen. Zum einen: Anforderungen bezüglich einer Integrationskommunikation<br />
müssen sich auf die <strong>Medien</strong>organisation (Organisationsverfassung) und auf<br />
das redaktionelle Programm beziehen. Ein so formulierter, allgemeiner Integrationsauftrag<br />
ist notwendig, weil er sowohl die <strong>Medien</strong>organisation als auch gesellschaftliche Akteure<br />
wie das Publikum zur Debatte über die Erfüllung eines solchen Auftrages anzuhalten<br />
vermag. Damit kann im Ergebnis eine Art Selbstbindung bei (<strong>Medien</strong>-)Organi-<br />
38
Jarren · Integration durch <strong>Medien</strong><br />
sationen erreicht werden. An die einzelne <strong>Medien</strong>organisation kann dabei aber nicht ein<br />
konkreter Integrationsauftrag, sondern nur ein Auftrag zur Abbildung relevanter<br />
Selbstverständigungsdiskurse gerichtet werden. Das bedeutet, <strong>Medien</strong> haben die Diskurse<br />
gesellschaftlicher Akteure zu berücksichtigen und sie werden auf Offenheit, Vielfalt<br />
und Pluralität verpflichtet. Durch Formen externer Evaluation wie auch Pflichten<br />
zur Selbstevaluation kann das nötige Wissen für Debatten über Leistungsschwächen bereitgestellt<br />
werden. Dabei kann davon ausgegangen werden, dass im <strong>Medien</strong>system<br />
selbst – zumindest unter professionellen journalistischen Bedingungen – eine Art von<br />
„Selbstintegration“ auf der Themen-/Akteursebene geleistet wird (wechselseitige Beobachtung<br />
und Berücksichtigung von Themen und Akteuren). Der Umfang auch dieser<br />
Leistung kann empirisch gemessen werden. Evaluationsbefunde stellen für alle Akteure<br />
das notwendige Wissen für die Diskussion über das <strong>Medien</strong>system und einzelner <strong>Medien</strong><br />
bereit. Evaluationen sollten vor allem zur Erhöhung des Reflexions- bzw. Selbstreflexionspotenzials<br />
im <strong>Medien</strong>system beitragen. Da im Unterschied zu zahlreichen anderen<br />
Industrie- und Dienstleistungsbranchen im <strong>Medien</strong>bereich erhebliche Defizite<br />
bestehen, bedarf es spezifischer Formen der Regulierung (etwa Verpflichtung zu Formen<br />
der Selbstevaluation oder zum Qualitätsmanagement).<br />
Zum anderen: Um die Risiken zu minimieren, die sich aus einer gleichförmigen Handlungspraxis<br />
im <strong>Medien</strong>system ergeben könnten, bedarf es auch struktureller Vorkehrungen,<br />
so bezüglich der Erreichung des Ziels der Ermöglichung von Integrationskommunikation.<br />
Strukturelle Vorkehrungen heißt, durch ordnungspolitisch begründete<br />
Entscheidungen für Strukturvielfalt und Offenheit im <strong>Medien</strong>system Sorge zu tragen,<br />
also unterschiedlich organisierte <strong>Medien</strong>unternehmen – private wie öffentlich-rechtliche,<br />
kommerzielle wie Non-Profit-Organisationen – zuzulassen und mit spezifischen,<br />
also durchaus unterschiedlichen, Leistungsaufträgen zu versehen. Die Erfahrungen mit<br />
dem dualen Rundfunksystem in Deutschland zeigen deutlich, dass eine reine Marktorganisation<br />
nicht nur den ökonomischen und publizistischen Wettbewerb noch weiter als<br />
bislang einschränken, sondern dass ein ausschließlich unter Marktbedingungen agierendes<br />
<strong>Medien</strong>system auch Defizite hinsichtlich seines Integrationspotenzials aufweisen<br />
würde. Das insbesondere dann, wenn auf Basis digitaler Distributionssysteme bspw.<br />
Zugangs- und Abrechnungsapparaturen implementiert werden, die Zugang zum und<br />
Verfügung über gesellschaftliches Wissen für Einzelne und soziale Gruppen elementar<br />
betreffen. Die kommunikative Einbeziehung aller Teilsysteme und die kommunikative<br />
Vergesellschaftung aller Bürger mittels des <strong>Medien</strong>systems ist eben nicht allein ein normatives<br />
Ziel an sich, sondern auch aus funktionaler Perspektive geboten.<br />
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41
M&K 48. Jahrgang 1/2000<br />
„Praktischer Sinn“, soziale Identität und Fern-Sehen<br />
Ein Konzept für die Analyse der Einbettung kulturellen Handelns in die Alltagswelt<br />
Ralph Weiß<br />
Für den Fortschritt kommunikations<strong>wissenschaft</strong>licher Theoriebildung spielt die Analyse<br />
des lebensweltlichen Kontextes, in den der <strong>Medien</strong>gebrauch eingebettet ist, eine<br />
Schlüsselrolle. Das zeigt der Beitrag anhand des Framing-Ansatzes und anhand der Diskussion<br />
um die Cultural Studies. Auf der Grundlage von Bourdieus Theorie der Praxis<br />
wird ein System generativer Prinzipien des Handelns und der Anschauung skizziert. Das<br />
System bietet einen Bezugsrahmen für die Analyse handlungsleitender Themen, die den<br />
subjektiven Sinn des <strong>Medien</strong>gebrauchs prägen. Welchen Sinn der <strong>Medien</strong>gebrauch haben<br />
kann, erschließt sich anhand der „subjektiven Formen“, in die die medienkulturellen<br />
Objektivationen umgesetzt werden. Um diese Formen zu charakterisieren, greift der<br />
Ansatz auf die Psychologie Hegels zurück. Dabei wird insbesondere die Rezeption des<br />
audiovisuellen Mediums Fernsehen in den Blick genommen. Welches heuristische Potenzial<br />
diese „Denkwerkzeuge“ haben können, wird abschließend an einer Studie über parasoziale<br />
Beziehungen diskutiert.<br />
1. Die Aufgabe: Eine Theorie der alltagsweltlichen Grundlagen des <strong>Medien</strong>gebrauchs<br />
Denis McQuail führt seine umfassende Darstellung der Theorien der Massenkommunikation<br />
zu einem überraschenden Schluss. Er attestiert der Theoriebildung den sehr vorläufigen<br />
Status fragmentarischer Beobachtungen und schlecht abgestützter Annahmen.<br />
The corpus of work described in a summary way in this book is still very fragmentary<br />
and variable in quality. At best, it barely amounts to more than a posing of many<br />
questions plus some empirical generalization based on a set of fragmentary observations<br />
which are not fully representative. (Mc Quail 1996, 375f.)<br />
McQuails skeptisches Resümee fügt sich einer Reihe von Urteilen an, die den Fortschritt<br />
der <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong> durch ihr Theoriedefizit behindert sehen. Rosengren<br />
kommt 1993 mit Blick auf die angelsächsische Literatur zu dem Urteil, die weitere Entwicklung<br />
der <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong> leide darunter, dass Begriffe und Befunde<br />
nur mangelhaft integriert würden und dass eine produktive Auseinandersetzung zwischen<br />
den theoretischen Ansätzen weitgehend ausbleibe. Saxer stellt für die deutschsprachige<br />
<strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong> fest, es fehle an einer systematischen Theoriebildung<br />
(1993, 177f.). 1 Schönbach sieht in einem unlängst vorgelegten Überblick über<br />
die Analyse politischer Kommunikation die <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong> in einer anhaltenden<br />
„Jäger-und-Sammler-Phase“, damit beschäftigt „herauszufinden, was überhaupt<br />
wahr sein könnte an im Grunde eher vagen Ausgangsideen wie der ,wachsenden<br />
Wissenskluft‘, den Einflüssen einer Zeitungsredaktion auf journalistische Entscheidungen<br />
und der angeblich zunehmenden Skandalorientierung der <strong>Medien</strong>berichterstattung“<br />
1 Siehe auch schon Kaase und Schulz (1989, 10ff.).<br />
42
Weiß · „Praktischer Sinn“<br />
(Schönbach 1998, 119f.). Kunczik zeichnet in seinem jüngsten Resümee über die Wirkungsforschung<br />
ein Bild theoretischen Stillstandes trotz fortgesetzter Forschungsanstrengungen<br />
(Kunczik, Zipfel 1998, 562f.).<br />
Wenn der „zivilisatorische Prozess“, mit dem sich die kommunikations<strong>wissenschaft</strong>liche<br />
Theorie aus ihrer gleichsam prähistorischen Frühphase des „Jagens und Sammelns“<br />
herausbewegt, sehr langsam verläuft, wie McQuail beobachtet (1996, 376), dann könnte<br />
das auch etwas mit dem Festhalten an den bewährten, aber nur begrenzt wirksamen<br />
Denkwerkzeugen, den „eher vagen Ausgangsideen“ zu tun haben. Das rechtfertigt<br />
Bemühungen, die theoretischen Grundlagen für eine Wissenschaft medienvermittelter<br />
Kommunikation zu verbreitern. Die nachfolgenden Überlegungen gehen von der Beobachtung<br />
aus, dass dabei der Analyse der lebensweltlichen Kontexte medienvermittelter<br />
Kommunikation eine Schlüsselrolle zukommt. Diese Annahme soll an zwei Beispielen<br />
aus divergierenden theoretischen Feldern illustriert und dabei zugleich inhaltlich<br />
präzisiert werden.<br />
Die „Framing-Analysis“ interessiert sich bekanntlich für den Einfluss, den die Art, wie<br />
<strong>Medien</strong> das von ihnen gezeichnete Politik- oder Gesellschaftsbild konstruieren, auf die<br />
Schemata der Weltanschauung von Rezipienten hat. Die empirische Erkundung dieser<br />
Beziehung stößt auf den Umstand, dass das Einflusspotenzial medialer Konstruktionsmuster<br />
durch Dimensionen bestimmt wird, die in die subjektive Welt der Lebensthemen<br />
(„un-/obtrusiveness“ von Themen), der Lebensumstände (Status, „kulturelles Kapital“<br />
der Bildung) und der Lebensorientierungen (politisches Interesse) hineinfallen. Dabei<br />
scheint weithin unklar zu sein, wie sich etwa die subjektive Orientierung gegenüber einem<br />
lebenspraktischen Thema (wie „Arbeitslosigkeit“, „Umweltschutz“, „Sicherheit<br />
und Ordnung“, „Ausländer“ oder anderes) in divergierende Formen der Aneignung medialer<br />
Weltbildkonstruktionen übersetzt, so dass sie mal einen prägenden Einfluss auf<br />
die Weltwahrnehmung bekommen können, mal aber nicht. Ferner scheint klärungsbedürftig,<br />
inwieweit die offenbar unterschiedlichen Formen der Rezeption und Aneignung<br />
von <strong>Medien</strong>inhalten namentlich aus dem Fernsehen, also die Modi der Tätigkeit<br />
„Fern-Sehen“, in unterschiedlichen Mustern subjektiver Weltanschauung wurzeln; auf<br />
die können die klassifikatorischen Dimensionen wie etwa „Bildung“ oder „politisches<br />
Interesse“ zwar verweisen, sie können sie aber in ihrem bedeutungsgebenden Funktionieren<br />
nicht entschlüsseln. Schließlich stellt sich drittens die Frage, was die praktische<br />
Orientierung gegenüber einem medial vermittelten Thema und die Muster subjektiver<br />
Weltwahrnehmung mit jenen praktischen Lebensumständen zu tun haben, die durch typologische<br />
Kategorien wie etwa den „sozialen Status“ eher indiziert als theoretisch bestimmt<br />
worden sind. McLeod, Kosicki und McLeod sehen daher die Notwendigkeit,<br />
den Ursprung und die inhaltlichen Strukturen von „Frames“ genauer zu bestimmen. Sie<br />
kommen so auf den lebensweltlichen Kontext weltanschaulicher Orientierungen in sozialen<br />
Milieus zu sprechen.<br />
The origins of audience frames are thus likely to be some combination of the news<br />
media ,packages‘ … the person’s structural location and values, political beliefs and<br />
knowledge, and the political norms and discourse of social groups. (McLeod, Kosicki,<br />
McLeod 1994, 141)<br />
In allgemeiner Fassung stellen sich folgende Aufgaben für das Anliegen, die fehlenden<br />
theoretischen Vermittlungsglieder zwischen der medialen „Rahmung“ und den subjektiven<br />
„Schemata“ konzeptionell in den Griff zu bekommen:<br />
1. Wie wird die objektive Struktur von Handlungsbedingungen an einem sozialen Ort<br />
(„the person’s structural location“ in den Worten von McLeod u. a.) zur subjektiven<br />
43
M&K 48. Jahrgang 1/2000<br />
Struktur handlungs- und wahrnehmungsleitender Schemata („values, political beliefs<br />
and knowledge“) verinnerlicht? Das ist das Grundthema einer „Psychoanalyse des<br />
Sozialen“ (Bourdieu). Erst seine Bearbeitung macht es möglich, die soziale Positionierung<br />
auf der einen Seite und medienvermittelt ausgebildete subjektive „Frames“<br />
auf der anderen in der Theorie nicht nur äußerlich zu verklammern, sondern ihren<br />
inneren Zusammenhang gleichsam durch die Arbeit der praktischen Bewältigung des<br />
sozialen Alltags hindurch zu verfolgen. Am Ende muss ein Konzept stehen, das die<br />
Muster inhaltlich bezeichnet, nach denen der Alltagsverstand seine Klassifikationen<br />
in einer Weise vornimmt, die sich in dem strukturell bestimmten Feld sozialen Handelns<br />
praktisch bewährt.<br />
2. Welche unterschiedlichen subjektiven Formen können die Schemata und Muster alltagspraktischer<br />
Anschauungsweisen annehmen? Neben der Form des rationalen Urteils<br />
kommen stereotype Begriffe, szenische Vorstellungen und Gefühle in Betracht.<br />
Diese Formen unterscheiden sich darin, wie das Subjekt sich jeweils vergegenwärtigt,<br />
was es wahrnimmt, und inwieweit es daher über den Eindruck verfügt, den das in den<br />
<strong>Medien</strong> Rezipierte in ihm hinterlässt.<br />
Der kognitivistisch inspirierten Framingforschung ist gut bekannt, dass die „Rationalität“,<br />
nach der Individuen die mediale Realitätsdarstellung aufnehmen und verarbeiten,<br />
von ihnen gewechselt werden kann (Brosius 1995, 132f.). Diese verschiedenartigen Formen<br />
subjektiver Verarbeitung scheinen dabei hauptsächlich mit Blick auf den Unterschied,<br />
den sie für die Suggestibilität von Rezipienten machen, gewürdigt zu werden.<br />
Von Interesse ist allerdings auch, wozwischen Rezipienten eigentlich wechseln, wie die<br />
Psycho-Logik der verschiedenen subjektiven Formen des Anschauens beschaffen ist;<br />
denn darin dürfte die Erklärung für die gefundenen Unterschiede im Einflusspotenzial<br />
der <strong>Medien</strong>darstellung liegen.<br />
Der zweite Beleg für die Schlüsselbedeutung, die einer Theorie alltagsweltlicher Orientierungen<br />
zukommt, findet sich im Feld der „Cultural Studies“. Interessiert an der Rolle<br />
der Kultur für die Reproduktion hegemonialer Machtbeziehungen in einer Gesellschaft<br />
(Turner 1996, 182), spüren Studien dem Einfluss nach, den die „soziale Positionierung“<br />
der Subjekte – verstanden in den Dimensionen „Class“, „Gender“ und „Ethnicity“<br />
– auf die subjektive Aneignung, das sinngebende „Lesen“ medienkultureller<br />
„Texte“ hat. Den Arbeiten im Umfeld der Cultural Studies scheint es aber – nach dem<br />
Urteil ihrer Repräsentanten – bisher nicht zufrieden stellend gelungen zu sein, den inhaltlichen<br />
Zusammenhang der „maps of meaning“, die den Prozess subjektiver Aneignung<br />
und Auslegung medienvermittelter Anschauungsweisen organisieren, mit den Regeln<br />
der Praxis an einem spezifischen sozialen Ort zu rekonstruieren. Der text<strong>wissenschaft</strong>liche<br />
Zugang der Cultural Studies erweist sich dabei als Schranke. 2 Ihm fehlt der<br />
Rückhalt in einer Gesellschaftstheorie, die die Transformation sozialer Strukturen in<br />
den „praktischen Sinn“ der Subjekte entschlüsselt.<br />
Richard Johnson fordert schon früh, den „Text als Untersuchungsobjekt zu dezentrieren“<br />
und sich der Aufgabe zuzuwenden, in den (medien-)kulturellen Formen die „gesellschaftlichen<br />
Kategorien“ aufzuspüren, denen sie Gestalt geben; er verlangt ferner unterscheiden<br />
zu lernen, wie kulturelle Formen in „subjektive Formen“ transformiert wer-<br />
2 Siehe hierzu ausführlicher Weiß (1999b, 329 – 354).<br />
44
Weiß · „Praktischer Sinn“<br />
den (Johnson 1999 (1983), 167 – 169). Morley erneuert diese Forderung ein Jahrzehnt<br />
später:<br />
What is needed here is an approach which links differential interpretation back to the<br />
socio-economic structure of society, showing how members of different groups and<br />
classes, sharing different ,cultural codes‘, will interpret a given massage differently<br />
not just at the personal, idiosyncratic level, but in a way systematically related to their<br />
socio-economic position. (Morley 1992, 54)<br />
Die Kritik und Selbstkritik der Cultural Studies führt zu folgendem Anforderungsprofil<br />
an eine weiterführende theoretische Grundlegung:<br />
1. Gefragt ist eine Theorie der Transformation struktureller Bedingungen sozialen<br />
Handelns, der „socio-economic position“, in subjektive Prinzipien, „cultural codes“,<br />
nach denen der „praktische Sinn“ seine Welt klassifiziert und auslegt. Eine solche<br />
Theorie hätte „maps of meaning“ (Hall) als „gesellschaftliche Kategorien“ im Sinne<br />
Johnsons zu erweisen.<br />
2. Erforderlich ist ferner eine Konzeption zur Beschreibung der unterschiedlichen psychischen<br />
Daseinsweisen, der „subjektiven Formen“, in denen sich Rezipienten die<br />
kulturell objektivierten Deutungsmuster verfügbar machen.<br />
Insoweit finden sich die gleichen Desiderate wie bei dem Blick auf die Framing-Forschung.<br />
Es kommt ein weiteres Moment hinzu. Eine vor allem in den USA kräftige<br />
Strömung innerhalb des intellektuellen Projektes der Cultural Studies sieht in der subjektiven<br />
Freiheit zur Sinngebung beim Umgang mit medienkulturellen Objekten auch<br />
die Emanzipation aus der kulturell vermittelten Einbindung in hegemoniale Machtbeziehungen<br />
verbürgt. Die eigensinnige Aneignung des Textes, ja, seine Neukreation im<br />
Zuge der subjektiven „Interpretation“ verweise nur mehr auf die Identität. Die finde in<br />
dieser kulturellen Praxis ein Refugium ihrer Selbst-Bestimmung (Fiske 1997). Morley,<br />
skeptisch gegenüber „romantisierenden“ Vorstellungen von der Freiheit des Konsumenten<br />
in einer „semiotischen Demokratie“, fordert demgegenüber, die Wirksamkeit<br />
hegemonialer Bedeutungskonstruktionen bis in die Strukturen der subjektiven Identität<br />
hinein aufzuspüren (Morley 1992: 35f.; siehe auch Morley, Robins 1995, 218).<br />
Daraus ergibt sich eine weitere Anforderung für eine weiterführende theoretische<br />
Konzeption. Sie muss<br />
3. die Verfestigung und „Abstrahierung“ praktischer Orientierungen zu Momenten einer<br />
sozialen Identität beschreibbar machen. Erst auf dieser Grundlage wird beurteilbar,<br />
inwieweit das kulturelle Handeln, das Akteure auch dazu nutzen, ihrer Identität<br />
Kohärenz zu geben und sie für sich erlebbar zu machen, aus der bloßen Erhaltung eines<br />
sozial eingepassten Selbst in die Selbst-Bestimmung hinausführt.<br />
In diesem, nun näher präzisierten dreifachen Sinn sollen alltagsweltliche Orientierungen<br />
als „Kontext“ kulturellen Handelns bestimmt werden. Aber löst die Analyse von Lebensstilen<br />
dieses Anliegen nicht schon ein? Lebensstilanalysen legen typologisierende<br />
Klassifikationen von solchen Orientierungen vor. Die Kritik dieser Klassifikation erlaubt<br />
es, weiterführend zu beschreiben, wie die theoretische Aufgabe gestellt werden<br />
sollte. Lebensstil-Typologien stellen Syndrome aus Lebensumständen und Lebensorientierungen<br />
lediglich fest. Die Dimensionen, in denen Lebensorientierungen beschrieben<br />
werden, muten daher oft ebenso arbiträr an wie die Typbildungen. Es kommt demgegenüber<br />
darauf an, grundlegende Orientierungen für das praktische Handeln wie für<br />
die alltagspraktischen Anschauungen aus den Strukturen der sozialen Praxis selbst zu erklären.<br />
Erst das verschafft die Gewissheit, nicht nur auffindbare Orientierungen mehr<br />
45
M&K 48. Jahrgang 1/2000<br />
oder weniger willkürlich zu abstrakten Grunddimensionen theoretisch zusammen zu<br />
fassen, sondern die elementaren Prinzipien für das Generieren von Haltungen und Anschauungsweisen<br />
bestimmen zu können, die sich aus der „sozialen Positionierung“ der<br />
Subjekte ergeben. Ferner genügt nicht eine Inventarisierung vorfindlicher Orientierungen;<br />
denn dabei stellen sich die Probleme einer mitunter willkürlich anmutenden Typabgrenzung<br />
sowie Irritationen durch das Unvermögen ein, zwischen den – modisch<br />
wechselnden – alltagskulturellen Zeichen für Orientierungsmuster und diesen selbst begründet<br />
zu unterscheiden. Statt solcher Typologien ist daher ein System zu entwickeln,<br />
das Orientierungen in ihrer Potenz nachweist, einzelne Handlungsmuster und Anschauungsweisen<br />
zu generieren, und das diese Orientierungen zudem in ihrem Zusammenhang<br />
darstellt. Ziel ist mithin die Entwicklung eines Systems generativer Prinzipien,<br />
das die praktische Logik handlungsleitender Anschauungen aus der Logik der Praxis<br />
entwickelt.<br />
Schließlich behandeln Lebensstilanalysen die Muster sozialer Identität allein als typologische<br />
Zusammenfassung von Arten der Lebensführung. Die Identität ist aber mehr<br />
als eine bloße Zusammenfassung von praktischen Handlungs- und Anschauungsweisen.<br />
Das Selbstbewusstsein der Akteure bezieht Erfahrungen nicht nur auf das Weltwissen,<br />
sondern reflektiert sie auch zurück auf die eigene Identität. Dabei werden die auf die soziale<br />
Welt ausgerichteten praktischen Maximen der Lebensführung umgeschrieben in<br />
Dimensionen der reflexiven Selbstwahrnehmung, in denen der Akteur sich selbst, seine<br />
soziale Identität begreift. Dieses Identitätsbewusstsein wird zum Ausgangs- und Bezugspunkt<br />
von Aktivitäten eigener Art: Selbstwahrnehmung, Selbsterleben, Selbstverwirklichung.<br />
Die Transformation alltagspraktischer Orientierungen in Dimensionen<br />
des Selbstverständnisses beschreibbar zu machen, gehört zu den Aufgaben, die eine Basistheorie<br />
des <strong>Medien</strong>handelns bewältigen muss. Denn erst dann kann der Zusammenhang<br />
von der „sozialen Positionierung“ der Subjekte bis hin zum psychologischen Eigensinn<br />
eines Identitätserlebens, das im kulturellen Handeln wahr gemacht wird, beschrieben<br />
werden, wie Morley es fordert.<br />
Im Folgenden soll ein Vorschlag unterbreitet werden, wie die so verstandene theoretische<br />
Aufgabe bearbeitet werden kann. Die Darstellung muss sich hier darauf beschränken,<br />
die Grundzüge für ein Konzept deutlich zu machen. 3<br />
2. Skizze für ein System alltagsweltlicher Orientierungen – „Praxeologie“ 4<br />
Die Entwicklung eines Systems alltagsweltlicher Orientierungsmuster kann bei der von<br />
Habermas vorgelegten Unterscheidung von „Handlungstypen“ einsetzen. 5 Habermas<br />
unterscheidet einen „instrumentell-strategischen“ Handlungstyp, dessen Telos das als<br />
Eigennutz verstandene Interesse ist, von einem „normenregulierten“ Typ, der sich an<br />
3 Eine ausführliche Darstellung findet sich in Weiß (1999b).<br />
4 Bei dem folgenden Abschnitt handelt es sich um die überarbeitete Version einer bereits andernorts<br />
vorgelegten Darstellung (Weiß 1999a). Eine ausführliche theoretische Herleitung und<br />
Diskussion findet sich in Weiß (1999b, 14 – 70).<br />
5 Die Typologie findet sich in der ersten „Zwischenbetrachtung“ (1988, 1, 369 – 452; insbesondere<br />
439 und 448). Habermas gewinnt sie seinerseits aus einer breiten Auseinandersetzung mit<br />
soziologischen Handlungstheorien (von Weber über Mead bis Parsons, in der ersten Zwischenbetrachtung<br />
vornehmlich mit Blick auf die „Webersche Handlungstheorie“).<br />
46
Weiß · „Praktischer Sinn“<br />
dem Gemeinsinn der Normkonformität orientiert, und einem „dramaturgischen“<br />
Handlungstyp, der die expressive Darstellung und Verwirklichung der subjektiven<br />
Identität bezeichnet. 6 Die Handlungstypen bezeichnen die methodische Ausrichtung<br />
der Alltagspraxis. Die Ausrichtung verweist auf ihren Fluchtpunkt: Konkurrenz und<br />
Macht als strukturbildende Prinzipien der sozialen Praxis. 7 In den methodischen Handlungsorientierungen<br />
sind die Akteure auf diese Strukturen eingestellt.<br />
Zur Praxis fehlt den „Typen sozialen Handelns“ noch die Projektion auf ein soziales<br />
Feld. Die Kategorie des „sozialen Feldes“ entstammt der bourdieuschen „Theorie der<br />
Praxis“ (1979, 1997). Die verschiedenen „Felder“ bestimmen, welche Handlungsziele<br />
notwendig und möglich, welche Ressourcen wirksam und welche Handlungsmuster<br />
„am Platz“ sind. Folgende Felder bzw. Sphären alltagspraktischen Handelns lassen sich<br />
unterscheiden: das Erwerbsleben (Arbeit, Verdienst, Vermögen), Politik und Recht (gesellschaftliche<br />
Ordnung, Recht, Moral), das Privatleben (Liebe, Beziehung, Glück). Diese<br />
Unterscheidung folgt einer Skizze, die Habermas in seiner „Schlussbetrachtung“ anbietet<br />
(wo er „Austauschverhältnisse“ zwischen „System“ und „Lebenswelt“ anzugeben<br />
sucht) (1988, 2, 473). Sie stimmt im Grundsatz mit derjenigen überein, die in Theorien<br />
über das Alltagsleben vorgenommen wird (Heller 1981).<br />
Die Projektion eines Handlungstyps auf ein soziales Feld konstituiert ein generatives<br />
Prinzip, eine Regel. Diese Regel gibt an, wie Handlungsentwürfe konfiguriert und verwirklicht<br />
werden. Die Idee generativer Prinzipien des Handelns stützt sich auf Bourdieus<br />
Begriff des „Habitus“. Der „Habitus“ bezeichnet ein theoretisches Konzept, das<br />
zwischen Strukturanalyse und Handlungstheorie eine Brücke schlagen will. Auf subjekt-,<br />
näher: handlungstheoretischer Ebene angesiedelt, will es gleichwohl im Blick halten,<br />
wie das Handeln auf Makrostrukturen gesellschaftlicher Verhältnisse eingestellt ist.<br />
Zugleich will es dem Anliegen der Phänomenologie Rechnung tragen, dass das individuelle<br />
Handeln nicht einfach als Produkt objektiver Struktur, sondern als Praxis von<br />
Subjekten begriffen werden muss, die diese Praxis aus der Perspektive ihres Alltagswissens<br />
entwerfen. In Bourdieus Worten:<br />
In der Konzeption des „Habitus“ ist diese Absicht verankert: Dem Gegenstand das<br />
Wissen der Akteure von diesem und den Beitrag zu integrieren, den dieses Wissen<br />
zur Wirklichkeitskonstruktion des Gegenstandes leistet. (Bourdieu 1989, 728).<br />
Im Sinne von Bourdieus Habitus-Konzept lautet die zu bearbeitende Frage daher: Wie<br />
entstehen aus der Projektion von Handlungstypen auf gesellschaftliche Handlungsfelder<br />
regelhafte Muster sozialer Praxis? Es geht bei der Identifikation generativer Prinzipien<br />
gewissermaßen um eine grundlegende Grammatik für die Ausbildung von praktischen<br />
Lebensentwürfen. Die Eigenschaften solcher generativer Prinzipien sollen<br />
6 Habermas diskutiert diese Typologie in der Absicht zu zeigen, wie das soziale Handeln auf<br />
„kommunikatives Handeln“ verweist und wie im kommunikativen Handeln das Rationalitätspotenzial<br />
des gesellschaftlichen Handelns gebunden und bewahrt ist. Habermas’ übergreifendes<br />
Interesse ist es dabei, die Theorie gesellschaftlicher Rationalisierung (ein „Problem“,<br />
das er bei Weber aufnimmt) mit Hilfe einer Universalpragmatik fortzuschreiben. Das führt ihn<br />
in quälende Argumentationsnöte. Die können hier umgangen werden, da die Unterscheidung<br />
von Handlungstypen für eine andere theoretische Aufgabe herangezogen wird.<br />
7 Dieser Bezug kommt bei den soziologischen Klassikern wie Durkheim und Parsons, auf die<br />
Habermas sich stützt, deutlich zum Vorschein, muss aber an Habermas’ eigenen Ausführungen<br />
erst wieder freigelegt werden (Weiß 1999b, 14 – 35).<br />
47
M&K 48. Jahrgang 1/2000<br />
zunächst an einem Beispiel erläutert werden, bevor die Skizze zu einer Matrix generativer<br />
Prinzipien vorgelegt wird.<br />
Abb. 1: Beispiel für die Ausbildung einer praktischen Anschauungsweise<br />
Handlungstypen<br />
„instrumentellstrategisch“:<br />
Interesse als<br />
Eigennutz<br />
„normenreguliert“:<br />
Gemeinsinn der<br />
Normkonformität<br />
„dramaturgisch“:<br />
Identität in expressiverSelbstbehauptung<br />
Das Beispiel (Abb. 1) ist aus dem Alltag wohl vertraut. Menschen schätzen im Erwerbsleben<br />
die „Chancen“ für die Befriedigung ihres Eigennutzes ein und suchen sie zu<br />
nutzen. Was macht diese Übung aber nun zu einem „Muster“? Inwiefern verkörpert sie<br />
ein organisierendes Prinzip für Handlungsentwürfe? Zunächst führt die Orientierung<br />
auf den individuellen Eigennutz in eine spezifische Perspektive hinein, die eine besondere<br />
Wahrnehmung der Anforderungen des Berufslebens und der Gesetzmäßigkeiten<br />
des Marktgeschehens begründen: Sie werden daraufhin inspiziert, wie sie zu dem subjektiven<br />
Erfolgsprojekt passen. Die geistige Bewegung hat die Form eines einschätzenden<br />
Taxierens.<br />
Berger und Luckmann berichten in ihrer Wissenssoziologie von dem „Paradoxon“,<br />
„daß der Mensch fähig ist, eine Welt zu produzieren, die er dann anders denn als<br />
menschliches Produkt erlebt“ (1996, 65). Das geht auf diese Optik des Taxierens zurück.<br />
Die Sorge um den individuellen Eigennutz behandelt nämlich die Struktur gesellschaftlicher<br />
Verhältnisse als fertig vorgegebene Bedingung; ihre Beurteilung ist ein vergleichendes<br />
Einschätzen, was sie für das subjektive Erfolgsprojekt hergeben. Mit diesem<br />
perspektivischen Subjektivismus stellt sich das Handeln in die vorfindlichen Strukturen<br />
ein (und reproduziert sie so, als wären sie objektiv aufgegebene und nicht geschaffene).<br />
Taxiert wird des Weiteren der Umkreis der eigenen Fertigkeiten, sozialen Beziehungen<br />
und wirtschaftlichen Mittel daraufhin, was sie mit Blick auf das Profil der vorfindlichen<br />
Anforderungen an „Gelegenheiten“ erschließen. Bourdieu spricht in diesem Zusammenhang<br />
metaphorisch von „Kapitalien“, kulturellen, sozialen und ökonomischen<br />
„Besitztümern“. Das subjektiv verfügbare „Kapital“ bemisst, welches Projekt der Einzelne<br />
mit Aussicht auf Erfolg überhaupt nur ins Auge fassen kann. So geht die Einschätzung<br />
des eigenen „Besitzstandes“ an sozialem, kulturellem und ökonomischen<br />
Kapital in den Entwurf individueller Erfolgsprojekte ein. Der Einzelne legt sodann sein<br />
praktisches Handeln als den Versuch an, kraft seiner „Kapitalien“ die ins Auge gefassten<br />
„Chancen“ des jeweiligen sozialen Ortes für sich zu verwirklichen. Dabei ist der<br />
Schatz an subjektiven „Kapitalien“ sozial sehr ungleich bemessen, je nach dem Ort,<br />
den der Einzelne in der Hierarchie sozialer Positionen einnimmt. Dieser Ungleichheit<br />
48<br />
Soziale Felder<br />
Erwerb: Arbeit,<br />
Verdienst,<br />
Vermögen<br />
Politik: gesellsch.<br />
Ordnung, Recht,<br />
Moral<br />
Privatleben: Selbstverwirklichung,<br />
Glück, Liebe<br />
Orientierung<br />
„Chancen nutzen“<br />
➾ ➾<br />
Identität<br />
„Tüchtigkeit“
Weiß · „Praktischer Sinn“<br />
gilt Bourdieus besonderes Augenmerk. Hier ist hervorzuheben: Die objektive Struktur<br />
sozial ungleicher Handlungsbedingungen wird transformiert in die subjektive Struktur<br />
divergierender Lebensentwürfe. So wird objektive Struktur innerlich, subjektiv. In<br />
Bourdieus Worten: Der soziale Ort wird transformiert zum „sense of one’s place“<br />
(1989, 728).<br />
An dem Beispiel lassen sich drei allgemeine Beobachtungen zur Eigenart handlungspraktischer<br />
Orientierungen gewinnen:<br />
1. Betrachtet man sie in Hinsicht auf ihren Ursprung, so erweisen sich handlungspraktische<br />
Orientierungen als Verinnerlichung der objektiven Struktur gesellschaftlicher<br />
Handlungsbedingungen.<br />
2. Handlungspraktische Orientierungen sind in zweifacher Weise als generatives Prinzip<br />
wirksam: Sie sind Prinzip für den Entwurf und die Realisation von Handlungsweisen,<br />
und sie organisieren Anschauungsweisen, Muster der Wahrnehmung und<br />
Klassifikation sozialer Realität, wie sie für das Handeln nötig sind. In diesem doppelten<br />
Sinn bestimmt Bourdieu den Habitus: als Ensemble generativer Prinzipien für<br />
die Formen der Praxis und für korrespondierende Muster der Anschauung.<br />
Um diese enge Verzahnung von Praxis und handlungsleitender Anschauung zu bezeichnen,<br />
nutzt Bourdieu das Kompositum „praktischer Sinn“. Es soll in Erinnerung<br />
halten, dass die Logik der Praxis in eine spezifische praktische Logik eingeht<br />
und aus ihr heraus reproduziert wird. Diese „Praxeologie“ entwickelt dabei ihren<br />
Eigensinn. Dieser Eigensinn gründet auf dem perspektivischen Subjektivismus, von<br />
dem schon die Rede war, und auf der Kombinatorik generativer Prinzipien, auf die<br />
noch einzugehen ist.<br />
Für die 3. Feststellung ist das Augenmerk auf ein Moment zu lenken, das schon gestreift<br />
worden ist. Die Orientierung des Handelns auf den individuellen Eigennutz führt in ein<br />
taxierendes Einschätzen hinein. Unter diese praktisch-instrumentelle Reflexion beugt<br />
sich der Akteur auch selbst. Er taxiert sich daraufhin, welche „subjektiven Ressourcen“<br />
er aufzubieten vermag, um „Chancen“ zu erschließen und wahr werden zu lassen. Zu<br />
den handlungsleitenden Mustern der Wahrnehmung der sozialen Wirklichkeit tritt daher<br />
auch ein korrespondierendes Muster der Selbstwahrnehmung: „Tüchtigkeit“. 8 Daher<br />
gilt:<br />
3. Die handlungsleitenden Muster praktischer Anschauung erzeugen korrespondierende<br />
Dimensionen sozialer Identität – die Praxeologie, das System des „praktischen<br />
Sinns“, schafft sich ihre Charakterologie.<br />
8 Auch die Selbstwahrnehmung zeichnet sich durch eine eigentümliche Perspektivität aus. Das<br />
wird etwa an dem von Bourdieu beschriebenen Umstand deutlich, dass Inhaber gehobener sozialer<br />
Positionen geneigt scheinen, die Potenzen, die sie der Macht ihres Amtes oder ihres Eigentums<br />
schulden, als Ausdruck besonderer subjektiver Vorzüge wahrzunehmen. Umgekehrt<br />
legen sich Akteure mitunter ein Scheitern auch dann als persönliches Versagen zur Last, wenn<br />
sie nicht die Mittel haben, alle Bedingungen für den Ausgang ihrer Unternehmung zu kontrollieren<br />
(so insbesondere etwa bei Prüfungen). In beiden Fällen stellt sich ein Paradox ein, das<br />
dem oben für die Wahrnehmung der sozialen Realität beschriebenen korrespondiert: Mit Blick<br />
auf die Erfahrung, die sie mit ihren Handlungsentwürfen machen, nehmen Akteure ihre soziale<br />
Identität wie etwas wahr, das sie nicht allein herstellen, sondern dessen sie wie einer vorfindlichen<br />
Bestimmtheit gewahr werden.<br />
49
M&K 48. Jahrgang 1/2000<br />
Für den Versuch, nach der eben beispielhaft skizzierten Logik das gesuchte System alltagspraktischer<br />
Orientierungen zu entfalten, lassen sich folgende Quellen erschließen:<br />
die Analysen Bourdieus über die Soziologie des Geschmacks (1989) und die „Theorie<br />
der Praxis“ (1979) resp. der „praktischen Vernunft“ (1997), ferner Agnes Hellers Theorie<br />
des „Alltagslebens“ (1981) sowie sozialpsychologische Theorien des „vergesellschafteten<br />
Subjekts“ (Lohauß 1995). 9<br />
Abb. 2: Tableau lebensweltlicher Orientierungsmuster<br />
50<br />
Muster der Praxeologie<br />
Dimensionen sozialer Identität<br />
Erwerbsleben Politik / Recht Privatleben<br />
instrumentell: „Gelegenheit“, „Rechte“, „Pflichten“ „privates Glück“,<br />
Eigennutz „Chance“, „Ertrag“ „Liebe“, „Selbstverwirklichung“<br />
„Einsatzbereitschaft“, „Durchsetzungs- „Attraktivität“,<br />
„Leistungsfähigkeit“,<br />
„Geschick“<br />
fähigkeit“ „Lebensfreude“<br />
normenreguliert: „Verdienst“, „Ordnung“, „Werte“ „Glücksanspruch“<br />
Normkonformität „Anspruch“<br />
„Tüchtigkeit“, „Anstand“, „Ehre“, „Liebenswürdigsoziales<br />
„Wir“ politisches „Wir“ keit“<br />
expressiv: Selbst- Meinen: „soziale Un-/ Politisches Räsonne- Selbstdarstellung,<br />
behauptung Gerechtigkeit“,<br />
Anerkennung<br />
ment, Respekt Bestätigung<br />
Stil: „Erfolgsmensch“ „Höflichkeit“ „Authentizität“,<br />
„Pflichtbewusstsein“ „Selbstsicherheit“,<br />
praktisches Gefühl:<br />
„Stolz“, „Gerechtigkeitsempfinden“,<br />
„Solidarität“<br />
„Ehrgefühl“,<br />
„patriotisches<br />
Empfinden“<br />
„Spontaneität“<br />
Selbstgefühl,<br />
Meta-Gefühle<br />
9 Um Bourdieus Arbeiten nutzbar zu machen, ist allerdings eine kritische Revision insbesondere<br />
des Determinismus in seiner Habitus-Konzeption erforderlich, die deren Verknöcherung<br />
überwindet, in die die zirkuläre Gedankenbewegung von Bourdieus „epistemologischen<br />
Strukturalismus“ hineingeführt hat. Die Sozialphänomenologie, in deren Nähe sich Bourdieu<br />
mit seinem epistemologischen Interesse bewegt, und die aus teilweise verwandten Denktraditionen<br />
gespeiste „Anthropologie“ von Agnes Heller helfen, den „Habitus“ nicht nur als<br />
Versubjektivierung von Strukturen der Praxis, sondern auch in seinen generativen Potenzen als<br />
Tiefengrammatik für die Artikulation von subjektiven Praxisentwürfen und Anschauungsweisen<br />
darzustellen (Weiß 1999b, 36 – 61).
Weiß · „Praktischer Sinn“<br />
Das Tableau (Abb. 2) gibt anhand von begrifflichen Chiffren eine Übersicht über alltagspraktische<br />
Handlungsorientierungen und die ihnen jeweils korrespondierenden Dimensionen<br />
im „Formular“ sozialer Identität. 10 Es ist wie eine Matrix angelegt und soll<br />
auf diese Weise den systematischen sozialen Ort und den Zusammenhang alltagspraktischer<br />
Orientierungsmuster zur Anschauung bringen. Das Tableau macht ferner deutlich,<br />
dass die elementaren Typen sozialen Handelns feldspezifisch ausgelegt werden. Die<br />
pragmatisch-instrumentelle Orientierung ist im Erwerbsleben anders ausgeprägt als im<br />
Privatleben. Die Verortung in einem sozialen Feld weist den Ursprung alltagspraktischer<br />
Orientierungsmuster aus, ihre Verankerung in der objektiven Struktur einer Lebenssphäre.<br />
Allerdings ist das so konstituierte System erst der Ausgangspunkt für das Vermögen<br />
der Akteure, aus seinen Elementen Handlungsentwürfe entstehen zu lassen.<br />
Denn die feldspezifisch ausgebildeten Muster können miteinander verknüpft werden.<br />
Das versetzt das System der Orientierungen in Bewegung.<br />
An einem Beispiel lässt sich die Kombinatorik des „praktischen Sinns“ erläutern: Die Logik<br />
des „Verdienstes“ lässt aus erbrachten Leistungen im Erwerbsleben das Recht des<br />
Akteurs auf „Entschädigung“ hervorgehen. Übertragen auf das Feld der Liebesbeziehungen<br />
verändert sie das Ideal gemeinsamen Glücks. Die Grundlage, von der aus dessen<br />
Verwirklichung erstrebt wird, ist dann nicht mehr das wechselseitige Versprechen,<br />
sondern das einseitig reklamierbare Recht auf die Zuwendung des anderen. Der „praktische<br />
Sinn“ bildet auf diese Weise feldübergreifend praktische Analogien.<br />
Das Beispiel soll folgende Feststellung plausibel machen: Die Kombinatorik des „praktischen<br />
Sinns“, sein Vermögen, „praktische Analogien“ herzustellen sowie ferner Orientierungsmuster<br />
miteinander zu verknüpfen oder wechselseitig zu substituieren, verleiht<br />
dem System handlungsleitender Orientierungsmuster insgesamt so viel Flexibilität,<br />
dass der Alltagsverstand imstande ist, eine Vielzahl von Situationen in einer insgesamt<br />
konsistenten Weise zu klassifizieren und praktisch zu bewältigen.<br />
In diesem Sinn ordnet das Tableau die Bauelemente, aus denen zwei Konfigurationen<br />
zusammengefügt werden:<br />
(1) Eine Weltanschauung: In ihr sind die handlungspraktischen Anschauungsweisen zu<br />
einer mehr oder weniger konsistenten Gesamtdeutung zusammengefasst. Die Individuen<br />
unterscheiden sich darin, welche und wie viele Muster sie einbeziehen, um<br />
ihren Erfahrungen Sinn zu geben. Das Tableau umreißt das Reservoir, aus dem für<br />
Weltbildkonstruktionen geschöpft werden kann.<br />
(2) Ein Identitätsformular: Es bezeichnet abstrakte Dimensionen sozialer Identität. Die<br />
Individuen zeichnen sich dadurch aus, wie sie sich in die vorgeprägten Positionen<br />
dieses Formulars einschreiben, welche Positionen sie zu ihren Stärken, welche zu<br />
ihren Schwächen rechnen und wo sie um Hervorhebung bemüht sind.<br />
Inwiefern kann nun eine solche Konzeption helfen, das <strong>Medien</strong>handeln besser zu begreifen?<br />
Charlton und Neumann-Braun haben eine Rezeptionstheorie vorgelegt, in deren<br />
Zentrum das „handlungsleitende Thema“ steht (Charlton, Neumann 1988; Charlton<br />
1997). Dieser Theorie zufolge wird der subjektive Sinn, den die Zuwendung zu <strong>Medien</strong>erlebnissen<br />
für Rezipienten hat, wesentlich durch die überragenden Themen be-<br />
10 Die begrifflichen Kürzel führen die subjektive Logik, nach der der praktische Sinn jeweils<br />
verfährt, nicht aus. Dazu fehlt hier der Raum. Für eine entfaltete Darstellung siehe Weiß<br />
(1999b, 71 – 221).<br />
51
M&K 48. Jahrgang 1/2000<br />
stimmt, die sich für ihre Lebensführung nach Maßgabe ihrer Orientierungen und Anschauungsweisen<br />
stellen. Dieser subjektive Sinn steuert die Zuwendung zu <strong>Medien</strong>inhalten<br />
sowie die Art ihrer Aneignung. Die einführenden Überlegungen (Abschnitt 1) haben<br />
darüber hinaus auch für einen kognitionspsychologisch inspirierten und einen kultur<strong>wissenschaft</strong>lichen<br />
Ansatz gezeigt, dass einer Theorie alltagsweltlicher Orientierungen<br />
eine Schlüsselrolle für die Analyse des <strong>Medien</strong>gebrauchs zukommt. Charlton und<br />
Neumann-Braun haben mit Blick auf Kinder und Jugendliche in Piagets Entwicklungspsychologie<br />
eine theoretische Grundlage dafür gefunden, diese Lebensthemen systematisch<br />
klassifizieren und einordnen zu können. Die skizzierte Theorie des „praktischen<br />
Sinns“ will die gegenständliche Beschränkung auf die Entwicklung im Kindesund<br />
Jugendalter überwinden helfen. Sie bietet sich als Grundlage an, die für erwachsene<br />
soziale Akteure die „handlungsleitenden Themen“ theoretisch bestimmbar macht, die<br />
das <strong>Medien</strong>handeln organisieren und inhaltlich prägen. Welches heuristische Potenzial<br />
das Konzept für kommunikations<strong>wissenschaft</strong>liche Ansätze bietet, soll abschließend an<br />
einem Beispiel illustriert werden (Abschnitt 4). 11 Insgesamt dient das Konzept dazu, die<br />
subjektive Logik der Themen und Lebensentwürfe zu entschlüsseln, die für die <strong>Medien</strong>rezeption<br />
eine Rolle spielen. Für die Analyse der Rezeption ist allerdings auch die<br />
umgekehrte Fragehaltung nötig: Welche Rolle spielt dann der <strong>Medien</strong>gebrauch für die<br />
Themen und Lebensentwürfe des „praktischen Sinns“? Die Frage lenkt den Blick auf die<br />
„subjektiven Formen“ (Johnson), in denen für die Rezipienten existiert, was sie sich aus<br />
den <strong>Medien</strong> aneignen.<br />
3. Die „subjektiven Formen“ des praktischen Sinns und die korrespondierenden<br />
„Grundformen des Fern-Sehens“<br />
In der <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong> ist die Unterscheidung zwischen verschiedenen<br />
Modi des Rezipierens durchaus geläufig – wie etwa diejenige zwischen einer eher emotional-involvierten<br />
und einer eher kognitiv-analysierenden Rezeptionsweise (vgl. Vorderer<br />
1992, 75 – 89). Aufgrund der herausragenden gesellschaftlichen Bedeutung des<br />
Mediums, das zudem mit seinen Angeboten mehrere Sinne zugleich anspricht, gilt das<br />
Hauptaugenmerk der Rezeptionstheorie vor allem dem Fernsehen. Ein besonderes Interesse<br />
finden dabei die „sprachlosen“ Formen des Rezeptionserlebens wie das Fühlen<br />
oder die Imagination. Sie bilden eine Form der Aneignung der <strong>Medien</strong>-„Texte“, die sich<br />
augenscheinlich von dem Begreifen im Medium der sozial geformten Sprache und unter<br />
der Kontrolle des Alltagsverstandes unterscheiden. An diesen Unterschied werden z. T.<br />
weit reichende Spekulationen darüber geknüpft, inwieweit die Imagination oder das<br />
Fühlen gar eine eigene Form der Wirklichkeitserfahrung sein könnten. 12 Solche Spekulationen<br />
ziehen allerdings ein theoretisches Problem nach sich. Für gewöhnlich wird<br />
durchaus gesehen, dass auch das Fühlen oder die Imagination etwas damit zu tun haben,<br />
11 Eine umfassende Diskussion von kommunikations<strong>wissenschaft</strong>lichen Theorien vor dem Hintergrund<br />
einer praxeologischen Analyse des Fern-Sehens findet sich in Weiß (1999b, 285 – 448).<br />
12 Das spielt etwa in der Debatte innerhalb der Cultural Studies über das „populäre Vergnügen“<br />
eine wesentliche Rolle. Denn von manchen Autoren wird die subjektive Wahrheit und Unmittelbarkeit<br />
der positiven Affektion, die im Vergnügen vorliegt, als Beweis für die Freiheit des<br />
Individuums von hegemonialen Prägungen in Anspruch genommen (siehe etwa Fiske 1997,<br />
82).<br />
52
Weiß · „Praktischer Sinn“<br />
welche Auffassungen das Subjekt von der sozialen Realität und darüber hinaus von sich<br />
selbst hat, ferner welchen Plänen es folgt und welches Ideal es sich von der eigenen Person<br />
macht. Wie aber lässt sich dieser innere Zusammenhang noch beschreiben, wenn das<br />
Fühlen als eigenständiger Wirklichkeitszugang gegen das Denken theoretisch verselbstständigt<br />
worden ist? Konstruktiv gewendet: Lässt sich die Besonderheit von „sprachlosen“<br />
„Bewusstseinseinstellungen“ (Metz) wie der Imagination oder dem Fühlen in einer<br />
Weise charakterisieren, die den Unterschied zum verständigen Urteilen bezeichnet und<br />
gleichwohl deutlich macht, wie das Fühlen und Vorstellen innerlich damit verbunden<br />
sind, was das Subjekt wahrnimmt, weiß und sein will?<br />
Im Folgenden soll am Beispiel der Imagination und des emotionalen Erlebens beim<br />
Fernsehen ein Zugang skizziert werden, der dieses Anliegen einlösen möchte. Der Versuch<br />
stützt sich auf die Psychologie Hegels (1986). Er führt in eine etwas ungewohnte<br />
Denkungsart ein. Denn die Imagination und das emotionale Rezeptionserleben werden<br />
nicht in ihren Funktionen und Auswirkungen (wie etwa in dem „Mood-Management“-<br />
Konzept) oder in Hinsicht auf ihre subjektiven Voraussetzungen (wie etwa bei gratifikationsbezogenen<br />
Zuschauertypologien) besichtigt. Vielmehr will die Beschreibung<br />
transparent machen, in welcher besonderen Weise sich Rezipienten vergegenwärtigen,<br />
was sie aus dem <strong>Medien</strong>text (fühlend) aufnehmen, und wie sie dementsprechend über<br />
die kulturell codierte Bedeutung und über den Inhalt ihrer eigenen Affektion verfügen.<br />
Eine solche Kennzeichnung der „subjektiven Formen“, in die die medienkulturellen<br />
Objekte umgesetzt werden, soll die Grundlage für die Beurteilung schaffen, was das <strong>Medien</strong>handeln<br />
für die Bildung, Bestätigung oder Erneuerung des „praktischen Sinns“ bedeuten<br />
kann.<br />
Hegels „Phänomenologie“ des „subjektiven Geistes“ bietet sich als theoretischer Rückhalt<br />
an, da sie es darauf anlegt zu zeigen, wie die Formen der Betätigung des „subjektiven<br />
Geistes“ von der einfachen Wahrnehmung bis hin zum urteilenden Denken ineinander<br />
übergehen. Auf der Grundlage der Hegelschen Psychologie lassen sich vier elementare<br />
„subjektive Formen“ der Fernsehrezeption unterscheiden (Abb. 3). 13 Zu diesen<br />
Rezeptionsmodi zählen das Vorstellen und das korrespondierende emotionale<br />
Erleben. Sie spielen in dem abschließend diskutierten Beispiel eine Rolle. Daher soll ihre<br />
Charakterisierung hier thesenartig verkürzt wiedergegeben werden.<br />
Das Vorstellen ist eine produktive Tat des subjektiven Bewusstseins. Es stellt sich<br />
das Bild eines Gegenstandes vor Augen, den es in räumliche und zeitliche Assoziationen<br />
zu anderen versetzt. Die Vorstellungskraft holt die Bilder aus der Erinnerung<br />
hervor, kann sie dabei aber auch gestaltend verändern. So kann es sich bei einem Vorstellungsbild<br />
auch um die Verbildlichung einer Idee über die Eigenart eines Gegenstandes,<br />
eines Dings, einer Person, eines Geschehens oder der eigenen Identität handeln.<br />
Die Vorstellung ist hier Versinnbildlichung. In der Versinnbildlichung erkennt das<br />
Subjekt sein Urteil, das aus einer Wesensbehauptung besteht, nicht als solches, sondern<br />
wie eine dem einfachen Augenschein ablesbare, also einfach anschaubare Tatsache<br />
wieder.<br />
13 Für eine systematische Herleitung und ausführliche Charakterisierung dieser Formen siehe<br />
Weiß (1999b, 222 – 284).<br />
53
M&K 48. Jahrgang 1/2000<br />
Abb. 3: Grundformen des Fern-Sehens<br />
1. Anschauen und Einstimmen<br />
• Im Anschauen erfüllt sich das Bewusstsein mit dem Anschein der Objekte kultureller Inszenierung.<br />
Das Anschauen nimmt den kulturellen Ausdruck als Eindruck des einfachen,<br />
raum-zeitlichen Daseins eines Gegenstandes auf.<br />
• Indem er sich von der sinnlichen Anschauung erfüllen lässt, wird der Rezipient zugleich<br />
eingestimmt. In der Stimmung wird ihm seine Affektion und daher auch ein Moment seiner<br />
Selbstbestimmung zum sinnlichen Erlebnis.<br />
2. Vorstellen und Fühlen<br />
• Das versinnbildlichende Vorstellen fällt ein gedankenloses Urteil: Objekte der Anschauung<br />
werden anhand einzelner Eigenschaften ihrer Erscheinung durch eine assoziierende<br />
Klassifikation als Verkörperung eines Typus wahrgenommen. – Gewissheit ohne Wissen<br />
– Gewissheit der Welt-Anschauung.<br />
• Im fühlenden Miterleben erfüllt sich der Rezipient mit der einfachen Evidenz seiner „moral<br />
considerations“. Das bestimmt Form und Inhalt seines Vergnügens.<br />
3. Entziffern und Genießen<br />
• Das Entziffern identifiziert die Gestaltetheit des medienkulturellen Objekts vermittels visueller<br />
Assoziationen, in szenischen Analogien.<br />
• Im ästhetischen Gefallen macht sich der Rezipient das subjektive Verhältnis zur Gestaltetheit,<br />
zur Form der Darstellung, zu seinem Interesse.<br />
4. Begreifen beim Anschauen<br />
• Das weltanschauliche Urteilen vergewissert sich im Anschauen. Es liest das Dargestellte<br />
als Sinn-Bild seiner Urteile.<br />
• „Lesarten“ sind:<br />
– Glaubwürdigkeit (Autorität der Kompetenz)<br />
– Vertrauenswürdigkeit (Autorität der Werteübereinstimmung)<br />
– Plausibilisierung (Zeugnisse und Zeugenschaft)<br />
– objektivierendes, sich klärendes Urteilen<br />
Die Eigenarten dieser „Bewusstseinseinstellung“ lassen sich am Umgang mit ihrem kulturellen<br />
Gegenstück, dem Symbol, illustrieren. 14 So sind etwa rituelle Akte wie feierliche<br />
Rekrutengelöbnisse oder die Ehrbezeugung vor Staatssymbolen (Flagge, Hymne,<br />
Denkmäler) getragen von der Anerkennung von Legitimität und Autorität des politischen<br />
Gemeinwesens. Die dieser Haltung zugrunde liegenden politischen Urteile sind<br />
aber aufgehoben und zum Verschwinden gebraucht in der sinnlich-anschaulichen Symbolisierung<br />
der politischen Einstellung durch die Anordnung und Haltung der Körper<br />
sowie in der Ganzheitlichkeit und Unvermitteltheit des auf das konkret gegenständliche<br />
Symbol ausgerichteten politischen Empfindens.<br />
Eingebaut in den Prozess der Wahrnehmung sorgt die Vorstellung für eine Art gedankenlosen<br />
Urteils: Das Ferngesehene wird als Verkörperung eines bekannten allgemeinen<br />
Typus identifiziert; dieses Identifizieren erfolgt durch die visuelle Assoziation der<br />
wahrgenommenen mit den in der Erinnerung bewahrten vorgestellten Eigenschaften eines<br />
Schemas. Wie sind dem Fernsehenden in dieser „Bewusstseinseinstellung“ nun sein<br />
Weltwissen, seine Haltungen und Urteile subjektiv gegenwärtig und verfügbar? Die assoziierende<br />
Klassifikation durch die Vorstellung schafft Gewissheit ohne Wissen, die<br />
14 Die Überlegungen zu den besonderen Eigenschaften der Bewusstseinseinstellung des Vorstellens<br />
passen gut zur Semiotik der Visualisierung, die Pörksen (1997) und Doelker (1997) vorgelegt<br />
haben.<br />
54
Weiß · „Praktischer Sinn“<br />
Gewissheit der Anschauung. Der Fernsehende sieht, was ihm gewiss ist. Das versinnbildlichende<br />
Vorstellen operiert mit „unbewussten Schlüssen“ (Frey, Kempter, Frenz<br />
1996, 36), d. h. es fasst Urteile in der Gestalt szenischer Evidenzen.<br />
Das Vorstellen besorgt nicht nur eine praktische Klassifikation des Wahrgenommenen;<br />
es gibt auch dem unerfüllten praktischen Willen, dem Wünschen, eine für den subjektiven<br />
Geist anschaubare Gestalt. Die Phantasie gibt dem Wollen eine szenische Gegenständlichkeit.<br />
Im mitfühlenden Erleben findet das Subjekt in seiner Affektion einen Unterschied, den<br />
es selbst setzt; so findet es in seiner Freude ein von ihm gewünschtes Sollen erfüllt, im<br />
Zorn dieses Sollen vereitelt. Der Rezipient hat diese Setzung seines praktischen Willens<br />
als seine Zuständlichkeit an sich; der Rezipient findet nicht nur seinen praktischen Willen<br />
affiziert, er ist vielmehr diese Affektion, sie macht den Zustand seines beseelten Leibes<br />
aus. Der Fern-Sehende weiß sich dabei praktisch nicht betroffen und ist so in seinem<br />
Fühlen frei. 15 Im fühlenden Miterleben erfüllt sich das Subjekt mit der einfachen Evidenz<br />
seiner „moral considerations“ (Zillmann, Bryant 1994, 448), d. h. seiner Festlegungen,<br />
was sein soll, was es wahr, richtig oder schön findet. Daraus erklärt sich, wieso<br />
selbst das Fühlen von Zorn oder Wut beim Fernsehen ein Vergnügen sein kann.<br />
In diesem für das Vorstellen und das Fühlen beschriebenen Sinn lässt sich mit einer auf<br />
Hegel gestützten Beschreibung besonderer „Bewusstseinseinstellungen“ beim Fern-Sehen<br />
zeigen, wie selbst noch in den „sprachlosen Formen“ medienvermittelten Erlebens<br />
die reflektierten Orientierungen, die eingewöhnten Formen der Weltanschauung, überhaupt<br />
die in praktischer Erfahrung gebildete soziale Identität lebendig sind, die die Substanz<br />
der anschaulichen Vorstellungen oder der Affekte ausmachen. 16<br />
Die bisher skizzierten „Denkwerkzeuge“ sollen zu einer Analyse der Tätigkeit „Fern-<br />
Sehen“ Folgendes beitragen: Die Muster der „Praxeologie“ verorten den subjektiven<br />
Sinn des aus dem Medium aufgenommenen Inhaltes in einem System alltagspraktischer<br />
Orientierungen; der im Zuge der Rezeption angeeignete oder „kreierte“ subjektive Sinn<br />
lässt sich so theoretisch auch auf die „soziale Positionierung“ der Akteure beziehen, auf<br />
die die alltagspraktischen Orientierungsmuster eingestellt sind; die „Grundformen des<br />
Fern-Sehens“ charakterisieren die „subjektiven Formen“, in denen die Rezipienten über<br />
den Sinngehalt verfügen, den sie im Zuge des Fern-Sehens am <strong>Medien</strong>-„Text“ wahrnehmen<br />
und aus ihm aufnehmen. Zu einer umfassenden Analyse des Rezeptionsprozesses<br />
gehört ein weiteres Moment, auf das hier nur hingewiesen werden kann, da es aus<br />
der Betrachtung der alltagsweltlichen Kontexte der Rezeption herausführt und eine ei-<br />
15 Das Fühlen wird hier als besondere psychische Form analysiert, in der der Rezipient sich praktisch<br />
zu dem „<strong>Medien</strong>text“ stellt respektive ihn sich aneignet. In die Beschreibung der Eigenarten<br />
dieser besonderen Bewusstseinseinstellung lassen sich Zillmanns Überlegungen zu einer<br />
von Identifikationen gestützten Form des mitfühlenden Erlebens einordnen (Zillmann, Bryant<br />
1994). Der hier angebotene Begriff des Fühlens fügt sich auch gut zu Vorderers „Involvement“-<br />
Konzept und ist im Besonderen mit dessen Hervorhebung vereinbar, dass das fühlende Miterleben<br />
beim Fernsehen nicht nur als Ausstieg aus Alltagsthemen und -orientierungen, sondern<br />
auch als Hinwendung zu – vorgestellten – Realitäten untersucht werden muss (Vorderer 1992,<br />
112).<br />
16 Damit werden die Formen sprachlosen Erlebens zwar weitreichenden Spekulationen über<br />
ihren „transzendierenden“ oder gar „utopischen“ Gehalt entzogen; dafür werden sie aber in<br />
die Welt des praktischen Alltagslebens zurückgeführt.<br />
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M&K 48. Jahrgang 1/2000<br />
genständige Bearbeitung verlangt: Der <strong>Medien</strong>-„Text“ gibt seinem „Thema“ eine theoretisch<br />
zu klassifizierende sinnlich-symbolische Gestalt. So lassen sich etwa „kommunikative<br />
Gattungen“ (Luckmann 1986) darin charakterisieren, in welchen je typischen<br />
„geistigen Ordnungsformen“ (Pörksen) sie ihre Themen organisieren. Solche „geistigen<br />
Ordnungsformen“ rufen gleichsam die korrespondierenden „Bewusstseinseinstellungen“<br />
bei den Rezipienten auf. Vielleicht ließen sie sich daher auch in Analogie zu den genannten<br />
Grundformen audiovisueller Wahrnehmung typisieren. In jedem Fall gehört<br />
zur Analyse konkreter Rezeptionsprozesse über die vorgeschlagenen Konzepte hinaus<br />
eine theoretische Klassifikation der Eigenschaften der medienkulturellen Objekte. Die<br />
vorstehend beschriebenen Konzepte sollen dann bestimmbar machen, in welche subjektiven<br />
Formen die medienkulturelle Sinnfigur umgesetzt wird und welche Muster der<br />
Anschauung und Orientierung den Blick des Rezipienten perspektivisch voreinstellen.<br />
Helfen die „Denkwerkzeuge“, über das „Jagen und Sammeln“ hinauszukommen? Das<br />
soll an einem Fundstück aus dem Schatz der empirischen <strong>Kommunikations</strong>forschung<br />
erprobt werden.<br />
4. Probe auf das interpretative Potenzial einer Theorie „praktischen Sinns“<br />
Peter Vorderer hat 1998 eine Studie vorgelegt, in der er sich für die Rolle parasozialer<br />
Beziehungen für das Unterhaltungserleben beim Fernsehen interessiert. Er ist dabei auf<br />
eine Gruppe jugendlicher Fans einer Daily Soap gestoßen. 17 Vorderer legt sich sein Thema<br />
so vor: Er will die Bedingungen namhaft machen, die auf die Intensität der parasozialen<br />
Beziehung zur Fernsehfigur Einfluss nehmen. Das Resultat seiner empirischen<br />
Analyse fasst er in „Je-desto“-Relationen zusammen.<br />
Für die Dimension der quasirealen Beziehung spielt vor allem eine Rolle, wie attraktiv<br />
die Lieblingsfigur in Hinsicht auf ihren Erfolg wahrgenommen wird (je attraktiver<br />
durch Erfolg, desto intensiver die Beziehung), für wie intelligent und gebildet sich<br />
die Rezipientinnen selbst halten (je weniger gebildet und intelligent, desto intensiver<br />
die Beziehung), für wie realistisch die Serie eingeschätzt wird (je realistischer, desto<br />
intensiver die Beziehung) und für wie ähnlich die Rezipientinnen ihren sozialen Hintergrund<br />
mit dem des Helden/der Heldin halten (je unähnlicher der soziale Hintergrund<br />
desto intensiver die Beziehung). […] Die Selbsteinschätzung der Befragten als<br />
eher wenig tatkräftig und nicht aufgeschlossen beeinflusst die Beziehungsintensität<br />
ebenso wie die positiv wahrgenommene Realitätsnähe der Seifenoper. Das bedeutet<br />
nichts anderes, als dass die außerordentlich positive Wahrnehmung der Serienfiguren<br />
und die gleichzeitig eher negative Selbstwahrnehmung der eigenen Person, verbunden<br />
mit einer Einschätzung der Serie als realitätsnah und ihrer Figuren als von der eigenen<br />
Person unterschiedlich, besonders wichtig ist für eine parasoziale Beziehung<br />
… (Vorderer 1998, 704)<br />
Vorderers Beschreibung zufolge sind demnach folgende Dimensionen von Belang: das<br />
Alter, das Thema „Erfolg“, der „Realismus“ der Inszenierung, die Nicht-Identität der<br />
17 Es handelt sich um die Soapopera „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ (RTL); untersucht wurden<br />
„262 regelmäßige Rezipienten“, die überwiegend jung (75 % zwischen elf und zwanzig Jahren),<br />
überwiegend weiblich (80 %) und eher formal gering gebildet (37 % Grund- und Hauptschule)<br />
sind und zu den Vielsehern zählen (60 % zwischen einer und drei Stunden pro Tag)<br />
(Vorderer 1998, 703).<br />
56
Weiß · „Praktischer Sinn“<br />
Fernsehfigur im Vergleich zum Selbstbewusstsein der Rezipienten, das Genre (Daily<br />
Soap), die eher geringe formale Bildung sowie ein von „wenig Tatkraft“ gezeichnetes<br />
Selbstbild. Vorderer ordnet seine Studie den „explorative(n) Verfahren“ zu, die dazu<br />
dienen sollen, „den Bereich möglicher Einflussgrößen auf die Intensität parasozialer Beziehungen<br />
zu sondieren“ (1998, 702). Er weist seinen empirischen Erkenntnissen insoweit<br />
den Status von theoretisch noch nicht abschließend eingeordneten Befunden zu.<br />
Das bietet eine Gelegenheit, das theoretische Potenzial der zuvor skizzierten Konzeption<br />
zu erproben. Hilft sie, die Bedeutung der von Vorderer ermittelten „Faktoren“ zu<br />
verstehen?<br />
Vorderers Beobachtung macht darauf aufmerksam, dass das Rezeptionserleben bei der<br />
Soapopera mit dem Selbstbild von Jugendlichen zu tun hat. Aber womit hat die Mühe<br />
jugendlicher Identitätsbildung und -sicherung zu schaffen? Und was kann das Fernsehen<br />
für diesen Prozess leisten? Ich nähere mich dieser Frage zunächst mit Blick auf das<br />
Thema, das nach Vorderers Beobachtung eine besondere Rolle spielt, nämlich das Thema<br />
„Erfolg“. Über dessen besondere Rolle gibt Bourdieus „Psychoanalyse des Sozialen“<br />
Auskunft. Alle erwachsenen Gesellschaftsmitglieder stehen nolens volens vor der<br />
Aufgabe, individuell auf Waren- und Arbeitsmärkten und in individualisierten Beziehungsspielen<br />
um den Erfolg ihres Lebensprojektes zu ringen. Für das Jugendalter bekommt<br />
diese praktische Herausforderung noch eine besondere Pointe. Denn das Jugendalter<br />
ist eine Phase des Übergangs. Die Jugendlichen sind herausgefordert, sich mit<br />
dem Thema auseinander zu setzen, was sie „aus ihrem Leben machen“ wollen. Welcher<br />
Erfolg ihnen wichtig ist, das ist Projekt, Entwurf für eine Lebensführung – an der<br />
Schwelle zur Selbstständigkeit. Das individuelle Konzept, welche Art von Eigennutz<br />
und Lebensglück man anstrebt, ist noch nicht in jene Routine überführt, mit der auf der<br />
Grundlage bisheriger Erfolge die nächstliegenden Stufen der Lebenskarriere ins Auge<br />
gefasst werden oder mit der man sich mit der enttäuschenden Erfahrung „verschlossener<br />
sozialer Räume“ abgefunden hat. Der transitorische Status des Jugendalters gibt dem<br />
handlungsleitenden Thema „Erfolg“ die Unruhe des Unfertigen. Mit einem Satz zusammengefasst:<br />
Der gesellschaftlich bestimmte transitorische Status des Jugendalters<br />
macht das Projekt individuellen Erfolgs zu einem zentralen, die Wahrnehmung und das<br />
Handeln organisierenden Lebensthema – und öffnet es dabei zugleich den Aspirationen<br />
der Vorstellungskraft. So auf besondere Weise zugespitzt, organisiert das Lebensthema<br />
„Erfolg“ die „thematische Voreingenommenheit“ (Charlton, Neumann) von Jugendlichen<br />
bei der <strong>Medien</strong>rezeption.<br />
Über das Thema ergibt sich auch ein näheres Verständnis davon, in welchem Sinn das<br />
Lebensalter wichtig ist. Das handlungsleitende Thema bringt zum Vorschein und zur<br />
Sprache, was sich hinter dem Einfluss des Alters auf das <strong>Medien</strong>erleben verbirgt: die spezifische<br />
soziale Prägung der Lebensphase.<br />
So weit lässt sich anhand der empirischen Funde die Rolle des alltagspraktischen Lebensthemas<br />
für das Fernsehen diskutieren. Die Erklärung wird aber erst vollständig,<br />
wenn die Betrachtung nun auch umgekehrt wird: Welche Rolle spielt das Fernsehen für<br />
das Lebensthema individueller Erfolgsprojekte? Dazu sind die von Vorderer beschriebenen<br />
Besonderheiten des medienkulturellen Objekts bzw. die Eigentümlichkeiten der<br />
Inszenierung der Soapopera zu betrachten. Das <strong>Medien</strong>erleben ist – Vorderers Bericht<br />
