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Kommunikations- wissenschaft - Medien ...

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HANS-BREDOW-INSTITUT E 20039 F<br />

&<br />

<strong>Medien</strong><br />

<strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong><br />

Elisabeth Klaus / Stephanie Lücke<br />

Reality TV – Definition und Merkmale einer erfolgreichen<br />

Genrefamilie am Beispiel von Reality Soap und Docu Soap<br />

Volker Gehrau<br />

(Film-) Genres und die Reduktion von Unsicherheit<br />

Barbara Pfetsch<br />

Symbolische Geräusche über die Anderen – Die Öffentlichkeit<br />

über <strong>Medien</strong>politik in Pressekommentaren<br />

Christiane Eilders / Katrin Voltmer<br />

Zwischen Deutschland und Europa. Eine empirische<br />

Untersuchung zum Grad von Europäisierung und<br />

Europa-Unterstützung der meinungsführenden deutschen<br />

Tageszeitungen<br />

Wolfgang Schweiger / Hans-Bernd Brosius<br />

Eurovision Song Contest – beeinflussen Nachrichtenfaktoren<br />

die Punktvergabe durch das Publikum?<br />

Nomos Verlagsgesellschaft<br />

Baden-Baden<br />

M&K 51. Jg. 2003/2


II<br />

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HANS-BREDOW-INSTITUT<br />

<strong>Medien</strong><br />

<strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong><br />

&<br />

Redaktion:<br />

Joan Kristin Bleicher, Hardy Dreier, Christiane Eilders,<br />

Uwe Hasebrink, Anja Herzog, Claudia Lampert, Christiane Matzen,<br />

Hermann-Dieter Schröder, Wolfgang Schulz, Jutta Simon,<br />

Ralph Weiß<br />

Nomos Verlagsgesellschaft<br />

Baden-Baden<br />

M&K 51. Jg. 2003/2


188


Editorial<br />

Die Qualität der Zeitschrift „<strong>Medien</strong> & <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>“, die seit 1953<br />

vom Hans-Bredow-Institut herausgegeben und redaktionell betreut wird, ist in vielfältiger<br />

Weise von der Mitarbeit der Scientific Community abhängig. Die Redaktion möchte<br />

daher für größtmögliche Transparenz des Begutachtungsverfahrens und der Arbeitsweise<br />

der Redaktion sorgen. Sie tut dies in diesem Editorial sowie mit jährlichen Kurzberichten<br />

für die Mitgliederversammlung der DGPuK und mit entsprechenden Seiten<br />

unter www.hans-bredow-institut.de.<br />

Begutachtungsverfahren<br />

In den letzten zehn Jahren hat die Redaktion ein Begutachtungsverfahren entwickelt,<br />

das sich mittlerweile sehr gut eingespielt hat. Manuskripte werden beim Eingang von<br />

der Redakteurin Christiane Matzen anonymisiert, so dass auch den redaktionsinternen<br />

Gutachtern die Verfasser nicht bekannt sind. Auf der Basis eines ersten redaktionsinternen<br />

Gutachtens diskutiert die wöchentlich tagende Redaktion, der neben der<br />

Redakteurin Wissenschaftliche Referent(inn)en des Hans-Bredow-Instituts angehören,<br />

mögliche externe Gutachter(innen). In der Regel werden mittlerweile zwei externe<br />

Gutachten eingeholt – manchmal weniger, etwa weil die angefragten Personen ihr<br />

Gutachten nicht liefern, mal mehr, etwa wenn zwischen den Gutachten gravierende<br />

Abweichungen bestehen. Außerdem begutachten zwei oder mehr Redaktionsangehörige<br />

das Manuskript. Es liegen damit gewöhnlich drei bis vier Gutachten zu einem<br />

Text vor.<br />

Die Redaktion diskutiert auf der Grundlage der Voten über die Annahme und den<br />

Zeitpunkt der Veröffentlichung. Den Autor(inn)en wird die Redaktionsentscheidung<br />

schriftlich mitgeteilt. Im Falle einer Entscheidung für Überarbeitung, Neueinreichung<br />

oder Ablehnung legt die Redaktion die Gründe für ihre Entscheidung offen. Dazu werden<br />

die anonymisierten Gutachten, evtl. auch nur in Auszügen, zugesandt. Das Begutachtungsverfahren<br />

soll in der Regel sechs Wochen nach Eingang des Manuskripts abgeschlossen<br />

sein; falls die Begutachtung länger dauert, werden die Autor(inn)en benachrichtigt.<br />

Eine Besonderheit stellen so genannte „Themenhefte“ dar. In Zusammenarbeit mit<br />

Gastherausgeber(inne)n veröffentlicht die Redaktion dazu zunächst einen Call for<br />

Papers. Auf der Basis von Abstracts wird entschieden, welche Beiträge eingeladen werden<br />

sollen. Das Begutachtungsverfahren erfolgt dann weitestgehend wie üblich: Neben<br />

einer Begutachtung durch die Gastherausgeber(innen) und die Redaktion werden in der<br />

Regel auch weitere externe Gutachten eingeholt.<br />

Statistik<br />

Die folgende Tabelle zeigt eine Auswertung der Annahme- und Ablehnungspraxis von<br />

M&K für den Dreijahreszeitraum 2000–2002.<br />

Insgesamt wurden in den drei Jahren 131 Manuskripte eingereicht. Sichtbar ist zum<br />

einen die Bedeutung der Themenhefte für die Akquisition von Manuskripten: Die Zahl<br />

der unaufgefordert eingehenden Manuskripte (30 bis 35 pro Jahr) erscheint angesichts<br />

der Zahl medien- und kommunikations<strong>wissenschaft</strong>licher Institute und der Mitglieder<br />

der DGPuK recht gering.<br />

189


M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />

Sichtbar wird zum anderen, dass etwa gut die Hälfte der eingereichten Manuskripte<br />

gedruckt werden. Nicht sichtbar ist, dass dies im Regelfall nach mehr oder weniger umfangreichen<br />

Überarbeitungen geschieht, die auf Empfehlungen in den Gutachten oder<br />

auf Änderungsauflagen der Redaktion zurückgehen. Neben den angenommenen und<br />

abgelehnten Manuskripten zeigt die Übersicht die Zahl der noch im Verfahren befindlichen<br />

Vorgänge, sei es, weil die Autor(inn)en noch bei der erbetenen Überarbeitung<br />

oder die Redaktion noch bei der Begutachtung sind. Bei den wenigen älteren Vorgängen<br />

handelt es sich um Fälle, in denen eine Überarbeitung angekündigt war, bisher<br />

allerdings noch nicht eingereicht wurde.<br />

Überblick über die Annahme-/Ablehnungspraxis bei M&K 2000–2002<br />

Manuskriptangebote<br />

Gesamt davon für angenom- abgelehnt* im Verfahren* Externe<br />

Themenhefte men* Gutachten<br />

Gesamt 131 34 79 42 10<br />

(100%) (60%) (32%) (8%) 131<br />

2000 41 10 24 15 2 34<br />

2001 46 10 29 14 3 41<br />

2002 44 14 26 13 5 57<br />

* Stand: 26. Mai 2003<br />

Lesebeispiel: Im Jahr 2001 gelangten insgesamt 46 Manuskripte in das Verfahren. Darunter waren 10, die auf einen<br />

Call for Papers der Redaktion für ein Themenheft reagierten. Von den insgesamt 46 Manuskripten wurden<br />

29 angenommen, 14 wurden abgelehnt, die übrigen drei befinden sich noch in der Überarbeitung bzw. es ist unklar,<br />

ob sie noch erneut eingereicht werden. Insgesamt wurden 41 externe Gutachten geliefert.<br />

Eine detailliertere Auswertung (nachzulesen unter www.hans-bredow-institut.de) ergab,<br />

dass weder der Status noch das Geschlecht der Autor(inn)en oder die Frage, ob<br />

allein oder im Team eingereicht wurde, einen wesentlichen Einfluss darauf hat, ob oder<br />

ob nicht in M&K veröffentlicht wird, ob also die von den Gutachter(inne)n angelegten<br />

<strong>wissenschaft</strong>lichen Qualitätskriterien erfüllt wurden.<br />

Externe Gutachter<br />

Wie in der Tabelle dokumentiert, wurden in den drei Jahren 2000–2002 insgesamt 131<br />

externe Voten von 109 Gutachter(inne)n erstellt, wobei die Zahl über die drei Jahre deutlich<br />

angestiegen ist. Diese hohe Zahl belegt einerseits das Bemühen der Redaktion, die<br />

Scientific Community möglichst breit an der Qualitätskontrolle der Zeitschrift zu beteiligen<br />

und jeweils die für das jeweilige Thema besonders einschlägigen Expert(inn)en<br />

anzufragen. Sie zeigt andererseits auch, in welch großem Ausmaß sich die Community<br />

an dem Peer Reviewing-Verfahren beteiligt.<br />

Die Redaktion möchte daher die Gelegenheit nutzen, den vielen Kolleginnen und<br />

Kollegen, die die Zeitschrift mit Gutachten aktiv unterstützt haben, ganz besonders<br />

herzlich zu danken. Um auch die Anonymität der Gutachter gegenüber den Autoren<br />

sicherzustellen, erfolgt dieser öffentliche Dank mit zeitlicher Verzögerung. Im Zeitraum<br />

2000–2002 haben uns mit Gutachten unterstützt: Ruth Ayaß, Eva Barlösius, Klaus Beck,<br />

Günter Bentele, Joan Kristin Bleicher, Heinz Bonfadelli, Frank Brettschneider, Michael<br />

Charlton, Gregor Daschmann, Thomas Dlugaiczyk, Karen Dollhausen, Nicola Döring,<br />

190


Editorial<br />

Jörg Eberspächer, Jens Eder, Wolfgang Eichhorn, Christiane Eilders, Lutz Erbring,<br />

Frank Fischer, Rüdiger Funiok, Volker Gehrau, Uli Gleich, Ulrike Haß-Zumkehr,<br />

Robert Hawkins, Barbara Held, Jörg Hennig, Andreas Hepp, Wolfgang Hirner,<br />

Joachim R. Höflich, Birgitt Höldke, Werner Holly, Walter Hömberg, Matthias Karmasin,<br />

Judith Keilbach, Angela Keppler, Susanne Keuneke, Hans J. Kleinsteuber, Daniela<br />

Kloock, Ursula Koch, Manfred Kops, Helga Kotthoff, Friedrich Krotz, Susanne<br />

Kubisch, Hans-Dieter Kübler, Thomas Kurtz, Maria Lauber, Anja Leppin, Martin Löffelholz,<br />

Johannes Ludwig, Ursula Maier-Rabler, Mirko Marr, Ekkehard Mochmann,<br />

Axel Mühlbacher, Wolfgang Mühl-Benninghaus, Stefan Müller-Doohm, Ute Nawratil,<br />

Christoph Neuberger, Klaus Neumann-Braun, Norbert Neuß, Ekkehardt Oehmichen,<br />

Peter Ohler, Wolfram Peiser, Barbara Pfetsch, Horst Pöttker, Ludger Pries, Jo Reichertz,<br />

Gertrude Robinson, Jutta Röser, Helge Rossen-Stadtfeld, Ulrike Röttger, Georg<br />

Ruhrmann, Christoph Rybarcyk, Ulrich Sarcinelli, Horst G. Scarbath, Michael Schaffrath,<br />

Bertram Scheufele, Axel Schmidt, Siegfried J. Schmidt, Irmela Schneider, Jens-<br />

Peter Schneider, Angela Schorr, Wolfgang Schuldzinski, Helmut Schultze-Fielitz, Wolfgang<br />

Schweiger, Jörg Schweinitz, Gabriele Siegert, Ulrike Six, Hans-Jörg Stiehler,<br />

Martin Stock, Thomas Sudholt, Caja Thimm, Barbara Thomaß, Josef Trappel, Joachim<br />

Trebbe, Sabine Trepte, Hans-Heinrich Trute, Dagmar Unz, Waldemar Vogelgesang,<br />

Gerhard Vowe, Andrea Warnke, Siegfried Weischenberg, Hans-Jürgen Weiß, Stefan<br />

Welling, Joachim Westerbarkey, Jürgen Wilke, Rainer Winter, Werner Wirth, Jens<br />

Woelke, Peter Wuss und Camille Zubayr.<br />

Aufnahme in den Social Science Citation Index und Perspektiven<br />

Bereits vor längerer Zeit hat die Redaktion einen Antrag auf Aufnahme der Zeitschrift<br />

in den Social Science Citation Index SSCI gestellt. Der Vorstand der DGPuK hat dieses<br />

Anliegen im April durch ein entsprechendes Schreiben an die Firma ISI Thomson, die<br />

den SSCI herausgibt, sowohl für M&K als auch für die „Publizistik“ unterstützt. Leider<br />

hat sich ISI Thompson mittlerweile dennoch gegen eine Aufnahme der beiden Zeitschriften<br />

in den SSCI entschieden. Auf Nachfrage wurde erklärt, dass M&K zwar den<br />

dort vorausgesetzten formalen Kriterien entspräche; ein Problem aus Sicht von ISI ergibt<br />

sich daraus, dass M&K als deutschsprachige Zeitschrift international vergleichsweise<br />

wenig zitiert wird.<br />

Ein neues Evaluationsverfahren kann in zwei Jahren beantragt werden. Derweil wird<br />

sich die Redaktion weiter bemühen, die Wahrnehmbarkeit von M&K in internationalen<br />

Verzeichnissen zu erhöhen.<br />

Die Redaktion<br />

191


M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />

192


BERICHTE<br />

INHALTSVERZEICHNIS<br />

Elisabeth Klaus / Stephanie Lücke Reality TV – Definition und Merkmale einer erfolgreichen<br />

Genrefamilie am Beispiel von Reality Soap<br />

und Docu Soap . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195<br />

Volker Gehrau (Film-) Genres und die Reduktion von Unsicherheit 213<br />

Barbara Pfetsch Symbolische Geräusche über die Anderen – Die Öffentlichkeit<br />

über <strong>Medien</strong>politik in Pressekommentaren<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232<br />

Christiane Eilders / Katrin Voltmer Zwischen Deutschland und Europa. Eine empirische<br />

Untersuchung zum Grad von Europäisierung<br />

und Europa-Unterstützung der meinungsführenden<br />

deutschen Tageszeitungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250<br />

Wolfgang Schweiger / Eurovision Song Contest – beeinflussen Nachrich-<br />

Hans-Bernd Brosius tenfaktoren die Punktvergabe durch das Publikum? 271<br />

LITERATUR<br />

Besprechungen<br />

Ruth Ayaß Andy Ruddock: Understanding Audiences. Theory<br />

and Method. London/Thousand Oaks/New Delhi:<br />

Sage, 2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295<br />

Theresia Birkenhauer Irina O. Rajewsky: Intermedialität. Tübingen:<br />

Francke, 2002 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297<br />

Joan Kristin Bleicher Michael Haller (Hrsg.): Die Kultur der <strong>Medien</strong>. Untersuchungen<br />

zum Rollen- und Funktionswandel<br />

des Kulturjournalismus in der <strong>Medien</strong>gesellschaft.<br />

Münster: LIT Verl., 2002 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299<br />