zufolge – davon getragen, dass den Geschichten „Realismus“ zugesprochen wird, also<br />
eine anschauliche Nähe zu der Realität des Alltags. Zugleich ist für das <strong>Medien</strong>erleben<br />
wesentlich, dass die Figur, zu der eine besonders intensive parasoziale Beziehung aufgebaut<br />
wird, als von dem Selbstbild verschieden wahrgenommen wird. Was kann diese<br />
57
M&K 48. Jahrgang 1/2000<br />
Konstellation, die Gleichzeitigkeit von „Realismus“ und Distanz zur Erfahrungswelt<br />
des Alltags für den Rezipienten bedeuten?<br />
Einen Zugang zur Beantwortung dieser Frage erschließt Hegels Erklärung, in welcher<br />
besonderen Weise sich das Subjekt in seinen Vorstellungen sein Weltwissen und sein<br />
Selbstbild gegenwärtig macht. Vorstellungen werden aus den in der Erinnerung aufbewahrten<br />
Gestalten der Erfahrung gebildet – aus Figuren, die das Prinzip ihres Handelns<br />
durch ihre Haltung oder ihren Habitus mimetisch zum Ausdruck bringen, durch Szenen<br />
oder Handlungsabläufe, die das Wissen um soziale Beziehungen, Handlungsmuster<br />
oder Regeln in der Form der anschaulichen Konstellation von Figuren (Szene) oder eines<br />
typischen Ablaufs von Ereignissen (Geschichte/Narration) festhalten. Vorstellungen<br />
gehen aber über die Passivität der Erfahrung hinaus; die Vorstellungskraft kreiert<br />
Geschichten. Sie gibt damit einem Wunsch, einem praktisch gemeinten subjektiven Entwurf<br />
eine anschauliche Gestalt. In der Form einer vorgestellten Szene wird der Lebensentwurf<br />
dem Bewusstsein des Akteurs überhaupt erst gegenständlich – er macht sich ihn,<br />
während er ihn kreiert, zum Gegenstand seiner Betrachtung.<br />
Die Geschichten im Fernsehen bieten den Rezipienten eine kulturelle Vergegenständlichung<br />
der Geschöpfe ihrer Vorstellungskraft. Der „Realismus“ der Fernsehgeschichten<br />
liegt nicht in einer „objektiven“ Wiedergabe der Alltagsrealität, sondern in der Übereinstimmung<br />
mit den Vorstellungen des alltagspraktischen Sinns, mit den uneingelösten,<br />
aber praktisch gemeinten Entwürfen für eine erfüllte Lebensführung. Die Geschichten<br />
des Fernsehens geben den Rezipienten die ihnen vertrauten Geschöpfe ihrer Vorstellungskraft<br />
als Gegenstand der Anschauung wieder. Der französische Psychoanalytiker<br />
Christian Metz nennt mit Blick auf den Film die „Bewusstseinseinstellung“, in die das<br />
Medium einführt, eine „paradoxe Halluzination“: Halluzination, weil das Bewusstsein<br />
hier nicht mit der Kenntnisnahme der Realität, sondern mit den vertrauten Kreationen<br />
seiner Vorstellungskraft befasst ist; paradox, weil – in den Worten von Metz – dieses<br />
Mal halluziniert wird, was wirklich da ist, was angeschaut werden kann (Metz 1994,<br />
1007).<br />
Im Lichte der „Phänomenologie des subjektiven Geistes“ lässt sich die von Vorderer beobachtete<br />
Konstellation aus Realismus und Nichtidentität als kulturelle Vergegenständlichung<br />
eines Idols begreifen. Die Fernsehfigur verkörpert in ihrem Handeln, ihrem Habitus,<br />
ihrer Erscheinung, ihrem Platz im sozialen Gefüge des Fernsehgeschehens ein Ideal<br />
– das Ideal, wie man selbst sein möchte oder wie man sich einen Partner wünscht. „So<br />
will ich sein!“ oder „So soll es sein!“ Ob Ich-Ideal oder Partner-Ideal, das lässt sich anhand<br />
von Vorderers Darstellung nicht unterscheiden. Entscheidend ist aber auch etwas<br />
anderes, nämlich auf welche Weise sich Rezipienten ihr Ideal im Zuge des <strong>Medien</strong>erlebens<br />
selbst vergegenwärtigen. Sie haben ihren Entwurf nicht als Idee oder gar als Plan<br />
vor Augen. Das Ideal hat – ähnlich wie im Mythos – die anschauliche Gestalt einer konkreten<br />
Person und eines dramatischen Geschehens. Die <strong>Medien</strong>geschichten versinnbildlichen<br />
einen unerfüllten Lebensentwurf. Sie symbolisieren ihn dabei in einer Weise,<br />
die die erstrebte Zukunft des eigenen Ichs zum gegenwärtigen vorgestellten Erlebnis machen.<br />
Diese Simulation, das Erleben im Modus des „als ob“ (als ob man selbst so ein Erfolgstyp<br />
wäre wie die Fernsehfigur oder als ob man sie an seiner Seite hätte), wird zum festen<br />
Bestandteil des Alltags. Das ist die Bedeutung des Genres. Jeden Werktag aufs Neue<br />
treten die Serienfans in eine symbolische Welt ein, in der sich für sie ein praktisch unerfülltes<br />
Lebensideal anschaulich verwirklicht. So leistet das <strong>Medien</strong>erleben einen Beitrag<br />
zur „Wirklichkeitserhaltung“ im Sinne von Berger und Luckmann. Die Akteure kön-<br />
58
Weiß · „Praktischer Sinn“<br />
nen sich im Zuge des <strong>Medien</strong>erlebens symbolisch vergewissern, dass ihr subjektiver Lebensentwurf<br />
Sinn macht. Durch die Inszenierungsleistung des Mediums erscheint den<br />
Rezipienten diese Vergewisserung nicht bloß als Gedanke, sondern als – simulierte – Erfahrung<br />
(simulierte „Wirklichkeitsabsicherung“ sensu Berger und Luckmann (1996,<br />
160)). Zusammengefasst: Die <strong>Medien</strong>rezeption gibt einem utopischen Lebensentwurf<br />
sinnlich-symbolische Gestalt, macht ihn so zum Bestandteil des Alltags und sichert dadurch<br />
dessen subjektiven Sinn.<br />
Es bleibt die Frage: Für wen ist diese Art von <strong>Medien</strong>erleben wichtig und warum? Das<br />
führt zu den letzten beiden Dimensionen, deren Relevanz Vorderer ermittelt hat: die<br />
niedrige formale Bildung und das defensive Selbstbild. Auf welches Prinzip der Lebensführung<br />
und der Konstruktion eines Selbstbildes verweisen diese Funde? Die Theorie<br />
des „praktischen Sinns“ und ihr Identitätsverständnis, namentlich der Habitus-Begriff,<br />
erlauben eine theoretisch gestützte Vermutung. Bourdieu beschäftigt sich im Besonderen<br />
mit der sozial differenzierenden Rolle der Bildungskarriere. Sie prägt Bourdieu<br />
zufolge das Selbstbewusstsein, dass das eigene Handeln durch den Erfolg in der<br />
Institution Schule sozial anerkannt und gestützt ist. Ferner bestimmt die Bildungskarriere<br />
das Selbstvertrauen, in der zertifizierten Verstandesbildung ein Vermögen, ein<br />
„kulturelles Kapital“ zu besitzen, das sich als Mittel für Erfolg und Anerkennung bewähren<br />
wird. Wer in die unteren Etagen des Bildungssystems verbannt bleibt, muss<br />
demzufolge beides missen: sozial gestütztes Selbstbewusstsein über die Legitimität des<br />
Lebensentwurfs und Selbstvertrauen in die subjektiven Ressourcen zu seiner Verwirklichung.<br />
Es gibt verschiedene Formen, wie Akteure ihr Selbstkonzept auf die soziale Erfahrung<br />
im Bildungswesen einstellen können. Der Konformismus der Bescheidenheit bildet den<br />
passenden Sinn für den zugewiesenen sozialen Ort, einen „sense of one’s place“, wie<br />
Bourdieu sagt. Der Habitus der Verweigerung legt es der Welt zur Last, wenn die irgendwie<br />
ausgezeichnete eigene Subjektivität in ihr nicht Recht bekommt. Das hat etwa<br />
Douglas Kellner (1995, 141 – 151) mit Blick auf Jugendmedienkulturen in den USA untersucht.<br />
Eine dritte Möglichkeit: Jugendliche schreiben die wenig glorreichen Erfahrungen<br />
ihrer Bildungskarriere in das defensive Selbstbild um, es mangele ihnen an Kompetenz<br />
und Tatkraft; und dennoch wollen sie nicht von einem die Erfahrung transzendierenden<br />
Selbstprojekt lassen. Diese Jugendlichen können für die Verwirklichung ihres<br />
Selbstkonzeptes kaum auf die klassifizierenden, prüfenden und planenden Leistungen<br />
ihres Verstandes bauen; denn die haben ihnen bisher wenig soziale Anerkennung eingespielt.<br />
Sie werden auf der Grundlage dieser sozialen Erfahrungen geneigt sein, sich ihr<br />
ideales Selbstkonzept in einem anderen psychischen Modus zu vergegenwärtigen – eben<br />
im Modus der Imagination und im Selbstgefühl. Das ist aber genau die Konstellation,<br />
die Vorderer beschreibt: niedrige Bildung und defensives Selbstbild als subjektiver Hintergrund<br />
für ein intensives parasoziales Beziehungserleben. Daher lässt sich zusammenfassen:<br />
Hinter dem „Faktor: Bildung“ verbirgt sich hier der Habitus, d. h. eine zum Charakter<br />
verfestigte subjektive Methode der Weltaneignung sowie der Weltbildkonstruktion.<br />
Die soziale Differenzierung der Rezeptionsmodi ergibt sich aus der Eingliederung<br />
des <strong>Medien</strong>gebrauchs in den Habitus.<br />
Am Beginn des Beispiels stand ein Befund der empirischen Forschung, beschrieben in<br />
„Je-desto“-Relationen, also etwa je geringere Bildung – desto intensivere Beziehung und<br />
so fort. Durch die Auslegung der Befunde vor dem Kontext der zuvor entwickelten<br />
theoretischen Konzeption zeichnet sich am Ende ein etwas plastischeres Bild ab. Versuchsweise<br />
formuliert, könnte es etwa so aussehen:<br />
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Phantasien über den Erfolg einer individualisierten Lebensführung sind ein zentrales<br />
Lebensthema für Jugendliche. Solche Jugendliche, die in ihrer Bildungskarriere ein<br />
defensives Selbstkonzept ausgebildet haben, nehmen Fernsehfiguren in realitätsnahen<br />
Geschichten als Versinnbildlichung ihrer Erfolgsphantasien wahr. Die Serialität<br />
des <strong>Medien</strong>erlebens gibt der sinnlich-symbolischen Präsenz ihrer Erfolgsphantasien<br />
einen festen Platz im Alltag. Auf diese Weise trägt das <strong>Medien</strong>erleben dazu bei, den<br />
subjektiven Sinnhorizont des Alltags, den „praktischen Sinn“ beim Fern-Sehen und<br />
durch das Fern-Sehen zu erhalten.<br />
In dieser Skizze fügen sich die Dimensionen, die zuvor aufzählend aufgeführt worden<br />
sind, so als wären sie einzeln „eingesammelt“ worden, zu einem plausiblen Gesamtbild<br />
zueinander. Der beobachtete empirische Befund bekommt so lebensweltlichen Kontext<br />
und Tiefenschärfe. „Vergewisserung eines individuellen Lebensentwurfs durch das<br />
emotionale Erleben seiner medialen Versinnbildlichung“, das ist eine Weise, in der die<br />
Rezeption und Aneignung medienkultureller Angebote für Rezipienten subjektiv Sinn<br />
machen können. Sie gehört zu der Bedeutung, die dem Fern-Sehen für die „ideelle<br />
Selbstbehauptung“ sozialer Akteure zukommt. Weitere subjektive Funktionen des<br />
Fern-Sehens für die Erhaltung und Erneuerung sozialer Identität lassen sich vor dem<br />
Hintergrund einer psychologischen Theorie des „praktischen Sinns“ erklären. So versorgt<br />
das Fernsehen den praktischen Sinn mit dem Weltwissen, das für ein utilitaristisches<br />
Taxieren nötig ist; es offeriert ferner Modelle erfolgreicher Selbstdarstellung;<br />
Fernsehen fungiert als Schaubühne, die dem moralischen Räsonnement des Alltagsverstandes<br />
die nötige Orientierung über gesellschaftlich legitimierte Wertauslegungen<br />
erschließt; es macht den inszenierten Vorschein des Triumphs individueller Sittlichkeit<br />
(oder der Individualität als Sittlichkeit) zum Erlebnis u. v. m. (Weiß 1999b, 163 – 169,<br />
198 – 208). Ungeachtet der weiteren denkbaren Bedeutungen des <strong>Medien</strong>handelns für<br />
den „praktischen Sinn“ lässt sich festhalten: Es scheint, als könne die skizzierte theoretische<br />
Rahmenkonzeption helfen, den analytischen Gewinn mancher empirischer Befunde<br />
besser auszuschöpfen und theoretisch schlüssig zusammenfügen, was eine „Exploration“<br />
findet. Das heuristische Potenzial der Theorie des „praktischen Sinns“ hat<br />
insoweit die Probe auf das Exempel bestanden. Für (andere) kommunikations<strong>wissenschaft</strong>liche<br />
Ansätze ist es freilich noch zu erweisen. 18<br />
Literaturverzeichnis<br />
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Eine Theorie der Wissenssoziologie. Nachdruck der 5. Auflage 1977. Frankfurt am Main.<br />
Bourdieu, Pierre (1979): Entwurf einer Theorie der Praxis – auf der ethnologischen Grundlage der<br />
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Bourdieu, Pierre (1989): Die feinen Unterschiede: Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft. 3. Auflage.<br />
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Bourdieu, Pierre (1997): Sozialer Sinn: Kritik der theoretischen Vernunft. 2. Auflage. Frankfurt am<br />
Main.<br />
Brosius, Hans-Bernd (1995): Alltagsrationalität in der Nachrichtenrezeption. Opladen.<br />
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In: Ders., Silvia Schneider (Hrsg.): Rezeptionsforschung. Opladen, 16 – 39.<br />
18 Siehe hierzu ausführlich Weiß (1999b, 285 – 448).<br />
60
Weiß · „Praktischer Sinn“<br />
Charlton, Michael, Klaus Neumann (1988): <strong>Medien</strong>sozialisation im Kontext. Der Beitrag des Kontextualismus<br />
und der Strukturanalyse für die <strong>Medien</strong>forschung. In: Publizistik 33 (2 – 3):<br />
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Doelker, Christian (1997): Ein Bild ist mehr als ein Bild. Visuelle Kompetenz in der Multimedia-<br />
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61
M&K 48. Jahrgang 1/2000<br />
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437 – 461.<br />
62
BERICHT<br />
Infotainment: Der Einfluss emotionalisierend-affektorientierter<br />
Darstellung auf die Glaubwürdigkeit<br />
Britta M. Schultheiss /Stefan A. Jenzowsky<br />
Infotainment-Sendungen im Fernsehen erfreuen sich stetig wachsender Beliebtheit. Akzeptanz<br />
und Unterhaltungswert dieser Sendungen basieren offenbar zu weiten Teilen<br />
auf einer emotionalisierend-affektorientierten Darstellung der Informationen. Um die<br />
Auswirkung dieser Darstellungsweise unter der Bedingung konstanten Informationsgehaltes<br />
zu überprüfen, wurde der emotionalisierende Gehalt der ProSieben-Infotainment-Sendung<br />
„Die Reporter“ in einem Experiment manipuliert. In einem experimentellen<br />
2 x 2-Design wurde der emotionalisierend-affektorientierte Gehalt a) von drei<br />
einzelnen Beiträgen und b) von drei Anmoderationen der Beiträge variiert, wobei mit<br />
Hilfe der Reporter professionelle Versionen hergestellt wurden. Im Ergebnis zeigt sich,<br />
dass (bei gleich bleibender Informativitätsbeurteilung) ein erhöhtes Maß an emotionalisierenden<br />
Darstellungen eine deutlich verringerte Glaubwürdigkeit zur Folge hat. Weiterhin<br />
zeigt sich, dass die Glaubwürdigkeit der dargestellten Informationen durch eine<br />
emotionalisierende Darstellung in Beiträgen und Anmoderationen etwa zu gleichen Teilen<br />
beeinflusst wird.<br />
Für <strong>Medien</strong>segmente, in denen Information vermittelt wird, ist „als Imagedimension<br />
und Wirkungsfilter“ (Bentele 1988, S. 421) der Faktor Glaubwürdigkeit besonders<br />
wichtig. So taucht auch im Zusammenhang von Infotainment immer wieder die Frage<br />
nach der Glaubwürdigkeit auf. 1 Krotz vermutet beispielsweise eine Reduktion von<br />
Glaubwürdigkeit durch Emotionalisierung von Informationen: „Mit dem Zunehmen<br />
emotionaler Ansprache im Fernsehen und der damit verbundenen Funktionalisierung,<br />
die gleichwohl alltägliche Emotionen überlagert und ersetzt, wird das Fernsehen zugleich<br />
unglaubwürdiger und unverzichtbarer“ (Krotz 1993, S. 493). Die Beantwortung<br />
der Frage nach der Auswirkung von unterhaltsamer respektive emotionaler Aufbereitung<br />
von Informationen auf die Glaubwürdigkeit bleibt bislang allerdings aus. Mit dem<br />
hier beschriebenen Experiment soll versucht werden, eine Antwort auf diese Frage zu<br />
geben.<br />
Die wenigen empirischen Studien, die sich explizit mit Infotainment beschäftigen, untersuchen<br />
a) den Unterhaltungscharakter von Nachrichtensendungen, vornehmlich der<br />
privaten Sender (z. B. Inhaltsanalysen von Tofall 1988, Huth/Sielker 1988, Wittwen<br />
1995, Goertz 1996, Grabe 1996), b) Informationsaufnahme und Behaltensleistung von<br />
1 Nach Bentele (1988) ist die Glaubwürdigkeit einer Person und ihrer Aussage dann gegeben,<br />
wenn der Rezipient darauf vertraut („glauben kann“), dass die Aussagen des Kommunikators<br />
über Ereignisse wahr sind und diese von ihm adäquat beschrieben werden (vgl. auch Köhnken<br />
1990). Es wird angenommen, dass Rezipienten, anstatt systematisch den Inhalt der Kommunikation<br />
zu analysieren, oft relativ simple Entscheidungsregeln bei der Bewertung der Glaubwürdigkeit<br />
anwenden. Diese Regeln orientieren sich an leicht und unmittelbar erkennbaren<br />
Merkmalen des Kommunikators oder seiner Mitteilung (vgl. Götsch 1994, S. 45). Dabei ist die<br />
„objektive“ Richtigkeit einer Attribution von Glaubwürdigkeit für die vorliegende Untersuchung<br />
nicht von Bedeutung, sondern aufgrund welcher Informationen ein Rezipient eine<br />
Quelle (= Kommunikator) und ihre Kommunikation für glaubwürdig hält, ihr also Glaubwürdigkeit<br />
attribuiert oder nicht.<br />
63
M&K 48. Jahrgang 1/2000<br />
informativen und unterhaltsamen Fernsehinhalten (z. B. Krendl/Watkins 1983, Bonfadelli<br />
1988, Just/Crigler/Wallach 1990, Bock/Koppenhagen/Oberberg 1993, zur Bewertung<br />
durch die Rezipienten vgl. Steinmann 1991) und c) Inhalt und Rezeption<br />
der Infotainment-Variante „Reality-TV“. Reality-TV kann als „Sonderform des<br />
Infotainments“ (Früh/Kuhlmann/Wirth 1996, S. 429) angesehen werden. Denn hier<br />
wird eine informative Komponente realitätsorientierter Inhalte mit einer emotionalunterhaltsamen<br />
Komponente eskapistischer Inhalte vermischt (vgl. Wegener 1994,<br />
S. 48 f.). Diskussionen vor allem um ethische Fragen waren Auslöser für eine Reihe von<br />
medien<strong>wissenschaft</strong>lichen Studien zu Reality-TV. Neben Inhaltsanalysen (z. B. Wegener<br />
1994, Jonas/Neuberger 1996) wurden auch Experimente zu Wirkung und Rezeption<br />
durchgeführt (z. B. Grimm 1993, Früh et al. 1996).<br />
1. Unterhaltung und Emotionalisierung – Elemente des Unterhaltsamen<br />
im Fernsehen<br />
Der Effekt des Unterhaltenseins stellt sich offenbar dann ein, wenn beim Zuschauer<br />
Gefühle aktiviert werden und er sich emotional beteiligt (vgl. Wittwen 1995). Emotionalisierung<br />
stellt dabei nicht die einzige Strategie zur Erzeugung des Gefühls von Unterhaltung<br />
dar, vermutlich jedoch die wichtigste. 2 Emotionalisierung durch Texte, Bilder<br />
oder Musik steigerte in einigen Experimenten die kurzfristige Gedächtnisleistung<br />
(Schorr 1996, Sturm et al. 1982), erzeugte aber auch gegenteilige Effekte (Brosius 1990b,<br />
Brosius 1993). Immer jedoch wurde Emotionalisierung angenehmer als Non-Emotionalisierung<br />
empfunden. Grimm (1993) konnte in einem Experiment zu Reality-TV<br />
zeigen, dass Emotionalität das Interesse der Rezipienten beachtlich steigert (Grimm<br />
1993). Zillmann (1982) zeigte, dass sich Rezipienten von emotionalen Fernsehdramen<br />
angezogen fühlen, die – positiv und auch negativ besetzte – Erregung produzieren und<br />
auf affektivem Niveau Vergnügen bereiten. 3 Steht die Emotionalisierung von Fiction-<br />
Angeboten durchaus im Interesse der <strong>Medien</strong><strong>wissenschaft</strong>, so wurde Emotionalisierung<br />
als journalistische Strategie vernachlässigt. Es existiert wenig Einigkeit darüber, worin<br />
die gefühlsmäßigen Wirkungen der Bildkommunikation im Einzelnen bestehen, wie sie<br />
genau zustande kommen und wie sie konzeptionell und methodisch zu fassen sind (vgl.<br />
Bente et al. 1992, S. 186).<br />
Unterhaltungselemente sollen im Folgenden diejenigen Elemente sein, die nicht zwingend<br />
zum Transport einer Information notwendig sind. Sie fügen einer Information<br />
keinen weiteren Wert hinzu und tragen nicht zu einer Intensivierung des Informationswertes,<br />
aber zu einer Intensivierung des Unterhaltungswertes und der Emotionalisierung<br />
der Zuschauer bei. Im Folgenden werden diejenigen Unterhaltungselemente<br />
dargestellt, die in der hier vorgestellten Untersuchung variiert wurden (Systematisierungen<br />
finden sich bei Huth/Sielker 1988 und Wittwen 1995). 4<br />
2 Auch Dynamisierung könnte beispielsweise als Strategie des Infotainment angeführt werden.<br />
3 Das Verhältnis von Erregung und Emotion wird in der emotionspsychologischen Forschung<br />
seit langem intensiv diskutiert. Neuere kommunikations<strong>wissenschaft</strong>liche Auseinandersetzungen<br />
finden sich u. a. bei Früh und Wirth (1997) sowie Goertz (1996).<br />
4 Zum Einfluß einzelner Unterhaltungselemente liegen keine einschlägigen Wirkungsstudien<br />
vor, so dass man im <strong>wissenschaft</strong>lichen Diskurs häufig auf begründete Mutmaßungen angewiesen<br />
ist.<br />
64
Schultheiss / Jenzowsky · Infotainment<br />
1.1 Bilder<br />
Experimentelle Studien, die sich mit der Wirkung von Bildern beschäftigen, untersuchen<br />
hauptsächlich das Verständnis und die Behaltensleistung (z. B. Findahl/Höijer<br />
1979, Winterhoff-Spurk 1983), oft bezüglich der Kombination von Text und Bild<br />
im Bereich von Fernsehnachrichten (z. B. Renckstorf 1980, Reese 1984, Brosius/Berry<br />
1990). Interessant ist der Befund, dass Bebilderung eine höhere Akzeptanz von Nachrichten<br />
erzielt als keine Bebilderung (Brosius/Kayser 1991). Da Bilder Informationen<br />
transportieren, soll ihnen Unterhaltungswert zugeschrieben werden, sobald sie sich<br />
als optische Reize verselbstständigen und die Bildinformation hauptsächlich um<br />
ihrer selbst willen gezeigt wird, ohne für die inhaltliche Information Bedeutung zu haben.<br />
Bilder wirken stets mehr oder weniger stark emotional: Sie lösen „Ablehnung oder Zuwendung<br />
aus, der Betrachter wird Antipathie oder Sympathie empfinden“ (Doelker<br />
1988, S. 137 f.). Beinhaltet ein Bild als primäre Bildinformation keine Gefühle oder löst<br />
es nicht direkt Emotionen aus, so transportiert es emotionale Assoziationen (Francfort<br />
1988, S. 46). Deshalb ist die Trennung von Bild und Emotionalität schwierig. Der Unterhaltungswert<br />
kann erhöht werden, indem das immanent Emotionale verstärkt wird<br />
(z. B. durch Close-up auf tränenerfüllte Augen, zitternde Hände usw.) oder indem<br />
künstlich emotionalisiert wird (z. B. Simulation einer Flucht durch Kamerafahrt und<br />
„Kameragewackel“). Furnham und Gunter (1985) stellten z. B. fest, dass gewalthaltige,<br />
also negativ emotionale Bilder einen ablenkenden Charakter haben können (vgl. auch<br />
Findahl/Höijer 1979 und Brosius/Kayser 1991). Nach den Befunden von Brosius<br />
(1993) wird ein Beitrag durch emotionale Bebilderung anders wahrgenommen und thematisch<br />
anders zugeordnet. Die Aufmerksamkeit der Rezipienten wird vom Text weg<br />
auf die emotionalen, „lebhaften“ Bilder gelenkt und dadurch die Wahrnehmung des Inhalts<br />
verschoben. Illustrative Bildinhalte werden dann für wichtige Informationen gehalten.<br />
1.2 Hintergrundbild<br />
Die Wirkung eines Hintergrundbildes wurde von Baggaley in einem Experiment untersucht<br />
(Baggaley 1980, S. 24 ff.). Die Befunde ergeben, dass das Rezipienten-Interesse an<br />
der gezeigten Nachricht mit einem Hintergrundbild im Gegensatz zu der Variante ohne<br />
Hintergrundbild kaum tangiert wird. Dafür wurde in Baggaleys Experiment die Glaubwürdigkeit<br />
des Sprechers erhöht: Er wurde mit dem Hintergrundbild als ehrlicher,<br />
gründlicher, zuverlässiger und fairer eingestuft. Allerdings verwendete Baggaley ein einfaches<br />
Landschaftsbild. Ein emotionales und weniger harmloses Hintergrundbild, wie<br />
wir es beispielsweise in Boulevardmagazinen finden, könnte dagegen womöglich das Interesse<br />
und die Aufmerksamkeit der Rezipienten wecken.<br />
1.3 Musik<br />
Kommunikatoren nennen Musik als wichtigen Faktor zur Erzeugung von Unterhaltung<br />
(Bosshart 1984, S. 646). Ein für das vorliegende Experiment wichtiger Befund ist der empirische<br />
Nachweis von Holicki und Brosius (1988), dass Musik einen starken Einfluss<br />
auf die perzipierte Stimmung eines Fernsehfilms ausübt und Emotionen evoziert. In einem<br />
späteren Experiment konnte von Brosius (1990a) bestätigt werden, dass Musik sich<br />
auf die Behaltensleistung zwar eher negativ auswirkt, Informationen aber positiver und<br />
interessanter erscheinen lässt.<br />
65
M&K 48. Jahrgang 1/2000<br />
1.4 Sprache<br />
Nach Tofall (1988) ist Sprache unterhaltsam, wenn sie einfach und lebendig ist. Nach<br />
Wittwen erhält Sprache Unterhaltungswert, wenn sie literarische Formen, Originalität,<br />
sprachlichen Witz, Effekte oder rhetorische Mittel beinhaltet (Wittwen 1995, S. 78 f.).<br />
Ein Ansatz (z. B. Schürer-Necker 1984) untersucht das emotionale Erregungspotenzial<br />
einzelner Wörter. Er scheint allerdings nicht geeignet, Zuverlässiges über die Emotionalität<br />
von Texten auszusagen, da Emotionalität häufig erst in der Kombination von verschiedenen<br />
Worten, Zeichen oder Ausdrücken entsteht. Wittwen (1995, S. 134) nennt<br />
acht Strategien sprachlicher Emotionalisierung, u. a. Metaphern, Umgangssprache, Einsatz<br />
von Superlativen, expressive Wortstellung und kurzatmiger Satzbau. Als weiteres<br />
Mittel sieht Wittwen das Suggerieren von Nähe durch das direkte Einbeziehen des Zuschauers<br />
in das Fernsehgeschehen. Dies geschieht u. a. durch „wir“-Konstruktionen<br />
(z. B. „Wir kennen ihn alle: den weißen Hai“).<br />
1.5 Sprechstil<br />
Schirm (1996) ließ in einem Experiment die Moderationen von Nachrichtensendungen<br />
nach vorgegebenen Sprechstilkriterien einschätzen. Sie stellte fest, dass sich Action<br />
News mit dem Trend zur Unterhaltung durch einen „extensiven“ Sprechstil, d. h. eine<br />
lebhafte und gefühlsbetonte Darstellung, auszeichnen. Dies wird nach Schirm (1995)<br />
u. a. erreicht durch eine lebhafte Sprechmelodie, durch den Stimmklang (z. B. gepresste<br />
Stimme), durch überhöhte Sprechspannung (d. h. Veränderungen in Atmung, Klangfarbe,<br />
Laut-/Stimmstärke, Sprechtempo, bewusster Einsatz von Pausen, Artikulationsgenauigkeit)<br />
und durch Überakzentuierungen (Betonungen, Hervorhebung bestimmter<br />
Wörter).<br />
1.6 Mimik und Gestik<br />
Nach Tofall (1988) trägt die Darstellung von Kommunikatoren als Menschen mit Meinungen<br />
und Gefühlen, die durch Mimik oder Gestik zum Ausdruck gebracht werden,<br />
zu einer lockeren und unterhaltsamen Atmosphäre bei. Schirm (1996) kommt zu dem<br />
Befund, dass der Einsatz einer lebhaften Mimik und Gestik, verbunden mit einer umgangssprachlichen<br />
Artikulation, anschaulich und eindrucksvoll wirkt; jedoch wird er<br />
dem Anspruch einer Nachrichtensendung, Informationen glaubwürdig zu vermitteln,<br />
nicht uneingeschränkt gerecht (Schirm 1996, S. 17).<br />
2. Annahmen und Hypothesen der vorliegenden Untersuchung<br />
Die vorliegende Untersuchung dient der empirischen Überprüfung des Einflusses einer<br />
unterhaltsamen Aufbereitung von Informationen im Fernsehen auf die Beurteilung einer<br />
Sendung und ihrer Elemente. Es wird untersucht, ob sich die unterhaltsamen Elemente,<br />
die für die zu vermittelnden Informationen theoretisch zunächst nicht relevant<br />
sind, auf die Glaubwürdigkeit auswirken, die die Rezipienten einem Kommunikator<br />
(Reporter) und seiner Kommunikation (Bericht) beimessen. Dabei wird auch die Rolle<br />
der Anmoderation überprüft. Die Wirkung der Anmoderation, d. h. der Ansage eines<br />
Beitrags innerhalb einer Sendung, wurde <strong>wissenschaft</strong>lich bislang kaum untersucht. Das<br />
Experiment testet deshalb auch, ob die unterhaltsame Aufbereitung einer Anmoderation<br />
die Rezeption eines Berichts beeinflusst. 5 Der Untersuchung liegen folgende Hypothesen<br />
zugrunde:<br />
66
Schultheiss / Jenzowsky · Infotainment<br />
H1: Glaubwürdigkeit eines Berichts als Effekt des Beitrags<br />
Ein Bericht wird durch einen „starken Infotainment“-Beitrag mit Unterhaltungselementen<br />
als weniger glaubwürdig eingestuft als durch einen „schwachen Infotainment“-Beitrag<br />
ohne Unterhaltungselemente. Als Unterhaltungselemente sind dabei<br />
definiert: a) emotionales Bildmaterial, b) (emotionalisierende) Musik und c) emotionale<br />
Sprache und Sprechstil.<br />
H2: Glaubwürdigkeit eines Berichts als Effekt der Anmoderation<br />
Einem Bericht wird durch eine „starke Infotainment“-Anmoderation mit Unterhaltungselementen<br />
weniger Glaubwürdigkeit beigemessen als durch eine „schwache Infotainment“-Anmoderation<br />
ohne Unterhaltungselemente. Als Unterhaltungselemente<br />
sind dabei definiert: a) emotionales Hintergrundbild, b) emotionale Sprache und Sprechstil<br />
und c) emotionalisierende Mimik und Gestik.<br />
Denn es wird angenommen, dass die Anmoderation Einfluss auf die Beurteilung des gesamten<br />
Berichts hat. Dieser Einfluss entsteht vermutlich durch die Wirkung der Anmoderation<br />
auf die Rezeption des nachfolgenden Beitrags (= Übertragungs-Effekt). Um<br />
diesen Glaubwürdigkeits-Transfer aus der Anmoderation adäquat testen zu können,<br />
wurde ein spezielles Format von Infotainment-Sendung gewählt, bei dem ein Beitrag<br />
von derselben Person anmoderiert wird, die den Beitrag veranwortlich gestaltet hat (siehe<br />
unten). Zweifelt der Rezipient bereits in der Anmoderation an Kommunikator und<br />
Kommunikation, wird er diesen Eindruck in die Rezeption des Beitrags mit „hinübernehmen“.<br />
H3: Glaubwürdigkeit des Kommunikators<br />
Ein Kommunikator (= Urheber) wird durch „starkes Infotainment“ mit Unterhaltungselementen<br />
im Beitrag und/oder in der Anmoderation als weniger glaubwürdig<br />
eingestuft als durch „schwaches Infotainment“ ohne Unterhaltungselemente im Beitrag<br />
und/oder in der Anmoderation.<br />
Denn es wird vermutet, dass die für die Kommunikation verantwortliche Person des<br />
Kommunikators (= Urheber) von seiner Präsentation (mit Unterhaltungselementen versus<br />
ohne Unterhaltungselemente) überlagert wird.<br />
H4: Linearer Anstieg der Glaubwürdigkeit<br />
Je mehr Unterhaltungselemente ein Bericht enthält, desto weniger Glaubwürdigkeit<br />
wird ihm zugebilligt. Dabei ist die Wirkung des Berichts stärker als die Wirkung der Anmoderation<br />
(quantitativ beansprucht der Bericht mehr Zeit und enthält mehr Unterhaltungselemente,<br />
qualitativ weist er durch emotionales Bildmaterial und Musik die stärkeren<br />
Unterhaltungselemente auf). Daraus resultiert ein linearer Anstieg der Glaubwürdigkeit<br />
bei den vier Präsentationsgruppen. Demzufolge müsste einem Bericht mit<br />
einer „starken Infotainment“-Anmoderation und einem „starken Infotainment“-Beitrag<br />
(= Extremversion 1) die niedrigste Glaubwürdigkeit beigemessen werden. Die<br />
höchste Glaubwürdigkeit müsste dagegen einem Bericht mit einer „schwachen Info-<br />
5 Unter Bericht soll im Folgenden der gesamte Teil einer Sendung zu einem Thema verstanden<br />
werden, bestehend aus Beitrag und Anmoderation.<br />
67
M&K 48. Jahrgang 1/2000<br />
tainment“-Anmoderation und einem „schwachen Infotainment“-Beitrag (= Extremversion<br />
2) beigemessen werden. Dazwischen müssten die beiden „gemischten“ Versionen<br />
liegen: Die zweithöchste Glaubwürdigkeits-Attribution müsste der Bericht<br />
mit einer „starken Infotainment“-Anmoderation und einem „schwachen Infotainment“-Beitrag<br />
erhalten und geringere Glaubwürdigkeits-Attribution der Bericht mit einer<br />
„schwachen Infotainment“-Anmoderation und einem „starken Infotainment“-Beitrag.<br />
3. Methode<br />
3.1 Untersuchungsteilnehmer<br />
Insgesamt nahmen 163 Studierende der Ludwig-Maximilians-Universität München an<br />
der Untersuchung teil. Davon waren 94 % aus dem Fach <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>,<br />
70 % weiblich und 30 % männlich. Der Altersmittelwert lag bei 22,3 Jahren.<br />
3.2 Design<br />
Es wurde ein Experiment mit zweifaktoriellem Versuchsplan als 2 x 2-betweensubject-Design<br />
realisiert. Die unabhängigen Variablen waren „Beitrag“ (mit den Ausprägungen<br />
„starkes Infotainment“ mit Unterhaltungselementen und „schwaches Infotainment“<br />
ohne Unterhaltungselemente) und „Anmoderation“ (mit denselben Ausprägungen).<br />
Alle vier Zellen beinhalten eine konsistente Manipulation für jeweils drei<br />
Berichte: Jede Versuchsgruppe sah eine „Sendung“, die sich aus drei Berichten in der<br />
gleichen zeitlichen Reihenfolge mit jeweils der gleichen Infotainment-Stärke zusammensetzt.<br />
Abb. 1 Zeitliche Abfolge der Berichte<br />
Bericht 1 Bericht 2 Bericht 3<br />
(Hai) (Disco) (Johannesburg)<br />
Gruppe Anmode- Beitrag 1 Anmode- Beitrag 2 Anmode- Beitrag 3<br />
ration 1 ration 2 ration 3<br />
1 IT+ IT+ IT+ IT+ IT+ IT+<br />
2 IT– IT– IT– IT– IT– IT–<br />
3 IT+ IT- IT+ IT– IT+ IT–<br />
4 IT– IT+ IT– IT+ IT– IT+<br />
IT+ = starkes Infotainment, IT– = schwaches Infotainment<br />
Gruppe 1: Sendung aus drei Original-Berichten (= Extremversion 1) (Anmoderation und Beitrag „starkes Infotainment“)<br />
Gruppe 2: Sendung aus drei komplett manipulierten Berichten (= Extremversion 2) (Anmoderation und Beitrag<br />
„schwaches Infotainment“)<br />
Gruppe 3: drei Berichte mit jeweils originaler Anmoderation („starkes Infotainment“) und manipuliertem Beitrag<br />
(„schwaches Infotainment“)<br />
Gruppe 4: drei Berichte mit jeweils manipulierter Anmoderation („schwaches Infotainment“) und originalem<br />
Beitrag („starkes Infotainment“).<br />
68
Schultheiss / Jenzowsky · Infotainment<br />
Für jede Experimentalgruppe bildete sich so ein einheitliches Sendungsformat mit gleich<br />
bleibendem Emotionalitäts-Gehalt. Trotz der Gefahr eines eventuell eintretenden<br />
Carry-over effects durch Gewöhnung wurde eine konsistente Manipulation innerhalb<br />
der Versuchsgruppen als geeignetes Verfahren angesehen. Der wichtigste Grund dafür<br />
war, dass die Glaubwürdigkeits-Effekte nicht auf die Wirkung eines einzelnen Reporters<br />
zurückgeführt werden können.<br />
3.3 Stimulusmaterial<br />
Von entscheidender Bedeutung für das Experiment waren Auswahl und Manipulation<br />
des Stimulusmaterials. Es handelte sich um drei verschiedene Berichte der Infotainment-<br />
Sendung bzw. des Boulevardmagazins „Die Reporter“ (ProSieben). Dieses Format<br />
schien geeignet, die Glaubwürdigkeit sowohl der Kommunikation als auch des Kommunikators<br />
zu testen, weil der Reporter seinen Bericht selbst präsentiert und als<br />
Produzierender und Verantwortlicher (= Urheber) erkennbar ist, indem er u. a. seinen<br />
Beitrag selbst anmoderiert und danach im Beitrag mehrfach selbst im Bild zu sehen<br />
ist.<br />
Ausgewählt wurden folgende drei Beiträge:<br />
• „Haiknorpelpulver“ (im Folgenden „Hai“), Reporter Dr. Walter Ziegler6 • „Der Foltertanz“, (im Folgenden „Disco“), Reporterin Annette Eimermacher 7<br />
• „Kriminalität in Johannesburg“ (im Folgenden „Johannesburg“), Reporter Stefan<br />
Zimmermann8. Bedingung für die Manipulation der Beiträge und Anmoderationen war, dass der Informationsgehalt<br />
in jeweils beiden Versionen gleich blieb. Die Beiträge und Anmoderationen<br />
der Version „starkes Infotainment“ blieben unverändert (Original-Berichte). Für<br />
die Produktion der Beiträge und Anmoderationen „schwaches Infotainment“ wurden<br />
jeweils aus den Original-Beiträgen und -Anmoderationen die zuvor definierten Unterhaltungselemente,<br />
die hauptsächlich eine hohe Emotionalisierung bewirken, herausgenommen.<br />
Es wurde großer Wert darauf gelegt, das Material professionell zu bearbeiten, denn die<br />
Glaubwürdigkeit durfte auf keinen Fall durch die Abweichung von professionellen<br />
Standards beeinträchtigt werden (vgl. Brosius 1995, S. 248). Die Bild-Schnitte und die<br />
Bearbeitung des Tons wurden von einer gelernten Cutterin zusammen mit der Verfasserin<br />
mit digitalem Originalmaterial ausgeführt. Die neuen Texte der Beiträge sowie die<br />
neuen Anmoderationen wurden von den drei ProSieben-Reportern der Originalversion<br />
6 Inhalt: Der Haifisch wird als Opfer von Fischern dargestellt, die vermehrt Haie fangen, seit deren<br />
Knorpel zu teuren Präparaten verarbeitet werden kann. Die Wirkung der Haiknorpel-Produkte<br />
gegen Krebs ist allerdings umstritten. Es wird gezeigt, wie Haie und andere Fische brutal<br />
getötet und wie die Präparate hergestellt werden.<br />
7 Inhalt: In nachgestellten Szenen (Rekonstruktionen) und Interviews mit Betroffenen wird die<br />
Geschichte der 16-jährigen Katja erzählt, die bei einem Disco-Besuch von zwei Mädchen geschlagen<br />
und eine Stunde lang gequält wurde. Keiner der vierzig Jugendlichen, die anscheinend<br />
dabeistanden, griff ein.<br />
8 Inhalt: Gezeigt werden Eindrücke von Johannesburg, der Stadt mit der derzeit weltweit höchsten<br />
Kriminalitätsrate. Dargestellt wird hauptsächlich der Gegensatz von armen afrikanischen<br />
Schwarzen, die Einbrüche und Morde verüben, und wohlhabenden weißen Deutschen, die sich<br />
zu schützen versuchen und bewachen lassen.<br />
69
M&K 48. Jahrgang 1/2000<br />
selbst aufgenommen, d. h. die original Reporter vertonten die Beiträge mit den neuen<br />
Texten möglichst emotionslos und die Anmoderationen wurden mit ihnen im originalen<br />
ProSieben-Studio aufgenommen: Sie sprachen die neuen, weniger unterhaltsamen,<br />
Anmoderations-Texte vor einem Hintergrund ohne Hintergrundbild, der aber mit einer<br />
Art Kameralinse und einem verschwommenen „Die-Reporter“-Logo bewegt war, um<br />
ihm vermeintliche Echtheit zu verleihen. Um schließlich für jede der vier Versionen eine<br />
realistische „Sendung“ zu simulieren, wurde bei allen Versionen vor jeden Bericht jeweils<br />
ein originaler „Die-Reporter“-Trenner geschnitten.<br />
Abb. 2: Manipulation des Stimulusmaterials<br />
Version „schwaches Infotainment“ (IT-)<br />
Beitrag Anmoderation<br />
ohne emotionale Bilder ohne emotionales Hintergrundbild<br />
(z. B. ohne Blut, Gewalt etc.)<br />
ohne emotionale Sprache und Sprechstil ohne emotionale Sprache und Sprechstil<br />
ohne Musik ohne emotionalisierende Gestik und<br />
Mimik<br />
In einem Pretest, bei dem an verschiedenen Tagen insgesamt etwa 20 Personen (sechs<br />
davon professionelle Fernsehcutter) nach ihrer spontanen Meinung zu dem Stimulusmaterial<br />
befragt wurden, zeigte sich, dass die manipulierten drei Berichte von<br />
allen Beteiligten als „authentisch“ wahrgenommen wurden und so gesendet worden<br />
sein könnten. Im direkten Vergleich der beiden Extremversionen wurde die Version<br />
„starkes Infotainment“ mit Unterhaltungselementen als eindeutig unterhaltsamer eingestuft<br />
als die manipulierte Version „schwaches Infotainment“ ohne Unterhaltungselemente.<br />
3.4 Durchführung<br />
Die vier Experimentalgruppen sahen jeweils eine Treatment-Version unter nahezu gleichen<br />
Bedingungen. Die Versuchspersonen-Zuteilung erfolgte randomisiert. Ein Experimentator<br />
begrüßte die jeweilige Gruppe und wies die Versuchspersonen darauf hin,<br />
dass sie eine speziell produzierte Folge des Magazins „Die Reporter“ sehen würden. Die<br />
Teilnehmer sahen das Material unter dem Vorwand, dass die Sendung umstrukturiert<br />
werden solle und das Konzept grundlegend geändert werden solle. Diese Einführung<br />
sollte eine möglichst neutrale Einstellung gegenüber der Sendung „Die Reporter“ bewirken<br />
und eventuell bestehenden Vorurteilen entgegenwirken. Der Untersuchungsraum<br />
wurde verdunkelt und die Projektion des Films (VHS-Kopie) erfolgte mittels<br />
eines Videoprojektors auf eine Leinwand. Nach Beendigung der Vorführung wurde<br />
der Raum beleuchtet und der Experimentator bat die Versuchspersonen, die ausgeteilten<br />
Fragebögen auszufüllen. Die gesamte Untersuchung dauerte jeweils zwischen 45<br />
und 60 Minuten.<br />
3.5 Messung<br />
Der verwendete Fragebogen unterstützte visuell die Erinnerung an die gesehenen<br />
Beiträge (Bild des Reporters am linken Rand) und enthielt zunächst Fragen zum Gefal-<br />
70
len von Beitrag und Reporter. 9 Ein Treatment-Check wurde über das Gefühl der Informiertheit<br />
operationalisiert – und weiterhin als Frage nach noninformativen Bestandteilen.<br />
Die Versuchspersonen wurden gefragt, ob sie das Gefühl hatten, dass der gesehene<br />
Bericht Elemente enthielt, die nicht der Vermittlung von Information dienten,<br />
sondern hauptsächlich gezeigt wurden, um die Aufmerksamkeit des Zuschauers zu<br />
wecken oder zu halten. Weiterhin beantworteten die Versuchspersonen, wie interessant<br />
und wie informativ sie den Bericht empfanden – außerdem, wie gut sie sich über die Problematik<br />
des jeweiligen Berichts informiert fühlten.<br />
Die Glaubwürdigkeit sowohl des Beitrags als auch des Reporters wurde zunächst über<br />
verschiedene verbale Attribute als Glaubwürdigkeits-Skala erhoben und später zusätzlich<br />
direkt abgefragt. Die Glaubwürdigkeit der Berichte wurde mittels einer Glaubwürdigkeits-Skala<br />
erhoben, die sich aus den sechs Glaubwürdigkeits-Indikatoren „reißerisch“,<br />
„einseitig“, „widersprüchlich“, „schlecht recherchiert“, „subjektiv“ und „die<br />
Moral vernachlässigend“ zusammensetzt. 10 Die Glaubwürdigkeit der Reporter wurde<br />
mittels einer Glaubwürdigkeits-Skala erhoben, die sich aus den fünf Indikatoren „sympathisch“,<br />
„glaubwürdig“, „seriös“, „kompetent“ und „vertrauenswürdig“ zusammensetzt.<br />
11 Bei der direkten Messung der Glaubwürdigkeit von Bericht und Reporter mussten<br />
die Probanden auf einer Skala von 1 bis 812 einstufen, wie glaubwürdig sie den jeweils<br />
gesehenen Bericht oder Reporter fanden. Schließlich wurde auch abgefragt, ob die<br />
Probanden glaubten, dass manche Fakten in eine gewünschte Richtung „gedreht“ wurden.<br />
4. Ergebnisse<br />
Schultheiss / Jenzowsky · Infotainment<br />
4.1 Treatment-Check<br />
Die Ergebnisse der verschiedenen Versionen sollten sich erwartungsgemäß in der Unterhaltsamkeit<br />
und im Gefallen unterscheiden, nicht aber im Gefühl der Informiertheit,<br />
da der Informationsgehalt nicht manipuliert wurde und somit in allen Versionen gleich<br />
9 Wenn nicht anders gekennzeichnet, wurden Fragen auf einer sechsstufigen Ratingskala (mit<br />
den Ankern „gar nicht“ und „sehr“) beantwortet.<br />
10 Für diese sechs Indikatoren ergibt Cronbach’s Alpha bei allen drei Berichten jeweils eine gute<br />
Inter-Item-Konsistenz (Hai: Alpha = 0,69, Disco: Alpha = 0,65, Johannesburg: Alpha = 0,78).<br />
11 Alle Indikatoren, bis auf „vertrauenswürdig“, wurden durch den Negativbegriff abgefragt,<br />
d. h. „unsympatisch, „unglaubwürdig“, „unseriös“ und „inkompetent“ (1 = „gar nicht“ bis<br />
6 = „sehr“) und dann für die Skala umgepolt (zu 1 = „sehr“ bis 6 = „gar nicht“). Es ergibt sich<br />
gemäß Cronbach’s Alpha für diese fünf Indikatoren bei allen drei Berichten eine gute Inter-<br />
Item-Konsistenz (Hai: Alpha = 0,84, Disco: Alpha = 0,87, Johannesburg: Alpha = 0,87). Der<br />
vorgesehene sechste Indikator „dynamisch“ wurde aus der Glaubwürdigkeitsskala herausgenommen,<br />
da sich bei jedem der Berichte ohne ihn ein höherer Alpha-Wert ergibt als mit ihm.<br />
Damit konnten Befunde, in denen der Faktor „Dynamik“ Verstärkerfunktion hat (vgl. Berlo/Lermert/Mertz<br />
1969) oder als besondere „Spezialität des Fernsehens“ (Weischenberg 1989,<br />
S. 45) bezeichnet wird, nicht bestätigt werden. Die Alpha-Werte tendieren vielmehr zu der Annahme<br />
Burgoons et al. (1990), dass Dynamik keine geeignete Glaubwürdigkeits-Dimension ist,<br />
und zu dem Befund von Brosius, Holicki und Hartmann (1987), in dem sich Dynamik gegenläufig<br />
zu der Beurteilung von Sympathie verhält.<br />
12 Um einen Bodeneffekt im Bereich „unglaubwürdig“ zu vermeiden (der sich im Pretest gezeigt<br />
hat), reicht die Skala von „sehr unglaubwürdig“ („1“) bis „recht glaubwürdig“ („8“). Ein Wert<br />
von 4,5 kann also nicht als durchschnittlich glaubwürdig interpretiert werden.<br />
71
M&K 48. Jahrgang 1/2000<br />
sein sollte. Um die Effekte sowohl des Beitrags als auch der Anmoderation untersuchen<br />
zu können, wurden in einer Varianzanalyse Haupteffekte für die Variation der Anmoderation<br />
(Anmoderation mit und ohne Unterhaltungselemente) und der des Beitrags<br />
(Beitrag mit und ohne Unterhaltungselemente) berechnet13. In der Frage, wie gut sich die Probanden über die Problematik des jeweiligen Berichts<br />
informiert fühlen, sind die Unterschiede weder innerhalb des Beitrags noch innerhalb<br />
der Anmoderation statistisch signifikant (Tab. 1). Dieses Ergebnis entspricht der Erwartung,<br />
dass der Informationsgehalt in allen Versionen gleich sein müsste. Dadurch<br />
wird die Prämisse für die Manipulation der Beiträge und Anmoderationen, die sich nicht<br />
in ihrer Informativität unterscheiden dürfen, bestätigt.<br />
Tab. 1: Gefühl der Informiertheit<br />
Haupteffekt des Beitrags Haupteffekt der Anmoderation<br />
n IT+ IT– F p IT+ IT– F P<br />
Hai 163 2,7 2,7 0,01 0,927 2,5 2,9 3,57 0,061<br />
Disco 163 1,6 1,6 0,00 0,981 1,6 1,7 1,11 0,295<br />
Johannesburg 163 2,4 2,3 0,15 0,695 2,3 2,5 0,82 0,367<br />
alle 163 2,2 2,2 0,07 0,798 2,1 2,3 3,02 0,084<br />
IT+ = arithmetisches Mittel starkes Infotainment, IT– = arithmetisches Mittel schwaches Infotainment,<br />
1 = Gefühl, sehr schlecht informiert worden zu sein, 6 = Gefühl, sehr gut informiert worden zu sein<br />
Als weiterer Treatment-Check wurde die Größe „noninformative Bestandteile“ einbezogen,<br />
um herauszufinden, ob Unterhaltungselemente tatsächlich als nichtinformative<br />
Bestandteile in den Berichten wahrgenommen werden. Insgesamt bescheinigen<br />
die Teilnehmer der Sendung und den einzelnen Berichten relativ viele noninformative<br />
Bestandteile. Das Ergebnis der ANOVA zeigt hoch signifikante Unterschiede<br />
für den Haupteffekt des Beitrags (Tab. 2). Die Versuchspersonen, die die<br />
Beiträge mit starkem Infotainment gesehen haben, haben deutlich stärker das Gefühl,<br />
dass die Berichte „noninformative Bestandteile“ enthalten als diejenigen, die die Beiträge<br />
mit schwachem Infotainment gesehen haben.<br />
Tab. 2: Noninformative Bestandteile in den Berichten<br />
Haupteffekt des Beitrags Haupteffekt der Anmoderation<br />
n IT+ IT– F p IT+ IT– F P<br />
Hai 162 5,6 4,7 23,263
Hypothese 1: Die Glaubwürdigkeit des Berichts als Effekt des Beitrags<br />
Gemäß Hypothese 1 wurde getestet, ob der Beitrag („starkes Infotainment“ versus<br />
„schwaches Infotainment“) einen Effekt auf die Glaubwürdigkeit des Berichts hat. Die<br />
direkte Messung der Glaubwürdigkeit zeigt, dass alle Berichte, außer dem Hai-Bericht,<br />
als signifikant weniger glaubwürdig eingestuft werden, wenn der Beitrag die Unterhaltungselemente<br />
emotionale Bilder, Musik, emotionale Sprache und Sprechstil enthält als<br />
wenn der Beitrag keine Unterhaltungselemente enthält. Betrachtet man die „Sendung“<br />
als Ganzes (= alle Berichte), so ist der Unterschied hoch signifikant (Tab. 3).<br />
Tab. 3: Die Glaubwürdigkeit des Berichts als Effekt des Beitrags<br />
direkte Messung Glaubwürdigkeits-Skala<br />
n IT+ IT– F p n IT+ IT– F p<br />
Hai 163 4,0 4,3 1,320 0,252 162 3,2 3,6 11,075 0,001<br />
Disco 163 3,6 4,3 6,708 0,010 161 2,8 3,1 5,757 0,018<br />
Johannesburg 162 3,9 4,5 4,802 0,030 160 2,8 3,0 1,138 0,288<br />
alle 162 3,8 4,4 6,995 0,009 160 2,9 3,2 6,390 0,012<br />
IT+ = arithmetisches Mittel starkes Infotainment, IT– = arithmetisches Mittel schwaches Infotainment,<br />
direkte Messung: 1 = völlig unglaubwürdig, 8 = recht glaubwürdig,<br />
Glaubwürdigkeits-Skala: 1 = unglaubwürdig, 6 = glaubwürdig.<br />
Die Unterschiede für die Haupteffekte des Beitrags sind auch hinsichtlich der Glaubwürdigkeits-Skala<br />
signifikant. Die Berichte „Hai“ und „Disco“, außerdem alle Berichte<br />
zusammen betrachtet, werden durch Unterhaltungselemente im Beitrag als weniger<br />
glaubwürdig eingestuft als ohne diese Unterhaltungselemente.<br />
Betrachtet man die Indikatoren der Glaubwürdigkeits-Skala einzeln, so zeigt sich bei<br />
„reißerisch“ und „die Moral vernachlässigend“ ein auffälliger Unterschied (Tab. 4). In<br />
beiden Fällen wird der Bericht ohne Unterhaltungselemente im Beitrag („schwaches<br />
Infotainment“) als signifikant geringer reißerisch (Ausnahme: Disco) und weniger die<br />
Moral vernachlässigend (Ausnahme: Johannesburg) eingestuft als mit Unterhaltungselementen<br />
im Beitrag („starkes Infotainment“).<br />
Tab. 4: Effekte des Beitrags<br />
Schultheiss / Jenzowsky · Infotainment<br />
„reißerisch“ „die Moral vernachlässigend“<br />
n IT+ IT– F p n IT+ IT– F p<br />
Hai 163 4,8 3,8 15,712
M&K 48. Jahrgang 1/2000<br />
Betrachtet man die gesamte „Sendung“ aus allen drei Beiträgen, so sind die Unterschiede<br />
zwischen den „starken Infotainment“-Beiträgen und den „schwachen Infotainment“-Beiträgen<br />
stets signifikant (Glaubwürdigkeits-Skala) oder hoch signifikant<br />
(direkte Glaubwürdigkeitsmessung, außerdem „reißerisch“ und „die Moral vernachlässigend“),<br />
was auf die verringerte Streuung innerhalb der „Sendung“ zurückgeführt<br />
werden kann.<br />
Hypothese 2: Die Glaubwürdigkeit des Berichts als Effekt der Anmoderation<br />
Es wurde gemäß Hypothese 2 getestet, ob die Anmoderation einen Effekt auf die Glaubwürdigkeit<br />
des Berichts hat. Die Ergebnisse, Haupteffekte der Anmoderation, basieren<br />
auf denselben Messverfahren wie die Befunde zu den o. g. Haupteffekten des Beitrags.<br />
Die Ergebnisse für den Haupteffekt der Anmoderation gehen in die gleiche Richtung<br />
wie beim Haupteffekt des Beitrags.<br />
Die direkte Messung der Glaubwürdigkeit zeigt für die Berichte „Hai“ und „Johannesburg“,<br />
außerdem für alle Berichte zusammen betrachtet, signifikante Unterschiede. Enthält<br />
die Anmoderation die Unterhaltungselemente emotionales Hintergrundbild, emotionale<br />
Sprache, Sprechstil, Mimik und Gestik, bewirkt sie, dass dem Bericht geringere<br />
Glaubwürdigkeit beigemessen wird, als wenn sie diese Unterhaltungselemente nicht<br />
enthält.<br />
Hinsichtlich der Glaubwürdigkeits-Skala zeigen sich bei der Anmoderation ebenfalls<br />
Unterschiede in der Glaubwürdigkeits-Attribution (Tab. 5). Ein signifikantes Ergebnis<br />
erbrachte die ANOVA für den Hai-Bericht und für die gesamte „Sendung“. Übereinstimmend<br />
mit der direkten Messung bestätigt sich der Einfluss der Anmoderation auf<br />
die Beurteilung der Glaubwürdigkeit eines Berichts.<br />
Tab. 5: Die Glaubwürdigkeit des Berichts als Effekt der Anmoderation<br />
direkte Messung Glaubwürdigkeits-Skala<br />
n IT+ IT– F p n IT+ IT– F p<br />
Hai 163 3,8 4,5 6,146 0,014 162 3,3 3,6 5,678 0,018<br />
Disco 163 3,8 4,2 1,271 0,261 161 2,9 3,0 2,079 0,151<br />
Johannesburg 162 3,9 4,5 4,408 0,037 160 2,8 3,0 2,202 0,140<br />
alle 162 3,8 4,4 7,222 0,008 160 3,0 3,2 4,003 0,047<br />
IT+ = arithmetisches Mittel starkes Infotainment, IT– = arithmetisches Mittel schwaches Infotainment;<br />
direkte Messung: 1 = völlig unglaubwürdig, 8 = recht glaubwürdig<br />
Glaubwürdigkeits-Skala: 1 = unglaubwürdig, 6 = glaubwürdig<br />
Bei Betrachtung der einzelnen Indikatoren der Glaubwürdigkeits-Skala fällt der Indikator<br />
„widersprüchlich“ auf, für den sich ein eindeutiger Effekt der Anmoderation<br />
nachweisen lässt (Tab. 6). Enthält die Anmoderation Unterhaltungselemente, so wird<br />
der Bericht als widersprüchlicher beurteilt, als wenn die Anmoderation keine Unterhaltungselemente<br />
enthält (Ausnahme: Johannesburg; bei Disco nur Tendenz) .<br />
Ein weiterer klarer Effekt der Anmoderation zeigt sich bei der Frage, ob die Teilnehmer<br />
glauben, dass manche Fakten des jeweiligen Beitrags etwas in die gewünschte Richtung<br />
„gedreht“ wurden (Tab. 6). Insgesamt wird eher an ein „Drehen“ der Fakten in die gewünschte<br />
Richtung geglaubt. Beinhaltet die Anmoderation Unterhaltungselemente, so<br />
74
glauben signifikant mehr Versuchspersonen an ein „Drehen“ der Fakten in die gewünschte<br />
Richtung als wenn die Anmoderation keine Unterhaltungselemente beinhaltet<br />
(Ausnahme: Johannesburg). Es lässt sich also auch hier ein negativer Effekt für die<br />
Glaubwürdigkeit nachweisen, denn das „Drehen“ von Fakten in eine bestimmte Richtung<br />
heißt, dass die Fakten nicht adäquat beschrieben werden.<br />
Tab. 6: Effekte der Anmoderation<br />
Schultheiss / Jenzowsky · Infotainment<br />
„widersprüchlich“ „Fakten-Drehen“<br />
n IT+ IT– F p n IT+ IT– F p<br />
Hai 163 2,7 2,3 3,95 0,049 162 4,8 4,3 7,976 0,005<br />
Disco 162 3,1 2,6 3,67 0,057 161 4,7 4,2 4,024 0,047<br />
Johannesburg 162 3,1 2,8 1,30 0,256 163 4,6 4,3 2,219 0,138<br />
alle 162 3,0 2,6 5,19 0,024 160 4,7 4,3 8,039 0,005<br />
IT+ = arithmetisches Mittel starkes Infotainment, IT– = arithmetisches Mittel schwaches Infotainment;<br />
„widersprüchlich“: 1 = gar nicht widersprüchlich, 6 = sehr widersprüchlich;<br />
„Fakten-Drehen“: 1 = an ein „Drehen“ der Fakten wird gar nicht geglaubt, 6 = sehr geglaubt.<br />
Insgesamt konnte Hypothese 2 weitgehend gestützt werden. Die Unterschiede für die<br />
Glaubwürdigkeit hinsichtlich der direkten Messung und hinsichtlich der Skala, die<br />
wahrgenommene Widersprüchlichkeit und das Gefühl des „Drehens“ der Fakten in die<br />
gewünschte Richtung sind stets signifikant (allerdings nicht immer bei allen Berichten)<br />
oder hoch signifikant, wenn man die Werte für die ganze „Sendung“ betrachtet.<br />
Unterhaltungselemente in der Anmoderation beeinflussen die Beurteilung der Glaubwürdigkeit<br />
eines Fernsehberichts negativ. Wenn also die Anmoderation ein emotionales<br />
Hintergrundbild, emotionale Sprache und Sprechstil, Mimik und Gestik enthält,<br />
wird der gesamte Bericht als weniger glaubwürdig beurteilt als ohne diese Unterhaltungselemente<br />
in der Anmoderation. Somit hat sich der Übertragungs-Effekt bestätigt:<br />
Die Einführung eines Berichts und der Eindruck eines Reporters, der bei der Anmoderation<br />
gewonnen wird, übertragen sich auf die Rezeption des nachfolgenden Beitrags<br />
und damit auf die Beurteilung des gesamten Berichts. Der Reporter als Urheber des folgenden<br />
Beitrags spielt für den ersten Eindruck eines Berichts eine entscheidende Rolle.<br />
Die Anmoderation ist maßgeblich vom Auftritt des Reporters bestimmt, er dominiert<br />
die Anmoderation durch seine Sprache, seinen Sprechstil, seine Mimik und seine Gestik,<br />
das Hintergrundbild bildet den zusätzlichen Rahmen, in dem sich der Reporter präsentieren<br />
„will“.<br />
Die Ergebnisse zeigen als weitere Effekte der Anmoderation Unterschiede bei der Beurteilung<br />
der Berichte als „informativ“ und „interessant“ (Tab. 7).<br />
Tab. 7: Effekte der Anmoderation<br />
„informativ“ „interessant“<br />
n IT+ IT– F p IT+ IT– F p<br />
Hai 163 2,7 3,0 1,96 0,163 3,1 3,3 1,89 0,171<br />
Disco 163 1,5 1,6 0,94 0,334 1,9 2,3 4,96 0,027<br />
Johannesburg 163 2,6 3,1 4,81 0,030 3,1 3,3 0,92 0,340<br />
alle 163 2,3 2,6 4,41 0,037 2,7 3,0 4,06 0,046<br />
IT+ = arithmetisches Mittel starkes Infotainment, IT– = arithmetisches Mittel schwaches Infotainment;<br />
1 = gar nicht interessant/informativ, 6 = sehr interessant/informativ.<br />
75
M&K 48. Jahrgang 1/2000<br />
Enthält die Anmoderation keine Unterhaltungselemente, so wird der Bericht als informativer<br />
und auch als interessanter bewertet, als wenn die Anmoderation Unterhaltungselemente<br />
enthält (dies betrifft in beiden Fällen die Bewertung der gesamten „Sendung“,<br />
bei der Variablen „informativ“ außerdem den Johannesburg-Bericht und bei der<br />
Variablen „interessant“ außerdem den Disco-Bericht).<br />
Vermutlich bewirkte insbesondere der sachliche – und sachlich gesprochene – Text und<br />
die nüchterne Präsentation ohne Hintergrundbild in der „schwachen Infotainment“-<br />
Anmoderation den Eindruck von Informativität. Es zeigt sich also, dass Unterhaltungselemente<br />
in der Anmoderation auch bewirken, dass der Informationswert eines Berichts<br />
als geringer eingeschätzt wird. Dass die Berichte ohne Unterhaltungselemente in der<br />
Anmoderation als interessanter bewertet werden, könnte auf soziale Erwünschtheit<br />
zurückzuführen sein.<br />
Hypothese 3: Die Glaubwürdigkeit des Reporters<br />
Gemäß Hypothese 3 wurde getestet, ob der Beitrag und/oder die Anmoderation eines<br />
Berichts Einfluss auf die Glaubwürdigkeit des Kommunikators (= Reporter) haben. Die<br />
Glaubwürdigkeit wurde mittels einer Glaubwürdigkeits-Skala erhoben. Für die Glaubwürdigkeit<br />
des Reporters ergeben sich für die Haupteffekte sowohl des Beitrags als auch<br />
der Anmoderation signifikante Unterschiede (Tab. 8).<br />
Tab. 8: Glaubwürdigkeit des Reporters (Skala)<br />
Haupteffekt des Beitrags Haupteffekt der Anmoderation<br />
n IT+ IT– F p IT+ IT– F p<br />
Hai 163 2,8 3,0 2,208 0,139 2,7 3,1 6,489 0,012<br />
Disco 163 2,6 3,4 18,114
als auch der Anmoderation. Sie entsprechen den Ergebnissen hinsichtlich der Glaubwürdigkeits-Skala,<br />
wenngleich sie insgesamt etwas schwächer sind (Tab. 9).<br />
Tab. 9: Glaubwürdigkeit des Reporters (direkte Messung)<br />
Haupteffekt des Beitrags Haupteffekt der Anmoderation<br />
n IT+ IT– F p IT+ IT– F P<br />
Hai 163 2,8 3,0 0,555 0,457 2,6 3,2 5,092 0,025<br />
Disco 163 2,5 3,3 11,187 0,001 2,8 3,0 0,393 0,532<br />
Johannesburg 157 3,8 4,0 0,608 0,437 3,7 4,1 3,202 0,076<br />
alle 157 3,0 3,4 5,790 0,017 3,1 3,4 4,016 0,047<br />
IT+ = arithmetisches Mittel starkes Infotainment, IT– = arithmetisches Mittel schwaches Infotainment<br />
1 = sehr unglaubwürdig, 6 = gar nicht unglaubwürdig (= glaubwürdig)<br />
Die Beurteilung der Reporter wird insbesondere durch zwei weitere Indikatoren der<br />
Glaubwürdigkeits-Skala des Kommunikators beeinflusst: „kompetent“ und „seriös“.<br />
Bei diesen beiden Indikatoren zeigen sich jeweils signifikante Unterschiede für den<br />
Haupteffekt des Beitrags und/oder der Anmoderation.<br />
Tab. 10: Kompetenz<br />
Schultheiss / Jenzowsky · Infotainment<br />
Haupteffekt des Beitrags Haupteffekt der Anmoderation<br />
n IT+ IT– F p IT+ IT– F p<br />
Hai 163 2,7 3,0 2,73 0,101 2,5 3,2 8,05 0,005<br />
Disco 163 2,2 3,2 24,27
M&K 48. Jahrgang 1/2000<br />
Tab. 11: Seriosität<br />
Haupteffekt des Beitrags Haupteffekt der Anmoderation<br />
n IT+ IT– F p IT+ IT– F p<br />
Hai 163 2,8 3,4 4,80 0,030 2,9 3,3 3,53 0,062<br />
Disco 163 2,7 3,5 11,97 0,001 3,1 3,2 0,09 0,762<br />
Johannesburg 157 3,9 4,1 0,74 0,392 3,7 4,3 8,82 0,003<br />
alle 157 3,2 3,7 8,22 0,005 3,2 3,6 4,91 0,028<br />
IT+ = arithmetisches Mittel starkes Infotainment, IT– = arithmetisches Mittel schwaches Infotainment,<br />
1 = sehr unseriös, 6 = gar nicht unseriös (= seriös).<br />
Insgesamt lässt sich folgendes Fazit ziehen: Hypothese 3 konnte bestätigt werden. Bei<br />
jedem der drei Berichte wird die Glaubwürdigkeit des jeweiligen Reporters beeinflusst,<br />
wenn in Beitrag und/oder Anmoderation die Unterhaltungselemente variiert wurden.<br />
Unterhaltungselemente wirken sich stets negativ auf die Bewertung der Glaubwürdigkeit<br />
der Reporter aus. Einmal wird die Glaubwürdigkeit der Reporter durch die Unterhaltungselemente<br />
im Beitrag, einmal durch die Unterhaltungselemente in der Anmoderation<br />
beeinträchtigt. Betrachtet man die gesamte „Sendung“, so zeigt sich für alle<br />
Reporter zusammen ein Effekt sowohl für den Beitrag als auch für die Anmoderation.<br />
Dies trifft auch auf die einzelnen Indikatoren „Kompetenz“ und „Seriosität“ zu, die eine<br />
entscheidende Rolle bei der Beurteilung des Kommunikators zu spielen scheinen. Die<br />
Befunde deuten insgesamt darauf hin, dass beide Effekte, d. h. sowohl des Beitrags als<br />
auch der Anmoderation, etwa gleich stark sind.<br />
Hypothese 4: Linearer Anstieg der Glaubwürdigkeit<br />
Aus Hypothese 4 folgt, dass es eine linear geordnete Hierarchie der Glaubwürdigkeit<br />
geben müsste. Um die Hypothese zu überprüfen, wurde ein statistischer Test der Linearität<br />
durchgeführt (dazu wurden die vier Versionen in die Reihenfolge des erwarteten<br />
Linearitäts-Anstiegs gebracht). Die Ergebnisse des Linearitäts-Tests sind für alle<br />
Glaubwürdigkeitsmessungen der Berichte und der Reporter signifikant.<br />
Es zeigt sich, dass die Glaubwürdigkeit von Extremversion 1 mit „starkem Infotainment“<br />
zur Extremversion 2 mit „schwachem Infotainment“ deutlich ansteigt. Allerdings<br />
nähern sich die Werte der beiden mittleren Versionen, bei denen die Anmoderationen<br />
„vertauscht“ wurden, in den meisten Fällen stark an. Deshalb wurde ein t-Test<br />
mit diesen beiden „Anmoderations“-Versionen (d. h. Gruppe 3: Anmoderation<br />
„schwaches Infotainment“ und Beitrag „starkes Infotainment“ und Gruppe 4: Anmoderation<br />
„starkes Infotainment“ und Beitrag „schwaches Infotainment“, vgl. Abb. 1)<br />
durchgeführt. Der t-Test sollte, gemäß der Annahme eines linearen Anstiegs der<br />
Glaubwürdigkeit, Unterschiede zwischen diesen beiden Gruppen zeigen. Nur in diesem<br />
Fall kann ein linearer Anstieg deutlich bestätigt werden. Die vorliegenden Ergebnisse<br />
zeigen, dass die Unterschiede zwischen den beiden „Anmoderations“-Versionen<br />
stets gering sind. Keines der Ergebnisse des t-Tests ist signifikant. Damit muss Hypothese<br />
4 zurückgewiesen werden. Es zeigt sich zwar ein linearer Anstieg in der Glaubwürdigkeit<br />
der vier Versionen, allerdings wird dieser durch die geringe Glaubwürdigkeit<br />
der Extremversion „starkes Infotainment“ und die höhere Glaubwürdigkeit der<br />
Extremversion „schwaches Infotainment“ bedingt. Es kann bei den beiden Versionen<br />
78
mit „vertauschter“ Anmoderation kein Unterschied nachgewiesen werden. Die Ergebnisse<br />
der vier Versionen verhalten sich also in der Tendenz wie in Abbildung 3 dargestellt.<br />
Abb. 3: Linearität der vier Versionen<br />
A = Anmoderation, B = Beitrag, IT+ = starkes Infotainment,<br />
IT– = schwaches Infotainment<br />
Insgesamt lässt sich folgendes Fazit ziehen: Im Ganzen lässt sich zwar eine Linearität<br />
der Glaubwürdigkeit erkennen, jedoch nicht speziell für die beiden „Anmoderations“-<br />
Versionen in der Mitte. Die Version mit der „starken Infotainment“-Anmoderation und<br />
dem „schwachen Infotainment“-Beitrag ist nicht glaubwürdiger als die Version mit der<br />
„schwachen Infotainment“-Anmoderation und dem „starken Infotainment“-Beitrag.<br />
Somit ist die Bedingung eines kontinuierlichen Anstiegs – auch der „Anmoderations“-<br />
Versionen – nicht erfüllt.<br />
Bei keiner der Glaubwürdigkeitsmessungen der Berichte und der Reporter konnten Interaktionen<br />
festgestellt werden. Deshalb wird angenommen, dass die Haupteffekte von<br />
Beitrag und Anmoderation unabhängig sind. Vermutlich addieren sich die beiden<br />
Haupteffekte und sind dabei etwa gleich stark. Es kann keine Aussage getroffen werden,<br />
welcher der beiden Effekte der stärkere ist. Die Annahme der stärkeren Wirkung des<br />
Beitrags wurde daher widerlegt. Es konnte nicht nachgewiesen werden, dass der Beitrag<br />
eine stärkere Wirkung hat als die Anmoderation.<br />
4.2 Gefallen der Berichte<br />
Schultheiss / Jenzowsky · Infotainment<br />
Eine Varianzanalyse zeigt signifikante Unterschiede hinsichtlich des Gefallens der Berichte:<br />