Marco Czygan Siegbert Messmer: Digitales Fernsehen in Deutschland.<br />

Eine industrieökonomische Analyse des wirtschaftspolitischen<br />

Handlungsbedarfs. Frankfurt am<br />

Main u. a.: Peter Lang 2002 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300<br />

Udo Göttlich Andreas Hepp / Martin Löffelholz (Hrsg.): Grundlagentexte<br />

zur transkulturellen Kommunikation.<br />

Konstanz: UVK 2002 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302<br />

Hans Mathias Kepplinger Werner Wirth / Edmund Lauf (Hrsg.): Inhaltsanalyse.<br />

Perspektiven, Probleme, Potentiale. Köln: Halem<br />

Verl., 2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304<br />

193


M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />

Ulrike Röttger Claudia Mast: Unternehmenskommunikation. Ein<br />

Leitfaden. Stuttgart: Lucius und Lucius, 2002 . . . . 305<br />

Zeitschriftenlese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308<br />

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330<br />

English abstracts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337<br />

Autorinnen und Autoren<br />

dieses Heftes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340<br />

Hinweise für Autorinnen<br />

und Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341<br />

194


Reality TV – Definition und Merkmale einer<br />

erfolgreichen Genrefamilie am Beispiel von<br />

Reality Soap und Docu Soap<br />

Elisabeth Klaus / Stephanie Lücke<br />

BERICHTE<br />

Traumquoten für „Deutschland sucht den Superstar“ (RTL), der Grimme-Preis für<br />

„Schwarzwaldhaus 1902“ (SWR), Start der vierten Staffel von „Big Brother“ (RTL II):<br />

Alltagspersonen und Alltagsthemen haben im Fernsehen Hochkonjunktur. Mit Bezug auf<br />

frühere Studien definiert der Beitrag Reality TV als eine höchst lebendige Genrefamilie,<br />

die zahlreiche Genres in sich vereint, darunter die „Gerichts-Show“, „Daily Talks“, „Personal<br />

Help-Shows“ und die aktuellen „Casting-Shows“. Am Beispiel der Hybridgenres<br />

Reality Soap und Docu Soap, die das deutsche Reality TV im Übergang zum<br />

21. Jahrhundert besonders beeinflussten, werden die wichtigsten Merkmale der Genrefamilie<br />

aufgezeigt. Diese lassen sich inhaltlich durch bewusste Grenzübertretungen charakterisieren,<br />

wie die Vermischung von fiktionalen und nicht-fiktionalen Elementen, von<br />

Authentizität und Inszenierung, Alltag und Exotik sowie Information und Unterhaltung.<br />

Formal sind sie durch gleiche Inszenierungsstrategien geprägt, und zwar Personalisierung,<br />

Emotionalisierung, Intimisierung, Stereotypisierung und Dramatisierung. Der<br />

Beitrag versteht sich als Zwischenbilanz einer in der deutschen Fernsehlandschaft nicht<br />

mehr weg zu denkenden Genrefamilie mit ungebrochenem Entwicklungspotenzial.<br />

Keywords: Casting-Show, Daily Talk, Docu Soap, Genres, Gerichts-Show, Inszenierungsstrategien,<br />

Personal Help-Show, Reality Show, Reality Soap<br />

1. Einleitung<br />

RTL hat es wieder einmal geschafft, eine Fernsehsendung zum Thema einer ganzen Nation<br />

zu machen. Die Casting-Show „Deutschland sucht den Superstar“ (DSDS), die von<br />

November 2002 bis März 2003 ausgestrahlt wurde, lockte bis zu 13 Millionen Zuschauerinnen<br />

und Zuschauer bei zeitweise über 40% Marktanteil in der werberelevanten<br />

Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen vor den Fernseher (vgl. etwa Graff 2003, 10; Hoff<br />

2003, 19). Die BILD-Zeitung füllte ihre Schlagzeilen mit Berichten über die angehenden<br />

„Superstars“ Daniel, Juliette, Alexander und Co.. Die Casting-Show ist nicht die erste<br />

ihrer Art – in den vergangenen Jahren brachten auch „Popstars“, „Popstars 2“ oder<br />

„Teenstar“ (alle RTL II) gute Quoten und erfolgreiche Bands wie die „No Angels“ oder<br />

„Bro’Sis“ hervor. 1 Jedoch erreichte keine annähernd so viel Präsenz in den <strong>Medien</strong> und<br />

Köpfen der Menschen wie „Deutschland sucht den Superstar“. Die Sendung wurde wie<br />

„Big Brother“ (RTL II/RTL), dessen vierte Staffel im März 2003 startete, zu einem nationalen<br />

<strong>Medien</strong>ereignis.<br />

Wir argumentieren im Folgenden, dass beide Formate das Ergebnis eines Ausdifferenzierungsprozesses<br />

des Reality TV sind. Reality TV hat seit den 90er Jahren wesent-<br />

1 Ein anderer Versuch von RTL, „Deine Band“, scheiterte an zu geringer Zuschauerresonanz –<br />

die Reality Soap wurde nach acht Folgen abgesetzt, geplant waren zehn Folgen (vgl. Lücke 2002,<br />

93f.).<br />

195


M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />

liche Entwicklungen im deutschen Fernsehen sowohl aufgegriffen als auch selbst vorangetrieben,<br />

wie wir am Beispiel zweier Genres, der Docu Soap und der Reality Soap,<br />

herausarbeiten. Die Collage aus nicht-fiktionalen und fiktionalen Bestandteilen, die<br />

Hinwendung zu alltäglicheren, der Lebenswelt der Zuschauerinnen und Zuschauer entnommenen<br />

Themen und damit einhergehend die emotionalisierte Darstellung des Privaten<br />

und Intimen in der Öffentlichkeit gehören zu den wesentlichen Merkmalen des<br />

Reality TV. Deren immer neue Mischung und Kopplung mit anderen Genres besitzt offensichtlich<br />

ein ungebrochenes Innovationspotenzial, wie der Erfolg der Casting-Shows<br />

oder auch der Gerichts-Shows zeigt.<br />

Im Weiteren stellen wir verschiedene Definitionsversuche zum Reality TV vor und<br />

entwickeln auf der Basis ihrer kritischen Lektüre eine aktualisierte, den heutigen Ausprägungen<br />

der Genrefamilie entsprechende Definition. Im Anschluss greifen wir Docu<br />

Soap und Reality Soap als wichtige Genres des Reality TV heraus und analysieren an diesen<br />

Beispielen, welche gemeinsamen Merkmale das Reality TV ausweist.<br />

In diesem Beitrag geht es somit wesentlich um Definitionsmerkmale von Genres.<br />

Dieser Begriff wird sehr häufig verwendet, manchmal synonym, manchmal in Abgrenzung<br />

zu ähnlichen Begriffen wie „Gattung“ oder „Hybridgenre“. Wir verstehen im Folgenden<br />

unter der Bezeichnung „Gattung“ in Anlehnung an Gehrau Begriffe, die „Fernsehangebote<br />

nach ihrer Form systematisieren und bezeichnen“, während „Genre“ „am<br />

Inhalt orientierte Untergruppen“ der Gattungen sind (2001, 18; Hervorh. d. Verf.). Mit<br />

dem Begriff „Reality TV“ bezeichnen wir eine im deutschen Fernsehen verstärkt seit Beginn<br />

der 90er Jahre verbreitete Fernsehgattung, die in ihrer Form Elemente mehrerer anderer<br />

Gattungen, wie der Serie und der Dokumentation, aufweist. Insofern folgt Reality<br />

TV dem Trend der „Hybridisierung“ vieler Fernsehangebote, d. h. dem Phänomen,<br />

dass durch die Verknüpfung verschiedener Gattungs- oder Genrecharakteristiken neue<br />

Formate geschaffen werden (vgl. beispielsweise Turner 2001b, 6; Weischenberg 2001, 67;<br />

Neale 2001, 4; oder Bleicher 1999, 132). Die Gattung Reality TV hat sich, wie wir im<br />

Folgenden zeigen möchten, in eine Vielzahl unterschiedlicher Genres ausdifferenziert,<br />

so dass wir sie als eine „Genrefamilie“ bezeichnen möchten. Mit dem Begriff „Hybridgenre“<br />

werden schließlich Genres bezeichnet, die unterschiedliche Gattungen und<br />

Genres zu einem neuen Format verknüpfen; diese Bedingung trifft auf die Genres des<br />

Reality TV zu. Angemerkt sei abschließend, dass die Zuordnung von Fernsehsendungen<br />

zu Genres im Idealfall das Ergebnis eines dynamischen Aushandlungsprozesses<br />

zwischen der Produktions- und der Rezeptionsseite ist und dass Rezipierende keineswegs<br />

so klar zwischen Form und Inhalt, zwischen Gattung und Genre differenzieren,<br />

wie dies in diesem Beitrag zum besseren Verständnis geschieht. 2 Die Sicht der Rezipierenden<br />

findet jedoch im folgenden Beitrag keine Berücksichtigung.<br />

2 Die Zuordnung neuer Fernsehprodukte zu einem Genre verbindet vor allem das Bestreben der<br />

Produzentenseite, Erwartungshaltungen der Zuschauer aufzubauen, und die strukturierende<br />

und orientierende Funktion für das Fernsehpublikum. Zur Bedeutung von Genres für Produzenten<br />

und die Publika beispielsweise Neale 2001, 3; Turner 2001a, 5 bzw. Fiske 1997, 109. Gattungen<br />

und Genres müssen im stets im Umbruch befindlichen Fernsehen als dynamisch und<br />

veränderlich gelten.<br />

196


Klaus / Lücke · Reality TV<br />

2. Ausdifferenzierung des Reality TV<br />

Reality TV wurde vor allem Anfang der 90er Jahre zum Gegenstand <strong>wissenschaft</strong>licher<br />

Diskussionen, nachdem Varianten der in den USA entstandenen Gattung auch im deutschen<br />

Fernsehen zu sehen waren. Obwohl Sendungen wie „Polizeireport Deutschland“<br />

(Tele 5), „K – Verbrechen im Fadenkreuz“ (SAT.1) oder „Kripo live“ (MDR) dem Prinzip<br />

des schon lange etablierten „Aktenzeichen XY – ungelöst“ (ZDF) folgten, lösten sie<br />

eine medienethische Debatte aus, in deren Folge sich mehrere Studien mit dem neuen<br />

Format beschäftigten. Claudia Wegener leistet 1994 in einer der ersten Arbeiten zum<br />

Reality TV eine Gattungseingrenzung, gestützt auf Interviews mit Redakteuren und<br />

Moderatoren von Reality TV-Sendungen. 3 Als Charakteristika der Sendungen nennt<br />

Wegener die Darstellung von Emotionen, Personalisierung, Dramatisierung bzw. die<br />

Darstellung von Gewalt sowie Stereotypisierung (vgl. ebd., 43ff. bzw. 51ff.). Die gemeinsame<br />

Basis des diffusen „Wirklichkeitsfernsehens“ sei, dass tatsächliche Ereignisse<br />

– meist Katastrophen, Unfälle oder Verbrechen – nachgestellt oder durch Videoaufnahmen<br />

dokumentiert würden (vgl. ebd., 15f.). Für Wegener gehört demnach die Thematisierung<br />

und Darstellung von Gewalt zwingend zum Format Reality TV hinzu.<br />

Gary Bente und Bettina Fromm schließen sich drei Jahre später der Definition von<br />

Wegener an. Sie untersuchen die Varianten des „Affektfernsehens“, eines neuen Genres,<br />

welches sie sowohl im Informations- als auch im Unterhaltungsbereich wiederfinden<br />

(vgl. 1997, 14). 4 Als gemeinsame Merkmale von Sendungen des Affektfernsehens nennen<br />

sie Emotionalisierung, Personalisierung, Intimisierung und Authentizität. Zwar<br />

zählen sie zunächst das Reality TV anhand der erwähnten Merkmale zum Affektfernsehen<br />

hinzu, schließen es jedoch aus ihrer empirischen Untersuchung aus mit der Begründung,<br />

das von Wegener genannte Charakteristikum (Darstellung von Gewalt) sei<br />

beim Reality TV zentral, treffe aber auf die anderen Sendungen des Affektfernsehens<br />

nicht zu. Die Sendungen des Reality TV seien „eher randständig im Sinne der Definition,<br />

weisen jedoch einige Gemeinsamkeiten mit dem Affektfernsehens auf“ (ebd., 21).<br />

Schon damals war diese Argumentation jedoch wenig überzeugend, weil mit derselben<br />

Begründung andere Varianten des Affektfernsehens ausgeschlossen werden müssten,<br />

etwa Infotainment als einziges Genre, das im Beitrags-Stil präsentiert wird, oder Spielshows,<br />

weil sie im Gegensatz zu den anderen Formaten aus Game Show-Elementen bestehen.<br />

In einer späteren Studie subsummiert Fromm (1999) die verschiedenen Varianten<br />

des Affektfernsehens unter dem Begriff „intime Formate“. Reality TV bezeichnet sie<br />

nicht länger als „randständig“, sondern als „Vorläufer“ (ebd., 19) intimer Formate. Mit<br />

dieser Beurteilung wird jedoch die Bedeutung des Reality TV im Fernsehprogramm der<br />

späten 90er Jahre unterschätzt. 5<br />

Die Forschungsgruppe um Peter Winterhoff-Spurk (1994) geht demgegenüber in ihrer<br />

von der Landesanstalt für das Rundfunkwesen Saarland (LAR) in Auftrag gegebe-<br />

3 Sie zählt folgende Sendungen dazu: „Aktenzeichen XY... ungelöst“ (ZDF), „Polizeireport<br />

Deutschland“ (Tele 5), „Notruf“, „Auf Leben und Tod“, „Augenzeugen-Video“ (alle RTL),<br />

„Retter“, „K – Verbrechen im Fadenkreuz“ und „SK-15“ (alle SAT.1).<br />

4 Zum Affektfernsehen zählen sie Affekt-Talks, Beziehungs-Shows, Spielshows, Suchsendungen,<br />

Konfro-Talks, Infotainment und Reality TV (vgl. ebd., 21).<br />

5 Dass Reality TV im Fernsehen der 90er Jahre bedeutsam ist, zeigt die starke Ausdifferenzierung<br />

der Genrefamilie, vgl. Abbildung 1.<br />

197


M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />

nen Studie davon aus, dass es sich beim Reality TV um ein neues Fernsehgenre 6 mit Unterkategorien<br />

handele (vgl. ebd., 205). Diese Unterkategorien teilen sie ein in kriminelles<br />

Verhalten, Unglücksfälle und nicht-kriminelles deviantes Verhalten. Die damals neuen<br />

„Suchformate“ „Vermißt“ (WDR), „Spurlos“ (RTL) und „Bitte melde Dich“<br />

(SAT.1) sowie die Versöhnungsshows „Nur die Liebe zählt“ und „Verzeih mir“ (beide<br />

RTL) betrachten Winterhoff-Spurk und sein Team somit als Unterkategorie des Reality<br />