79
M&K 48. Jahrgang 1/2000<br />
Tab. 12: Gefallen der Berichte<br />
Haupteffekt des Beitrags Haupteffekt der Anmoderation<br />
n IT+ IT– F p IT+ IT– F p<br />
Hai 163 2,4 2,9 5,561 0,020 2,4 3,0 11,870 0,001<br />
Disco 163 1,5 2,0 11,394 0,001 1,6 1,8 1,244 0,266<br />
Johannesburg 162 2,8 3,0 0,789 0,376 2,7 3,1 3,989 0,048<br />
alle 162 2,2 2,6 7,224 0,008 2,2 2,6 9,086 0,003<br />
IT+ = arithmetisches Mittel starkes Infotainment, IT– = arithmetisches Mittel schwaches Infotainment;<br />
1 = sehr schlecht gefallen, 6 = sehr gut gefallen.<br />
Gegenläufig zur Erwartung gefallen die Berichte den Versuchspersonen besser, die die<br />
Beiträge mit „schwachem Infotainment“ (ohne Unterhaltungselemente) gesehen haben,<br />
als denjenigen, die die Beiträge mit „starkem Infotainment“ (mit Unterhaltungselementen)<br />
gesehen haben. Ebenso verhält es sich mit der Anmoderation. Das Gefallen der Berichte<br />
ist also von den Unterhaltungselementen sowohl im Beitrag als auch in der Anmoderation<br />
abhängig. Der Unterschied ist jeweils hoch signifikant, wenn man alle drei<br />
Berichte zusammen, als Sendung, betrachtet. Für die vorliegende Stichprobe ergibt sich<br />
auch eine hohe Korrelation zwischen der Glaubwürdigkeit und dem Gefallen der Berichte<br />
(alle p
Schultheiss / Jenzowsky · Infotainment<br />
auf die Beurteilung der Glaubwürdigkeit wie der Beitrag selbst. Die Effekte der Anmoderation<br />
hängen vermutlich stark mit dem jeweiligen Reporter als Urheber eines Berichts<br />
zusammen. Wie bereits Greenberg und Miller (1966) und Ward und McGinnies<br />
(1974) vermuteten, scheinen die Rezipienten zwischen einem Kommunikator (= Urheber)<br />
und seiner Kommunikation kaum zu differenzieren. 15<br />
Es eröffnet sich die Frage, ob der Einfluss der Anmoderation auf das spezifische Format<br />
von „Die Reporter“ zurückzuführen ist. Wenn die Anmoderation nicht vom gleichen<br />
Reporter stammt wie der Bericht, wenn also der Sprecher der Anmoderation nicht<br />
gleichzeitig der Urheber des Berichts ist, wird vielleicht ein geringerer Effekt der Anmoderation<br />
erzielt.<br />
Resümierend muss bei den vorliegenden Befunden berücksichtigt werden, dass die Versuchspersonen<br />
ausschließlich Studenten sind. Das hohe Bildungsniveau von Studenten<br />
allgemein und in diesem besonderen Fall die studienbedingte Beschäftigung mit <strong>Medien</strong><br />
lässt die Probanden wahrscheinlich vieles anders bewerten als es Versuchspersonen<br />
tun würden, die z. B. einem Bevölkerungsquerschnitt entsprächen. Das Erkennen und<br />
die negative Besetzung von „Sensationalismus“ und „Boulevardjournalismus“ (auch in<br />
der Version ohne Unterhaltungselemente) ist bei dieser Art von Probanden vermutlich<br />
am stärksten ausgeprägt.<br />
Es spielt womöglich eine Rolle für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit einer Sendung,<br />
ob der Inhalt selbst, zusätzlich zu der Präsentation, Unterhaltungswert hat. Deswegen<br />
ist es eine interessante weiterführende Frage, ob die unterhaltsame Aufbereitung von Inhalten<br />
mit größerer gesellschaftlicher Relevanz, die z. B. auch nicht im Rahmen einer<br />
Boulevardsendung präsentiert werden, ähnliche oder sogar stärkere Effekte bewirken<br />
würde.<br />
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15 Diese Annahme konnte durch eine Korrelation von r = 0,50 (direkte Messung, alle Berichte)<br />
bzw. 0,65 (Glaubwürdigkeits-Skala, alle Berichte) zwischen der Glaubwürdigkeit des Reporters<br />
und der Glaubwürdigkeit seines Berichts bestätigt werden.<br />
81
M&K 48. Jahrgang 1/2000<br />
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84
Mythos Postmoderne:<br />
<strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>liche Bedenken<br />
Ulrich Saxer<br />
Vor allem in Frankreich wird unter dem Konzept der „Postmoderne“ das herkömmliche<br />
und bewährte <strong>wissenschaft</strong>liche Begriffsinstrumentarium dekonstruiert, überhaupt über<br />
die Moderne das Verdikt naiver Rationalismus gefällt und entsprechend ein „wildes“<br />
und überaus empiriefernes Denken über gesellschaftliche Sachverhalte, insbesondere die<br />
<strong>Medien</strong>kommunikation gepflegt. Eine gewisse Nähe zum subjektorientierten radikalen<br />
Konstruktivismus ist nicht zu übersehen und mit diesem teilen die Postmodernisten den<br />
Mangel an Strukturähnlichkeit, an Isomorphie ihrer Theorien mit einem Gegenstand<br />
wie die <strong>Medien</strong>, der stark auch von Einflüssen aus dem Meso- und dem Makrolevel bestimmt<br />
wird. Eine empirische <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>, von der aus im Folgenden<br />
argumentiert wird, ist aus allen diesen Gründen gut beraten, wenn sie nicht einem modischen<br />
Postmodernismus aufsitzt, umso mehr als dessen Hauptkonzept, eben „Postmoderne“,<br />
nie wirklich geklärt wird. Diese bleibt so ein Mythos, was bedauerlicherweise die<br />
Rezeption von Anregungen aus dem romanischen Sprachkreis einmal mehr behindert.<br />
Sie geistern in medien<strong>wissenschaft</strong>lichen Seminaren und studentischen Beiträgen herum;<br />
die Namen der berühmten französischen Postmodernisten Beaudrillard, Derrida, Lyotard<br />
und Virilio. Ihrer sind noch mehr, denn seit längerem hat ihre vieldeutige Botschaft<br />
Jünger gezeugt, wenn auch im deutschsprachigen Bereich nicht allzu viele (Bohrer 1998,<br />
805). Trotzdem ist es an der Zeit, diese Denkrichtung kursorisch zu durchleuchten, da<br />
die <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong> intellektuellen Moden gegenüber alles andere als gefeit<br />
ist.<br />
Der Stand der medienorientierten Debatte über die so genannte Postmoderne ist freilich<br />
nicht klar konturiert. „Postmodernismus“ impliziert ja auch die Dekonstruktion von<br />
Begriffen. Umso unentwegter wird in diesem Zusammenhang am Aufbau einer subjektorientierten<br />
radikalkonstruktivistischen Theorie der öffentlichen Kommunikation gearbeitet<br />
(Merten/Schmidt/Weischenberg 1994). Auch entsprechende Anregungen sollen<br />
im Folgenden gewürdigt werden, auf der Basis einer grundlegenden Skepsis allerdings,<br />
wieweit hiermit ein epistemologisches Fundament der <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong><br />
entwickelt ist.<br />
1. Zum Diskussionsstand<br />
LITERATUR · AUFSÄTZE<br />
Bezeichnenderweise stößt schon eine schlichte Bilanzierung der Postmodernismus-Debatte<br />
und insbesondere derjenigen ihrer französischen Wortführer auf größte Schwierigkeiten.<br />
Dies hängt mit der Eigenart derselben zusammen, die durch begriffliche Vagheit,<br />
Uferlosigkeit und sachgegebene Probleme in ihrer Nachvollziehbarkeit eingeschränkt<br />
wird. Es fragt sich denn auch, ob sich überhaupt die Mühe einer entsprechenden<br />
kommunikations<strong>wissenschaft</strong>lichen Analyse lohnt. Diese muss indes geleistet<br />
werden, da die Wissenschaft von der öffentlichen Kommunikation, um die es bei der als<br />
<strong>Kommunikations</strong>-, Publizistik- bzw. <strong>Medien</strong><strong>wissenschaft</strong> bezeichneten integrierenden<br />
Disziplin geht, immer wieder durch extern verursachte Ideologisierungsschübe in der<br />
Qualität ihrer Aussagen und durch Ausuferung ihres Gegenstandverständnisses in ihrer<br />
Leistungsfähigkeit bedroht ist (Saxer 1995). Für beides bietet die Postmodernismus-De-<br />
85
M&K 48. Jahrgang 1/2000<br />
batte reichliches und bedenkenswürdiges Anschauungsmaterial. Andererseits sollte aber<br />
in diesem Zusammenhang nicht versäumt werden, deren unorthodoxe Ideenvielfalt nach<br />
kommunikations<strong>wissenschaft</strong>lich Brauchbarem zu durchforsten.<br />
Die Schwierigkeiten einer Würdigung und gar, wie hier ursprünglich geplant, einer Rezension<br />
des postmodernen „Diskurses“ – eine seiner Lieblingsvokabeln – beginnen<br />
schon mit dem Konzept der „Postmoderne“. Offenbar handelt es sich dabei um eine<br />
Epochenbezeichnung, über deren Inhalt indes keinerlei Konsens besteht. Als Epochencharakterisierung<br />
erinnert sie an das viel zitierte „Ende der Geschichte“ (Gumbrecht<br />
1998, 808/9), Aprèslude auf jeden Fall (Seel 1998, 890): Im Vorwort zum verdienstvollen<br />
Sonderheft Merkur über „Postmoderne – eine Bilanz“ (1998) wird über die<br />
„Moderne“ das Verdikt „Naiver Rationalismus“ gefällt und der Postmoderne bescheinigt,<br />
„die Verkrustungen und Selbstgefälligkeiten der Moderne aufgebrochen“ zu<br />
haben.<br />
Damit sind zumindest schon Stichworte gefallen, wie der als „Postmoderne“ bezeichnete<br />
Komplex von Phänomenen etwas konkretisiert werden kann. Einer eher resignativen<br />
Stimmung, dass das „Projekt Moderne“ unwiderruflich vorbei und alles schon gesagt<br />
sei, steht eine optimistischere Variante gegenüber, die von neuer Freiheit in einer<br />
endgültig entzauberten Welt schwärmt. Zur Beliebigkeit, die da als postmodernes Lebensprinzip<br />
postuliert wird, gehört auch die Dekonstruktion überkommener Begriffe,<br />
die immerhin eine gewisse Verstehenskonvention unter Wissenschaftlern verbürgten.<br />
Dass Postmodernisten zwar ständig mit <strong>Medien</strong>konzepten argumentieren, diese aber<br />
kaum präzisieren, bildet gleichfalls ein Versatzstück des postmodernen Diskurses. Der<br />
Golfkonflikt von 1991 wird als <strong>Medien</strong>krieg par excellence herausgestellt (Virilio 1993)<br />
und im Übrigen „Intermedialität“ als die dominierende neue gesellschaftliche Realität<br />
postuliert. Ob dies ein klares <strong>Medien</strong>konzept überflüssig macht, soll freilich zumindest<br />
bezweifelt werden. Der Ursprung der Postmodernismus-These aus den Kunst<strong>wissenschaft</strong>en<br />
bringt diese eben in die Richtung eines, sozial<strong>wissenschaft</strong>lich gesprochen,<br />
„wilden Denkens“. „So bleibt doch immer wieder ein Rest Erstaunen darüber, wie oft<br />
Virilio ins Blaue assoziiert und dabei ins Schwarze trifft“ (Kloock 1999, 167).<br />
Historische Vorgänger der Postmodernismus-These lassen sich natürlich unzählige nennen.<br />
Hier interessiert in erster Linie die etwaige gedankliche Verbindung zur modernen<br />
<strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>. Die ethnozentrische Ausrichtung des französischen<br />
Denkens erschwert freilich den Brückenschlag zu angelsächsischen Autoren. Immerhin<br />
sind Parallelen zu M. McLuhans und J. Meyrowitz’ Werk nicht zu übersehen: Beide haben<br />
umfassende Theorien der <strong>Medien</strong>gesellschaft konzipiert und lassen sich so mit den<br />
Urhebern der Postmodernismus-Debatte vergleichen:<br />
• M. McLuhans berühmteste These „The medium is the message“ (1994, 71 ff.) nimmt<br />
diesen vieles vorweg. Sie formuliert eine Vision allmächtiger <strong>Kommunikations</strong>technologien<br />
und trägt in ihrer Missachtung empirischer Befunde Züge von Messianismus<br />
(Saxer 1968). Das „globale Dorf“, das der kanadische <strong>Kommunikations</strong>philosoph<br />
vor einem Menschenalter als Folge der kommunikationstechnologischen Entwicklung<br />
in Aussicht stellte, ist jedenfalls trotz fortschreitender Globalisierung der<br />
<strong>Medien</strong>kommunikation erst ansatzweise verwirklicht. Nicht alles, was kommunikationstechnologisch<br />
machbar ist, wird ja von den konservativen <strong>Medien</strong>nutzern sogleich<br />
nachgefragt. Dass aber <strong>Medien</strong> Organer- und -fortsatz sind, hat M. McLuhan<br />
mit großer Eindringlichkeit demonstriert, und dass <strong>Medien</strong>formate wichtiger als deren<br />
Inhalte seien, ist in der postjournalism era (Altheide/ Snow 1991) mittlerweile eine<br />
vergleichsweise gängige Erkenntnis geworden.<br />
86
Saxer · Mythos Postmoderne<br />
• J. Meyrowitz, letztlich derselben Denktradition verpflichtet, führt M. McLuhans<br />
Ansatz weiter und konstatiert in „No sense of Place“ die Enträumlichung der Erfahrung<br />
unter dem Einfluss der elektronischen <strong>Medien</strong>. P. Virilio verschärft später (1998,<br />
143) diese Diagnose zu einem neuen Terror der Echtzeit, der den Golfkrieg in einen<br />
der televisionären Berichterstattung verwandelt habe. Fernsehräume und Fernsehzeit<br />
verdrängen nach postmodernistischer Auffassung Realraum und -zeit; allerdings<br />
bleiben die Fernsehrezipienten nach wie vor mehrheitlich in ihren vier Wänden und<br />
öffnen getrost ihre Bierflaschen, wenn das alltägliche Ritual der „Tagesschau“ ihnen<br />
Alt-Neues in ihre Wohnung flimmert, und wissen gewöhnlich Fernsehkulisse und<br />
alltägliche Erlebniswelt zu unterscheiden. Die Dramatisierung von <strong>Medien</strong>kommunikation,<br />
zumal des Fernsehens, gehört eben zum Argumentationsteppich der Postmodernen,<br />
die offenbar der Faszination ihres Gegenstandes distanzlos erliegen. Eine<br />
empirische <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>, die diesen aus reflektiertem Abstand beobachten<br />
sollte, kann sich eine solche Selbstpreisgabe nur um den Preis des von ihr<br />
zu erwartenden geprüften Argumentierens gestatten.<br />
2. Die Destruktion von Begriffen<br />
Das Programm einer Destruktion überkommener Begriffe, wie es sich in den verschiedensten<br />
postmodernen Texten niederschlägt, verrät Abhängigkeit von diesen, von der<br />
perhorreszierten Moderne also. Die „postmoderne Moderne“ (Früchtel 1998, 768), ein<br />
hölzernes Eisen, reagiert mehrheitlich einfach auf tradierte Begriffe und erklärt diese im<br />
Sinne der neuen Beliebigkeit für untauglich. Da allerdings die Entwicklung eines konsistenten<br />
konzeptuellen Apparats zu den wichtigsten <strong>wissenschaft</strong>lichen Leistungen rechnet,<br />
muss die Qualität solcher „Destruktion“ an entsprechenden Neuschöpfungen geprüft<br />
werden.<br />
Das Resultat ist ernüchternd, aber wohl, weil eine rationale und nicht eine postmoderne<br />
Logik an diese Begriffe angelegt wird:<br />
• Das Konzept der Destruktion ist reaktiv, der Moderne verpflichtet, die postmodernistische<br />
Theoretiker doch zu beerdigen suchen. Die konzeptuelle Abhängigkeit von<br />
dem, was man ablösen möchte, vertieft gerade die Hörigkeit diesem gegenüber. Die<br />
Vagheit des Konzepts „Postmoderne“ rächt sich auf Schritt und Tritt in einer Theorienbildung,<br />
die diesen Namen kaum verdient.<br />
• Begriffe konzentrieren bekanntlich den <strong>wissenschaft</strong>lichen Fokus. Wo sie „dekonstruiert“<br />
sind, mangelt es an dieser unentbehrlichen Koordinationsleistung <strong>wissenschaft</strong>licher<br />
Disziplinen. „Wildes Denken“ ist das Resultat solcher Disziplinlosigkeit:<br />
manchmal anregend, aber sicher ungeprüft (Beaudrillard 1991). Gerade für eine Wissenschaft<br />
wie diejenige von der öffentlichen Kommunikation, die immer wieder Probleme<br />
mit den Grenzen ihrer Zuständigkeit bekundete (Saxer 1995), ist ein solches<br />
Ausufern des Gegenstandsverständnisses fatal. Schon die alte Zeitungs<strong>wissenschaft</strong><br />
erweiterte ja gewissermaßen handstreichartig ihr Beobachtungsobjekt um die Zeitschriften,<br />
verfügte dann aber nicht über die entsprechenden <strong>wissenschaft</strong>lichen Instrumente,<br />
diese zu erschließen. So müssen sich auch die Postmodernisten von Natur<strong>wissenschaft</strong>lern<br />
in die Schranken ihrer Kompetenz weisen lassen: „… es gibt keinen<br />
Grund, im Umgang mit komplexen menschlichen Problemen die Natur<strong>wissenschaft</strong>en<br />
imitieren zu wollen“ (Sokal/Pricmont 1998).<br />
• Unterscheidungen, die sich in der <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong> längst bewährt haben,<br />
werden unter postmodernistischen Generalisierungen einfach zugeschüttet. So<br />
87
M&K 48. Jahrgang 1/2000<br />
vermag P. Virilio zwischen Nachrichten und Propaganda nicht zu unterscheiden<br />
(1993, 85), als hätten die westliche journalistische Berufskultur und die <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong><br />
nicht längst Kriterien entwickelt, hier Differenzen wahrzunehmen.<br />
Dazu passt, dass der gleiche Autor das Massaker auf dem Tienamen-Platz kommentiert,<br />
das Kriegsrecht habe „zur Niedermetzelung der Bevölkerung Pekings<br />
durch die Panzer der chinesischen Volksarmee“ geführt (Virilio 1998, 28). Der<br />
ganzen? Wenn Wissenschaft verlässliches Sprechen meint, dann fällt ein Großteil des<br />
postmodernistischen Schrifttums nicht unter dieses Rubrum, und es fragt sich erneut,<br />
was die empirische <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong> aus ihm gewinnen mag, wo doch<br />
viele französische Kollegen daraus Nektar saugen. Auch die marxistische Reideologisierung<br />
der Disziplin in den 70er und 80er Jahren war ja lediglich ein letztlich<br />
fruchtloses <strong>wissenschaft</strong>sgeschichtliches Intermezzo.<br />
• Radikal ist die postmodernistische Geschichtsphilosophie, als sie ernst mit der letztlich<br />
konstruktivistischen Auffassung macht, Weltgeschichte sei ein „Text“, nicht<br />
mehr und nicht weniger. Die Irritation eines schleichenden Verlustes an Wirklichkeit<br />
in modernen Gesellschaften unter dem Eindruck von deren Verdoppelung durch Bilder<br />
und Töne, der dauernden Selbstbeobachtung derselben durch ihre <strong>Medien</strong>, ist<br />
nachhaltig im postmodernistischen Schrifttum: ein spätes Echo auf G. Anders’ Vision<br />
von der Welt als „Phantom und Matrize“ (1956), dem pessimistischen Kontext der<br />
„Antiquiertheit des Menschen“. Wenn alles Text ist, eröffnet dies natürlich auch beliebige<br />
Lese- und Interpretationsmöglichkeiten und gemahnt an die Struktur des modernen<br />
Fernsehangebots, das sich nicht direktiv, sondern als unverbindliche Offerte<br />
präsentiert. Dass der Spitzensport z. B. seit längerem ein Annex des Fernsehens geworden<br />
ist, und mehr und mehr <strong>Medien</strong>ereignisse zu Ehren der Massenkommunikationsmittel,<br />
kalkuliert auf deren Selektionskriterien, veranstaltet werden, spiegelt<br />
zweifellos eine Umkehr bisheriger Realitätsverhältnisse in modernen Gesellschaften,<br />
die von den Postmodernisten seismographisch nachgezeichnet werden. Für die <strong>Kommunikations</strong>-<br />
bzw. <strong>Medien</strong><strong>wissenschaft</strong> lohnt sich denn auch eine vertiefte Reflexion<br />
des Textbegriffs, von „Text“ als einer Gegenfolie zu einem kommunikations<strong>wissenschaft</strong>lich<br />
noch immer gängigen simplifizierenden Konzept von „Realität“ (Ammann/Moser/Vaissière<br />
1999).<br />
Das inflatorische <strong>Medien</strong>konzept der Postmodernisten und ihr vages Räsonnieren<br />
über Intermedialität ist damit freilich noch nicht gerechtfertigt. Auch eine Publikation<br />
aus dem Jahre 1998 unter diesem Titel (Heibig 1998) kommt nicht viel weiter, als<br />
die Klärungsbedürftigkeit dieses Konzepts zu bedauern (Füger 1998). Es ist eben<br />
kurzschlüssig, ohne ausreichende Präzisierung des Basiskonzeptes „Medium“ dieses<br />
in Richtung „Intermedialität“ auszuweiten. Die deutschsprachige <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong><br />
ringt freilich noch mit denselben Konzeptualisierungsschwierigkeiten<br />
(Saxer 1997). Natürlich entspricht „Intermedialität“ dem Rezeptionserlebnis heutiger<br />
<strong>Medien</strong>konsumenten, für die die <strong>Medien</strong> insgesamt ein selbstverständlicher und<br />
weitgehend vorbewusst registrierter Bestandteil ihrer Lebenswelt geworden sind, aus<br />
der die universitäre Rezeptionsforschung immer noch realitätsfern einzelne Stimuli<br />
herauszufiltern sucht. Es kann denn auch nur festgehalten werden, dass das postmoderne<br />
Dekonstruktionswerk in Sachen Begrifflichkeit keinen Ersatz schafft, eher<br />
Leerstellen verursacht.<br />
88
Saxer · Mythos Postmoderne<br />
3. Die Welt als subjektorientiertes (radikal-)konstruktivistisches System<br />
Wiewohl die Heterogenität der postmodernistischen Quellen kaum eine abschließende<br />
Charakterisierung dieser Denktradition gestattet, lässt sich am ehesten eine konstruktivistische<br />
Basis derselben ausmachen. Der Strukturalismus ist ohnehin seit längerem im<br />
französischen Denken stark verwurzelt und somit ein entsprechender Übergang nahe<br />
liegend, wenn auch kein orthodoxer. Allerdings bleiben die Zweifel, wie tragfähig eine<br />
subjektorientierte (radikal-)konstruktivistische Basis für Theorien der öffentlichen<br />
Kommunikation ist, auch wenn deren Protagonisten dies reklamieren (Merten/Weischenberg/Schmidt<br />
1994). Die entsprechenden Einwände sind nicht widerlegt, umso<br />
mehr, als selbst N. Luhmann sich gegen einen subjektivistischen „radikalen Konstruktivismus<br />
als Theorie der Massenmedien“ (1994) zur Wehr gesetzt hat.<br />
Dem Radikalen Konstruktivismus mangelt nämlich grundsätzlich die Strukturähnlichkeit,<br />
die Isomorphie, zu ihrem Gegenstand (Saxer 1993, 68f.) Dieser ist makro-, mesound<br />
mikrosoziologisch definiert, ein soziales Totalphänomen, und kann folglich nicht<br />
ausschließlich mikrosoziologisch gedeutet werden. Der Radikale Konstruktivismus,<br />
psychologisch-wahrnehmungstheoretisch angelegt, verfehlt damit schon weitgehend<br />
die organisatorische Dimension der öffentlichen Kommunikation. Schließlich ist heute<br />
der „organisatorische Journalismus“ die Berufsrealität der meisten <strong>Medien</strong>mitarbeiter;<br />
jegliche Theorie, die dem nicht Rechnung trägt, wie der subjektorientierte Radikale<br />
Konstruktivismus, der die Welt letztlich nur als Wille und Vorstellung perzipiert<br />
(A. Schopenhauer), bleibt kurzsichtig.<br />
Allerdings sind ja die postmodernistischen Denker weder konsequent noch konsistent<br />
konstruktivistisch. Wie bereits M. McLuhans Denkstil assoziativ, um nicht zu sagen erratisch<br />
war (Ludes 1998, 77ff.), bedienen sich Beaudrillard, Derrida, Virilio und weitere<br />
Postmodernisten ungeniert von den verschiedensten Auslagen von anderswo geistig Erarbeitetem.<br />
Dies macht sie auf schwierige Weise unfassbar, unangreifbar und letztlich<br />
auch nicht rezensierbar. Die ständige Destruktion von Begriffen fungiert ja auch als Immunisierungsstrategie<br />
des eigenen Gedankengebäudes: Wenn dieses begrifflich sich nie<br />
packen lässt, wird es auch nicht zur Beute von Kritik. Denn: „Die Paradoxie ist die Orthodoxie<br />
unserer Zeit“ (N. Luhmann), Aussage kann gegen Aussage zitiert werden, wie<br />
bereits bei M. McLuhan, und darum trägt die entsprechende <strong>wissenschaft</strong>liche Nachweispraxis<br />
auch bei den Postmodernisten wenig ein und wird darum hier vernachlässigt.<br />
So überleben die postmodernistischen „Klassiker“ auch vergleichsweise unbeschadet,<br />
wiewohl die Sage schon herumgeistert, selbst die Postmoderne sei schon vorüber (Müller<br />
1998). Was kommt nachher? Die Problematik der immer hektischeren Periodisierungen<br />
der Jüngstzeit erweist sich hieran.<br />
Eine empirische <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>, von der aus hier argumentiert wird,<br />
muss sich mithin hüten, geistige Anleihen bei einem Wissenschaftssystem zu machen,<br />
das in Wahrheit keines ist, sondern ein Bündel von Assoziationen. Grenzüberschreitungen<br />
in der Wissenschaft werden regelmäßig mit Verlusten an Verlässlichkeit bezahlt, und<br />
eine gewisse internationale Isolierung der französischen Sozial- bzw. <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong><br />
wird von hier aus verständlich. Wenn keine Wissensakkumulation systematisch<br />
angestrebt wird, geht Wissenschaft früher oder später in die Irre. Dies ist beim<br />
Radikalen Konstruktivismus der Fall und bei den französischen Postmodernisten. Was<br />
die <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong> braucht, ist nicht eine Vision von Postmodernismus,<br />
sondern Theorien vom <strong>Medien</strong>wandel in der Moderne (Hömberg/Pürer 1996). Und<br />
dass menschliches Erleben stets zugleich auch eine menschliche Konstruktion desselben<br />
89
M&K 48. Jahrgang 1/2000<br />
impliziert, ist in der neueren <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong> mit ihren Erkundungen im<br />
Bereich der <strong>Medien</strong>realität gleichfalls unbestritten. Dazu bedarf sie des „Mythos Postmoderne“<br />
nicht.<br />
4. Mythos Postmoderne<br />
Was bleibt von einer kurzlebigen Denktradition, die sich „Postmoderne“ mit allen Implikationen<br />
bis hin zum Postfeminismus (Müller 1998) aufs Banner geschrieben hat?<br />
Was bringt sie insbesondere einer empirischen <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>, die immer<br />
noch mit Konstitutionsproblemen kämpft? Es gilt für sie in erster Linie, anlässlich<br />
dieser Debatte endlich einen anderen Kulturkreis, nämlich den französischsprachigen,<br />
zur Kenntnis zu nehmen. Dieser kann nicht einfach durch Nicht-Beachtung ausgeklammert<br />
werden. Es ist ein Ärgernis, dass für die deutschsprachige <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong><br />
nur die angelsächsische, nicht aber die südwesteuropäische Forschungstradition<br />
existiert. Der Verfasser dieses Beitrags verhehlt zwar nicht seine Irritation über<br />
postmodernistische Zeugnisse, die er auf Bitte dieser Zeitschrift zu beurteilen aufgefordert<br />
wurde und nach deren Studium er immer noch nicht weiß, was „Postmoderne“ ist,<br />
denn unter diesem Label werden offenbar verschiedenste geschichts-, kunst- bzw. medienphilosophische<br />
Ansätze versammelt. Primitiv gesagt: Die Postmodernismus-Debatte<br />
präsentiert sich letztlich, gemäß der Maxime „anything goes“, als Selbstbedienungsladen,<br />
weil sie sich selber nicht nur gegen ihre Falsifizierung, sondern auch gegen<br />
ihre Generalisierung sträubt. Die deutschsprachigen <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>ler<br />
sind daher aufgefordert – da ja Übersetzungen vorliegen –, hier nach kommunikations<strong>wissenschaft</strong>lich<br />
anregenden Ideen zu stöbern, und dürften durchaus fündig werden, zumal,<br />
wenn sie ein weniger orthodoxes Verständnis von Sozial<strong>wissenschaft</strong> als das hier<br />
federführende haben.<br />
Der <strong>wissenschaft</strong>liche Provinzialismus beginnt schließlich schon bei den Versäumnissen<br />
des Fremdsprachenunterrichts: Französisch, Italienisch, nicht zu reden von Spanisch<br />
existieren auf der hiesigen kommunikations<strong>wissenschaft</strong>lichen Sprachenkarte kaum.<br />
Dabei könnte vom postmodernistischen „wilden Denken“ der eine und andere alternative<br />
Gedanke für die deutschsprachige <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong> gewonnen werden,<br />
die sie ein bisschen aus dem Prokrustesbett der Luhmannschen Systemtheorie zu<br />
befreien vermöchte: mit medientheoretischen Deutungen des Golfkriegs (P. Virilio), mit<br />
dem transdisziplinären Entziffern semiotischer Zeichen (J. Beaudrillard) und selbst mit<br />
ausgreifenden Spekulationen (J. Derrida). Darin liegt freilich eine erneute Gefährdung<br />
der stets ideologieanfälligen Wissenschaft von der öffentlichen Kommunikation. Sie<br />
kann sich nämlich nach ihrer zeitweiligen nationalsozialistischen und marxistischen<br />
Willfährigkeit um ihrer Reputation willen keine weiteren ideologischen Ausrutscher<br />
mehr leisten.<br />
Die Bilanz der französisch dominierten Postmodernismus-Debatte fällt mithin, wie<br />
meist in solchen Fällen, ambivalent aus. Die Sprach- und Erkenntniskonventionen der<br />
empirischen <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong> werden durch sie in Frage gestellt, aber ungewiss<br />
ist, mit welcher Legitimation. Schlimm für die Disziplin wäre es auf jeden Fall,<br />
wenn sie unter dem Eindruck solchen Feuerwerks von Ideen von Neuem einem ideologischen<br />
Konstrukt, dem der Postmoderne, aufsäße, dessen Beschaffenheit unklar und<br />
das anscheinend auch schon in die Rumpelkammer der Geschichte verabschiedet ist.<br />
Chaotische Theorienbildung im Zuge kommunikationstechnologischer Innovationen<br />
(Saxer 1993) ist schließlich ein leides Erbstück der Disziplin. Anregungen aus anderen<br />
90
Saxer · Mythos Postmoderne<br />
Kulturkreisen aufzunehmen, um wirklich eine internationale Integrations<strong>wissenschaft</strong><br />
zu sein, ist hingegen unerlässlich. Fremde Wissensbestandteile systemgerecht einzupassen,<br />
ist freilich ebenso eine Verpflichtung für sie wie Kriterien geprüfter Wissensproduktion<br />
zu entwickeln und ihnen Nachachtung zu verschaffen. Insofern stellen manche<br />
Einsichten der postmodernen französischen Denker eine sorgfältig zu analysierende<br />
und nicht einfach zu plündernde Fundgrube dar. Die Aufgabe ist nicht leicht, aber letztlich<br />
wohl lohnend.<br />
Literatur<br />
Altheide, David L./Robert P. Snow: Media Words in the Postjournalism Era. New York 1991.<br />
Anders, Günter: Die Antiquiertheit des Menschen. München 1956.<br />
Ammann, Daniel/Heinz Moser/Roger Vaissière (Hrsg.): <strong>Medien</strong> lesen. Der Textbegriff in der <strong>Medien</strong><strong>wissenschaft</strong>.<br />
Zürich 1999.<br />
Beaudrillard, Jean: Der symbolische Tausch und der Tod. München 1991.<br />
Bohrer, Karl-Heinz: Hat die Postmoderne den historischen Ironieverlust der Moderne aufgeholt?<br />
In: Postmoderne. Eine Bilanz. Sonderheft Merkur Heft 9/10, 52. Jg., Sept./Okt. 1998,<br />
794 – 807.<br />
Füger, Wilhelm: Wo beginnt Intermedialität? Latente Prämissen und Dimensionen eines klärungsbedürftigen<br />
Konzepts. In: Heibig, Jörg (Hrsg.): Intermedialität. Theorie und Praxis eines interdisziplinären<br />
Forschungsgebietes. Berlin 1995, 41 – 57.<br />
Früchtl, Josef: Gesteigerte Ambivalenz. Die Stadt als Denkbild der Postmoderne. In: Postmoderne.<br />
Eine Bilanz. Sonderheft Merkur, Heft 9/10, 52. Jg., Sept./Okt. 1998, 766–780.<br />
Gumbrecht, Hans Ulrich: Präsenz. Gelassenheit. Über Federico Garcia Lorcas „Poeta en Nueva<br />
York“ und die Schwierigkeit, heute eine Ästhetik zu denken. In: Postmoderne. Eine Bilanz.<br />
Sonderheft Merkur 9/10, 52. Jg., Sept./Okt. 1998, 808 – 825.<br />
Heibig, Jörg (Hrsg.): Intermedialität. Theorie und Praxis eines interdisziplinären Forschungsgebietes.<br />
Berlin 1998.<br />
Hömberg, Walter/Heinz Purer (Hrsg.): <strong>Medien</strong>-Transformation. Zehn Jahre dualer Rundfunk in<br />
Deutschland. Konstanz 1996.<br />
Klook, Daniela: Paul Virilios Ereignislandschaft. In: <strong>Medien</strong><strong>wissenschaft</strong> 2/99, 165 – 167.<br />
Lau, Mariam: Das Unbehagen im Postfeminismus. In: Sonderheft Merkur, Heft 9/10, 52. Jg.,<br />
Sept./Okt. 1998, 919 – 928.<br />
Ludes, Peter: Einführung in die <strong>Medien</strong><strong>wissenschaft</strong>. Entwicklungen und Theorien. Berlin 1998.<br />
Luhmann, Niklas: Der „Radikale Konstruktivismus“ als Theorie der Massenmedien? In: Communicatio<br />
Socialis 27. Jg., 1994, H. 1, 7 – 12.<br />
McLuhan, Marshall: Understanding Media. The Extensions of Man. London 1994.<br />
Merten, Klaus/Siegfried J. Schmidt/Siegfried Weischenberg (Hrsg.): Die Wirklichkeit der <strong>Medien</strong>.<br />
Eine Einführung in die <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>. Opladen 1994.<br />
Meyrowitz, Joshua: No Sense of Place. The Impact of Electronic Media on Social Behavior. New<br />
York 1985.<br />
Müller, Hans-Peter: Das stille Ende der Postmoderne. In: Sonderheft Merkur, a. a. O. 975 – 981.<br />
Saxer, Ulrich: Messianismus und Wissenschaft bei Marshall McLuhan. In: Communicatio Socialis,<br />
1. Jg., 1968, H. 2, S. 81 – 93.<br />
Saxer, Ulrich: Von <strong>wissenschaft</strong>lichen Gegenständen und Disziplinen und den Kardinalsünden der<br />
Zeitungs-, Publizistik-, <strong>Medien</strong>- und <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>. In: Beate Schneider/Kurt<br />
Reumann/Peter Schiwy (Hrsg.): Publizistik. Beiträge zur <strong>Medien</strong>entwicklung. Festschrift für<br />
Walter J. Schütz. Konstanz 1995, 39 – 55.<br />
Saxer, Ulrich: Fortschritt als Rückschritt? Konstruktivismus als Epistemologie einer <strong>Medien</strong>theorie.<br />
Kommentar zu Klaus Krippendorf. In: Günter Bentele/Manfred Rühl: (Hrsg.): Theorien<br />
öffentlicher Kommunikation. München 1993, 65 – 73.<br />
Saxer, Ulrich: Basistheorien und Theorienbasis in der <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>: Theorienchaos<br />
und Chaostheorie. In: Günter Bentele/Manfred Rühl (Hrsg.): Theorien öffentlicher<br />
Kommunikation. München 1993, 175 – 187.<br />
91
M&K 48. Jahrgang 1/2000<br />
Saxer, Ulrich: Konstituenten einer <strong>Medien</strong><strong>wissenschaft</strong>. In: Helmut Schanze/Peter Ludes (Hrsg.):<br />
Qualitative Perspektiven des <strong>Medien</strong>wandels. Positionen der <strong>Medien</strong><strong>wissenschaft</strong> im Kontext<br />
„Neuer <strong>Medien</strong>“. Opladen 1997, 15 – 26.<br />
Seel, Martin: Philosophie nach der Postmoderne. In: Sonderheft Merkur, Heft 9/10, 52. Jg.,<br />
Sept./Okt. 1998, 890 – 897.<br />
Sokal, Alan/Jean Bricmont: Postmoderne in Wissenschaft und Politik. In: Postmoderne. Eine Bilanz.<br />
Sonderheft Merkur, Heft 9/10, 52. Jg., Sept./Okt. 1998, 929 – 943.<br />
Virilio, Paul: Krieg im Fernsehen. München/Wien 1993.<br />
Virilio, Paul: Rasender Stillstand. Frankfurt a. M. 1998.<br />
92
Der „Funktionsauftrag“ des öffentlich-rechtlichen<br />
Rundfunks – auf „Integration“ festgelegt oder selbst<br />
definiert?<br />
Anmerkungen zu drei Rechtsgutachten<br />
Karl-Heinz Ladeur<br />
Die neuere Diskussion um den „Funktionsauftrag“ des öffentlich-rechtlichen Rundfunks<br />
versucht, die Krise des Integrationsrundfunks durch zwei unterschiedliche Strategien<br />
rechtlich zu bewältigen. Bullingers Gutachten will den Public-Service-Rundfunk auf seine<br />
herkömmlichen politischen und kulturellen Aufgaben durch „materielle“ gesetzliche<br />
Vorschriften festlegen. Die Gutachten von Holznagel und Vesting wollen demgegenüber<br />
der professionellen Komponente des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mehr Autonomie<br />
einräumen. Der Beitrag versucht, die Vorzüge und Schwächen der beiden Konzeptionen<br />
zu analysieren.<br />
1. Bullingers Gutachten für die Bertelsmann-Stiftung: Schutz der Funktionserfüllung<br />
durch gesetzliche Zielvorgabe?<br />
Die rundfunkrechtliche Diskussion um den Begriff der „Grundversorgung“ und den<br />
Programmauftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten im Allgemeinen hat in<br />
jüngster Zeit eine Akzentverschiebung erfahren, die vor allem von Rechtsgutachten mit<br />
konträrer Tendenz auf den Begriff gebracht worden ist. Martin Bullinger 1 hat in seinem<br />
Gutachten für die Bertelsmann-Stiftung eine Konzeption entwickelt, die den „Funktionsauftrag“<br />
durch gesetzliche Vorgaben für den gegenständlichen Programmbereich<br />
und seine Wahrnehmung prozedural durch Selbstbündelung spezifiziert wissen will.<br />
Der Handlungsbereich der Rundfunkanstalten wird im bisherigen Verständnis der<br />
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vor allem durch die „Grundversorgung“<br />
bestimmt. Die Definition dieses Begriffs ist selbst umstritten; jedenfalls kann man<br />
daran festhalten, dass – wie immer die Grundversorgung definiert wird – der „Funktionsauftrag“,<br />
ein Begriff, den auch das Bundesverfassungsgericht mehrfach verwendet<br />
hat, sich darin nicht erschöpft. Auch Bullinger will die Aufgabe des öffentlich-rechtlichen<br />
Rundfunks nicht mit Hilfe eines eng und exklusiv verstandenen Konzepts der<br />
Grundversorgung derart begrenzen, dass z. B. die Veranstaltung von Spartenprogrammen<br />
und ähnliche Ergänzungsleistungen nicht mehr zulässig wären. Vielmehr will er<br />
diese im Anschluss an eine vergleichende Expertenuntersuchung zur Rolle des öffentlich-rechtlichen<br />
Rundfunks in Deutschland und anderen Ländern durch vier Teilfunktionen<br />
bestimmen: Die Integrationsfunktion (gesellschaftlicher Zusammenhalt), die Forumsfunktion<br />
(„zu Worte kommen“), die Komplementärfunktion (Ermöglichung auch<br />
von Sendungen, die „unter rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht angeboten wür-<br />
1 M. Bullinger: Die Aufgaben des öffentlichen Rundfunks – Wege zu einem Funktionsauftrag,<br />
Bertelsmann-Stiftung, Gütersloh 1999.<br />
93
M&K 48. Jahrgang 1/2000<br />
den“, S. 8) und schließlich die Vorbildfunktion („Qualitätsstandards“). Bullinger wehrt<br />
sich allerdings gegen den Verdacht, die „Komplementärfunktion“ solle als „Kampfbegriff“<br />
gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Anschlag gebracht werden: Es gehe<br />
„ganz im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts darum, dass der<br />
öffentlich-rechtliche Rundfunk die gesamte Breite der Vielfalt darstellen und dadurch<br />
komplettierend die Defizite des privaten Rundfunks abdecken soll“ (S. 9).<br />
Die Argumentation erscheint allerdings nicht ganz konsequent, denn die dem öffentlich-rechtlichen<br />
Rundfunk zugeschriebenen Funktionen sollen doch „vor allem in solchen<br />
Sendungen zum Ausdruck“ kommen (9), die „einem gesteigerten öffentlichen Interesse<br />
entsprechen, wie Nachrichten, Informationen, Jugend- und Kultursendungen,<br />
und deshalb zum Kernbereich der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben gehören“. Dieser<br />
„‚Kernbereich‘ der Sendungen von besonderem öffentlichen Interesse“ soll durch<br />
gesetzliche Regelung und anstaltsinterne Selbstregelung näher bestimmt werden. Die<br />
Selbst- und Fremdbeobachtung der Wahrnehmung des „Funktionsauftrags“ soll dem<br />
Schutz der finanziellen Interessen der Zuschauer als Gebührenzahler, dem Schutz der<br />
privaten Veranstalter vor funktionswidriger Konkurrenz und dem Selbstschutz der Anstalten<br />
vor der Gefahr der Zweckverfehlung durch Nachahmung privater Programmformate<br />
mit dem Ziel der Rückgewinnung verlorener Zuschauer dienen. Das „Eindringen<br />
marktmäßiger Überlegungen“ (41) in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk müsse<br />
vor allem verhindert werden. Zugleich wird aber angenommen, der Verlust an Akzeptanz<br />
gerade bei den jüngeren Zuschauern (14- bis 29-Jährige: bis zu 72 %) zwinge die<br />
öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten dazu, unter gewandelten Bedingungen darzutun,<br />
„welche Leistungen sie für die Gesellschaft erbringen, die vom ‚Markt‘ nicht oder<br />
nicht in derselben Qualität hervorgebracht werden können und deshalb den hohen Aufwand<br />
an öffentlichen Mitteln rechtfertigen“ (45). Deshalb sei „zu bedenken, ob nicht<br />
dem ‚öffentlichen‘ Rundfunk die besondere Aufgabe obliegt, auch bei digitaler Übertragung<br />
den Schwerpunkt des Angebots auf ein oder mehrere Vollprogramme (oder das,<br />
was funktional an ihre Stelle treten kann) in vertikaler, zeitlich abfolgender Vielfalt zu<br />
legen“ (48) und so eine Vielfaltsreserve für die Bürger zu erhalten, die „weiterhin im Zusammenhang<br />
und nicht nur selektiv informiert, gebildet und unterhalten sein wollen“.<br />
Die öffentlich-rechtliche Finanzierung sei jedenfalls nur zur Deckung der „besonderen<br />
Kosten ihrer öffentlichen Aufgaben“ zu rechtfertigen (51). Zur Konkretisierung des<br />
Funktionsauftrags hält Bullinger insbesondere „tageszeitgenaue“ Auflagen für die<br />
Berücksichtigung von Minderheitsinteressen in der Hauptsendezeit für erforderlich. Im<br />
Übrigen müssten Konkretisierungen des Programmauftrags im Wege der Selbstregulierung,<br />
insbesondere durch Auferlegung von Selbstverpflichtungen erfolgen, die aber<br />
auch aufsichtlich zu überprüfen seien.<br />
Nach Auffassung von Bullinger müsste der Auftrag der öffentlich-rechtlichen Anstalten<br />
also materiell, d. h. durch gesetzliche Festlegung von vor allem kulturellen und<br />
politischen Zielen bestimmt werden, deren Formulierung sich in erster Linie an den<br />
tradierten Aufgaben des Integrationsrundfunks zu orientieren hätte. Demgegenüber<br />
träte die durch die Beteiligung der Gruppen selbst charakterisierte Autonomie der<br />
Zielbestimmung und -kontrolle über die Anstaltsorgane zurück. Damit kontrastiert<br />
der Ansatz von Holznagel und Vesting, die gerade umgekehrt die Auflösung der bisher<br />
stabilen Grenzen zwischen öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk durch<br />
eine stärkere Akzentuierung der prozeduralen Komponente des ersteren bewältigen<br />
wollen.<br />
94
Ladeur · Funktionsauftrag des Public Service<br />
2. Die Gutachten von Holznagel und Vesting: Ein Funktionsauftrag zur Selbstdefinition<br />
des Programms?<br />
Thomas Vesting setzt in dem von ihm bearbeiteten Teil des Gutachtens2 dagegen auf<br />
eine andere Konzeption des „Funktionsauftrags“ der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten,<br />
die er im Anschluss an seine Arbeit zur „Prozeduralen Rundfunkfreiheit“ entwickelt:<br />
Es muss danach vor allem die „Autonomie des Prozesses der Rundfunkproduktion“<br />
geschützt werden (47). Das BVerfG habe den Begriff der „Grundversorgung<br />
dynamisch, als auf Selbständerung angelegt“ verstanden und deshalb in seinen neueren<br />
Urteilen auch stärker die Bedeutung der Programmfreiheit als Freiheit zur Selbstdefinition<br />
der Rundfunkaufgabe akzentuiert. 3 Dazu gehöre auch die Erhaltung und Entwicklung<br />
der Wettbewerbsfähigkeit im Verhältnis zu den Privaten. Das Gericht habe darauf<br />
insistiert, dass der Rundfunk in die Lage versetzt werden müsse, „ein dem klassischen<br />
Rundfunkauftrag entsprechendes Programm für die gesamte Bevölkerung“ anzubieten,<br />
das „im Wettbewerb“ Bestand haben könne. Die für erforderlich gehaltenen Programme<br />
und Programmformate müssten von den öffentlich-rechtlichen Veranstaltern selbst<br />
definiert werden (56 f.). Einschränkend muss aber – wie auch Vesting einräumt (58) –<br />
beachtet werden, dass das BVerfG die Programmautonomie an einen „verfassungsrechtlich<br />
vorgegebenen und gesetzlich näher umschriebenen Programmauftrag“ bindet.<br />
Vereinfachend lässt sich diese Position so verstehen, dass der Funktionsauftrag vor allem<br />
ein „Auftrag zur Selbstorganisation“ ist (63), da die Anstalten in einer dynamischen<br />
Umwelt die Programmstrategien selbst entwickeln müssten. Ähnlich argumentiert auch<br />
Bernd Holznagel in seinem für das ZDF verfassten Gutachten4. Beide Konzeptionen beziehen sich auf den Wettbewerb zwischen öffentlichen und privaten<br />
Veranstaltern, ziehen aber daraus entgegengesetzte Konsequenzen: Bei Bullinger<br />
wird der Funktionsauftrag innerhalb der dualen Rundfunkordnung daran orientiert,<br />
dass der private Rundfunk, aber auch die Multimediadienste eine Fülle individualisierter<br />
und fragmentierter Teilleistungen erbracht hätten und der öffentlich-rechtliche<br />
Rundfunk sich mit seinem klassischen Programmauftrag vor allem an die verbliebenen<br />
Zuschauer wenden müsse, die an einem entsprechenden Angebot interessiert blieben.<br />
Dagegen ist Vesting der Auffassung, dass gerade die Veränderung der Rundfunkbedingungen<br />
verfassungsrechtlich dadurch zu bewältigen seien, dass die Freiheit zur Selbstdefinition<br />
des Rundfunks zur Entwicklung einer größeren Variationsbreite der Angebote<br />
genutzt werden könne und müsse. Deshalb sei es u. a. auch zulässig, jenseits der<br />
„integrativen“ Programme die „Kernzielgruppe der 25- bis 49-Jährigen“ durch neue<br />
Angebote anzusprechen. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten dürften sich<br />
nicht in eine „kulturelle Nischenfunktion“ abdrängen lassen (69).<br />
2 B. Holznagel / Th. Vesting: Sparten- und Zielprogramme im öffentlich-rechtlichen Rundfunk,<br />
Baden-Baden 1999.<br />
3 BVerfGE 90, 60, 90 ff.<br />
4 B. Holznagel: Der spezifische Funktionsauftrag des Zweiten Deutschen Fernsehens, ZDF<br />
Schriftenreihe Nr. 55, Mainz, April 1999.<br />
95
M&K 48. Jahrgang 1/2000<br />
3. Das Bundesverfassungsgericht und die Grundversorgung – Bindung an die „Integrations“-Funktion?<br />
Eine genauere Bestimmung der Tragfähigkeit des Konzepts der „Grundversorgung“ für<br />
die Weiterentwicklung des Rundfunkverfassungsrechts ist nur zu gewinnen, wenn man<br />
den Blick zurück auf die Anfänge der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts<br />
zur Funktion der Rundfunkfreiheit als einer „dienenden Freiheit“ wendet. Insbesondere<br />
im zweiten Rundfunkurteil5 hat das BVerfG das gesamte Programm an die Funktion<br />
der „Integration“ gebunden, die stark um das politische System zentriert ist: „Der<br />
Rundfunk wirkt auch mit den Sendungen außerhalb des Bereichs der eigentlichen Information<br />
und politischen Unterrichtung an der Meinungsbildung mit“. Meinungsbildung<br />
geschieht danach auch in „Hörspielen und musikalischen Darbietungen“. 6 „Das<br />
Sendeprogramm kann infolge dessen nicht in einzelne Teile zerlegt werden, sondern<br />
muss als einheitliche Veranstaltung gesehen werden.“ In späteren Urteilen zum Begriff<br />
der „Grundversorgung“ wird dies stets vorausgesetzt, wenngleich das Bundesverfassungsgericht<br />
sich später vielfach nur vage in diese Richtung äußert. Immer wieder betont<br />
das Gericht, es komme darauf an, dass die „in Betracht kommenden gesellschaftlichen<br />
Kräfte (!) im Gesamtprogramm zu Worte kommen“ 7. Der Rundfunk „gibt dem<br />
Einzelnen und den gesellschaftlichen Gruppen Gelegenheit zu meinungsbildendem<br />
Wirken“.<br />
Man muss zum Verständnis dieser Rechtsprechung auch die Urteile zur Funktion der<br />
politischen Parteien heranziehen: Der Rundfunk ist danach der erste Ring in einem System<br />
konzentrischer Kreise; dessen zweiten Ring bilden die Parteien, die „Zwischenglieder<br />
zwischen Bürger und den Staatsorganen“. Die politischen Parteien sammeln und leiten<br />
die auf die politische Macht bezogenen Meinungen, Interessen und Bestrebungen,<br />
sie „gleichen sie in sich aus und formen sie zu Alternativen, unter denen die Bürger auswählen<br />
können“ 8. Den inneren Kreis dieses Integrationsgefüges bilden die „politischen<br />
Führungsorgane des Staates“. Ob die Funktion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks<br />
für die Vergangenheit damit angemessen beschrieben worden ist, sei dahingestellt. Dass<br />
dies für die Gegenwart aber nicht mehr zutrifft, sollte außer Frage stehen. Damit wird<br />
letztlich die Eigenständigkeit der <strong>Medien</strong>, hier des Rundfunks, politisch funktionalisiert,<br />
wenngleich nicht für eine bestimmte politische Richtung. Ob dies aber mit der Autonomie<br />
der <strong>Medien</strong> vereinbar ist, die das Grundgesetz durch die objektiv-rechtlich zu<br />
verstehende Rundfunkfreiheit gewährleisten wollte, ist zweifelhaft.<br />
4. Programmautonomie oder Schutz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks vor<br />
sich selbst?<br />
Jedenfalls erklären sich aus dieser Funktionsbindung des Rundfunks die Versuche, seine<br />
abnehmende faktische Fähigkeit zur Integration dann auf diejenigen Rezipienten zu<br />
beschränken, die für die klassische „Rundfunkvielfalt“ noch zu erreichen sind oder ihn<br />
materiell auf die Produktion eines feststehenden Bestandes „meritorischer Güter“ zu<br />
5 BVerfGE 31, 309, 312; aber auch 12, 205, 259.<br />
6 BverfGE 12, 260.<br />
7 BVerfGE 31, 314,325; 35, 202, 222; 73, 118 ff.<br />
8 BVerfGE 44, 125,145f.<br />
96
Ladeur · Funktionsauftrag des Public Service<br />
beschränken, die auf dem Markt nicht produziert werden. Das eine wäre die Option für<br />
eine Art „Schmalspurintegration“, das andere läuft auf die gesetzlich definierte Kompensation<br />
von Marktversagen hinaus. Dies wäre aber keine Konzeption, die der Autonomie<br />
der <strong>Medien</strong>, insbesondere des Rundfunks, als eines Teilsystems der Gesellschaft<br />
gerecht wird. Bei Bullinger reduziert sich die Integrationsfunktion des Rundfunks darauf,<br />
dass er zum „gesellschaftlichen Zusammenhalt“ beitragen soll. Diese Konzeption<br />
bleibt jedoch konturlos, wenn man das Integrationsverständnis von seinen politischen<br />
Referenzen befreit. Alle gesellschaftlichen Kommunikationen können irgendwie „zum<br />
gesellschaftlichen Zusammenhalt“ beitragen – dies gilt auch für die Nachmittagsshows<br />
der privaten Veranstalter.<br />
Charakteristisch ist aber gerade die Zentrierung des öffentlichen Rundfunks um die Politik<br />
und ein gesamthaftes Verständnis von Kultur.<br />
Bei Holznagel und Vesting wird demgegenüber die prozedurale Selbstdefinition der<br />
Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks von der Bindung an den Gruppenpluralismus<br />
gelöst und mit der professionellen Komponente der Rundfunkorganisation verknüpft.<br />
Das Vertrauen in die Leistungen der Gruppen ist auch bei diesen Autoren eher<br />
begrenzt. Das bedeutet, der Rundfunk wählt letztlich seine Aufgaben selbst, da weder<br />
das Gesetz noch der Gruppenpluralismus ausreichende Orientierung im Angesicht des<br />
schnellen Wandels und der Veränderungen der Öffentlichkeit bieten können. Die „prozedurale“<br />
Konzeption des Funktionsauftrags gerät so aber in eine gefährliche Nähe zur<br />
Tautologie: Der Public Service ist das, das die Anstalten als solchen definieren. Dieser<br />
Gefahr ist nur dann zu entgehen, wenn die Funktion der Massenmedien zunächst eigenständig<br />
bestimmt und darauf erst die Selbstdefinition als Kern der Rundfunkautonomie<br />
bezogen wird.<br />
5. Die Autonomie des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als Teil der Autonomie der<br />
Massenmedien<br />
Die prozedurale Konzeption des Funktionsauftrags des öffentlich-rechtlichen Rundfunks<br />
gerät durch ihre Offenheit in eine gefährliche Nähe zur Tautologie: Die Funktion<br />
des Rundfunks wird durch den Rundfunk selbst definiert. Dieser Gefahr ist nur dann<br />
zu entkommen, wenn die Funktion der <strong>Medien</strong> insgesamt zunächst eigenständig (neu)<br />
bestimmt wird, und die Konsequenzen aus der Lockerung der Bindung an den mit der<br />
Verteilungsknappheit verknüpften Gruppenpluralismus für den Rundfunk gezogen<br />
werden.<br />
Hier bietet sich ein Anschluss an die Luhmannsche systemtheoretische Begriffsbildung<br />
an: Man muss nur die Autonomie der Massenmedien begrifflich schärfer fassen und sie<br />
aus der unproduktiven Bindung an die politische Integrationsfunktion befreien. Die<br />
„Funktion der Massenmedien“ besteht danach in der ständigen Erzeugung und Bearbeitung<br />
von Irritation. 9 Nur auf dieser Grundlage ist es – nach Luhmann – möglich, die<br />
„moderne Gesellschaft in ihrem <strong>Kommunikations</strong>vollzug endogen unruhig einzurichten<br />
wie ein Gehirn und sie damit an einer all zu starken Bindung an etablierte Strukturen<br />
zu hindern“ (175). Als faktische Leistung stellt sich dann nicht „Integration“ ein,<br />
sondern „die Welt- und Gesellschaftsbeschreibungen, an denen sich die moderne Gesellschaft<br />
innerhalb und außerhalb des Systems ihrer Massenmedien orientiert“.<br />
9 N. Luhmann: Die Realität der Massenmedien, 2. Aufl., Opladen 1996, S. 174.<br />
97
M&K 48. Jahrgang 1/2000<br />
Über diesen theoretischen Zwischenschritt ließe sich die öffentlich-rechtliche Organisation<br />
des Rundfunks als ein institutioneller Versuch beschreiben, die besonderen Risiken,<br />
die mit der Zeitabhängigkeit des Rundfunks verbunden sind (hohe Investitionskosten,<br />
Ungewissheit der Abschätzung des Zuschauerinteresses), und den davon ausgehenden<br />
besonderen Konformitätsdruck zu begrenzen. Der Bezug auf die Unterscheidung<br />
von Mehrheits- und Minderheitsinteressen führt in die Diskussion um die „Grundversorgung“<br />
leicht einen falschen paternalistischen Zungenschlag ein. Diese medienökonomischen<br />
Risiken werden durch den Preisauftrieb bei den Programmrechten noch gesteigert.<br />
Die öffentlich-rechtliche Organisationsform soll dazu dienen, den „Varietätspool“<br />
der Programmkomponenten und -formate zu erhalten; deshalb darf und muss der<br />
Rundfunk auch durchaus bewährte massenwirksame Komponenten weiterentwickeln,<br />
zumal auch die Öffentlich-Rechtlichen das Recht haben müssen, im Angesicht der Ungewissheit<br />
der Erwartungen eine „Marke“ zu entwickeln, an der sich Zuschauer orientieren<br />
können. Trotz des häufigen Wechsels zwischen den Kanälen ist es keineswegs so,<br />
dass die Angebote in einem unstrukturierten offenen Optionenraum aufgehen. Auf diesem<br />
Hintergrund erhält die Akzentuierung der Fähigkeit der öffentlich-rechtlichen<br />
Rundfunkanstalten zur Selbstdefinition ihres Programms ihre Konturen.<br />
Der alte „Integrationsrundfunk“ war auf eine nicht unproblematische Weise an das politische<br />
System gekoppelt, der private Rundfunk ist in erheblichem Maße ökonomischen<br />
Zwängen ausgesetzt, die seine Autonomie begrenzen. Dieser Gedanke der Bindung von<br />
Ungewissheit durch die öffentlich-rechtliche Organisation und die dadurch gewährleistete<br />
Fähigkeit zur Selbstdefinition lässt die von Bullinger stärker akzentuierte Notwendigkeit<br />
zur Selbstbeobachtung und Evaluation der Leistung des öffentlich-rechtlichen<br />
Rundfunks in einem anderen Licht erscheinen. Dies erscheint als ein durchaus fruchtbarer<br />
Gedanke, zumal die Gewährleistung von Vielfalt durch den Rundfunkrat stark auf<br />
relativ einfache politische Alternativen festgelegt zu sein scheint. Selbstentwurf und<br />
Selbstbeobachtung der Öffentlich-Rechtlichen müssten stärker nach Qualitätszielen<br />
differenziert und dadurch sowohl transparent als auch auf externe (nichtstaatliche)<br />
Fremdevaluation angelegt werden. Auf dieser Grundlage ließe sich auch nach einer neuen<br />
Funktionsverteilung zwischen gesetzlicher Fremd- und autonomer Selbstregulierung<br />
der Rundfunkanstalten suchen. Die Verknüpfung der Kernaufgabe der Grundversorgung<br />
mit einer Mehrzahl unterschiedlicher Spartenprogramme und Multimediadienste<br />
erscheint durchaus legitim, solange sich diese Programme und Dienste zu einem Netzwerk<br />
verknüpfen lassen, das auf die Erhaltung der Offenheit des Rundfunkproduktionsprozesses<br />
festgelegt ist und nicht primär destruktiv privaten Veranstaltern, etwa<br />
durch Vervielfachung ähnlicher Programme, Zuschauer bzw. Hörer abjagen soll. Dazu<br />
könnte eine zahlenmäßige Beschränkung der Programme beitragen, die die Öffentlich-<br />
Rechtlichen jedenfalls daran hindert, „more of the same“ zu produzieren, etwa zwei musikbasierte<br />
Jugendprogramme, die sich an dieselbe Altersgruppe wenden. Die zwangsläufig<br />
sich vollziehende Ablösung von der Orientierungsleistung des Binnenpluralismus<br />
der Gruppen, die den Rundfunk eher inhaltlich an ein relativ festliegendes Spektrum<br />
kultureller Vielfalt gebunden haben, muss als Randbedingung für die Neujustierung des<br />
Funktionsauftrags akzeptiert werden.<br />
Es sollte immerhin deutlich geworden sein, dass die Akzentuierung der Autonomie der<br />
Massenmedien zu einer neuen prozeduralen Legitimation des öffentlich-rechtlichen<br />
Rundfunks beitragen kann; Voraussetzung dafür ist aber die Auflösung der Verbindung<br />
mit einem problematischen Verständnis des „Integrationsrundfunks“, der im Zeitalter<br />
der Fragmentierung der Öffentlichkeiten seine Grundlage verliert. Nur dann ist auch<br />
98
Ladeur · Funktionsauftrag des Public Service<br />
das Konzept der prozeduralen Rundfunkfreiheit nachvollziehbar: Es dient dann dazu,<br />
den „Varietätspool“ der Gesellschaft zu erhalten und dafür in Gestalt der öffentlichrechtlichen<br />
Rundfunkanstalten eine Corporate Identity zu finden. Demgegenüber ist<br />
der private Rundfunk sehr viel stärker den Risiken der Programmproduktion und deren<br />
Finanzierung ausgesetzt, in der Wahl seiner Themen und Formen wird er durch<br />
ökonomische Zwänge begrenzt.<br />
Das Bundesverfassungsgericht hat immer die objektiv-rechtliche Bedeutung der als<br />
Vielfaltsgarantie verstandenen Rundfunkfreiheit akzentuiert und ein subjektives Recht<br />
auf ein „Zuwortekommen“ der im Rundfunkrat vertretenen Organisationen verworfen.<br />
Dann muss sich auch die Aufgabe des Gruppenpluralismus verändern können. Die Repräsentation<br />
der Gruppen konnte unter den Bedingungen der Vergangenheit den Rundfunk<br />
auf politische „Integration“ verpflichten – was immer das im Einzelnen bedeuten<br />
mag. Aufgrund der gesteigerten Dynamik der Rundfunkentwicklung sollte eine Akzentverschiebung<br />
möglich sein: Der Gruppenpluralismus dient dann eher dazu, die ökonomischen<br />
Zwänge abzupuffern, unter denen ein werbungsfinanzierter Rundfunk steht,<br />
und eine nach medieninternen Gesichtspunkten fungierende Autonomie gegen „Korruption“<br />
durch Eigeninteressen der <strong>Medien</strong>produzenten zu sichern. Der Rückgriff auf<br />
die „Integrationsaufgabe“ des öffentlich-rechtlichen Rundfunks10 führt in eine Argumentationsfalle:<br />
Die Investition in „massenattraktive Bereiche“ wird dann zu einer Art<br />
Eigenwerbung mit dem Ziel, „das Abwandern von Zuschauern zu verhindern“. Unter<br />
der Hand wird das Rezipieren von öffentlich-rechtlichen Programmen schlechthin dann<br />
selbst zur gelungenen „Integration“. Insbesondere das ARD-Papier verstrickt sich hier<br />
ganz offen in Widersprüche. So werden auf der einen Seite „überdurchschnittliche Anstrengungen“<br />
in Bereichen „verlangt, die von Privatsendern dominiert werden“ (S. 21).<br />
Dazu wird auch der „Spitzensport“ gerechnet. Im gleichen Atemzug wird aber diese<br />
Aktivität damit legitimiert, dass sonst „viele Zuschauer nicht mehr zu erreichen“ seien.<br />
Eine solche Entwicklung wird als Nichterfüllung des „Integrationsauftrags“ interpretiert.<br />
Diese Argumentation erscheint schwer nachvollziehbar, läuft sie doch darauf hinaus,<br />
gerade die teuersten Programme, Sportübertragungen, Hollywood-Filme, große<br />
Shows letztlich als „Zugaben“ anzusehen, deren Annahme den Zuschauer vielleicht veranlassen<br />
könnte, sich auf den eigentlichen „Integrationsauftrag“ einzulassen. Dies müsste<br />
schon wegen der Kosten als völlig unverhältnismäßig angesehen werden, zumal im<br />
Zeitalter des Zappens die Wahrscheinlichkeit, dass ein Zuschauer durch das Betrachten<br />
von Spitzensportereignissen ein Interesse an „Panorama“ gewinnen könnte, nicht besonders<br />
groß sein dürfte. Wenn die Öffentlich-Rechtlichen den „Integrationsauftrag“ so<br />
sehr ins Zentrum rücken, unterstützen sie ungewollt die Argumentation der Privaten,<br />
die konsequenterweise ein verstärktes Engagement gerade im Kernbereich des „Integrationsrundfunks“<br />
verlangen. Gerade im Bereich der Sportübertragungen ist die<br />
Eigenständigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auch kaum besonders ausgeprägt.<br />
Deshalb ist es hier besonders schwer nachvollziehbar, dass Hunderte von Millionen<br />
DM für Sportrechte ausgegeben werden sollen, nur damit das „Abwandern“ von<br />
Zuschauern (nicht einmal aus dem Kernbereich des Integrationsfunks!) verhindert werden<br />
kann.<br />
10 Vgl. das Grundsatzpapier der ARD zur Perspektive des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, in:<br />
epd medien Nr. 9 v. 6.2.1999, S. 1 ff.<br />
99
M&K 48. Jahrgang 1/2000<br />
6. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk und die neuen Probleme der <strong>Medien</strong>ökonomie<br />
Bullinger trifft durchaus einen schwachen Punkt der Organisation des öffentlich-rechtlichen<br />
Rundfunks, wenn er auf Tendenzen zur Anpassung an die Bedingungen der<br />
Kommerzialisierung in der dualen Rundfunkordnung hinweist. Man muss sich in der<br />
Tat fragen, wie der Prozess der Selbstdefinition des öffentlich-rechtlichen Rundfunks<br />
nach der Abschwächung der Orientierung durch Gruppenpluralismus auf die Veränderungen<br />
im System des Vielkanalfernsehens eingestellt ist: Die Gruppenstruktur ist ihrerseits<br />
eine Frucht der Koppelung des Rundfunksystems an das politische. Es setzt die<br />
Zentrierung um ein politisches Forum der Gesellschaft voraus und versucht, die Verknüpfung<br />
des Mediums mit der Politik durch Pluralisierung abzuschwächen und für<br />
Veränderung offen zu halten. Wenn die Gewichte innerhalb der Vollprogramme, aber<br />
auch im Netzwerk der Spartenprogramme und Zusatzinformationen (Online) sich verschieben,<br />
ist es erforderlich, mindestens über ergänzende Formen der Selbstregulierung<br />
des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nachzudenken, die das Konzept der „Prozeduralisierung“<br />
jenseits der bloßen Verweisung an das professionelle Selbstverständnis der<br />
Programmmacher mit Leben füllen könnten. In dieser Hinsicht ist Bullingers Überlegung<br />
über eine genauere gesetzliche Definition eines zugleich erweiterungsfähigen<br />
„Funktionsauftrags“ der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt und deren Verknüpfung<br />
mit einem System der Selbst- und Fremdevaluation durchaus produktiv. Darauf<br />
haben die Öffentlich-Rechtlichen bisher nur defensiv reagiert, wenngleich tatsächlich<br />
mit dem „Qualitätsmanagement“ durch Programmbeobachtung schon experimentiert<br />
wird. Andererseits ist ein eng definierter Funktionsauftrag – wie er Bullinger vorschwebt<br />
– nicht angemessen. Dass er kaum mit der Rechtsprechung des BVerfG vereinbar<br />
ist, mag angesichts des qualitativen Wandels des Rundfunksystems, der dieser<br />
Rechtsprechung selbst den Boden entziehen wird, nicht mehr stark ins Gewicht fallen.<br />
Letztlich steht aber hinter dem Gutachten die Vorstellung von der Normalität einer privatwirtschaftlichen<br />
<strong>Medien</strong>struktur, gegenüber der sich der Rundfunk durch eine besondere,<br />
Marktdefizite kompensierende Leistung legitimieren muss. Bullinger geht davon<br />
aus, dass das Rundfunksystem sich mehr und mehr der Struktur der Presse annähert<br />
und deshalb der öffentlich-rechtliche Rundfunk als ein Rudiment der früheren Ordnung<br />
einer neuen Rechtfertigung bedarf. Diese Überlegung geht m. E. daran vorbei, dass die<br />
Veränderungen der <strong>Medien</strong> im Zuge der Digitalisierung eine Innovation ist, die nach<br />
neuen Rechtsformen verlangt, nicht aber eine Ausdehnung der Normalität des Marktes<br />
auch auf das Rundfunksystem bedeutet: Hier ist zunächst zu berücksichtigen, dass die<br />
Lösung des Problems der Verteilungsknappheit (der Sendemöglichkeiten), zu dessen<br />
Abspannung der öffentlich-rechtliche Rundfunk auch gegründet worden ist, ein neues<br />
Problem geschaffen oder jedenfalls sichtbar gemacht hat, nämlich das der Produktionsökonomie<br />
der Programme und des schnellen Wandels der Zuschauerinteressen, die sich<br />
ihrerseits nicht mehr an stabilen Gruppenpositionen orientieren: An die Stelle der<br />