TV. Das von Wegener genannte Kriterium „Gewalt“ ersetzen sie durch „negative Deviationen<br />

des Alltäglichen“. Sendungen, in denen „<strong>Medien</strong>ereignisse (Eheschließungen,<br />

überraschende Begegnungen mit Prominenten etc. vor laufender Kamera) inszeniert<br />

und ‚live‘ gezeigt werden“, wie etwa „Traumhochzeit“ oder „Verstehen Sie Spaß?“<br />

(ebd.), zählen sie jedoch nicht zum Reality TV: Diese Ereignisse seien bereits in der Vergangenheit<br />

geschehen und täuschten lediglich eine Art „Live-Charakter“ vor (vgl. ebd.,<br />

206). 7 Auch dieses Ausschlusskriterium kann jedoch nicht überzeugen, da die Ereignisse<br />

aller Sendungen des Reality TV in der Vergangenheit geschehen sind, auch wenn sie<br />

möglichst ereignis- und realitätsnah, teilweise auch mit Originalbildern, inszeniert werden.<br />

Eine Sendung wie „Verzeih mir“ unterscheidet sich in Bezug auf ihren Live-Charakter<br />

nicht von der „Traumhochzeit“ (RTL) oder dem „Flitterabend“ (ARD).<br />

Für Angela Keppler gehören folgerichtig die genannten Sendungen zum „Realitätsfernsehen“<br />

hinzu. Keppler hat 1994 eine erweiterte Definition des Reality TV vorgelegt,<br />

indem sie zwischen dem „narrativen Realitätsfernsehen“ und dem „performativen Realitätsfernsehen“<br />

unterscheidet. In der deutschen Fernsehunterhaltung würden seit Anfang<br />

der 90er Jahre die Zuschauenden in neuer Weise zu AkteurInnen, und zwar als<br />

„Akteure ihres eigenen Lebens“ (1994, 7). Alltag und Alltagspersonen stünden sowohl<br />

bei den narrativen Formen, die tatsächliche Katastrophen reinszenierten, wie auch bei<br />

den glamouröseren Sendungen, die auf herausgehobene Aktionen setzten, im Mittelpunkt<br />

(ebd., S. 8f.). Im Unterschied zu Game- und Quizshows, die auch (z. B. mit einem<br />

Geldgewinn) in die Alltagswirklichkeit der Menschen eingreifen, werden bei Sendungen<br />

des performativen Realitätsfernsehens<br />

„soziale Handlungen ausgeführt, die als solche bereits das alltägliche soziale Leben<br />

der Akteure verändern. Es sind die inzwischen schon kaum mehr zu überschauenden<br />

‚Kennenlern-‘ und ‚Liebessendungen‘, die zur Gattung des performativen<br />

‚Reality-TV‘ gehören und die bei weitem populärste Form des Wirklichkeitsfernsehens<br />

darstellen.“ (ebd., 9. Hervorh. d. A.)<br />

Auch Sendungen wie „Traumhochzeit“ oder „Verstehen Sie Spaß?“ sind demnach für<br />

Keppler Reality TV. Als Vorgänger des performativen Realitätsfernsehens sieht die Autorin<br />

die Daily Talks wie „Hans Meiser“, weil auch hier „echte Menschen in (…) echten<br />

Bedrängnissen zu Wort kommen“ (ebd., 44), die mit ihren Lebenserfahrungen und Alltagssorgen<br />

die Öffentlichkeit des Fernsehens suchten.<br />

Insgesamt gelingt es Keppler, Reality TV einsichtig zu definieren und eine breite<br />

Grundlage für die Analyse der heutigen Ausprägungen und konstitutiven Merkmale<br />

dieser Genrefamilie zu legen. Reality TV hat demnach zwei Ausprägungen, das narrative<br />

und performative Realitätsfernsehen, die wir in Anlehnung an Keppler (ebd., 8f.)<br />

wie folgt definieren:<br />

6 In Abweichung zum vorliegenden Beitrag bezeichnen sie Reality TV als „Genre“.<br />

7 Die Autoren zählen diese Sendungen zu dem nicht näher eingegrenzten Genre „TV-Show“.<br />

198


Klaus / Lücke · Reality TV<br />

Narratives Reality TV umfasst jene Sendungen, die ihre ZuschauerInnen mit der<br />

authentischen oder nachgestellten Wiedergabe realer oder realitätsnaher außergewöhnlicher<br />

Ereignisse nicht-prominenter Darsteller unterhalten.<br />

Performatives Reality TV umfasst jene Sendungen, die eine Bühne für nicht-alltägliche<br />

Inszenierungen sind, jedoch zugleich direkt in die Alltagswirklichkeit nichtprominenter<br />

Menschen eingreifen.<br />

Das narrative Reality TV wird heute geprägt durch vier Genres: die gewaltzentrierten<br />

Sendungen, im Moment beispielsweise repräsentiert durch „Notruf“ (RTL) und „Kripo<br />

live“ (MDR), die Real Life Comedy Formate, welche beispielsweise die US-Serie<br />

„Jackass“ (MTV) 8 oder verschiedene Variationen des „Die dümmsten Verbrecher/ Tiere/<br />

Unfälle der Welt“ (RTL II) umfassen, und die Gerichts-Shows, welche zu Lasten der<br />

Daily Talks im Nachmittagsprogramm seit 2001 an Sendezeit gewannen. 9 Schließlich<br />

tragen in den Personal Help-Shows 10 Laien-Schauspieler zwischenmenschliche Konflikte<br />

aus und erhalten Rat und Hilfe von moderierenden Psychologinnen („Zwei bei Kallwass“,<br />

SAT.1), Medizinerinnen („Dr. Verena Breitenbach“, Pro7) oder Sozialpädagoginnen<br />

(„Die Jugendberaterin“, Pro7), die eine Orientierungsfunktion als moralische Instanz<br />

erfüllen. Alle vier Genres drehen sich um außergewöhnliche Ereignisse des Alltags,<br />

wie Missgeschicke, Rechtsstreitigkeiten, Familien- oder Beziehungskonflikte<br />

sowie Verbrechen oder Unfälle, und gehören damit zum narrativen Reality TV.<br />

Zum performativen Reality TV werden in der vorliegenden Literatur vier Genres gezählt.<br />

Es handelt sich um die Beziehungs-Shows („Verzeih mir“, „Nur die Liebe zählt“<br />

– RTL), Beziehungs-Game Shows („Traumhochzeit“, RTL; „Herzblatt“, ARD), Daily<br />

Talks („Die Oliver Geissen-Show“, RTL; „Fliege“, ARD u. a.) sowie die Problemlösesendungen<br />

(„Bitte melde Dich“, SAT.1; „Mit mir nicht!“, ZDF; „Wie bitte!?“, RTL). 11<br />

Unseres Erachtens erfüllen auch die relativ neuen Casting-Shows alle zur Definition des<br />

performativen Reality TV gehörenden Anforderungen. Beispielhaft wenden wir uns<br />

nun zwei Sendeformen genauer zu, die Ende der 90er Jahre entstanden sind und das Reality<br />

TV um ganz neue Aspekte erweiterten, dabei aber ganz unterschiedliche Resonanzen<br />

erzielten: die Docu Soap und die Reality Soap. Zuvor wollen wir aber in einem die<br />

bisherige Diskussion resümierenden Schaubild das Reality TV in seinen heutigen Formen<br />

vorstellen (siehe Abb. 1).<br />

8 MTV stellte die Serie „Jackass“ nach 24 Episoden ein, nachdem konservative Politiker drohten,<br />

sie zu verbieten. Zuschauer hatten sich beim Nachahmen der Stunts schwer verletzt. Als „krönender<br />

Abschluss“ kam am 27. Februar 2003 der Film „Jackass – The Movie“ in die deutschen<br />

Kinos, vgl. http://www.jackass.tv/main/index.php [Stand: 17. März 2003].<br />

9 Es handelt sich um „Streit um Drei“ (ZDF), „Das Strafgericht“, „Das Familiengericht“, „Das<br />

Jugendgericht“ (alle RTL) sowie „Richterin Barbara Salesch“ und „Richter Alexander Hold“<br />

(beide SAT.1). [Stand: 17. März 2003]<br />

10 So bezeichnet Pro7 seine beiden zu diesem Format zählenden Sendungen, vgl. www.prosieben.de/talk/breitenbach/<br />

[Stand: 17. März 2003].<br />

11 Zu ihnen wird augenblicklich kein Format ausgestrahlt. Die Problemlösesendungen können als<br />

Vorläufer der Personal Help-Shows angesehen werden, da in beiden Fällen Moderatoren quasi<br />

anwaltschaftlich Probleme der Gäste aufgreifen und zu lösen versuchen. In den Personal Help-<br />

Shows ist jedoch die narrative Struktur vorherrschend – die Fälle sind erfunden und werden<br />

nach Drehbuch von Laien-Schauspielern dargestellt. Es wird aus diesem Grund zum narrativen<br />

Realitätsfernsehen gezählt.<br />

199


M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />

Abbildung 1: Genre des Reality TV heute 12<br />

Abbildung 1 zufolge zählen derzeit elf Genres zum Reality TV, wovon vier dem narrativen<br />

und sieben dem performativen Realitätsfernsehen zugeordnet werden können. Dabei<br />

schließt die Zuordnung eines Genres zum Reality TV die Zugehörigkeit zu anderen<br />

Genres nicht aus, alle Genres sind in hohem Maße hybridisiert: So gehören die Daily<br />

Talks zweifelsfrei auch zum Genre Talk Show. Real Life Comedy zeigt schon im Namen,<br />

dass es mit Comedy-Shows verwandt ist. Die Reality Soap und Docu Soap schließlich<br />

weisen Verwandtschaft zur Dokumentation, zur Soap Opera und im Fall der Reality<br />

Soap zu den Game Shows und Talk Shows auf. So wie andere Genres seine Entwicklung<br />

beeinflussten, ist das Reality TV nicht ohne Auswirkung auf andere Fernsehgenres<br />

geblieben. In Abbildung 1 werden die Sendeformen (Infotainment)-Magazine,<br />

Nachrichten und die Doku-Dramen erwähnt. Ein weiterer aktueller Trend zieht sich<br />

durch das Abendprogramm: Neu produzierte Serien setzen auf möglichst realistisch<br />

wirkende Geschichten (z. B. „Die Anstalt – zurück ins Leben“, SAT.1, seit 2002). Diesem<br />

Trend stehen Doku-Dramen gegenüber, die neben Zeitzeugenberichten und historischem<br />

Filmmaterial fiktionale Szenen integrieren (z. B. die Dokumentationen von<br />

Guido Knopp, ZDF, oder das zweiteilige Doku-Drama „Deutschlandspiel“, ARD).<br />

12 Quelle: Lücke 2002, 51 (leicht modifiziert).<br />

200


Klaus / Lücke · Reality TV<br />

3. Der Aufstieg der Hybridgenres Docu Soap und Reality Soap<br />

Der zentrale Trend der Hybridisierung des Fernsehens der 90er Jahre zeigt sich nicht<br />

nur beim „Infotainment“, für das diese Eigenschaft namensgebend war, sondern auch<br />

bei den Genres des Reality TV – unter anderem deshalb, weil sich darin das Gewöhnliche<br />

und das Außergewöhnliche, Alltag und Inszenierung mischen und die geläufige<br />

Trennung zwischen nicht-fiktionalen und fiktionalen Produktionen, zwischen Unterhaltungs-<br />

und Informationssendungen bewusst durchbrochen wird. Reality TV ist zum<br />

Sammelbecken für neue, publikumswirksame Sendekonzepte geworden. Das ist vor allem<br />

im Übergang vom 20. zum 21. Jh. mit der fast zeitgleichen Etablierung zweier Genres<br />

deutlich geworden, die für die Ausdifferenzierung des Reality TV und seiner Abwendung<br />

von Gewalt und Katastrophen besonders einflussreich waren: Die Reality<br />

Soap, deren Prototyp „Big Brother“ (RTL II/RTL) viele Gemüter ähnlich stark erregte<br />

wie die Einführung der gewaltzentrierten Sendungen „Notruf“ (RTL), „Polizeireport<br />

Deutschland“ (Tele 5) und „Auf Leben und Tod“ (RTL) ein knappes Jahrzehnt zuvor,<br />

und die Docu Soap, die zu erbitterten Diskussionen unter Dokumentarfilmern über die<br />

Legitimation von Inszenierungen führte (vgl. Lücke 2002, 105f.).<br />

Docu Soaps haben sich in Deutschland seit 1998 etabliert. 13 Sie vermischen eine fiktionale<br />

Gattung (Serie) mit einer non-fiktionalen (Dokumentation). Inhaltlich zeichnen<br />

sich Docu Soaps dadurch aus, dass sich „normale Menschen“, also keine professionellen<br />

Schauspieler und Schauspielerinnen, freiwillig in ihrer gewohnten privaten oder beruflichen<br />

Umgebung von Kameras begleiten und filmen lassen. Die Akteure stellen ihren<br />

Alltag in der Fernseh-Öffentlichkeit dar und zeigen sich in privaten, nicht selten intimen<br />

Situationen. Die Docu Soap „Abnehmen in Essen“, bei der fünf übergewichtige<br />

Frauen ein Jahr lang bei ihren Versuchen begleitet wurden, dauerhaft Gewicht zu verlieren,<br />

wurde einer breiteren Öffentlichkeit bekannt, da sie im Jahr 2000 mit dem Grimme-Preis<br />

ausgezeichnet wurde. 14<br />

Reality Soaps gibt es im deutschen Fernsehen seit dem Start von „Big Brother“, dem<br />

Fernsehereignis des Jahres 2000. 15 Ebenso wie bei Docu Soaps mischen ihre Regisseure<br />

Serie und Dokumentation zu einem neuen Produkt, darüber hinaus können die Reality<br />

Soaps jedoch Elemente der Talk Show und der Game Show enthalten. Anders als bei<br />

der Docu Soap ist ein zentrales Merkmal der Reality Soap, dass sich ihre ProtagonistInnen<br />

für die Zeit der Dreharbeiten in ein künstlich arrangiertes soziales Setting begeben,<br />

das immer zugleich eine Konkurrenzsituation beinhaltet, d. h. sie werden aus<br />

ihrem natürlichen Alltag in eine eigens für die Reality Soap entstandene Umgebung<br />

versetzt. 16 Die Gestaltung dieses künstlichen Lebensraumes ermöglicht den Machern<br />

13 Zur <strong>wissenschaft</strong>lichen Auseinandersetzung mit Docu Soaps siehe beispielsweise Lücke 2002,<br />

Eggert 1999 oder Bleicher 1999.<br />

14 Vgl. http://www.grimme-institut.de/scripts/preis/preis.html [Stand: 17. Mai 2003].<br />

15 Einen <strong>wissenschaft</strong>lichen Überblick über Reality Soaps, vor allem ihren bekanntesten Vertreter<br />

„Big Brother“, bieten beispielsweise Balke 2000, Böhme-Dürr/ Sudhold 2001, Flicker 2001,<br />

Lücke 2002, Mikos et al. 2000, Schweer 2002 oder Weber 2000. Ein „Reality Lexikon“ mit „Echte<br />

Leute-TV von A bis Z“ hat Feige 2001 zusammengestellt.<br />

16 Seit dem Erfolg von „Big Brother“ waren Reality Soaps nur von Privatsendern produziert worden,<br />

die Landesmedienanstalten warnten die öffentlich-rechtlichen Sender, den Trend aufzugreifen.<br />

„Schwarzwaldhaus 1902“, eine SWR-Produktion für die ARD, durchbrach diese<br />

Schranke, indem der Sender eine gecastete Familie 10 Wochen lang auf einem Hof im Schwarzwald<br />

filmte – sie wurde auf den technischen Stand des Jahres 1902 zurück versetzt. Die viertei-<br />

201


M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />

der Reality Soap, extreme Lebensbedingungen zu schaffen und dadurch die Kommunikationen<br />

und Aktionen der Kandidatinnen und Kandidaten zu beeinflussen. Durch die<br />

Konkurrenzsituation steht deren Zusammenleben in der Spannung zwischen<br />

Gruppenharmonie und persönlicher Profilierung, so dass sich im Genre typische Elemente<br />

der Soap Opera, wie Melodramatik, Streit, Eifersucht und Neid, Versöhnung<br />

und Rivalität, finden. Auch wenn Docu Soap und Reality Soap vor allem jüngere Zielgruppen<br />

ansprechen, sind es keineswegs traditionslose Genres, wie ein kurzer<br />

Überblick zeigt.<br />

4. Zur Geschichte der Docu Soap<br />

Das wahrscheinlich erste Fernsehexperiment, in dem Menschen über einen längeren<br />

Zeitraum mit Kameras in ihrem Alltag beobachtet wurden, fand bereits 1972 in den USA<br />

statt. Dabei begleitete ein Kamerateam sieben Monate lang eine amerikanische Familie.<br />

Im Anschluss wurden 300 Stunden Filmmaterial zu einer Dokumentation zusammen<br />

geschnitten. Dass die Eheleute Loud sich während der Dreharbeiten trennten, führte zu<br />

kontroversen Diskussionen über die Auswirkung der Kamerapräsenz auf das Familienleben<br />

(vgl. Baudrillard 1978, 44ff.). Die erste Docu Soap im deutschen Fernsehen hieß<br />

„Die Fußbroichs“ (Untertitel: „Die einzig wahre Familienserie“, WDR). Im Mittelpunkt<br />

der Serie stand eine Kölner Arbeiterfamilie, die in einer Art „teilnehmender<br />

Beobachtung“ (Müller 1995, 91) bei besonderen Familienereignissen von einem Filmteam<br />

begleitet wurde. Zwischen 1990 und 2002 entstanden so in 17 Staffeln 99 Folgen<br />

der Docu Soap. 17 Ihre Autorin und Regisseurin Ute Diehl erhielt dafür 1992 den Adolf-<br />

Grimme-Preis in Bronze. 18 Trotz des regional großen Erfolges der „Fußbroichs“ – im<br />

Kölner Raum erlangte die Familie Kultstatus (vgl. o.V. 1992b, 215) – folgten zunächst<br />

keine ähnlichen Produktionen.<br />

Der Anstoß für einen wahren Docu Soap-Boom ging vielmehr von Großbritannien<br />

aus, wo seit Mitte der 90er Jahre teils mit sehr hohen Marktanteilen Docu Soaps „am<br />

Fließband“ produziert wurden (vgl. Eggert 1999, 10ff.). Mitte der 90er Jahre strahlte<br />

die BBC die dokumentarische Serie „Children’s Hospital“ aus. 19 Geschichten von<br />

kleinen Patienten in einem Londoner Krankenhaus wurden in mehreren Erzählsträngen<br />

miteinander verwoben. Ermuntert vom Erfolg dieser Serie, gab die BBC<br />

weitere dokumentarische Serien in Auftrag: 1996 entstanden „Vet’s School“ (über eine<br />

Schule für Tierärzte) und „The House“ (Geschichten rund um die Mitarbeiter des<br />

Royal Opera House in London). „Driving School“, eine Serie über Menschen auf<br />

dem Weg zum Führerschein, verhalf den Docu Soaps schließlich in Großbritannien<br />

lige „Dokumentation“ erreichte durchschnittlich mehr als 6 Millionen Zuschauer. Anstatt öffentlicher<br />

Debatten erhielten Regisseur und Kameramann den Grimme-Preis 2003 in der Sparte<br />

„Information & Kultur“: „Selten gelang die Vermittlung von Alltagskultur auf derart perfektem<br />

und zudem unterhaltsamem Niveau.“. Vgl. http://www.swr.de/schwarzwaldhaus1902/<br />

sowie http://www.grimme-institut.de/ [Stand: 17. März 2003].<br />

17 Mittlerweile ist die Serie auf Wunsch der Familie Fußbroich eingestellt worden. Eine Serien-<br />

Chronologie findet sich unter http://www.epguides.de/fussbroi.txt [Stand: 17. März 2003.]<br />

18 Vgl. o. V. 1992a, 8 sowie die Chronik der Preisträger des Adolf-Grimme-Instituts, http://www.<br />

grimme-institut.de/scripts/preis/preis.html [Stand: 17. März 2003].<br />

19 Die folgenden Informationen über britische Docu Soaps stammen, soweit nicht anders gekennzeichnet,<br />

von Eggert 1999, 14 – 26.<br />

202


Klaus / Lücke · Reality TV<br />

zum großen Durchbruch. Am 15. Juli 1997 erreichte „Driving School“ bei über<br />

12 Millionen Zuschauern einen Marktanteil von 53%. Allein 1998 strahlte das britische<br />

Fernsehen insgesamt 75 Docu Soaps aus. Viele davon wurden in andere Länder exportiert<br />

oder dienten als Vorbild für die Umsetzung eigener Produktionen auch in<br />

Deutschland: Das ZDF wandelte „Children’s Hospital“ 1998 in „OP. Schicksale im<br />

Klinikum“ ab, RTL ließ sich von „The Cruise“ inspirieren und drehte 1999 „Das<br />

Clubschiff“, eine Docu Soap über Besatzung und Gäste des deutschen Kreuzfahrtschiffs<br />

„Aida“. SAT.1 nahm im gleichen Jahr „Driving School“ zum Anlass, „Die<br />

Fahrschule“ zu drehen, und RTL II kopierte dasselbe Format 2000 mit „You drive me<br />

crazy“. Bis Mitte 2001 entstanden sowohl bei den öffentlich-rechtlichen Anstalten<br />

ARTE, ZDF, WDR und anderen Dritten Programmen als auch bei den Privatsendern<br />

SAT.1, RTL und RTL II zu unterschiedlichsten Themenbereichen 46 weitere Docu<br />

Soaps (vgl. Lücke 2002, 79).<br />

5. Zur Geschichte der Reality Soap<br />

Auch die Geschichte der Reality Soap beginnt nicht erst mit „Big Brother“. 1994 setzte<br />

der Filmproduzent Markus Peichl in Berlin „Das wahre Leben“ (Premiere Deutschland)<br />

nach US-amerikanischem und britischem Vorbild um („The Real World“, MTV<br />

(USA)/ „The Living Soap“, BBC 2 (GB)). Sieben einander unbekannte junge Leute im<br />

Alter zwischen 21 und 26 Jahren zogen für drei Monate als Wohngemeinschaft in ein<br />

Berliner Loft. Kameras nahmen mindestens zehn Stunden täglich WG-Leben auf, wobei<br />

die Bewohner ein Mitspracherecht darüber hatten, was gefilmt werden durfte. Die<br />

Kandidatinnen und Kandidaten wurden nach Telegenität und nach Merkmalen wie<br />

Geschlecht, Beruf, sexueller Orientierung, Nationalität und Charakter ausgesucht, um<br />

für „ausreichendes Konfliktpotential“ zu sorgen (vgl. Strittmatter 1994, 95). Der Spiegel<br />

nannte die Serie, deren Ähnlichkeit zu „Big Brother“ unverkennbar ist, eine „neue,<br />

absurde Variante von Reality-TV“ (o. V. 1994, 225). Obwohl zunächst umstritten war,<br />

ob Docu Soap und Reality Soap Genres des Reality TV sind, gelten vor allem letztere<br />

heute geradezu als der Prototyp der Gattung (z. B. Mikos et al. 2000, Feige 2001,<br />

Hohlfeld 2000). Stefan Niggemeier (2003) setzt Reality Soap und Reality TV sogar in<br />

eins, wenn er die Vorbereitungen zu „Big Brother 4“ mit „Reality-TV kehrt zurück“<br />

kommentiert. Nach einem „Overkill“ im Januar 2001, als innerhalb eines Monats<br />

gleichzeitig „Big Brother 3“ (RTL II, RTL), „To Club“ (RTL II), „Der Frisör“ (RTL),<br />

„House of Love“ (RTL) und „Girlscamp“ (SAT.1) starteten, verschwand die Reality<br />

Soap zeitweise vom Bildschirm. Weil sich in der Zwischenzeit andere Genres (Gerichts-Show,<br />

Personal Help-Show und Casting-Show) etablieren konnten, stürzte das<br />

Verschwinden der Reality Soap aus dem deutschen Fernsehprogramm zwischen 2001<br />

und 2003 nicht zugleich auch das Reality TV in die Krise. Weiter legt auch der anhaltende<br />

Erfolg der Reality Soap im Ausland nahe, dass das Genre auch bei uns wieder<br />

verlorenes Terrain zurück erobern wird.<br />

6. Konstituierende Merkmale des Reality TV<br />

Docu Soaps und Reality Soaps stehen im besonderen Maße für die Ausdifferenzierung<br />

und Weiterentwicklung des Reality TV. Ihre Analyse erscheint deshalb geeignet, um die<br />

Charakteristika der Genrefamilie genauer herauszuarbeiten. Die folgende Beschreibung<br />

der wichtigsten Merkmale des Reality TV beruht wesentlich auf einer Bestandsaufnahme<br />

aller bis Mitte 2001 in Deutschland gesendeten Docu Soaps und Reality Soaps (vgl.<br />

203


M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />

Lücke 2002). 20 Dabei konzentrieren wir uns in der Darstellung, gestützt auf die dazu<br />

vorliegende Literatur, auf diejenigen Ergebnisse, die für Genres des performativen ebenso<br />

wie des narrativen Reality TV konstitutiv sind. Diese Charakteristika lassen sich in<br />

vor allem den Inhalt betreffende Grenzübertretungen und vor allem die Form betreffende<br />

Inszenierungsstrategien unterteilen.<br />

6.1 Grenzübertretungen<br />

Grenzübertretungen markieren das Innovative der neuen Genres: Reality TV löst als<br />

Sammlung von Hybridgenres vermeintliche Gegensätze von Authentizität und Inszenierung,<br />

Information und Unterhaltung, Alltäglichem und Außergewöhnlichem auf<br />

und vermischt diese zu neuen Fernseh-Produkten. 21 Grenzüberschreitend sind diese<br />

Merkmale in einem doppelten Sinn: Sie gelten für alle zum Reality TV zählenden Genres<br />

und sie verlassen gleichzeitig bis in die 90er Jahre hinein geltende Konventionen. 22<br />

Zwischen Authentizität und Inszenierung: Als authentisch wird etwas bezeichnet,<br />

wenn es „echt, glaubwürdig“ ist (Meyers Lexikonredaktion 1995, 264). Eine Fernsehsendung<br />

halten Bente und Fromm dann für authentisch, wenn unprominente Menschen<br />

„wahre Geschichten“ erzählen und/oder vor der Kamera darstellen (vgl. 1997, 20).<br />

Herrmann (2002, 130f.) beschreibt Authentizität in Talk Shows so: „Nichtprominente<br />

Bürger erzählen von ihrem Schicksal. (…) Die Geschichten sind also nicht erfunden,<br />

sondern wahr (…).“ Als Vertreter des performativen Reality TV stellen auch Docu<br />

Soaps und Reality Soaps Geschichten und Erlebnisse gewöhnlicher Menschen in den<br />

Mittelpunkt. Laut Selbstaussage der Fernsehsender handelt es sich vor allem bei der<br />

Docu Soap um ein authentisches Genre. Der Sender RTL II23 betont in seiner Pressemitteilung<br />

zu „Reeperbahn“ die Authentizität der Serie: „Keine Szene wird gestellt, wir<br />

begleiten unsere Darsteller mit der Kamera und lassen sie einfach erzählen (…): ‚Dialoge<br />

schreiben wir nicht, die liefern uns unsere Darsteller.‘“ Noch direkter formuliert das<br />

ZDF in der Pressemappe zu „OP. Schicksale im Klinikum“ (1998): Es „entstanden Ge-<br />

20 Im Rahmen einer kommunikations<strong>wissenschaft</strong>lichen Abschlussarbeit wurde zwischen April<br />

1998 (erste Docu Soap im deutschen Fernsehen) und Mai 2001 das Fernsehprogramm mehrerer<br />

Fernsehzeitschriften durchgesehen und auf dieser Basis, kombiniert mit Selbstauskünften der<br />

Fernsehsender ARD, ZDF, ARTE, aller Dritten Programme, RTL, RTL II, SAT.1, Pro Sieben<br />

sowie VOX, alle bis zu diesem Zeitpunkt ausgestrahlten Docu Soaps und Reality Soaps erfasst.<br />

Von allen ermittelten Sendungen (46 Docu Soaps sowie 11 Reality Soaps) wurden Pressematerial<br />

sowie die Einschaltquoten bei der Erstausstrahlung angefordert sowie Zahl und Länge der<br />

Folgen, Ausstrahlungszeitraum, Hauptpersonen und -schauplatz sowie die Produktionsfirma<br />

recherchiert. Anhand der Durchsicht einer Auswahl von Docu Soaps und Reality Soaps wurde<br />

überprüft, inwieweit die aus der theoretischen Literatur hervorgehenden Gattungsmerkmale<br />

des Reality TV, von Daily Soaps und Dokumentationen sich in Docu Soaps und Reality Soaps<br />

wiederfinden.<br />

21 Dass Reality TV ebenfalls Privates öffentlich macht, zeigt dieses Kapitel. Allerdings gehen die<br />

Autorinnen davon aus, dass Fernsehsendungen nicht erst mit dem Beginn der Ära Reality TV<br />

Privates thematisierten, sondern dies seit ihren ersten Tagen tun, wie z. B. Bleicher oder Herrmann<br />

herausarbeiten (vgl. Bleicher 2002, 208ff.; Herrmann 2002, 39 – 51). Es handelt sich deshalb<br />

in unserem Sinne nicht um eine formative Grenzübertretung.<br />

22 Wie beispielsweise die Trennung des Fernsehprogramms in fiktionale und non-fiktionale Produkte.<br />

23 RTL II nimmt für sich in Anspruch, die erste Docu Soap („Reeperbahn!“) im Privatfernsehen<br />

produziert zu haben.<br />

204


Klaus / Lücke · Reality TV<br />

schichten von Menschen, deren Alltag geprägt ist vom Leben in der Klinik, meist über<br />

einen längeren Zeitraum. Nichts wurde dazu erfunden. Nichts nachgestellt, nichts inszeniert.<br />