Knappheit der Sendemöglichkeiten tritt in Zukunft mehr und mehr die Knappheit der<br />
Programme. Die Preise für attraktive Programme (Filme, Sport, „Big Events“) steigen<br />
seit Jahren. Dies hängt nicht nur mit dem Massengeschmack zusammen, an dem sich<br />
das Fernsehen nun einmal orientieren muss, sondern auch mit den spezifischen Risiken<br />
der Fernsehökonomie als einer „Ökonomie des Neuen“. Die Programme müssen einerseits<br />
neu (d. h. unbekannt) sein und zugleich aber bestimmte vorhandene Erwartungen<br />
des Zuschauers ansprechen, weil sonst auch die Filme, von denen sich im Nachhinein<br />
herausstellt, dass sie dem Publikum gefallen hätten, nicht gesehen werden. Dies führt<br />
100
Ladeur · Funktionsauftrag des Public Service<br />
zu einer überproportionalen Preissteigerung bei bestimmten Genres, weil „das Neue“,<br />
das schon einmal Aufmerksamkeit gefunden hat (durch die „Wiedererkennung“ von<br />
„Stars“ oder durch bestimmte Sendeformate, Serien etc.), eine Exklusivität erzeugt, die<br />
zum Monopol tendiert. Dies wird besonders deutlich im Sport. Die Spiele der Fußballbundesliga<br />
konkurrieren weder mit anderen Unterhaltungsangeboten noch untereinander.<br />
Dadurch werden die Programme immer teurer, eine Entwicklung, die die Refinanzierung<br />
durch Werbung gefährdet. Dies wirkt sich im Free-TV in einer extremen Auseinanderentwicklung<br />
von teuren und billigen Programmen aus, die die Preissteigerung ausgleicht.<br />
(Unter diesem Gesichtspunkt ist auch das starke Interesse an „Erotik“-Filmen<br />
zu sehen: Sie erlauben eine ideale Verknüpfung von niedrigen Kosten, gesicherter Erwartung<br />
und Produktion des „Neuen“.)<br />
Auch die Probleme der Effizienz der Werbung (Streuverluste bei Fragmentierung der<br />
Interessen) zwingen das Free-TV dazu, in Zukunft immer mehr die tradierten Grenzen<br />
zwischen Werbung und Programm durch neue „hybride“ Formate in Frage zu stellen.<br />
Dazu gibt es eindeutige strategische Erklärungen der großen privaten Veranstalter; diese<br />
Tendenz wird sich kaum aufhalten lassen, wenn man nicht die Finanzierung von Free-<br />
TV privater Veranstalter gefährden und die Tendenz zur Entwicklung von Pay-TV noch<br />
stärker fördern will. Auch diese Entwicklung zeigt, dass das Rundfunksystem sich insgesamt<br />
in einem Wandlungsprozess befindet, den man nur verfehlen kann, wenn man<br />
das Augenmerk – wie Bullinger dies tut – primär auf den Veränderungsdruck lenkt, unter<br />
dem der öffentlich-rechtliche Rundfunk steht. Die Tendenz zur Entwicklung neuer<br />
Werbeformen wird insbesondere durch die Probleme der Finanzierung teurer werdender<br />
Programme verstärkt.<br />
7. Zu den Möglichkeiten und Zwängen der Bildung von „Marken“ für öffentlichrechtliche<br />
und private Fernsehveranstalter<br />
Der Druck zur Erschließung neuer Finanzierungsquellen, der auf den privaten Veranstaltern<br />
lastet, ist zugleich ein neuer Grund dafür, innerhalb eines multipolaren <strong>Medien</strong>systems<br />
jenseits der dualen Rundfunkordnung jedenfalls ein von den Zwängen der<br />
<strong>Medien</strong>wirtschaft stärker abgekoppeltes <strong>Medien</strong>system aus öffentlichen Mitteln zu finanzieren.<br />
Die vordergründige Marktorientierung der Kritiker des öffentlich-rechtlichen<br />
Rundfunks übergeht auch die Zwänge zur Eigenwerbung der Veranstalter mit Programmen,<br />
die für das Neue werben müssen und infolge dessen nicht klaren Präferenzen<br />
der Zuschauer entsprechen können. Damit stehen die Fernsehveranstalter mehr als in<br />
der Vergangenheit unter dem Zwang, eine „Marke“ aufzubauen, die die Aufmerksamkeit<br />
der Zuschauer binden und Interesse auch jenseits der gerade konsumierten Programmelemente<br />
(z. B. Fußballberichte) erzeugen kann. Dies zeigt sich bei den Privaten<br />
daran, dass sie die Kosten der Fußballberichterstattung nicht mehr aus der Werbung finanzieren<br />
können, aber sich dennoch einen Gewinn durch die Möglichkeit zur Platzierung<br />
von spezifischer Eigenwerbung oder allgemein durch (Sympathie-)Werbung für<br />
das gesamte Programm erhoffen. Dies hängt wiederum damit zusammen, dass die<br />
Schwierigkeit der Bestimmung der Zuschauerpräferenzen ihre Kehrseite in einer gewissen<br />
„Volatilität“ der Aufmerksamkeit für Anregungen besteht. Nicht zuletzt deshalb ist<br />
auch ein jüngeres Publikum für die Privaten interessanter als ein älteres: Das jüngere ist<br />
offener für das Neue und kann dafür leichter mobilisiert werden. Dies bietet auch die<br />
Möglichkeit zur Entwicklung einer „Marke“, mit der sich Erwartungen bilden und bin-<br />
101
M&K 48. Jahrgang 1/2000<br />
den lassen. Auch das künftige Vielkanalfernsehen (insbesondere das digitale Pay-TV)<br />
wird nicht – wie Bullinger zu meinen scheint – dem Zuschauer einzelne Programmsegmente<br />
anbieten können – dies wäre wegen der besonderen Bedingungen der <strong>Medien</strong>ökonomie<br />
viel zu riskant für die Veranstalter –, sondern eben eine „Marke“ entwickeln,<br />
die die Aufmerksamkeit des Zuschauers unter Bedingungen von Teilwissen gewinnen<br />
kann. 11<br />
Auch dies ist ein Grund dafür, dass die öffentlich-rechtlichen Veranstalter nicht nur Programmelemente<br />
anbieten können, die von den Privaten nicht ausreichend produziert<br />
werden. Die „Marke“, die die öffentlich-rechtlichen Anstalten ihrerseits bilden müssen,<br />
muss eigenständig bestimmt werden können und dynamisch, d. h. auf Veränderung angelegt<br />
sein, weil sonst der Zugang zu einem größeren Publikum nicht gewonnen werden<br />
kann. Die Öffentlich-Rechtlichen von vornherein auf bestimmte Programmsegmente<br />
festzulegen, würde der Dynamik des neuen <strong>Medien</strong>systems widersprechen. Deshalb<br />
müssen den Öffentlich-Rechtlichen alle Formate einschließlich der Unterhaltung offen<br />
stehen. Wie ein Vielfaltskonzept unter veränderten Bedingungen formuliert werden<br />
kann, muss von den Veranstaltern in einem Prozess der Selbstdefinition und der Selbstund<br />
Fremdevaluation festgelegt werden; in dieser Hinsicht ist das weiter gefasste Verständnis<br />
der Autonomie der Rundfunkanstalten insbesondere bei Vesting durchaus<br />
funktional.<br />
Diese Überlegung zur Bedeutung der Markenbildung lässt sich am Beispiel der Werbung<br />
der Pay-TV-Veranstalter demonstrieren: DF 1 und Premiere haben mit einem<br />
Bündel von Programmangeboten geworben, für das eine gemeinsame Marke aufgebaut<br />
wurde (Premiere World), an die jeweils spezifische Werbung für einzelne Angebote angekoppelt<br />
werden kann. Wenn man dies berücksichtigt, ist es auch unter Bedingungen<br />
des Vielkanalfernsehens sinnvoll, öffentlich-rechtlichen Veranstaltern die Entwicklung<br />
von Vollprogrammen nach einem offenen Vielfaltskonzept mit verschiedenen Programmelementen<br />
vorzugeben, um das dann entsprechend den sich verändernden Nutzergewohnheiten<br />
Spartenkanäle und weitere Zusatzangebote gruppiert werden, die bestimmte<br />
Schwerpunkte eines Public-Service-Fernsehens bilden. Es mag durchaus sein,<br />
dass die Entwicklung des Pay-TV und des Internet-TV möglicherweise zu einer so<br />
grundlegenden Veränderung der <strong>Medien</strong>nutzung führt, dass auch dieses Konzept des<br />
Fernsehens sich nicht mehr halten lässt. Einstweilen ist dies aber nur Spekulation. D. h.<br />
wenn man den Akzent stärker bei der Produktion vielfältiger Programme und Programmsegmente<br />
setzt, besteht vorläufig kein Grund dafür, das Spektrum der Angebote<br />
der Öffentlich-Rechtlichen thematisch zu beschränken oder den öffentlich-rechtlichen<br />
Rundfunk auf tradierte Angebotsformen festzulegen, wie Bullinger dies offenbar für<br />
richtig hält.<br />
8. Prozeduralisierung des Rundfunks durch den Zwang zum Entwurf und zur<br />
Evaluation eines auf Veränderung angelegten markenbildenden „Konzepts“<br />
Andererseits ist entsprechend den oben angestellten Überlegungen durchaus eine prozedurale<br />
Form der Reflexion der Leistungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu<br />
entwickeln, durch das diese ihre eigene „Marke“ bestimmen und für die Öffentlichkeit<br />
11 Vgl. dazu allg. C. Shapiro/ H. R.Varian: Information Rules – A Strategic Guide to the Network<br />
Economy, Boston 1998; M. J. Wolf: The Entertainment Economy, New York 1999.<br />
102
Ladeur · Funktionsauftrag des Public Service<br />
transparent machen könnten. Dazu besteht durchaus Anlass, weil tatsächlich bestimmte<br />
Anpassungen an die „Marken“ der Privaten zu beobachten sind, die die Frage nach<br />
der Legitimation einzelner Programmteile aufwerfen. D. h. es ist durchaus richtig, dass –<br />
wie Vesting und Holznagel betonen – die Autonomie der Rundfunkanstalten sich auch<br />
auf die Definition des Programmspektrums selbst beziehen muss, andererseits ist es aber<br />
erforderlich, ein prozedurales, nicht allein auf den Gruppenpluralismus basierendes<br />
Strukturelement in die Regulierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks einzubauen,<br />
das diese Säule des multipolaren Rundfunksystems darauf festlegt, auch ein – wenn auch<br />
variables – Konzept zu definieren und ihre Programmpraxis daran messen zu lassen. Die<br />
auch rechtlich abgestützte Notwendigkeit zur Selbstfestlegung der öffentlich-rechtlichen<br />
Anstalten wird nicht nur durch unreflektierte Tendenzen zur Selbstanpassung an<br />
Bedingungen der Kommerzialisierung, sondern auch durch Äußerungen aus dem Bereich<br />
der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten bestätigt: So hat z. B. Peter Voß,<br />
Vorsitzender der ARD und Intendant des Südwestrundfunks, die Beteiligung der Öffentlich-Rechtlichen<br />
an Fußballübertragungen mit den Zwängen der politischen Legitimation<br />
der Rundfunkgebühr begründet. Dies ist letzten Endes nichts anderes als eine<br />
Umformulierung der „Quote“ als Kriterium für die Programmwahl. Der Ansatz erscheint<br />
auch insofern widersprüchlich, als angesichts der Kosten der Senderechte entweder<br />
eine Verteilung durch Umwidmung zu Lasten anderer Programmkomponenten<br />
stattfinden müsste oder die Gebühr allein zur Finanzierung von Sportübertragungen erhöht<br />
werden müsste. Diesem Dilemma darf sich eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt<br />
anders als ein privater Veranstalter nicht aussetzen. Die Akzentverlagerung zur<br />
Produktion rechtfertigt allerdings auch ein stärkeres Engagement der Öffentlich-Rechtlichen<br />
in der Entwicklung von Online- und anderen <strong>Medien</strong>diensten, insbesondere zur<br />
Nutzung des Internet und anderer neuer Technologien (wie des UMTS).<br />
Die Diskussion über den „Funktionsauftrag“ des öffentlich-rechtlichen Rundfunks<br />
(Public Service Broadcasting) wird auch in anderen Ländern geführt, so etwa in Großbritannien<br />
über die Stellung der BBC. Die Vorschläge der zu ihrer Überprüfung eingesetzten<br />
Kommission gehen dahin, die kommerziellen Aktivitäten (BBC-World), die die<br />
BBC unternimmt, durch Privatisierung abzutrennen, im Übrigen die Mittel der BBC gerade<br />
für die Nutzung des Internet und anderer neuer Sendeformen jedenfalls für einige<br />
Jahre durch einen Aufschlag auf den Kaufpreis digitaler Fernsehgeräte zu finanzieren,<br />
d. h. die BBC soll nicht auf ihre traditionelle Funktion zurückgeführt werden. Die BBC<br />
hat ihre Internet-Angebote übrigens inzwischen so weit ausgebaut, dass in der Literatur<br />
von der besten Web-Site im englischen Internet die Rede ist, dessen Inhalte häufig abgerufen<br />
werden. Allerdings wird dies in Zukunft die Abgrenzung eigener Angebote von<br />
denjenigen erschweren, zu denen über die Portalfunktion (mit entsprechenden Werbemöglichkeiten)<br />
der Zugang eröffnet wird. Dies bestätigt die Überlegung, dass die Zukunft<br />
des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auch und gerade von den Möglichkeiten<br />
zum Aufbau von Internet-Fernsehen und anderen Multimedia-Angeboten bestimmt<br />
werden muss und nicht an der gesetzlichen Befestigung des Status quo.<br />
Der „Funktionsauftrag“ der Öffentlich-Rechtlichen kann deshalb nicht in einer materiellen<br />
Festlegung bestimmter Funktionen bestehen (Integration, Vorbild, Forum etc.), er<br />
muss mehr Flexibilität für die Selbstdefinition unter Berücksichtigung der wachsenden<br />
Bedeutung der Produktion von Inhalten gewähren. Dies darf aber nicht, wie die Gutachten<br />
von Vesting und Holznagel teilweise nahe legen, mit einer unstrukturierten Autonomie<br />
gleichgesetzt werden. Die angesichts der Vielfalt der Möglichkeiten erweiterte<br />
Autonomie der Programmentwicklung und der Zwang zur Eröffnung von Experimen-<br />
103
M&K 48. Jahrgang 1/2000<br />
tierspielräumen ist auf der anderen Seite durch gewisse prozedurale Vorgaben für die<br />
Offenlegung der Entwicklungsstrategie, der Formen der Selbst- und Fremdevaluation<br />
für die variable Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu strukturieren. So kann<br />
es z. B. im Angesicht der Kosten-Nutzen-Relationen durchaus erforderlich werden, bestimmte<br />
Formate und Komponenten ganz oder teilweise aufzugeben, wie z. B. die Direktübertragung<br />
von Sportereignissen, nicht aber die Sportberichterstattung. Hier orientiert<br />
sich die Selbstwahrnehmung der Anstalten vielfach zu sehr an der eigenen Vergangenheit<br />
und an der Gegenwart der Privaten. Andererseits käme es darauf an, gerade<br />
in der Produktion neue Akzente zu setzen, die durchaus langfristig neue Bindungen<br />
auch eines jugendlichen Publikums erzeugen können. Das ZDF entspricht z. B. mit seinen<br />
umfangreichen Online-Angeboten dieser Notwendigkeit zum Experimentieren mit<br />
einer neuen variablen Netzstruktur unterschiedlicher Komponenten, die um ein „Vollprogramm“<br />
gruppiert sind, am ehesten. Dieser Aufbau eines solchen flexiblen Netzwerks<br />
aus Voll-, Spartenprogrammen, Internet-Angeboten etc. wäre also der Gegenstand<br />
eines offenen, stets neu zu reflektierenden und zu evaluierenden „Funktionsauftrags“<br />
der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten.<br />
Ein besonderes Problem wirft sicher der Hörfunk auf, mit dem sich das Gutachten von<br />
Vesting auseinander setzt. Das Radio ist immer stärker zu einem „Nebenmedium“ geworden,<br />
das sich kaum noch sinnvoll an Vielfaltsanforderungen der Rechtsprechung des<br />
Bundesverfassungsgerichts messen lässt. Vesting meint deshalb, es müsse den ARD-Sendern<br />
gestattet sein, auch ein weitgehend als Musikprogramm konzipiertes Jugendradio<br />
anzubieten, um darüber den späteren Umstieg von Jugendlichen in andere Programmformen<br />
der Öffentlich-Rechtlichen zu ermöglichen oder zu erleichtern. Es erscheint auf<br />
den ersten Blick nicht unbedenklich, die Eigenwerbefunktion derart in den Vordergrund<br />
zu rücken. Dennoch ist dies letztlich ein zutreffender Gedanke. Vesting stellt mit<br />
Recht auf die starke Fragmentierung der Hörerinteressen in den letzten Jahren ab, denen<br />
ein vielfältiges Programm im traditionellen Sinne kaum mehr entsprechen kann.<br />
Auch im Hörfunk wird es darauf ankommen, die „Marke“ der Öffentlich-Rechtlichen<br />
insgesamt zu akzentuieren und sie zum Bezugspunkt der Selbst- und Fremdevaluation<br />
der gerade im Hörfunk stärker auseinander driftenden Programmkomponenten und<br />
-formate zu machen.<br />
Wenn man die durch den Wegfall der Frequenzknappheit sich verändernden Bedingungen<br />
der <strong>Medien</strong>ökonomie in Rechnung stellt, eröffnet sich auch eine neue Regulierungsperspektive,<br />
die auf das Ziel der Erhaltung von Programmvielfalt in neuer Form<br />
eingestellt ist. Das digitale Pay-TV wird sich voraussichtlich zunächst als dritte Säule eines<br />
neuen Fernsehsystems etablieren, dessen einzelne Komponenten aus Spartenprogrammen<br />
bestehen werden. An solche Programme lassen sich schon begrifflich keine<br />
Vielfaltsanforderungen stellen. Aber die Markenbildung für Programmpakete könnte<br />
einen Ansatzpunkt für eine Strategie der Gewährleistung von Pluralität im neuen <strong>Medien</strong>system<br />
bilden: In Zukunft könnte und sollte die Verknüpfung von Programmangeboten<br />
zu einem Netzwerk (Vollprogramme und ergänzende Programme und Online-<br />
Dienste etc.) oder zu einem Paket von Spartenprogrammen, das über eine „Marke“ angeboten<br />
wird, darauf überprüft werden, ob das Paket als solches vielfältig ist, also z. B.<br />
auch Nachrichten-Angebote, kulturelle Sendungen u. ä. enthält, die von der Werbung<br />
für das Gesamtprogramm profitieren könnten. D. h. es müsste dann die „Marke“ eine<br />
neue Form dynamischer, auf Selbstveränderung angelegter Vielfalt gewährleisten. Was<br />
Vielfalt bedeutet, lässt sich nicht mehr inhaltlich und retrospektiv im Anschluss an schon<br />
vorhandene Formen und Komponenten bestimmen. Hier können Formen der Proze-<br />
104
duralisierung im privaten wie im öffentlich-rechtlichen Rundfunk zur Anpassung der<br />
Dogmatik des Rundfunkrechts beitragen. Vielfalt ließe sich dann auf einer höheren Abstraktionsebene<br />
an eine veränderte <strong>Medien</strong>dynamik anpassen und auf die Suche nach<br />
dem Neuen einstellen.<br />
9. Resümee<br />
Ladeur · Funktionsauftrag des Public Service<br />
Resümierend lässt sich festhalten, dass das Gutachten von Bullinger kaum den gewandelten<br />
Bedingungen des <strong>Medien</strong>systems gerecht wird, weil es zu schematisch auf das<br />
Marktmodell setzt und damit die grundlegenden Veränderungen in der <strong>Medien</strong>ökonomie<br />
und die Herausbildung einer neuen Internet-Ökonomie verfehlt. Das Gutachten<br />
von Holznagel erscheint demgegenüber zu stark retrospektiv an der Selbstdarstellung<br />
der öffentlich-rechtlichen Veranstalter, insbesondere des ZDF orientiert. Es nimmt die<br />
Veränderungen des <strong>Medien</strong>systems m. E. nicht ernst genug und versucht eher reaktiv<br />
das tradierte Verständnis des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch Randkorrekturen<br />
an die neuen Herausforderungen anzupassen und insistiert im Übrigen darauf, dass sich<br />
grundsätzlich nicht so viel geändert habe. Vestings (Teil-)Gutachten stellt sich dagegen<br />
offensiv auf den Wandel ein und entwirft für den Hörfunk ein realistisches Bild der veränderten<br />
Wirkungsmöglichkeiten des Rundfunks, die zu einer Neubestimmung der<br />
Position der Öffentlich-Rechtlichen zwinge. Danach wird stärker die prozedurale<br />
Komponente des öffentlich-rechtlich organisierten Rundfunks akzentuiert, die sich in<br />
der offenen Selbstdefinition einer auf Selbstrevision angelegten Rundfunkaufgabe realisiert.<br />
Dies erscheint durchaus als ein richtiger Schritt.<br />
Nach der hier vertretenen Auffassung muss man aber weiter gehen und auch die Selbstveränderungen<br />
des privaten Rundfunks im Angesicht der Verteuerung von Programmrechten<br />
und der Notwendigkeit zur Entwicklung neuer Werbeformen stärker in Rechnung<br />
stellen und demgegenüber die Bedeutung einer (durch Selbstevaluation) zu kontrollierenden,<br />
von den Zwängen der <strong>Medien</strong>ökonomie entlasteten Programmkonzeption<br />
akzentuieren. Darüber hinaus kommt es darauf an, die Bedeutung der Eigenwerbung<br />
für Programmnetzwerke und -pakete durch Markenbildung aufzunehmen und auch<br />
dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk – jenseits der bloß vordergründigen Orientierung<br />
an „Quoten“ – die Möglichkeit zur Entwicklung eines neuen Konzepts der Vielfalt in<br />
Netzwerken durch Aufbau einer „Marke“ zu geben. Auch die öffentlich-rechtlichen<br />
Anstalten selbst müssten ihre defensive Position aufgeben und sich stärker auf den Wandel<br />
einlassen. Dem wird die einfache Entgegensetzung von Markt und „öffentlicher Aufgabe“<br />
nicht mehr gerecht: Es müsste (und könnte) gezeigt werden, dass die spezifischen<br />
medienökonomischen Bedingungen nach wie vor das Konzept einer von der Autonomie<br />
der <strong>Medien</strong> bestimmten Konzeption eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks rechtfertigen.<br />
In Zukunft käme es stärker darauf an, vergleichend die Entwicklung von Public-Service-Rundfunk<br />
im Ausland zu berücksichtigen und nach einem variablen Set<br />
von „best practices“ zu suchen, das sich mit den Funktionsbedingungen selbst ändert.<br />
Dies könnte ein neues prozedurales Moment der Selbstdefinition des öffentlich-rechtlichen<br />
Rundfunks einführen, das auch schon im Telekommunikationsrecht existiert (§ 3<br />
TK-EntgeltregulierungsVO): Danach wird die Preisbestimmung auch von der Entwicklung<br />
auf vergleichbaren ausländischen Märkten abhängig gemacht. Diese Methode<br />
der Erzeugung neuer Informationen durch systematischen vergleichenden Ansatz führt<br />
ein wichtiges prozedurales Element in das Recht ein, das zur Begrenzung von Proble-<br />
105
M&K 48. Jahrgang 1/2000<br />
men der Entscheidung auf der Grundlage von Teilwissen führt. Sie sollte auch für den<br />
Rundfunk genutzt werden.<br />
Nur ergänzend kann hier auf die europarechtliche Problematik der Verwischung der<br />
Grenzen zwischen öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk, insbesondere durch<br />
Ausweitung der Sparten- und anderer Ergänzungsprogramme hingewiesen werden: Aus<br />
Art. 87 (ex 92) EGV, einer Vorschrift zur Beschränkung öffentlicher Subventionen, sind<br />
Bedenken gegen die Finanzierung von nicht als kulturell „wertvoll“ angesehenen Programmteilen<br />
des Public-Service-Rundfunks abgeleitet worden. Die Protokollerklärung<br />
zum Vertrag von Maastricht rechtfertigt die Tätigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks<br />
und ihre Finanzierung ausdrücklich. Aber damit sind angesichts der Dynamik der<br />
Entwicklung nicht alle Probleme ausgeräumt: Die Erklärung macht diesen Vorbehalt<br />
nämlich von der Übertragung, Festlegung und Ausgestaltung der öffentlichen Aufgabe<br />
abhängig. Eine Öffnung des „Funktionsauftrags“ durch eine rein prozessuale Form der<br />
Selbstdefinition könnte mit diesem Erfordernis kollidieren.<br />
106
Besprechungen<br />
LITERATUR · BESPRECHUNGEN<br />
Martin Jurga<br />
Fernsehtextualität und Rezeption<br />
Opladen/Wiesbaden: Westdeutscher Verlag,<br />
1999. – 223 S.<br />
ISBN 3-531-13359-4<br />
In seiner zentralen Position als Leitmedium<br />
übernimmt das Fernsehen in der <strong>Medien</strong>gesellschaft<br />
eine große Bandbreite gesellschaftlicher<br />
(u. a. Aufrechterhaltung der kommunikativen<br />
Durchdringung) und individueller Funktionen<br />
(etwa Sinnstiftung oder Wertevermittlung).<br />
Die Ursache für diese Funktionsvielfalt versucht<br />
Martin Jurga in dem komplexen Wechselverhältnis<br />
aus Medium, <strong>Medien</strong>angebot und<br />
Rezeptionsverhalten zu ergründen. In seiner<br />
Dissertation „Fernsehtextualität und Rezeption“<br />
untersucht er dieses Wechselverhältnis<br />
am Beispiel der für das Medium charakteristischen<br />
Gattungsform Serie. Jurgas theoretischer<br />
Ansatz erweist sich dabei als ebenso komplex<br />
wie das zu untersuchende Phänomen. Er nutzt<br />
je nach Argumentationszusammenhang verschiedene<br />
Theoriemodelle der Cultural Studies<br />
ebenso wie etablierte Theorien und Verfahren<br />
medien<strong>wissenschaft</strong>licher und linguistischer<br />
Sendungsanalysen.<br />
Den Ausgangspunkt für Jurgas Analyse des gegenwärtigen<br />
Bedeutungspotenzials des Fernsehens<br />
bildet sein Rückblick auf die historische<br />
Entwicklung des Mediums. In diesem notwendigerweise<br />
kurz gefassten Abriss über die Etablierung<br />
des Fernsehens in Deutschland hätte<br />
man sich doch eine Berücksichtigung des aktuellen<br />
Forschungstands etwa zum NS-Fernsehen<br />
gewünscht. (z. B. Winker 1994). Auch finden<br />
sich in den beschriebenen Entwicklungen einige<br />
Ungenauigkeiten. So fand die Ausweitung<br />
des Programmangebots nicht erst durch die Einführung<br />
des ZDF, sondern bereits zwei Jahre<br />
früher mit dem zweiten ARD-Programm statt.<br />
Bei seiner Analyse der Rolle des Fernsehens in<br />
modernen Gesellschaften erstellt Jurga eine<br />
Symbiose aus unterschiedlichen Forschungsansätzen<br />
der Soziologie, der Filmtheorie, der<br />
<strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong> und der Cultural<br />
Studies. Der Offenheit des Mediums entspricht<br />
Jurga mit der Offenheit seiner Theoriemodelle.<br />
Zwar nutzt er so eine Vielzahl sich ergänzender<br />
Erklärungmuster, gleichzeitig ver-<br />
misst man in diesem Abschnitt eine stärkere eigene<br />
Positionierung des Autors.<br />
Für die Konkretisierung seiner theoretischen<br />
Ausführungen wählt Jurga die Programmform<br />
Serie. Sie spiele eine zentrale Rolle in der Funktion<br />
des Fernsehens, dem Zuschauer „Einblicke<br />
in eine Vielzahl unterschiedlicher Gesellschaftsräume,<br />
Lebensweisen und kultureller<br />
Praktiken zu gewähren, die ihnen sonst verborgen<br />
blieben.“ (41) Zusätzlich „erleben die Zuschauer<br />
aber auch sich selbst, symbolisch dargestellt<br />
und gespiegelt in den Figuren der Familienserien,<br />
deren Leben, insbesondere in den<br />
sozialrealistischen Serien, immer etwas mit dem<br />
der Zuschauer zu tun hat.“ (41) In der Argumentation<br />
Jurgas ist die Serie symptomatisch<br />
für die generell gültige Organisation der Fernsehtexte<br />
als offene Textformen (14). Damit<br />
greift er neben literatur<strong>wissenschaft</strong>lichen Ansätzen<br />
auch Untersuchungen der britischen<br />
Cultural Studies von der Polysemie (Hall) und<br />
Offenheit von Fernsehtexten (Fiske) auf. Zusätzlich<br />
betont Jurga in Anlehnung das Konzept<br />
der sekundären Oralität von Walter Ong<br />
den stark gesprächsorientierten Charakter verschiedener<br />
Fernsehtextsorten wie Nachrichten,<br />
Talkshows und Seifenopern.<br />
Jurga „beschäftigt sich mit dem komplexen und<br />
in seiner Fassbarkeit daher auch komplizierten<br />
Verhältnis von Fernsehserien und Zuschauern,<br />
das als vielgestaltig und heterogen angesehen<br />
werden muss.“ (51) So stellt er zunächst verschiedene<br />
Rezeptionsformen des aktiven Zuschauer<br />
vor, die er mit Untersuchungsergebnissen<br />
zur Rezeption von Serientexten hinsichtlich<br />
divergierender Sinnbildungen verbindet.<br />
Er verbindet die Rezeptionsforschung mit der<br />
Textanalyse und beschreibt, wie Figuren Identifikationen<br />
und parasoziale Beziehungen des<br />
Zuschauers auslösen, wie andererseits das mit<br />
der Sehdauer zunehmende Wissen um die Gemachtheit<br />
der Serie zu Distanzierungsprozessen<br />
führt.<br />
Der sehr weit gefasste Rahmen wird auf die erste<br />
deutsche Langzeitserie, die „Lindenstraße“<br />
(WDR) begrenzt. Jurga sieht in dem spezifischen<br />
Handlungsaufbau dieser Serie eine der<br />
zentralen Ursache für ihr vielfältiges Interpretationspotenzial.<br />
Der Produzent Hans W.<br />
Geissendörfer und seine Drehbuchautoren<br />
nutzen etablierte Verfahren fortlaufender Erzählungen<br />
etwa aus dem Bereich englischer<br />
Langzeitserien wie „Coronation Street“. Jurga<br />
107
M&K 48. Jahrgang 1/2000<br />
rekonstruiert verschiedene Traditionslinien seriellen<br />
Erzählens in der Literatur und den <strong>Medien</strong>,<br />
die in Langzeitserien zusammengeführt<br />
werden. Anhand von Dialoganalysen einer<br />
Folge der Lindenstraße zeigt Jurga, mit welchen<br />
Modellen von Offenheitssignalen diese<br />
Serie dem Zuschauer innerhalb einzelner Szenen<br />
eine Vielzahl von Interpretationsoptionen<br />
ermöglicht. Zu den zentralen Offenheitssignalen<br />
zählen neben spezifischen Formen der Dialoggestaltung<br />
das breite Spektrum der Figuren,<br />
„die in einer Gemeinschaft miteinander leben.<br />
Sie sind durch vielfältige Beziehungen miteinander<br />
verbunden.“ (160) Mit der Figurenvielfalt<br />
geht eine thematische Vielfalt einher. Serienfiguren<br />
durchleben verschiedene Probleme<br />
und Konflikte, die einen „Supermarkt der Gefühle“<br />
(Mikos, Moeller) bilden, aus dem sich<br />
der Zuschauer nach Bedarf bedienen kann.<br />
Leider stellt Jurga im Unterschied zu seiner<br />
Einleitung in dem Fazit seiner Dissertation keinen<br />
Zusammenhang zwischen der „Lindenstraße“<br />
und dem Medium Fernsehen im Allgemeinen<br />
her, sondern betont nur, dass die „Lindenstraße“<br />
„eine Variante der ‚weiblichen‘<br />
Textsorte Seifenoper sei“. Mit diesem Fazit<br />
wird er der Komplexität seiner eigenen Untersuchung<br />
nicht gerecht.<br />
Joan Kristin Bleicher<br />
Klaus Kamps<br />
Politik in Fernsehnachrichten<br />
Struktur und Präsentation internationaler Ereignisse<br />
– ein Vergleich.<br />
Baden-Baden: Nomos 1999. – 433 S.<br />
(Düsseldorfer <strong>Kommunikations</strong>- und <strong>Medien</strong><strong>wissenschaft</strong>liche<br />
Studien; 3)<br />
ISBN 3-7890-5085-7<br />
Im Mittelpunkt der Studie von Klaus Kamps<br />
steht ein empirischer Vergleich der Struktur,<br />
Thematisierung und der Präsentation internationaler<br />
Ereignisse bei Nachrichtensendern aus<br />
Großbritannien, den USA und der Bundesrepublik<br />
Deutschland. Vor dem Hintergrund der<br />
dominierenden Rolle, die Massenmedien und<br />
hier insbesondere das Fernsehen bei der Vermittlung<br />
politischer Ereignisse aufgrund ihrer<br />
Reichweite und Rezipienten-Akzeptanz innehaben<br />
sowie der Theorie der massenmedialen<br />
Politikvermittlung geht Kamps von folgenden<br />
forschungsleitenden Fragen aus: 1. Welche<br />
108<br />
internationalen Ereignisse werden in Fernsehnachrichten<br />
thematisiert? 2. Wie stellen<br />
Fernsehnachrichten internationale Ereignisse<br />
dar? 3. Aus welchen Ländern wird unter welchen<br />
thematischen Schwerpunkten und in welcher<br />
Form berichtet? 4. Welche Rolle spielt in<br />
diesen Punkten die Politik? 5. Welche Unterschiede<br />
und Gemeinsamkeiten lassen sich zwischen<br />
den Sendern und Ländern hinsichtlich<br />
dieser Fragen belegen?<br />
Der Aufbau der Studie folgt der üblichen Logik<br />
empirischer Studien in diesem Themenbereich.<br />
Im ersten Kapitel erläutert der Autor die Fragestellung<br />
der Arbeit und beschreibt den Aufbau<br />
der Studie, bevor in Kapitel 2 zunächst ein<br />
allgemeiner theoretischer Bezugsrahmen hinsichtlich<br />
des Beziehungsgeflechts zwischen Politik<br />
und Massenmedien entworfen wird.<br />
Kamps geht hier sehr intensiv auf die gesellschaftlichen<br />
Funktionen der <strong>Medien</strong> ein und<br />
referiert dabei die zentralen Befunde der einschlägigen<br />
<strong>Kommunikations</strong>forschung aus der<br />
Symbolisierungsdebatte, der Nachrichtenwerttheorie<br />
sowie der <strong>Medien</strong>wirkungsforschung.<br />
Er kommt dabei zu dem für sein Forschungsinteresse<br />
wichtigem Ergebnis, dass „formative<br />
wie kontextuelle Unterschiede in der Berichterstattung<br />
zu unterschiedlichen Rezeptionen<br />
führen und über Transaktionen rückbezüglich<br />
den <strong>Kommunikations</strong>vorgang beeinflussen<br />
können“ (139).<br />
In Kapitel 3 wendet sich Kamps dann speziell<br />
dem Medium Fernsehen zu: Dabei werden die<br />
fernsehspezifischen Komponenten moderner<br />
Politikvermittlung, mithin die Stellung des<br />
Fernsehens im Prozess moderner Politikvermittlung<br />
beschrieben und theoretisch verortet.<br />
Hier geht es insbesondere um die Struktur und<br />
den Stellenwert von Politik in Fernsehnachrichten.<br />
Das Kapitel mündet in der Entwicklung<br />
eines Modells, welches das medienvermittelte<br />
Bild der Realität des Rezipienten zu erklären<br />
versucht. Die in der Studie durchgeführte<br />
Inhaltsanalyse wird somit in ein Modell der<br />
Rezeption eingebettet und theoretisch verortet.<br />
Es zeigt sich, über welchen Bereich dieses Modells<br />
die vorliegende Studie Aussagen machen<br />
kann, nämlich über den Bereich der <strong>Medien</strong>realität.<br />
Über die übrigen Ebenen des Modells,<br />
so der Autor, seien aufgrund der hier erhobenen<br />
empirischen Daten nur Spekulationen<br />
möglich, keinesfalls aber kausale Schlussfolgerungen.<br />
Aus dieser Modellkonstruktion erge-
en sich die zentralen Komponenten der Studie:<br />
Der Schwerpunkt liegt auf einem Vergleich<br />
der länder- und senderspezifischen Berichterstattung<br />
internationaler Ereignisse unter besonderer<br />
Berücksichtigung der Politik. Die besondere<br />
Relevanz der internationalen Berichterstattung<br />
in Fernsehnachrichten ergibt sich<br />
daraus, dass internationale Nachrichten für Zuschauer<br />
vergleichsweise erfahrungsferne Gegebenheiten<br />
sind und die Wahrscheinlichkeit des<br />
unmittelbaren Dabeiseins für den Zuschauer<br />
damit extrem gering ist, und dass gerade den<br />
Fernsehnachrichten von Rezipienten das Potenzial<br />
unterstellt wird, diese Distanz überbrücken<br />
zu können, und dass schließlich kontextuell-schematisierte<br />
und visuelle Präsentationsweisen<br />
einen auch längerfristigen Einfluss<br />
auf die Vorstellungskraft der Rezipienten vergleichsweise<br />
wahrscheinlich machen.<br />
Nachdem das theoretische Fundament der<br />
Studie gelegt ist, wird in Kapitel 4 das Untersuchungsdesign<br />
der Studie erläutert. Die Erhebungsmethode<br />
ist eine standardisierte Inhaltsanalyse,<br />
die als Frequenzanalyse angelegt ist.<br />
Analysiert werden jeweils drei natürliche Wochen<br />
in zwei verschiedenen Erhebungszeiträumen,<br />
um die Ereignisäbhängigkeit der<br />
Daten zu reduzieren. Analysiert werden die<br />
abendlichen Hauptnachrichtensendungen von<br />
ARD, ZDF, RTL, NTV (Bundesrepublik<br />
Deutschland), ITN (Großbritannien), NBC<br />
(USA) sowie zwei verschiedene Sendungen von<br />
CNN (USA), wobei jeweils eine für den amerikanischen,<br />
eine für den europäischen Markt<br />
konzipiert ist. Die Inhaltsanalyse erstreckt sich<br />
auf die Ebenen Sendung, Meldung und Präsentation,<br />
wobei die Ebene Sendung lediglich<br />
hinsichtlich formaler Rahmendaten (zum Beispiel<br />
Sendungsdauer) Berücksichtigung findet.<br />
Die zentralen Analyseeinheiten sind Nachrichtenbeiträge<br />
und Präsentationstypen. Die<br />
wichtigsten Kategorien der Inhaltsanalyse sind<br />
die in derartigen Studien üblichen Kategorien<br />
wie geographischer Bezug der Meldung, Akteure,<br />
Aktualität, Thema, Sachgebiete, Platzierungen<br />
der zeitlichen Abfolgen, Darstellungskontexte,<br />
serielle Positionierung und Meldungsdauer,<br />
Präsentationstyp, Handlungsort<br />
sowie die visuelle Präsentation des Handlungsortes,<br />
um nur die wichtigsten Kategorien zu<br />
nennen. Der intramediäre und zugleich internationale<br />
Vergleich konzentriert sich auf Thematisierung,<br />
Struktur und Präsentation internationaler<br />
Beiträge.<br />
Literatur · Besprechungen<br />
Im Anschluss an diese methodischen Ausführungen<br />
fasst der Autor im fünften Kapitel<br />
die empirischen Befunde der Inhaltsanalyse zusammen.<br />
Sie beziehen sich im Wesentlichen auf<br />
die Fernsehnachrichtengeographie der einzelnen<br />
Sender, die Thematisierungsmerkmale,<br />
Strukturmerkmale und Präsentationsmerkmale<br />
der einzelnen Meldungen. Die Auswertung ist<br />
als Tabellenanalyse angelegt. Die wichtigsten<br />
Ergebnisse werden mit Hilfe von Präsentationsgrafiken<br />
veranschaulicht. Der zentrale Befund<br />
dieses empirischen Kapitels ist eine Typologie<br />
der Berichterstattung über internationale<br />
Ereignisse in den untersuchten Nachrichtensendern.<br />
Kamps identifiziert so genannte<br />
Nachrichtenzentren, das sind Länder, über die<br />
besonders häufig, ausführlich und variantenreich<br />
berichtet wird. Diese Länder sind im<br />
Wesentlichen in Westeuropa anzutreffen. Über<br />
die so genannten Nachrichtennachbarn wird in<br />
wesentlich geringerer Intensität und Extensität<br />
berichtet, wobei über so genannte thematische<br />
Nachrichtennachbarn zwar recht häufig, aber<br />
nur in Bezug auf bestimmte Themengattungen<br />
berichtet wird. Auf der untersten Stufe der<br />
Nachrichtenhierarchie befinden sich Länder<br />
der Nachrichtenperipherie, die nur selten in<br />
der Berichterstattung in Erscheinung treten.<br />
Zusammenfassend kann demnach von einer<br />
westlich-europäischen Zentrierung der internationalen<br />
Berichterstattung der untersuchten<br />
Nachrichtensendungen gesprochen werden,<br />
die sich über sämtliche erhobenen Merkmale<br />
beobachten lässt.<br />
Im abschließenden sechsten Kapitel zieht<br />
Kamps ein kritisches Resümee der Studie was<br />
die Informationsleistung des Fernsehens für<br />
den Rezipienten betrifft. Er kommt dabei zu<br />
folgendem Ergebnis: „Ausgesprochen fraglich<br />
ist nach der vorliegenden Arbeit, ob das Leitmedium<br />
Fernsehen mit seinem herausragenden<br />
Informationsgenre, den Nachrichtensendungen,<br />
zur politischen Urteilsfähigkeit der Bevölkerung<br />
beiträgt“ (356). Als Begründung für<br />
diesen Befund werden die durch das Medium<br />
Fernsehen nur oberflächlich bereitgestellten<br />
Informationskontexte sowie eine strukturelle<br />
Simplizität der Fernsehberichterstattung angeführt.<br />
Aufgrund dieser Befunde sei die Konstruktion<br />
der medialen Realität im Fernsehen<br />
so angelegt, dass sich der Zuschauer informiert<br />
fühle, und nicht, ob er informiert sei. Fernsehnachrichten<br />
teilen die Welt in politisch relevante<br />
Sphären ein, über die permanent berich-<br />
109
M&K 48. Jahrgang 1/2000<br />
tet wird, und ereignisrelevante Sphären, über<br />
die nur bei ganz bestimmten Ereignissen (Gewalt,<br />
Sport) berichtet wird, die aber sonst in der<br />
medialen Versenkung verschwinden.<br />
Die vorliegende Arbeit von Klaus Kamps bietet<br />
dem Leser in ihrem theoretischen Teil<br />
zunächst einen ausgesprochen detaillierten und<br />
kenntnisreich geschriebenen Überblick über<br />
die wichtigsten Forschungsarbeiten zur politischen<br />
Kommunikation in den Massenmedien<br />
und insbesondere im Fernsehen. Alle wichtigen<br />
Befunde der sozial<strong>wissenschaft</strong>lichen <strong>Medien</strong>und<br />
<strong>Kommunikations</strong>forschung werden in<br />
sehr angenehm lesbarer Form referiert und<br />
schließlich in Beziehung zu der folgenden<br />
empirischen Arbeit gesetzt. Das daraus resultierende<br />
theoretische Modell illustriert in anschaulicher<br />
Form die Position, die die vorliegende<br />
Studie im Prozess der individuellen Realitätsverarbeitung<br />
des Rezipienten einnimmt.<br />
Schade ist nur, dass wichtige einschlägige Studien<br />
aus den späten 90er-Jahren offenbar keine<br />
Berücksichtigung mehr finden konnten. Die<br />
anschließende quantitative Inhaltsanalyse entspricht<br />
dem üblichen methodischen Standard<br />
dieses Datenerhebungsinstruments und befindet<br />
sich damit auf einem qualitativ hohem Niveau.<br />
Die Analyse der so gewonnenen Daten<br />
steht allerdings in keinem angemessenen Verhältnis<br />
zu dem Aufwand, mit dem dieselben erhoben<br />
worden sind. Die Auswertung erfolgt im<br />
Wesentlichen mittels Häufigkeitsauszählungen,<br />
Kreuztabellen und Präsentationsgrafiken.<br />
Nur nebenbei sei bemerkt, dass seitenlange<br />
Kreuztabellen m. E. in den Anhang und nicht<br />
in den Fließtext gehören, weil derartige Zahlenwerke<br />
die Übersichtlichkeit und Handhabbarkeit<br />
des Textes erheblich erschweren. Wichtiger<br />
aber ist, dass die Komplexität der Auswertungsmethoden<br />
hinter derjenigen des theoretischen<br />
Bezugsrahmens weit zurückfällt.<br />
Dies ist aber ein Phänomen, dass leider sehr<br />
häufig in derartigen Studie vorzufinden ist. Ein<br />
komplexes theoretisches Modell ist nicht mit<br />
derartig einfachen Analysemethoden adäquat<br />
empirisch umzusetzen.<br />
Insgesamt ist die Studie von Klaus Kamps trotz<br />
der oben genannten Probleme eine empfehlenswerte<br />
Lektüre für all diejenigen, die sich für den<br />
Themenbereich der massenmedial vermittelten<br />
politischen Kommunikation interessieren. Sie<br />
vermittelt einen interessanten und gut strukturierten<br />
Überblick über das Themenfeld, wobei<br />
110<br />
allerdings deutlich wird, dass die empirische<br />
Umsetzung derart komplexer Zusammenhänge<br />
noch der weiteren Bearbeitung bedarf. Diese<br />
Kritik richtet sich aber nicht nur an den Autor<br />
dieser Studie, sondern auch an viele andere Vertreter<br />
dieser Fachdisziplin und bedeutet, dass<br />
dem Konnex zwischen Empirie und Theorie<br />
erheblich mehr Aufmerksamkeit als bisher geschenkt<br />
werden sollte, wenn sich der (quantitativ)<br />
empirisch arbeitenden Forscher nicht dem<br />
beliebten Vorwurf der „Erbsenzählerei“ aussetzen<br />
will.<br />
Thomas Bruns<br />
Volker Nowosadtko<br />
Frequenzplanungsrecht<br />
Nutzung terrestrischer Frequenzen durch öffentlich-rechtliche<br />
Rundfunkanstalten<br />
Baden-Baden: Nomos, 1999. – 263 S.<br />
(Materialien zur interdisziplinären <strong>Medien</strong>forschung;<br />
34)<br />
ISBN 3-7890-6040-2<br />
Die Auseinandersetzungen um die Einführung<br />
des fünften Hörfunkprogramms des NDR, des<br />
Jugendsenders „N-Joy-Radio“, im Jahre 1994,<br />
haben das Problem deutlich gemacht: Terrestrische<br />
Rundfunkfrequenzen sind ein knappes<br />
und begehrtes Gut, um das nicht nur zwischen<br />
privaten Bewerbern untereinander, sondern<br />
auch zwischen öffentlich-rechtlichen Anstalten<br />
und kommerziellen Veranstaltern – mitunter<br />
heftig – gestritten wird. Auch die technischen<br />
Entwicklungen, wie die Nutzung von Kabel<br />
und Satellit, werden selbst unter fortschreitender<br />
Digitalisierung (auch der terrestrischen<br />
Frequenzen) diese Situation zumindest mittelfristig<br />
nicht nachhaltig entspannen können.<br />
Denn die Möglichkeiten der Digitaltechnik<br />
führen nicht nur zu einer Vervielfachung der<br />
Übertragungskapazitäten, sondern bieten zugleich<br />
die technologische Voraussetzung für<br />
neue – interaktive – Angebotsformen (Zugriffsund<br />
Abrufdienste), die wiederum ein Mehrfaches<br />
an Kapazitäten benötigen und damit<br />
schließlich den Kapazitätsgewinn wieder relativieren.<br />
Hinzu kommt, dass der Hörfunk auf<br />
terrestrische Verbreitung besonders angewiesen<br />
ist, um größere Reichweiten zu erzielen, da<br />
dieser als klassisches „Begleit-Medium“ vielfach<br />
mobil genutzt wird, wohingegen der Empfang<br />
über Kabel und Satellit in der Regel nur
stationär möglich ist. Haben zu Zeiten des öffentlich-rechtlichen<br />
Rundfunkmonopols die<br />
Rundfunkanstalten in eigener Verantwortung<br />
über die ihnen zugewiesenen Frequenzen verfügt,<br />
stehen den Anstalten mit Einführung der<br />
dualen Rundfunkordnung private Veranstalter<br />
gegenüber, die ebenfalls Anspruch auf Teilhabe<br />
an terrestrischen Verbreitungsmöglichkeiten<br />
erheben.<br />
Hier setzt der Autor mit der Beschreibung des<br />
Erkenntnisinteresses seiner Arbeit an, wonach<br />
es zu klären gilt, wie sich das Verhältnis von öffentlich-rechtlichem<br />
und privatem Rundfunk<br />
auf die Ausgestaltung der Frequenzplanung<br />
und -nutzung auswirkt. Ausgehend von dem<br />
eingangs erwähnten Rechtsstreit wird untersucht,<br />
wie weit die den öffentlich-rechtlichen<br />
Rundfunkanstalten vor Einführung der dualen<br />
Rundfunkordnung zugewiesenen Frequenzen<br />
Bestandsschutz genießen und wie es sich mit<br />
den Dispositionsbefugnissen der Anstalten<br />
über diese (und neue) Frequenzen verhält.<br />
Auf einen kurzen Einführungsabschnitt, der<br />
dem Leser die technischen Grundlagen und<br />
Zusammenhänge der Frequenznutzung erläutert,<br />
folgt im ersten Teil der insgesamt in drei<br />
Teile aufgegliederten Untersuchung von Nowosadtko<br />
eine Bestandsaufnahme, in der der<br />
Autor die Historie und die Entwicklung der<br />
Frequenznutzung von der rein öffentlichrechtlich<br />
geprägten bis zum Übergang in die<br />
duale Rundfunkordnung aufarbeitet. Im zweiten<br />
Teil, den der Verfasser selbst als den<br />
„Hauptteil“ seiner Arbeit bezeichnet, werden<br />
die verfassungsrechtlichen Maßstäbe für die<br />
Entscheidungen über die Nutzung von Frequenzen<br />
entwickelt, um die einfachgesetzlichen<br />
Ausgestaltungen der Frequenzplanung<br />
daran zu messen. Im dritten und letzten Teil<br />
wird geprüft, welche Befugnisse für das Frequenzmanagement<br />
sich hieraus für den öffentlich-rechtlichen<br />
Rundfunk ergeben.<br />
Aus dem verfassungsrechtlichen Konzept der<br />
Rundfunkfreiheit und der darauf aufbauenden<br />
Bestimmung der Stellung des öffentlich-rechtlichen<br />
Rundfunks leitet sich für Nowosadtko<br />
ein umfassender Programmauftrag für den öffentlich-rechtlichen<br />
Rundfunk ab, aufgrund<br />
dessen die Rundfunkanstalten gehalten seien,<br />
für die gesamte Bevölkerung inhaltlich umfassende,<br />
auch die (massenattraktive) Unterhaltung<br />
einschließende Kommunikation real zu<br />
ermöglichen, und der es daher ebenfalls mit<br />
Literatur · Besprechungen<br />
sich bringe, dass die Rundfunkanstalten berechtigt<br />
und verpflichtet seien, auf Veränderungen<br />
der Rezeptionsgewohnheiten durch eine<br />
weitere Ausdifferenzierung ihrer Angebote zu<br />
reagieren. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk<br />
sei hierzu deshalb legitimiert, weil er in privilegierter<br />
Weise in der Lage sei, den verfassungsrechtlichen<br />
Vielfaltsanforderungen gerecht zu<br />
werden. Die Frequenzplanung diene dazu, die<br />
Erfüllung dieses Programmauftrages übertragungstechnisch<br />
zu ermöglichen. Der Autor<br />
kommt zu dem Schluss, dass die (rundfunk-)<br />
rechtlichen Vorschriften den sich aus dieser<br />
Funktion ergebenden Anforderungen überwiegend<br />
genügten. Hierzu zähle ein gesetzlicher<br />
Bestandsschutz für zugeordnete alte Frequenzen<br />
der Rundfunkanstalten ebenso wie die<br />
Anerkennung, dass der öffentlich-rechtliche<br />
Rundfunk zur Erfüllung seines Auftrages auf<br />
die Zuordnung neuer Frequenzen angewiesen<br />
sein könne und ihm dies ermöglicht werde.<br />
Kritisiert wird, dass die grundrechtlichen Anforderungen<br />
an Organisation und Verfahren<br />
der Frequenzplanung (Schutz des Programms<br />
vor einseitiger Einflussnahme, Gebot der<br />
Staatsferne) bei den vorfindlichen Vorschriften<br />
nicht immer berücksichtigt würden. Dies gelte<br />
vor allem bei organisatorischen Konstruktionen,<br />
die Anpassungsverhalten stimulierten und<br />
dem (staatlichen) Entscheidungsträger dadurch<br />
verdeckten programmlichen Einfluss ermöglichten.<br />
Dispositionsbefugnisse der Rundfunkanstalten<br />
werden von Nowosadtko auch unter<br />
den gegenwärtigen Bedingungen bejaht; er<br />
sieht sie jedoch beschränkt auf die Erfüllbarkeit<br />
des Programmauftrages, an dessen Rahmen die<br />
Anstalten bei entsprechenden Maßnahmen gebunden<br />
seien.<br />
Die Arbeit von Nowosadtko, mit der er im Jahre<br />
1998 an der Universität Hamburg promoviert<br />
wurde, ist eine inhaltlich sehr sorgfältige<br />
und umfängliche Aufarbeitung eines rundfunkrechtlichen<br />
Problemkreises, der – obwohl<br />
von enormer praktischer Bedeutung – in der<br />
einschlägigen Literatur bislang nur wenig Beachtung<br />
fand. Sicher: Man wird dem Verfasser<br />
in seinen Überlegungen nicht immer folgen<br />
wollen. Mitunter macht es auch ausgesprochen<br />
Mühe, gedankliche Entwicklungen des Autors<br />
nachzuvollziehen (gute Verständlichkeit ist ein<br />
Gütezeichen, das bei <strong>wissenschaft</strong>lichen Arbeiten<br />
leider allzu oft vernachlässigt wird). Dennoch:<br />
Die Akribie, mit der Nowosadtko die<br />
Frequenzplanung unter allen denkbaren recht-<br />
111
M&K 48. Jahrgang 1/2000<br />
lichen Aspekten beleuchtet, verdient ebenso<br />
Anerkennung wie die Sorgfalt seiner Auseinandersetzung<br />
mit den zum Teil beachtlichen Gegenmeinungen,<br />
deren Argumenten er stets eigenen<br />
Raum gewährt und dem Leser damit immer<br />
auch die Chance einer selbstständigen Beurteilung<br />
gibt.<br />
Elisabeth Clausen-Muradian<br />
Georg Ress / Jürgen Bröhmer<br />
Europäische Gemeinschaft und <strong>Medien</strong>vielfalt<br />
Die Kompetenzen der Europäischen Gemeinschaft<br />
zur Sicherung des Pluralismus im <strong>Medien</strong>bereich<br />
Frankfurt a. M.: IMK 1998. – 171 S.<br />
(Marburger <strong>Medien</strong>schriften; 1)<br />
ISBN 3-927282-64-2<br />
Die Abhandlung ist aus einem Gutachten hervorgegangen,<br />
das die Verfasser für den Bundesverband<br />
Deutscher Zeitungsverleger erstellt<br />
haben. Hintergrund waren dabei die Bemühungen<br />
der EG-Kommission, auf eine Harmonisierung<br />
der Regelungen über den <strong>Medien</strong>pluralismus<br />
hinzuwirken. Anhand damals<br />
bereits vorliegender Richtlinienentwürfe beschäftigt<br />
sich die Studie damit, ob die Europäische<br />
Gemeinschaft nach dem EG-Vertrag<br />
überhaupt eine Regelungskompetenz für diesen<br />
Bereich besitzt. Dies wird anhand einer<br />
sorgfältigen Analyse von den Verfassern mit<br />
überzeugenden Gründen verneint. Dabei wird<br />
in der englischen Fassung auch bereits der Vertrag<br />
von Amsterdam berücksichtigt und darauf<br />
hingewiesen, dass sich durch diesen Vertrag an<br />
dem gefundenen Ergebnis nichts ändert. Für<br />
das von den Verfassern gefundene Ergebnis<br />
spricht auch, dass die Kommission – nicht zuletzt<br />
unter dem Eindruck dieses Gutachtens –<br />
davon abgesehen hat, den Richtlinienentwurf<br />
weiterzuverfolgen.<br />
In der Abhandlung wird zunächst der Weg zu<br />
dem zweiten Richtlinienvorschlag unter dem<br />
Titel „<strong>Medien</strong>eigentum im Binnenmarkt“, den<br />
die Kommission im März 1997 vorlegte, nachgezeichnet.<br />
Ausgangspunkt war dabei das viel<br />
diskutierte Grünbuch der Kommission „Pluralismus<br />
und <strong>Medien</strong>konzentration im Binnenmarkt<br />
– Bewertung der Notwendigkeit einer<br />
Gemeinschaftsaktion“ vom Dezember 1992.<br />
112<br />
Auf der Grundlage dieses Grünbuches und verschiedener<br />
Stellungnahmen kam es zu einem<br />
ersten Richtlinienvorschlag, der bezeichnenderweise<br />
den Titel „EG-Richtlinie zum <strong>Medien</strong>pluralismus“<br />
trug, was deutlich machte,<br />
dass es weniger um den Binnenmarkt als vielmehr<br />
um eine Regelung der Meinungsvielfalt<br />
ging, wodurch sich sofort die Kompetenzfrage<br />
stellte. Von daher ist es nicht verwunderlich,<br />
dass der zweite Richtlinienvorschlag mit einem<br />
neuen Titel, der auf den Binnenmarkt hinweist,<br />
versehen wurde. Der zweite Richtlinienvorschlag<br />
wollte ebenfalls Eigentumserwerbsregelungen<br />
bzw. -begrenzungen für <strong>Medien</strong>unternehmen<br />
im Binnenmarkt einführen. Dabei erstreckte<br />
sich der Anwendungsbereich nicht nur<br />
auf Fernsehen im Sinne der Fernsehrichtlinie,<br />
sondern auch auf Radio und Tageszeitungen.<br />
Kernstück des Richtlinienvorschlags waren die<br />
Konzentrationsregelungen, die jeweils zulässige<br />
Höchstkonzentrationen im Bereich des<br />
Fernsehens, des Radios und für medienübergreifende<br />
Konzentrationsprozesse vorsahen.<br />
Dabei knüpften die Regelungen an einen bestimmten<br />
Einfluss an und sahen dafür bestimmte<br />
Höchstgrenzen für Zuschaueranteile<br />
bzw. Marktanteile vor, orientierten sich also an<br />
den neuen Konzentrationsregeln im deutschen<br />
Rundfunkstaatsvertrag von 1996. Für Rundfunkveranstalter<br />
war entsprechend den dortigen<br />
Regelungen ein Marktanteil von 30 % als<br />
Höchstgrenze vorgesehen. Schließlich – und<br />
dies war von besonderer Bedeutung – sah der<br />
Richtlinienvorschlag vor, dass die Mitgliedstaaten<br />
nicht befugt sind, abweichende, also auch<br />
nicht strengere Konzentrationshöchstgrenzen<br />
für die ihrer Jurisdiktion unterworfenen Unternehmen<br />
vorzusehen. Der Richtlinienvorschlag<br />
nahm zur Kompetenzfrage in dem Sinne<br />
Stellung, dass sich die Richtlinie auf Art. 57<br />
Abs. 2, 66 und 100 a EGV a. F. stützen lasse.<br />
Zudem wird angeführt, dass das mit dem Richtlinienvorschlag<br />
verfolgte Schutzziel der Pluralismussicherung<br />
durch das demokratische<br />
Prinzip und die Gemeinschaftsgrundrechte<br />
vorgegeben sei.<br />
Zunächst setzen sich die Verfasser damit auseinander,<br />
ob sich eine Kompetenz der Gemeinschaft<br />
aus Art. 100 a EGV a. F. (= Art. 95 EGV<br />
n. F.) im Hinblick auf die Tageszeitungen herleiten<br />
lässt. Dies wird mit überzeugender Begründung<br />
abgelehnt. Die Verfasser weisen<br />
zutreffend nach, dass Pluralismussicherung<br />
nicht zu den Zielsetzungen der Binnenmarkt-
harmonisierung nach Art. 100 a Abs. 1 EGV<br />
a. F. (= Art. 95 Abs. 1 EGV n. F.) gehören darf.<br />
Anschließend wenden sich die Verfasser der<br />
Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit<br />
zu. Insoweit könnte man nämlich mit der<br />
Kommission der Ansicht sein, dass verschiedenartige<br />
nationale Konzentrationsregelungen<br />
der Mitgliedstaaten die Niederlassungsfreiheit<br />
im gemeinsamen Markt zumindest tatsächlich<br />
behindern und grenzüberschreitende Niederlassungsstrategien<br />
von <strong>Medien</strong>unternehmen<br />
erschweren. Insoweit wird in der Abhandlung<br />
zu Recht herausgearbeitet, dass die Kompetenztitel<br />
der Niederlassungsfreiheit zumindest<br />
seit dem Maastrichter-Vertrag – und noch mehr<br />
mit dem Inkrafttreten des Amsterdamer Vertrages<br />
– eng auszulegen sind, weil nur dies dem<br />
föderalen Charakter der Gemeinschaft entspricht.<br />
Zudem weisen die Verfasser zutreffend<br />
darauf hin, dass die in dem Richtlinienentwurf<br />
vorgesehenen Regelungen überhaupt nicht zur<br />
Herstellung des Binnenmarktes beigetragen<br />
hätten, weil sie den Bestand an unternehmerischer<br />
Freiheit im gemeinsamen Markt nicht erhöht,<br />
sondern tatsächlich verringert hätten.<br />
Auch aus der Dienstleistungsfreiheit kann kein<br />
anderes Ergebnis hergeleitet werden. Zutreffend<br />
geht die Abhandlung darauf ein, dass sich<br />
der Richtlinienvorschlag allenfalls auf Art. 87<br />
EGV a. F. (= Art. 83 EGV n. F.) – eventuell in<br />
Verbindung mit Art. 235 EGV a. F. (= Art. 308<br />
EGV n. F.) zurückführen lässt. Bemerkenswert<br />
ist dabei, dass sich die Kommission gerade<br />
nicht auf diese Vorschrift stützte, weil es ihr<br />
nämlich nicht um Wettbewerbssicherung, sondern<br />
um die Sicherung des Meinungspluralismus<br />
ging. Voraussetzung für den Erlass von<br />
Normen auf den genannten Grundlagen ist in<br />
jedem Fall, worauf Ress und Bröhmer zu Recht<br />
hinweisen, die Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen<br />
Wettbewerbs. Der Richtlinienvorschlag<br />
ging allerdings weit über die Verhinderung<br />
von Wettbewerbsbeeinträchtigungen hinaus<br />
und betraf zudem in der Regel gerade Fusionen,<br />
denen keinerlei gemeinschaftsweite<br />
Bedeutung zukam. Der vorliegende Richtlinienvorschlag<br />
konnte demnach, wie die Abhandlung<br />
zutreffend darlegt, auch nicht auf die einzig<br />
in Betracht kommende Rechtsgrundlage gestützt<br />
werden.<br />
Verdienstvoll ist auch, dass die Verfasser sich<br />
mit diesem Ergebnis nicht begnügen. Sie gehen<br />
vielmehr auch darauf ein, dass der Richtlinienvorschlag<br />
mit dem Gemeinschaftsrecht auch<br />
Literatur · Besprechungen<br />
dann nicht vereinbar war, wenn man von einer<br />
bestehenden Kompetenz der Gemeinschaft<br />
ausgegangen wäre. Hierbei wird einmal das<br />
Subsidiaritätsprinzip des Art. 3 b Abs. 2 EGV<br />
a. F. (= Art. 5 Abs. 2 EGV n. F.) behandelt. Besonders<br />
verdienstvoll sind zum anderen die interessanten<br />
Überlegungen zu Art. 128 EGV<br />
a. F. (= 151 EGV n. F.). Allerdings erscheint<br />
mir der von den Verfassern im Zusammenhang<br />
mit dieser Vorschrift gewählte Kulturbegriff zu<br />
eng geraten. Zutreffend wird herausgearbeitet,<br />
dass selbst unter Zugrundelegung dieses engeren<br />
Kulturbegriffs der Richtlinienvorschlag in<br />
Konflikt mit der kulturpolitischen Querschnittsklausel<br />
steht, weil die gebotene Auseinandersetzung<br />
mit den Auswirkungen der geplanten<br />
Regelungen im Hinblick auf ihre starken<br />
kulturellen Auswirkungen nicht stattgefunden<br />
hat.<br />
Schließlich geht die Abhandlung auch auf die<br />
Vereinbarkeit des Richtlinienvorschlags mit<br />
Art. 10 EMRK ein, der bekanntermaßen nicht<br />
nur ein europäisches Menschenrecht, sondern<br />
auch ein Gemeinschaftsgrundrecht darstellt.<br />
Allerdings kann man Zweifel daran äußern, ob<br />
die Festschreibung fester Marktanteilsgrenzen<br />
tatsächlich das im Rahmen des Art. 10 Abs. 2<br />
EMRK zu beachtende Verhältnismäßigkeitsgebot<br />
verletzt. Zudem werden auch die verfassungsrechtlichen<br />
Fragen angesprochen. Auf<br />
der Grundlage der Maastricht-Entscheidung<br />
wirft nämlich eine Ausdehnung der der Gemeinschaft<br />
zustehenden Regelungskompetenzen<br />
zwangsläufig Probleme auf, da das Bundesverfassungsgericht<br />
für sich in Anspruch nimmt,<br />
Sekundärrecht, das erkennbar von den Kompetenzen<br />
nicht gedeckt ist, die Anerkennung in<br />
Deutschland zu versagen. Mit überzeugenden<br />
Gründen gehen die Verfasser davon aus, dass<br />
das Bundesverfassungsgericht, bevor es eine<br />
solche weit reichende Konsequenz zieht, allerdings<br />
dem EuGH Gelegenheit zu einer Entscheidung<br />
darüber geben muss, ob die vom<br />
EGV gezogenen Kompetenzgrenzen eingehalten<br />
wurden. Begrüßenswert ist auch, dass die<br />
Abhandlung nicht nur in deutscher, sondern<br />
auch in englischer Sprache veröffentlicht wurde.<br />
Dies hat ganz sicherlich dazu beigetragen,<br />
dass sie in der Diskussion um den Richtlinienentwurf<br />
große Beachtung gefunden hat. Abschließend<br />
ist anzumerken, dass die Schrift<br />
nicht nur zur konkreten Frage über eine Richtlinie<br />
der Gemeinschaft zur Sicherung des Pluralismus<br />
im <strong>Medien</strong>bereich von erheblicher Be-<br />
113
M&K 48. Jahrgang 1/2000<br />
deutung ist. Vielmehr trägt sie ganz wesentlich<br />
dazu bei, die Grenzen der Kompetenzen zu<br />
verdeutlichen, die die Gemeinschaft zu beachten<br />
hat, wenn sie im <strong>Medien</strong>bereich Sekundärrecht<br />
setzen will. Dieser Frage kommt weiterhin<br />
nicht nur deshalb zentrale Bedeutung zu,<br />
weil heute niemand mehr ernsthaft bestreiten<br />
kann, dass die Gemeinschaft befugt ist, Sekundärrecht<br />
auch im Bereich der <strong>Medien</strong> zu erlassen.<br />
Sie ist auch deshalb so wichtig, weil sich<br />
der EuGH auch mehr und mehr der Frage zuwendet,<br />
welche Grenzen die anderen Gemeinschaftsorgane<br />
zu beachten haben, wenn sie von<br />
ihren Kompetenzen Gebrauch machen wollen.<br />
Angesichts des derzeitigen Standes, den das<br />
Gemeinschaftsrecht zwischenzeitlich mit dem<br />
Inkrafttreten des Amsterdamer Vertrages erreicht<br />
hat, kann man eine solche Entwicklung<br />
nur begrüßen und den EuGH nachdrücklich<br />
ermutigen, auf diesem Wege fortzufahren.<br />
Dieter Dörr<br />
Philipp Steinwärder<br />
Die Arbeitsgemeinschaft der öffentlichrechtlichen<br />
Rundfunkanstalten der Bundesrepublik<br />
Deutschland: Entstehung, Tätigkeitsfelder<br />
und Rechtsnatur<br />
Eine rechts<strong>wissenschaft</strong>liche Untersuchung<br />
zur Entwicklung, den Aufgaben und der Organisation<br />
der ARD<br />
Baden-Baden: Nomos Verlag, 1998. – 382 S.<br />
(Materialien zur interdisziplinären <strong>Medien</strong>forschung;<br />
31)<br />
ISBN 3-7890-5475-5<br />
Die von W. Hoffmann-Riem betreute Dissertation<br />
befasst sich umfassend mit einer wichtigen<br />
und interessanten Thematik. Detailgenau und<br />
materialreich werden Entstehung, Tätigkeitsfelder<br />
und der Status der Arbeitsgemeinschaft<br />
der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten<br />
der Bundesrepublik Deutschland (ARD) nachgezeichnet.<br />
Im ersten Teil befasst sich Steinwärder<br />
mit der Entstehung und den Rahmenbedingungen<br />
der Zusammenarbeit öffentlichrechtlicher<br />
Rundfunkanstalten. Dabei beeindrucken<br />
die Ausführungen zur Entstehung des<br />
föderalen Rundfunksystems in Westdeutschland.<br />
In diesem Zusammenhang hätte allerdings<br />
noch deutlicher aufgezeigt werden können,<br />
wie stark die von den Briten und den US-<br />
Amerikanern vorgegebenen Grundbedingun-<br />
114<br />
gen durch die negativen Erfahrungen mit dem<br />
Staatsrundfunk in der Weimarer Zeit und im<br />
Nationalsozialismus beeinflusst waren. Zutreffend<br />
stellt Steinwärder dar, dass die starke föderale<br />
Komponente von den US-Amerikanern<br />
und die öffentlich-rechtliche Natur der Landesrundfunkanstalten<br />
von den Briten in das<br />
neue Rundfunksystem eingebracht wurden.<br />
Die Ausführungen sind ausgesprochen detailgenau<br />
und kenntnisreich. Anschließend geht<br />
der Verfasser auf die ersten Überlegungen ein,<br />
die auf eine Zusammenarbeit der neu errichteten<br />
Landesrundfunkanstalten in den drei Westzonen<br />
abzielten. Danach zeigt der Verfasser die<br />
rechtlichen Rahmenbedingungen für eine solche<br />
Zusammenarbeit auf und macht dabei deutlich,<br />
dass die ARD ein Element des kooperativen<br />
Föderalismus darstellt. In diesem Zusammenhang<br />
wird allerdings aus meiner Sicht der<br />
Status öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten<br />
nur ungenau beschrieben, jedenfalls nicht<br />
genügend ausgelotet. Auch hätte Steinwärder<br />
den Begriff der Selbstverwaltung im Zusammenhang<br />
mit öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten<br />
durchaus problematisieren können.<br />
Da die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten<br />
nach m. E. zutreffender Ansicht gerade<br />
nicht dem staatlichen Bereich zuzurechnen<br />
sind, ist ihre Autonomie mit dem Begriff der<br />
Selbstverwaltung eventuell fehlerhaft umschrieben.<br />
Im zweiten Teil seiner Arbeit beschreibt Steinwärder<br />
überaus anschaulich und genau die<br />
Gründung der ARD. Hierbei werden die verschiedenen<br />
Vorschläge eingehend beleuchtet.<br />
Zutreffend arbeitet Steinwärder auch heraus,<br />
dass deutliche Unterschiede zwischen den<br />
Überlegungen Bredows und dem Entwurf, der<br />
weitgehend auf den Justitiar des WDR Brack<br />
zurückging und der die Grundlage der ARD<br />
wurde, bestanden. Im 4. Kapitel werden die organisations-<br />
und verfahrensrechtlichen Grundlagen<br />
der ARD nachgezeichnet. Einen wichtigen<br />
Raum nimmt dabei zu Recht die Satzung<br />
ein, die ursprünglich die einzige Rechtsgrundlage<br />