Authentische Geschichten.“<br />

Solche Pressemitteilungen verbreiten jedoch nur eine Hälfte der Wahrheit. Auch in<br />

den Docu Soaps geht es – ebenso wie in den anderen Genres des performativen Reality<br />

TV, wie Herrmann (2002, 131f.) beispielhaft an den Daily Talks zeigt – nicht nur um die<br />

Darstellung realer Geschehnisse, sondern auch um ihre möglichst geschickte und spannende<br />

Inszenierung. So geben einige RegisseurInnen offen zu, dass sie Szenen nachstellen<br />

lassen oder in die Handlungen ihrer Protagonisten eingreifen, und zwar unabhängig<br />

davon, ob sie für einen öffentlich-rechtlichen oder privaten Sender arbeiten. Differenzierungen<br />

zeigen sich eher im Ausmaß der Eingriffe. So bekennt sich Bettina Böttinger,<br />

verantwortlich für zwei Staffeln „Ein Heim für alle Felle“ (WDR), in der Pressemappe<br />

zur Docu Soap dazu, nicht nur Szenen aus der Realität zu verarbeiten. Im Interview über<br />

die Dreharbeiten äußert sie sich: „Manchmal sind wir ihnen [den Mitarbeitern des Tierheims,<br />

Anmerkung d. A.] sicherlich auf die Nerven gegangen, wenn sehr bestimmt gefragt<br />

wurde, ob sie die eine oder andere Begebenheit mal eben nachspielen könnten –<br />

und zwar ganz natürlich …“ (2000, 7). Susanne Abel , Regisseurin von „Die Fahrschule“<br />

und „Die Skischule“ (beide SAT.1), interessiert sich hingegen gar nicht erst für den<br />

„grauen Alltag“: „… wir zeigen Trudchen Müller nur, wenn es kracht. (...) Die reine<br />

Realität ist so spannend nicht, aber wenn man das flott montiert, kann das sehr spannend<br />

sein. (…) Wenn ich mit der Kamera komme, ist die Realität schon verändert.“ (zit.<br />

in Hoff 2000, 22).<br />

Noch stärker kommt der Inszenierungscharakter in den Reality Soaps zum Ausdruck.<br />

Lothar Mikos hat vermerkt, dass es sich bei „Big Brother“ um „(…) ein um die<br />

Inszenierung von Authentizität bemühtes, auf die Alltagswelt von Zuschauern und<br />

Kandidaten Bezug nehmendes Format [handelt], das zum performativen Realitätsfernsehen<br />

gezählt werden kann.“ (Mikos et al. 2000, 28f.; Hervorh. d. A.). Mikos hat herausgearbeitet,<br />

dass „Big Brother“ und seine Nachfolger Authentizität nur vermitteln<br />

wollen, während im Hintergrund meist unsichtbar die Fernsehmaschinerie dafür sorgt,<br />

dass alles „richtig“ in Szene gesetzt wird. Die Montage einer zusammenhängenden Sendung<br />

aus der Fülle des zur Verfügung stehenden Materials erlaubt es ohne großen Aufwand,<br />

dem tatsächlichen Geschehen einen dramaturgischen roten Faden zu verleihen.<br />

Doch auch hier gibt es Hinweise, dass manchmal direkt nachgeholfen wird: Beispielsweise<br />

berichtete ein Teilnehmer der Reality Soap „Inselduell“, dass die Kameraleute<br />

häufig das Nachspielen von Szenen verlangten, deren Aufnahme schief gegangen oder<br />

verpasst worden war. Die Kandidatinnen und Kandidaten hätten sich vergeblich gegen<br />

diesen „Betrug“ gewehrt. 24<br />

Docu Soaps und Reality Soaps bewegen sich im Spannungsfeld zwischen Authentizität<br />

und Inszenierung, zwischen Realität und Fiktion. Sie möchten den Schein von Authentizität<br />

aufrecht erhalten, während sie tatsächlich Realität inszenieren. Heinrich<br />

Pachl, Regisseur der WDR-Docu Soap „Durchboxen“, nennt diesen Prozess in der<br />

Pressemappe „waschen, färben, föhnen, also arrangieren und stylen“ (o. J., 14). Die Wiedergabe<br />

vermeintlich authentischer Erlebnisse, die jedoch in eine feste Dramaturgie eingebunden<br />

sind, ist ein wesentliches Merkmal aller Genres des performativen wie narra-<br />

24 Es handelt sich um den 51-jährigen Peter Pfaff, den ältesten Kandidaten des „Inselduells“, der<br />

von seinen Erfahrungen auf der Tagung „Das Fernsehen als Labor“ der Evangelischen Akademie<br />

in Hofgeismar (März 2001) berichtete.<br />

205


M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />

tiven Realitätsfernsehens. Für Daily Talks, Beziehungs-Shows oder das gewaltzentrierte<br />

Reality TV gilt gleichermaßen, dass die Geschichten aus dem echten Leben „normaler<br />

Menschen“ gegriffen sind und somit der Realität entstammen. Die Casting-Show<br />

„Deutschland sucht den Superstar“ zeigt, wie zunächst unbekannte Jugendliche versuchen,<br />

sich ihren Traum zu erfüllen und ein Superstar zu werden. Bei allen Formaten des<br />

Reality TV handelt es sich um eine verwirrende Mischung aus Realität und Inszenierung.<br />

Die „echten“ Richter der Gerichts-Shows verhandeln erfundene Fälle mit Laien-Schauspielern,<br />

die Ärztin erteilt ihre Ratschläge in vom Drehbuch vorgegebenen Konflikten,<br />

der Hergang von Unfällen wird fernsehgerecht nachgedreht, die schlagfertigen Antworten<br />

bei „Herzblatt“ von der Redaktion vorgegeben (vgl. Nolda 1996, 26). Neuberger<br />

(1994, 69) spricht von „Teil-Inszenierungen“ von Ereignissen: „Sie sollen den Anschein<br />

von Authentizität behalten und andererseits die Widerspenstigkeit der Realität<br />

durch Inszenierung berechenbar machen.“ Dass die Realität in den Sendungen des Reality<br />

TV eben nicht nur abgebildet, sondern bearbeitet und verändert wird, macht aus<br />

ihren Inszenierungen realer Begebenheiten ein Stück Fiktion.<br />

Zwischen Information und Unterhaltung: Bis in die 80er Jahre wurde in den öffentlich-rechtlichen<br />

Sendeanstalten strikt zwischen Informations- und Unterhaltungsproduktionen<br />

getrennt. Während anerkannt war, dass auch Informationssendungen unterhaltend<br />

aufbereitet sein mussten, ist der Nachweis, dass populäre Unterhaltungssendungen<br />

auch informieren, erst im Rahmen der neueren Publikumsforschung erbracht<br />

worden. In ihrer Zusammenfassung hat Elisabeth Klaus (1996) gezeigt, dass realitätsbezogene<br />

Genres, denen die Informationsfunktion zugeordnet wird, und fiktionale Genres,<br />

die mit Unterhaltungsfunktionen verbunden werden, sich in wesentlichen Teilen<br />

überschneiden und den Zuschauerinnen wie Zuschauern sowohl Information als auch<br />

Unterhaltung bieten. Wie das Infotainment zuvor, durchbrechen Docu Soap und Reality<br />

Soap bewusst den Dualismus von Unterhaltung und Information. Sie unterhalten<br />

durch die Darstellung alltäglicher Probleme von Menschen „wie du und ich“ und durch<br />

die Präsentation ihrer Missgeschicke oder Gefühlsausbrüche, ihrer komischen oder dramatischen<br />

Erlebnisse. Sie steigern die Spannung, indem schwierige Aufgaben gelöst oder<br />

menschliche Grenzsituationen bewältigt werden müssen. Damit informieren sie gleichzeitig<br />

nicht nur über Wissenswertes rund um Alltagsthemen – Schwangerschaft und Geburt,<br />

Partnervermittlung, Abnehmen – sondern vermitteln vor allem Wissen über den<br />

menschlichen Umgang miteinander: die Austragung eines Konflikts und Möglichkeiten<br />

der Versöhnung, des Trostes, die Bewältigung von Freude und Leid, die Legitimität von<br />

Liebe und Hass. Docu Soaps und Reality Soaps zeichnen sich nicht dadurch aus, dass sie<br />

Unterhaltendes mit Informationen anreichern oder Informatives unterhaltend aufbereiten,<br />

vielmehr lassen sie sich nur in der Grenzauflösung bestimmen.<br />

Für alle Genres des performativen wie narrativen Reality TV gilt, dass sie die Grenze<br />

zwischen Unterhaltung und Information bewusst übertreten. Werner Früh et al.<br />

schlagen beispielsweise vor, im gewaltzentrierten Reality TV eine Sonderform des Infotainment<br />

zu sehen (vgl. 1996, 429). Als Kennzeichen der Information nennen sie „Service“-Teile,<br />

welche u. a. Informationen über Erste Hilfe-Maßnahmen oder die Arbeit<br />

der Feuerwehr integrieren. Die echten Richter und Anwälte der Gerichts-Shows sollen<br />

beiläufig Informationen über Fallstudien der deutschen Rechtsprechung vermitteln, und<br />

moderierende Psychologinnen, Medizinerinnen und Sozialpädagoginnen sorgen dafür,<br />

dass in den Personal Help-Shows die Auseinandersetzungen und die Verhandlung der<br />

Konflikte einen professionellen Anstrich bekommen und eine Orientierungsfunktion<br />

für die Rezipienten erfüllen können. Unumstritten, und von der <strong>Medien</strong>kritik besonders<br />

herausgestellt, ist demgegenüber die Unterhaltungsfunktion des Reality TV: Sie<br />

206


Klaus / Lücke · Reality TV<br />

manifestiert sich durch den Einsatz dramaturgischer Mittel wie Emotionen (wie in<br />

Beziehungs-Shows, Daily Talks oder Personal Help-Shows), Komik (in Real Life<br />

Comedy) oder Dramatik (wie in gewaltzentriertem Reality TV oder Gerichts-Shows),<br />

die Nähe zur Fernseh-Show oder zur Serie.<br />

Die heute geläufigere Doppelfunktion des Reality TV wurde aber nicht von Anfang<br />

an erkannt. Udo Michael Krüger ordnet in seiner Studie über Gewaltdarstellungen im<br />

Fernsehen 1992 das gewaltzentrierte Reality TV in den Bereich „Information“ ein, neben<br />

Nachrichtensendungen, politischen und nicht-politischen Informationssendungen.<br />

Diese Einordnung sei durch die GfK-Sendekodierung erforderlich, die Reality TV als<br />

eine Unterkategorie zum Informationsangebot behandele (vgl. 1992, 73). In der Programmanalyse<br />

2001 werden dagegen ohne nähere Begründung Teile der Sendungsform<br />

„Reality/Dokuinszenierung“ – zu dieser Kategorie zählt auch das gewaltzentrierte Reality<br />

TV – in die Sparte Information, andere Teile in die Sparte Unterhaltung eingeordnet<br />

(vgl. Krüger/Zapf-Schramm 2002, 188f.). Auf längere Sicht erscheint zweifelhaft, ob<br />

an der Trennung zwischen Unterhaltung und Information in den Produktionsabteilungen<br />

der Sendeanstalten und den Kategoriensystemen der <strong>Medien</strong>forschung auf Dauer<br />

festgehalten werden kann. Das Reality TV mit all seinen Genres untergräbt diese Grenzsetzung<br />

jedenfalls stetig.<br />

Alltag und Exotik: Der Alltagsbezug ist eine der zentralen Charakteristika des Realitätsfernsehens.<br />

Unterschiedlich aufbereitet steht das Gewöhnliche, Alltägliche auch in<br />

Docu Soaps und Reality Soaps im Vordergrund. Sie zeigen „normale“ Menschen bei der<br />

Bewältigung von Lebensabschnitten, die fast jeder Zuschauer aus seinem eigenen Leben<br />

kennt – seien es die vier pubertierenden Freundinnen („Die Schiller-Gang“, WDR),<br />

Nachwuchs erwartende Pärchen („Schnulleralarm“, RTL II), arbeitssuchende Kleinstadt-Bewohner<br />

(„Artern – Stadt der Träume“, MDR) oder flirtwillige Singles („House<br />

of Love“, RTL). Anders als in den Docu Soaps verlassen die KandidatInnen in den Reality<br />

Soaps zwar ihre Alltagswelt, müssen aber, damit die Inszenierung gelingen kann,<br />

diese als ihren Bezugspunkt und als Quelle der Identifikation behalten. Für die Darstellenden<br />

sowohl der Docu Soap als auch der Reality Soap gilt aber zugleich, dass sie durch<br />

die Fernsehpräsenz für eine Zeit lang aus diesem Alltag herausgerissen werden. Der<br />

Blick der Kamera macht sie zu ExotInnen des Alltags, stellt sie als Einzelne aus, die von<br />

Millionen bestaunt werden können. Das außergewöhnliche Fernsehereignis transformiert<br />

die Alltagsmenschen zu <strong>Medien</strong>stars, wenn auch häufig nur für kurze Zeit, und<br />

stellt damit einen erheblichen Eingriff in ihre Alltagswelt dar, wie er für die Genres des<br />

performativen Reality TV konstituierend ist.<br />

Diese Grenzübertretung von Alltäglichem und Ungewöhnlichem ist für die Genres<br />

des Reality TV konstitutiv. Ob bei „Oliver Geissen“, „Das Jugendgericht“, „Dr. Verena<br />

Breitenbach“ oder „Herzblatt“: Die ProtagonistInnen sind allesamt Nicht-Prominente.<br />

25 Dies ist eins der prägnanten Charakteristika für das Realitätsfernsehen. Die Tatsache,<br />

dass die Darsteller „ganz normale“ Menschen und keine Schauspieler oder Prominenten<br />

sind, bedeutet für die Zuschauenden eine Abweichung von den sonst üblichen<br />

„perfekten“ Fernsehfiguren. Weiter beziehen sich die Sendungen des Reality TV auch<br />

auf besondere Situationen des Alltags dieser Menschen: Schwangerschaft, Krankheit,<br />

Freundschaft – es geht um ungezählte Situationen der Lebensbewältigung. Wiederum<br />

gilt aber, dass das Fernsehen die Alltagsbegebenheiten in herausgehobene Ereignisse und<br />

25 Bei Gerichts-Shows und Personal Help-Shows stellen Laien-Schauspieler die Szenen dar.<br />

207


M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />

die Alltagsmenschen in Fernsehstars überführt. Die ausverkauften Fan-Magazine bei<br />

„Deutschland sucht den Superstar“, die vielen Fanclubs für die KandidatInnen, die Absatzzahlen<br />

ihrer ersten CD „United“, die Traumquoten – all das spricht dafür, dass in<br />

der jeweils spezifischen Mischung von Gewöhnlichem und Außergewöhnlichem, von<br />

Alltag und Exotik der Schlüssel zum Erfolg der Genres des Reality TV liegt.<br />

6.2 Inszenierungsstrategien<br />

Neben den vor allem den Inhalt betreffenden Grenzübertretungen sorgten vor allem die<br />

die Form betreffenden Inszenierungsstrategien des Reality TV immer wieder für Konfliktstoff.<br />

Die einzelnen Genres setzen zielgerichtet jene dramaturgischen Mittel ein, die<br />

für das Fernsehen der 90er Jahre konstituierend geworden sind. Es sind die Stilmittel der<br />

Personalisierung, der Emotionalisierung, der Intimisierung, der Stereotypisierung und<br />

der Dramatisierung. 26<br />

Personalisierung: Docu Soaps und Reality Soaps sind dadurch gekennzeichnet, dass<br />

ihre ProtagonistInnen als Persönlichkeiten inszeniert werden und deshalb potenziell<br />

Identifikationsfiguren für ihr Publikum darstellen können. Menschen erzählen nicht nur<br />

von ihrem Schicksal27 , sondern sie erleben und erleiden es direkt vor der Kamera, so dass<br />

die ZuschauerInnen sie ein Stück ihres Lebensweges begleiten können. ProtagonistInnen<br />

wie Sabrina Begic („Abnehmen in Essen“, ARTE/ WDR und „Big Diet“, RTL II)<br />

oder Manu, Zlatko und Jürgen („Big Brother 1“, RTL II/RTL) wurden so zu Vorbildern<br />

oder auch zu Hassfiguren. Eine solche Personalisierung ihrer nicht-prominenten<br />

Teilnehmenden ist ein wesentliches Element aller Reality TV-Genres. In fast allen Sendungen<br />

werden intime, private Details und Gefühle erörtert, in Interviews erzählen die<br />

Opfer, Retter oder Zeuginnen „ihre Geschichte“ persönlich und entsprechend gefühlsbetont.<br />

Emotionalisierung: Mit der Personalisierung ist die Emotionalisierung eng verbunden.<br />

Auch sie gehört zu den wesentlichen Gestaltungsmerkmalen von Docu Soap und<br />

Reality Soap. Das Schicksal eines krebskranken Mädchens im Krankenhaus („OP.<br />

Schicksal im Klinikum“, ZDF) oder die Reaktionen der jungen Frau, deren Freund auf<br />

einem Video mit einer Konkurrentin flirtet („Versuchung im Paradies“, RTL) stellen<br />

hochemotionale, melodramatische Situationen dar. Als Mittel zur Spannungssteigerung<br />

und zur emotionalen Bindung werden Cliffhanger und schnelle Schnitte eingesetzt, so<br />

dass die Sendungen ihr Soap-Label insgesamt zu Recht tragen. Fast alle Reality TV-Genres<br />

präsentieren gewöhnliche Menschen in einer außergewöhnlichen Situation, die sie<br />

bewältigen – indem sie ihren Partner um Verzeihung bitten, ein lange vermisstes Familienmitglied<br />

wieder treffen oder einen Heiratsantrag machen. In der Regel zeigen die Betroffenen<br />

ohne Hemmungen eigene Emotionen. 28 Der Weinkrampf von Kandidat Daniel<br />

Küblböck beim Ausscheiden seiner Freundin Gracia aus der Casting-Show<br />

26 Diese wurden in den Arbeiten von Wegener 1994, Bente/ Fromm 1997 sowie Fromm 1999 genannt.<br />

27 Von ihren Schicksalen reden sie in den Daily Talks, wie beispielsweise Herrmann (2002, 149ff.)<br />

herausarbeitet. Sie wies dabei den Begriff der „Personalisierung“ als negativ konnotiert zurück<br />

und ersetzte ihn durch „personenbezogene Darstellung“ (ebd., 150).<br />

28 Bei den häufig in Daily Talks vorkommenden, teils sehr privaten und emotionalisierenden Themenbereichen<br />

Beziehung/ Sexualität, Familie und Freundschaft sind oft Tränen oder Wutausbrüche<br />

vorprogrammiert.<br />

208


Klaus / Lücke · Reality TV<br />

„Deutschland sucht den Superstar“ gehörte zu den emotionalen Höhepunkten der<br />

Show. Die geschickte Fragetechnik einer Moderatorin kann emotionale Situationen hervorbringen<br />

oder noch steigern. Durch den Einsatz stilistischer Mittel wie gefühlvoller<br />

oder spannungssteigernder Musik, durch Großaufnahmen weinender Angehöriger oder<br />

durch detaillierte Dokumentationen und häufige Wiederholungen dramatischer Szenen<br />

sollen auch bei den ZuschauerInnen Emotionen geweckt und ihr Mitgefühl mit den im<br />

Fernsehen gezeigten Menschen noch gesteigert werden.<br />

Intimisierung: Docu Soaps und Reality Soaps brechen schonungslos in die Privatsphäre<br />

der Menschen ein. Erstere, indem sie Aspekte des privaten Alltags filmt und so<br />

der Öffentlichkeit preisgibt, letztere, indem sie die Menschen in ihren Charaktereigenschaften<br />

und Handlungen entblößt. In ihnen leben „normale“ Menschen vor, wie man<br />

besondere, häufig schwierige Situationen meistert oder mit zwischenmenschlichen Konflikten<br />

in der Beziehung und zwischen Freunden umgeht. Vor allem die Privatsender bevorzugen<br />

dabei Themen, bei denen Menschen möglichst viel nackte Haut zeigen oder<br />

Sexualität eine Rolle spielt 29 . Was früher noch eindeutig im privaten Lebensbereich lag,<br />

wie persönliche Probleme, Sexualität oder die Gestaltung zwischenmenschlicher Beziehungen,<br />

wird beim Realitätsfernsehen zum öffentlichen Thema (vgl. Bente/ Fromm<br />

1997, 20). „Tabubruch als Programm?“, die im Titel eines Bandes gestellte Frage, der<br />

sich mit der Vermischung von Öffentlichem und einst Privatem beschäftigt, kann für das<br />

Reality TV und seine Genres bejaht werden (vgl. Herrmann/ Lünenborg 2001). Tabubrüche<br />

können dabei sowohl einen aufklärerischen Impuls geben, wie etwa die Grimme-Preis-gekrönte<br />

Docu Soap „Abnehmen in Essen“ (WDR) zeigt, oder aber bestehende<br />

Vorurteile und Diskriminierungen verfestigen, wie es Friederike Herrmann<br />

(2002) für die Darstellung Bisexueller in den Talk Shows analysiert.<br />

Stereotypisierung: In Docu Soap und Reality Soap werden nur ausgewählte Charakterzüge<br />

und Handlungen der ProtagonistInnen gezeigt und insbesondere einzelne Eigenarten<br />

betont und herausgestellt. Durch das Missverhältnis von gefilmter Lebenszeit<br />

und gezeigter Fernsehzeit ist es unmöglich, die Persönlichkeiten umfassend sichtbar<br />

werden zu lassen. Die damit gegebene Tendenz, die DarstellerInnen eher oberflächlich<br />

und stereotyp erscheinen zu lassen, wird durch eine spezifische Komprimierung des Materials<br />

und eine aus dem Gesamtkontext gerissene Präsentation weiter verstärkt. Beispielsweise<br />

repräsentierte Darstellerin Manu aus der ersten Staffel von „Big Brother“ die<br />

„Zicke“, Hanka aus der zweiten Staffel die „Hexe“. Die psychologischen Ursachen für<br />

das Übergewicht der beiden Schwestern Sabrina und Susanne Begic in „Abnehmen in<br />

Essen“ werden zwar angesprochen, jedoch nicht tiefergehend erörtert. Eine differenzierte,<br />

vielschichtige Darstellung der Charaktere ist nicht das Ziel von Docu Soaps und<br />

Reality Soaps. Eine umfassende Bearbeitung von Problemen wie auch eine sensible unverwechselbare<br />

Charakterzeichnung führte dazu, dass der <strong>Medien</strong>text für die Zuschauenden<br />

weniger produzierbar und damit wenig populär wäre (vgl. Fiske 1994, 103ff.). Gerade<br />

die Überzeichnung der Charaktere und die oberflächliche Darstellung von Problemen<br />

ermöglicht es den verschiedenen Gruppen von Zuschauenden, diese Vorlagen mit<br />

eigenen Bedeutungen zu füllen.<br />

In jedem Fall gehört die Stereotypisierung der Handlung und der Darstellenden zu<br />

den gemeinsamen formativen Kennzeichen des narrativen und performativen Reality<br />

29 Beispielsweise die zwischen 2001 und 2002 ausgestrahlten Reality Soaps „House of Love“<br />

(RTL), „Girlscamp“ (SAT.1), „Expedition Robinson“ (RTL II), „Versuchung im Paradies“<br />

(RTL), „Reeperbahn“ (RTL II).<br />

209


M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />

TV. Die erzählten Geschichten werden fast immer in kurzer Zeit dargestellt und zwingen<br />

zur Reduktion komplexer Zusammenhänge. 30 Eine differenzierte Charakterentwicklung<br />

und -darstellung wird dadurch erschwert. Häufig kommen Klischees, stereotype<br />

Darstellungsmuster und standardisierte Handlungsabläufe vor (dies gilt für Reality<br />

TV, aber auch für Soap Operas oder viele Romane, vgl. Wegener 1994, 77ff.).<br />

Dramatisierung: In den Docu Soaps und den Reality Soaps sorgt die Dramaturgie für<br />

besonders spannungsgeladene Momente. Beispiele dafür liefert die Nominierungs-Zeremonie<br />

der KandidatInnen im „Big Brother-Haus“, wer als Nächstes den Container<br />

verlassen muss, aber auch die komplizierte und gefährliche Geburt von Zwillingen (beispielsweise<br />

„Schnulleralarm“, RTL II). Die dabei gewählten Stilmittel entstammen der<br />

fiktionalen Serie oder dem Spielfilm, doch der Stoff kommt aus der Wirklichkeit. Alle<br />

Genres des Reality TV bereiten Ereignisse, gleich welcher Natur, dramatisch auf. Dramatik<br />

wird beispielsweise beim gewaltzentrierten Reality TV durch den Einsatz der<br />

„Living Camera“ erzeugt, ebenso durch spannungssteigernde Musik, schnelle Schnitte,<br />

überraschende Szenenwechsel und eine möglichst zugespitzte Darstellung des Ereignisses.<br />

Im Gerichtssaal sorgt die direkte Konfrontation der Streithähne für dramatische<br />

Momente, in denen Beziehungen beendet oder Ergebnisse von Vaterschaftstests bekannt<br />

werden. Bei „Deutschland sucht den Superstar“ wird erst im letzten Moment verkündet,<br />

wer die Show verlassen muss, so dass für Kandidatinnen wie Zuschauer die<br />

Spannung ins Hochdramatische steigt. Dieser „Entscheidung“ ist eine eigene Sendung<br />

gewidmet, die in der letzten Folge der ersten Staffel am 8. März 2003 mehr als 10 Millionen<br />

Zuschauer anlockte, was um diese Zeit nach Mitternacht einem sagenhaften<br />

Marktanteil von fast 62 Prozent entsprach (vgl. Hoff 2003, 19).<br />

7. Fazit<br />

Reality TV ist ein höchst lebendiges Sammelbecken erfolgreicher Formate, das sich in<br />

den letzten zehn Jahren rasant entwickelt und stetig ausdifferenziert hat. Das älteste<br />

dazu gehörende Genre, gewaltzentriertes Reality TV, hat heute seine Vorrangstellung<br />

gegenüber zahlreichen neuartigen Formaten eingebüßt. Reality TV hat in den 90er Jahren<br />

ein Stück Fernsehgeschichte geschrieben und ist längst mehr als eine Modeerscheinung.<br />

Um seine Entwicklung zur Genrefamilie angemessen zu erfassen, haben wir – angeregt<br />

durch Keppler – einen aktuellen Definitionsvorschlag für das narrative und das<br />

performative Reality TV vorgelegt und eine weiter gehende Klassifizierung vorgeschlagen.<br />

Zwischen dem ersten Boom 1992 und dem Fernsehen des beginnenden 21. Jahrhunderts<br />

können demnach elf verschiedene Genres des Reality TV identifiziert werden,<br />

wovon vier Vertreter des narrativen und sieben des performativen Reality TV sind.<br />

Mit dem Boom der in diesem Beitrag besonders fokussierten Docu Soap und Reality<br />

Soap im Übergang zum 21. Jahrhundert zeigte sich besonders, dass das Reality TV<br />

von der <strong>Medien</strong>entwicklung stark beeinflusst war und diese wiederum weiter vorantrieb.<br />

Dabei blieben die Docu Soaps stets im Schatten der weit mehr Aufsehen erregenden<br />

Reality Soaps. Beide Genres stehen exemplarisch für die Veränderungen und die formativen<br />

Merkmale des Reality TV. Danach zeichnet sich die Genrefamilie vor allem<br />

durch inhaltlich markierte Grenzübertretungen aus: die Verschränkung informierender<br />

30 Kein reales Gerichtsverfahren kann auf die Standardlänge von 20-30 Minuten verkürzt werden.<br />

Doch die Analyse tiefer gehender Ursachen und Motive für eine Tat sind bei Gerichts-Shows<br />

gar nicht erwünscht.<br />

210


Klaus / Lücke · Reality TV<br />

und unterhaltender, inszenierender und authentischer, alltäglicher und außergewöhnlicher<br />

Bestandteile. Zugleich weisen die Genres des Reality TV eine Anzahl gemeinsamer<br />

Inszenierungsstrategien auf. Zu diesen Stilmitteln gehören Personalisierung, Emotionalisierung,<br />

Intimisierung, Stereotypisierung sowie Dramatisierung. Weil sich das Reality<br />

TV momentan besonders rasant entwickelt, ist diese Zusammenstellung der die Genrefamilie<br />

kennzeichnenden Merkmale sicher nicht im Sinne eines statischen, abgeschlossenen<br />

oder eindeutigen Kanons zu verstehen. Vielmehr versteht sie sich als Zwischenbericht,<br />

als Bilanz, von der ausgehend neue Forschungsperspektiven entwickelt<br />

werden können.<br />

8. Literatur<br />

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Keppler, Angela (1994): Wirklicher als die Wirklichkeit? Das neue Realitätsprinzip der Fernsehunterhaltung.<br />

Frankfurt am Main: Fischer.<br />

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Krüger, Udo Michael/ Zapf-Schramm, Thomas (2002): Öffentlich-rechtliches und privates<br />

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Meyers Lexikonredaktion (Hg.) (1995): Meyers großes Taschenlexikon: in 24 Bänden. Band 2.<br />

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Müller, Eggo (1995): Television goes Reality. Familienserien, Individualisierung und ‚Fernsehen<br />

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Neuberger, Christoph (1994): Was ist neu am neuen Fernsehen? In: Medium Nr. 2, S. 67 – 71.<br />

Niggemeier, Stefan (2003): Unsere Leichen leben noch. In: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung<br />

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O.V. (1994): Ware Leben. In: Spiegel Nr. 15, S. 225f.<br />