der ARD bildete. In der Satzung ist auch<br />
die Mitgliedschaft in der ARD geregelt, der<br />
heute elf Landesrundfunkanstalten sowie die<br />
Deutsche Welle als einzig verbliebene Rundfunkanstalt<br />
des Bundesrechts angehören. Bei<br />
der ARD-Gründung gab es lediglich sechs Mitglieder.<br />
Im Zusammenhang mit der Entwicklung<br />
der Mitgliedschaft ist es allerdings unschön<br />
und verfehlt, wenn Steinwärder im Zu-
sammenhang mit dem Saarländischen Rundfunk<br />
vom Anschluss des Saarlandes an die Bundesrepublik<br />
Deutschland spricht: Das Saarland<br />
ist ebenso wie die DDR auf der Grundlage des<br />
Art. 23 GG a. F. der Bundesrepublik Deutschland<br />
beigetreten. Die Rechte und Pflichten der<br />
Mitglieder, die Vertretung der Mitglieder in der<br />
ARD und die satzungsgemäßen Aufgaben der<br />
ARD werden ebenfalls dargelegt. Zutreffend<br />
zeigt der Verfasser auf, wie die Geschäftsführung<br />
der Arbeitsgemeinschaft im Einzelnen<br />
geregelt ist. Auch das System der Federführungen<br />
wird angesprochen. Im Zusammenhang<br />
mit den ständigen Fachkommissionen hätte<br />
Steinwärder allerdings auch darauf eingehen<br />
können, in welcher Weise das ZDF, das gerade<br />
nicht Mitglied der Arbeitsgemeinschaft ist, in<br />
deren Arbeit eingebunden wird. Die Abstimmungsregelung<br />
und die notwendigen Mehrheiten<br />
bei der Beschlussfassung in der ARD erläutert<br />
Steinwärder ebenfalls. Zutreffend wird aufgezeigt,<br />
dass für wichtige Beschlüsse eine qualifizierte<br />
Mehrheit bzw. Einstimmigkeit<br />
erforderlich ist.<br />
Im dritten Teil wendet sich Steinwärder den<br />
Gemeinschaftsleistungen der ARD zu. Dabei<br />
nimmt zu Recht das deutsche Fernsehen einen<br />
breiten Raum ein, das seit dem 1.1.1992 seine<br />
spezielle normative Grundlage im ARD-<br />
Staatsvertrag hat. Zutreffend geht Steinwärder<br />
insoweit davon aus, dass dieser Staatsvertrag<br />
keine Ermächtigung zur Veranstaltung des<br />
Fernsehgemeinschaftsprogramms bedeutet,<br />
sondern die Landesrundfunkanstalten zur Veranstaltung<br />
dieses Fernsehgemeinschaftsprogramms<br />
verpflichtet. Allerdings sind die kurzen<br />
Ausführungen zum Koordinierungsabkommen<br />
vom 17. April 1959 (S. 99f.) etwas unklar.<br />
Es bleibt offen, wie der Verfasser dieses<br />
Koordinierungsabkommen einordnet.<br />
Interessant sind die Ausführungen zur Programmverantwortung<br />
für das deutsche Fernsehen.<br />
Insoweit wird zutreffend herausgearbeitet,<br />
dass bei der Ausstrahlung des Gemeinschaftsprogramms<br />
über Satellit für die einzelnen<br />
Intendanten einer Rundfunkanstalt keine<br />
Möglichkeit mehr besteht, eine Sendung aufgrund<br />
der Befugnis im Fernsehvertrag abzusetzen.<br />
Damit wird die Programmverantwortung<br />
jedes einzelnen Intendanten für das in seinem<br />
Sendegebiet ausgestrahlte Programm, also auch<br />
für das Fernsehgemeinschaftsprogramm, zunehmend<br />
fraglich. Anders als beim terrestrisch<br />
verbreiteten Programm hat der Intendant einer<br />
Literatur · Besprechungen<br />
einzelnen Landesrundfunkanstalt nämlich keine<br />
Möglichkeit mehr, die Verbreitung einer bestimmten<br />
Sendung in seinem Sendegebiet zu<br />
verhindern, sich also insoweit aus dem Gemeinschaftsprogramm<br />
„auszuklinken“. Leider<br />
zeigt der Verfasser keinen Lösungsansatz auf,<br />
wie diese Frage in Zukunft einer Regelung zugänglich<br />
gemacht werden könnte.<br />
Besonders wichtig sind auch die Ausführungen<br />
zu den gemeinsamen Spartenprogrammen von<br />
ARD und ZDF. Fraglich ist allerdings, ob die<br />
Ermächtigung zur Veranstaltung dieser Programme<br />
durch § 19 Abs. 1, 2 RStV tatsächlich<br />
lediglich deklaratorische Wirkung hat. Jedenfalls<br />
hätte man aus meiner Sicht diese Frage eingehender<br />
beleuchten können. Dagegen werden<br />
die einzelnen Fragen im Zusammenhang mit<br />
den beiden Spartenprogrammen eher zu detailgenau<br />
beschrieben.<br />
Nicht nur wegen der in der jüngsten Vergangenheit<br />
geführten harten Auseinandersetzungen<br />
über die ARD-Struktur sind die Ausführungen<br />
zum ARD-Finanzausgleich von erheblicher<br />
Bedeutung. Allerdings beschränkt<br />
sich der Verfasser hier im Wesentlichen auf eine<br />
überaus genaue Darstellung, die auch die<br />
gesamte historische Entwicklung des Finanzausgleichs<br />
umfasst. Der verfassungsrechtliche<br />
Hintergrund wird zwar angesprochen; es bleibt<br />
aber offen, wie sich der Verfasser zu diesen Fragen<br />
stellt. Insbesondere wird nicht genügend<br />
ausgelotet, dass der Finanzausgleich dazu dienen<br />
soll, dass alle Landesrundfunkanstalten<br />
letztlich eine ihrem angemeldeten und überprüften<br />
Finanzbedarf entsprechende Finanzausstattung<br />
erhalten sollen. Insoweit hätte man<br />
durchaus das Gebührenurteil des Bundesverfassungsgerichts<br />
eingehender auswerten<br />
können. Dieses Urteil sollte erklärtermaßen bewirken,<br />
dass alle öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalter<br />
durch das vom Bundesverfassungsgericht<br />
vorgegebene dreistufige Verfahren<br />
eine Finanzausstattung erhalten, die ihrem<br />
angemeldeten und überprüften Finanzbedarf<br />
entspricht.<br />
Im vierten Teil seiner Abhandlung wendet sich<br />
Steinwärder insbesondere der Rechtsnatur der<br />
ARD zu. Die diesbezüglichen Überlegungen<br />
sind sachgerecht und überzeugend. Steinwärder<br />
sieht die ARD mit guter Begründung als<br />
eine nichtrechtsfähige öffentlich-rechtliche<br />
Verbandseinheit ein. Daraus wird konsequent<br />
abgeleitet, dass die ARD-Satzung zwar ur-<br />
115
M&K 48. Jahrgang 1/2000<br />
sprünglich als Gesellschaftsvertrag im Sinne<br />
des § 705 BGB anzusehen war. Mit der heutigen<br />
öffentlich-rechtlichen Organisationsform<br />
ordnet Steinwärder die ARD-Satzung aber zutreffend<br />
als öffentlich-rechtlichen Vertrag ein,<br />
was zur Folge hat, dass auf die Zustimmung<br />
aller Mitglieder zu den Satzungsänderungen<br />
keinesfalls verzichtet werden kann. Diese Aussage<br />
hat gerade im Zusammenhang mit manchen<br />
Überlegungen zur ARD-Reform wichtige<br />
Konsequenzen. Dies gilt auch für die Aussage,<br />
dass sich in der Gleichberechtigung unter den<br />
Mitgliedern und in der konsensorientierten<br />
Verfahrenspraxis die besondere Natur der<br />
ARD ausdrückt. Dies sollte man manchen Politikern<br />
ins Stammbuch schreiben, die diese bewährte<br />
Struktur der ARD ohne Not zerschlagen<br />
wollen.<br />
Im fünften Teil beschäftigt sich Steinwärder<br />
u. a. noch mit den Gemeinschaftseinrichtungen<br />
der ARD, die im lesenswerten Überblick vorgestellt<br />
werden.<br />
Man kann dem Verfasser insgesamt nur zustimmen,<br />
dass die ARD innerhalb der vielfältigen<br />
Erscheinungsformen des kooperativen Föderalismus<br />
insgesamt ein Unikat darstellt und<br />
ihr konsensorientiertes Verfahren und die<br />
Gleichberechtigung aller Mitglieder den typischen<br />
Merkmalen der Zusammenarbeit im<br />
Bundesstaat entsprechen. Allerdings scheint<br />
das Bewusstsein für die ungeheure Bedeutung<br />
eines föderativen Aufbaus des öffentlich-rechtlichen<br />
Rundfunks für die Demokratie, die Vielfalt<br />
der Informationen und die kulturelle Vielfältigkeit<br />
mehr und mehr im Schwinden begriffen<br />
zu sein. Auch deshalb ist es zu begrüßen,<br />
dass Steinwärder die historischen Entwicklungen,<br />
die zur Gründung und zum Aufbau der<br />
ARD führten, eingehend und sachkundig<br />
nachgezeichnet hat. Insgesamt hat der Verfasser<br />
eine ungeheure Flut an Material, Literatur<br />
und Rechtsprechung bewältigt und auch eine<br />
beeindruckende Fleißarbeit vorgelegt. Jeder,<br />
der sich mit einzelnen Fragen der ARD beschäftigt,<br />
wird an Steinwärders Abhandlung<br />
nicht vorbeikommen und dort sachkundige<br />
Hilfe finden. Allerdings liegt das Schwergewicht<br />
aus meiner Sicht manchmal zu stark bei<br />
der Beschreibung und Darstellung; Steinwärder<br />
hätte zu manchen Fragen deutlicher seine<br />
eigene Auffassung darlegen und Details auch<br />
durchaus kürzer behandeln können. Insoweit<br />
wäre an manchen Stellen weniger durchaus<br />
mehr gewesen. Dies ändert aber nichts daran,<br />
116<br />
dass der Verfasser ein beeindruckendes Werk<br />
vorgelegt hat, auf das jeder gerne zurückgreifen<br />
wird, der sich in Zukunft mit den Rechtsfragen<br />
im Zusammenhang mit der ARD beschäftigt.<br />
Dieter Dörr<br />
Sarcinelli, Ulrich (Hrsg.)<br />
Politikvermittlung und Demokratie in der<br />
<strong>Medien</strong>gesellschaft<br />
Beiträge zur politischen <strong>Kommunikations</strong>kultur<br />
Opladen/Wiesbaden: Westdeutscher Verlag<br />
1998. – 477 S.<br />
ISBN 3-531-13335-7<br />
Die Allgegenwart der <strong>Medien</strong> in modernen<br />
Gesellschaften, vor allem aber ihre zentrale<br />
Bedeutung bei der Politikvermittlung, rechtfertigt<br />
die Rede von der <strong>Medien</strong>gesellschaft.<br />
Kommunikation ist unter diesen Bedingungen<br />
zum dominanten Legitimationsmodus der<br />
Politik geworden. Der Notwendigkeit öffentlicher<br />
Zustimmung für das politische System<br />
steht der Informationsbedarf der <strong>Medien</strong>akteure<br />
gegenüber. Im Tauschgeschäft „Öffentlichkeit<br />
gegen Informationen“ manifestiert sich das<br />
Abhängigkeitsverhältnis zwischen <strong>Medien</strong> und<br />
Politik. Dieses enge Beziehungsgeflecht unterliegt<br />
jedoch keineswegs uneingeschränkten<br />
wechselseitigen Anpassungsprozessen. Während<br />
die „Mediatisierung der Politik“ mittlerweile<br />
zum gesellschaftlichen Basiswissen gehört,<br />
kann im Gegenzug von einer „Politisierung<br />
der <strong>Medien</strong>“ keine Rede sein. Durch die<br />
Kommerzialisierung des <strong>Medien</strong>systems ist es<br />
vielmehr zu einer Entpolitisierung der <strong>Medien</strong><br />
gekommen.<br />
Mit dem kürzlich erschienenen Sammelband<br />
„Politikvermittlung und Demokratie in der<br />
<strong>Medien</strong>gesellschaft“ von Ulrich Sarcinelli liegt<br />
nun ein fundierter und facettenreicher Forschungsüberblick<br />
vor, der die Folgen des medialen<br />
Wandels für das Verhältnis von <strong>Medien</strong><br />
und Politik diskutiert. In 19 Einzelbeiträgen<br />
werden die verschiedensten Aspekte der Herstellung,<br />
Darstellung und Rezeption von Politik<br />
aufgegriffen und die einschlägigen Akteure,<br />
Strukturen und Prozesse beleuchtet. Der Reader<br />
wendet sich nicht nur Fach<strong>wissenschaft</strong>ler,<br />
sondern „vermittelt Politik“ auch an ein
eiteres Publikum und versteht sich als Beitrag<br />
zur politischen Bildung (erschienen auch als<br />
Bd. 352 in der Schriftenreihe der gleichnamigen<br />
Bundeszentrale). Für die nicht einschlägig vorgebildeten<br />
Leser und Leserinnen werden in<br />
einem Glossar am Ende des Buches die relevanten<br />
Fachbegriffe erläutert. Die thematisch<br />
gegliederte Auswahlbibliographie mit den<br />
wichtigsten Arbeiten zu den einzelnen Forschungsbereichen<br />
dürfte ebenfalls eine hilfreiche<br />
Unterstützung für eine weiter gehende<br />
Beschäftigung mit einzelnen Interessensschwerpunkten<br />
darstellen.<br />
Bereits 1987 hatte Sarcinelli den viel beachteten<br />
Sammelband „Politikvermittlung“ (Bd. 238 der<br />
Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische<br />
Bildung) herausgegeben, der den damaligen<br />
Forschungsstand zum Bereich der politischen<br />
Kommunikation repräsentierte. Ging es<br />
in dem Vorläufer-Band noch überwiegend um<br />
die Bemühungen der politischen Akteure, ihr<br />
Handeln – quasi von oben nach unten – über<br />
die <strong>Medien</strong> an die Betroffenen zu vermitteln, so<br />
zeigt sich nun gut zehn Jahre später eine erhebliche<br />
Diversifizierung der Forschungsansätze.<br />
Die politik<strong>wissenschaft</strong>lichen Beiträge werden<br />
durch kommunikations<strong>wissenschaft</strong>liche und<br />
öffentlichkeitssoziologische Perspektiven ergänzt<br />
und erweitert. Damit rückt auch das massenmediale<br />
Publikum stärker in den Blick. Wie<br />
gehen Bürger und Bürgerinnen mit Politikangeboten<br />
in den <strong>Medien</strong> um, welche Vorstellungen<br />
von Politik entwickeln sie, welche Rolle<br />
spielen mediale und interpersonale politische<br />
Kommunikation in ihrem Alltag? Der Band beschreibt<br />
die grundlegenden Veränderungen der<br />
medialen Umwelt, die sich vor allem seit der<br />
Etablierung des dualen Rundfunks mit der<br />
Kommerzialisierung, der Digitalisierung und<br />
der Globalisierung der <strong>Medien</strong> vollzogen haben.<br />
Programmvermehrung, Ausdifferenzierung<br />
von Zielgruppenangeboten, zunehmende<br />
Unterhaltungsorientierung und Marginalisierung<br />
von Politik markieren diesen Wandel. Die<br />
Veränderungen beschränken sich nicht auf das<br />
<strong>Medien</strong>system selbst, sondern implizieren weit<br />
reichende Folgen für das Publikum, das seine<br />
<strong>Medien</strong>nutzung im Rahmen der vorgegebenen<br />
Möglichkeiten realisiert, aus dem angebotenen<br />
Material ein Politikbild konstruiert, sich in<br />
kleinere Zielgruppen ausdifferenziert und<br />
möglicherweise in den neuen Technologien<br />
neue Informations- und Partizipationschancen<br />
entdeckt. Auch die politischen Akteure, die mit<br />
Literatur · Besprechungen<br />
der Herstellung und Darstellung von Politik<br />
beschäftigt sind, reagieren auf den medialen<br />
Wandel, indem sie – die <strong>Medien</strong>logik antizipierend<br />
– ihre Botschaften personalisiert, unterhaltend,<br />
vereinfacht und zielgruppengerecht<br />
gestalten und durch Pseudoevents <strong>Medien</strong>aufmerksamkeit<br />
generieren. Die Mediatisierung<br />
der Politik und das den neuen Bedingungen angepasste<br />
Rezeptionsverhalten des Publikums<br />
verändern die gesellschaftlichen Meinungsbildungsprozesse<br />
und die Struktur politischer Öffentlichkeit<br />
in Deutschland. Damit steht die<br />
Zukunft der Demokratie im Allgemeinen und<br />
die Legitimität politischer Entscheidungen im<br />
Besonderen zur Debatte.<br />
Der Band behandelt diesen Problemkontext in<br />
vier größeren Abschnitten. Im ersten Abschnitt<br />
(Grundlegung und disziplinäre Zugänge) werden<br />
einige demokratie- und öffentlichkeitstheoretische<br />
Grundlagen (Max Kaase, Otfried<br />
Jarren) sowie die wichtigsten Veränderungen<br />
im <strong>Medien</strong>system (Ulrich Saxer) diskutiert.<br />
Während die Beiträge von Kaase und Saxer eher<br />
beschwichtigenden Charakter haben, klingen<br />
bei Jarren vor allem in Bezug auf die Marginalisierung<br />
von Politik und die Segmentierung<br />
der Öffentlichkeit deutlich skeptischere Töne<br />
an.<br />
Der zweite Abschnitt beschäftigt sich mit<br />
Strukturen, Prozessen und Strategien der Politikvermittlung.<br />
Klaus-Dieter Altmeppen und<br />
Martin Löffelholz beleuchten neuere Ergebnisse<br />
zum journalistischen Selbstverständnis und<br />
rücken verbreitete Vorstellungen zurecht,<br />
Journalisten sähen sich als „vierte Gewalt“ und<br />
übten – durch Wahlen nicht legitimiert – erheblichen<br />
Einfluss auf das politische Geschehen<br />
aus. Die normativ gesetzte Kontrollfunktion<br />
von <strong>Medien</strong> sei vielmehr durch die meist<br />
unzureichende journalistische Infrastruktur<br />
teilweise außer Kraft gesetzt und müsse stärker<br />
aktiviert werden. Für ein nur beschränktes Einflusspotenzial<br />
der Journalisten spricht auch der<br />
Beitrag von Günter Bentele, der die Abhängigkeit<br />
journalistischer Arbeit von entsprechenden<br />
PR-Aktivitäten betont. Ohne politische<br />
PR könne der Journalismus seine Aufgaben bei<br />
der Herstellung von Öffentlichkeit kaum mehr<br />
bewältigen.<br />
Drei Beiträge fokussieren auf die spezifischen<br />
Bedingungen der Politikvermittlung von Printund<br />
elektronischen <strong>Medien</strong>. Während Jürgen<br />
Wilke sich mit der stark vernachlässigten Gat-<br />
117
M&K 48. Jahrgang 1/2000<br />
tung der Printmedien beschäftigt, fokussieren<br />
Frank Marcinkowski und Jens Tenscher auf die<br />
elektronische <strong>Medien</strong>, vor allem aber auf die<br />
Berichterstattung des Fernsehens. Wilke rehabilitiert<br />
die Zeitungen und Zeitschriften als Basismedien<br />
der Information und Meinungsbildung.<br />
Wegen ihrer ausführlichen Hintergrundberichterstattung<br />
seien gerade sie für einen<br />
rationalen Diskurs unverzichtbar. Einige Zeitungen<br />
und Magazine erfüllten darüber hinaus<br />
Meinungsführungsfunktionen in der öffentlichen<br />
Diskussion. Marcinkowski und Tenscher<br />
thematisieren die Parallelität der zunehmenden<br />
Unterhaltungsorientierung in Fernsehangebot<br />
und Fernsehnutzung. Obwohl Tenscher die<br />
Marginalisierung von Politik etwas kritischer<br />
beurteilt als Marcinkowski, besteht Einigkeit<br />
darüber, dass keine Hinweise auf eine durch die<br />
Angebotsstruktur des Fernsehens verursachte<br />
Politikverdrossenheit vorliegen.<br />
Der letzte Beitrag des zweiten Abschnitts befasst<br />
sich mit den Konsequenzen von „Globalisierung<br />
und medientechnischer Revolution“.<br />
Hans Kleinsteuber und Barbara Thomaß problematisieren<br />
die im Zuge der Entstaatlichung<br />
von <strong>Medien</strong>politik schwindenden Regulierungsmöglichkeiten.<br />
Die Unterwerfung der<br />
Politikvermittlung unter wirtschaftliche Interessen<br />
ließe eine Qualitätsverschlechterung des<br />
<strong>Medien</strong>angebots erwarten. Andererseits berge<br />
der interaktive Charakter der neuen <strong>Medien</strong><br />
auch Partizipationsmöglichkeiten für das Publikum.<br />
Ob diese jedoch genutzt würden und<br />
auf Resonanz im politischen System stießen, sei<br />
noch nicht abzusehen.<br />
Im dritten Abschnitt des Sammelbandes (Regierungssystem<br />
und Politikvermittlung: Mediatisierung<br />
von Politik, demokratische Willensbildung<br />
und politische Entscheidungsfindung)<br />
werden die unterschiedlichen politischen<br />
Akteure (Regierungen, Parlamente, Parteien,<br />
Protestakteure, Wähler) in den Blick genommen.<br />
Barbara Pfetsch untersucht die Bedingungen<br />
der Regierungskommunikation, Edwin<br />
Czerwick beschäftigt sich mit der parlamentarischen<br />
Politikvermittlung und Sigrid Baringhorst<br />
analysiert die Öffentlichkeitsarbeit von<br />
Protestakteuren. Eine etwas andere Perspektive<br />
nimmt der Beitrag von Ulrich Sarcinelli zu<br />
den Parteien ein. Hier werden nicht so sehr deren<br />
spezifische Vermittlungsaktivitäten thematisiert,<br />
sondern der Bedeutungsverlust der Parteien<br />
wird in Beziehung gesetzt zu allgemeine-<br />
118<br />
ren Tendenzen der Modernisierung. Rüdiger<br />
Schmidt-Becks Beitrag zum <strong>Kommunikations</strong>verhalten<br />
der Wähler weist ebenfalls eine andere<br />
Blickrichtung auf. In komplexen Analysen<br />
illustriert er den Zusammenhang von politischem<br />
Interesse, politischen Prädispositionen,<br />
<strong>Medien</strong>nutzung, interpersonaler Kommunikation<br />
und Parteipräferenzen. <strong>Medien</strong> erwiesen<br />
sich dabei als weniger einflussreich als die interpersonalen<br />
Kontakte im engen persönlichen<br />
Umfeld.<br />
Im letzten Abschnitt (Die Bürger als Zuschauer,<br />
Betroffene und als Akteure: Zur Nutzung<br />
und Wirkung von <strong>Medien</strong>) geht es vor allem<br />
um die Bedeutung von Politik und politischer<br />
<strong>Medien</strong>nutzung im Alltag des Publikums.<br />
Michael Schenks Beitrag schließt inhaltlich an<br />
die Arbeit von Schmidt-Beck an, da auch hier<br />
die Einbettung der <strong>Medien</strong>kommunikation<br />
in das gesamte <strong>Kommunikations</strong>umfeld untersucht<br />
wird. <strong>Medien</strong> sorgten zwar für die Erstinformation,<br />
die Bewertung dieser Informationen<br />
erfolge jedoch in den persönlichen Netzwerken<br />
des Publikums. Damit stehe nicht nur<br />
der verbreitete medienzentrierte Öffentlichkeitsbegriff<br />
zur Disposition, sondern auch die<br />
Vorstellung eines starken <strong>Medien</strong>einflusses.<br />
Uwe Hasebrink untersucht die Entwicklung<br />
der <strong>Medien</strong>nutzung im Zeitverlauf. Insgesamt<br />
zeige sich eine Abnahme der Reichweiten politischer<br />
Information. Vor allem Jüngere und<br />
politisch wenig Interessierte würden von politischen<br />
Informationsangeboten nur schlecht<br />
erreicht. Allerdings müsse von der Idealvorstellung<br />
„gute Politikvermittlung“ setze umfangreiche<br />
Nutzung und aufmerksame Rezeption<br />
voraus, Abstand genommen werden. Im<br />
Sinne des Modells der Alltagsrationalität (Brosius)<br />
könne es durchaus rational sein, bestimmte<br />
Politikangebote nicht zu nutzen. Der Beitrag<br />
von Heinz Bonfadelli beschäftigt sich mit der<br />
Politikwahrnehmung von Jugendlichen. Politik<br />
habe als abstrakter, ichferner Bereich einen<br />
randständigen Stellenwert in der Lebenswelt<br />
von Jugendlichen. Erst mit zunehmendem Alter<br />
und politischem Wissen werde das politische<br />
Interesse langsam geweckt und das Interesse<br />
an politischen <strong>Medien</strong>inhalten angeregt. In<br />
dem abschließenden Beitrag von Ulrich Sarcinelli<br />
und Manfred Wissel wird vor den Gefahren<br />
politischer Desinformiertheit gewarnt und<br />
die Dringlichkeit politischer Bildungsarbeit<br />
unterstrichen. Dabei dürften die große Menge<br />
und die durch die neuen <strong>Medien</strong> noch verbes-
serte Zugänglichkeit zu Informationsangeboten<br />
jedoch nicht mit höherer Informiertheit<br />
gleichgesetzt werden. Nicht alle Bevölkerungssegmente<br />
profitierten in gleicher Weise von<br />
zunehmenden Informationsflüssen. Gleichwohl<br />
böten die technischen Innovationen neue<br />
Chancen politischer Beteiligung und politischer<br />
Bildung.<br />
Leider sind die Beiträge sind nicht immer optimal<br />
aufeinander abgestimmt, so dass teilweise<br />
erhebliche Redundanzen entstehen. Auch ist<br />
die Zuordnung der Einzelbeiträge zu den vier<br />
großen Abschnitten nicht immer nachvollziehbar.<br />
Vor allem die Zusammenstellung der<br />
sehr heterogenen Beiträge im zweiten Abschnitt<br />
(Medialer Wandel und Politikvermittlung:<br />
Strukturen, Prozesse und Strategien)<br />
erwecken den Eindruck einer gewissen Beliebigkeit.<br />
Abgesehen von diesen kleineren<br />
Schwächen bei der redaktionellen Konzeption<br />
und Bearbeitung lässt sich der Sammelband<br />
vorbehaltlos zur Lektüre empfehlen. Er enthält<br />
weitgehend interessante und qualitativ hochwertige<br />
Einzelbeiträge aus unterschiedlichen<br />
Fächern. Die transdisziplinäre Zusammensetzung<br />
der Autoren und die Vielfalt der Perspektiven<br />
und Befunde spiegelt die Komplexität des<br />
Forschungsgegenstands und gewährt gerade<br />
dadurch einen hervorragenden Überblick über<br />
die Arbeiten zum Bereich Politik und <strong>Medien</strong>.<br />
Angesichts der zunehmenden Bedeutung und<br />
rasanten Entwicklung dieses noch relativ jungen<br />
Forschungsbereichs darf man gespannt sein<br />
auf den in weiteren 10 Jahren zweifellos fälligen<br />
Nachfolgeband.<br />
Christiane Eilders<br />
Peter Sicking<br />
Leben ohne Fernsehen<br />
Eine qualitative Nichtfernseherstudie<br />
Wiesbaden: DUV 1998. – 260 S.<br />
(zgl. Münster: Universität, Diss.)<br />
ISBN 3-8244-4305-8<br />
Das Fernsehen ist häufig Gegenstand öffentlicher<br />
Debatten, und <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>ler<br />
sind häufig enttäuscht über den undifferenzierten<br />
Umgang mit ihren Befunden. Man<br />
nimmt die Differenzierung des Publikums zur<br />
Kenntnis, aber schweigt sich darüber aus, als<br />
würde auch hier eine Spirale wirken. Die empi-<br />
Literatur · Besprechungen<br />
rische Detailanalyse ist der Wahrheit nah, aber<br />
der Aufmerksamkeit fern. Dass das Medium<br />
der Massen auf der Suche nach der richtigen<br />
Ansprache von Zielgruppen Streuverluste beklagt,<br />
ist in diesem Zusammenhang eine Beobachtung,<br />
die zunächst nur das Publikum<br />
selbst im Blick hat. Am Rande und jenseits dieses<br />
„audience flow“ aber konzentriert sich die<br />
Abstinenz und der Verzicht auf (fast) tägliche<br />
Information und Unterhaltung durch das Leitmedium<br />
der Gegenwart. Es ist ein marginales<br />
Phänomen, mit dem sich Peter Sicking in seiner<br />
Studie auseinander setzt. Aber er tritt an, den<br />
unzulänglichen Behandlungen der Nichtfernseher<br />
entgegenzuwirken, und setzt zugleich auf<br />
die Karte „Differenzierung“, die ihm in diesem<br />
Themenfeld vielleicht mehr Aufmerksamkeit<br />
sichern wird.<br />
Vor mehr als 20 Jahren hatte der damalige Bundeskanzler<br />
Helmut Schmidt der deutschen Bevölkerung<br />
die Empfehlung gegeben, doch einen<br />
fernsehfreien Tag pro Woche anzustreben.<br />
Heute liegt die Tagesreichweite des Fernsehens<br />
knapp über 70 Prozent. Mit anderen Worten:<br />
30 Prozent der Bevölkerung werden täglich<br />
nicht erreicht, aber es sind am Montag andere<br />
als am Dienstag, und am Mittwoch vielleicht<br />
andere als am Sonntag usw. Optimistisch gesprochen:<br />
Die von der GfK-Fernsehforschung<br />
registrierte Fernsehnutzung lässt den Schluss<br />
zu, dass die Mehrheit der Zuschauer in<br />
Deutschland dem damaligen Wunsch aus Bonn<br />
vorausgeeilt oder gefolgt ist. Mit „Bildschirmverachtung“,<br />
wie es der Publizist Gerhard Prager<br />
einmal formulierte, hat dieser Verzicht wenig<br />
zu tun, sondern mit Erreichbarkeit und anderen<br />
Verpflichtungen.<br />
Jenseits dieser wechselnden Zuschauerschaft<br />
schätzt man die Zahl der generellen Nichtfernseher<br />
in Deutschland auf ein bis eineinhalb Millionen<br />
Menschen. Welche empirische Grundlage<br />
dieser Schätzung zugrunde liegt, wird dort,<br />
wo diese Zahl Erwähnung findet, nicht erörtert.<br />
Auch die vorliegende Arbeit enthält dazu<br />
keine Auskünfte. Sie versteht sich als qualitative<br />
Analyse, die ein „handlungstheoretisch fundiertes<br />
Analysekonzept entwickelt“ (S. 10), das<br />
einer umfassenderen Behandlung dieser Teilgruppe<br />
den zu berücksichtigenden Rahmen<br />
vorgeben soll. Denn die qualitative Vorgehensweise<br />
findet nicht nur ihren Niederschlag in der<br />
Zahl der „Fälle“, sondern auch in der Präsentation<br />
des erhobenen „Materials“. Die über Hörfunk<br />
und Tageszeitung erfolgte Akquisition<br />
119
M&K 48. Jahrgang 1/2000<br />
von potenziellen Teilnehmern aus dem Raum<br />
Münster erbrachte zunächst 85 Rückmeldungen<br />
von Interessenten. Einige kamen für den<br />
Zweck der Untersuchung nicht in Frage (das<br />
Einschlusskriterium lautete: seit mindestens<br />
drei Monaten freiwillig nicht (mehr) ferngesehen),<br />
so dass letztlich 45 Frauen und 36 Männer<br />
zur Verfügung standen. Mit jeweils 15 Männern<br />
und Frauen wurden sodann mehrstündige<br />
Intensivinterviews geführt, die auch den Kernfundus<br />
für die weiteren Ausführungen darstellen.<br />
Darüber hinaus fand eine ergänzende Fragebogenerhebung<br />
statt, der aber auch im Rahmen<br />
dieser Arbeit nur eine marginale Bedeutung<br />
zukommt (vgl. S. 219 ff.).<br />
Bereits in der Einleitung kündigt der Verfasser<br />
an, dass die Gespräche unter Bezugnahme auf<br />
„Ideen der phänomenologisch begründeten<br />
Lebenswelttheorie“ (S. 10) interpretiert werden.<br />
Grundlage der Interviews ist ein systematisch<br />
aufgebauter Fragenkatalog, dessen Herleitung<br />
nachvollziehbar und gut dokumentiert<br />
ist. Die durch die Befragung vorgegebene<br />
Struktur (z. B. Entstehungsbedingungen der<br />
fernsehfreien Lebensweise, frühere Fernsehnutzung,<br />
Stellenwert des Nichtfernsehens,<br />
Selbst- und Fremdbeurteilung der fernsehfreien<br />
Lebensweise, <strong>Medien</strong>nutzungsverhalten)<br />
stellt zugleich das Gerüst für die Präsentation<br />
der Ergebnisse dar.<br />
Sicking begibt sich auf die „Suche nach dem<br />
Typischen“ (S. 39) und erhebt nicht den Anspruch<br />
auf Repräsentativität. Objektiv möchte<br />
er trotzdem sein, ohne die Subjektivität des<br />
Forschers aufzugeben (vgl. S. 38 f.). Ob man<br />
solche Zielsetzungen als paradox empfindet<br />
oder nicht, soll hier nicht zur Debatte stehen.<br />
Das methodische Vorgehen ist einem „‚emergentistischen‘<br />
Objektivitätsbegriff“ (S. 39) verpflichtet,<br />
dessen Essenz mit Gerhard Kleining<br />
wie folgt erläutert werden kann: „Objektivität<br />
entsteht aus Subjektivität durch den Prozeß der<br />
Analyse.“ (S. 39)<br />
Der neutralste Weg der Beurteilung dieser Forschungspraxis<br />
ist der Blick auf die Ergebnisse.<br />
Denn wer möchte schon der folgenden Feststellung<br />
widersprechen: „Bei allen Verallgemeinerungs-<br />
und Generalisierungsbemühungen<br />
handelt es sich bei den Befragten schließlich um<br />
unverwechselbare Individuen, deren exemplarischer<br />
Erkenntniswert nicht verkannt werden<br />
darf.“ (S. 43) Aber wenn alles individuell ist,<br />
muss man nach dem Gemeinsamen keine Aus-<br />
120<br />
schau halten. Jede fundamentale Feststellung<br />
dieser Art ist immun gegen Anfechtungen, weil<br />
sie die Abweichung nicht gestattet. Was also ist<br />
das Typische der Individuen, die nicht fernsehen?<br />
Die Antwort lautet: Sie haben einiges gemeinsam<br />
und lassen sich drei übergeordneten Nichtfernsehertypen<br />
zuordnen (vgl. S. 43). Die folgenden<br />
Angaben sind als Kurzporträts zu lesen.<br />
Ausführliche Originalbeschreibungen machen<br />
einen Großteil des Buches aus:<br />
1. der aktive Nichtfernsehertyp: Zentrales<br />
Merkmal ist eine aktive Lebensweise, die nicht<br />
mit einer zwanghaften Zurückweisung des Mediums<br />
einhergeht. Die Lebensweise ist „quasi<br />
automatisch“ (S. 97) entstanden. Authentische<br />
Erfahrungen sind wichtig, verbunden mit einer<br />
Betonung körperlicher und geistiger Aktivität.<br />
Zeitverschwendung wird verabscheut, Engagement<br />
im kulturellen, sozialen und politischen<br />
Bereich prägt die eigene Zeitverwendung. Insgesamt<br />
bedurfte es keines äußeren Anlasses, um<br />
dem Fernsehen zu entsagen. Es hat auch in der<br />
Vergangenheit keinen oder einen nur geringen<br />
Stellenwert in der Freizeitgestaltung eingenommen.<br />
Der Vorteil des Nichtfernsehens ist<br />
der Zeitgewinn.<br />
2. der bewusst-reflektierte Nichtfernseher:<br />
Auch hier wird originären Lebenserfahrungen<br />
und unmittelbaren Kontakten mit der Mit- und<br />
Umwelt Priorität eingeräumt. Sicking identifiziert<br />
in den Gesprächsprotokollen zwei<br />
Subtypen: den weltanschaulich geprägten und<br />
den selbstbestimmten Lebensreformtyp (vgl.<br />
S. 101). Anthroposophische, ökologische und<br />
philosophisch-religiöse Denkweisen sind in<br />
unterschiedlicher Mischung das Fundament<br />
dieses Lebensstils. Es handelt sich häufig um<br />
Familien mit Kindern. Die entscheidende Differenz<br />
zum ersten Typus liegt in der Vergangenheit:<br />
Fernsehen war Teil der Alltagsroutine<br />
und man wollte diese Bildschirmorientierung<br />
nicht länger fortführen. Entsprechend konzentrieren<br />
sich gerade hier negative Beurteilungen<br />
des Mediums: das Bild ist Lüge; was gesendet<br />
wird, ist katastrophal; Vorgaukeln einer perspektivischen<br />
Erfahrung; künstliche Sozialwelt<br />
usw. Der Vorteil des Nichtsehens wird hier in<br />
einem höheren Bewusstseins- und Wahrnehmungsniveau<br />
der Umwelt gesehen (vgl. S. 139).<br />
3. der suchtgefährdete Nichtfernseher: Hier<br />
identifiziert Sicking eine kleine Gruppe ehemaliger<br />
Extremfernseher, deren früherer Umgang
mit dem Fernsehen fast schon pathologisch zu<br />
nennen ist. Zugleich findet hier auch ein Wechsel<br />
der Extreme statt: Aus Vielsehern werden<br />
Vielleser. Auch der Anteil der Raucher ist im<br />
Vergleich zu den ersten beiden Gruppen höher.<br />
Einen drastischen Einblick in die Vorgeschichte<br />
dieser Lebensweise liefert das folgende Beispiel.<br />
Es beschreibt das Ende eines Fernsehapparats:<br />
„Ich hab dann angefangen, hab ihn noch<br />
mal angemacht, und es war gerade auch noch<br />
eine von den Sendungen, die ich gerne gucke.<br />
Ja, und dann den wirklich ausschalten, Stecker<br />
raus, und dann hinten die Rückwand abzuschrauben<br />
und auseinander zu nehmen, und<br />
systematisch die Platine mit der Zange abbrechen,<br />
jedes Teil einzeln, klack, klack, klack, ihn<br />
richtig auseinander zu nehmen, und es ging mir<br />
saugut dabei!“ (S. 168) Ob der Betreffende diesen<br />
Akt der Befreiung mittlerweile schon wieder<br />
bereut hat, ist nicht bekannt. Aber die Gefahr<br />
eines „Rückfalls“ ist insbesondere in dieser<br />
Gruppe gegeben. Die Erleichterung ist zunächst<br />
groß, aber das Medium hat in der bisherigen<br />
Biografie Spuren hinterlassen, die noch<br />
nicht verschwunden sind.<br />
Diese knappen Porträts verdichten die sehr detaillierten<br />
Erzählungen und Zusammenfassungen,<br />
die Sicking seinen Fallbeispielen hinzufügt.<br />
Wirklich überrascht wird man durch die<br />
meisten Befunde nicht. Man antizipiert sehr<br />
schnell den Inhalt der zahlreichen Selbstbeschreibungen.<br />
Die originären Beschreibungen<br />
sind insofern nicht so originell, dass sie den Leser<br />
auf ein unbekanntes Terrain führen. Das<br />
Medium wird vielfach zum Opfer von Klischees,<br />
die der eingangs angesprochenen Differenzierung<br />
keinen Raum geben. In der Übertreibung<br />
mag hier die Befriedigung für die Untersuchungsteilnehmer<br />
liegen.<br />
Sicking selbst spricht am Ende von einer<br />
„eklatante[n] Wissenslücke in der kommunikations<strong>wissenschaft</strong>lichen<br />
Zuschauerforschung“<br />
(S. 235), die durch seine Untersuchung geschlossen<br />
werden konnte. Nur zwei Seiten vorher<br />
heißt es aber auch: „Die Erkenntnisse der<br />
bisherigen bundesdeutschen Nichtfernseherforschung<br />
zu den Motiven für eine fernsehfreie<br />
Lebensführung und den daraus resultierenden<br />
Konsequenzen erfuhren dabei im wesentlichen<br />
eine Bestätigung.“ (S. 233) Was also sind die Befunde,<br />
die das Schließen der Lücke bewirkt haben?<br />
Nach Sicking ist es vor allem die Typologie<br />
– und damit die differenzierte Betrachtung<br />
der Nichtseher –, die in Zukunft mehr Beach-<br />
Literatur · Besprechungen<br />
tung finden muss. Hinzu kommt das trotz Differenzen<br />
bestehende gemeinsame Merkmal von<br />
Aktivität und Engagement, das alle befragten<br />
Personen aufweisen. Der insgesamt gut formulierten<br />
Arbeit und gut dokumentierten Vorgehensweise<br />
ist es gelungen, einen Leitfaden zu<br />
präsentieren, der sich wohl auch in einem größeren,<br />
standardisierten Rahmen einsetzen lassen<br />
kann. Vielleicht wird dann noch deutlicher,<br />
in welchen Bereichen die Wahrnehmung und<br />
Beurteilung dieses Themas nicht einem vermeintlichen<br />
Vertrautheitswissen zum Opfer<br />
fällt.<br />
Michael Jäckel<br />
G. Christine Müller<br />
Der europäische Fernsehabend<br />
Köln: Halem, 1999. – 100 S.<br />
ISBN 3-931606-29-5<br />
Der europäische Fernsehabend von G. Christine<br />
Müller ist im Rahmen des über sechs Jahre laufenden<br />
Sonderforschungsbereichs Bildschirmmedien<br />
(Universität Siegen) als ein Ergebnisband<br />
des Teilprojekts Fernsehen und neue<br />
<strong>Medien</strong> im Europa der 90er-Jahre entstanden.<br />
Vorgestellt wird ein europäischer Programmstrukturvergleich<br />
mit Daten aus dem Jahr 1995.<br />
Untersucht wurden aus sechs europäischen<br />
Ländern (Deutschland, Großbritannien, Frankreich,<br />
Italien, Spanien und Ungarn) jeweils zwei<br />
öffentlich-rechtliche und zwei private Fernsehprogramme<br />
mit nationaler Verbreitung. Die<br />
ausgewählten Sender waren für Deutschland<br />
ARD, ZDF, RTL und SAT.1, für Großbritannien<br />
BBC1, BBC2, ITV und Channel 4, für Italien<br />
RAI1, RAI2, Canale 5 und Italia 1, für<br />
Frankreich FR2, FR3, TF1 und M6, für Spanien<br />
TVE1, LA2, Tele5 und Antenna3, für Ungarn<br />
MTV1 MTV2, SZIV TV und TV3. Untersucht<br />
wurden diese Programme über zwei<br />
natürliche Wochen im Oktober 1995, jeweils<br />
beschränkt auf eine einheitliche Prime Time von<br />
19.00 bis 23.00 Uhr. Grundlage der Programmcodierung<br />
waren Programmzeitschriften aus<br />
den jeweiligen Ländern. Erfasst wurden daraus<br />
die Merkmale Titel des Beitrags, Sender, Ausstrahlungsdatum,<br />
Sendebeginn, Dauer, nationale<br />
Herkunft (Eigen-/Fremdproduktion), Unterscheidung<br />
zwischen unterhaltenden/ernsthaften<br />
Sendungen, Zusatzinformationen zur<br />
Sendung und Sendungscode (hierarchisch abgeleitete<br />
Programmkategorien des Fiction- und<br />
Non-Fiction-Angebots).<br />
121
M&K 48. Jahrgang 1/2000<br />
Folgt man dem Aufbau des Buches, so werden<br />
nach Vorwort und Einleitung (5 S.) im anschließenden<br />
Methodenkapitel (13 S.) die zentralen<br />
Fragestellungen und das Analyseinstrument<br />
beschrieben. Eine über die Definition der<br />
Prime Time hinausführende theoretische und<br />
methodische Diskussion der Untersuchungsdimensionen,<br />
aus der einerseits die Gemeinsamkeiten,<br />
andererseits die Unterschiede zu anderen<br />
Programmanalysen deutlich werden, findet<br />
dabei nicht statt. Den medienstrukturellen, politischen<br />
und medienrechtlichen Hintergrund<br />
des Programmstrukturvergleichs liefert das<br />
anschließende Kapitel über die Entwicklung<br />
der Rundfunksysteme in den sechs ausgewählten<br />
Ländern (18 S.). Hier werden im Wesentlichen<br />
die im Internationalen Handbuch für<br />
Hörfunk und Fernsehen des Hans-Bredow-<br />
Instituts von 1996/97 enthaltenen Kapitel über<br />
die betreffenden Länder in Kurzform referiert.<br />
Am Ende erscheint eine Tabelle (die einzige im<br />
Buch) mit den ausgewählten Fernsehprogrammen.<br />
Die Untersuchungsergebnisse bilden den<br />
Hauptteil des Buches (42 S.). Den Analysedimensionen<br />
und Programmkategorien folgend,<br />
werden die insgesamt 24 Programme aus den<br />
sechs europäischen Ländern in ihren quantitativen<br />
Anteilen verglichen. Dieser Vergleich<br />
wird in insgesamt 14 Abbildungen (Säulen- und<br />
Kuchendiagramme) dargestellt. Man gewinnt<br />
dabei einen schnellen Überblick über die wesentlichen<br />
Strukturmerkmale, in denen sich die<br />
Fernsehprogramme der Länder unterscheiden.<br />
Eine zusätzliche Datendokumentation, z. B.<br />
Tabellen, aus denen sich die absoluten Werte<br />
der dargestellten Prozentanteile bei wechselnden<br />
Bezugsgrößen entnehmen ließen, gibt es<br />
leider nicht. Im Schlusskapitel (9 S.) werden die<br />
empirischen Befunde zusammengefasst und<br />
unter medienpolitischen Aspekten interpretiert,<br />
wobei insbesondere die eingangs erwähnten<br />
Fragestellungen der drei Vergleiche, öffentlich-rechtlich<br />
vs. privat, Nordeuropa vs. Südeuropa<br />
und Westeuropa vs. Osteuropa wieder<br />
aufgegriffen werden. Die Literaturliste enthält<br />
64 Titel, von denen 20 im Text des Buches zitiert<br />
werden.<br />
Betrachtet man die Studie als Beitrag, wichtige<br />
europäische Fernsehländer in einer Momentaufnahme<br />
vor dem Hintergrund der verschiedenartigen<br />
nationalen Fernsehsysteme zu beschreiben<br />
und zu interpretieren, muss der<br />
zurückliegende Untersuchungszeitraum von<br />
1995 gar nicht nachteilig sein. Denn beim Defi-<br />
122<br />
zit an vergleichenden europäischen Fernsehprogrammanalysen<br />
kann jeder Zeitraum informativ<br />
sein, wenn er dazu beiträgt, über die<br />
Sprachbarrieren hinweg Europas wichtigste<br />
Fernsehländer in einigen zentralen Charakteristika<br />
kennen zu lernen.<br />
Mit ihren Analysekategorien kommt G. Christine<br />
Müller zu dem Befund, dass zwar in allen<br />
sechs Ländern leichte unterhaltende Angebote<br />
gegenüber den ernsten Angeboten überwiegen,<br />
dabei jedoch ein Nord-Süd-Gefälle festzustellen<br />
sei: Im Anteil ernster sowie anspruchsvoller<br />
Angebote unterscheiden sich Deutschland und<br />
Großbritannien am deutlichsten von Spanien<br />
und Italien. Die herausgehobene Rolle<br />
Deutschlands und Großbritanniens unter den<br />
sechs europäischen Ländern zeigt sich auch in<br />
anderen Aspekten. So weisen in Deutschland<br />
die Fernsehprogramme im Durchschnitt mehr<br />
Eigenproduktionen auf als in anderen Ländern.<br />
Bei der Gegenüberstellung von Fiction und<br />
Non-Fiction erscheinen die kommerziellen<br />
Programme aller Länder tendenziell stärker<br />
fictionorientiert als die öffentlich-rechtlichen<br />
Programme. Wesentliche Unterschiede zeigen<br />
sich allerdings bei der Herkunft der Fictionsendungen:<br />
In Deutschland und Großbritannien<br />
überwiegen die Eigenproduktionen, in den anderen<br />
Ländern die Fremdproduktionen. Dies<br />
hat möglicherweise dazu beigetragen, dass die<br />
Befürchtungen vor einer amerikanischen Dominanz<br />
in Deutschland geringer ausgeprägt<br />
waren als etwa in Frankreich, Italien oder Spanien.<br />
Sehen die einen den internationalen, vor<br />
allem den US-Programmmarkt, als kulturelle<br />
Bedrohung, nutzen ihn andere, wie am Beispiel<br />
Ungarns gezeigt wird, als willkommene<br />
Chance, nicht nur den privaten, sondern auch<br />
den öffentlich-rechtlichen Programmbedarf<br />
damit kostengünstig zu decken. Im Vergleich<br />
der Länder hinsichtlich unterhaltender versus<br />
ernsthafter Anteile ihres Non-Fiction-Angebots<br />
gibt es außer den Unterschieden zwischen<br />
den Ländern vor allem erhebliche Unterschiede<br />
zwischen den mehr ernsthaft orientierten<br />
öffentlich-rechtlichen und den unterhaltungsorientierten<br />
kommerziellen Programmen in<br />
Deutschland. In einem weiteren Schritt der<br />
Programmdifferenzierung nach den Kategorien<br />
Spiel- und Fernsehfilme, Serien, Berichterstattung<br />
und Dokumentationen, Magazine,<br />
Sport, Shows und andere spiegeln sich die<br />
schon in anderen Programmanalysen aufgezeigten<br />
Profilunterschiede zwischen öffent-
lich-rechtlichen und privaten Programmen wider,<br />
die hier im größeren Anteil an Berichterstattung<br />
und Dokumentation sowie Magazinen<br />
bei den öffentlich-rechtlichen und Serien,<br />
Spielfilmen und Shows bei den privaten Sendern<br />
zu Tage treten. Allerdings trifft die Präferenz<br />
für Informationsangebote nicht für alle öffentlich-rechtlichen<br />
Programme aller Länder in<br />
gleicher Weise zu wie in Deutschland.<br />
In der Zusammenfassung interpretiert G.<br />
Christine Müller die Befunde aus ihren Daten<br />
im Hinblick auf die Programmstrategien, die<br />
die öffentlich-rechtlichen Sender in den einzelnen<br />
Ländern gewählt haben, um sich im dualen<br />
System gegen die Konkurrenz kommerzieller<br />
Sender behaupten zu können. In Deutschland,<br />
so die Studie, unterscheidet sich das öffentlichrechtliche<br />
Programm einheitlich durch ein<br />
größeres Informationsangebot und größere<br />
thematische Vielfalt von den privaten Programmen.<br />
In Großbritannien orientieren sich alle<br />
Sender tendenziell am Profil öffentlich-rechtlicher<br />
Programme. In den anderen Ländern dagegen<br />
spaltet sich das öffentlich-rechtliche System.<br />
Während eines der beiden öffentlichrechtlichen<br />
Programme am öffentlich-rechtlichen<br />
Profil orientiert bleibt, orientiert sich das<br />
andere tendenziell am Profil der privaten Programme.<br />
Offenbar findet dort eine partielle<br />
Anpassung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks<br />
an den privaten Rundfunk statt, die es in<br />
Ländern mit starker öffentlich-rechtlicher Tradition<br />
und solider Finanzierungsbasis so nicht<br />
gegeben hat. Der europäische Fernsehmarkt, so<br />
die Studie, wird weitgehend von den unterschiedlichen<br />
nationalen Rahmenbedingungen<br />
geprägt. So kommt es, dass die Gemeinsamkeiten<br />
zwischen den europäischen Fernsehprogrammen<br />
weniger europäisch, sondern mehr<br />
durch US-Importe und Übernahmen erfolgreicher<br />
amerikanischer Programmkonzepte geprägt<br />
sind. Auch hierin zeigt sich ein Beleg für<br />
die europäische Vielfalt. Nach solchen Befunden<br />
stellt sich am Ende des europäischen Fernsehabends<br />
für die Autorin die Frage, ob es nicht<br />
sinnvoll und überfällig sei, den öffentlichrechtlichen<br />
Grundversorgungsauftrag in die<br />
gesamteuropäischen Fernsehrichtlinien aufzunehmen,<br />
um die europäische Identität auf dem<br />
Fernsehsektor zu stärken.<br />
Die Studie behandelt ein Thema, das komplex<br />
und facettenreich ist. Auch wenn die Darstellung<br />
in den einzelnen Kapiteln in mancher Hinsicht<br />
zu kurz geraten ist und sowohl der Zu-<br />
Literatur · Besprechungen<br />
gang zur Datenbasis als auch die Verknüpfung<br />
der Ergebnisse mit Befunden aus anderen Analysen<br />
unterbleibt, bietet sie auf anschauliche<br />
Weise einen Einstieg in die noch wenig zusammenhängend<br />
dargestellte europäische Fernsehprogrammlandschaft.<br />
Wer sich intensiver mit<br />
den angesprochenen Fragen befassen will, findet<br />
die Beschreibung der europäischen Rundfunksysteme<br />
ausführlicher im Bredow-Handbuch<br />
und eine Fülle von Programmdaten in der<br />
von André Lange seit 1994 jährlich für das Statistische<br />
Jahrbuch des Council of Europe (Europäische<br />
audiovisuelle Informationsstelle in<br />
Straßburg) aufbereiteten Fernsehprogrammstatistik<br />
europäischer Länder.<br />
Udo Michael Krüger<br />
Klaus Merten<br />
Gewalt durch Gewalt im Fernsehen?<br />
Opladen/Wiesbaden: Westdeutscher Verlag,<br />
1999 – 287 S.<br />
ISBN 3-531-133977-7<br />
Nicht nur fürs Fernsehen, aber für es im besonderen<br />
Maß, ist wiederholt die Frage diskutiert<br />
oder oft genug auch dramatisiert worden,<br />
ob und wie seine brutalen Inhalte reale Gewalt<br />
erzeugen, also gewaltbereite Einstellungen hervorrufen<br />
oder zumindest unterstützen oder gar<br />
zu Gewalthandlungen anleiten. Keine andere<br />
Frage der Fernsehwirkung dürfte so intensiv<br />
und widersprüchlich traktiert, aber auch mit<br />
unhaltbaren Behauptungen überfrachtet worden<br />
sein – M. Kunczik sprach schon 1994 von<br />
mehr als 5.000 Studien weltweit –, aber kaum<br />
eine andere Frage ist weiterhin so umstritten.<br />
Zuletzt (und womöglich auch letztmalig) entzündete<br />
sie sich hierzulande an den Programminhalten<br />
der privatkommerziellen Fernsehsender,<br />
nachdem eine künstliche Programmwoche<br />
von Groebel/Gleich1 im Auftrag der Landesmedienanstalten<br />
Anfang der 90er-Jahre untersucht<br />
worden war. Die inkriminierten Sender<br />
retournierten sogleich und beauftragten den<br />
Münsteraner <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>ler<br />
Klaus Merten und sein damaliges Institut Comdat<br />
gewissermaßen mit „Gegenstudien“, die<br />
prompt für die Auftraggeber positiver – aller-<br />
1 Jo Groebel/Uli Gleich: Gewaltprofil des deutschen<br />
Fernsehprogramms. Eine Analyse des Angebots<br />
privater und öffentlich-rechtlicher Sender. Opladen<br />
1993<br />
123
M&K 48. Jahrgang 1/2000<br />
dings bei Sendeinhalten ein und zwei Jahre später<br />
– ausfielen. Seither ist – zumindest offiziell<br />
– „Abrüstung des Bildschirms“ angesagt, aber<br />
<strong>wissenschaft</strong>lich überprüft wurde sie nicht<br />
mehr, denn recht ruhig ist es in der Öffentlichkeit<br />
um die TV-Violenz geworden – sofern man<br />
nicht Volkes Stimme bei der einen oder anderen<br />
Veranstaltung oder Protestaktion hier und<br />
da beachtet. Wenn überhaupt, so entflammt die<br />
Debatte nun an den Exzessen im Internet, etwa<br />
am besonders üblen und beschämenden Beispiel<br />
Kinderpornografie; bricht jedoch dort fast<br />
ebenso rasch angesichts der unweigerlichen gesetzlichen<br />
Vollzugsdefiziten und der virtuellen<br />
Internationalität von Tätern und Netzen in sich<br />
zusammen.<br />
All die fernsehbezogenen Studien und Aktivitäten<br />
des letzten Jahrzehnts (und darüber<br />
hinaus) finden sich nun – noch einmal – in dem<br />
vorliegenden Band Mertens dokumentiert und<br />
kommentiert. Insofern ist die <strong>wissenschaft</strong>spolitische<br />
Kontextuierung für dieses Buch von<br />
Belang. So zeigt er die Disparatheit des Gewaltbegriffs<br />
auf, weil der sich in diversen Kontexten<br />
unterschiedlich darstellt, liefert profunde<br />
Referate über Theorie und Empirie<br />
massenmedialer Gewaltforschung als Teil der<br />
<strong>Medien</strong>wirkungen, das – wie man von Mertens<br />
skeptischer Haltung zur empirischen Wirkungsforschung<br />
erwarten kann – äußerst kritisch,<br />
mit unbestechlichen Hinweisen auf behavioristische<br />
Verkürzungen, Defizite und Desiderate<br />
der Forschung ausfällt. Aber es finden<br />
sich auch wissens(schafts)politische Betrachtungen<br />
über die Konjunkturen, Themen und<br />
Interessenlagen der Gewalt im Fernsehen-Debatte<br />
und über die politischen und pädagogischen<br />
Optionen von Prävention und Sanktion,<br />
wobei Merten erneut seine kritische, aber letztlich<br />
verkürzte Sicht der <strong>Medien</strong>pädagogik – gewissermaßen<br />
als Reparaturagentur – rekapituliert.<br />
Unmittelbarer empirischer Anlass ist<br />
eine Inhaltsanalyse der Gewaltdebatte in der<br />
„Frankfurter Rundschau“ von September 1991<br />
bis Ende Oktober 1995, bekanntlich in einem<br />
als besonders für die <strong>Medien</strong>kritik sensiblen<br />
und damit für Sensationsmache unverdächtigem<br />
Organ. Doch auch dieses neigt, so Mertens<br />
Fazit, trotz vieler Nuancen insgesamt zu „erheblicher<br />
Irrationalität“ und „Unheilssemantik“<br />
(S. 222), besonders dann, wenn über „reale<br />
Gewalt“ zu berichten ist und dafür nach eindeutigen,<br />
oft genug auch spektakulären Ursachen<br />
gesucht wird.<br />
124<br />
Vor allem hinsichtlich der deutschen Forschung<br />
ergänzt Mertens Band mithin Kuncziks2<br />
mehrfach, zuletzt 1998 aufgelegte Synopse<br />
der internationalen Forschung, wie er<br />
auch den von Friedrichsen/Vowe3 herausgegebenen<br />
Sammelband über diese Thematik fortschreibt.<br />
Wenn man es ganz nüchtern betrachtet:<br />
Mehr lässt sich zu diesem weidlich traktierten<br />
Thema kaum mehr sagen – sofern man nicht<br />
noch weiterhin, aber unerklärlicherweise davon<br />
ausgeht, dass jemand den Stein der Weisen<br />
der <strong>Medien</strong>forschung findet und überzeugend<br />
wie eindeutig endlich belegt, wie das Fernsehen<br />
und seine violenten Inhalte wirken, und zwar<br />
überindividuell, überzeitlich und dennoch<br />
konkret und nachweislich. Doch schon die Erwartung<br />
darauf indiziert bekanntlich ein bestimmtes<br />
Wissenschaftsverständnis, nämlich<br />
das der wie immer begründeten Nomologie<br />
und des Erkenntnisprogresses, dem alle anderen<br />
eher ideografischen, verstehenden oder<br />
auch subjektbezogenen entgegenstehen.<br />
Auch Merten neigt – wie schon vor ihm 1973<br />
amerikanische Wissenschaftler in dem berühmten<br />
„Report on Television and Social Behavior“<br />
an den „Surgeon General“ und auch M. Kunczik<br />
in seinen historischen Abrissen über das<br />
Phänomen der <strong>Medien</strong>gewalt seit Aristoteles –<br />
eher zur Skepsis und attestiert am Ende Erkenntnis<br />
wie Debatte „keinen Lernprozess“,<br />
vielmehr folgten sie einem „Recycel-Prinzip“<br />
oder „feststehenden Ritual“ nach dem Motto:<br />
„Je größer die aufschreckende reale Gewalt<br />
ausfällt, desto massiver werden stets die gleichen<br />
Argumente von den beteiligten Adressaten<br />
artikuliert“ (S. 260). Metatheoretisch ordnet<br />
Merten daher den „Diskurs um die Gewalt<br />
durch Gewalt in den <strong>Medien</strong>“ der „Risikokommunikation“<br />
zu, einem <strong>Kommunikations</strong>typus,<br />
mit dem die Gesellschaft als Ganze Unübersichtliches,<br />
Unfassliches und letztlich Unkalkulierbares<br />
in vermeintlich plausible oder<br />
auch scheinbar vereindeutigte Kategorien abdrängt<br />
und letztlich „die steigende Unfähigkeit“<br />
überdeckt, „sich der <strong>Medien</strong> als Beschaffer<br />
von Wahrheit zu versichern“, wie es Merten<br />
in seinen von ihm geschätzten Thesen zuspitzt<br />
(S. 262). Aber ganz vermag diese Erklärung<br />
2 Michael Kunszik: Gewalt und <strong>Medien</strong>. Köln/Wien<br />
1998, 4. Aufl.<br />
3 Mike Friedrichsen/Gerhard Vowe: Gewaltdarstellungen<br />
in den <strong>Medien</strong>. Theorien, Fakten und Analysen.<br />
Opladen 1995
nicht zu befriedigen, denn allenthalben sind<br />
auch konkrete Interessen im Spiel, die auf die<br />
eine oder andere Weise von solchen Begriffsmanövern<br />
profitieren. Jedenfalls müsste sich<br />
jede künftige einschlägige Studie über <strong>Medien</strong>gewalt<br />
zunächst mit Mertens strikter, aber<br />
weithin zutreffender Attribuierung dieser Forschung<br />
auseinander setzen und sie begründet<br />
überwinden, um nicht blind zu riskieren, das<br />
Recycel-Rad nur wieder einmal weiter zu drehen.<br />
Doch dass dies geschieht – auch darüber<br />
muss man skeptisch sein.<br />
Hans-Dieter Kübler<br />
Waltraud Cornelißen / Christa Grebel<br />
Gleichberechtigung on air?<br />
Zur Präsentation von Männern und Frauen im<br />
niedersächsischen Hörfunk – eine empirische<br />
Untersuchung<br />
Berlin: Vistas 1999. – 285 S.<br />
(Schriftenreihe der NLM; 5)<br />
ISBN 3-89158-242-5<br />
Von der „Verbannung der Frauen in die symbolische<br />
Nichtexistenz“ sprach Gaye Tuchman<br />
1980 (im amerikanischen Original bereits<br />
1978). Mehr als 20 Jahre später nahezu dasselbe<br />
zu lesen, scheint nicht gerade originell. Wo also<br />
liegt das retardierende Moment – in „der Wirklichkeit“<br />
oder in der Forschung? Sowohl als<br />
auch – das ist das sehr knappe Resümee der Studie<br />
„Gleichberechtigung on air?“, die Waltraud<br />
Cornelißen und Christa Grebel im Auftrag der<br />
Niedersächsischen Landesmedienanstalt erstellt<br />
haben. Sie untersuchen die Präsentation<br />
von Männern und Frauen in den privat-kommerziellen<br />
Hörfunkprogrammen Hit-Radio<br />
Antenne und Radio ffn sowie den öffentlichrechtlichen<br />
Programmen NDR 1, NDR 2 und<br />
N-Joy. In einer quantitativen Analyse erfassen<br />
die Autorinnen dabei innerhalb einer natürlichen<br />
Woche im Jahr 1997 die Themenstruktur<br />
der Informationsbeiträge, das Geschlecht der<br />
Personen on air in ihren jeweiligen Funktionen<br />
und Kontexten – entweder als JournalistInnen<br />
oder als ExpertInnen, HörerInnen im Gespräch<br />
oder InterviewpartnerInnen. Anschließend<br />
wollen Cornelißen und Grebel die „Abwertung,<br />
Reduktion und grobe Vernachlässigung<br />
von Personen“ (S. 143) in einer qualitativ<br />
angelegten Sprachanalyse erfassen. Zudem un-<br />
Literatur · Besprechungen<br />
tersuchen sie die (wenigen) Wortbeiträge, die<br />
explizit Gleichstellungsfragen zum Thema machen.<br />
Ziel dieses interpretativen Vorgehens ist<br />
es, „ein ganzes Bedeutungs- und Sinnpotenzial<br />
diskursanalytisch zu erschließen und dessen<br />
Ausschöpfung durch die jeweilige Hauptzielgruppen<br />
zu reflektieren“ (S. 161).<br />
Mit dieser Studie liegt neben der Arbeit von Petra<br />
Werner und Lars Rinsdorf zum nordrheinwestfälischen<br />
Lokalfunk eine weitere Analyse<br />
aus dem Bereich des Hörfunks vor, der bislang<br />
in der <strong>Medien</strong>forschung insgesamt, aber auch<br />
speziell in der Geschlechterforschung wenig<br />
Aufmerksamkeit gefunden hat. Während für<br />
das Fernsehen einige Analysen zum Frauenbild<br />
und der Frauendarstellung existieren (nach der<br />
„legendären“ Küchenhoff-Studie von 1975 die<br />
öffentlich-rechtliche und kommerzielle Sender<br />
einbeziehende Arbeit von Monika Weiderer<br />
von 1993) und Printmedien zwar keineswegs<br />
flächendeckend, aber im Bereich der Frauenzeitschriften<br />
durchaus systematisch (vgl. bspw.<br />
Röser 1992), im Bereich der Tagespresse eher<br />
exemplarisch (vgl. Schmerl 1985 oder Müller-<br />
Gerbes/Werner 1993) untersucht worden sind,<br />
lagen für den Hörfunk bislang kaum Erkenntnisse<br />
über die Konstruktion von Geschlechterrollen<br />
vor. Das Nebenbei-Medium erschien offenbar<br />
nicht relevant genug, um erforscht zu<br />
werden. Mit den finanziellen Ressourcen der<br />
Landesmedienanstalten hat sich das geändert.<br />
Der Auftrag qua Landesrundfunkgesetz, „zur<br />
Verwirklichung der Gleichberechtigung beizutragen“,<br />
wird jetzt auch in Niedersachsen einer<br />
Prüfung unterzogen. Um das Ergebnis vorwegzunehmen:<br />
Trotz wenig befriedigender Ergebnisse<br />
über die Thematisierung von Geschlechterfragen,<br />
die Präsentation von Männern<br />
und Frauen, die Arbeit mit Stereotypen –<br />
trotz alledem bieten die niedersächsischen<br />
Hörfunkprogramme keinen Grund zur Beanstandung.<br />
Denn – so schätzten es bereits Werner/Rinsdorf<br />
ein – der normative Programmauftrag<br />
hilft allenfalls, systematische Diskriminierung<br />
zu verhindern, nicht jedoch veränderte<br />
Programmgestaltung zu erzwingen. Was also<br />
kann und soll eine derartige Studie dann leisten?<br />
Zuerst einmal will sie uns Wissen über die<br />
Konstruktion von Geschlechterrollen im Hörfunk<br />
vermitteln. Die quantitativen Befunde<br />
machen dabei die nur geringfügigen Änderungen<br />
seit Tuchmans Äußerung von 1978 deut-<br />
125
M&K 48. Jahrgang 1/2000<br />
lich: Gerade einmal fünf von 6.143 Beiträgen im<br />
niedersächsischen Untersuchungsmaterial beschäftigen<br />
sich mit Frauenpolitik – 0,008 Prozent<br />
machen also das Geschlechterverhältnis<br />
selbst zum Thema. Bei insgesamt 2,3 Prozent<br />
der journalistischen Beiträge können die Autorinnen<br />
im weitesten Sinne gleichstellungspolitische<br />
Themen entdecken, ohne dass diese jeweils<br />
explizit problematisiert würden. Unter<br />
den Personen on air machen Frauen ein Drittel<br />
aus. Auffällig dabei ist die funktionale Differenz:<br />
In der ExpertInnenrolle beträgt der Frauenanteil<br />
lediglich 17 Prozent, unter den HörerInnen<br />
machen Frauen dagegen – vor allem<br />
durch Wunschsendungen – 57 Prozent aus.<br />
Diese Einzelbefunde ließen sich fortführen:<br />
Frauen haben kürzere Sprechzeiten, werden<br />
nahezu gar nicht (1,7 Prozent) mit einer geschlechterdifferenzierenden<br />
Sprache benannt.<br />
Die Unterschiede zwischen den kommerziellen<br />
und den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanbietern<br />
sind dabei nicht sehr bemerkenswert.<br />
Es „erstaunt (...) die Homogenität der Befunde,<br />
vor allem die, die eine verbreitete Ignoranz<br />
gegenüber Ereignissen signalisieren, in deren<br />
Mittelpunkt Akteurinnen stehen“ (S. 142).<br />
Bei diesen Befunden wird deutlich, dass der<br />
dieser Arbeit zugrunde liegende Gleichheitsansatz<br />
seine Berechtigung hat. Bei so deutlicher<br />
Unterrepräsentanz von Frauen in der Hörfunk-Berichterstattung<br />
bleibt es ein normatives<br />
Anliegen aktueller Frauenforschung, eine angemessene<br />
und gleichwertige Repräsentation von<br />
Frauen in den <strong>Medien</strong> zu fordern. Diese Forderung<br />
durchzieht die Arbeit von Cornelißen/<br />
Grebel wie ein roter Faden.<br />
Doch nicht zufällig hat sich die Frauenforschung<br />
weiterentwickelt, neben dem Gleichheitsansatz,<br />
den Differenzansatz – auf der Unterschiedlichkeit<br />
der Geschlechter beharrend –<br />
und schließlich unter dem Begriff der Geschlechterforschung<br />
die theoretische Auseinandersetzung<br />
um die gesellschaftliche (und damit<br />
auch mediale) Konstruktion von Geschlechterrollen<br />
eingefordert. Für die <strong>Medien</strong>forschung<br />
bedeutete diese Entwicklung, dass<br />
neben die Bilanz der ungleichen Darstellung<br />
von Männern und Frauen die Auseinandersetzung<br />
um das „Wie“ dieser Andersartigkeit, um<br />
die Konstruktion der Differenz tritt. Die Produktivität<br />
eines solchen Vorgehens lässt sich<br />
auf das Material, mit dem Cornelißen und Grebel<br />
im qualitativen Teil ihrer Studie arbeiten,<br />
durchaus übertragen: So beschreiben die Auto-<br />
126<br />
rinnen zahlreiche Beispiele, bei denen im Rahmen<br />
„einer ritualisierten Scherzkommunikation“<br />
klischeehafte Reduktionen vorgenommen<br />
würden. Insbesondere die Formen der Doppelmoderation,<br />
in denen zweifelsohne mit Geschlechterstereotypen<br />
(männlichen wie weiblichen)<br />
gearbeitet wird, lassen sich jedoch auch<br />
aus einem anderen Blickwinkel als dem der<br />
Diskriminierung betrachten. Im dialogischen<br />
Handeln konstruieren hier Moderator und<br />
Moderatorin Geschlechterrollen, die den (vermeintlichen)<br />
Geschlechteridentitäten der Hörerinnen<br />
und Hörer möglichst nah kommen<br />
sollen. Entsprechend gestalten die ModeratorInnen<br />
bei N-Joy andere Rollen von Frau und<br />
Mann als jene bei NDR 1 – es handelt sich aber<br />
in allen Fällen um geschlechtergebundene Verhaltensweisen.<br />
Gerade darin besteht ein wesentlicher<br />
Teil des „Unterhaltsamen“ der Moderationsplaudereien.<br />
Das von den Autorinnen<br />
verzweifelt gesuchte widerständige Abwehrverhalten<br />
von Moderatorinnen gehört dabei<br />
genauso zum Rollenkonstrukt wie das klischeehafte<br />
Bestätigen von Stereotypen. Um<br />
dem geschlechtergebundenen Unterhaltungspotenzial<br />
von <strong>Medien</strong>angeboten gerecht zu<br />
werden, sind geschlechtertheoretische Perspektiven<br />
erforderlich, die über die klassischen<br />
Ansätze der Gleichheits- und Differenzforschung<br />
hinausreichen. An dieser Stelle, so meine<br />
ich, hätte die Arbeit von Cornelißen und<br />
Grebel über den Erkenntnisstand von Gaye<br />
Tuchman hinausweisen können.<br />
Margret Lünenborg<br />
Literatur:<br />
Küchenhoff, Erich (1975): Die Darstellung der<br />
Frau und die Behandlung von Frauenfragen<br />
im Fernsehen. Schriftenreihe des Bundesministeriums<br />
für Jugend, Familie und<br />
Gesundheit. Band 34. Stuttgart u. a.<br />
Müller-Gerbes, Sigrun; Werner, Petra (1993):<br />
Zur Zeit ohne Zeitung. Zur Kritik von<br />
Frauen an der Tageszeitung. Unveröff. Diplomarbeit<br />
an der Universität Dortmund.<br />
Röser, Jutta (1992): Frauenzeitschriften und<br />
weiblicher Lebenszusammenhang. Themen,<br />
Konzepte, und Leitbilder im sozialen<br />
Wandel. Opladen: Westdeutscher Verlag.<br />
Schmerl, Christiane (1985) (Hg.): In die Presse<br />
geraten. Darstellung von Frauen in der<br />
Presse und Frauenarbeit in den <strong>Medien</strong>.<br />
Köln/Wien: Böhlau.