Pressemappe zu „Durchboxen“, ARTE/ WDR, ohne Datum.<br />

Pressemappe der ersten Staffel von „Ein Heim für alle Felle“, WDR, 2000.<br />

Pressemappe zu „OP. Schicksale im Klinikum“, ZDF Presse Special, 1998.<br />

Pressemitteilung zu „Reeperbahn!“, RTL II, ohne Datum.<br />

Schweer, Martin K.W. (Hg.) (2002): Das Private in der öffentlichen Kommunikation: „Big Brother“<br />

und die Folgen. Köln: Von Halem.<br />

Strittmatter, Judka (1994): Niemand muß lila Haare haben oder Tattoos. Interview mit dem Produzenten<br />

Markus Peichl. In: Berliner Zeitung vom 28./ 29 Mai, S. 35.<br />

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Genre Book. London: bfi Publishing, S. 4-5.<br />

Turner, Graeme (2001b): Genre, Hybridity and Mutation. In: Creeber, Glen (Hg.): The Television<br />

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Verlag.<br />

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Reality TV. Formate und Inhalte eines neuen Programmgenres. Saarbrücken: Logos-Verlag.<br />

212


(Film-) Genres und die Reduktion von Unsicherheit<br />

Volker Gehrau<br />

Die Studie geht dem Zusammenhang zwischen der Verwendung von Genrebezeichnungen<br />

und der Reduktion von Unsicherheit nach. Im ersten Teil des Beitrags werden dazu<br />

vier theoretische Modellierungen vorgestellt: In der kulturellen Modellierung resultiert<br />

die Reduktion von Unsicherheit aus der über Genres geschaffenen Anschlussfähigkeit<br />

zwischen einem konkreten Angebot und dem Gesamtangebot. Die Anschlussfähigkeit<br />

des einzelnen Angebots an bereits erfolgreich vermarktete Angebote sowie die Publikumswünsche<br />

steht im Vordergrund der ökonomischen Modellierung. In der psychologischen<br />

Modellierung bieten Genrezuordnungen Anschlussmöglichkeit an bereits gemachte<br />

kognitive und emotionale Erfahrungen. In der sozialen Modellierung dienen<br />

Genrebezeichnungen dazu, mittels Sicherung von Anschlusskommunikation Unsicherheit<br />

bei gemeinsamen <strong>Medien</strong>handlungen, insbesondere der Kommunikation über <strong>Medien</strong>angebote,<br />

zu reduzieren. Im zweiten Teil der Studie werden die Überlegungen auf<br />

das Publikum fokussiert: Demnach müssten Zuschauer in der Kommunikation über <strong>Medien</strong>angebote<br />

verstärkt Genrebezeichnungen benutzen, wenn die Situation unsicher ist.<br />

Innerhalb derselben Situation müsste das individuelle Sicherheitsgefühl ansteigen, wenn<br />

auf Genrebezeichnungen zurückgegriffen werden kann. Die vorliegenden Daten aus einer<br />

mündlichen Befragung sowie einer Reihe von Rezeptionsexperimenten bestätigen die<br />

Vermutungen.<br />

Keywords: Film- und Fernsehforschung, Rezeptionsforschung, Genre, Unsicherheit,<br />

Steuerungsfunktion, Befragung, Rezeptionsexperiment<br />

1. Ansatz<br />

Der nachfolgende Beitrag thematisiert die Frage, welche Funktion die Verwendung von<br />

Genrebegriffen zur Bezeichnung von Film- und Fernsehangeboten erfüllt. 1 Er konzentriert<br />

sich dabei auf den Aspekt des Umgangs mit Unsicherheit. Durch die Zuordnung<br />

eines Angebots zu einem Genre werden diesem bestimmte Eigenschaften zugeschrieben,<br />

andere mit großer Wahrscheinlichkeit erwartet und wieder andere von vornherein<br />

ausgeschlossen und damit Unsicherheit im Handeln mit dem entsprechenden Angebot<br />

reduziert. Diese Grundidee ist nicht neu; sie wird in einer Vielzahl theoretischer Ansätze<br />

zu Genres explizit oder implizit formuliert. Die hier vorgestellte Argumentation basiert<br />

sowohl auf einer Diskussion wichtiger theoretischer Ansätze im Feld von Filmund<br />

Fernsehgenres in Bezug auf den Punkt Unsicherheitsreduktion als auch auf empirischen<br />

Daten.<br />

Den Ausgangspunkt bildet die Überlegung, dass Genrebegriffe eine über Erwartungen<br />

konkretisierte Beziehung zwischen Film- und Fernsehangeboten einerseits und dem<br />

Publikum andererseits konstituieren. Die Konkretisierung der Erwartungen findet über<br />

die Sicherung von Anschlussfähigkeit statt. Die Möglichkeit, nicht nur über das einzelne<br />

Angebot zu kommunizieren, sondern über die Gleichartigkeit vieler Angebote,<br />

1 Ich danke Cornelia Spallek für Anmerkungen zu dem Manuskript sowie Iris Morgenstern und<br />

Jens Wolling für hilfreiche Hinweise zu einer vorhergehenden Version des Beitrags.<br />

213


M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />

schafft diese Anschlussfähigkeit, und Genrebegriffe fassen diese Gleichartigkeit in einen<br />

leicht kommunizierbaren Begriff.<br />

Die theoretische Argumentation folgt der Einteilung in Angebot und Publikum und<br />

differenziert jeweils danach, ob die Reduktion von Unsicherheit mit oder ohne Referenz<br />

auf den anderen Bereich stattfindet. Damit lassen sich vier unterschiedliche Felder einteilen,<br />

in denen die hier zu untersuchende Reduktion von Unsicherheit im Kern durch<br />

(a) kulturelle, (b) ökonomische, (c) psychologische sowie (d) soziale Modellierung erklärt<br />

wird. Die kulturelle und die ökonomische Modellierung fokussiert auf das Angebot<br />

(letztere mit Bezug zum Publikum), die psychologische und die soziale Modellierung<br />

fokussiert auf das Publikum (erstere mit Bezug zum Angebot). Die kulturelle Modellierung<br />

von Genrebegriffen stellt eine Verbindung eines einzelnen Angebots zum<br />

Gesamtangebot her und reduziert Unsicherheit durch die Schaffung kultureller Anschlussfähigkeit.<br />

Die ökonomische Modellierung berücksichtigt zudem die Verbindung<br />

zwischen Angebot und Publikum. Sie erklärt die Reduktion von Unsicherheit durch das<br />

Bestreben, an ökonomisch erfolgreiche oder Erfolg versprechende Angebote mit einem<br />

konkreten Angebot anzuknüpfen. Die psychologische Modellierung stellt demgegenüber<br />

eine Verbindung zwischen den vorliegenden emotionalen und kognitiven Rezeptionsphänomenen<br />

und der Erinnerung an vorangegangene emotionale und kognitive<br />

Rezeptionsphänomene her. Die soziale Modellierung kommt bei der Kommunikation<br />

über <strong>Medien</strong>angebote zum Tragen. Hier wird Unsicherheit über die Sicherung sozialkommunikativer<br />

Anschlussfähigkeit vollzogen. Die Unterscheidung zwischen den vier<br />

Modellierungen dient der Vereinfachung der Argumentation. De facto lassen sich die<br />

vorhandenen theoretischen Ansätze zu Genres nicht eindeutig zuordnen, da sie explizit<br />

oder implizit mehrere Modellierungen in ihre jeweilige Argumentation mit einbeziehen.<br />

Trotzdem lassen sich einzelne Aspekte der theoretischen Ansätze den vier Modellierungen<br />

zuordnen.<br />

Im empirischen Teil des Beitrags werden Befragungsdaten zur Publikumsseite vorgestellt,<br />

mit denen der Zusammenhang zwischen Unsicherheit und der Verwendung von<br />

Genrebegriffen untersucht wird. Den Ausgangspunkt bildet die Hypothese, dass Genrebegriffe<br />

verwendet werden, um Unsicherheit zu begegnen. Deshalb müsste einerseits<br />

die Wahrscheinlichkeit der Verwendung von Genrebegriffen größer sein, wenn der Verwendungskontext<br />

viel Unsicherheit birgt, als in Verwendungskontexten mit wenig Unsicherheit.<br />

Andererseits sollte innerhalb desselben Verwendungskontextes die Unsicherheit<br />

abnehmen, wenn Genrebegriffe verwendet werden.<br />

2. Genres aus unterschiedlicher Perspektive<br />

2.1 Genres aus kultureller Perspektive<br />

Die kulturelle Perspektive geht vom Angebot aus und untersucht in erster Linie Filmgenres.<br />

Sie arbeitet Ähnlichkeiten zwischen Filmangeboten heraus und fasst diese zu<br />

Segmenten zusammen. Bei ausreichender Ähnlichkeit und Stabilität der Segmente<br />

werden Genres konstituiert und mit Genrebezeichnungen benannt. Die Konstitution<br />

und Benennung der Genres findet in Anlehnung an den kulturellen Hintergrund –<br />

z. B. literarische Genres – sowie die gesellschaftlichen Gegebenheiten statt. Die Zuordnung<br />

des konkreten Angebots zu einem Genre findet über Ähnlichkeit statt. Wird ein<br />

Angebot einem Genre zugeordnet, so ist damit die Erwartung verbunden, dass das<br />

konkrete Angebot den typischen Merkmalen des Genres entspricht. Die Reduktion<br />

von Unsicherheit kommt in der kulturellen Modellierung von Genres durch die<br />

214


Gehrau · (Film-) Genres und Reduktion von Unsicherheit<br />

Sicherstellung kultureller Anschlussfähigkeit des einzelnen Angebots an andere Angebote<br />

zustande.<br />

Beispielhaft für die kulturelle Betrachtungsweise sind Bawdens Ausführungen zu<br />

Genres in Buchers Enzyklopädie des Films:<br />

„Genre: Eine Gruppe von fiktionalen Filmen mit gewissen gemeinsamen Merkmalen.<br />

Diese gemeinsamen Merkmale können geographischer (beispielsweise Western),<br />

zeitlicher (beispielsweise Ritterfilme), motivischer (beispielsweise Musical), dramaturgischer<br />

(beispielsweise Epischer Film) oder produktionstechnischer Natur sein<br />

(beispielsweise Ausstattungsfilm) – meist ist es eine Kombination von mehreren derartigen<br />

Elementen.“ (Bawden 1977: 292)<br />

Die Ansätze, die ich zur kulturellen Perspektive von Genres zähle, stammen hauptsächlich<br />

aus den Bereichen Film<strong>wissenschaft</strong>, Film- und Genretheorie sowie Filmkritik. Altman<br />

(2000: 216-226) unterscheidet hier – in Anlehnung an die Semiotik – semantische<br />

und syntaktische Ansätze. Semantische Ansätze konstruieren die Ähnlichkeitsbeziehung<br />

zwischen den Filmwerken nach inhaltlichen und filmischen Elementen. Ein Film<br />

gehört dann einem Genre an, wenn er dessen typische Elemente aufweist. Krimis könnte<br />

man demnach über das Vorkommen von Verbrechern und Polizei konstituieren. Im<br />

syntaktischen Ansatz werden Genres nach Beziehungen zwischen Elementen abgegrenzt.<br />

So könnte man Krimis über ein Verbrechen abgrenzen, das zu Beginn der Geschichte<br />

begangen und im Verlauf der Geschichte aufgeklärt wird. Semantische Ansätze<br />

haben nach Altman (2000: 220) den Vorteil, auf die meisten Filme anwendbar zu sein,<br />

sie können aber die Entstehung und Logik der Genres nicht erklären; syntaktische Ansätze<br />

sind demgegenüber zwar auf weniger Filme anwendbar, können dafür aber die<br />

Entstehung und Logik der Genres erklären.<br />

Semantische Ansätze finden sich vornehmlich im Feld der Filmtheorie bzw. Filmkritik.<br />

Filme werden nach Genres zugeordnet, um einerseits die Besonderheit des konkreten<br />

Filmwerks herauszuarbeiten (Gehrau 2001: 97) und andererseits Parallelen zu anderen<br />

aufzuzeigen. Z. B. geht Neal (2000) zum Teil semantisch vor, indem er die Charakteristika<br />

der wichtigen Hollywood-Genres herausarbeitet. Tudor (1977: 16–17) kritisiert<br />

solches Vorgehen, denn beispielsweise ist der Western ziemlich gut über das<br />

Merkmal „Amerika in der Zeit zwischen 1860 und 1900“ abzugrenzen; dieses sagt aber<br />

fast nichts über den eigentlichen Charakter von Western aus.<br />

Die meisten genretheoretischen Ansätze folgen eher der syntaktischen Variante. Für<br />

T. Sobchack (1977) bildet die Poetik von Aristoteles und deren Ansatz, Geschichten zu<br />

erzählen, den Ausgangspunkt heutiger Genrefilme. Die typischen Geschichten und<br />

Charaktere seien fast dieselben geblieben, auch wenn sich deren Realisation im Laufe der<br />

Zeit und unterschiedlicher Moden veränderte. V. Sobchack (1982) vermutet den Ursprung<br />

der gängigen Genrefilme in klassischen Mythen und Ritualen. Die dort festgelegten<br />

Handlungsweisen werden in den Geschichten der Genrefilme lediglich variiert.<br />

McConnell (1977) sieht das Genre als eine bestimmte Art an, einen Film zu realisieren,<br />

die sich an bereits bestehende Filmwerke anlehnt.<br />

In beiden Varianten findet durch die Zuordnung eines Films zu einem Genre eine Reduktion<br />

von Unsicherheit statt, denn der zugeordnete Film erbt zumindest einige semantische<br />

und/oder syntaktische Eigenschaften des Genres. Dieses Wissen generiert Erwartungen<br />

an den konkreten Film und erleichtert es, ihn zu analysieren und zu kritisieren.<br />

215


M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />

2.2 Genres aus ökonomischer Perspektive<br />

Auch die ökonomische Perspektive setzt beim Angebot an. Sie thematisiert die Frage,<br />

inwiefern die ökonomischen Strukturen bei der Produktion und Vermarktung von Filmen<br />

die Entwicklung von Genres beeinflusst haben. Dabei bezog sich die Argumentation<br />

anfangs auf die Strukturen der Filmindustrie in Hollywood, später auf die Entwicklung<br />

der Film- und Fernsehproduktion allgemein. Auch in dieser Perspektive handelt<br />

es sich bei Genres um Gruppen von Filmen mit bestimmten Merkmalen. Durch den<br />

Bezug auf Genres wird Unsicherheit bei Produktion und Absatz der Produkte reduziert.<br />

Das geschieht zum einen über die Schaffung von Standards und zum anderen über<br />

die Möglichkeit, an erfolgreiche Produkte anzuschließen.<br />

Eine gewisse Standardisierung ergibt sich beim Herstellen von Filmen fast zwangsläufig<br />

aus ökonomischen Zwängen, denen durch Minimierung der Produktionskosten<br />

Rechnung getragen wird. Das führt zu der Idee, Requisiten, Kulissen, Kostüme etc.<br />

mehrfach zu benutzen. (Altman 2000: 184–187) Ähnliches vollzog sich, als die Filmindustrie<br />

versuchte, die Filmproduktion durch Orientierung an den Publikumserwartungen<br />

zu standardisieren. Man lehnte sich bei der Produktion neuer Filme an gemeinsame<br />