Tuchman, Gaye (1980): Die Verbannung der<br />
Frau in die symbolische Nichtexistenz<br />
durch die Massenmedien. In: Fernsehen<br />
und Bildung, 14 (1 – 2), S. 10 – 43.<br />
Weiderer, Monika (1993): Das Frauen- und<br />
Männerbild im Deutschen Fernsehen. Eine<br />
inhaltsanalytische Untersuchung der Programme<br />
von ARD, ZDF und RTL plus.<br />
Regensburg: S. Roderer Verlag.<br />
Werner, Petra; Rinsdorf, Lars (1998): Ausgeblendet?<br />
– Frauenbild und Frauenthemen<br />
im nordrhein-westfälischen Lokalfunk.<br />
Schriftenreihe <strong>Medien</strong>forschung der LfR<br />
27. Opladen: Leske + Budrich.<br />
Jürgen Grimm<br />
Fernsehgewalt: Zuwendungsattraktivität –<br />
Erregungsverläufe – sozialer Effekt<br />
Zur Begründung und praktischen Anwendung<br />
eines kognitiv-physiologischen Ansatzes der<br />
<strong>Medien</strong>rezeptionsforschung am Beispiel von<br />
Gewaltdarstellungen<br />
Opladen/Wiesbaden: Westdeutscher, 1999. –<br />
812 S.<br />
ISBN 3-531-12668-7<br />
Jürgen Grimm erhebt den Anspruch, die Auswirkungen<br />
von Fernsehgewalt auf die Zuschauer<br />
umfassend zu untersuchen: „Gewaltdarstellungen<br />
im Fernsehen [...] werden in dieser<br />
Studie aus der Zuschauerperspektive betrachtet“<br />
(S. 9). So formuliert der Autor zwar<br />
einen generellen Erklärungsanspruch, in den<br />
vorgestellten Untersuchungen werden jedoch<br />
nur die Wirkungen von Spielfilmgewalt, nicht<br />
jedoch von Darstellungen realer Gewalt (beispielsweise<br />
in Fernsehnachrichten) behandelt.<br />
(Allerdings verweist der Autor auf hierzu<br />
geplante Publikationen.) In drei „Experimenten“<br />
– da der Autor nicht unabhängige Variablen<br />
manipuliert, sondern lediglich Gruppen<br />
mit niedrigen und hohen Ausprägungen „psychosozialer“<br />
Merkmale miteinander vergleicht<br />
bzw. Korrelationen berechnet, handelt es sich<br />
lediglich um quasiexperimentelle Untersuchungen<br />
(„Feldstudien“; vgl. Roth, 1993) –<br />
wurden den Zuschauern vorzugsweise Szenen<br />
mit „gesteigerter“ Gewalt vorgegeben. Zwar ist<br />
die Wahrscheinlichkeit groß, dass solche Szenen<br />
von intensiven emotionalen Zustandsveränderungen<br />
bei den Rezipienten begleitet sind,<br />
Literatur · Besprechungen<br />
andererseits muss man festhalten, dass solche<br />
Darstellungen im alltäglichen Fernsehprogramm<br />
eine Ausnahme darstellen oder gar<br />
nicht (mehr) vorkommen. (Nebenbei bemerkt:<br />
In meiner Sicht der Dinge wäre vielmehr eine<br />
Auseinandersetzung mit den weniger intensiven<br />
und eher als Stimmungsveränderungen<br />
denn als Emotionen zu beschreibenden Effekten<br />
von weniger spektakulären, aber weiter verbreiteten<br />
Gewaltdarbietungen wünschenswert.<br />
Allerdings stellt im Gegensatz zu starken emotionalen<br />
<strong>Medien</strong>wirkungen gerade die Erforschung<br />
von Emotionen im Niedrig-Intensitäts-<br />
Bereich ganz besondere Anforderungen an<br />
Theorie und Methodik.)<br />
Grimm geht es um die Wirkungen der „Fernsehgewaltrezeption<br />
auf die Einstellungen der<br />
Zuschauer“ (S. 9), dabei sind langfristige (überdauernde)<br />
Einstellungsveränderungen aufgrund<br />
der von ihm gewählten Versuchsanordnung<br />
gar nicht nachweisbar. In der Auswertung<br />
sucht Grimm nach systematischen<br />
Zusammenhängen zwischen der Trias Beschaffenheit<br />
des Filmmaterials (= Art der Gewalt),<br />
Rezeptionsvoraussetzungen (Nutzungsmotive,<br />
Persönlichkeitsdimensionen) und Wirkungen<br />
(Einstellungsveränderungen, physiologische<br />
Reaktionen). Damit steht der Ansatz des<br />
Autors auf einer Stufe mit dem „Uses-and-Effects“-Ansatz<br />
von Rubin (1994). Leider sehe<br />
ich bei der Vorgehensweise des Autors eine<br />
Reihe solch gravierender methodischer Mängel,<br />
dass ich auf eine inhaltliche Würdigung<br />
verzichten (vgl. die Zusammenfassung der Ergebnisse<br />
auf den Seiten 706 ff.) und mich im<br />
Folgenden auf ausgewählte Problempunkte<br />
konzentrieren möchte, die nach meiner Beurteilung<br />
die Generalisierbarkeit der Befunde in<br />
Frage stellen.<br />
(i) Nutzungsmotive und individuelle Dispositionen<br />
werden mit Fragebögen erfasst, die Begleitumstände<br />
und kurzfristigen Nachwirkungen<br />
der Gewaltrezeption sowohl mit Fragebögen<br />
als auch durch physiologische Messungen<br />
beurteilt. Bei der Auswertung der Fragebogendaten<br />
hätte man sich vom Autor eine kritischere<br />
Einstellung zu Self-Report-Daten – wie sie<br />
beispielsweise von Vitouch (1997) vorgebracht<br />
wurden – gewünscht. Da in umfangreichem<br />
Maße Fragebogenergebnisse statistisch miteinander<br />
verglichen wurden (vgl. die Variablenaufstellung<br />
in Abschnitt 5.2.3), wäre ein Hinweis<br />
auf das Problem der statistischen Mehrfachtestung<br />
– bei einem a von 0,05 überschrei-<br />
127
M&K 48. Jahrgang 1/2000<br />
ten immerhin 5 von 100 Tests allein per Zufall<br />
die Signifikanzgrenze – angebracht gewesen.<br />
(ii) Im Rahmen des sog. „kognitiv-physiologischen<br />
Forschungsansatzes“ interpretiert<br />
Grimm gleich- bzw. gegensinnige Verläufe der<br />
Werte von Hautleitfähigkeit (SCL) und Herzfrequenz<br />
(HF), indem er im Anschluss an Gray<br />
(1982) und Fowles (1980) zwischen der Aktivierung<br />
des Organismus durch das Behavioral<br />
Activation System (BAS) – angezeigt durch<br />
eine ansteigende Herzfrequenz – und der Erregung<br />
durch das Behavioral Inhibition System<br />
(BIS), die mit einer ansteigenden Hautleitfähigkeit<br />
einhergeht, unterscheidet. Während eine in<br />
der Regel durch Angstreize angeregte BIS-Aktivität<br />
kognitive Tätigkeit auslöst, führt eine<br />
verstärkte BAS-Aktivität zu Flucht- und<br />
Kampfreaktionen (oder zu belohnungsorientierter<br />
Annäherung). Das Problem bei einer<br />
solchen Vorgehensweise – SCL-Anstiege werden<br />
mit Kognition und Angst, HF-Anstiege<br />
mit Kampf und Flucht assoziiert – liegt darin,<br />
dass die Validität der Dateninterpretation vollständig<br />
von der Gültigkeit des Ansatzes von<br />
Gray und Fowles abhängig ist. Jedoch hat dieser<br />
als Brückentheorie dienende Ansatz nach<br />
meiner Kenntnis bislang (noch?) keine hinreichende<br />
Bestätigung gefunden und liegt vermutlich<br />
deshalb psychophysiologischen Forschungsarbeiten<br />
eher selten zugrunde. Insofern<br />
würde ich die Schlussfolgerungen aus den physiologischen<br />
Datenverläufen mit Vorsicht behandeln.<br />
(iii) In der psychophysiologischen Forschung<br />
wird ausführlich die Problematik der Extraktion<br />
geeigneter Parameter (z. B. Maße der Variabilität<br />
der HF – die Standardabweichung ist<br />
hier als Indikator weniger geeignet – oder<br />
Hautleitfähigkeitsreaktionen SCR) diskutiert.<br />
Die vom Autor gegebene Interpretation von<br />
Rohwertverläufen geht deutlich hinter die Ergebnisse<br />
dieser Diskussion zurück. Probleme<br />
sind auch mit der intraindividuellen Standardisierung<br />
(z. B. mit der Wahl eines geeigneten Referenzwertes)<br />
verbunden. Von wirklich exotischer<br />
Qualität sind in meinen Augen jedoch die<br />
Berechnungen des Autors, in denen er Werte<br />
der Hautleitfähigkeitsvariablen mathematisch<br />
zu Werten der Herzfrequenzvariablen in Beziehung<br />
setzt. (Mir drängt sich dabei die Assoziation<br />
zwischen Äpfeln und Birnen auf …)<br />
(iv) Ein letzter hier erörterter Kritikpunkt betrifft<br />
die zufallskritische Absicherung der Inter-<br />
128<br />
pretation der physiologischen Verlaufskurven<br />
im Hinblick auf Gleich- oder Gegensinnigkeit.<br />
Die Interpretation von Verlaufskurven stellt<br />
ein intensiv diskutiertes und schwieriges Unternehmen<br />
dar (vgl. z. B. Watt, 1994; Mangold,<br />
Winterhoff-Spurk, Hamann & Stoll, 1998).<br />
Unbeeindruckt von solchen statistischen Problemaspekten<br />
interpretiert Grimm die von ihm<br />
gemessenen Kurven nach seinem Eindruck und<br />
verlässt damit den Pfad der intersubjektiven<br />
Vergleichbarkeit. Wie kann der Autor begründen,<br />
welche in den Verlaufsdiagrammen gefundenen<br />
auf- bzw. absteigenden Kurvenabschnitte<br />
statistisch bedeutsam sind und welche lediglich<br />
Zufallsprodukte darstellen?<br />
Das Erscheinen der Arbeit von Grimm habe ich<br />
seit langer Zeit mit Spannung erwartet. (Nachdem<br />
das Buch vom Verlag Mitte 1997 angekündigt<br />
worden war, habe ich es im Dezember<br />
1997 bestellt, im Frühjahr 1999 jedoch wegen<br />
der langen Wartezeit wieder abbestellt. Im<br />
Sommer 1999 ist es dann erschienen und liegt<br />
mir jetzt vor. Vielleicht sollte in diesem Fall der<br />
Verlag seine Vertriebspolitik einmal überdenken.)<br />
Die Anschaffung des immerhin 98 DM<br />
teueren und die (zeitaufwendige) Lektüre des<br />
812 Seiten starken und eng bedruckten Werkes<br />
empfehle ich nicht. Es überrascht mich, dass<br />
andere Autoren den Grimm’schen Ansatz loben;<br />
so schreibt Merten (1999) zu einer früheren<br />
(vergleichbaren) Studie des Autors: „Das<br />
von Grimm (1993) realisierte Experiment ist<br />
methodisch sehr sorgfältig durchgeführt worden.<br />
Insbesondere die physiologische Messung<br />
emotionaler Befindlichkeit ist hier hervorzuheben“<br />
(S. 151). Kann diese diskrepante Einschätzung<br />
darauf zurückgehen, dass hier unterschiedliche<br />
methodische Auffassungen zweier<br />
mit <strong>Medien</strong>forschung befasster <strong>wissenschaft</strong>licher<br />
Disziplinen aufeinander treffen? Ist die<br />
Situation dadurch charakterisiert, dass sich<br />
ein <strong>Medien</strong><strong>wissenschaft</strong>ler auf das (schwierige)<br />
Terrain der psychophysiologischen Erforschung<br />
von <strong>Medien</strong>wirkungen begibt und dafür<br />
Lob in seinem Fach erhält, während Kolleginnen<br />
und Kollegen aus der (Psycho-)Physiologie<br />
über das mangelnde Problembewusstsein<br />
und die Naivität nur den Kopf schütteln können,<br />
mit der physiologische Datenverläufe ausgewertet<br />
und interpretiert werden? Wohlgemerkt:<br />
Bei dieser (zugegebenermaßen) überspitzten<br />
Charakterisierung der Situation geht<br />
es mir auf keinen Fall darum, einem <strong>Medien</strong><strong>wissenschaft</strong>ler<br />
untersagen zu wollen, sich auch
(medien-) psychophysiologisch zu betätigen.<br />
Jedoch erwarte ich in einem solchen Fall, dass<br />
er sich mit der gesamten Problematik auseinander<br />
setzt und sich nicht nur die Rosinen herauspickt.<br />
Sollte ich mit der vorliegenden Buchbesprechung<br />
tatsächlich auf ein Problem im Miteinander<br />
von <strong>Medien</strong><strong>wissenschaft</strong> und <strong>Medien</strong>psychologie<br />
gestoßen sein, dann wäre anzuraten,<br />
dass jede Disziplin ihre eigenen methodischen<br />
Standards definiert und interdisziplinär diskutiert.<br />
Erste Schritte in dieser Richtung scheinen<br />
mir mit der Gründung der Fachgruppe „Methoden<br />
der Publizistik und <strong>Kommunikations</strong>forschung“<br />
in der DGPuK und der Fachgruppe<br />
„<strong>Medien</strong>psychologie“ in der Deutschen Gesellschaft<br />
für Psychologie getan zu sein. Sollte<br />
ein solcher <strong>Kommunikations</strong>prozess weiter in<br />
Gang kommen, dann hätte auch das Buch von<br />
Grimm seinen guten Zweck erfüllt.<br />
Roland Mangold<br />
Literatur:<br />
Fowles, D. C. (1980). The three arousal model:<br />
Implications of Gray’s two-factor-learning<br />
theory for heart rate, electrodermal activity,<br />
and psychopathy. Psychophysiology, 17,<br />
87 – 104.<br />
Gray, J. A. (1982). The neuropsychology of anxiety:<br />
An inquiry into the functions of the<br />
septohippocampal system. Oxford: Clarendon<br />
Press.<br />
Grimm, J. (1993). Der kultivierte Schrecken?<br />
Erlebnisweise von Horrorfilmen im Rahmen<br />
eines Zuschauerexperiments. Publizistik,<br />
38, 206 – 216.<br />
Mangold, R., Winterhoff-Spurk, P., Hamann,<br />
G. & Stoll, M. (1998). Veränderungen des<br />
zerebralen Blutflusses bei der Rezeption<br />
emotionalisierender Filmausschnitte: Eine<br />
Pilotstudie. <strong>Medien</strong>psychologie, 10, 51 – 72.<br />
Merten, K. (1999). Gewalt durch Gewalt im<br />
Fernsehen? Opladen: Westdeutscher Verlag.<br />
Roth, E. (1993). Sozial<strong>wissenschaft</strong>liche Methoden.<br />
Lehr- und Handbuch für Forschung<br />
und Praxis. München: Oldenbourg.<br />
Rubin, A. M. (1994). Media uses and effects:<br />
A uses-and-gratifications perspective. In J.<br />
Bryant & D. Zillmann (eds.), Media effects:<br />
Advances in theory and research (pp. 447<br />
– 436). Hillsdale: Erlbaum.<br />
Literatur · Besprechungen<br />
Tinchon, H.-J. (1999). Ein psychophysiologischer<br />
Meßplatz zur Unterstützung medienpsychologischer<br />
Fragestellungen. <strong>Medien</strong>psychologie,<br />
11, 94.<br />
Vitouch, P. (1997). Psychophysiological methods<br />
in media research. In P. Winterhoff-<br />
Spurk & T. H. A. van der Voort (Eds.),<br />
New horizons in media psychology. Research<br />
cooperation and projects in Europe (pp.<br />
116 – 125). Opladen: Westdeutscher Verlag.<br />
Watt, J. H. (1994). Detection and modeling of<br />
time-sequenced processes. In A. Lang<br />
(Ed.), Measuring psychological responses to<br />
media (pp. 181 – 207). Hillsdale: Erlbaum.<br />
Brit Großmann<br />
<strong>Medien</strong>rezeption<br />
Bestehende Ansätze und eine konstruktivistische<br />
Alternative<br />
Opladen/Wiesbaden: Westdeutscher Verlag,<br />
1999. – 262 S.<br />
ISBN 3-531-13377-2<br />
Die Klage über die fehlende theoretische<br />
Grundlegung der <strong>Medien</strong>forschung wurde und<br />
wird vielfach erhoben. Sie bildet auch den Anknüpfungspunkt<br />
für die Überlegungen, die im<br />
vorliegenden Band angestellt werden. Hier<br />
wird allerdings nicht lediglich ein Klagelied angestimmt,<br />
um dann zur Tagesordnung überzugehen<br />
und die kritisierte Theorielosigkeit kommunikations<strong>wissenschaft</strong>licher<br />
Forschungen<br />
weiter zu verwalten. Vielmehr sucht die Autorin<br />
einen Ausweg aus der Misere, und dies in einem<br />
Bereich, in dem ein besonderer Bedarf an<br />
einer aufarbeitenden Übersicht und Systematisierung<br />
besteht: im Bereich der <strong>Medien</strong>rezeptionsforschung.<br />
Nach einer knappen Einleitung<br />
im ersten Kapitel entwickelt Großmann in<br />
Kapitel 2 ein Evaluationsraster, mit dem relevante<br />
Forschungsansätze individueller Rezeption<br />
massenmedialer <strong>Kommunikations</strong>angebote<br />
ausgewählt und bearbeitet werden. Ausgewählt<br />
werden Forschungen individueller<br />
Rezeptionsprozesse von Massenkommunikation,<br />
die umfassende theoretische Konzepte vorlegen<br />
und dabei individuelle und soziokulturelle<br />
Variablen sowie Merkmale der Massenkommunikation<br />
berücksichtigen und sich zugleich<br />
auf die Dynamik von Rezeptionsprozessen<br />
richten (16). In den Maschen des ausgelegten<br />
Netzes verfangen sich schließlich: das dynamisch-transaktionale<br />
Modell (Schönbach und<br />
129
M&K 48. Jahrgang 1/2000<br />
Früh), das Referenzmodell der <strong>Medien</strong>nutzung<br />
(Renckstorf) und das Struktur- und Prozessmodell<br />
des <strong>Medien</strong>rezeptionshandelns (Charlton<br />
und Neumann-Braun) im deutschsprachigen<br />
Raum sowie die Theorie zum Verstehen<br />
von <strong>Medien</strong>diskursen (van Dijk), die Media<br />
System Dependency Theory (de Fleur und<br />
Ball-Rokeach), die Theorie des Making Sense<br />
of Television (Livingstone) sowie der soziokognitive<br />
Ansatz der <strong>Medien</strong>rezeption (Höijer)<br />
im englischsprachigen Raum.<br />
Die Erörterung der Ansätze geht streng systematisch<br />
nach einem vorab festgelegten Raster<br />
in vier Schritten vor: Zunächst wird die jeweilige<br />
konkrete Konzeption dargelegt, um dann<br />
die Grundkonzepte herauszupräparieren, wobei<br />
besonders auf die Definitionen von Massenmedien<br />
und die Bestimmungen der Besonderheiten<br />
massenmedialer Kommunikation geachtet<br />
wird. Danach wird nach den allgemeinen<br />
theoretischen Annahmen gefragt, die explizit<br />
und implizit die jeweiligen Grundlagen der Rezeptionstheorie<br />
bilden: Hier stehen die Vorstellungen<br />
vom Individuum, von Bedeutungen<br />
und vom Verstehen massenmedialer Kommunikationen<br />
im Mittelpunkt des Interesses.<br />
Schließlich werden die wichtigsten offen stehenden<br />
Probleme dargelegt. Die informative<br />
und problembezogene Vorstellung der verschiedenen<br />
<strong>Medien</strong>rezeptionstheorien im weiteren<br />
Verlauf des zweiten Kapitels legt systematische,<br />
allgemein verbreitete Defizite dieser<br />
Forschungsrichtung offen: Insbesondere fehlen<br />
auf breiter Front explizite Begriffsdefinitionen<br />
sowie Bestimmungen der Besonderheiten massenmedial<br />
verbreiteter Kommunikation. Weiterhin<br />
bleibt auch der Stand spezifizierter Begriffe<br />
der Rezeption unbefriedigend. Neben<br />
Unklarheiten im eigenen Binnenraum fehlen<br />
<strong>Medien</strong>rezeptionstheorien ausreichende Kontakte<br />
zu Theorien der Massenkommunikation.<br />
Stattdessen wird massenmedial verbreitete<br />
Kommunikation unter der Hand dem Rezeptionsprozess<br />
bzw. dem <strong>Medien</strong>handeln einverleibt.<br />
Folgt man den in diesen Punkten plausiblen<br />
Analysen von Großmann, werden die Besonderheiten<br />
der Massenkommunikation in<br />
den Untersuchungen von Rezeptionshandlungen<br />
bestenfalls erwähnt, aber nicht differenziert<br />
eingebunden.<br />
Die Vorteile dieser breiteren Darlegung von<br />
<strong>Medien</strong>rezeptionstheorien liegen in der klaren,<br />
expliziten Systematik: Als Leser weiß man<br />
schnell, was man erwarten kann, und ob das<br />
130<br />
veranschlagte Evaluationsverfahren interessant<br />
und relevant erscheint. Die Nachteile liegen<br />
darin, dass die Ansätze mit einem vorab festgelegten<br />
Kategorienraster kaum von innen aufgeschlüsselt<br />
werden können. Die Autorin hält<br />
sich streng an dieses Raster und wird den Ansätzen<br />
dementsprechend jeweils nur so weit gerecht,<br />
wie diese sich selbst dem Raster fügen:<br />
Stellenweise auftauchende Überzeichnungen<br />
und Verkürzungen können so auf der einen Seite<br />
nicht ganz vermieden werden. Andererseits<br />
deckt gerade eine derart von außen kommende<br />
Analyse allgemeine Defizite und Probleme der<br />
Rezeptionstheorien auf, weil sie eine Vergleichbarkeit<br />
der erörterten Theorien sicherstellt.<br />
Im ersten Teil des dritten Kapitels werden offen<br />
stehende Probleme und Defizite der behandelten<br />
Rezeptionstheorien resümiert, im zweiten<br />
Teil werden die Anforderungen an eine<br />
tragfähige Alternative zu den bestehenden <strong>Medien</strong>rezeptionstheorien<br />
formuliert. Im zentralen<br />
vierten Kapitel des Buches unternimmt die<br />
Autorin den Versuch, diesen Anforderungen<br />
gerecht zu werden, d. h. „eine mögliche alternative<br />
Konzeption der individuellen Rezeption<br />
massenmedialer <strong>Kommunikations</strong>angebote zu<br />
entwickeln“ (111). Dieser Versuch steht auf<br />
zwei Säulen: Erstens hält er sich sehr eng an die<br />
von der Autorin so genannten „Siegener Überlegungen“<br />
(112), die einst unter der (mittlerweile<br />
in aller Stille eingeholten) Flagge des<br />
„Radikalen Konstruktivismus“ auf der Linie<br />
von Maturana, von Foerster u. a. der breiten sozial<strong>wissenschaft</strong>lichen<br />
Öffentlichkeit bekannt<br />
wurden. Zweitens soll eine integrative Perspektive<br />
für die <strong>Medien</strong>rezeptionsforschung durch<br />
eine umfassende Konzeptualisierung des Verhältnisses<br />
von Kognition, Kommunikation und<br />
Kultur eröffnet werden. Die Vorgehensweise<br />
der Überlegungen folgt dem zuvor bei der<br />
Erörterung bestehender Ansätze benutzten<br />
Evaluations- und Beobachtungsraster, dreht es<br />
aber um: Zunächst werden die allgemeinen<br />
theoretischen Annahmen der „Siegener Überlegungen“<br />
dargelegt, sodann die Grundkonzepte<br />
sowie schließlich die konkrete Konzeption<br />
der alternativen <strong>Medien</strong>rezeptionstheorie<br />
erläutert. Dabei werden Schritt für Schritt Anschlussmöglichkeiten<br />
an andere Theorien erörtert.<br />
Die allgemeinen theoretischen Annahmen drehen<br />
sich um das Verhältnis von Kognition,<br />
Kommunikation und Kultur sowie die Begriffe<br />
von Individuum, Bedeutung und Verstehen.
Kognition wird als geschlossenes, selbstreferentiell<br />
operierendes System gefasst und bildet<br />
den Ausgangspunkt der Begriffsbildung. Kommunikation<br />
und Kultur stellen Bindeglieder<br />
zwischen kognitiven Systemen und gesellschaftlich<br />
geteiltem Wissen dar (125). Individuen<br />
fungieren als Komponenten und als Knotenpunkte<br />
sozialer Systeme, aus denen die Gesellschaft<br />
besteht. Bedeutungen entstehen in individuellen<br />
Konstruktionen, werden also strikt<br />
subjektabhängig begriffen. Dagegen kann im<br />
Falle des Verstehens zwischen psychischem<br />
und sozialem Verstehen differenziert werden<br />
(131). Anschlussmöglichkeiten werden im<br />
Hinblick auf den symbolischen Interaktionismus,<br />
den sozialen Konstruktivismus von Berger/Luckmann,<br />
die Diskursanalyse sowie die<br />
Cultural Studies skizziert, und zwar sowohl<br />
allgemein als auch spezifiziert nach Individuums-,<br />
Bedeutungs- und Verstehenskonzepten.<br />
Die Darlegungen der allgemeinen theoretischen<br />
Annahmen machen nochmals viele jener<br />
Probleme sichtbar, die in den Auseinandersetzungen<br />
mit dem Radikalen Konstruktivismus<br />
in den letzten Jahren diskutiert wurden. Die<br />
Suche nach Anschlüssen an andere Theorien erbringt<br />
kaum einen greifbaren Ertrag. Hier wie<br />
im Folgenden ist vieles, was die Autorin<br />
schreibt, dem selbst auferlegten Schema des<br />
Vorgehens geschuldet.<br />
Daran anschließend werden die Grundkonzepte<br />
von Massenmedien und massenmedialer<br />
Kommunikation im Sinne der angestrebten<br />
konstruktivistischen Alternative entfaltet. Dies<br />
ist ein besonders wichtiger Abschnitt der Arbeit,<br />
da vor allem in diesem Bereich Defizite in<br />
den bestehenden Ansätzen der <strong>Medien</strong>rezeptionsforschung<br />
ausgemacht worden sind. Massenmedien<br />
ermöglichen durch technische Verfahren<br />
„die massenhafte Herstellung und Verbreitung“<br />
(143) von <strong>Medien</strong>angeboten. Die<br />
Erörterung verschiedener Teilbereiche des Systems<br />
der Massenmedien greift v. a. auf Arbeiten<br />
zurück, die im Bereich und zum Teil in kritischer<br />
Auseinandersetzung mit der Systemtheorie<br />
Niklas Luhmanns entstanden sind. Die Besonderheiten<br />
der massenmedialen Kommunikation<br />
werden nach ihren allgemeinen kognitiven,<br />
kommunikativen und kulturellen sowie<br />
nach ihren spezifischen Aspekten (massenmedialen<br />
<strong>Kommunikations</strong>angeboten, Rezipientenrollen<br />
und virtuellen Strukturen) beleuchtet.<br />
Vor allem die Darlegungen der allgemeinen<br />
Aspekte hätten deutlich gestrafft werden kön-<br />
Literatur · Besprechungen<br />
nen, weil nun vieles, was bereits in dem allgemeinen<br />
theoretischen Teil behandelt wurde, in<br />
mehrmaliger Wiederholung auftaucht. Auch<br />
dieser Untersuchungsschritt mündet in eine<br />
Skizze möglicher Anschlüsse an andere Rezeptionstheorien,<br />
wobei alle der im zweiten Kapitel<br />
behandelten Theorien zur Sprache kommen.<br />
Darüber hinaus werden Verbindungsmöglichkeiten<br />
zu weiteren kommunikations<strong>wissenschaft</strong>lichen<br />
Rezeptionsforschungen geprüft.<br />
Die abschließend formulierte Konzeption der<br />
vorgeschlagenen konstruktivistischen Rezeptionsforschung<br />
fällt überraschend knapp aus und<br />
erscheint eher als ein (nochmals wiederholendes)<br />
Fazit denn als der Versuch, den eigenen<br />
Ansatz zu konkretisieren. Auf allgemeiner<br />
Ebene wird insbesondere noch einmal der Zusammenhang<br />
zwischen Kognition, Kommunikation<br />
und Kultur dargestellt.<br />
Leider fällt das vierte Kapitel gegenüber dem<br />
zweiten Kapitel, das bestehende Ansätze der<br />
Rezeptionsforschung evaluiert, stark ab. Dies<br />
liegt erstens an der sich wiederholenden und<br />
dabei mehr und mehr redundanten und leer<br />
laufenden Erfüllung des Beobachtungsrasters,<br />
dessen Punkte Schritt für Schritt abgearbeitet<br />
werden. Zweitens, und hier liegt die zentrale<br />
Schwierigkeit, handelt sich Großmanns „konstruktivistische<br />
Alternative“ die Probleme der<br />
„Siegener Überlegungen“ ein, die nach Einholen<br />
der Flagge des „Radikalen Konstruktivismus“<br />
nicht mehr angeben können, welche<br />
theoretische Richtung sie eigentlich verfolgen.<br />
Vor allem hinsichtlich der Ausdifferenzierung<br />
und Verbindung von psychischen (kognitiven)<br />
und sozialen (kommunikativen, kulturellen)<br />
Bereichen herrschen in Großmanns Erörterungen<br />
viele theoretische und begriffliche Unklarheiten.<br />
Mal kommt Subjektives als Komponente,<br />
Element bzw. Bestandteil von Sozialem<br />
(und umgekehrt), mal als Umwelt, mal als Produktionsinstanz<br />
sozialer Prozesse (und umgekehrt)<br />
ins Spiel. Auch wenn vielfältige Beziehungen<br />
zwischen individuellen, kommunikativen<br />
und kulturellen Prozessen angenommen<br />
werden, ist die Systematik dieser Beziehungen<br />
klarzustellen: Vielfalt bedeutet nicht Beliebigkeit.<br />
Das Problem, hier keine klaren Verhältnisse<br />
schaffen zu können, durchzieht Großmanns<br />
konstruktivistische Alternative. Wenn<br />
man mit den „Siegener Überlegungen“ die allgemeine<br />
Einsicht teilt, dass kommunikations<strong>wissenschaft</strong>liche<br />
Forschung systemtheoretische<br />
Grundlagen benötigt, wird man in<br />
131
M&K 48. Jahrgang 1/2000<br />
Kenntnis der Systemtheorie Luhmanns bei der<br />
Lektüre des vierten Kapitels gar nicht anders<br />
können, als immer wieder daran zu denken, wie<br />
viel klarer, stringenter und konsistenter dort<br />
die grundlegenden Unterscheidungen, Begriffe<br />
und Zusammenhänge konstruiert werden.<br />
Drittens versucht die Autorin kaum einmal,<br />
ihre theoretischen Überlegungen anhand konkreter<br />
Veranschaulichungen zu plausibilisieren:<br />
Dies geschieht nur kursorisch gegen Ende<br />
des Kapitels (198ff.). Der Kredit, den Großmanns<br />
konstruktivistische Alternative beansprucht,<br />
ist durch die – oft sehr oberflächlichen<br />
– Anbindungen an andere Theorie- und<br />
Forschungstraditionen nicht zu decken. So<br />
bleibt es beim oben festgehaltenen Ertrag<br />
des zweiten Kapitels. Ansonsten gewinnt man<br />
nicht den Eindruck, die theoretische Grundlegung<br />
der kommunikations<strong>wissenschaft</strong>lichen<br />
Forschung könnte in der von der Autorin vorgeschlagenen<br />
Richtung an Profil gewinnen.<br />
Tilmann Sutter<br />
Bettina Fromm<br />
Privatgespräche vor Millionen<br />
Fernsehauftritte aus psychologischer und soziologischer<br />
Perspektive<br />
Konstanz: UVK <strong>Medien</strong>, 1999. – 426 S.<br />
ISBN 3-89669-271-2<br />
Ob Talkshows, Beziehungsshows oder Spielshows:<br />
intime Formate, also Sendungen, bei denen<br />
„persönliche Belange zum Zwecke der medialen<br />
Verbreitung inszeniert [werden], mit<br />
den Betroffenen selbst als Protagonisten ihrer<br />
authentischen Geschichte“ (S. 19), erleben derzeit<br />
eine Hochkonjunktur im deutschen Fernsehen.<br />
Eine Diskussion der Inhalte dieser<br />
Shows findet auf zwei Ebenen statt. Zum einen<br />
werden sie öffentlich diskutiert, zum anderen<br />
gibt es ein zunehmendes <strong>wissenschaft</strong>liches Interesse<br />
am Thema. Zur Debatte stehen dabei<br />
verstärkt auch die Motive der Protagonisten<br />
dieser Shows, nämlich die der Studiogäste. Was<br />
motiviert zu dem Auftritt in einer Fernsehshow<br />
und wieso haben unprominente Studiogäste Interesse,<br />
ihre privaten Belange im Fernsehen zu<br />
offenbaren? Diese Forschungsfrage stellt sich<br />
auch Bettina Fromm im Rahmen ihrer Untersuchung.<br />
Während eine Vielzahl von Studien<br />
zum Thema vor allem nicht empirisch, eher<br />
programmatisch und häufig unfundiert ist,<br />
132<br />
sticht die Arbeit Fromms durch eine gelungene<br />
Definition der Charakteristika intimer Formate<br />
und eine sorgsam angelegte empirische Untersuchung<br />
heraus.<br />
Zu Beginn ihrer Untersuchung betrachtet Bettina<br />
Fromm den Forschungsgegenstand „intime<br />
Formate“. Zu intimen Formaten zählt sie<br />
Talkshows (z. B. „Hans Meiser“), Beziehungsshows<br />
(z. B. „Nur die Liebe zählt“), Spielshows<br />
(z. B. „Herzblatt“), Infotainment-Magazine<br />
(z. B. „Brisant“) und Suchsendungen<br />
(z. B. „Bitte melde Dich!“). Diese werden<br />
zunächst in ihrer Entwicklung beschrieben und<br />
dann definiert. Sowohl die Historie der einzelnen<br />
Formate als auch ihre Definition ist differenziert<br />
und anschaulich. Im darauf folgenden<br />
Abschnitt werden vier Charakteristika intimer<br />
Formate zusammengefasst: (1) Personalisierung<br />
(Darstellung ist auf das Einzelschicksal einer<br />
Person beschränkt), (2) private und intime<br />
Themen, (3) Live-Charakter der Sendungen<br />
(wird durch unvorhergesehene Situationen<br />
oder die mediale Unerfahrenheit der Teilnehmer<br />
betont), (4) alltagsnaher und persönlicher<br />
<strong>Kommunikations</strong>stil. Diese Kategorien werden<br />
anhand der Sendungsinhalte beschrieben und<br />
anhand theoretischer Modelle erklärt (S. 29 ff.).<br />
So wird z. B. für die Kategorie der Personalisierung<br />
die Bedeutung der Moderatoren als<br />
Persona parasozialer Interaktion angesprochen.<br />
Insofern bietet diese Kategorisierung bereits<br />
den Ausgangspunkt für den theoretischen<br />
Hintergrund der Untersuchung.<br />
Im Theorieteil des Buches betrachtet Fromm<br />
drei Beziehungen, nämlich die (1) zwischen Individuum<br />
und Gesellschaft, (2) zwischen Gesellschaft<br />
und <strong>Medien</strong> und (3) zwischen <strong>Medien</strong><br />
und Individuum. In diesem Zusammenhang<br />
werden zunächst „die grundlagentheoretischen<br />
sozialpsychologischen und soziologischen Positionen<br />
erörtert“ (S. 39). Die Autorin führt aus,<br />
dass – im Sinne des symbolischen Interaktionismus<br />
– Menschen ein Bedürfnis haben, ihre<br />
Identität in der Kommunikation zu gestalten.<br />
Gemäß den Soziologen der Bamberger Schule<br />
macht der Verlust traditioneller Sinnsysteme<br />
und die Pluralisierung der Werte diese Suche<br />
nach Identität jedoch schwer. Die sog. Multioptionsgesellschaft<br />
erfordert vom Einzelnen die<br />
Fähigkeit, zwischen verschiedenen Angeboten<br />
sinnvoll zu entscheiden. Für getroffene Entscheidungen<br />
braucht das Individuum darüber<br />
hinaus ständige Vergewisserung, so dass der<br />
„Aufwand der Konstruktion der persönlichen
Identität für den Einzelnen hoch wie nie zuvor“<br />
(S. 61) ist. Als Konsequenz dieses Gedankenganges<br />
werden <strong>Medien</strong> als bedeutsam für die<br />
Suche nach Orientierung und bei der Entscheidung<br />
für ein mögliches (Lebens-) Modell erachtet.<br />
Der Erfolg intimer Formate wird dementsprechend<br />
als Folge dieser gesellschaftlichen<br />
Entwicklung gesehen; auf der Ebene des Individuums<br />
wird ihre Bedeutung für den Rezipienten<br />
und für den unprominenten Studiogast<br />
erläutert (S. 65 ff.). Ausführlich werden rezipientenorientierte<br />
Modelle, wie der verhaltenstheoretische<br />
Ansatz, der Uses-and-Gratifications<br />
Approach und das Konzept der parasozialen<br />
Interaktion vorgestellt, um schließlich<br />
den symbolisch-interaktionistischen und handlungstheoretisch<br />
orientierten Nutzenansatz auf<br />
die Rezeption intimer Formate anzuwenden.<br />
Diese Ausführlichkeit – vor allem in der Darstellung<br />
der genannten Rezeptionsmodelle – erscheint<br />
im Hinblick auf die Fragestellung eher<br />
irreführend als bereichernd. Aufschlussreich ist<br />
demgegenüber die anschließende Zusammenfassung<br />
der Forschung zum Thema intimer Formate,<br />
in der das Forschungsfeld eingehend betrachtet<br />
wird. Wenn Talkshows auch ein kulturell<br />
spezifisches Phänomen sind, so wird in diesem<br />
Überblick allerdings – zumindest in Form<br />
einer Erwähnung – die angloamerikanische Forschung<br />
vernachlässigt.<br />
Insgesamt betrachtet hat die Darstellung des<br />
theoretischen Hintergrundes vor allem die<br />
Funktion, die Rezeption intimer Formate und<br />
den Fernsehauftritt in Fernsehshows zu beschreiben<br />
und zu erklären. Fromm versteht es,<br />
eine kohärente theoretische Grundlage vorzustellen.<br />
Es ist jedoch nicht das Ziel der Autorin,<br />
eine eindeutige Hinführung zu den Forschungsfragen<br />
der qualitativen Untersuchung<br />
anzubieten. Das wäre bei dem Umfang des<br />
theoretischen Feldes, das aufgespannt wird,<br />
auch kaum realisierbar. Die theoretischen Positionen<br />
sind also vor allem als ein Erklärungsmuster<br />
der Intimisierung des Fernsehens und<br />
des Fernsehauftritts zu verstehen. Eine empirische<br />
Überprüfung, ob dieses Erklärungsmuster<br />
tatsächlich adäquat ist, kann die Autorin freilich<br />
nicht liefern. Der abschließende empirische<br />
Teil ist vielmehr eine explorative Untersuchung,<br />
welche die Denkweise und die methodologische<br />
Richtung des theoretischen Teils<br />
aufnimmt.<br />
Diese empirische Untersuchung bearbeitet acht<br />
Fragestellungen, die implizit aus dem theoreti-<br />
Literatur · Besprechungen<br />
schen Teil hervorgehen (S. 120). Zentral sind<br />
die Motive für die Teilnahme an einer Fernsehshow,<br />
die Entstehung der Motive, die Motivstrukturen<br />
und inwiefern die Teilnehmer der<br />
Shows ihre Ziele verwirklichen können. Außerdem<br />
wird die Frage nach übergeordneten<br />
Typen gestellt und danach, welche Funktionen<br />
die Fernsehshow im Vergleich zu Organisationen<br />
wie z. B. der Kirche übernimmt. Die<br />
qualitativen Interviews der Studie wurden mit<br />
30 Teilnehmern aus sechs verschiedenen Shows<br />
durchgeführt. Die Auswahl der Interviewpartner<br />
wie der Shows fußt auf einer anspruchsvollen<br />
Ziehung der Stichproben. Ebenso anspruchsvoll<br />
gestaltet Bettina Fromm die Datenauswertung<br />
und die erste Kategorisierung des<br />
Materials. Im empirischen Teil wird umfassend<br />
die Einzelfallkonstruktion sowie die Typenkonstruktion<br />
demonstriert. Die Typenkonstruktion<br />
wird dabei enger an die theoretische<br />
Vorarbeit angelehnt, als das bei der Hinführung<br />
zur Fragestellung zunächst zu vermuten<br />
gewesen wäre.<br />
Als Ergebnis der Untersuchung werden alle<br />
Einzelinterviews dargestellt. Die Aufarbeitung<br />
der Einzelfälle (auf insgesamt 125 Seiten) ist vor<br />
allem für tiefer gehend interessierte Leser<br />
aufschlussreich. Acht Typen sind das Ergebnis<br />
der Aggregierung dieser Einzelfälle: „Fernsehstar“,<br />
„Patient“, „Verehrer“ bzw. „Kontaktanbahner“,<br />
„Rächer“, „Anwalt in eigener Sache“,<br />
„Ideologe“, „Propagandist“ und „Zaungast“.<br />
Für jeden Typen werden die zentralen <strong>Kommunikations</strong>bedürfnisse<br />
dargestellt (z. B. das<br />
Bedürfnis der Selbstinszenierung des Fernsehstars,<br />
S. 153) sowie kollektive Handlungsmuster<br />
herausgearbeitet und differenziert. Die Darstellung<br />
der Ergebnisse beinhaltet weiterhin die<br />
Phasen des Fernsehauftritts – vom Beweggrund<br />
bis zum Feed-back – für jeden Typen. Durch<br />
diese umfassende und nachvollziebare Analyse<br />
wird die Typenkonstruktion zum Herzstück<br />
der Untersuchung Fromms. Angereichert mit<br />
Zitaten und in Beziehung gesetzt zu den theoretischen<br />
Vorarbeiten kann der Leser nun anhand<br />
von acht Typen verschiedene Beweggründe<br />
des Fernsehauftritts erkennen. Im Gegensatz<br />
zu den übrigen, im Ergebnisteil eher implizit<br />
beantworten Forschungsfragen (S. 120),<br />
bleibt die Frage der Typenkonstruktion allerdings<br />
die einzige, zu welcher explizit Stellung<br />
bezogen wird.<br />
Sabine Trepte<br />
133
Zeitschriftenlese<br />
134<br />
LITERATUR · ZEITSCHRIFTENLESE<br />
AfP<br />
Jg 30 (1999) Nr 3<br />
Ullmann, Eike: Persönlichkeitsrechte in Lizenz?<br />
– S. 209 – 214<br />
„Die zunehmende Vermarktung (das Merchandising)<br />
von Personen der öffentlichen Neugierde stellte die<br />
Frage nach dem angemessenen zivilrechtlichen Schutz<br />
immer wieder neu. Ist der Anspruch auf Ersatz des<br />
immatriellen Schadens das adäquate Mittel, um dem<br />
Sensationsjournalismus in die Tasche zu greifen? Der<br />
Verfasser, der Denkweise des Schutzes immatrieller<br />
Rechtsgüter verhaftet, nimmt den […] Gedanken des<br />
Bereicherungsausgleichs auf. Auch der nicht vermarktungsbereite<br />
Prominente soll über die Eingriffskondiktion<br />
Anspruch auf Zahlung der angemessenen<br />
(fiktiven) Lizenzgebühr haben und sich darauf verweisen<br />
lassen, wenn er die Beeinträchtigung seiner<br />
ideellen Interessen reklamiert (Fall Caroline von Monacco).“<br />
Kühling, Jürgen: Zu den möglichen Grenzen<br />
der <strong>Kommunikations</strong>freiheit. – S. 214 – 221<br />
Nach einer Neustrukturierung des Kontrollapparates<br />
der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte<br />
und Grundfreiheiten (EMRK) begann<br />
der neue ständige Europäische Gerichtshof für Menschenrechte<br />
(EGMR) am 1. November 1998 seine Arbeit.<br />
Bereits seit 1994 können auch natürliche Personen<br />
unmittelbar vor dem Gerichtshof klagen. Unsicherheiten<br />
in Bezug auf die Fortsetzung der alten<br />
Spruchpraxis ergeben sich für den Autor aus der<br />
Zeichnung der EMRK durch die mittel- und osteuropäischen<br />
Länder, die eventuell zu einer „größeren<br />
Zurückhaltung bei der Fortschreibung des gemeineuropäischen<br />
Grundrechtsstandards führen könnte“.<br />
Am 21. Januar 1999 hat der neue EGMR in öffentlicher<br />
Sitzung seine ersten fünf Urteile verkündet, von<br />
denen sich zwei – Fressoz & Roire und Janowski – mit<br />
der <strong>Kommunikations</strong>freiheit des Art. 10 EMRK befassen.<br />
Der Autor stellt diese beiden Urteile vor und<br />
kommt zu dem Ergebnis, dass der neue ständige<br />
Straßburger Gerichtshof in Bezug auf die <strong>Kommunikations</strong>freiheit<br />
die Rechtsprechnungslinien des alten<br />
EGMR weiterzeichnet.<br />
Ladeur, Karl-Heinz: Der Gesetzesvorbehalt<br />
bei der Frequenzzuteilung im dualen System. –<br />
S. 221 – 227<br />
Die Verteilung der terrestrischen Sendefrequenzen<br />
zwischen öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk<br />
ist gerade in den letzten Jahren immer wieder<br />
Gegenstand politischer und rechtlicher Auseinandersetzungen<br />
geworden. Ein Beispiel hierfür ist der Streit<br />
um die Umwidmung einer Sendefrequenz für das Jugendprogramm<br />
des NDR, N-Joy. Der Autor stellt<br />
zunächst die Rechtsprechung des BVerfG zur Frequenzverteilung<br />
und die Landesgesetzgebung zur<br />
Frequenzverteilung im dualen System dar. In einigen<br />
Ländern ist das Verfahren so geregelt, dass zunächst<br />
eine Einigung zwischen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten<br />
und der Landesmedienanstalt angestrebt<br />
wird und bei Scheitern der Verhandlungen eine<br />
Entscheidung der Landesregierung nach bestimmten<br />
Kriterien vorgesehen ist. Eine im Nachhinein eintretende<br />
Veränderung zwischen Frequenz und Programm<br />
– wie im Fall N-Joy – ist nicht geregelt. Die gesetzlichen<br />
Kriterien für die Entscheidung des Senats<br />
seien wegen der eröffneten Wertungsspielräume für<br />
den staatlichen Akteur verfassungsrechtlich problematisch.<br />
Aber auch die vorgeschaltete Einigung ist Bedenken<br />
ausgesetzt, da fraglich sei, ob die Landesmedienanstalten<br />
als Interessenvertreter der privaten<br />
Anbieter angesehen werden könnten.<br />
Kirchner, Christian: Preisbindungen für Verlagserzeugnisse?:<br />
Buchpreisbindung im deutschen<br />
Sprachraum und EG-Wettbewerbsrecht.<br />
– S. 227 – 233<br />
Balkan Media<br />
Jg 7 (1998) Nr 3 – 4<br />
About the Parameters of the Research Project.<br />
– S. 4 – 6<br />
Erjavec, Karmen: The Press System in Slovenia.<br />
– S. 6 – 8<br />
Mirkovic, Sasa: Fighting for Press Freedom in<br />
Serbia. – S. 30 – 34<br />
Jg 8 (1999) Nr 1<br />
Milev, Rossen: From Media War to Media Understanding.<br />
– S. 1<br />
The International Media Coverage of the Conflict:<br />
With Special Attention to the Media in<br />
South East Europe. – S. 7 – 17<br />
Jugoslawien – Results and Perspectives. –<br />
S. 18 – 21<br />
Jugoslawien – Major Polarizing Medialogems.<br />
– S. 22 – 23<br />
Media Chronology of the Military Conflict. –<br />
S. 24 – 26<br />
Civil Society and Democratic Media Development.<br />
– S. 30 – 34<br />
Milev, Rossen: Eine neue <strong>Medien</strong>kultur auf<br />
dem Balkan als Element einer langfristigen<br />
Friedens- und Stabilitätsordnung. – S. 35 – 39<br />
Communication Research<br />
Jg 26 (1999) Nr 4<br />
Gutierrez Hoyt, Elizabeth: Bridging established<br />
and emerging directions in communication<br />
research. – S. 379 – 384<br />
Das Themenheft besteht aus eingeladenen Beiträgen<br />
von Promovenden, deren Arbeiten sich zugleich um<br />
zweierlei bemühen: um die Berücksichtigung veränderter<br />
sozialer Handlungsumgebungen, und um die<br />
Weiterentwicklung klassischer kommunikations<strong>wissenschaft</strong>licher<br />
Fragestellungen und Konzepte.
Kwak, Nojin: Revisiting the Knowledge Gap<br />
Hypothesis: Education, Motivation, and Media<br />
Use. – S. 385 – 413<br />
Der Autor untersucht die Auswirkungen von Bildungsgrad,<br />
<strong>Medien</strong>nutzung und Engagement anlässlich<br />
der Präsidentschaftswahlen 1992 in den USA, um<br />
Entstehung und Ausmaß von Wissenskluften zu erklären:<br />
Alle drei Faktoren müssen danach berücksichtigt<br />
werden.<br />
Kiousis, Spiro; Bantimaroudis, Philemon; Ban,<br />
Hyun: Candidate Images Attributes: Experiments<br />
on the Substantive Dimension of the Second<br />
Level Agenda Setting. – S. 414 – 428<br />
Yanovitzky, Itzhak; Bennett, Courtney: Media<br />
Attention, Institutional Response, and Health<br />
Behavior Change. – S. 429 – 453<br />
Kang, Naewon; Choi, Junho H.: Structural Implications<br />
of the Crossposting Network of International<br />
News in Cyberspace. – S. 454 – 481<br />
Graham, Philip: Critical Systems Theory: A<br />
Political Economy of Language, Thought, and<br />
Technology. – S. 482 – 507<br />
Jg 26 (1999) Nr 5<br />
Salwen, Michael B.; Dupagne, Michel: The<br />
Third-Person-Effect. – S. 523-549<br />
Die Autoren schließen an die im Third Person Effect<br />
unterstellte Wahrnehmungshypothese (für andere ist<br />
der <strong>Medien</strong>einfluss größer) eine Verhaltenshypthese<br />
(mehr Unterstützung für Einschränkungen von <strong>Medien</strong>botschaften)<br />
an und untersuchen beide Hypothesen<br />
empirisch mit Hilfe einer Telefonumfrage.<br />
Während die Wahrnehmungshypothese allgemein bestätigt<br />
wird, hängt die Bestätigung der Verhaltenshypothese<br />
davon ab, auf welchen Themenbereich sie bezogen<br />
wird.<br />
Valkenburg, Patti M.; Semetko, Holli A.; de<br />
Vreese, Claes H.: The Effects of News Frames<br />
on Readers’ Thoughts and Recall. – S. 550 – 569<br />
Zwei politische Informationen (über Kriminalität und<br />
die Einführung des Euro) wurden in vier verschiedene<br />
News-Rahmen (conflict, human interest, responsibility,<br />
economic consequences) verpackt und in zufälliger<br />
Zusammenstellung 187 Versuchspersonen zu lesen<br />
gegeben. Mit der Methode des „thought-listing“,<br />
d. h. des frei darüber Aussprechens von Gedanken, ergab<br />
sich ein signifikanter Einfluss dieser Rahmen und<br />
auch, dass human interest stories weniger gut erinnert<br />
werden.<br />
Domke, David; McCoy, Kelly; Torres, Marcos:<br />
News Media, Racial Perceptions, and Political<br />
Cognition. – S. 570 – 607<br />
Krcmar, Marina; Valkenburg, Patti M.: A Scale<br />
to Assess Children’s Moral Interpretations of<br />
Justified and Unjustified Violence and Its Relationship<br />
to Television Viewing. – S. 608-634<br />
Zeitschriftenlese<br />
Communication Theory<br />
Jg 9 (1999) Nr 3<br />
Hawes, Leonard C.: The dialogics of conversation:<br />
power, control, vulnerability. – S. 229 –<br />
264<br />
Lawrence, Samuel G.: The preoccupation with<br />
problems of understanding in communication<br />
research. – S. 265 – 291<br />
Nabi, Robin L.: A cognitive-functional model<br />
for the effects of discrete negative emotions on<br />
information processing, attitude change, and<br />
recall. – S. 292 – 320<br />
Schroll, Christopher J.: Theorizing the flip side<br />
of civic journalism: democratic citizenship and<br />
ethical readership. – S. 321 – 345<br />
Computer und Recht<br />
Jg 15 (1999) Nr 7<br />
Ihde, Rainer: Das Pflichtenheft beim Softwareerstellungsvertrag.<br />
– S. 409 – 414<br />
Bei der Erstellung von Individualsoftware kommt<br />
dem Pflichtenheft eine zentrale Bedeutung zu. In ihm<br />
wird regelmäßig festgelegt, was die zu erstellende<br />
Software leisten soll und wie dieses Ziel erreicht werden<br />
kann. „Immer wieder ist das Pflichtenheft zum<br />
Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen zwischen<br />
Softwareersteller und Auftraggeber geworden.<br />
Wie in kaum einem anderen Bereich hat die Rechtsprechung<br />
hier widersprüchliche Ergebnisse erbracht.<br />
Der […] Beitrag setzt die aufgetretenen Problemfelder<br />
in den Kontext von Begriffsanalyse und Anwendungserfahrung,<br />
um Anstöße zu einer sachgerechteren<br />
Einordnung in das Regelungsgefüge der §§ 631 ff.<br />
BGB zu geben“.<br />
Ellinghaus, Ulrich: Wegerechte für Telekommunikationsunternehmen.<br />
– S. 420 – 425<br />
Gegenstand des Beitrags sind „die im Achten Teil des<br />
Telekommunikationsgesetztes (TKG) – ‚Benutzung<br />
der öffentlichen Wege‘ – geregelten Erleichterungen<br />
für die Errichtung und den Betrieb von Übertragungswegen<br />
für Telekommunikationsdienstleistungen<br />
auf fremdem Grund und Boden. Seit Inkrafttreten<br />
dieser Vorschriften vor nunmehr drei Jahren haben<br />
Praxis und Rechtsprechung damit begonnen, die Konturen<br />
der in den §§ 50 bis 58 vorgezeichneten Regelung<br />
für die Leitungserrichtung und Durchleitung unter<br />
Inanspruchnahme des Grundbesitzes Dritter herauszuarbeiten.“<br />
Imping, Andreas: Vertragsgestaltung von Telefonanschlußverträgen<br />
im Festnetzbereich. –<br />
S. 425 – 431<br />
Koenig, Christian; Loetz, Sascha: Sperrungsanordnungen<br />
gegenüber Network- und Access-<br />
Providern. – S. 438 – 445<br />
„Die Verfasser gehen der Frage nach, ob behördliche<br />
Sperrungsanordnungen gegen Network- und Access-<br />
Provider eine Rechtsgrundlage in § 5 Abs. 4 Telediens-<br />
135
M&K 48. Jahrgang 1/2000<br />
tegesetz (TDG) oder § 18 Abs. 3 <strong>Medien</strong>dienste-Staatsvertrag<br />
(MDStV) finden. Darüber hinaus soll ein Beitrag<br />
zur Einordnung der Network- und Access-Provider<br />
in das geltende <strong>Kommunikations</strong>recht geleistet<br />
werden. Als Ansatzpunkt dient die Unterscheidung<br />
zwischen dem ,übertragungsrechtlichen‘ Recht des<br />
TKG und dem inhaltsbezogenen Recht des TDG und<br />
des MDStV. Die Ausführungen werden durch einen<br />
Ausblick auf die gemeinschaftsrechtlichen Regulierungsvorhaben<br />
abgerundet. Das vielbeachtete Strafurteil<br />
gegen den früheren Geschäftsführer der deutschen<br />
CompuServe-Niederlassung war Anregung zu dieser<br />
Abhandlung, bildet aber nicht ihren Gegenstand.“<br />
Bettinger, Torsten: Abschlußbericht der WI-<br />
PO zum Internet Domain Name Process. –<br />
S. 445 – 448<br />
„Am 30. April 1999 hat die WIPO ihre abschließende<br />
Stellungnahme zu möglichen Reformen des Domain<br />
Name Systems veröffentlicht. Der sog. Final Report<br />
of the WIPO Internet Domain Name Process, der nun<br />
der Internet Corporation for Assigned Names and<br />
Numbers (ICANN) sowie den WIPO-Mitgliedsstaaten<br />
zur weiteren Erörterung vorgelegt wird, enthält<br />
wichtige Eckdaten zum zukünftigen Vergabesystem<br />
von Domainnamen sowie zur angestrebten außergerichtlichen<br />
Streitbeilegungsverfahren für Domainnamenskonflikte.“<br />
Klöck, Oliver: Bundeskompetenz für ein Multimedia-Recht?.<br />
– S. 456 – 462<br />
„Schon die Fragestellung mag verwundern: Durch<br />
die Aufteilung des Rechts der Multimediadienste in<br />
ein Informations- und <strong>Kommunikations</strong>-Gesetz<br />
(IuKDG) des Bundes und einen <strong>Medien</strong>dienste-<br />
Staatsvertrag (MDStV) der Länder sollte das Problem<br />
doch eigentlich geklärt sein. Bund und Länder haben<br />
sich über die Aufteilung ihrer jeweiligen Kompetenzen<br />
geeinigt und sozusagen in einem Akt der schiedlich-friedlichen<br />
Absprache einen weltweit bislang einmaligen<br />
Rechtsrahmen für diesen zukunftsträchtigen<br />
Wirtschaftszweig geschaffen. Doch damit ist das<br />
kompetenzielle Problem mitnichten gelöst. Dieser<br />
Beitrag weist nach, dass Bund und Länder nicht die<br />
Befugnis haben, sich über die Kompetenzordnung des<br />
Grundgesetzes durch Einigung hinwegzusetzen.<br />
Letzlich entscheidet über die Bundeskompetenz für<br />
ein Multimedia-Recht der grundgesetzliche Rundfunkbegriff.<br />
Aus ihm folgt, dass das IuKDG die Bundeskompetenz<br />
im Recht der Multimediadienste zu<br />
weit ausdehnt und der MDStV die Länderkompetenz<br />
nicht ausschöpft.“<br />
Fritzsche, Jörg: Haftung und Haftungsfreizeichnung<br />
in Informationsbeschaffungsverträgen.<br />
– S. 462 – 469<br />
Jg 15 (1999) Nr 8<br />
Schabel, Thomas: EDV-Aufträge der öffentlichen<br />
Hand – Vergabeverfahren: Auftragsvergabe<br />
nach der Umsetzung der EG-Dienstleistungsrichtlinie.<br />
– S. 477 – 484<br />
Gramlich, Ludwig: Die Regulierungsbehörde<br />
für Telekommunikation und Post im Jahre<br />
1998. – S. 489 – 496<br />
136<br />
Härting, Niko: Referentenentwurf für ein neues<br />
Fernabsatzgesetz. – S. 507 – 511<br />
Mankowski, Peter: Internet und besondere<br />
Aspekte des Internationalen Vertragsrechts (I).<br />
– S. 512 – 523<br />
Beucher, Klaus; Schmoll, Andrea: Kryptotechnologie<br />
und Exportbeschränkungen. – S. 529 –<br />
534<br />
Jg 15 (1999) Nr 9<br />
Moritz, Hans-Werner: Der Softwarepflegevertrag:<br />
Abschlusszwang und Schutz vor Kündigung<br />
zur Unzeit?. – S. 541 – 545<br />
Müller, Knut: Das „neue“ Recht der Scheinselbständigkeit:<br />
Auswirkungen auf die EDV-<br />
Branche und Vermeidungsstategien bei der<br />
Vertragsgestaltung. S. 546 – 552<br />
Demmel, Annette; Skrobotz, Jan: Rechtsfragen<br />
der Nutzung von Premium rate-Diensten<br />
(0190er Nummern). – S. 561 – 566<br />
„Die Nutzung von Dienstleistungen mittels Telekommunikationseinrichtungen<br />
hat in den letzten Jahren<br />
stark zugenommen. Insbesondere die Auskunftdienste<br />
(sog. Premium-rate-Dienste) unter den ‚0190-<br />
Nummern‘ haben zu Diskussionen geführt und sind<br />
Gegenstand zahlreicher Gerichtsverfahren geworden.<br />
Im Vordergrund stehen die Rechtsberatung per Telefon<br />
als neue Form der anwaltlichen Tätigkeit, Telefonsex-Angebote<br />
sowie die Nutzung der Auskunftsdienste<br />
durch Minderjährige. Die Verfasser zeigen auf,<br />
dass für sämtliche Probleme die Vertragsverhältnisse<br />
bedeutsam sind, welche den Telefonaten und etwaigen<br />
Entgeltansprüchen zugrunde liegen. Hierzu werden<br />
die vertraglichen Beziehungen zwischen den verschiedenen<br />
Beteiligten näher beleuchtet und deren Wirksamkeit<br />
im Einzelnen untersucht.“<br />
Vassilaki, Irini E.: Strafverfolgung der grenzüberschreitenden<br />
Internet-Kriminalität: Prolegomena<br />
zur rationalen Strukturierung des internationalen<br />
Strafprozessrechts. – S. 574 – 580<br />
„Die rasante Entwicklung der Informationstechnologien<br />
hat eine Vielzahl neuer Kriminalitätsformen hervorgerufen,<br />
die Gegenstand strafrechtlicher Entscheidungen<br />
gewesen sind. Die Verfasserin greift eine Reihe<br />
von Problemen auf, die sich im Rahmen der strafrechtlichen<br />
Verfolgung der grenzüberschreitenden<br />
Internet-Kriminalität ergeben. Dabei stehen die Fragen<br />
der Durchsuchung eines Netzwerkes, der Beschlagnahme<br />
von Daten und der Überwachung der<br />
Telekommunikation im Vordergrund. Im Ergebnis<br />
hält die Verfasserin einen Wandel des Strafverfolgungsrechts<br />
für notwendig, um den Anforderungen<br />
der Informationsgesellschaft nach Verabschiedung<br />
der geographischen Staatsgrenzen einerseits und der<br />
Anwendung des materiellen Strafrechts andererseits<br />
Rechnung zu tragen. Dieser Wandel ist in einem<br />
Übergang zu einem dreistufigen System der zunehmenden<br />
internationalen Rechtshilfe, grundrechtsorientierter<br />
Harmonisierung und bereichsspezifischen<br />
Vereinheitlichung zu vollziehen.“
Mankowski, Peter: Internet und besondere Aspekte<br />
des Internationalen Vertragsrecht (II). –<br />
S. 581 – 588<br />
„Aufgrund der steigenden Zahl von Verträgen mit<br />
Auslandsbezug über das Medium Internet stellt sich<br />
verstärkt die Frage der Anknüpfung der einzelnen Typen<br />
von Internet-Verträgen im Internationalen Vertragsrecht.<br />
Überdies muss sich das Internationale Privatrecht<br />
(IPR) den Herausforderungen neuer, durch<br />
das Internet veränderter Dienstleistungsangebote stellen.<br />
Nachdem sich der erste Teil des Beitrags (CR<br />
1999, 512) mit den einzelnen besonderen Vertragstypen<br />
und den Veränderungen der Leistungsangebote<br />
beschäftigt hat, widmet sich der 2. Teil den so genannten<br />
virtuellen Fabriken und Unternehmen, den<br />
Auswirkungen von Bezahlen mit e-cash oder cybermoney<br />
sowie der Anwendung des UN-Kaufrechts bei<br />
Verträgen über das Internet und der Anknüpfung der<br />
Form von Verträgen bei Internet-Sachverhalten.“<br />
Hürten, Robert: Transparenz in Streitfällen<br />
durch „Software Metrik“. – S. 596 – 598<br />
Convergence<br />
Jg 5 (1999) Nr 2<br />
Young, Paul: The Negative Reinvention of Cinema:<br />
Late Hollywood in the Early Digital<br />
Age. – S. 24 – 50<br />
Faden, Eric S.: Assimilating New Technologies:<br />
Early Cinema, Sound, and Computer<br />
Imagery. – S. 51 – 79<br />
Manovich, Lev: Database as Symbolic Form. –<br />
S. 80 – 99<br />
Cultural studies<br />
Jg 13 (1999) Nr 3<br />
Moreiras, Alberto: Hybridity and double consciousness.<br />
– S. 373 – 407<br />
Turner, Stephen: A Legacy of colonianism:<br />
The uncivil society of Aotearoa/New Zealand.<br />
– S. 408 – 422<br />
Katz, Adam: On „Maelstroms large and small,<br />
metaphorical and actual“: „Gray Zones“ in the<br />
writings of Primo Levi. – S. 423 – 447<br />
Wolff, Kurt H.: A structure to play with: on the<br />
italian adage, „se non è vero è ben trovato“. –<br />
S. 448 – 465<br />
Patton, Cindy: How to do things with sound. –<br />
S. 466 – 487<br />
Negus, Keith: The music business and rap:<br />
Between the street and the executive suite. –<br />
S. 488 – 508<br />
Hosokawa, Shuhei: „Salsa no tiene frontera“:<br />
Orquesta de la Luz and the Globalization of<br />
Popular Music. – S. 509 – 534<br />
Zeitschriftenlese<br />
Diffusion<br />
(1999) summer<br />
Blanchart, Jean-Louis: Is public-service broadcasting<br />
compatible with the free-market economy?.<br />
– S. 6 – 9<br />
Fansten, Michel: The terms of the debate. –<br />
S. 10 – 13<br />
Boudgast, Peter; Frenzel, Albrecht: Germany:<br />
Federal diversity of organizations, programme<br />
remits and funding models. – S. 14 – 17<br />
Wyatt, Will: Life and death broadcasting. –<br />
S. 18 – 19<br />
Malesani, Peter Luigi: RAI and public-service<br />
broadcasting in Italy. – S. 20 – 21<br />
Billaudeau, Valérie Magnan: Spain, Greece and<br />
Portugal: Underfinanced to meet technological<br />
challanges. – S. 22 – 23<br />
Lovitt, Gordon: The funding of Czech Television.<br />
– S. 24 – 25<br />
European Journal of Communication<br />
Jg 14 (1999) Nr 3<br />
Esser, Frank: „Tabloidization“ of news: a comparative<br />
analysis of Anglo-American and German<br />
press journalism. – S. 291 – 324<br />
Negrine, Ralph: Parliaments and the media: a<br />
changing relationship?. – S. 325 – 352<br />
Conboy, Martin: The discourse of location:<br />
realigning the popular in German cinema. –<br />
S. 353 – 378<br />
Neveu, Erik: Politics on French television: towards<br />
a renewal of political journalism and<br />
debate frames? – S. 379 – 410<br />
Grimme<br />
Jg 22 (1999) Nr 3<br />
Heidsiek, Birgit: Spiel mit doppeltem Boden. –<br />
S. 10 – 12<br />
Genrich, Stefan: Dokumente des Zeitgeistes:<br />
Wochenschauen. – S. 14 – 16<br />
Spies, Ulrich: Eine Frage der Machart: Kriegsberichterstattung.<br />
– S. 48 – 51<br />
Journal of Broadcasting & Electronic Media<br />
Jg 43 (1999) Nr 2<br />
Moy, Patricia; Pfau, Michael; Kahlor, LeeAnn:<br />
Media Use and Public Confidence in Democratic<br />
Institutions. – S. 137 – 158<br />
137
M&K 48. Jahrgang 1/2000<br />
Mullen, Lawrence J.: Television News and<br />
Contentiousness: An Explanatory Study of<br />
Visual and Verbal Content in News about the<br />
President. – S. 159 – 174<br />
Weintraub Austin, Erica; Bolls, Paul D.; Fujioka,<br />
Yuki: How and Why Parents Take on the<br />
Tube. – S. 175 – 192<br />
Bucy, Erik P.; Newhagen, John E.: The Microand<br />
Macrodrama on Television: Effects of<br />
Media Format on Candidate Evaluations. –<br />
S. 193 – 210<br />
Reith, Margaret: Viewing of Crime Drama and<br />
Authoritarian Aggression: An Investigation of<br />
the Relationship Between Crime Viewing,<br />
Fear, and Aggression. – S. 211 – 221<br />
Hallmark, James R.; Armstrong, Richard N.:<br />
Gender Equity in Televised Sports: A Comparative<br />
Analysis of Men’s and Women’s NCAA<br />
Division I Basketball Championship Broadcasts,<br />
1991 – 1995. – S. 222 – 235<br />
Lipschultz, Jeremy H.; Hilt, Michael L.: Mass<br />
Media and the Death Penalty: Social Construction<br />
of Three Nebraska Executions. – S. 236 – 253<br />
Ross, Susan Dente: Doors to Diversity: The<br />
First Amendment Implications of Telephone<br />
Company Video Options under the Telecommunications<br />
Act of 1996. – S. 254 – 270<br />
Kiernan, Vincent; Levy, Mark R.: Competition<br />
Among Broadcast-Related Web Sites. – S. 271 –<br />
279<br />
Barbatsis, Gretchen S.: Hypermediated Telepresence:<br />
Sensemaking Aesthetics of the Newest<br />
Communication Art. – S. 280 – 298<br />
Journal of Communication<br />
Jg 49 (1999) Nr 3<br />
McLeod, Douglas M.; Detenber, Benjamin H.:<br />
Framing effects of television news coverage of<br />
social protest. – S. 3 – 23<br />
Krcmar, Marina; Greene, Kathryn: Predicting<br />
exposure to and uses of television violence. –<br />
S. 24 – 45<br />
Oliver, Mary Beth: Caucasian viewers’ memory<br />
of black and white criminal suspects in<br />
the news. – S. 46 – 60<br />
Bird, S. Elizabeth: Gendered construction<br />
of the American Indian in popular media. –<br />
S. 61 – 83<br />
Parameswaran, Radhika: Western romance fiction<br />
as English-language media in postcolonial<br />
India. – S. 84 – 105<br />
138<br />
Peri, Yoram: The media and collective memory<br />
of Yitzhak Rabin’s remenbrance. – S. 106 – 124<br />
Berkowitz, Dan; TerKeurst, James V.: Community<br />
as interpretive community: rethinking<br />
the journalist-source relationship. – S. 125 – 136<br />
McOmber, James B.: Technological autonomy<br />
and three definitions of technology. – S. 137 –<br />
153<br />
Journal of communication inquiry<br />
Jg 23 (1999) Nr 4<br />
McLaughlin, Lisa: Beyond „Seperate Spheres“:<br />
Feminism and the Cultural Studies/Political<br />
Economy Debate. – S. 327 – 354<br />
Lauzen, Martha M.; Dozier, David M.: The<br />
Role of Women on Screen and behind the Scenes<br />
in the Television and Film Industries: Review<br />
of a Program of Research. – S. 355 – 373<br />
Tracy, James F.: Whistle while you Work: The<br />
Disney Company and the Global Division of<br />
Labor. – S. 374 – 389<br />
Huntemann, Nina: Corporate Interference:<br />
The Commercialization and Concentration of<br />
Radio post the 1996 Telecommunications<br />
Act. – S. 390 – 407<br />
Gunn, Joshua: Marilyn Manson Is Not Goth:<br />
Memorial Struggle and the Rhetoric of Subcultural<br />
Identity. – S. 408 – 431<br />
Hartsock, John C.: „Literary Journalism“ as an<br />
Epistemological Moving Object within a Larger<br />
„Quantum“ Narrative. – S. 432 – 447<br />
Journal of Media Economics<br />
Jg 12 (1999) Nr 3<br />
Greco, Albert N.: The Impact of Horizontal<br />
Mergers and Acquisitions on Corporate Concentration<br />
in the U.S. Book Publishing Industry:<br />
1989 – 1994. S. 165 – 180<br />
Trotz augenfälliger Fusionen zeigt die Analyse der<br />
Entwicklung des Buchmarktes in den USA keine Tendenz<br />
zur Monopolbildung – im Gegensatz zu der gängigen<br />
These Bagdikians. Als Erklärung wird u. a. auf<br />
die geringen Marktzutrittsbarrieren im Buchmarkt<br />
verwiesen.<br />
Lutzhöft, Niels; Machill, Marcel: The Economics<br />
of French Cable Systems as Reflected in<br />
Media Policy. – S. 181 – 199<br />
Gershon, Richard A.; Egen, Bradley M.: Retransmission<br />
Consent, Cable Franchising, and<br />
Market Failure: A Case Study Analysis of<br />
WOOD-TV 8 Versus Cablevision of Michigan.<br />
– S. 201 – 224
Jg 12 (1999) Nr 4<br />
Smith, Ken: Preprints Versus Display Advertising:<br />
Which is More Profitable for Nondaily<br />
Newspapers?. – S. 233 – 245<br />
Picard, Robert G.; Lacy, Stephen: Legal and<br />
Economic Aspects in Theft of Newspapers:<br />
Using a Model of Newspaper Value. – S. 247 –<br />
263<br />
Hyuhn-Suhck, Bae: Product Differenciation<br />
in Cable Programming: The Case in the Cable<br />
National All-News Networks. – S. 265 – 277<br />
Für eine Woche im Oktober 1997 werden die Programmstrukturen<br />
der US-Nachrichtensender CNN,<br />
FNC und MSNBC verglichen. Es zeigt sich, dass<br />
die Programme zum jeweiligen Zeitpunkt meist gegensätzlich<br />
gestaltet sind und dadurch Programmvielfalt<br />
entsteht. CNN erreicht dabei ein älteres Publikum<br />
(mehrheitlich 55 Jahre und älter) als die Konkurrenten.<br />
Journalism & Mass Communication<br />
Quarterly<br />
Jg 76 (1999) Nr 2<br />
Durham, Meenakshi Gigi: Girls, media and<br />
the negotiation of sexuality: a study of race,<br />
class, and gender in adolescent peer groups. –<br />
S. 193 – 216<br />
Koehler, Elizabeth M.: The variable nature of<br />
defamation: social mores and accusations of<br />
homosexuality. – S. 217 – 228<br />
Corbett, Julia B.; Mori, Motomi: Medicine, media,<br />
and celebrities: news coverage of breast<br />
cancer, 1960-1995. – S. 229 – 249<br />
Blanks Hindman, Douglas et al: Structural pluralism,<br />
ethnic pluralism, and community newspapers.<br />
– S. 250 – 263<br />
Middlestadt, Susan E.; Barnhurst, Kevin G.:<br />
The influence of layout on the perceived tone of<br />
news articles. – S. 264 – 276<br />
Gunther, Albert C.; Christen, Cindy T.: Effects<br />
of news slant and base rate information on perceived<br />
public opinion. – S. 277 – 292<br />
Grabe, Maria Elizabeth; Zhou, Shuhua; Barnett,<br />
Brooke: Sourcing and reporting in news<br />
magazine programs: „60 Minutes“ versus<br />
„Hard Copy“. – S. 293 – 311<br />
Chang, Kuang-Kuo: Auto trade policy and the<br />
press: auto elite as a source of the media agenda.<br />
– S. 312 – 324<br />
Lacy, Stephen; Coulson, David C.; Cyr, Charles<br />
St.: The impact of beat competition on city<br />
hall coverage. – S. 325 – 340<br />
Zeitschriftenlese<br />
Li, Hairong; Bukovac, Janice L.: Cognitive impact<br />
of banner ad characteristics: an experimental<br />
study. – S. 341 – 353<br />
Nelson, Michelle R.; Hitchon, Jacqueline C.:<br />
Loud tastes, colored fragrances, and scented<br />
sounds: how and when to mix the senses in persuasive<br />
communications. – S. 354 – 372<br />
Sundar, S. Shyam: Exploring receivers’ criteria<br />
for perception of print and online news. –<br />
S. 373 – 386<br />
Faktorenanalysen der Bewertung von gedruckten<br />
Nachrichten einerseits und Online-Nachrichten andererseits<br />
führen zu dem Ergebnis, dass den Bewertungen<br />
weitgehend vergleichbare Faktoren zugrunde<br />
liegen: Glaubwürdigkeit, Ansprache von Gefühlen,<br />
professionelle Gestaltung und Nachrichtenwert.<br />
Kommunikation und Recht<br />
Jg 2 (1999) Nr 7<br />
Säcker, Franz Jürgen; Callies, Gralf-Peter: Billing<br />
und Inkasso fremder Telekommunikationsdienstleistungen<br />
(I): Zur Auslegung von<br />
§33 TKG und §15 TKV. – S. 289 – 298<br />
Für das rasche Entstehen wirksamen Wettbewerbs im<br />
Zuge der Liberalisierung der Telekommunikation war<br />
die künstliche Aufspaltung des Markts für Sprachtelefondienste<br />
in einen Markt für Teilnehmeranschlüsse<br />
und Ortsgespräche sowie in einen selbstständigen<br />
Markt für Ferngespräche besonders entscheidend. Als<br />
Folge dieser Separierung ergibt sich das Problem der<br />
Abrechnung der Leistungen der Verbindungsnetzbetreiber<br />
gegenüber dem Kunden. Weitgehend ungeklärt<br />
ist dabei nach Auffassung der Autoren, ob und<br />
inwieweit der Anbieter des allgemeinen Netzzugangs<br />
rechtlich verpflichtet ist, an der Abrechnung und am<br />
Inkasso von Fernverbindungsleistungen seiner Wettbewerber<br />
mitzuwirken. Vor diesem Hintergrund<br />
stellt der Beitrag in einem ersten Teil die faktischen<br />
Gegebenheiten und Vertragsbeziehungen auf dem<br />
Markt für Ferngespräche dar und untersucht, welche<br />
Verpflichtungen sich aus §15 TKV für Anbieter von<br />
Teilnehmeranschlüssen ergeben.<br />
Koenig, Christian; Loetz, Sascha: Rechtsnatur<br />
der Zusammenschaltungsanordnung nach §37<br />
TKG. – S. 298 – 305<br />
Die folgende Abhandlung widmet sich der Rechtsnatur<br />
der Zusammenschaltungsanordnung nach § 37<br />
Abs.1 S.1 TKG. Dabei werden Wirkung und Funktion<br />
dieses Instruments sowohl innerhalb des Telekommunikationsrechts<br />
als auch des Verwaltungsrechts<br />
dogmatisch eingeordnet. So wird dargelegt, dass die<br />
Zusammenschaltungsanordnung die Konstruktion<br />
eines ,,angeordneten Vertrags“ nahe legt. Auch wird<br />
aufgezeigt, dass sich die Zusammenschaltungsanordnung<br />
auf ein konkretes Zusammenschaltungsbegehren<br />
mit der Folge bezieht, dass spätere privatautonome<br />
Vertragsänderungen nicht mehr von der<br />
Anordnung erfasst werden. Wenn sich die Entscheidungs-<br />
und Bindungswirkung der Zusammenschaltungsanordnung<br />
nur auf den im Zeitpunkt der<br />
behördlichen Anordnung bestehenden Dissens der<br />
139
M&K 48. Jahrgang 1/2000<br />
Parteien bezieht, wäre es konsequent, das Vertragsverhältnis<br />
der Parteien nur in seiner Entstehung, nicht<br />
aber in seinem Bestand als öffentlich-rechtlich zu qualifizieren.<br />
Sieber, Stefanie; Klimek, Oliver Alexander:<br />
Werbung in Push-Diensten: Zulässige unaufgeforderte<br />
kommerzielle Kommunikation?. –<br />
S. 305 – 312<br />
Angesichts der derzeit vorherrschenden Meinung, die<br />
die unaufgeforderte Zusendung von Werbung per<br />
E-Mail zum einen für wettbewerbswidrig hält, zum<br />
anderen darin einen Verstoß gegen § 823 Abs.1 BGB<br />
als Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts<br />
oder als Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten<br />
Gewerbebetrieb sieht, stellen die Verfasser im folgenden<br />
Beitrag konsequenterweise die Frage nach der<br />
wettbewerbsrechtlichen Zulässigkeit der Werbung in<br />
Push-Diensten. Der Aufsatz beleuchtet zunächst die<br />
technischen Grundlagen und Hintergründe der Push-<br />
Technologie. Im Anschluss daran stellt sich die Frage<br />
der grundsätzlichen Zulässigkeit von Werbung in<br />
Push-Diensten. Den Abschluss der Untersuchung<br />
bildet schließlich eine Darstellung der wettbewerbsrechtlichen<br />
Grenzen der Werbung in derartigen<br />
Diensten.<br />
Brodey, Martin; Jacob, Agnieszka: Frequenzstreitigkeiten<br />
in Österreich. – S. 312 – 316<br />
Nach vorangegangenen monatelangen Auseinandersetzungen<br />
hat der österreichische Verfassungsgerichtshof<br />
die bescheidmäßige Zuteilung von 2 x 5<br />
MHz aus dem für DCS-1800 reservierten Bereich<br />
durch die Regulierungsbehörde an die Mobilkom<br />
Austria AG mit Urteil vom 24. 2. 1999 für rechtmäßig<br />
erkannt und eine den Bescheid der Regulierungsbehörde<br />
bekämpfende Verfassungsbeschwerde der<br />
Connect Austria als unbegründet abgewiesen. Die<br />
Hintergründe dieser Entscheidung sowie deren wesentliche<br />
Inhalte werden im Folgenden kurz dargestellt.<br />
Jg 2 (1999) Nr 8<br />
Säcker, Franz Jürgen; Callies, Gralf-Peter: Billing<br />
und Inkasso fremder Telekommunikationsdienstleistungen<br />
(II): Zur Auslegung von<br />
§33 TKG und §15 TKV. – S. 337 – 345<br />
Waldenberger, Arthur: „Alles schwebend unwirksam“<br />
– Distanzgeschäfte nach dem Referentenentwurf<br />
eines Fernabsatzgesetzes. –<br />
S. 345 – 354<br />
Mit dem Referentenentwurf zum Fernabsatzgesetz<br />
hat das Bundesjustizministerium einen Vorschlag zur<br />
Umsetzung der Fernsehabsatzrichtlinie unterbreitet.<br />
Nach Ansicht des Autors hat das Ministerium die<br />
Rechtsnatur des in der Richtlinie vorgesehenen „Widerrufsrechts“,<br />
das in der Sache nach ein Rücktrittsrecht<br />
sei, verkannt. Der Vorschlag, nahezu alle Fernabsatzverträge<br />
für zunächst schwebend unwirksam zu<br />
erklären, sei für die Praxis untauglich. Zudem setzten<br />
die Vorgaben der Richtline einen wirksam geschlossenen<br />
Vertrag voraus. Auch die Änderungen sonstiger<br />
Vorschriften durch das geplante Gesetz werden vom<br />
Autor kritisiert.<br />
140<br />
Stettner, Rupert: Das bayerische alternative<br />
Rundfunkmodell nach dem „extra-radio“-<br />
Beschluß des Bundesverfassungsgerichts. –<br />
S. 355 – 362<br />
„Mit dem am 20. 2. 1998 gefällten ‚extra-radio‘-<br />
Beschluss nahm das Bundesverfassungsgericht zum<br />
bayerischen Modell eines öffentlich-rechtlichen<br />
Rundfunks unter Beteiligung privater Rundfunkangebote<br />
Stellung. Das Judikat widmet sich nur einem einzigen<br />
rechtlichen Problem, nämlich der Frage, ob<br />
Rundfunkanbietern in Bayern neben oder gar anstelle<br />
der bisher einhellig als Trägerin des Rundfunkgrundrechts<br />
angesehenen Bayerischen Landeszentrale für<br />
neue <strong>Medien</strong> (BLM) das Rundfunkgrundrecht zukommt,<br />
was bejaht wird, und wie im rundfunkrechtlichen<br />
Zulassungsverfahren vor dem Hintergrund der<br />
Einwirkung des Rundfunkgrundrechts der Beteiligten<br />
zu verfahren ist. Leider sind die Aussagen der Entscheidung<br />
zu der durch sie etablierten Grundrechtskollision<br />
so sybillinisch, dass ein erheblicher Interpretationsbedarf<br />
besteht. Der […] Beitrag beleuchtet den<br />
kontroversen Meinungsstand um das bayerische alternative<br />
Rundfunkmodell und nimmt ausführlich Stellung<br />
zu der neuen Rechtslage.“<br />
Nordmann, Matthias; Schumacher, Stephan:<br />
Escrow-Agreement: Softwarehinterlegung in<br />
der Praxis. – S. 363 – 366<br />
Beilage zu Nr 8<br />
Klett, Detlef; Redelfs, Kirsten: Millennium<br />
Bug: Ansprüche des Softwareanwenders gegen<br />
Softwarelieferanten oder -hersteller. – S. 2 – 9<br />
von Westphalen, Friedrich: Der Jahr-2000-<br />
Fehler und die Verteilung der Beweislast. –<br />
S. 9 – 13<br />
Mayer, Frank M.: Jahrtausendwechsel: Risikovermeidung<br />
durch strukturierte Projektorganisation.<br />
– S. 13 – 17<br />
Bonnar, Richard: Current Year 2000 legal<br />
issues in the United Kingdom. – S. 17 – 20<br />
Jg 2 (1999) Nr 9<br />
Schmidt, Kurt: Entgeltregulierung für Telekommunikationsdienstleistungen.<br />
– S. 385 – 390<br />
Der Autor ist der Vorsitzender der Beschlusskammer<br />
3 in der Regulierungsbehörde für Post und Telekommunikation.<br />
„Hauptanliegen der […] Ausführungen<br />
[des Autors] ist eine Gesamtdarstellung des Entgeltregulierungssystems<br />
unter Verzicht auf vertiefende Einzelanalysen.<br />
Im Anschluss an eine begriffliche Erläuterung<br />
wird die Entgeltregulierung […] unter acht Gesichtspunkten<br />
betrachtet. Dabei wird neben den verfolgten<br />
Zielen auf die geltenden Rechtsnormen, das<br />
verfügbare Instrumentarium, seine Anwendung in der<br />
Rechtspraxis sowie die dafür geschaffenen organisatorischen<br />
Voraussetzungen und Verantwortlichkeiten<br />
eingegangen. Zur besseren Überschaubarkeit werden
die speziellen Verbraucherschutzaspekte nur am Rande<br />
angesprochen […].“<br />
Stögmüller, Thomas: Auktionen im Internet. –<br />
S. 391 – 395<br />
Beuthien, Volker; Schmölz, Anton Sebastian:<br />
Persönlichkeitsschutz durch Gewinnherausgabe.<br />
– S. 396 – 398<br />
Rosenberg, Oliver von: Liability of Internet<br />
providers in the framework of the U.S. digital<br />
millennium copyright act. – S. 399 – 411<br />
Jg 2 (1999) Nr 10<br />
Jochimsen, Reimut: <strong>Medien</strong>aufsicht in der<br />
Kontroverse – Konzentration, Kontrolle und<br />
KEK. – S. 433 – 442<br />
Der Autor ist Vorsitzender der Kommission zur Ermittlung<br />
der Konzentration im <strong>Medien</strong>bereich<br />
(KEK). Diese ist seit 1997 für die Beurteilung von<br />
Konzentrationsprozessen in Bezug auf die bundesweite<br />
Veranstaltung von Fernsehprogrammen zuständig<br />
und besteht aus sechs Sachverständigen, die von<br />
den Ministerpräsidenten der Länder für die Dauer von<br />
fünf Jahren einvernehmlich berufen werden. In dem<br />
Beitrag werden die aktuellen Verflechtungen im Bereich<br />
des bundesweiten Fernsehens – insbesondere die<br />
Beteiligungsverhältnisse an den Sendern der CLT-<br />
UFA-Gruppe, der KirchGruppe und von Rupert<br />
Murdoch – dargestellt. Der Autor bekräftigt die Ansicht<br />
der KEK, dass die Konzentration im <strong>Medien</strong>bereich<br />
nicht allein am Zuschauermarktanteil der Unternehmen<br />
festgemacht werden könne, sondern qualitative<br />
Kriterien hinzu zu ziehen seien. Insbesondere<br />
müsse die Stellung der Rundfunkunternehmen auf<br />
verwandten Märkten auch dann berücksichtigt werden,<br />
wenn der jeweilige Zuschauermarktanteil unter<br />
der von einigen Autoren präferierten Grenze von<br />
28,5 % liege. Einzubeziehen sei vor allem die vertikale<br />
Konzentration, also die Stellung auf vor- und nachgelagerten<br />
Märkten wie der Beschaffung von Programmrechten<br />
und der Fernsehproduktion. Am Ende<br />
seiner Ausführungen weist der Autor auf aktuelle<br />
Entwicklungen hin, die von großer Bedeutung für die<br />
<strong>Medien</strong>kontrolle sind. Dazu zählen Tendenzen hin zu<br />
mehr freiwilliger Selbstkontrolle, die Digitalisierung<br />
der Verbreitungstechnik und die Rechtsetzung auf europäischer<br />
Ebene (etwa der Richtlinienentwurf zum<br />
elektronischen Handel).<br />
Tettenborn, Alexander: Auf dem Weg zu einem<br />
einheitlichen Rechtsrahmen für den elektronischen<br />
Rechtsverkehr – der 2. Versuch … –<br />
S. 442 – 444<br />
„Die sog. E-Commerce-Richtlinie wurde bereits vom<br />
Autor in der K&R 6/ 1999 [S. 252] behandelt. Der<br />
geänderte Kommissionsvorschlag als Antwort auf die<br />
Stellungnahme und zahlreiche Änderungsvorschläge<br />
des Europaparlaments wird hier einer ersten – vorläufigen<br />
– Bewertung unterzogen.“<br />
Kaiser, Andreas; Voigt, Dennis: Vertragsschluss<br />
und Abwicklung des Electronic Commerce im<br />
Internet – Chancen und Risiken. – S. 445 – 453<br />
Zeitschriftenlese<br />
„Die zunehmende Attraktivität des Internet und die<br />
unermüdliche Suche nach einer wirtschaftlich sinnvollen<br />
Nutzung dieses Mediums hat für zahlreiche<br />
Unternehmen ein Engagement im Bereich Electronic<br />
Commerce zum vieldiskutierten Thema werden lassen.<br />
Wie ein Unternehmen von der bloßen Informationsbereitstellung<br />
über Vertragsschluss und -erfüllung<br />
bis zur Abwicklung des Zahlungsverkehrs im Internet<br />
präsent sein kann, zeigt [der] Beitrag, der Stellung<br />
nimmt zu Fragen des Rechtsrisikos und der Sicherheit<br />
bei Vertragsschlüssen im Internet.<br />
Hoffmann, Michael; Gabel, Detlev: US-Patente<br />
verengen die Datenautobahn. S. 453 – 456<br />
„Der elektronische Geschäftsverkehr gilt als der Wirtschaftszweig<br />
der Zukunft. Durch äußerst verheißungsvolle<br />
Entwicklungsprognosen animiert, wollen<br />
immer mehr Wirtschaftstreibende daran teilnehmen<br />
und – haben. Im Zuge ihres Engagements ergibt<br />
sich dann sehr schnell das Problem eines wirksamen<br />
rechtlichen Schutzes für die bereits getätigten und<br />
noch beabsichtigten Investitionen. Die diesbezüglichen<br />
Sorgen erstrecken sich gleichermaßen auf die für<br />
den Internetauftritt notwendige Software und auf die<br />
insgesamt hinter den Bestrebungen stehende Geschäftsidee.<br />
Der […] Beitrag geht der großzügig anmutenden<br />
US-amerikanischen Patentvergabepraxis<br />
für Internetanwendungen auf den Grund, die eine<br />
weltweite Vorreiterrolle zu spielen scheint.“<br />
Humpert, Christian: Regulierung des Telekommunikationsmarkts<br />
in Großbritannien. –<br />
S. 457 – 463<br />
Für die Regulierung der Telekommunikation sind in<br />
Großbritannien das Office of Telecommunications<br />
(OFTEL) und der diesem vorstehende Director General<br />
of Telecommunications (DGT) zuständig. „Seit<br />
der Privatisierung von British Telecommunications<br />
1984 hat sich die Rolle der Regulierungsbehörde gewandelt.<br />
Je mehr Wettbewerb herrschte, desto geringer<br />
wurden die regulatorischen Eingriffe. Im Laufe<br />
der Jahre wurden von der Regulierungsbehörde die<br />
Preise für BTs Telefonverbindungen und die Netzzusammenschaltungsgebühren<br />
regelmäßig und detailliert<br />
festgelegt. Es wurden Voraussetzungen dafür geschaffen,<br />
dass jeder Bürger des Vereinigten Königreiches<br />
angemessen mit Telekommunikationsdienstleistungen<br />
versorgt wird und ein gewisses Mindestmaß an<br />
Qualitätsstandards geschaffen wurde. Dieser Aufsatz<br />
stellt Gestalt und Wirken der britischen Regulierungsbehörde<br />
vor.“<br />
Media Perspektiven<br />
(1999) Nr I<br />
Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zur Zulässigkeit<br />
von Rundfunkgebühr und Gebührenanteil<br />
für die Landesmedienanstalten vom<br />
9. Dezember 1998. – S. 1 – 11<br />
(1999) Nr 7<br />
Krüger, Udo Michael: Stabile Programmstruktur<br />
trotz besonderer Fernsehereignissen: Programmanalyse<br />
1998: ARD, ZDF, RTL, SAT 1<br />
und Pro Sieben im Vergleich. – S. 322 – 339<br />
141
M&K 48. Jahrgang 1/2000<br />
„Die systematischen Unterschiede zwischen den beiden<br />
öffentlich- rechtlichen Hauptprogrammen auf der<br />
einen und den drei großen Privatsendern auf der anderen<br />
Seite bleiben … auch 1998 bestehen: Bei ARD<br />
und ZDF dominieren die Informationsangebote …,<br />
bei den Privaten die fiktionalen und nonfiktionalen<br />
Unterhaltungsangebote …“ Der Beitrag enthält zahlreiche<br />
tabellarisch dargestellte Daten zu Unterhaltungs-<br />
und Informationsangeboten bei öffentlichrechtlichen<br />
und privaten Sendern.<br />
Gerhard, Heinz: Programmanalysen im Vergleich:<br />
Anmerkungen zu Unterschieden in Methode,<br />
Aufgabenstellung und Ergebnissen. –<br />
S. 340 – 344<br />
„Die ARD/ZDF-Programmanalyse untersucht seit<br />
1985 kontinuierlich die Programmleistungen der<br />
öffentlich-rechtlichen und der kommerziellen Fernsehprogramme.<br />
Der Autor beschreibt deren methodisches<br />
Instrumentarium im Vergleich zu den beiden<br />
anderen regelmäßigen Programmanalysen in<br />
Deutschland, der AGF-Sendungscodierung und der<br />
Studie der Landesmedienanstalten …“<br />
Röper, Horst: Formationen deutscher <strong>Medien</strong>multis<br />
1998/99: Entwicklungen und Strategien<br />
der größten deutschen <strong>Medien</strong>unternehmen. –<br />
S. 345 – 378<br />
In seiner regelmäßigen Analyse der wirtschaftlichen<br />
Verflechtungen im deutschen <strong>Medien</strong>markt beschreibt<br />
der Autor die aktuellen Entwicklungen<br />
bei den Konzernen Kirch, Bertelsmann, Gruner +<br />
Jahr, Springer, Holtzbrinck, WAZ, Bauer und<br />
Burda.<br />
Kübler, Friedrich: <strong>Medien</strong>konzentrationskontrolle<br />
im Streit: Komplexe Randbedingungen<br />
und aktuelle Konflikte. – S. 379 – 385<br />
(1999) Nr 8<br />
Gerhards, Maria; Grajczyk, Andreas; Klingler,<br />
Walter: Programmangebote und Spartennutzung<br />
im Fernsehen 1998: Eine Analyse auf der<br />
Basis der GfK-Sendungscodierung. – S. 390 –<br />
400<br />
ARD/ZDF-Online-Studie 1999: Wird Online<br />
Alltagsmedium?: Nutzung von Onlinemedien<br />
in Deutschland. – S. 401 – 414<br />
„Die von der ARD/ZDF-<strong>Medien</strong>kommission in Auftrag<br />
gegebene ARD/ZDF- Online-Studie 1998 ermittelt<br />
in einer repräsentativen Erhebung die bundesdeutsche<br />
Onlinenutzung […] Neben den Basisdaten<br />
werden zudem Interdependenzen zwischen klassischen<br />
und neuen <strong>Medien</strong> herausgestellt.“<br />
Nichtnutzer von Online: Ergebnisse der<br />
ARD/ZDF-Offline-Studie 1999. – S. 415 – 422<br />
„Trotz starker Zunahme der Netzzugänge in den letzten<br />
Jahren nutzt mit 82 Prozent die weit überwiegende<br />
Mehrheit der Bevölkerung ab 14 Jahren Onlinemedien<br />
bisher nicht. Die Studie fragt unter anderem nach<br />
Einstellungen und Zugangsbarrieren dieser großen<br />
142<br />
Gruppe von Offlinern zum Internet sowie nach dem<br />
Potential Anschlußinteressierter … Die Offline-<br />
Studie zeigt nach Einschätzung der Autoren, daß das<br />
Internet vorerst nur für bestimmte Milieus und<br />
Bevölkerungsgruppen zum Alltagsmedium werden<br />
wird …“<br />
Internet – (k)eine Männerdomäne: Geschlechtsspezifische<br />
Unterschiede bei der Online-Nutzung<br />
und -bewertung. – S. 423 – 429<br />
„Der Beitrag analysiert Daten der ARD/ZDF-Online-<br />
und Offline- Studie unter dem Gesichtspunkt geschlechtsspezifischer<br />
Unterschiede bei Nutzung und<br />
Bewertung des neuen Mediums Internet.“<br />
(1999) Nr 9<br />
Hofsümmer, Karl-Heinz; Horn, Imme: Werbung<br />
in Deutschland – akzeptiert und anerkannt:<br />
Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage.<br />
– S. 442 – 446<br />
Der Beitrag stellt die Ergebnisse einer repräsentativen<br />
Umfrage vor, die im Auftrag von ARD und ZDF vom<br />
Frankfurter Institut Media Markt Analysen durchgeführt<br />
wurde. Deren Ergebnisse zeigten „einen wesentlich<br />
differenzierteren und souveräneren Umgang<br />
der Bevölkerung mit der Werbung, als häufig von<br />
Werbekritikern und <strong>Medien</strong>politikern angenommen<br />
wird. So ist Werbung heute längst zum normalen Bestandteil<br />
des modernen Lebens … geworden. Diese<br />
positive Einstellung wird auch von Gruppen geteilt,<br />
denen gerne eine werbefeindliche Haltung nachgesagt<br />
wird: Politikinteressierte, höher Gebildete und Anhänger<br />
des öffentlich-rechtlichen Rundfunks …“ Zugleich<br />
sprächen sich die Zuschauer „… klar und eindeutig<br />
für die Beibehaltung der Mischfinanzierung<br />
aus: Die überwältigende Mehrheit von 86 Prozent ist<br />
nicht bereit, für einen werbefreien öffentlich-rechtlichen<br />
Rundfunk höhere Gebühren zu zahlen.“<br />
Pätzold, Ulrich; Röper, Horst: Fernsehproduktionsvolumen<br />
in Deutschland 1998: FOR-<br />
MATT-STUDIE über Konzentration und regionale<br />
Schwerpunkte der Auftragsproduktionsbranche.<br />
– S. 447 – 468<br />
„Die Nachfrage nach einheimischen Fernsehproduktionen<br />
hat sich in Deutschland in den letzten Jahren<br />
stark erhöht. Die Konturen der Auftragsproduktionsbranche<br />
bleiben indes wegen des rasanten und grundlegenden<br />
Wandels eher im Dunkeln. Eine Studie des<br />
FORMATT-Institutes ermittelte das Auftragsvolumen<br />
der Fernsehproduktion in Deutschland nach<br />
Genres und nach Regionen für das Jahr 1998, gleichzeitig<br />
wurden horizontale und vertikale Konzentrationstendenzen<br />
herausgearbeitet.“<br />
Hallenberger, Gerhard: Eurofiction 1998: Tendenz<br />
zu einheimischen Produktionen: Angebotsstruktur<br />
und Nutzung erstausgestrahlter<br />
einheimischer Fernsehproduktionen in<br />
Deutschland. – S. 469 – 479<br />
„Deutschland liegt im europäischen Vergleich bei fiktionalen<br />
Fernsehproduktionen mit Abstand an der<br />
Spitze: Den Ergebnissen der … Studie Eurofiction zufolge<br />
wurden 1998 im deutschen Fernsehen 1945
Stunden Erstausstrahlungen von insgesamt 373 einheimischen<br />
fiktionalen Fernsehproduktionen gezeigt<br />
…“ Der Beitrag stellt die Ergebnisse der Studie<br />
vor, die u. a. die Fiction-Produktion ländervergleichend<br />
darstellt und die Fernsehproduktionen in<br />
Deutschland hinsichtlich der Eigenproduktionen der<br />
einzelnen Sender differenziert und untersucht.<br />
Neckermann, Gerhard: Kinobranche im Aufund<br />
Umbruch: Filmbesuch und Kinostruktur<br />
in Deutschland 1991 – 1998. – S. 480 – 487<br />
Der Beitrag stellt die Entwicklung der Kinobranche in<br />
Deutschland seit 1991 dar, indem sowohl Ergebnisse<br />
der Besucherforschung aufgenommen als auch Aspekte<br />
des Filmmarktes und Untersuchungen über den<br />
Kinotheater-Wettbewerb berücksichtigt werden.<br />
Friccius, Enno: Fernsehen und Filmförderung<br />
in Deutschland: Beteiligung der Fernsehsender<br />
an den Filmförderungsinstitutionen von Bund<br />
und Ländern. – S. 488 – 491<br />
Der Artikel dokumentiert die Beteiligungen öffentlich-rechtlicher<br />
und privater Fernsehsender an der<br />
Filmförderung und enthält Überlegungen zu den Abhängigkeitsbeziehungen<br />
zwischen Sendern und Filmförderung:<br />
„Ein wesentliches Interesse der Sender bei<br />
der Filmförderung liegt … im Erwerb von Verwertungsrechten,<br />
sei es direkt von Fernsehproduktionen<br />
oder indirekt von Kinofilmen. Eine Beschneidung<br />
dieser ‚Kompensationsmöglichkeiten‘ für die aufgebrachten<br />
Sendermittel, wie sie derzeit in der Branche<br />
diskutiert wird, könnte daher kontraproduktiv wirken<br />
und einen Teilrückzug der Sender aus dem bestehenden<br />
Filmförderungssystem nach sich ziehen.“<br />
Bisselik, Sonja: Französische Filmpolitik: Erfolg<br />
durch Förderung?: Maßnahmen zur Förderung<br />
von Filmproduktion, -vertrieb und -abspiel<br />
in Frankreich. – S. 492 – 499<br />
„Der französischen Filmwirtschaft kommt im europäischen<br />
Vergleich eine Führungsrolle zu: Mit<br />
durchschnittlich 140 pro Jahr produzierten Kinofilmen<br />
und einem Marktanteil einheimischer Filme von<br />
etwa 40 Prozent kann sie sich zumindest auf heimischem<br />
Terrain relativ erfolgreich gegenüber der amerikanischen<br />
Dominanz behaupten. Neben dem bekannten<br />
kulturellen Bewusstsein Frankreichs dürfte<br />
diese Sonderstellung in erster Linie der französischen<br />
Filmförderung zu verdanken sein, die starke Anreize<br />
für einheimische Filmproduktionen setzt.“ Die Autorin<br />
stellt die französische Filmförderung auf der Folie<br />
finanzwirtschaftlicher Aspekte vor.<br />
Media Psychology<br />
Jg 1 (1999) Nr 3<br />
Houston, David A.; Doan, Kelly: Can You<br />
Back That Up?: Evidence (or Lack Thereof) for<br />
the Effects of Negative and Positive Political<br />
Communication. – S. 191 – 206<br />
Zillmann, Dolf; Gibson, Ronda; Sargent, Stephanie<br />
L.: Effects of Photographs in News-Magazine<br />
Reports on Issue Perception. – S. 207 –<br />
228<br />
Zeitschriftenlese<br />
Pettijohn, Terry F.; Tesser, Abraham: Popularity<br />
in Environmental<br />
Context: Facial Feature Assessment of American<br />
Movie Actresses. – S. 229 – 247<br />
McKenna, Katelyn Y. A.; Bargh, John A.:<br />
Causes and Consequences of Social Interaction<br />
on the Internet: A Conceptual Framework. –<br />
S. 249 – 269<br />
Goldstein, Jeffrey: The Attractions of Violent<br />
Entertainment. – S. 271 – 282<br />
Media, Culture & Society<br />
Jg 21 (1999) Nr 4<br />
Beale, Alison C. M.: From „Sophie’s choice“ to<br />
consumer choice: framing gender in cultural<br />
policy. – S. 435 – 458<br />
Pandian, Hannah: Engendering communication<br />
policy: key issues in the international women-and-media<br />
arena and obstacles to forging<br />
and enforcing policy. – S. 459 – 480<br />
Reading, Anna: Scarlet lips in Belsen: culture,<br />
gender and ethnicity in the policies of the holocaust.<br />
– S. 481 – 501<br />
Sterne, Jonathan: Television under construction:<br />
American television and the problem of<br />
distribution, 1926–62. – S. 503 – 530<br />
Hong, Junhao; Sun, Jungkuang: Taiwan’s film<br />
importation from China: a political analysis of<br />
changes and implications. – S. 531 – 547<br />
Fairchild, Charles: Deterritorializing radio: deregulation<br />
and the continuing triumph of the<br />
corporatist perspective in the USA. – S. 549 –<br />
561<br />
Jg 21 (1999) Nr 5<br />
Chomsky, Daniel: The mechanisms of management<br />
control at the „New York Times“. –<br />
S. 579 – 600<br />
Battani, Marshall: Organizational fields, cultural<br />
fields and art worlds: the early effort to<br />
make photographs and make photographers in<br />
the 19th century USA. – S. 601 – 626<br />
Galperin, Hernan: Cultural industries policy<br />
in regional trade agreements: the cases of<br />
NAFTA, the European Union and MERCO-<br />
SUR. – S. 627 – 648<br />
Barnett, Clive: The limits of media democratization<br />
in South Africa: politics, privatization<br />
and regulation. – S. 649 – 672<br />
143
M&K 48. Jahrgang 1/2000<br />
Roscoe, Timothy: The construction of the<br />
world wide web audience. – S. 673 – 684<br />
Der Autor beschäftigt sich mit zwei beobachteten<br />
Entwicklungen: Einerseits die Veränderung der öffentlichen<br />
Wahrnehmung des Internet von einem Medium<br />
individueller Kommunikation zu einem Massenmedium<br />
ähnlich dem Fernsehen, andererseits die<br />
Veränderung der technischen Basis des Internets. Er<br />
diskutiert die Beziehung dieser Entwicklung und fragt<br />
nach theoretisch fassbaren Hintergründen.<br />
<strong>Medien</strong> + Erziehung<br />
Jg 43 (1999) Nr 4<br />
Schiefele, Hans: Konkurrenz für Lehrer?: Vom<br />
Programmierten Unterricht zum Computerlehrprogramm.<br />
– S. 203 – 209<br />
Der Autor beschäftigt sich mit der Entwicklung von<br />
Lerntheorien und deren Bedeutung für aktuelle computergestützte<br />
Lehr-Lernprogramme, die seines Erachtens<br />
durchaus in Konkurrenz zu Lehrern treten<br />
(können): „Theoretisch begründete, multimedial konstruierte<br />
Lernprogramme sind in manchen Bereichen<br />
auch guten Lehrern überlegen. Diese werden dadurch<br />
entlastet und für Aufgaben freigestellt, die nur von<br />
Personen wahrgenommen werden können. Schlechte<br />
Lehrer werden überflüssig, nicht nur in der Schule<br />
und wahrscheinlich dort nicht einmal in erster Linie.<br />
Das sind keine schlechten Aussichten.“ (S. 209)<br />
Reinmann-Rothmeier, Gabi; Mandl, Heinz:<br />
Lernen mit dem Internet: Nur ein neuer Slogan?:<br />
Chancen und Grenzen für das schulische<br />
Lernen. – S. 210 – 215<br />
In der letzten Zeit werden immer wieder die Vorteile<br />
des Internets für das schulische Lernen gepriesen: Es<br />
erhöhe die Zugänglichkeit von Informationen, biete<br />
ein Höchstmaß an Flexibilität, verbessere die Prozesse<br />
und Ergebnisse des Lernens, steigere die Motivation<br />
u. v. m. Die Autoren setzen sich – entgegen der derzeit<br />
herrschenden Euphorie – kritisch mit den Möglichkeiten<br />
des Internets für das Lernen auseinander. Sie<br />
konstatieren, dass vielen der vermeintlichen Vorteile<br />
des neuen Mediums eine empirische Grundlage fehlt,<br />
zeigen aber anhand des konkreten Beispiels des ,Knowledge<br />
Integration Environment“ (KIE), einem System<br />
zur Gestaltung von Lernumgebungen, wie sich<br />
die Möglichkeiten des Internets für die Schule nutzen<br />
lassen. Als notwendig erachten die Autoren die Kooperation<br />
zwischen Wissenschaft und Praxis, um die<br />
Potenziale des Internets sinnvoll ausschöpfen zu können.<br />
Schorb, Bernd: Virtuelles Lernen lernen:<br />
Schlüsse aus der Beobachtung virtueller Seminare.<br />
– S. 216 – 220<br />
Virtuelle Seminare versprechen individuelles und flexibles<br />
Lernen, das von Ort, Zeit und Personen losgelöst<br />
ist. Anhand von Beobachtungen virtueller Seminare<br />
über den Zeitraum von drei Semestern stellt<br />
der Autor fest, dass Studienangebote via Internet aufgrund<br />
des hohen Betreuungsaufwandes, zahlreicher<br />
technischer Schwächen, organisatorischen und didaktischen<br />
Defiziten sowie dem Fehlen persönlicher<br />
Kontakte keinesfalls eine Alternative, sondern allenfalls<br />
eine Ergänzung zu den konventionellen Seminaren<br />
darstellen können.<br />
144<br />
Apel, Heino: Teleteaching und Teletutoring:<br />
Erfahrungen mit Online-Seminaren. – S. 221 –<br />
225<br />
Der Autor beschreibt anhand von vier durchgeführten<br />
Online-Seminaren an den Universitäten von Marburg<br />
und Gießen das Potenzial von Telelearning für selbst<br />
gesteuerte Lernprozesse. Seine Erfahrungen zeigen,<br />
dass das Gelingen eines Online-Seminars entscheidend<br />
von den technischen Zugangsmöglichkeiten, der<br />
Präsentation des Vorhabens in einer „Präsenzphase“,<br />
der Moderatorenkompetenz und den Voraussetzungen<br />
der Teilnehmer bezüglich selbst gesteuerten Lernens<br />
beeinflusst wird.<br />
Hooffacker, Gabriele: Visualisierung ist nicht<br />
alles: Bausteine für eine teamorientierte Online-Didaktik.<br />
– S. 226 – 229<br />
„Macht der Einsatz von Online-Angeboten andere,<br />
neue Lernformen erforderlich?“ Mit u. a. dieser Frage<br />
beschäftigt sich die Autorin und zeigt, dass Visualisierungen<br />
in Online-Angeboten für den Umgang mit<br />
dem neuen Medium nicht hinreichend, sondern dass<br />
neue Lehr- und Lernformen unbedingt notwendig<br />
sind. Diesbezüglich präsentiert sie in ihrem Beitrag<br />
zehn Bausteine für eine spezielle Online-Didaktik.<br />
Dichanz, Horst: Bildungsangebote in den neuen<br />
<strong>Medien</strong>verbünden und Netzwerkstrukturen:<br />
Die Rolle von Rundfunk und Fernsehen. –<br />
S. 230 – 236<br />
Fuchs, Wolfgang J.: Event im Weltraum: Star<br />
Wars: Episode I – die dunkle Bedrohung. –<br />
S. 237 – 240<br />
Jg 43 (1999) Nr 5<br />
Oelkers, Jürgen: Eine Passage des Bildungsprozesses:<br />
ästhetisches Lernen als Selbstformung. –<br />
S. 271 – 278<br />
Kinderzeichnungen bieten einen Einblick, wie Kinder<br />
ihre Umwelt wahrnehmen und wie sie Erlebnisse verarbeiten.<br />
Ästhetisches Lernen stellt einen Prozess der<br />
Selbstformung dar, der unabhängig ist von normativen<br />
Zielen und Maßstäben. Die angeführten Kinderzeichnungen<br />
laden ein, Vorstellungen vom „generalisierten<br />
Kind“ zu revidieren und sich auf die Sichtweise<br />
von Kindern einzulassen.<br />
Krapp, Helmut: Solange die Erzählung andauert,<br />
kann kein Unglück passieren. – S. 279 – 283<br />
„Entgegen der Meinung, die medialen Innovationen<br />
machten das Erzählen obsolet, spricht vieles dafür,<br />
dass es auch in Zukunft eine gesellschafts- und gemeinschaftsbildende<br />
Funktion hat.“ (S. 279)<br />
Jung, Fernand: Hautnah dabei sein!: was wollen<br />
Doku-Soaps erzählen?. – S. 284 – 287<br />
Der Autor beschreibt unmissverständlich seine Position<br />
gegenüber diesem noch jungen Genre, das als eine<br />
Kombination aus Daily-Soap und Dokumentationsbeitrag<br />
charakterisiert werden kann: „Es sind die<br />
Quotenfänger im hart umkämpften Unterhaltungsbereich<br />
zur Prime-Time, die mit der voyeuristischen<br />
Lust des Zuschauers am Schicksal anderer spielen und
somit eine Fortsetzung der Sensations- und Katastrophenberichte<br />
in den anderen Programmsparten darstellen,<br />
in die sie sich mühelos integrieren lassen.“<br />
(S. 286) Der Erfolg dieses Genres beim Publikum habe<br />
seiner Ansicht nach für seriöse Dokumentarfilme zur<br />
Folge, dass diese noch weiter ins Abseits gedrängt und<br />
wahrscheinlich keinen Platz in den geplanten so genannten<br />
„Dokumentar-Kanälen“ finden werden.<br />
Hug, Heinz: Mündliches Erzählen bewahren:<br />
Formen der oralen Tradition in der modernen<br />
afrikanischen Literatur. – S. 288 – 291<br />
Palme, Hans-Jürgen: Geschichten der interaktiven<br />
Art: Erzählweisen von Computerspielen.<br />
– S. 292 – 294<br />
Computerspiele bieten die Möglichkeit einer neuen,<br />
interaktiven Erzählform. Die Geschichten folgen<br />
nicht mehr einer festgelegten Dramaturgie, sondern<br />
entstehen erst durch das Spielen selbst. Der Computernutzer<br />
entscheidet über den Verlauf der Geschichte<br />
und wird somit zum Entdecker einer virtuellen<br />
Welt. Anhand konkreter Beispiele veranschaulicht der<br />
Autor das Erfolgsrezept dieser Spiele: ,Nicht die Erzähldramaturgie<br />
ist entscheidend, sondern die Rahmenkonstellation,<br />
die Neugierde schafft und die abrufbare<br />
Details bereithält, deren mehr oder weniger<br />
liebevolle Aufbereitung über den Erfolg entscheidet.“<br />
(S. 294)<br />
Eibl, Thomas: Informationsaustausch statt Erzählen:<br />
die Interaktivität und ihre <strong>Kommunikations</strong>formen.<br />
– S. 295 – 298<br />
Der Beitrag befasst sich mit der Veränderungen von<br />
Informationen und der traditionellen Erzählformen<br />
durch das Internet. Da das Medium auf Informationsaustausch<br />
basiert, ist jeder sowohl Rezipient als auch<br />
aktiver Nutzer und Produzent von Informationen,<br />
wodurch das traditionelle Machtverhältnis von Erzähler<br />
und Zuhörer aufgehoben wird.<br />
<strong>Medien</strong> Praktisch<br />
Jg 23 (1999) Nr 3<br />
Klingler, Walter: Die Wissenskluft-Hypothese:<br />
Anmerkungen zum aktuellen Umgang und zur<br />
Nutzung von Informationsangeboten in den<br />
Massenmedien. – S. 4 – 7<br />
Der Artikel beschäftigt sich vor dem Hintergrund der<br />
Wissenskluft-Hypothese mit der Nutzung medialer<br />
Informationsangebote und gibt einen Ausblick auf die<br />
Zukunft. Neben allgemeinen Forschungsergebnissen<br />
zur Wissenskluft-Hypothese werden die Nutzung<br />
von Fernsehen und Online-<strong>Medien</strong> sowie das Informationsverhalten<br />
von Jugendlichen betrachtet. Die<br />
Darstellungen zeigen, dass schichtspezifische Unterschiede<br />
und Informationsungleichheiten bestehen<br />
und auch in Zukunft existieren werden bzw. eine zunehmende<br />
Spaltung der Gesellschaft in Informationsarme<br />
und -reiche zu erwarten ist (vgl. Klingler u. a.<br />
1998). „‚Wissenskluft‘ als gesellschaftliche Problemstellung<br />
bleibt damit mit Sicherheit ein Problem gesellschaftlicher<br />
Entwicklung – und eine der großen<br />
Herausforderungen für die Gestaltung zukünftiger<br />
Chancengleichheit in der Gesellschaft“ (S. 7).<br />
Zeitschriftenlese<br />
Opaschowski, Horst W.: User & Loser: Die gespaltene<br />
Informationsgesellschaft. – S. 8 – 9<br />
Nach Ansicht des Autors steht der Informationsgesellschaft<br />
eine neue Spaltung bevor und damit verbunden<br />
eine neue Zweiklassengesellschaft von <strong>Medien</strong>-<br />
Analphabeten und Angehörigen einer Wissenselite.<br />
Für den Autor scheint der Ausweg aus diesem Dilemma<br />
simpel: „Die Entwicklung neuer technischer Systeme<br />
fördern, deren Handhabung so einfach ist, dass<br />
sie jeder nutzen kann. Und: mehr in neue Lernprogramme<br />
investieren, die den kompetenten <strong>Medien</strong>nutzer<br />
zum Ziel haben“ (S. 8).<br />
Kübler, Hans-Dieter: Wie zerklüftet ist Wissen?:<br />
Aporien und Desiderate der Wissens-<br />
(kluft)debatte. – S. 10 – 17<br />
Der Beitrag beschäftigt sich mit der Frage, was gesellschaftlich<br />
als Wissen bezeichnet wird, wie es zustande<br />
kommt, welchen Anteil Bildung, Schule und die <strong>Medien</strong><br />
daran haben. Der Autor kritisiert, dass den meisten<br />
Untersuchungen zur Wissensgesellschaft bzw. zur<br />
Wissenskluftforschung entweder kein theoretisch begründeter<br />
oder lediglich ein unklarer und defizitärer<br />
Wissensbegriff zugrunde liegt.<br />
Winterhoff-Spurk, Peter: Auf dem Weg in<br />
die mediale Klassengesellschaft: Psychologische<br />
Beiträge zur Wissenskluftforschung. –<br />
S. 17 – 22<br />
Der Autor nimmt vor dem Hintergrund bisheriger<br />
Forschungsergebnisse zur Wissenskluft-Debatte und<br />
zu den Wirkungen des Bildungsfernsehen (am Beispiel<br />
der „Sesamstraße“) eine vergleichsweise entdramatisierende<br />
Position zu dem Thema ein: ,Nach allem<br />
können wir also feststellen, dass unterschiedliches<br />
Wissen in den verschiedenen Schichten unserer Gesellschaft<br />
unterschiedlich verteilt ist und dass unterschiedliche<br />
Nutzungsstrategien der Massenmedien in<br />
den sozialen Klassen diese Unterschiede im allgemein<br />
eher verstärken als verringern. Ferner lässt sich konstatieren,<br />
dass zwar mit Hilfe von eigens produzierten<br />
Bildungssendungen durchaus Wissenszuwächse bei<br />
Zuschauern im Kindes- und Jugendalter erzielbar<br />
sind. Allerdings tragen Sendungen dieser Art im Allgemeinen<br />
nur wenig zum Abbau von Wissensunterschieden<br />
in der Gesamtbevölkerung bei, da die Mittelund<br />
Oberschicht von diesen Sendungen vergleichsweise<br />
stärker profitiert als die Unterschicht. Allerdings<br />
findet sich auch, dass gründlich konzipierte und<br />
systematisch evaluierte Curricula zur technik-, selbstund<br />
sozialbezogenen <strong>Medien</strong>nutzung deutlich zur<br />
Entwicklung von <strong>Medien</strong>kompetenz – und damit zum<br />
Abbau von Wissensunterschieden – beitragen können.<br />
Wir bilanzieren also: Die Wissenskluft oder -differenz<br />
existiert zwar, sie ist aber kein unabwendbares<br />
Schicksal der sozial- und bildungsmäßig unterprivilegierten<br />
Schichten.“ (S. 21)<br />
Hipfl, Brigitte: <strong>Medien</strong>pädagogik der Anderen:<br />
Ein Plädoyer für Cyborgs. S. 23 – 28<br />
Unter den Bedingungen einer postmodernen Gesellschaft<br />
wird die Identitätsentwicklung zu einem Balanceakt<br />
zwischen Chancen und Gefahren. Die Autorin<br />
beschäftigt sich mit der Frage: Wie muss unter diesen<br />
Bedingungen eine Pädagogik beschaffen sein, die<br />
Heranwachsende mit Kompetenzen ausstattet? Sie<br />
stellt psycholanalytische Konzepte zur Bedeutung des<br />
145
M&K 48. Jahrgang 1/2000<br />
Anderen für die Identitätsentwicklung dar und illustriert<br />
,den respektvoellen Umgang mit Differenz“ (S.<br />
23) anhand des Sciencefiktionfilmes „Enemy Mine –<br />
Geliebter Feind“. Abschließend zeigt sie mögliche<br />
Ansatzpunkte für einen Umgang mit ,dem Anderen“<br />
im schulischen Kontext auf, z. B. dass <strong>Medien</strong> zur<br />
Auseinandersetzung mit der eigenen Identität, aber<br />
auch als Ausdrucksmittel genutzt werden.<br />
Temborius, Stephanie: Lesen im Cyberspace:<br />
Bildungs- und schichtspezifische Einflüsse auf<br />
die <strong>Medien</strong>nutzung. – S. 28 – 30<br />
Der Artikel dreht sich nicht – wie aufgrund des Titels<br />
zu erwarten wäre – um die Rezeption netzbasierter<br />
Texte. Vielmehr handelt es sich vor dem Hintergrund<br />
sich vergrößernder Wissensklüfte um ein Plädoyer für<br />
eine allgemeine Leseförderung, um auch benachteiligten<br />
Kindern und Jugendlichen eine kompetente Nutzung<br />
elektronischer <strong>Medien</strong> zu ermöglichen. Dieser<br />
kann Ansicht der Autorin nach jedoch nur fruchtbar<br />
sein, wenn Kinderliteratur stärker als bisher die Veränderungen<br />
von Kindheit und damit verbunden auch<br />
die Bedeutung alter und neuer <strong>Medien</strong> im Alltag von<br />
Kindern berücksichtigt und reflektiert: „Für die Leseförderung<br />
bieten sich gerade jene Bücher an, die Spannung<br />
und Unterhaltung mit Möglichkeiten zur Reflexion<br />
über Computerspiele, Chancen und Gefahren<br />
von Cyberspace und die eigene Nutzung verbinden,<br />
ohne zu moralisieren oder von vornherein zu verurteilen.“<br />
(S. 30)<br />
Eble, Karin: Radioarbeit: mit Kindern und Jugendlichen<br />
mit geringen Bildungsvoraussetzungen.<br />
– S. 31 – 33<br />
Die Autorin beschreibt den Ansatz lebensweltorientierter<br />
Radioarbeit und die damit verbundenen Chancen<br />
für Kinder aus sozial benachteiligten Verhältnissen<br />
anhand konkreter Projekte, die vom Jugendhilfswerk<br />
in Freiburg durchgeführt wurden. „<strong>Medien</strong><br />
dienen so als Mittel der Identitätsfindung und Selbstauseinandersetzung.<br />
Kinder und Jugendliche lernen,<br />
das Medium Hörfunk bewußt zu nutzen, und erwerben<br />
Fähigkeiten, es aktiv und kompetent zu handhaben,<br />
und bringen auf diesem Wege ihre Belange an die<br />
Öffentlichkeit. […] Wie die bisherigen Erfahrungen<br />
zeigen, wird dabei in einem Lernprozeß am Medium<br />
die Funktionsweise einzelner <strong>Medien</strong> und des <strong>Medien</strong>systems<br />
als Ganzem gelernt“ (S. 32).<br />
Mikos, Lothar: Erlebnisse im intertextuellen<br />
Universum der Populärkultur: Strukturfunktionale<br />
Film- und Fernsehanalyse. – S. 44 – 48<br />
Techentin-Bauer, Imme: Mann, Macht, Mythos:<br />
Die Darstellung von US-Präsidenten in<br />
amerikanischen Kinofilmen der 90er Jahre. –<br />
S. 49 – 54<br />
Gehrke, Barbara: Musen und Cybernauten:<br />
Auf dem Weg zum interdisziplinären Museum<br />
von morgen. – S. 55 – 58<br />
Schroll-Decker, Irmgard; Peicher, Inga: Zur<br />
Qualität von Hörspielkassetten für Kinder. –<br />
S. 58 – 62<br />
146<br />
<strong>Medien</strong>psychologie<br />
Jg 11 (1999) Nr 3<br />
Burst, Michael: Zuschauerpersönlichkeit als<br />
Voraussetzung für Fernsehmotive und Programmpräferenzen.<br />
– S. 157–181<br />
Bommert, Hanko: Sensation seeking: ein medienpsychologischer<br />
Grundpfeiler?: Kommentar<br />
zu Michael Burst. – S. 182 – 185<br />
Berth, Hendrik; Romppel, Matthias: Darstellung<br />
und Erleben der Wende in Massenmedien:<br />
inhaltsanalytische Untersuchungen am Wendekorpus<br />
– zehn Jahre danach. – S. 185 – 199<br />
Trepte, Sabine: Forschungsstand der <strong>Medien</strong>psychologie.<br />
– S. 200 – 218<br />
Message<br />
Jg 1 (1999) Nr 1<br />
Kunczik, Michael: Wie man Feindbilder aufbaut.<br />
– S. 12 – 18<br />
Varchaver, Nicholas: CNN takes over the<br />
world. – S. 52 – 59<br />
Geffken, Michael: Pizza per Fernbedienung. –<br />
S. 68 – 71<br />
Jg 1 (1999) Nr 2<br />
Leyendecker, Hans: Auf Kuscheltour mit der<br />
Macht. – S. 10 – 12<br />
Esser, Frank: Gehemmter Investigativgeist. –<br />
S. 26 – 31<br />
Reinemann, Carsten: Nicht mal Zeit zum Niesen.<br />
– S. 66 – 71<br />
Multimedia und Recht<br />
Jg 2 (1999) Nr 7<br />
Wieland, Joachim; Enderle, Bettina: Rechtsprobleme<br />
der Netzzusammenschaltung: Zum<br />
Spannungsverhältnis zwischen Gemeinschaftsrecht<br />
und Verfassungsrecht. – S. 379 – 384<br />
Mit der nunmehr von der Reg TP veröffentlichten Anhörung<br />
und Stellungnahme über die regulatorische<br />
Behandlung von Verbindungsnetzen und öffentlichen<br />
TK-Netzen im Hinblick auf die Netzzusammenschaltungsvorschriften<br />
des TKG ist die Diskussion über<br />
Netzzusammenschaltung zu einem vorläufigen Abschluss<br />
gekommen. Nahezu gänzlich unbeachtet blieb<br />
in ihr die vorgelagerte Frage, ob die europarechtlichen<br />
Vorgaben für das deutsche TKG überhaupt eine Differenzierung<br />
nach Betreibern öffentlicher TK-Netze<br />
und den übrigen Diensteanbietern nicht nur hinsichtlich<br />
des Anspruchs auf Netzzusammenschaltung,<br />
sondern auch für das Anordnungsverfahren vor der<br />
Reg TP zulassen. Der Beitrag untersucht diese Frage<br />
am Beispiel der ersten durch die Reg TP getroffenen
Zusammenschaltungsanordnung und stellt ihre Konsequenzen<br />
sowie deren Vereinbarkeit mit dem deutschen<br />
Verfassungsrecht dar.<br />
Weber, Martin: Internet-Emissionen. – S. 385 –<br />
390<br />
Virtuelle Börsengänge erobern seit Mitte der neunziger<br />
Jahre weltweit immer größere Teile des Emissionsgeschäfts.<br />
Stehen zurzeit noch kleinere Wachstumsfirmen<br />
im Vordergrund, die sich auf diesem<br />
Wege, als Alternative zu Venture Capital Firmen, eigenfinanzieren,<br />
könnten es in Zukunft, aufgrund der<br />
erheblichen Kostenvorteile, auch immer mehr größere<br />
Unternehmen sein, die zu virtuellen Geldsammlungen<br />
aufbrechen. Mittlerweile jedenfalls haben diese<br />
Entwicklung auch in Deutschland die großen Kreditinstitute<br />
aufmerksam registriert und beginnen,<br />
nach dem Vorbild großer US-Investmenthäuser zu<br />
agieren. Der Beitrag zeigt die Hintergründe dieser<br />
Entwicklung auf, stellt beispielhaft die Abwicklung<br />
der Transaktion aus Sicht eines „Net-Investors“ dar<br />
und beleuchtet zentrale kollisions- und kapitalmarktrechtliche<br />
Aspekte des virtuellen Emissions-Geschäfts.<br />
Dressel, Christian: Strafbarkeit von Piraterie-<br />
Angriffen gegen Zugangsberechtigungssysteme<br />
von Pay-TV-Anbietern. – S. 390 – 395<br />
Piraterie-Angriffe auf verschlüsselte Dienste, insbesondere<br />
Pay-TV-Angebote, verursachen – so der Autor<br />
– weltweit mittlerweile Schäden in erheblichem<br />
Ausmaß. Darauf hat die EU neben anderen Initiativen<br />
mit der sog. Conditional Access-Richtlinie reagiert,<br />
um den Schutz der Anbieter zu verbessern. Allerdings<br />
fehlt der EU die Zuständigkeit auf dem Gebiet des<br />
Strafrechts. Daher stellt sich die Frage, inwieweit das<br />
deutsche Strafrecht Möglichkeiten zur Ahndung derartiger<br />
Piraterie-Akte bietet. Der Verfasser geht dieser<br />
Frage nach und kommt zu dem Ergebnis, dass das materielle<br />
Strafrecht zwar Instrumente zur Bekämpfung<br />
dieser Delikte zur Verfügung stellt, jedoch im Sinne<br />
der verfassungsrechtlich gebotenen Rechtsnormenklarheit<br />
und -bestimmtheit ein Tätigwerden des nationalen<br />
Gesetzgebers geboten ist.<br />
Kamlah, Wulf: Das SCHUFA-Verfahren und<br />
seine datenschutzrechtliche Zulässigkeit. –<br />
S. 395 – 404<br />
Der Beitrag nimmt Bezug auf einen in MMR 1998<br />
(S. 650 ff.) erschienenen Beitrag von Kloepfer/<br />
Kutzschbach, in dem diese sich mit der Funktion und<br />
Bedeutung der SCHUFA sowie der datenschutzrechtlichen<br />
Bewertung des SCHUFA-Verfahrens<br />
auseinander setzen. Kamlah zufolge gehen die Verfasser<br />
jedoch von fehlerhaften Annahmen aus, die ihrerseits<br />
wiederum auf teilweise veralteten Informationen<br />
beruhen. Die aufgrund der Annahmen vom<br />
SCHUFA-Verfahren gezogenen Schlussfolgerungen<br />
seien geeignet, nicht nur von der SCHUFA einen<br />
falschen Eindruck zu erwecken. Mittelbar betroffen<br />
seien auch die das SCHUFA-Verfahren tragende kreditgebende<br />
deutsche Wirtschaft sowie die für den Datenschutz<br />
zuständigen Aufsichtsbehörden, welche mit<br />
der SCHUFA in einem ständigen Dialog stehen, um<br />
die datenschutzrechtliche Zulässigkeit des SCHUFA-<br />
Verfahrens sicherzustellen.<br />
Zeitschriftenlese<br />
Ladeur, Karl-Heinz: Terrestrische Übertragungsformen<br />
für digitalen Fernseh- und Hörfunk<br />
(DVB-T und DAB-T). – S. 404 – 409<br />
Die Einführung terrestrischer Übertragungsformen<br />
für digitalen Hörfunk stellt die Regulierung vor erhebliche<br />
Probleme. In einem ersten Beitrag (MMR<br />
1999, 266 ff.) hat der Autor die Rechtsfragen der Projektgestaltung<br />
erörtert. In diesem zweiten Beitrag<br />
werden die Probleme der Konvergenz von Rundfunk<br />
und Telekommunikation am Beispiel der neuen<br />
Dienstleistung des Bitratenmanagements dargestellt,<br />
die aufgrund der neuen Form der Zuweisung von<br />
„Frequenzblöcken“ erforderlich wird. Diese können<br />
für eine Vielzahl von Übertragungen genutzt werden<br />
und treten an die Stelle der Zuordnung fester Frequenzen<br />
für festgelegte Zwecke. Im Gegensatz zum<br />
englischen Recht ist diese Funktion in Deutschland<br />
nicht besonders geregelt worden. Angesichts der mit<br />
der Konvergenz einhergehenden Interessenkonflikte<br />
ist dies umso problematischer, als das deutsche Recht<br />
(außerhalb des raumbezogenen Planungsrechts) nicht<br />
über administrative Traditionen in der Regulierung<br />
komplexer Technologien verfügt. Dies soll ein Vergleich<br />
mit dem angloamerikanischen Recht belegen.<br />
Jg 2 (1999) Nr 8<br />
Telecommunication Laws in Europe – Towards<br />
a Fully Liberalised Environment. –<br />
S. 1 – 40<br />
Diese MMR-BEILAGE enthält acht Artikel zum Telekommunikationsrecht<br />
in Europa; sieben von ihnen<br />
beobachten die Entwicklung des Telekommunikationsrechts<br />
in Großbritannien, Belgien, Frankreich, Italien,<br />
den Niederlanden, Schweden und Spanien.<br />
Paulus, Christoph G.: Multimedia: Herausforderung<br />
an das Wirtschaftsrecht. – S. 443 – 447<br />
In dem Beitrag werden die Auswirkungen der zunehmenden<br />
Verbreitung der Computertechnologie und<br />
des Internets auf verschiedene Rechtsbereiche wie<br />
Vertrags-, Arbeits- und Urheberrecht angesprochen.<br />
Außerdem wird die Vergabe von Domain Names und<br />
die Herausforderungen des E-Commerce beleuchtet.<br />
Metz, Frank: Rechtsberatungs-Hotlines. –<br />
S. 447 – 452<br />
In dem Beitrag wird die Zulässigkeit von Rechtsberatungs-Hotlines<br />
unter dem Gesichtspunkt des anwaltlichen<br />
Berufsrecht (Rechtsberatungsgesetz, Gebührenrecht)<br />
untersucht. Der Autor hält die gegenwärtige<br />
Praxis auf diesem Gebiet für rechtswidrig.<br />
Kleinwächter, Wolfgang: ICANN als United<br />
Nations der Informationsgesellschaft?: Der<br />
lange Weg zur Selbstregulierung des Internet. –<br />
S. 452 – 459<br />
„Im Oktober 1998 wurde die ‚Internet Corporation<br />
for the Assigned Numbers and Names‘ (ICANN) unter<br />
kalifornischem Recht gegründet. Die ICANN repräsentiert<br />
die globale Internet-Gemeinschaft und hat<br />
vorrangig die Aufgabe, die technischen Protokolle des<br />
Internet zu koordinieren und die Verwaltung der Internet-Adressen<br />
und -Namen zu überwachen. Der<br />
Artikel beschreibt das Internet Domain Name System<br />
sowie die verschiedenen Anstrengungen, eine interna-<br />
147
M&K 48. Jahrgang 1/2000<br />
tionale Regelung dafür zu finden. Nachdem ein anfänglicher<br />
Versuch unter der Ägide der ITU gescheitert<br />
war, entwickelte sich die ICANN auf der Basis<br />
des von US-Präsident Clinton veröffentlichten Strategiepapiers<br />
zum globalen elektronischen Geschäftsverkehr.<br />
Unklar ist noch die zukünftige Rolle der<br />
ICANN im internationalen System: Während die einen<br />
der ICANN eine ausschließlich technische Rolle<br />
zuordnen, sehen andere in der ICANN eine Art ,United<br />
Nations‘ des Informationszeitalters.“<br />
Knieps, Günter: „Review 1999“ der EU-Kommission:<br />
IC-Regulierungsreform aus netzökonomischer<br />
Sicht. – S. 460 – 464<br />
„Im Rahmen des ,Review 1999‘ gilt es, die Interconnection-Regulierung<br />
(IC-Regulierung) der nächsten<br />
Jahre auf den tatsächlichen Restregulierungsbedarf<br />
zurückzuführen. Die Access Notice stellt mit der Essential-Facilities<br />
Doktrin ein geeignetes wettbewerbspolitisches<br />
Konzept bereit, das mit Hilfe des disaggregierten<br />
Regulierungsansatzes für die praktische<br />
Umsetzung präzisiert und konkretisiert werden kann.<br />
Die IC-Regulierung muss auf solche Zusammenschaltungsprobleme<br />
beschränkt werden, bei denen zumindest<br />
auf einer Seite netzspezifische Marktmacht<br />
(monopolistischer Bottleneck) vorhanden ist. Beim<br />
derzeitigen Stand der Technik gilt dies lediglich noch<br />
für die Teilnehmeranschlussnetze (Local Loops). Aber<br />
auch in diesem Bereich muss Überregulierung (Entbündelungsgebot,<br />
Verpflichtung zur Bereitstellung<br />
von Bitstream-Access) vermieden werden.“<br />
Noll, Alfons E.: The International Telecommunication<br />
Union (ITU): Its Conception, Evolution<br />
and Innate, Constant Reform Process. –<br />
S. 465 – 469<br />
„Die Internationale Fernmeldeunion (ITU), die mit<br />
ihrer Gründung im Jahre 1865 die älteste der heutigen<br />
Sonderorganisationen der Vereinten Nationen (UN)<br />
ist, ist auch nach fast 135 Jahren weiterhin aktuell in<br />
ihrer Themenstellung. Es soll verdeutlicht werden,<br />
wie eine, am Anfang gewiss kleine und auf Europa beschränkte,<br />
internationale Organisation sich über ein<br />
Jahrhundert und einige Jahrzehnte hinweg behauptet<br />
und weiterentwickelt hat und – auf Grund und gerade<br />
dank der ständig neuen und sich jagenden und unablässig<br />
überstürzenden, technologischen Herausforderungen,<br />
mit denen sie sich konfrontiert sah und die es<br />
für sie und durch sie allein zu meistern galt, – zu einer<br />
universalen, heute 188 Mitgliedstaaten umfassenden<br />
Weltorganisation geworden ist. Ferner soll aufgezeigt<br />
werden, dass es der technische und damit ständig weiterstrebende<br />
Charakter der ITU ist, der ihr immer<br />
wieder Anstoß, Auftrieb, Motivation und Elan gegeben<br />
hat, vital zu bleiben und den Anforderungen der<br />
immer schnelllebigeren und heute bereits stark weltraumorientierten<br />
Zeit und Gegebenheiten nicht nur<br />
gerecht zu werden, sondern sie sogar zu erfüllen und<br />
im Rahmen des technisch-rechtlich-politisch Möglichen<br />
zu befriedigen.“ Der Artikel enthält u. a. eine<br />
Übersicht der Struktur der ITU.<br />
Jg 2 (1999) Nr 9<br />
Müller, Ulf; Schuster, Fabian: 18 Monate Regulierungsbehörde:<br />
eine kritische Bestandsaufnahme.<br />
– S. 507 – 515<br />
148<br />
„Der Regulierungsbehörde für Telekommunikation<br />
und Post (Reg TP) kommt auf dem Spielfeld der Liberalisierung<br />
des TK-Marktes die Rolle des Schiedsrichters<br />
zu. Sie muss zwischen […] der Deutschen Telekom<br />
AG (DTAG) und […] den Wettbewerbern […]<br />
vermitteln und entscheiden.“ In dem Beitrag wird die<br />
Auffassung vertreten, dass „es zahlreiche Entscheidungen<br />
der Reg TP gibt, die mit dem TKG nicht in<br />
Einklang zu bringen sind.“ Nach der Darstellung der<br />
Geschichte, des Aufbaus und der Aufgaben der<br />
Behörde werden einige Entscheidungen der Einzelkritik<br />
unterzogen. Es wird u. a. auf die Missbrauchsaufsicht<br />
und die Entgeltregulierung eingegangen.<br />
Tettenborn, Alexander: Die Evaluierung des<br />
IuKDG: Erfahrungen, Erkenntnisse und<br />
Schlußfolgerungen. – S. 516 – 521<br />
„Die Bundesregierung hat im Juni 1999 auf Wunsch<br />
des Deutschen Bundestages den Bericht zur Evaluierung<br />
des Informations- und <strong>Kommunikations</strong>dienste-Gesetzes<br />
(IuKDG) vorgelegt. Der Bericht behandelt<br />
die ganze Spannbreite der Erfahrungen mit<br />
dem Gesetz. In diesem Artikel werden einige ausgewählte<br />
Themen erörtert, die im Zentrum der Diskussion<br />
standen bzw. für die Fortentwicklung des <strong>Medien</strong>ordnungsrahmens<br />
in Deutschland von besonderer<br />
Bedeutung sind. Dies betrifft Abgrenzungsfragen<br />
zu den Schnittstellen Telekommunikation, Tele-/<strong>Medien</strong>dienste<br />
und Rundfunk sowie den Datenschutz<br />
und die Regelungen der digitalen Signaturen.“<br />
Engels, Stefan; Schuster, Fabian: Haftung für<br />
„werbende Links“ in online-Angeboten. –<br />
S. 522 – 524<br />
„Die rasante Entwicklung des World-Wide-Web<br />
(www) ist nicht zuletzt dadurch beschleunigt worden,<br />
dass die Zeitungs- und Zeitschriftenverlage Online-<br />
Ableger ihrer Printobjekte gegründet haben und weiter<br />
gründen. Standen dabei zunächst in erster Linie Innovation<br />
und Image im Vordergrund, so spielen nach<br />
und nach auch handfeste wirtschaftliche Interessen<br />
eine Rolle. So gehören die Online-Ableger der Printobjekte<br />
zu den meistbesuchten Seiten im www. Diese<br />
hohen Nutzerzahlen machen diese Online-Angebote<br />
auch und immer mehr für die Werbewirtschaft attraktiv,<br />
die durch die Schaltung von Online-Anzeigen für<br />
eine Finanzierung der Online-Ableger der Verlage<br />
sorgt. Damit stellt sich für die Verlage allerdings die<br />
wichtigste Frage, ob und inwieweit sie (oder besser:<br />
ihr Online-Angebot) für die Online-Anzeigen und<br />
deren Inhalt zur Verantwortung gezogen werden<br />
können. Denn neben den traditionellen Regeln der<br />
Haftung für Anzeigen im Pressebereich greifen nun<br />
spezielle Regelungen nach dem Teledienste-Gesetz<br />
des Bundes (TDG) oder dem <strong>Medien</strong>dienstestaatsvertrag<br />
der Länder (MDStV).“ In dem Beitrag wird der<br />
Frage nachgegangen, ob und wie diese beiden Haftungsansätze<br />
harmonisiert werden können.<br />
Vassilaki, Irini E.: <strong>Kommunikations</strong>rechtliche,<br />
computer- und internetspezifische Entscheidungen<br />
der Strafgerichte: Einfluss der Informations-<br />
und Telekommunikationstechnik auf<br />
die Strafrechtsfortbildung im Jahre 1998. –<br />
S. 525 – 532
Jg 2 (1999) Nr 10<br />
Schneider, Gerhard: Die Wirksamkeit der<br />
Sperrung von Internet-Zugriffen. S. 571 – 577<br />
„Über das Internet sind weltweit Millionen von Rechnern<br />
verbunden. Zahlreiche Rechner bieten dabei<br />
auch Server-Dienste an und gestatten insbesondere<br />
den Abruf von Informationen. Da es sich beim Internet<br />
um ein weltweites <strong>Kommunikations</strong>netz handelt,<br />
ist auch von deutschen Rechnern über Internet ein Zugriff<br />
auf [ausländische] Server möglich.“ Daraus ergibt<br />
sich die Frage, „inwieweit es technisch machbar und<br />
zumutbar ist, den Zugang zu strafrechtlich möglicherweise<br />
relevanten Informationen über das Internet zu<br />
unterbinden. Da die dabei vorgeschlagenen Eingriffe<br />
in die technische Funktionsfähigkeit des Internet auch<br />
von anderer Seite aufgegriffen werden könnten, ist es<br />
notwendig, sie unter Berücksichtigung der Internet-<br />
Technologie näher zu analysieren.“ Der Autor bezweifelt<br />
die Wirksamkeit von Filtermethoden.<br />
Gravesen, Gavan G.; Dumortier, Jos; van<br />
Eecke, Patrick: Die europäische Signaturrichtlinie<br />
– Regulative Funktion und Bedeutung der<br />
Rechtswirkung. – S. 577 – 585<br />
„Die Rahmenrichtlinie für elektronische Signaturen<br />
vom 22.4.1999 (RLeS) weist eine Gleichstellung mit<br />
der konventionellen Unterschrift für elektronische<br />
Authentifizierungsverfahren an. Hierbei vermittelt sie<br />
zwischen divergenten Rechtstraditionen und vertritt<br />
einen gemeinsamen Standpunkt mit der Kommission,<br />
die in einer generellen und gemeinschaftsweiten<br />
Rechtsgültigkeit ein unverzichtbares politisches Signal<br />
sieht. Der Beitrag beschreibt, welche Ausichten die<br />
Gleichstellung gegenüber einzelstaatlichen Bedenken<br />
faktisch hat, inwieweit diese Bedenken sich in der<br />
RLeS durchsetzen, und in welcher Form die deutschen<br />
Erfahrungen Bestandteil der politisch-regulativen<br />
Grundlage wurden. Untrennbar hiervon ist das<br />
strittige Verständnis rechtlich relevanter Kommunikation<br />
und die Klassifizierung elektronischer Authentifizierungsverfahren<br />
als Signatur. Dieser Beitrag untersucht<br />
diese Fragen im Hinblick auf den regulativen<br />
Ansatz zur Rechtswirkung, das technikoffene Konzept,<br />
Einsatzmöglichkeiten der elektronischen Signaturen<br />
und der technischen Normung, in deren Rahmen<br />
alternative Lösungsmodelle zur Rechtsgültigkeit<br />
durch Gleichstellung angedeutet werden.“<br />
Hahn, Bernhard: AGB in TK-Dienstleistungsverträgen:<br />
Fälligkeits-, DV-, Haftungs-, Kündigungs-,<br />
Sperr- und Einwendungsausschlußklauseln.<br />
– S. 586 – 592<br />
„Als Realvertragstyp und Massenvertrag sind Verträge<br />
über Telekommunikations(TK)-Dienstleistungen<br />
ohne die Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen<br />
(AGB) nicht denkbar. Die expandierende<br />
TK-Branche betritt mit ihren vielgestaltigen Verträgen<br />
teilweise juristisches Neuland, was erklärt, warum<br />
die gerichtliche Überprüfung von Formularverträgen<br />
im Wege von Inzidentkontrollen und im Rahmen von<br />
Verbandsklageverfahren erst am Anfang steht. Die Inhaltskontrolle<br />
der Verträge erfolgt im Schwerpunkt<br />
nach dem AGB-Gesetz, sie hat freilich die sich aus<br />
dem tk-rechtsspezifischen Regelungsumfeld ergebenden<br />
besonderen Wertungsgesichtspunkte mit zu<br />
berücksichtigen. Im Anschluss an den Beitrag in<br />
Zeitschriftenlese<br />
MMR 1999, 251 ff. werden […] Fälligkeits-, Lastschrift-,<br />
Vorfälligkeits-, Datenverarbeitungs-, Haftungs-,<br />
Kündigungs- und Sperrklauseln sowie Einwendungsausschlussklauseln<br />
AGB- und tk-rechtlich<br />
beleuchtet.“<br />
Huber, Andrea; von Mayerhofen, Martina:<br />
„Review 1999“ der EU-Kommission: Beibehaltung<br />
des status quo oder echte Reform des<br />
europäischen Regelwerks für den TK-Sektor. –<br />
S. 593 – 596<br />
„Der ‚Review 1999‘, die Überprüfung der Telekommunikations(TK)-Regulierung<br />
auf EU-Ebene und<br />
deren Anpassung an die bisherige und zukünftige<br />
technologische und wettbewerbliche Entwicklung,<br />
soll den europäischen TK-Markt für die kommende<br />
Dekade mitgestalten. Er stellt damit einen Meilenstein<br />
für die weitere Entwicklung eines wesentlichen<br />
Wachstumsmarktes dar. Der […] Beitrag gibt einen<br />
Überblick über den Stand der Diskussion und stellt<br />
die grundsätzlichen Anforderungen dar, denen der<br />
‚Review 1999‘ gerecht werden muss, wenn er zu einer<br />
echten Reform des europäischen Regelwerks führen<br />
soll.“<br />
Noll, Alfons E.: „Telecom“-Developments:<br />
Selected Aspects Relating to the International<br />
Telecommunications Law. – S. 597 – 602<br />
„Im Anschluss an ‚The International Telecommunication<br />
Union (ITU)‘, MMR 1999, 465 ff. behandelt der<br />
[…] Beitrag vornehmlich fernmeldetechnische Entwicklungen,<br />
die unter dem allgemeinen Begriff ‚telecom-developments‘<br />
zusammengefasst wurden. Sie alle<br />
stehen in direktem oder indirektem Zusammenhang<br />
mit dem internationalen Fernmelderecht, gleichgültig<br />
ob sie im Rahmen der ITU oder unter ihren Auspizien<br />
entstanden sind oder nicht. Die diesbezügliche<br />
Auswahl erfolgte aus der subjektiven, eher juristischen<br />
Sicht des Autors und impliziert daher keineswegs<br />
ein Werturteil über andere ‚telecom‘-Entwicklungen,<br />
über die hier nicht berichtet wird. Im letzten<br />
Kapitel dieses Beitrages wagt der Autor schließlich<br />
eine vorsichtige Prognose der Aussichten des Fernmeldewesens<br />
und seines Rechts sowie ihrer Bedeutung<br />
für die ‚juristische Zunft‘ im 21. Jahrhundert. Die<br />
für das Internationale Fernmeldewesen wichtigen,<br />
jüngsten Ergebnisse der letzten ITU Regierungsbevollmächtigten-Konferenz<br />
dieses Jahrhunderts, die im<br />
Oktober/November 1998 in Minneapolis/Minnesota<br />
(USA) stattfand, werden gesondert dargestellt.“<br />
new media & society<br />
Jg 1 (1999) Nr 2<br />
Mansell, Robin: New media competition and<br />
access. – S. 155 – 182<br />
Der Autor setzt sich mit einem der Mythen im Zusammenhang<br />
mit den neuen <strong>Medien</strong> auseinander,<br />
nämlich mit der Annahme, dass das Internet mit zunehmender<br />
Verbreitung für alle gleichermaßen zugänglich<br />
und quasi von allein konsumentenfreundlich<br />
wird. Er argumentiert, dass auch die neuen <strong>Medien</strong>umgebungen<br />
nicht immun gegen Monopolisierungstendenzen<br />
sind und dass sich Konsumentenfreundlichkeit<br />
nicht von allein nur durch den Wettbewerb<br />
herstellt.<br />
149
M&K 48. Jahrgang 1/2000<br />
Cuilenburg, Jan van: On competition, access<br />
and diversity in media, old and new. – S. 183 –<br />
207<br />
Zugangsmöglichkeit und Vielfalt werden als zentrale<br />
Konzepte von <strong>Kommunikations</strong>politik entwickelt<br />
und in ihrem Zusammenhang diskutiert; der Autor<br />
entwickelt daraus Hypothesen und Überlegungen zur<br />
Weiterentwicklung von <strong>Kommunikations</strong>politik<br />
Leung, Louis; Wei, Ran: Who are the mobile<br />
phone have-nots. – S. 209 – 226<br />
Eine innovationstheoretisch angelegte Untersuchung<br />
in Hongkong ergibt, dass es eher ältere, ärmere und<br />
weibliche Menschen sind, die kein mobiles Telefon<br />
(stattdessen eher einen Pager) haben. Die polarisierende<br />
ökonomische Entwicklung lässt erwarten, dass die<br />
Unterschiede zwischen Besitzern und Nichtbesitzern<br />
von mobilen Telefonen stärker werden.<br />
Dwyer, Tim; Stockbridge, Sally: Putting violence<br />
to work in new media policies: Trends in<br />
Australian Internet, computer game and video<br />
regulation. – S. 227 – 249<br />
Political Communication<br />
Jg 16 (1999) Nr 3<br />
Blumler, Jay G.; Kavanagh, Dennis: The Third<br />
Age of Political Communication: influences<br />
and features. – S. 209 – 230<br />
Das Schwerpunktheft nimmt die Ergebnisse eines<br />
Symposions auf, das der Frage nach einer neuen, dritten<br />
Epoche der politischen <strong>Kommunikations</strong>forschung<br />
gewidmet war. Ausgangsthese war die Vermutung,<br />
dass die heutigen sozialen, technischen und<br />
ökonomischen Veränderungen die alte politische<br />
Ordnung und den Beitrag der <strong>Medien</strong> und der Kommunikation<br />
dazu radikal beeinflussen.<br />
Mancini, Paolo: New frontiers in political professionalism.<br />
– S. 231 – 246<br />
Mazzoleni, Gianpietro; Schulz, Winfried: „Mediatization“<br />
of politics: a challenge for democracy?.<br />
– S. 247 – 262<br />
Schlesinger, Philip: Changing spaces of political<br />
communication: the case of the European<br />
Union. – S. 263 – 280<br />
Gurevitch, Michael: Whither the future?: some<br />
afterthoughts. – S. 281 – 284<br />
Sapiro, Virginia; Soss, Joe: Spectacular politics,<br />
dramatics interpretations: multiple meanings in<br />
the Thomas-Hill-Hearings. – S. 285 – 314<br />
McLeod, Jack M.; Scheufele, Dietram A.; Moy,<br />
Patricia: Community, communication, and<br />
participation: the role of mass media and interpersonal<br />
discussion in local political participation.<br />
– S. 315 – 336<br />
Babad, Elisha: Preferential treatment in television<br />
interviewing: evidence from nonverbal behavior.<br />
– S. 337 – 358<br />
150<br />
Public Opinion Quarterly<br />
Jg 63 (1999) Nr 2<br />
Erikson, Robert S.; Wlezien, Christopher:<br />
Presidential polls as a time series: the case of<br />
1996. – S. 163 – 177<br />
Green, Donald P.; Gerber, Alan S.; Boef,<br />
Suzanna L. de: Tracking opinion over time: a<br />
method for reducing sampling error. – S. 178 –<br />
192<br />
Chen, Jie: Comparing mass and elite subjective<br />
orientations in urban China. – S. 193 – 219<br />
Martin, Elizabeth: Who knows who lives here?:<br />
within-household disagreements as a source of<br />
survey coverage error. – S. 220 – 236<br />
Burden, Barry C.; Mughan, Anthony: Public<br />
opinion and Hillary Rodham Clinton. –<br />
S. 237 – 250<br />
Singer, Eleanor; Groves, Robert M.; Corning,<br />
Amy D.: Differential incentives: beliefs about<br />
practices, perceptions of equity, and effects on<br />
survey participation. – S. 251 – 260<br />
Publizistik<br />
Jg 44 (1999) Nr 3<br />
Schönhagen, Philomen: Der Journalist als unbeteiligter<br />
Beobachter. – S. 271 – 287<br />
„Auf der Basis gesellschaftstheoretischer Überlegungen<br />
– ausgehend vom Symbolischen Interaktionismus,<br />
Wissenssoziologie und Konstruktivismus –<br />
wird die zentrale Rolle des Journalismus im Prozeß<br />
der sozialen Konstruktion von Wirklichkeit diskutiert<br />
…“<br />
Sutter, Tilmann: <strong>Medien</strong>kommunikation als<br />
Interaktion?: Über den Aufklärungsbedarf eines<br />
spannungsreichen Problemfeldes. – S. 288 –<br />
300<br />
Der Autor entwickelt auf der Basis systemtheoretischer<br />
Theoreme eine kritische Auffassung gegenüber<br />
Ansätzen, die „interaktive“ <strong>Medien</strong>kommunikation<br />
mit Hilfe der Kategorie „soziale Interaktion“ analysieren.<br />
Im Schlussteil des Aufsatzes werden Überlegungen<br />
„zur Stellung interaktionstheoretischer Analysen<br />
bei der Erforschung neuer <strong>Kommunikations</strong>räume“<br />
angestellt.<br />
Staschen, Björn; Ohlemacher, Thomas: Informantennetzwerke<br />
und Berichterstattung einer<br />
Großstadtzeitung. Komplexitätserweiterung<br />
durch Spezialisierung?. – S. 301 – 316<br />
Tenscher, Jens: „Sabine Christiansen“ und<br />
„Talk im Turm“. Eine Fallanalyse politischer<br />
Fernsehtalkshows. – S. 317 – 333
tv diskurs<br />
(1999) Nr 9<br />
von Gottberg, Joachim: Selbstkontrolle – ein<br />
Modell für Europa?: 200 europäische Experten<br />
diskutieren über <strong>Medien</strong>regulierung. – S. 4 – 7<br />
Schlußfolgerungen des Expertenseminars zur<br />
Selbstkontrolle im <strong>Medien</strong>bereich. – S. 8 – 11<br />
Jugendschutz in Europa: Filmfreigaben im<br />
Vergleich. – S. 12 – 13<br />
Schmitt, Georg Joachim: Krieg in der Schöpfung:<br />
Filme als Rezipienten des Gewaltdiskurses.<br />
– S. 14 – 17<br />
Freitag, Burkhard: Katharsis. – S. 18 – 27<br />
Cornelißen, Waltraud: Alltagswelt und Fernseherlebnis.<br />
– S. 35 – 36<br />
Bachmair, Ben: Horrorfilme im Kopf: Wie<br />
Mädchen Szenen aus Horrorfilmen mit Angst<br />
und ihren Themen verbinden. – S. 37 – 51<br />
von Gottberg, Joachim: Der Blick ins Monströse<br />
und wiederhergestellte Maßstäbe: Bei<br />
der Aufarbeitung von Talkshows spielt die Moderation<br />
eine entscheidende Rolle. – S. 52 – 57<br />
Talkshows in der öffentlichen Meinung: Ergebnisse<br />
einer forsa-Umfrage. – S. 58 – 62<br />
von Gottberg, Joachim: Heftiger Streit und<br />
Überraschungsgäste: Nach einer Häufung von<br />
Problemfällen geht es in Talkshows wieder ruhiger<br />
zu. – S. 63 – 65<br />
Knoll, Joachim H.: Jugendliche und Jugendschutz:<br />
Einige Anmerkungen wider einen statistischen<br />
„Jugend“-Begriff. – S. 66 – 75<br />
Mohr, Inge: Die Praxis in der ARD: Jugendschutz<br />
im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. –<br />
S. 76 – 81<br />
Zeitschrift für Urheber- und <strong>Medien</strong>recht<br />
Jg 43 (1999) Nr 7<br />
Ossenbühl, Fritz: <strong>Medien</strong>freiheit und Persönlichkeitsschutz:<br />
Die Entscheidungsstruktur des<br />
Bundesverfassungsgerichts in kritischer Perspektive.<br />
– S. 505 – 513<br />
Der Verfasser erläutert die Kriterien, nach denen das<br />
Bundesverfassungsgericht Persönlichkeitrechtsverletzungen<br />
durch Meinungsäußerungen – innerhalb und<br />
außerhalb von Presseerzeugnissen und Rundfunksendungen<br />
– beurteilt. Er betont zunächst, dass das Gericht<br />
stets die besondere Bedeutung der Meinungsfreiheit<br />
hervorhebt; es bezeichnet sie als „schlechthin<br />
konstituierendes Element“ der demokratischen<br />
Staatsordnung und unabdingbare Voraussetzung<br />
eines freien und offenen politischen Prozesses. Im<br />
nächsten Schritt geht der Verfasser auf die sog. Ver-<br />
Zeitschriftenlese<br />
mutungsformel ein, wonach eine grundsätzliche Vermutung<br />
zu Gunsten der freien Rede in einer die Öffentlichkeit<br />
wesentlich berührenden Frage spricht.<br />
Der Ehrenschutz trete dadurch gegenüber der Meinungsäußerung<br />
fast völlig zurück. Die äußerste Grenze<br />
werde lediglich durch die Formalbeleidigung und<br />
die sog. Schmähkritik markiert. Von Schmähkritik<br />
könne erst gesprochen werden, wenn es nicht mehr<br />
um die Auseinandersetzung in der Sache geht, sondern<br />
die Diffamierung einer Person im Vordergrund<br />
steht. Das Fazit des Autors lautet: „Der Ehrenschutz<br />
wird damit einer vermeintlich gefährdeten Funktionsfähigkeit<br />
der öffentlichen Meinungsbildung geopfert.“<br />
Anschließend werden die Kriterien beleuchtet,<br />
nach denen das Bundesverfassungsgericht zwischen<br />
Tatsachenbehauptung und Werturteilen unterscheidet<br />
(erwiesen oder bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen<br />
sind vom Schutz durch die Meinungsfreiheit<br />
ausgenommen) und die Behauptung von Tatsachen<br />
beurteilt, deren Wahrheit oder Unwahrheit sich<br />
nicht beweisen lässt. Hier bemängelt der Autor, dass<br />
das Gericht in Zweifelsfällen Äußerungen als Meinungsäußerungen<br />
einstuft und bei Tatsachenbehauptungen<br />
die dem Äußernden auferlegten Recherchepflichen<br />
zu „niedrig gehängt“ werden. Anschließend<br />
wendet sich der Verfasser der Frage zu, aus welcher<br />
Perspektive die jeweilige Äußerung beurteilt wird.<br />
Das Gericht stelle zwar auf das Verständnis eines<br />
durchschnittlichen, verständigen Empfänger ab, lasse<br />
aber häufig die subjektive Sicht des Äußernden mit<br />
einfließen. Im letzten Schritt wird die Deutung der jeweiligen<br />
Äußerung durch das Gericht untersucht. Das<br />
Bundesverfassungsgericht schließt zunächst alle objektiv<br />
unmöglichen Deutungen aus. Von den verbleibenden<br />
Deutungsmöglichkeiten dürfen die Fachgerichte<br />
die für den Äußernden günstigen nicht unbeachtet<br />
lassen, sondern nur mit tragfähigen Gründen<br />
ausschließen. Der Autor kritisiert, dass bei Zurückweisung<br />
der Entscheidung an die Fachgerichte diesen<br />
aufgrund der Maßgaben des Bundesverfassungsgerichts<br />
kaum noch Spielraum verbleibe. Verdeutlicht<br />
wird diese Ansicht mit zwei Beispielen: Die „Soldaten<br />
sind Mörder“- und die „TITANIC/ geb. Mörder“-<br />
Entscheidung (BVerfG NJW 1994, 2943; BVerfGE 93,<br />
266; 86, 1).<br />
Schulz, Wolfgang; Wasner, Utz: Rundfunkrechtlich<br />
relevante Fragen der Lizenzierung<br />
und Frequenzverwaltung nach dem TKG. –<br />
S. 513 – 528<br />
Das Zusammenspiel zwischen telekommunikationsrechtlichen<br />
und rundfunkrechtlichen Frequenzregeln<br />
ist an vielen Stellen noch recht disharmonisch. Nach<br />
der Darstellung der verfassungsrechtlichen Prämissen,<br />
die ein Spannungsfeld zwischen ökonomischem und<br />
publizistisch orientiertem Regelungsansatz erzeugen,<br />
das durch unterschiedliche Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenzen<br />
noch zusätzlich aufgeladen<br />
wird, beleuchten die Autoren einige strittige Punkte<br />
des einfachgesetzlichen Rechts. Während die Frage,<br />
unter welchen Voraussetzungen der Betrieb von<br />
Rundfunksendeanlagen einer telekommunikationsrechtlichen<br />
Lizenz bedarf, noch recht unproblematisch<br />
zu beantworten ist, zeigt sich bei der Frequenzregulierung<br />
die komplizierte Verzahnung zwischen<br />
den beiden Regelungsregimes. Die Erstellung von<br />
Frequenzbereichszuweisungsplänen und Frequenznutzungsplänen<br />
wird durch das TKG bzw. hierzu erlassene<br />
Verordnungen geregelt. Die für Rundfunk-<br />
151
M&K 48. Jahrgang 1/2000<br />
dienste vorgesehenen Frequenzen werden dann rundfunkrechtlich<br />
den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten<br />
oder der jeweiligen Landesmedienanstalt zugewiesen,<br />
die für die Frequenzverteilung an die<br />
privaten Rundfunkveranstalter zuständig ist. Die<br />
Frequenz wird dann nach Telekommunikationsrecht<br />
per Verwaltungsakt zugeteilt. Ungeregelt ist beispielsweise,<br />
unter welchen Voraussetzungen die Regulierungsbehörde<br />
für Post und Telekommunikation die<br />
Länder über ungenutzte Rundfunkfrequenzen informieren<br />
muss. Auch die Tatsache, dass die Grundlage<br />
des mehrstufigen Frequenzverteilungsverfahrens, der<br />
Frequenzbereichszuweisungsplan, noch nicht erlassen<br />
worden ist, sorgt für Rechtsunsicherheit. Die Autoren<br />
gehen kurz auf internationale Vorgaben und das<br />
EU-Grünbuch für Frequenzpolitik ein. Zudem weisen<br />
sie darauf hin, dass noch ungeklärt ist, welcher<br />
Rundfunkbegriff dem TKG zugrunde liegt und welche<br />
Frequenzträger Gegenstand der telekommunikationsrechtlichen<br />
Frequenzordnung sind (Streitpunkt<br />
sind vor allem die Kabelfrequenzen). Die Regeln über<br />
die Zuteilung bestimmter Frequenzbereiche für den<br />
Rundfunk sind nach Auffassung der Autoren dahingehend<br />
verfassungskonform auszulegen, dass in diesem<br />
Bereich eine Zusammenarbeit zwischen Bund<br />
und den für Rundfunk zuständigen Ländern erforderlich<br />
ist. In Bezug auf die konkrete Festlegung der Frequenznutzung<br />
werden verfassungsrechtliche Bedenken<br />
geäußert, da lediglich die Zustimmung des Bundesrates<br />
vorgesehen ist. Auch die Frequenzzuteilung<br />
wird als problematisch angesehen, da als Voraussetzung<br />
hierfür das Vorliegen einer medienrechtlichen<br />
Genehmigung verlangt wird, aber unklar bleibt, wie<br />
sich diese Regelung in Bezug auf die Programme öffentlich-rechtlicher<br />
Rundfunkanstalten sowie auf zulassungsfreie<br />
<strong>Medien</strong>dienste auswirkt.<br />
Frey, Dieter: Das öffentlich-rechtliche Fernsehen<br />
im Wettbewerbsrecht der EG. – S. 528 –<br />
542<br />
Die europarechtliche Zulässigkeit der Finanzierung<br />
öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist seit langer Zeit<br />
ein Streitpunkt, selbst nachdem die Regierungsvertreter<br />
im sog. Amsterdamer Protokoll bestimmt haben,<br />
dass die Bestimmungen über unzulässige Beihilfe<br />
nicht die Kompetenz der Mitgliedstaaten berühren,<br />
für die Finanzierung des öffentlichen Rundfunks zu<br />
sorgen, damit dieser seine öffentlichen Aufgaben<br />
wahrnehmen kann. Der Autor erläutert die europarechtlichen<br />
Normen, die für den öffentlich-rechtlichen<br />
Rundfunk relevant sein können: die Freistellung<br />
wettbewerbsbeschränkender Verhaltensweisen vom<br />
Kartellverbot sowie die Beihilferegeln. Hierzu geht er<br />
auch auf die Entscheidungspraxis der Kommission<br />
ein. Kern seiner Ausführungen ist Art. 86 Abs. 2 EGV,<br />
wonach für Unternehmen, die mit Dienstleistungen<br />
von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut<br />
sind oder den Charakter eines Finanzmonopols haben,<br />
die Wettbewerbsregeln nur insoweit gelten, als<br />
die Anwendung dieser Vorschriften nicht die Erfüllung<br />
der ihnen übertragenen Aufgabe verhindert. Anwendungsfälle<br />
dieser Norm waren insbesondere die<br />
Entscheidungen in Bezug auf den Erwerb von Sportrechten<br />
durch die EBU und die Kommissionsentscheidung<br />
zur Gebührenfinanzierung von Kinderkanal<br />
und Phoenix.<br />
Mayer, Patrick: Rechtsschutzmöglichkeiten<br />
privater Rundfunkveranstaltergegen die Pro-<br />
152<br />
grammexpansion öffentlich-rechtlicher An<br />
stalten: Die Programmzahlbegrenzung nach § 3<br />
SWR-Staatsvertrag auf dem Prüfstand des Verwaltungsgerichtshofs<br />
Baden-Würtemberg. –<br />
S. 543 – 547<br />
Der Autor setzt sich mit einer Entscheidung des VGH<br />
Mannheim (vgl. ZUM 1999, S. 588) auseinander, wonach<br />
die Programmzahlbegrenzungen im SWR-<br />
Staatsvertrag nicht dem Schutz privater Rundfunkveranstalter<br />
dienen und diese somit aus der Norm keinen<br />
Anspruch auf Einschreiten der Rechtsaufsicht herleiten<br />
können. Insbesondere weist der Autor auf alternative<br />
Rechtsschutzmöglichkeiten der privaten Anbieter<br />
hin: die Normenkontrollklage gegen die Nutzungsplanverordnung,<br />
die die Frequenzvergabe regelt, sowie<br />
die wettbewerbrechtliche Unterlassungsklage (§ 1<br />
UWG). Er betont aber auch, dass die Novellierung des<br />
Landesmediengesetz von Baden-Württemberg voraussichtlich<br />
zur Aufgabe der Frequenzvergabe mit<br />
dem Instrument der Nutzungsplanverordnung führen<br />
wird.<br />
Köhler, Markus R.: Der Schutz von Websites<br />
gemäß §§ 87a ff. UrhG. – S. 548 – 555<br />
§§ 87 a ff. UrhG, die durch Art. 7 IuKDG eingefügt<br />
wurden, schließen die Rechtsschutzlücke für diejenigen<br />
Gestalter von Websites, die die hohen Hürden der<br />
§§ 2, (Werkbegriff: gestalterische Höhe, persönlich<br />
geistige Schöpfung) 4 Abs. 2 UrhG (Datenbankwerke<br />
in Form von Sammelwerken) oder des jeweiligen Leistungsschutzrechts<br />
(§§ 70 – 87 UrhG) nicht überwinden<br />
können. Die neuen Normen schützen Datenbanken<br />
dann, wenn sie zwar keinen Werkcharakter aufweisen,<br />
aber das Ergebnis einer erheblichen Investition<br />
sind. Der Autor untersucht die Voraussetzungen<br />
für das Vorliegen einer Datenbank, das Kriterium der<br />
wesentlichen Investition und wendet sich zuletzt der<br />
Frage nach dem Schutzsubjekt der § 87 a ff. UrhG zu.<br />
Müller, Bianca: Die Klage gegen unberechtigtes<br />
Sampling. – S. 555 – 560<br />
Jg 43 (1999) Nr 8 – 9<br />
Eifert, Martin: Die Zuordnung der Säulen des<br />
Dualen Rundfunksystems. – S. 595 – 603<br />
Der Autor bemängelt, dass das Verhältnis zwischen<br />
öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk in vielen<br />
Punkten noch ungeklärt sei. Den verfassungsrechtlichen<br />
Strukturvorgaben lässt sich zwar mit dem<br />
Bundesverfassungsgericht entnehmen, dass der private<br />
Rundfunk an die Erfüllung des klassischen Auftrags<br />
durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gebunden<br />
ist, sie sagen aber wenig über die vielfältigen Zuordnungen<br />
auf den verschiedenen Märkten für den „Normalfall“<br />
aus. In dem Beitrag wird zunächst das dem<br />
dualen System zugrunde liegende Konzept der strukturellen<br />
Diversifikation erläutert und der „verfassungsrechtliche<br />
Korridor“ für die öffentlich-rechtlichen<br />
Rundfunkanstalten beschrieben, der zwischen<br />
Marginalisierungs- und Marktverstopfungsverbot liege.<br />
Den Schwerpunkt des Textes bildet die Auseinandersetzung<br />
mit der Steuerung des Umfangs des Programmangebots<br />
öffentlich-rechtlichen Rundfunks.<br />
Der Autor hält gesetzliche Programmzahlbegrenzungen<br />
wegen fehlender Staatsfreiheit für verfassungs-
widrig und schlägt stattdessen eine prozedurale Steuerung<br />
vor, die bei der Frequenzverteilung ansetzt und<br />
dem Gebührenfestsetzungsverfahren entspricht, bei<br />
dem zwischen der Bedarfsanmeldung der Rundfunkanstalten<br />
und der Festsetzung durch den Gesetzgeber<br />
ein unabhängiges Expertengremium eingeschaltet<br />
wird.<br />
Hepach, Stefan: Die Kommission zur Ermittlung<br />
der Konzentration im <strong>Medien</strong>bereich:<br />
Verselbständigungstendenzen eines Organs<br />
unter Berufung auf das rundfunkspezifische<br />
Gebot einer effizienten Konzentrationskontrolle?<br />
– S. 603 – 614<br />
Der Autor setzt sich mit mehreren Beschlüssen der<br />
Kommission zur Ermittlung der Konzentration im<br />
<strong>Medien</strong>bereich (KEK) auseinander (u. a. ,Premiere<br />
Digital“, Untätigkeit beim Prüfverfahren „Discovery<br />
Channel“). Aufgrund der 50%igen Beteiligung der<br />
KirchGruppe an der Discovery Channel Betriebs<br />
GmbH beschloss die KEK, das Verfahren in die bereits<br />
aufgenommenen Prüfungen (u. a. DSF, „Premiere<br />
Digital“) einzubeziehen. Im Rahmen dieses Verfahrens<br />
kam es zur Auseinandersetzung um die Frage, ob<br />
die marktbeherrschende Stellung eines Unternehmens<br />
auf dem Zuschauermarkt vom Erreichen eines bestimmten<br />
Prozentsatzes abhängt, oder ob auch qualitative<br />
Kriterien herangezogen werden können. Nach<br />
Ansicht des Autors ist eine marktbeherrschende Stel-<br />
Zeitschriftenlese<br />
lung erst ab 28,5 % Zuschauermarktanteil denkbar.<br />
Bei der Entscheidung zu „Premiere Digital“ ging die<br />
KEK davon aus, dass auch Marktzutrittsschranken,<br />
die von technischen Bedingungen abhängen, in die Bewertung<br />
einzubeziehen seien. Der Autor ist der Auffassung,<br />
dass Zugangsfragen, wie sie in § 53 RStV thematisiert<br />
werden, nicht in den Kompetenzbereich der<br />
für Konzentrationskontrolle zuständigen KEK fallen.<br />
Die Märkte für technische Dienstleistungen könnten<br />
nicht als verwandte Märkte im Sinne des § 26 Abs. 2<br />
RStV eingestuft werden. Die KEK habe somit ihren<br />
Funktions- und Aufgabenbereich in den genannten<br />
Entscheidungen überschritten. Im letzten Schritt werden<br />
die Verfahren dargestellt, mit denen gegen ein<br />
mögliches Fehlverhalten der KEK vorgegangen werden<br />
kann.<br />
Deuschle, Thomas: Anmerkungen zum Beschluß<br />
des BayVGH vom 18.12.1998 zur<br />
Untersagung künftiger Schleichwerbung. –<br />
S. 614 – 618<br />
Leßmann, Andreas: Die vertragliche Nutzungsrechtseinräumung<br />
an Datenbanken in der<br />
Informationsgesellschaft. – S. 623 – 628<br />
Gabel, Detlev; von Lackum, Jens: Zur Schutzfähigkeit<br />
von Wortkreationen, auf der Grundlage<br />
des Urheberrechtsgesetzes. – S. 629 – 632<br />
153
M&K 48. Jahrgang 1/2000<br />
Literaturverzeichnis<br />
11 Bibliographien. Lexika<br />
12 Jahrbücher. Geschäftsberichte<br />
21 <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong> und -forschung<br />
22 Journalismus. <strong>Medien</strong>berufe<br />
23 Publizistische Persönlichkeiten<br />
24 <strong>Medien</strong>institute<br />
31 Kommunikation<br />
32 <strong>Kommunikations</strong>politik<br />
33 Lokalkommunikation. Bundesländer<br />
41 Massenkommunikation Politik<br />
42 Massenkommunikation Gesellschaft<br />
43 Massenkommunikation Kultur<br />
11 Bibliographien. Lexika<br />
ABC der ARD. – Baden-Baden: Nomos, 1999.<br />
– 190 S.<br />
12 Jahrbücher. Geschäftsberichte<br />
ARD-Jahrbuch 99. – Hamburg: Verlag Hans-<br />
Bredow-Institut; Nomos, 1999. – 526 S.<br />
Filmstatistisches Taschenbuch 1999. – Wiesbaden:<br />
Spitzenorganisation der Filmwirtschaft,<br />
1999. – 74 S.<br />
Geschäftsbericht 1998/Deutsche Welle, DW<br />
(Hrsg.). – Köln: DW, 1999. – 63 S.<br />
Geschäftsbericht 1998/Bayerischen Rundfunk<br />
(Hrsg.). – München: BR, 1999. – 98 S.<br />
Geschäftsbericht 1998. – Stuttgart: SWR, 1999.<br />
– 116 S.<br />
Jahresbericht 1998: 50 Jahre NDR / Norddeutscher<br />
Rundfunk (Hrsg.). – Hamburg: NDR,<br />
1999. – 86 S.<br />
Rechenschaftsbericht der HAM für das Haushaltsjahr<br />
1998/Hamburgische Anstalt für Neue<br />
<strong>Medien</strong>, HAM (Hrsg.). – Hamburg: HAM,<br />
1999. – 38 S.<br />
Rechenschaftsbericht des Direktors für das Jahr<br />
1998 / Unabhängige Landesanstalt für das<br />
Rundfunkwesen, ULR (Hrsg.). – Kiel: ULR,<br />
1999. – 57 S.<br />
Zeitungen 99. – Bonn: ZV Zeitungs-Verlag Service,<br />
1999. – 435 S.<br />
21 <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong> und<br />
-forschung<br />
Merten, Klaus: Einführung in die <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong><br />
Bd 1/1: Grundlagen der<br />
<strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>. – Münster: Lit,<br />
154<br />
51 Telekommunikation. Informationsgesellschaft<br />
52 Neue Technologien. Multimedia<br />
62 Europa Kommunikation<br />
71 Massenmedien, allgemein<br />
72 <strong>Medien</strong> Bildung<br />
73 <strong>Medien</strong> Ökonomie<br />
74 <strong>Medien</strong> Recht<br />
75 Rundfunk<br />
76 Werbung<br />
81 Publikum. <strong>Medien</strong>nutzung<br />
82 Rezeptionsforschung<br />
83 Kinder Jugendliche <strong>Medien</strong><br />
91 Literatur zu einzelnen Ländern<br />
1999. – 585 S. (Aktuelle <strong>Medien</strong>- und <strong>Kommunikations</strong>forschung;<br />
1)<br />
Von der Stimme zum Internet: Texte aus der<br />
Geschichte der <strong>Medien</strong>analyse / Schöttker,<br />
Detlev (Hrsg.). – Göttingen: Vandenhoeck &<br />
Ruprecht, 1999. – 246 S.<br />
22 Journalismus. <strong>Medien</strong>berufe<br />
Belz, Christopher: Berufsbilder im Journalismus:<br />
von den alten zu den neuen <strong>Medien</strong>. –<br />
Konstanz: UVK, 1999. – 173 S. (edition sage &<br />
schreibe; 2)<br />
Berufe mit … Film, Funk, Fernsehen und Foto.<br />
– Nürnberg: Bildung und Wissen BW Verlag,<br />
1999. – 220 S.<br />
Friedrichs, Jürgen: Das journalistische Interview.<br />
– Opladen: Westdeutscher, 1999. – 221 S.<br />
Günther, Klaus: Fairness in der <strong>Medien</strong>. –<br />
Münster: agenda, 1999. – 99 S.<br />
Journalismus in Theorie und Praxis: Beiträge<br />
zur universitären Journalistenausbildung: Festschrift<br />
für Kurt Koszyk / Schäfer, Ulrich P.<br />
(Hrsg.). – Konstanz: Universitätsverlag, 1999. –<br />
347 S. (Journalismus, neue Folge; 38)<br />
<strong>Medien</strong>ethik: die Frage der Verantwortung /<br />
Funiok, Rüdiger (Hrsg.). – Bonn: Bundeszentrale<br />
für politische Bildung, 1999. – 366 S.<br />
Nowag, Werner: Kommentar und Glosse. –<br />
Konstanz: UVK, 1999. – 363 S. (Reihe praktischer<br />
Journalismus; 33)<br />
23 Publizistische Persönlichkeiten<br />
Henschke, Thomas: Hans Rosenthal: ein Leben<br />
für die Unterhaltung. – Berlin: Schwarzkopf &<br />
Schwarzkopf, 1999. – 255 S.
31 Kommunikation<br />
Genosko, Gary: McLuhan and Baudrillard: the<br />
masters of implosion. – London: Routledge,<br />
1999. – 140 S.<br />
Haase, Frank: <strong>Medien</strong>, Codes, Menschmaschinen:<br />
<strong>Medien</strong>theoretische Studien zum 19. und<br />
20. Jahrhundert. – Opladen: Westdeutscher,<br />
1999. – 173 S.<br />
Kooperation in der Kommunikation: Festschrift<br />
für Elmar Bartsch / Mönnich, Annette<br />
(Hrsg.). – München: Reinhardt, 1999. – 247 S.<br />
Kursbuch <strong>Medien</strong>kultur: die maßgeblichen<br />
Theorien von Brecht bis Baudrillard / Engell,<br />
Lorenz u. a. (Hrsg.). – Stuttgart: DVA, 1999. –<br />
544 S.<br />
<strong>Medien</strong>fiktionen: Illusion – Inszenierung – Simulation;<br />
Festschrift für Helmut Schanze zum<br />
60. Geburtstag / Bolik, Sibylle u. a. (Hrsg.). –<br />
Frankfurt: Lang, 1999. – 469 S.<br />
33 Lokalkommunikation. Bundesländer<br />
Ein Jahrzehnt <strong>Medien</strong>entwicklung im Land<br />
Bremen: die Bremische Landesmedienanstalt. –<br />
Bremen: Bremische Landesmedienanstalt,<br />
1999. – 44 S.<br />
Geschwandtner-Andreß, Petra: <strong>Medien</strong>wirtschaft<br />
in Köln: Theoretische Erklärungsansätze<br />
und politische Bestimmungsfaktoren eines regionalen<br />
Produktionsclusters <strong>Medien</strong>. – Köln:<br />
Institut für Rundfunkökonomie, 1999. – 70 S.<br />
(Arbeitspapiere des Instituts für Rundfunkökonomie<br />
an der Universität zu Köln; 116)<br />
Image und Akzeptanz lokaler Werbeträger in<br />
Bayern 1998: Studie im Auftrag der Bayerischen<br />
Landeszentrale für neue <strong>Medien</strong>, BLM. –<br />
München: R. Fischer, 1999. – 145 S. (BLM-<br />
Schriftenreihe; 55)<br />
Löschen und vernichten oder bewahren und<br />
nutzen: Kolloquium zur Archivierung von<br />
Rundfunkproduktionen bei privaten Anbietern<br />
in Bayern. – München: R. Fischer, 1999. –<br />
102 S. (BLM-Schriftenreihe; 52)<br />
Lokal-TV zwischen Heimat- und Regionalfernsehen:<br />
Anbieter und Nutzer des privaten<br />
Lokalfernsehens Sachsens. – Berlin: Vistas,<br />
1999. – 255 S. (Schriftenreihe der SLM; 8)<br />
Stettner, Rupert: Die Stellung der Bayerischen<br />
Landeszentrale für neue <strong>Medien</strong> im Rundfunksystem<br />
nach dem Bayerischen <strong>Medien</strong>gesetz:<br />
Rechtsgutachten im Auftrag der BLM. – Mün-<br />
Literaturverzeichnis<br />
chen: R. Fischer, 1999. – 224 S. (BLM-Schriftenreihe;<br />
53)<br />
Struktur der Thüringer Kabelnetze: ein Beispiel<br />
für die Struktur ostdeutscher Kabelnetze.<br />
– München: Kopäd, 1999. – 142 S. (TLM-<br />
Schriftenreihe; 7)<br />
41 Massenkommunikation Politik<br />
Bellamy, Christine: Governing in the Information<br />
Age. – Buckingham: Open University<br />
Press, 1998. – 196 S.<br />
Elektronische Demokratie: Perspektiven politischer<br />
Partizipation / Kamps, Klaus (Hrsg.). –<br />
Opladen: Westdeutscher, 1999. – 279 S.<br />
Konken, Michael: Pressekonferenz und <strong>Medien</strong>reise:<br />
Informationen professionell präsentieren.<br />
– Limburgerhof: FBV-<strong>Medien</strong>-Verlag,<br />
1999. – 211 S.<br />
McNair, Brian: An introduction to political<br />
communication. – London: Routledge, 1999. –<br />
235 S.<br />
Noelle-Neumann, Elisabeth: Kampa: Meinungsklima<br />
und <strong>Medien</strong>wirkung im Bundestagswahlkampf<br />
1998. – Freiburg: Alber, 1999<br />
(Alber-Reihe Kommunikation; 25)<br />
NS-Presseanweisungen der Vorkriegszeit: Edition<br />
und Dokumentation Bd 6, Teil 4, 1938:<br />
Register / Bohrmann, Hans (Hrsg.). – München:<br />
Saur, 1999. – getr. S.<br />
Persuasion und Propaganda in der öffentlichen<br />
Kommunikation: Beiträge zur Tagung der DG-<br />
PuK-Fachgruppe „Public Relations/Organisationskommunikation“<br />
vom 14. bis 16.10.1999<br />
in Naumburg / Liebert, Tobias (Hrsg.). – Leipzig:<br />
Institut für <strong>Kommunikations</strong>- und <strong>Medien</strong><strong>wissenschaft</strong>,<br />
1999. – 120 S. (Leipziger<br />
Skripten für Public Relations und <strong>Kommunikations</strong>management;<br />
4)<br />
Vierte Gewalt?: <strong>Medien</strong> und <strong>Medien</strong>kontrolle;<br />
Baden-Württemberg-Kolloquium (16) / Graevenitz,<br />
Gerhart von (Hrsg.). – Konstanz: UVK,<br />
1999. – 195 S.<br />
Wie die <strong>Medien</strong> die Wirklichkeit steuern und<br />
selber gesteuert werden / Rolke, Lothar<br />
(Hrsg.). – Opladen: Westdeutscher, 1999. –<br />
279 S.<br />
42 Massenkommunikation Gesellschaft<br />
<strong>Medien</strong>inszenierung im Wandel: interdisziplinäre<br />
Zugänge/Schicha, Christian (Hrsg.). –<br />
155
M&K 48. Jahrgang 1/2000<br />
Münster: Lit, 1999. – 266 S. (ikö-Publikationen;<br />
1)<br />
43 Massenkommunikation Kultur<br />
Fassler, Manfred: Cyber-Moderne: <strong>Medien</strong>evolution,<br />
globale Netzwerke und die Künste<br />
der Kommunikation. – Berlin: Springer, 1999. –<br />
264 S.<br />
Higgins, John: Raymond Williams: Literature,<br />
marxism and cultural materialism. – London:<br />
Routledge, 1999. – 229 S.<br />
51 Telekommunikation. Informationsgesellschaft<br />
Alkas, Hasan: Rabattstrategien marktbeherrschender<br />
Unternehmen im Telekommunikationsbereich.<br />
– Bad Honnef: Wiss. Inst. f. <strong>Kommunikations</strong>dienste,<br />
199. – 76 S. (Diskussionsbeiträge;<br />
195)<br />
Arbeit: Zeitschrift für Arbeitsforschung, Arbeitsgestaltung<br />
und Arbeitspolitik: Heft 3/99:<br />
Neue <strong>Medien</strong>. – Opladen: Westdeutscher,<br />
1999. – getr. S.<br />
Dijk, Jan van: The network society: social aspects<br />
of new media.–London: Sage, 1999. –<br />
267 S.<br />
Distelkamp, Matin: Möglichkeiten des Wettbewerbs<br />
im Orts- und Anschlußbereich des Telekommunikationsnetzes.<br />
– Bad Honnef: WIK,<br />
1999. – 103 S. (Diskussionsbeiträge; 196)<br />
Dörrenbächer, Christoph: Vom Hoflieferanten<br />
zum Global Player: Unternehmensreorganisation<br />
und nationale Politik in der Welttelekommunikationsindustrie.<br />
– Berlin: edition sigma,<br />
1999. – 226 S.<br />
Everard, Jerry: Virtual states: the Internet and<br />
the boundaries of the nation-state. – London:<br />
Routledge, 2000. – 174 S.<br />
Flimmernde Zeiten: vom Tempo der <strong>Medien</strong> /<br />
Schneider, Manuel (Hrsg.). – Stuttgart: Hirzel,<br />
1999. – 321 S.<br />
Global productions: labor in the making of<br />
the „Information Society“/Sussman, Gerald<br />
(Hrsg.). – Cresskill: Hampton Press, 1999. –<br />
317 S.<br />
Gramlich, Ludwig: Gesetzliche Exklusivlizenz,<br />
Universalpflichten und „höherwertige“<br />
Dienstleistungen im PostG 1997. – Bad Honnef:<br />
WIK, 1999. – 99 S. (Diskussionsbeiträge;<br />
194)<br />
156<br />
Hakken, David: Cyborg@Cyberspace: an ethnographer<br />
looks to the future. – London: Routledge,<br />
1999. – 264 S.<br />
Levinson, Paul: The soft edge: a natural history<br />
and future of the information revolution. –<br />
London: Routledge, 1997. – 257 S.<br />
Mainzer, Klaus: Computernetze und virtuelle<br />
Realität: Leben in der Wissensgesellschaft. –<br />
Berlin: Springer, 1999. – 300 S.<br />
Perspektiven der <strong>Medien</strong>wirtschaft: Kompetenz,<br />
Akzeptanz, Geschäftsfelder / Szyperski,<br />
Norbert (Hrsg.). – Lohmar: Eul, 1999. – 467 S.<br />
(Telekommunikation @ <strong>Medien</strong>dienste; 5)<br />
52 neue Technologien. Multimedia<br />
Braun, Oliver: SpiWWW: das Bild des Sports<br />
im WWW: Ergebnisse der ersten umfassenden<br />
Inhaltsanalyse sportjournalistischer Berichterstattung<br />
im deutschsprachigen World Wide<br />
Web. – Bornheim: Braun, 1999. – 174 S.<br />
Goldhammer, Klaus: Rundfunk online: Entwicklung<br />
und Perspektiven des Internets für<br />
Hörfunk- und Fernsehanbieter. – Berlin: Vistas,<br />
1999. – 361 S. (Schriftenreihe der Landesmedienanstalten;<br />
14)<br />
Hoberg, Almuth: Film und Computer: wie digitale<br />
Bilder den Spielfilm verändern. – Frankfurt:<br />
Campus, 1999. – 242 S. (Campus-Forschung;<br />
788)<br />
Interaktive <strong>Medien</strong>, interdisziplinär vernetzt /<br />
Berghaus, Margot (Hrsg.). – Opladen: Westdeutscher<br />
Verlag, 1999. – 203 S.<br />
Multimedia: Informationssysteme zwischen<br />
Bild und Sprache / Lehner, Franz (Hrsg.). –<br />
Konstanz: DUV, 1999. – 276 S.<br />
Rada, Holger: Von der Druckerpresse zum<br />
Web-Server: Zeitungen und Magazine im<br />
Internet. – Berlin: Wissenschaftlicher Verlag,<br />
1999. – 328 S.<br />
Rank, Gerhard: Entwicklung und Akzeptanz<br />
multimedialer Zeitschriften. – München: R.<br />
Fischer, 1999. – 276 S. (Reihe <strong>Medien</strong> Skripten;<br />
33)<br />
61 internationale Kommunikation<br />
Ting-Toomey, Stella: Communicating across<br />
cultures. – New York: Guilford Press, 1999. –<br />
310 S.<br />
Volkmer, Ingrid: News in the global sphere: a<br />
study of CNN and its impact on global com-
munication. – Luton: University Press, 1999. –<br />
236 S.<br />
62 Europa Kommunikation<br />
Andersen, Arthur: Deal Survey 1998: Fakten<br />
und Trends in der europäischen Unterhaltungsindustrie.<br />
– Berlin: Communications, Media<br />
& Entertainment Group, 1999. – 25 S.<br />
Collins, Richard: From satellite to single market:<br />
New communication technology and<br />
European public service television. – London:<br />
Routledge, 1999. – 297 S.<br />
Frenzel, Dirk: Kulturelle Eye-dentity: Die<br />
Kulturpolitik der EU am Beispiel der Filmförderung.<br />
– Frankfurt: Lang, 1999. – 144 S.<br />
(Beiträge zur Politik<strong>wissenschaft</strong>; 74)<br />
Naumann, Michael: Freiwillige Selbstkontrolle<br />
im <strong>Medien</strong>bereich auf europäischer Ebene:<br />
Eröffnungsrede Internationales <strong>Medien</strong>seminar<br />
1999, Saarbrücken. – Bonn: Presse- und Informationsamt<br />
der Bundesregierung, 1999. –<br />
getr. S. (Bulletin; 28/99)<br />
Zeller, Rüdiger: Die EBU: Union Européene<br />
de Radio-Télévision (UER): European Broadcasting<br />
Union (EBU): internationale Rundfunkkooperation<br />
im Wandel. – Baden-Baden:<br />
Nomos, 1999. – 322 S. (Wirtschaftsrecht der internationalen<br />
Telekommunikation; 39)<br />
71 Massenmedien, allgemein<br />
Bechdolf, Ute: Puzzling gender: Re- und De-<br />
Konstruktionen von Geschlechterverhältnissen<br />
im und beim Musikfernsehen. – Weinheim:<br />
Beltz, 1999. – 277 S.<br />
Classen, Christoph: Bilder der Vergangenheit:<br />
die Zeit des Nationalsozialismus im Fernsehen<br />
der Bundesrepublik Deutschland 1955–1965. –<br />
Köln: Böhlau, 1999. – 242 S. (<strong>Medien</strong> in Geschichte<br />
und Gegenwart; 13)<br />
Kosovo, Nato-Krieg in Europa. – Berlin: Verein<br />
für friedenspolitische Publizistik e. V., 1999. –<br />
146 S. (Antimilitarismusinformation, AMI;<br />
7/99)<br />
<strong>Medien</strong> und Straftaten: Vorschläge zur Vermeidung<br />
diskriminierender Berichterstattung<br />
über Einwanderer und Flüchtlinge. – Duisburg:<br />
DISS, 1999. – 60 S.<br />
Negrine, Ralph M.: Parliament and the media: a<br />
study of Britain, Germany and France. – London:<br />
Pinter, 1998. – 164 S.<br />
Literaturverzeichnis<br />
Niederhauser, Jürg: Wissenschaftssprache und<br />
populär<strong>wissenschaft</strong>liche Vermittlung. – Tübingen:<br />
Narr, 1999. – 275 S. (Forum für Fachsprachen-Forschung;<br />
53)<br />
Reading the homeless: the media’s image of the<br />
homeless culture / Min, Eungjun (Hrsg.). –<br />
Westport: Praeger, 1999. – 222 S.<br />
Schallenberger, Stefan: Moralisierung und<br />
Kriegsdiskurs: eine Analyse von Printmedienbeiträgen<br />
zum Golfkrieg und zum Vietnamkrieg.<br />
– Frankfurt: Lang, 1999. – 280 S. (Theorie<br />
und Vermittlung der Sprache; 31)<br />
Weichert, Stefan-Alexander: Der Tag der Deutschen<br />
Einheit im Fernsehen: eine explorative<br />
Analyse zur Fernsehberichterstattung über den<br />
3. Oktober. – Hamburg: Universität, Mag.-<br />
Arb., 1999. – 163 S. plus Anhang<br />
72 <strong>Medien</strong> Bildung<br />
Breiter, Andreas: Informationstechnologie<br />
Planer für Schulen: Leitfaden für allgemeinbildende<br />
Schulen zur Planung, Kostenabschätzung<br />
und Finanzierung der <strong>Medien</strong>integration.<br />
– Gütersloh: Bertelsmann Stiftung, 1999. –<br />
104 S.<br />
Handbuch <strong>Medien</strong>: <strong>Medien</strong>kompetenz: Modelle<br />
und Projekte / Baacke, Dieter u. a.<br />
(Hrsg.). – Bonn: Bundeszentrale für politische<br />
Bildung, 1999. – 308 S.<br />
Schawinsky, Karl: <strong>Medien</strong>kompetenz: Schlüssel-Qualifikation<br />
in der Wissensgesellschaft. –<br />
Köln: DIV, 1999. – 16 S.<br />
73 <strong>Medien</strong> Ökonomie<br />
Alger, Dean: Megamedia: How giant corporations<br />
dominate mass media, distort competition<br />
and endanger democracy. – Lanham: Rowman<br />
& Littlefield, 1999. – 276 S.<br />
Entwicklung und Perspektiven der Programmindustrie<br />
/ Schröder, Hermann-Dieter (Hrsg.).<br />
– Baden-Baden: Nomos, 1999. – 166 S. (Symposien<br />
des Hans-Bredow-Instituts; 17)<br />
Fachpresse Statistik 98. – Frankfurt: Deutsche<br />
Fachpresse, 1999. – getr. S.<br />
Heinrich, Jürgen: <strong>Medien</strong>ökonomie 2: Hörfunk<br />
und Fernsehen. – Opladen: Westdeutscher,<br />
1999. – 647 S.<br />
Jahresbericht der Kommission zur Ermittlung<br />
der Konzentration im <strong>Medien</strong>bereich (KEK):<br />
157
M&K 48. Jahrgang 1/2000<br />
Berichtszeitraum 1. Juli 1998 bis 30. Juni 1999.<br />
– Potsdam: KEK, 1999. – getr. S.<br />
Strukturwandel der <strong>Medien</strong>wirtschaft im Zeitalter<br />
digitaler Kommunikation / Knoche, Manfred<br />
(Hrsg.). – München: Fischer, 1999. – 218 S.<br />
Wirtschaftliche Bedeutung des TV-Marktes für<br />
die deutsche Filmwirtschaft 1997: Studie im<br />
Auftrag der Bayerischen Landeszentrale für<br />
neue <strong>Medien</strong>: Endbericht. – München: R. Fischer,<br />
1999. – 172 S. (BLM-Schriftenreihe; 54)<br />
74 <strong>Medien</strong> Recht<br />
Baars, Wiebke: Kooperation und Kommunikation<br />
durch Landesmedienanstalten: eine Analyse<br />
ihres Aufgaben- und Funktionsbereichs. –<br />
Baden-Baden: Nomos, 1999. – 387 S. (Materialien<br />
zur interdisziplinären <strong>Medien</strong>forschung;<br />
35)<br />
Charissé, Peter: Die Rundfunkveranstaltungsfreiheit<br />
und das Zulassungsregime der Rundfunk-<br />
und <strong>Medien</strong>gesetze: eine verfassungsund<br />
europarechtliche Untersuchung der subjektiv-rechtlichen<br />
Stellung privater Rundfunkveranstalter.<br />
– Frankfurt: Lang, 1999. – 277 S.<br />
(Studien zum deutschen und europäischen <strong>Medien</strong>recht;<br />
1)<br />
Determann, Lothar: <strong>Kommunikations</strong>freiheit<br />
im Internet: Freiheitsrechte und gesetzliche Beschränkungen.<br />
– Baden-Baden: Nomos, 1999. –<br />
653 S. (Law and economics of international telecommunications;<br />
41)<br />
Gersdorf, Hubertus: Vergabe terrestrischer<br />
Frequenzen an <strong>Medien</strong>dienste: chancengleicher<br />
Zugang von <strong>Medien</strong>diensten zu Übertragungskapazitäten<br />
am Beispiel des reinen Einkaufssenders<br />
Home Order Television (H.O.T.):<br />
Rechtsgutachten im Auftrag des Landesrundfunkausschusses<br />
für Sachsen-Anhalt, LRA. –<br />
Berlin: Vistas, 1999. – 65 S. (Schriftenreihe der<br />
LRA; 1)<br />
Jaeger-Lenz, Andrea: Werberecht: Recht der<br />
Werbung in Internet, Film, Funk und Printmedien:<br />
Kampagnen-Ratgeber für Werbeagenturen.<br />
– Weinheim: WILEY-VCH, 1999. – 211 S.<br />
Knickenberg, Daniel: Programmfreiheit contra<br />
Sponsoring. – Lohmar: Eul, 1999. – 153 S.<br />
Kops, Manfred: Nationale Konzentrationsschranken<br />
und internationale Wettbewerbsfähigkeit<br />
von Fernsehveranstaltern. – Köln: Institut<br />
für Rundfunkökonomie, 1999. – 55 S.<br />
(Arbeitspapiere des Instituts für Rundfunkökonomie<br />
an der Universität zu Köln; 115)<br />
158<br />
Kühling, Jürgen: Die <strong>Kommunikations</strong>freiheit<br />
als europäisches Gemeinschaftsgrundrecht. –<br />
Berlin: Duncker & Humblot, 1999. – 579 S.<br />
(Schriften zum europäischen Recht; 60)<br />
Mandry, Rüdiger: Rundfunk im World Wide<br />
Web: eine Bestandsaufnahme der online-Angebote<br />
öffentlich-rechtlicher und privater Rundfunkveranstalter.<br />
– Leipzig: Univ., Dipl.-Arb.,<br />
1998. – 187 S.<br />
Müntinga, Maren: Die journalistischen Wahrheits-<br />
und Sorgfaltspflichten und die Möglichkeiten<br />
ihrer Durchsetzung: eine Untersuchung<br />
anhand der Landesmediengesetzen. – Baden-<br />
Baden: Nomos, 1999. – 133 S. (Nomos Universitätsschriften;<br />
18)<br />
Ossyra, Markus: Konzentrationskontrolle über<br />
private Rundfunkveranstalter: Eine verfassungsrechtliche<br />
Analyse konzentrationsrechtlicher<br />
Regelungsansätze. – Frankfurt: Lang,<br />
1999. – 224 S. (Europäische Hochschulschriften,<br />
Reihe 02; 2639)<br />
Paulweber, Michael: Regulierungszuständigkeiten<br />
in der Telekommunikation: sektorspezifische<br />
Wettbewerbsaufsicht nach dem TKG<br />
durch die Regulierungsbehörde im Verhältnis<br />
zu den allgemeinen kartellrechtlichen Kompetenzen<br />
des Bundeskartellamts und der Europäischen<br />
Kommission. – Baden-Baden: Nomos,<br />
1999. – 292 S. (Law and economics of international<br />
telecommunications; 40)<br />
Wojahn, Jörg: Konzentration globaler <strong>Medien</strong>macht<br />
und das Recht auf Information. – Frankfurt:<br />
Lang, 1999. – 292 S. (Europäische Hochschulschriften,<br />
Reihe 02; 2687)<br />
75 Rundfunk<br />
Aberg, Carin: The sounds of radio: on radio as<br />
an auditive means of communication. – Stockholm:<br />
Departmernt of Journalism, Media and<br />
Communication, 1999. – 229 S. plus Anhang<br />
Booking 2000: Daten und Porträts deutscher<br />
Hörfunk- und Fernsehsender mit Hörfunkmarkt<br />
Österreich. – München: Neue <strong>Medien</strong>gesellschaft<br />
Ulm, 1999. – 153 S. (Media; 1)<br />
Controlling-Praxis in <strong>Medien</strong>unternehmen /<br />
Schneider, Beate (Hrsg.). – Neuwied: Luchterhand,<br />
1999. – 252 S.<br />
Corner, John: Critical ideas in television studies.<br />
– Oxford: Clarendon, 1999. – 139 S.<br />
Fromm, Bettina: Privatgespräche vor Millionen:<br />
Fernsehauftritte aus psychologischer und
soziologischer Perspektive. – Konstanz: UVK,<br />
1999. – 426 S. (Wissenschaftsforum; 6)<br />
<strong>Medien</strong><strong>wissenschaft</strong>en und <strong>Medien</strong>wertung /<br />
Ludes, Peter (Hrsg.). – Opladen: Westdeutscher,<br />
1999. – 223 S.<br />
Mit Sinn und Verstand: das Programmunternehmen<br />
WDR als Kultur- und Wirtschaftsfaktor<br />
in Nordrhein-Westfalen. – Köln: WDR,<br />
1999. – 50 S.<br />
Plake, Klaus: Talkshows: die Industrialisierung<br />
der Kommunikation. – Darmstadt: Primus,<br />
1999. – 175 S.<br />
Programmbericht zur Lage und Entwicklung<br />
des Fernsehens in Deutschland 1998/99. – Berlin:<br />
Ullstein, 1999. – 352 S.<br />
Quellen zur Programmgeschichte des deutschen<br />
Hörfunks und Fernsehens / Dussel, Konrad<br />
(Hrsg.). – Göttingen: Musterschmidt, 1999.<br />
– 460 S. (Quellensammlung zur Kulturgeschichte;<br />
24)<br />
Rundfunkpolitik in Deutschland: Wettbewerb<br />
und Öffentlichkeit Bd 1+2 / Schwarzkopf,<br />
Dietrich (Hrsg.). – München: dtv, 1999. – 612 S.<br />
(dtv-Taschenbuch; 30714)<br />
Schneider, Sandra: Neue Anforderungen an die<br />
Personalarbeit privater Fernsehveranstalter. –<br />
Köln: Institut für Rundfunkökonomie, 1999. –<br />
18 S. (Arbeitspapiere des Instituts für Rundfunkökonomie<br />
an der Universität zu Köln;<br />
117)<br />
Semeria, Stefano: Talk als Show, Show als Talk:<br />
deutsche und US-amerikanische Daytime<br />
Talkshows im Vergleich. – Opladen: Westdeutscher,<br />
1999. – 255 S.<br />
Strukturwandel medialer Programme: vom<br />
Fernsehen zu Multimedia / Paech, Joachim<br />
(Hrsg.). – Konstanz: UVK, 1999. – 200 S.<br />
Vom Sendespiel zur <strong>Medien</strong>kunst: die Geschichte<br />
des Hörspiels im Bayerischen Rundfunk:<br />
das Gesamtverzeichnis der Hörspielproduktion<br />
des Bayerischen Rundfunks 1949 –<br />
1999 / Kapfer, Herbert (Hrsg.). – München:<br />
Belleville, 1999. – 485 S.<br />
Weber, Wolfgang Maria: 50 Jahre deutsches<br />
Fernsehen: ein Rückblick auf die Lieblingssendungen<br />
in West und Ost. – München: Battenberg,<br />
1999. – 200 S.<br />
76 Werbung<br />
Dastyari, Soheil: Antimaterie Mann: Männlichkeit<br />
in der Werbung. – Bardowick: Wissen-<br />
Literaturverzeichnis<br />
schaftler Verlag, 1999. – 119 S. (IfAM-Arbeitsberichte;<br />
17)<br />
Engelhardt, Alexander von: Werbewirkungsmessung:<br />
Hintergründe, Methoden, Möglichkeiten<br />
und Grenzen. – München: R. Fischer,<br />
1999. – 203 S. (Angeandte <strong>Medien</strong>forschung;<br />
11)<br />
Planungsdaten Radio 2000. – Frankfurt: ARD-<br />
Werbung Media Marketing, 1999. – 114 S.<br />
82 Rezeptionsforschung<br />
Bonfadelli, Heinz: <strong>Medien</strong>wirkungsforschung<br />
Bd 1: Grundlagen und theoretische Perspektiven.<br />
– Konstanz: UVK, 1999. – 276 S. (Reihe<br />
Uni.papers; 10)<br />
Fowles, Jib: The case for television violence. –<br />
London: Sage, 1999. – 160 S.<br />
Gauntlett, David: Living tv: television, culture,<br />
and everyday life. – London: Routledge, 1999.<br />
– 313 S.<br />
Hamilton, James T.: Channeling violence: the<br />
economic market for violent television programming.<br />
– Princeton: Princeton University<br />
Press, 1999. – 390 S.<br />
Hartley, John: The uses of television. – London:<br />
Routledge, 1999. – 246 S.<br />
Isenbart, Jan: Das entfesselte Medium: Fernsehen<br />
und Forschung in Deutschland 1928 bis<br />
1998. – Kronberg: IP Deutschland, 1999. – 98 S.<br />
Jäckel, Michael: <strong>Medien</strong>wirkungen: ein Studienbuch<br />
zur Einführung. – Opladen: Westdeutscher<br />
Verlag, 1999. – 313 S.<br />
Kultur – <strong>Medien</strong> – Macht: cultural studies und<br />
<strong>Medien</strong>analyse / Hepp, Andreas (Hrsg.). – Opladen:<br />
Westdeutscher, 1999. – 384 S.<br />
Publikumsbindungen: <strong>Medien</strong>rezeption zwischen<br />
Individualisierung und Integration / Hasebrink,<br />
Uwe (Hrsg.). – München: R. Fischer,<br />
1999. – 193 S. (Angewandte <strong>Medien</strong>forschung;<br />
12)<br />
Rethinking the media audience: the new agenda<br />
/ Alasuutari, Pertti (Hrsg.). – London: Sage,<br />
1999. – 210 S.<br />
Television and common knowledge / Gripsrud,<br />
Jostein (Hrsg.). – London: Routledge, 1999. –<br />
209 S.<br />
Tudor, Andrew: Decoding culture: Theory and<br />
method in cultural studies. – London: Sage,<br />
Sage. – 208 S.<br />
159
M&K 48. Jahrgang 1/2000<br />
Winterhoff-Spurk, Peter: <strong>Medien</strong>psychologie:<br />
eine Einführung. – Stuttgart: Kohlhammer,<br />
1999. – 178 S.<br />
83 Kinder Jugendliche <strong>Medien</strong><br />
Ästhetik der Kinder: interdisziplinäre Beirtäge<br />
zur ästhetischen Erfahrung von Kindern /<br />
Neuß, Norbert (Hrsg.). – Frankfurt: GEP,<br />
1999. – 376 S. (Beiträge zur <strong>Medien</strong>pädagogik;<br />
5)<br />
Aufenanger, Stefan: Alles Werbung, oder was?:<br />
medienpädagogische Ansätze zur Vermittlung<br />
von Werbekompetenz im Kindergarten. – Kiel:<br />
ULR, 1999. – 276 S. (Themen, Thesen, Theorien;<br />
13)<br />
Fromme, Johannes: Computerspiele in der Kinderkultur.<br />
– Opladen: Leske + Budrich, 2000. –<br />
251 S. (Virtuelle Welten; 1)<br />
Götz, Maya: Mädchen und Fernsehen: Facetten<br />
der <strong>Medien</strong>aneignung in der weiblichen Adoleszenz.<br />
– München: Kopäd, 1999. – 400 S.<br />
<strong>Medien</strong>-Generation: Beiträge zum 16. Kongreß<br />
der Deutschen der Deutschen Gesellschaft für<br />
Erziehungs<strong>wissenschaft</strong> / Gogolin, Ingrid<br />
(Hrsg.). – Opladen: Leske + Budrich, 1999. –<br />
430 S.<br />
Neue und alte <strong>Medien</strong> im Alltag von Kindern<br />
und Jugendlichen: deutsche Teilergebnisse einer<br />
europäischen Studie. – Hamburg: Hans-<br />
Bredow-Institut, 1999. – 142 S.<br />
Opaschowski, Horst W.: generation @: die <strong>Medien</strong>revolution<br />
entläßt ihre Kinder: Leben im<br />
Informationszeitalter. – Hamburg: BAT, 1999.<br />
– 221 S.<br />
Ploetz, Anke von: Werbekompetenz von Kindern<br />
im Kindergartenalter: ein Experiment<br />
zum Erkennen von Werbung. – München:<br />
Kopäd, 1999. – 134 S. (Förderpreis <strong>Medien</strong>pädagogik;<br />
1)<br />
Selbstsozialisation, Kinderkultur und <strong>Medien</strong>nutzung<br />
/ Fromme, Johannes u. a. (Hrsg.). –<br />
Opladen: Leske + Budrich, 1999. – 384 S. (Reihe<br />
Kindheitsforschung; 12)<br />
Talkshows im Alltag von Jugendlichen: der tägliche<br />
Balanceakt zwischen Orientierung, Amüsement<br />
und Ablehnung. – Opladen: Leske +<br />
Budrich, 1999. – 557 S. (Schriftenreihe <strong>Medien</strong>forschung<br />
der Landesanstalt für Rundfunk<br />
Nordrhein-Westfalen; 32)<br />
160<br />
91 Literatur zu einzelnen Ländern<br />
Aufderheide, Patricia: Communications policy<br />
and the public interest: The Telecommunication<br />
Act of 1996. – New York: Guilford Press,<br />
1999. – 322 S.<br />
Caspi, Dan: The in/outsiders: the mass media in<br />
Israel.–Cresskill: Hampton Press, 1999.– 342 S.<br />
Cultural diversity and the U.S. media / Kamalipour,<br />
Yahya R. (Hrsg.). – Albany: State Univ.<br />
of New York Press, 1998. – 307 S.<br />
Davis, Richard: The web of politics: the internet’s<br />
impact on the American political system.<br />
– New York: Oxford Univ. Press, 1999. –<br />
225 S.<br />
Deutsche Welle in Russia: focus-group research<br />
in St. Petersburg, Novosibirsk, Novgorod<br />
1999. – Köln: DW, 1999. – 72 S. (DW <strong>Medien</strong>forschung)<br />
Hübner, Peter: Pressefreiheit in Rußland:<br />
Großaktionäre als Zensoren?. – Köln: Bundesinstitut<br />
für ost<strong>wissenschaft</strong>liche und internationale<br />
Studien, 1999. – getr. S.<br />
Images of Germany in the American media /<br />
Willis, Jim (Hrsg.). – Westport: Praeger, 1999.<br />
– 191 S.<br />
<strong>Medien</strong>situation und <strong>Medien</strong>untersuchung in<br />
China 1995. – Köln: DW, 1998. – 23 S. (DW<br />
<strong>Medien</strong>forschung)<br />
<strong>Medien</strong>situation und <strong>Medien</strong>untersuchung in<br />
China 1997, 1999. – Köln: DW, 1999. – 27 S.<br />
(DW <strong>Medien</strong>forschung)<br />
<strong>Medien</strong>situation und <strong>Medien</strong>untersuchung in<br />
den Baltischen Staaten 1997. – Köln: DW, 1998.<br />
– 19 S. (DW <strong>Medien</strong>forschung)<br />
<strong>Medien</strong>situation und <strong>Medien</strong>untersuchung in<br />
der Russischen Föderation 1997. – Köln: DW,<br />
1998. – 21 S. (DW <strong>Medien</strong>forschung)<br />
<strong>Medien</strong>situation und <strong>Medien</strong>untersuchung in<br />
der Slowakei 1997. – Köln: DW, 1998. – 19 S.<br />
(DW <strong>Medien</strong>forschung)<br />
<strong>Medien</strong>situation und <strong>Medien</strong>untersuchung in<br />
der Tschechischen Republik 1997. – Köln: DW,<br />
1998. – 21 S. (DW <strong>Medien</strong>forschung)<br />
<strong>Medien</strong>situation und <strong>Medien</strong>untersuchung in<br />
Rumänien 1997. – Köln: DW, 1998. – 21 S.<br />
(DW <strong>Medien</strong>forschung)<br />
<strong>Medien</strong>untersuchung in Äthiopien 1997. –<br />
Köln: DW, 1998. – 18 S. (DW <strong>Medien</strong>forschung)
<strong>Medien</strong>untersuchung in Afghanistan 1998. –<br />
Köln: DW, 1999. – 22 S. (DW <strong>Medien</strong>forschung)<br />
<strong>Medien</strong>untersuchung in Brasilien 1998. – Köln:<br />
DW, 1999. – 26 S. (DW <strong>Medien</strong>forschung)<br />
<strong>Medien</strong>untersuchung in Bulgarien 1997. –<br />
Köln: DW, 1998. – 25 S. (DW <strong>Medien</strong>forschung)<br />
<strong>Medien</strong>untersuchung in Chile 1998. – Köln:<br />
DW, 1999. – 25 S. (DW <strong>Medien</strong>forschung)<br />
<strong>Medien</strong>untersuchung in Costa Rica. – Köln:<br />
DW, 1999. – 8 S. (DW <strong>Medien</strong>forschung)<br />
<strong>Medien</strong>untersuchung in den USA 1998. – Köln:<br />
DW, 1999. – 25 S. (DW <strong>Medien</strong>forschung)<br />
<strong>Medien</strong>untersuchung in der Russischen Föderation<br />
1998. – Köln: DW, 1999. – 19 S. (DW<br />
<strong>Medien</strong>forschung)<br />
<strong>Medien</strong>untersuchung in der Türkei 1999. –<br />
Köln: DW, 1999. – 21 S. (DW <strong>Medien</strong>forschung)<br />
Literaturverzeichnis<br />
<strong>Medien</strong>untersuchung in Jugoslawien (Serbien<br />
und Montenegro) 1998. – Köln: DW, 1999. –<br />
21 S. (DW <strong>Medien</strong>forschung)<br />
<strong>Medien</strong>untersuchung in Panama. – Köln: DW,<br />
1999. – 4 S. (DW <strong>Medien</strong>forschung)<br />
<strong>Medien</strong>untersuchung in Polen 1997. – Köln:<br />
DW, 1998. – 24 S. (DW <strong>Medien</strong>forschung)<br />
Die Nutzung von Auslandsrundfunk bei kosovarischen<br />
Flüchtlingen in Albanien. – Köln:<br />
DW, 1999. – 8 S.<br />
Pfeifer, Bruno: Fernsehordnung in Italien: Status<br />
quo und Reform. – Berlin: Duncker &<br />
Humblot, 1999. – 241 S. (Tübinger Schriften<br />
zum internationalen und europäischen Recht;<br />
50)<br />
Sadkovich, James J.: The US media and Yugoslavia,<br />
1991 – 1995. – Westport: Praeger, 1999.–<br />
272 S.<br />
Sinclair, John: Latin American television: a global<br />
view. – Oxford: Oxford University Press,<br />
1999. – 187 S.<br />
161
English Abstracts<br />
Wolfgang Hoffmann-Riem: Theses on the regulation of the dual broadcasting system<br />
(Thesen zur Regulierung der dualen Rundfunkordnung), pp. 7 – 21<br />
The dual broadcasting system has proven its worth in Germany. Its regulation, however,<br />
must be adapted to changing multimedia markets. The future regulation of the media<br />
will have to focus more strongly on the organisation of upstream, sidestream and downstream<br />
activities. Above all, equal opportunities need to be guaranteed with respect to<br />
access. Self-regulation is indispensable for the media, but it requires supplementary state<br />
safeguards to ensure the workability of the media order.<br />
Otfried Jarren: Societal integration through the media? On the justification of normative<br />
requirements for the media (Gesellschaftliche Integration durch <strong>Medien</strong>?<br />
Zur Begründung normativer Anforderungen an <strong>Medien</strong>), pp. 22 – 41<br />
The article addresses the integration concepts on media communication currently discussed<br />
in the scientific community. Traditional concepts often overrate the integration<br />
potential of the media by expecting concrete material accomplishment. This expectation<br />
finds its expression in specific normative targets. More recent systems-theory reflections,<br />
on the other hand, scale down, so to speak, these integrative accomplishment to<br />
communication processes. Apparently, normative requirements are then no longer necessary.<br />
The author shows that, by handling and making themes available from all societal<br />
subsystems, the media are able to, de facto as well as symbolically, make an integrative<br />
contribution. This does not, on the other hand, make the normative requirements<br />
on integrative communication obsolete: through these requirements media organisations<br />
are set a societal orientation, since the actors of society are able to critically address<br />
concrete accomplishments. Through media policy safeguards (structural diversity in the<br />
media system), accomplishment-focused mandates for the media, and editorial requirements<br />
of (self-)evaluation or quality management the commitment to integrative communication<br />
can be stabilised.<br />
Ralph Weiss: “Practical meaning”, social identity and tele-vision. A concept for the<br />
analysis of how cultural action is embedded in the everyday world (“Praktischer<br />
Sinn”, soziale Identität und Fern-Sehen: Ein Konzept für die Analyse der Einbettung<br />
kulturellen Handelns in die Alltagswelt), pp. 42 – 62<br />
The analysis of the life world context in which media use is embedded plays a key role<br />
for the development of theory formation in the field of communications research. The<br />
article demonstrates this by referring to both the framing approach and the cultural studies<br />
discussion. On the basis of Bourdieu’s theory of practice a system of generative principles<br />
of action and of perception is outlined. The system offers a frame of reference for<br />
the analysis of action-guiding themes that characterise the subjective meaning of media<br />
use. The meaning media use can have is inferable from the “subjective forms” into which<br />
media cultural objectivations are translated. In order to characterise these forms the<br />
approach falls back on Hegel’s psychology. A particular focus is the recipience of the<br />
audiovisual medium television. The heuristic potential of these “intellectual tools” is<br />
subsequently discussed by referring to a study on parasocial relations.<br />
162
English Abstracts<br />
Britta M. Schultheiss/Stefan A. Jenzowsky: Infotainment: The influence of emotionalising<br />
and affectively-orientated presentation on credibility (Infotainment: Der<br />
Einfluss emotionalisierend-affektionierter Darstellung auf die Glaubwürdigkeit),<br />
pp. 63 – 84<br />
Infotainment programmes on television are becoming increasingly popular. The acceptance<br />
and entertainment value of these programmes is apparently based to a major extent<br />
on an emotionalising and affectively-orientated presentation of information. In order to<br />
examine the influence of this manner of presentation under the condition of a constant<br />
information content the emotionalising content of the infotainment programme “Die<br />
Reporter” on the TV channel Pro-7 was manipulated in an experiment. In an experimental<br />
2x2 design the emotionalising and affectively-orientated content a) of three individual<br />
contributions and b) of three presentation lead-ins to the contributions were varied,<br />
with professional versions being created with the help of the reporters. It became<br />
clear that (with the assessment of informativeness remaining the same) an increased degree<br />
of emotionalising presentation led to a clearly reduced credibility. Furthermore, the<br />
credibility of the information presented was influenced to equal degrees by an emotionalising<br />
presentation in the contributions and in the presentation lead-ins.<br />
Ulrich Saxer: Myth of the Postmodern: Communications research reservations<br />
(Mythos Postmoderne: <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>liche Bedenken), pp. 85 – 92<br />
Particularly in France, the traditional and established set of research tools is being deconstructed<br />
under the concept of the “Postmodern”. Indeed, the verdict of naive rationalism<br />
is passed on the term “modern” and, correspondingly, a “wild” and exceedingly<br />
anti-empirical way of thinking regarding societal matters, in particular media communication<br />
is fostered. A certain proximity to the subject-orientated radical constructivism<br />
cannot be overlooked, a group with which the Postmodernists share the lack of structural<br />
resemblance, of isomorphism of their theories with a subject such as the media,<br />
which is strongly determined by meso- and macro-level influences. Empirical communications<br />
research, a basis from which the line of argument presented here emanates, is,<br />
for all these reasons, definitely advisable, in order to avoid being taken in by a fashionable<br />
Postmodernism, even more so in view of the fact that the term “Postmodern” is<br />
never really clarified. The latter thus remains a myth, which, unfortunately, once again<br />
impairs the recipience to suggestions from the Romance-language area.<br />
Karl-Heinz Ladeur: The “functional mandate” of public-service broadcasting –<br />
committed to “integration” or self-defined? Comments on three legal opinions (Der<br />
“Funktionsauftrag” des öffentlich-rechtlichen Rundfunks – auf “Integration” festgelegt<br />
oder selbst definiert? Anmerkungen zu drei Rechtsgutachten), pp. 93 – 106<br />
The recent disccussion about the “functional mandate” of public broadcasting attempts<br />
to legally manage the crisis of integration broadcasting through the different strategies.<br />
Bullinger’s legal opinion seeks to commit public-servive broadcasting to its traditional<br />
political and cultural tasks through “substantive” statutory provisions. The legal opinions<br />
of Holznagel and Vesting, on the other hand, would like to grant greater autonomy<br />
to the professional component of public-service broadcasting. The article tries to<br />
analyse the advantages and weaknesses of the two concepts.<br />
163
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieses Heftes<br />
PD Dr. Joan Kristin Bleicher, Literatur<strong>wissenschaft</strong>liches Seminar, Universität Hamburg<br />
· Dr. Thomas Bruns, Universität Duisburg · Dr. Elisabeth Clausen-Muradian,<br />
AVE Gesellschaft für Hörfunkbeteiligungen mbH, Hannover · Prof. Dr. Dieter<br />
Dörr, LS für Öffentliches Recht einschl. Völker- und Europarecht, Johannes-Gutenberg-Universität<br />
Mainz · Dr. Christiane Eilders, Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung,<br />
Berlin · Prof. Dr. Wolfgang Hoffmann-Riem, Bundesverfassungsgericht<br />
Karlsruhe, FB Rechts<strong>wissenschaft</strong> der Universität Hamburg · Prof. Dr. Michael<br />
Jäckel, LS für Konsum- und <strong>Kommunikations</strong>forschung, Universität Trier · Prof. Dr.<br />
Otfried Jarren, Institut für Publizistik<strong>wissenschaft</strong> und <strong>Medien</strong>forschung an der Universität<br />
Zürich, Hans-Bredow-Institut für <strong>Medien</strong>forschung an der Universität Hamburg<br />
· Stefan Jenzowsky, M. A., Institut für <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong> (ZW),<br />
Ludwig-Maximilians-Universität München · Prof. Dr. Karl-Heinz Ladeur, European<br />
University Institute, Department of Law, Florenz, FB Rechts<strong>wissenschaft</strong> der Universität<br />
Hamburg · Dr. Udo Michael Krüger, IFEM Institut für empirische <strong>Medien</strong>forschung<br />
GmbH, Köln · Prof. Dr. Hans-Dieter Kübler, FB Bibliothek und Information,<br />
FH Hamburg · Dr. Margret Lünenborg, Institut für <strong>Kommunikations</strong>- und<br />
<strong>Medien</strong><strong>wissenschaft</strong>, Universität Leipzig · Prof. Dr. Roland Mangold, Vertretung des<br />
Lehrstuhls Psychologie III, Universität Mannheim · Prof. Dr. Ulrich Saxer, Universität<br />
Lugano · Britta M. Schultheiss, Institut für <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong> (ZW),<br />
Ludwig-Maximilians-Universität München · PD Dr. Tilmann Sutter, Psychologisches<br />
Institut, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg · Dipl.-Psych. Sabine Trepte,<br />
Institut für Journalistik und <strong>Kommunikations</strong>forschung, Hochschule für Musik und<br />
Theater Hannover<br />
164
Hinweise für Autorinnen und Autoren<br />
Die <strong>wissenschaft</strong>liche Vierteljahreszeitschrift „<strong>Medien</strong> & <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>“<br />
(bis Ende 1999 „Rundfunk und Fernsehen – Zeitschrift für <strong>Medien</strong>- und <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>“)<br />
wird seit 1953 vom Hans-Bredow-Institut herausgegeben<br />
und redaktionell betreut. Die Zeitschrift ist ein interdisziplinäres Forum für theoretische<br />
und empirische Beiträge aus der gesamten <strong>Medien</strong>- und <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>.<br />
Für die Publikation in „<strong>Medien</strong> & <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>“ kommen folgende<br />
Textsorten in Betracht:<br />
• Aufsätze sollen ein Moment originärer theoretischer Leistung beinhalten bzw. einen<br />
theoretisch weiterführenden Argumentationsgang bieten;<br />
• Berichte sollen Befunde zu einem ausgewiesenen Problem von theoretischer oder<br />
medienpraktischer Relevanz darstellen;<br />
• Unter der Rubrik Diskussion sollen Beiträge erscheinen, die innerhalb eines <strong>wissenschaft</strong>lichen<br />
Diskurses Position beziehen und die Diskussion voranbringen können.<br />
Dabei können auch spekulative Betrachtungen fruchtbar sein.<br />
• Literaturberichte/-aufsätze sollen Literatur bzw. ausgewählte Literatur zu bestimmten<br />
Problemstellungen systematisch und vergleichend zusammenfassen und<br />
eine Übersicht über den Stand der Theorie und/oder Empirie geben.<br />
Die Redaktion bietet außerdem die Möglichkeit zur Stellungnahme und Erwiderung zu<br />
publizierten Beiträgen der oben genannten Kategorien. Stellungnahmen und Erwiderungen,<br />
die den in „<strong>Medien</strong> & <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>“ üblichen inhaltlichen und<br />
formalen Standards entsprechen und geeignet sind, die <strong>wissenschaft</strong>liche Diskussion zu<br />
fördern, werden im nächstmöglichen Heft publiziert. Die Redaktion räumt dabei dem<br />
Autor bzw. der Autorin des Beitrages, auf den sich die Stellungnahme bezieht, die Möglichkeit<br />
einer Erwiderung ein.<br />
Manuskripte, die zur Publikation in „<strong>Medien</strong> & <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>“ eingereicht<br />
werden, dürfen nicht anderweitig veröffentlicht sein und bis Abschluss des Begutachtungsverfahrens<br />
nicht anderen Stellen zur Veröffentlichung angeboten werden.<br />
Im Sinne der Förderung des <strong>wissenschaft</strong>lichen Diskurses und der kumulativen Forschung<br />
sowie der Qualitätssicherung legt die Redaktion bei der Begutachtung von Beiträgen<br />
besonderen Wert darauf, dass größtmögliche Transparenz hinsichtlich der verwendeten<br />
Daten hergestellt wird. Autorinnen und Autoren empirischer Beiträge verpflichten<br />
sich mit der Einreichung des Manuskripts, dass sie die Art und Weise der Datenerhebung<br />
bzw. den Zugang zu Datenbeständen, die von Dritten (z. B. Datenbanken) zur<br />
Verfügung gestellt worden sind, ausreichend dokumentieren, um so die Voraussetzungen<br />
für Sekundäranalysen und Replikationen zu schaffen. Zugleich erklären sie sich bereit,<br />
die verwendeten Daten bei <strong>wissenschaft</strong>lich begründeten Anfragen im Rahmen der jeweils<br />
gegebenen Möglichkeiten für weitere Analysen zur Verfügung zu stellen.<br />
Formalien:<br />
• Manuskripte sind der Redaktion in dreifacher Ausfertigung zuzuschicken.<br />
• Da die eingereichten Manuskripte anonymisiert begutachtet werden, sind zwei Titelblätter<br />
erforderlich: eines mit Angabe des Titels und der Namen und Anschriften<br />
der Autorinnen und Autoren, eines ohne Anführung der Namen und Adressen. Das<br />
Manuskript selbst darf keine Hinweise auf die Autorinnen und Autoren enthalten.
M&K 48. Jahrgang 1/2000<br />
• Beizufügen ist eine kurze Zusammenfassung des Beitrags (max. 15 Zeilen), die dem<br />
Leser als selbständiger Text einen hinreichenden Eindruck vom Inhalt des jeweiligen<br />
Beitrags vermittelt.<br />
• Der Umfang der Beiträge soll 20 Manuskriptseiten (36.000 Zeichen) nicht überschreiten.<br />
• Die Manuskriptseiten müssen im DIN A4-Format (einseitig), anderthalbzeilig beschrieben<br />
und mit ausreichendem Rand versehen sein.<br />
• Gliederung des Textes: Jedes Kapitel und Unterkapitel sollte mit einer Überschrift<br />
(in Dezimalzählung) versehen sein.<br />
• Hervorhebungen im Text sind kursiv oder fett zu kennzeichnen.<br />
• Für Hinweise und Literaturbelege bestehen wahlweise zwei Möglichkeiten:<br />
a) durch Angabe von Autor, Erscheinungsjahr und Seitenziffer im fortlaufenden<br />
Text – z. B.: . . . (Müller, 1990: 37 – 40) . . . –, wobei der vollständige bibliographische<br />
Nachweis über ein Literaturverzeichnis im Anschluss an den Beitrag erfolgt;<br />
b) über durchnumerierte Anmerkungsziffern, wobei der Text der Anmerkung auf<br />
der entsprechenden Seite aufgeführt wird.<br />
Über eine Annahme des Manuskripts und den Zeitpunkt der Veröffentlichung entscheidet<br />
die Redaktion auf der Grundlage redaktionsinterner und externer Gutachten.<br />
Dem/der Autor/in wird die Redaktionsentscheidung schriftlich mitgeteilt. Im Falle einer<br />
Entscheidung für Überarbeitung, Neueinreichung oder Ablehnung legt die Redaktion<br />
die Gründe für ihre Entscheidung offen. Dazu werden die anonymisierten Gutachten,<br />
evtl. auch nur in Auszügen, zugesandt. Das Begutachtungsverfahren ist in der<br />
Regel sechs Wochen nach Eingang des Manuskripts abgeschlossen; falls die Begutachtung<br />
längere Zeit erfordert, werden die Autor/inn/en benachrichtigt.<br />
Von jedem Originalbeitrag werden 20 Sonderdrucke kostenlos zur Verfügung gestellt.<br />
Weitere Sonderdrucke können bei Rückgabe der Fahnenkorrektur an die Redaktion<br />
schriftlich gegen Rechnung bestellt werden.<br />
Verlag und Redaktion haften nicht für Manuskripte, die unverlangt eingereicht werden.<br />
Mit der Annahme eines Manuskripts erwirbt der Verlag von den Autorinnen und Autoren<br />
alle Rechte, insbesondere auch das Recht der weiteren Vervielfältigung zu gewerblichen<br />
Zwecken im Wege des fotomechanischen oder eines anderen Verfahrens.<br />
Anschrift der Redaktion: Hans-Bredow-Institut<br />
Heimhuder Straße 21, 20148 Hamburg (Tel. 0 40/45 02 17-41)<br />
<strong>Medien</strong> & <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong><br />
Herausgegeben vom Hans-Bredow-Institut für <strong>Medien</strong>forschung an der Universität Hamburg<br />
ISSN 0035-9874<br />
Die Zeitschrift sowie alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung,<br />
die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des<br />
Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und<br />
die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.<br />
Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden, Hamburg 2000. Printed in Germany.<br />
Bezugsbedingungen: Die Zeitschrift erscheint vierteljährlich (4 Hefte jährlich), Jahresabonnement 98,– DM, Jahresabonnement<br />
für Studenten 50,– DM (gegen Nachweis), Einzelheft 28,– DM, jeweils zuzügl. Versandkosten<br />
(inkl. MwSt); Bestellungen nehmen der Buchhandel und der Verlag entgegen; Abbestellungen vierteljährlich zum<br />
Jahresende. Zahlung jeweils im Voraus an Nomos Verlagsgesellschaft, Postscheckk. Karlsruhe 736 36-751 und<br />
Stadtsparkasse Baden-Baden, Konto 5-002 266.<br />
Verlag und Anzeigenannahme: Nomos Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, 76520 Baden-Baden,<br />
Telefon: (0 72 21) 21 04-0, Telefax: 21 04 27.
M&K 2000/1 <strong>Medien</strong> & <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>