Merkmale bereits erfolgreich vermarkteter Filme an. Zudem bildeten sich aus dem Erfolg<br />

oder Misserfolg vorhandener Filme Erwartungen darüber, was das Publikum zu sehen<br />

wünscht. Um den Erfolg eines Filmes kalkulieren und maximieren zu können, orientiert<br />

sich die Produktion neuer Filme an diesem Wissen. Schweinitz (1994) sieht in<br />

diesem Phänomen den Beginn des systematischen Operierens mit Genres und charakterisiert<br />

die damalige Situation so:<br />

„Zur Jahresmitte 1911 konnte man von einer großen Filmgesellschaft regelmäßige<br />

Lieferungen, bestehend aus einem Melodrama, einem Western und einer Comedy,<br />

erwarten“. (Schweinitz 1994: 100)<br />

Hinzu kommt die Vermarktung audio-visueller Produkte. Hierbei spielt weniger die<br />

Orientierung an Genre-Standards eine Rolle als die Verwendung von Genrebegriffen<br />

zur Ankündigung und Verbreitung des Produkts. Gehrau (1999: 78-80) vergleicht das<br />

Vorgehen mit der Verpackung eines Produktes, die beim Kunden Interesse und Erwartungen<br />

wecken sollen. Die Genrebezeichnung ebnet den Weg eines bestimmten Produktes<br />

in Richtung Zielgruppe und macht diese auf das Produkt aufmerksam. Altman<br />

(2000: 100–122) kann zeigen, dass dieses Vorgehen in den frühen Jahren der Filmvermarktung<br />

einen entscheidenden Beitrag zur Genese von Genrebezeichnungen leistete.<br />

Studios replizierten erfolgreiche Filmkonzepte, so dass Reihen entstanden, an denen die<br />

Studios die Rechte besaßen. Andere Studios realisierten ähnliche Produkte, um am Erfolg<br />

zu partizipieren. Sie durften aber die Titel nicht verwenden. So umschrieben sie erst<br />

die Charakteristika der erfolgreichen Reihen mit Adjektiven, aus denen sich später oft<br />

Genrenamen entwickelten.<br />

Aus der ökonomischen Perspektive hat der Zwang, Unsicherheit zu reduzieren – im<br />

Sinne der Reduktion ökonomischer Risiken –, sowohl zur Genese von Genrebegriffen<br />

als auch zur Orientierung an Genrevorgaben geführt. Die Unsicherheitsreduktion ergibt<br />

sich einerseits aus der Anschlussfähigkeit an ökonomisch erfolgreiche Produkte<br />

und andererseits aus der Anschlussfähigkeit an Publikumserwartungen.<br />

216


Gehrau · (Film-) Genres und Reduktion von Unsicherheit<br />

2.3 Genres aus psychologischer Perspektive<br />

Aus der psychologischen Perspektive reduzieren Genres Unsicherheit durch Anschlussfähigkeit<br />

an bereits gemachte kognitive und emotionale Erfahrungen. Genres organisieren<br />

die kognitiven und emotionalen Erfahrungen als spezielles Wissen (für Film- und<br />

Fernsehangebote), mit dessen Hilfe spezielle Erwartungen gebildet werden. Psychologisch<br />

wirksam werden die Genres durch ein Zusammenspiel von Bottom-up- und Topdown-Prozessen.<br />

Bottom-up aktivieren Wahrnehmungen bereits gemachte kognitive<br />

und emotionale Genreerfahrungen, die wiederum top-down Erwartungen aktivieren<br />

und die kognitive und emotionale Verarbeitung steuern. Bei den psychologischen Ansätzen<br />

zu Genres lassen sich kognitive und emotionale Ansätze unterscheiden.<br />

Es dominieren die kognitiven Ansätze, die sich im Kern implizit oder explizit auf die<br />

kognitive Schematheorie beziehen. Die moderne Variante der kognitiven Schematheorie<br />

wurde durch drei ähnliche Konzepte eingeführt: Frames von Minsky (1975), Scripts<br />

von Schank und Abelson (1977) sowie Schemata von Rumelhart (1975). Nach Rumelhart<br />

sind Schemata komplexe Wissensstrukturen, die aus einem Geflecht von Variablen<br />

bestehen. Ein Schema wird durch bestimmte Reize aktiviert. Bei der Aktivierung belegt<br />

die aktivierende Reizkonstellation einige Variablen des Schemas, die wiederum die Belegung<br />

anderer Variablen des Schemas beeinflussen. Im Modell Rumelharts setzt Aktivierung<br />

eines Schemas die Variablen nicht auf einen festgelegten Wert, sondern der Wertebereich<br />

möglicher Belegungen wird eingeschränkt und bestimmte Ausprägungen werden<br />

wahrscheinlicher als andere. Nach der Idee des Wahrnehmungszyklus‘ von Neisser<br />

(1979) aktivieren bestimmte Wahrnehmungen Schemata, die dann die weitere Wahrnehmung<br />

leiten. Dadurch wird eine ökonomische Informationsverarbeitung sichergestellt.<br />

Es muss lediglich anhand wichtiger Bestandteile des Schemas geprüft werden, ob<br />

das Schema auf die folgenden Wahrnehmungen passt. Danach kann sich die Wahrnehmung<br />

auf untypische Merkmale konzentrieren, die über das Schema hinausgehende Zusatzinformationen<br />

liefern (Waldmann 1990: 54–60). Das Schema leitet die weitere Wahrnehmung<br />

nicht nur; es generiert auch Erwartungen an die folgenden Wahrnehmungen.<br />

Mit den Erwartungen entsteht die Möglichkeit, Schemata bewusst zu verändern (Baumgartner/Trauner<br />

1996: 166–167).<br />

Filmverstehen ist laut Bordwell (1992) ein kognitiver Konstruktionsprozess, bei dem<br />

die Zuschauer, vom Filmmaterial ausgehend und auf Vorwissen zurückgreifend, provisorische<br />

Hypothesen über den Filmverlauf bilden. Dabei orientieren sich die Zuschauer<br />

einerseits an Handlungsschemata bezüglich der Narration und der Situation und andererseits<br />

an Figurenschemata über Rollen und Personen sowie deren Motive und Ziele.<br />

Die Vorhersehbarkeit ist – laut Bordwell – bei der Filmrezeption besonders wichtig,<br />

da man im Gegensatz zur Textlektüre nicht zurückblättern kann. Das narrative Form-<br />

Inhalt-Korrespondenzgitter steht im Zentrum des Ansatzes von Ohler (1994). Er beschreibt<br />

die Filmverarbeitung mit Hilfe eines kognitiven Prozessmodells, bei dem Reize<br />

aus dem sensorischen Kurzzeitspeicher und Informationen aus unterschiedlichen<br />

Wissensbeständen des Langzeitgedächtnisses im zentralen Prozessor zu einem Situationsmodell<br />

integriert werden. Dieses stellt eine Vereinfachung der eingehenden Reizkonstellation<br />

dar, da der zentrale Prozessor nur über eine begrenzte Kapazität verfügt.<br />

Ohler (1994: 32–41) unterscheidet drei Wissensbasen, auf die der zentrale Prozessor bei<br />

der Filmverarbeitung zurückgreift: (1) das generelle Weltwissen über persönliche und<br />

kulturell tradierte Alltagserfahrungen, (2) narratives Wissen über genretypische Personen,<br />

Konstellationen, Handlungen und Plots sowie (3) das Wissen über filmische Darstellungsformen.<br />

Unter anderem untersuchte Ohler den Zusammenhang zwischen Gen-<br />

217


M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />

reschemata und Filmerinnerung. Erstens erhöht das Genrewissen die Wahrscheinlichkeit<br />

der Erinnerung solcher Szenen, die innerhalb des Genres die Geschichte konstituieren.<br />

Zweitens werden solche Szenen nicht erinnert, die durch das Genreschema in den<br />

Hintergrund treten, da sie entweder für den Handlungsverlauf irrelevant oder vom<br />

Schema selbst vollständig repräsentiert sind. (Ohler 1994: 239–251) Zudem konnte er<br />

anhand eines kurzen Ausschnitts belegen, dass Zuschauer aus diesem genrespezifische<br />

Annahmen über den Fortgang der Handlung generieren, die im Groben den typischen<br />

Handlungsverläufen des Genres entsprechen. (Ohler 1994: 230–238) Schwan (1995) betrachtet<br />

Genres als kognitive Schemata, die Informationen über typische Personen, Objekte<br />

und Ereignisverläufe in Filmen enthalten, die, wenn sie beim Zuschauer aktiviert<br />

sind, die Art seiner Informationsverarbeitung und seiner Filminterpretation steuern: Die<br />

Aktivierung eines bestimmten Genres vereinheitlicht die Einschätzung, welche Szenen<br />

für den Film wichtig und welche eher unwichtig sind. (Schwan 1995: 32–37) Gehrau<br />

(2001) kann zeigen, dass bei geeigneten Szenen bereits binnen einer Sekunde eine relativ<br />

sichere Genreidentifikation stattfindet, die insbesondere von der Erkennung typischer<br />

Personen sowie auffälliger Schlüsselreize abhängt. (Gehrau 2001: 236–251)<br />

Im Vergleich zur kognitiven bildet die emotionale Modellierung von Genres eher die<br />

Ausnahme. Sie betrachtet bestimmte emotionale Konstellationen als typisch für bestimmte<br />

Genres. Treten diese Konstellationen auf, wird das Genre (-Gefühl) aktiviert<br />

und leitet die weitere Rezeption. Den Ausgangspunkt bilden Emotionstheorien, die entweder<br />

körperliche Erregung als Emotion betrachten oder die Bewertung dieser Erregung<br />

(Grodal 2000: 4). Nach Scherer (1998) entstehen die Emotionen bei der Rezeption<br />

audio-visueller <strong>Medien</strong>angebote zum einen als Emotionen durch die medieninduzierte<br />

Erregung, die im Kontext des <strong>Medien</strong>inhalts bewertet wird, und zum anderen als Komotion,<br />

also der Übernahme der Emotionen der dargestellten <strong>Medien</strong>figuren.<br />

Grodal (2000) ist der Erste, der Genres vornehmlich auf emotionaler Basis argumentiert.<br />

Seine Ausgangshypothese lautet:<br />

»My hypothesis is that the main genre-formulars and moods of fictive entertainment<br />

are often constructed to produce certain emotions, by allowing the viewer to stimulate<br />

one from a set of fundamental emotions linked to basic human situations. Mass<br />

fiction, in particular, is preduced, consumed and distributed in certain categories,<br />

and it seems intuitivly evident that one of the pertinent features distinguish these<br />

categories is a set of affect-preducing patterns (such as horror, romance and comedy)<br />

[…].« (Grodal 2000: 161)<br />

Grodal unterscheidet drei Dimensionen, welche die Art der emotionalen Rezeption bestimmen<br />

und die wichtigen Genres unterscheiden: (a) die Kontextualisierung der Rezeption<br />

in Bezug auf die Frage, ob die reale Rezeptionssituation bewusst bleibt oder ausgeblendet<br />

wird, (b) die Art der kognitiven und emotionalen Beziehung zu den <strong>Medien</strong>figuren<br />

sowie (c) die Struktur der Narration, vor allem in Bezug auf die Frage, ob den<br />

Figuren das Geschehen eher passiv widerfährt, oder ob die Handelnden es eher aktiv gestalten.<br />

Während der Rezeption führt die Kombination der drei Dimensionen zu einer<br />

dominanten emotionalen Tönung (einer Art Genregefühl), welche die einzelnen emotionalen<br />

Reaktionen steuert. So kann dieselbe Szene, in der z. B. ein Mann einen anderen<br />

Mann schlägt, je nach Genrekontext Freude verursachen, weil es lustig ist, Trauer,<br />

weil es dramatisch ist, oder Angst, da es spannend ist. (Grodal 2000: 157–164)<br />

Psychologisch betrachtet reduzieren Genres Unsicherheit durch die Anschlussfähigkeit<br />

an bereits vorhandene kognitive und emotionale Erfahrungen. Sie generieren Er-<br />

218


Gehrau · (Film-) Genres und Reduktion von Unsicherheit<br />

wartungen, die die kognitive Interpretation, die emotionale Verarbeitung sowie die motivierte<br />

Auswahl von <strong>Medien</strong>inhalten steuern.<br />

2.4 Genres aus sozialer Perspektive<br />

Aus sozialer Perspektive dienen Genrebegriffe dazu, Unsicherheit in <strong>Kommunikations</strong>situationen<br />

zu reduzieren. Sie werden in der Hoffnung benutzt, dem <strong>Kommunikations</strong>partner<br />

deutlich machen zu können, worüber man redet, um so die sozial-kommunikative<br />

Anschlussfähigkeit zu sichern.<br />

Die Argumentation schließt an Luhmanns (1987) Theorie Sozialer Systeme an. Luhmann<br />

bezeichnet all jene Reize oder Ereignisse als Information, die im System Komplexität<br />

reduzieren, indem sie auf nur eine begrenzte Zahl von Möglichkeiten verweisen<br />

(1987: 102–105). Da ständig Informationen auftreten, kann es sein, dass bestimmte Informationen<br />

immer in derselben Konstellation oder Reihenfolge auftreten. Diese werden<br />

zu Generalisierungen zusammengefasst und durch einzelne Symbole repräsentiert.<br />

Die Symbole lassen sich kommunizieren, so dass die Generalisierungen durch Kommunikation<br />

sozial abgestimmt werden.<br />

„Symbolische Generalisierungen verdichten die Verweisungsstruktur jeden Sinns zu<br />

Erwartungen, die anzeigen, was eine gegebene Sinnlage in Aussicht stellt. Und ebenso<br />

gilt das Umgekehrte: Die in konkreten Situationen benötigten […] Erwartungen<br />

führen und korrigieren die Generalisierungen.“ (Luhmann 1987: 139)<br />

Die konstruktivistische <strong>Medien</strong>gattungstheorie knüpft daran an und fundiert ein Gattungskonzept<br />

über <strong>Medien</strong>handlungen. Rusch (1987) greift die Idee der autopoietischen<br />

Systeme auf. Lebende Systeme entwickeln sich in Koevolution mit anderen lebenden<br />

Systemen, die sich gegenseitig wahrnehmen und miteinander kommunizieren.<br />

Durch gemeinsames Handeln in Bezug auf bestimmte Objekte entstehen Konventionen.<br />

Zu diesen zählt Rusch auch Begriffe für <strong>Medien</strong>gattungen. Sie bilden sich im gemeinsamen<br />

Operieren von Personen mit <strong>Medien</strong>angeboten. Die Begrifflichkeit variiert<br />

je nach Personen, die sie verwenden, Situationen, in denen sie verwendet werden und<br />

<strong>Medien</strong>angeboten, auf die sie sich beziehen. (Rusch 1987: 230–252) Nach Schmidt<br />

(1987) steuern <strong>Medien</strong>gattungen Handlungen und Erwartungen individuell und sozial.<br />

Inhalt und Verlauf von <strong>Medien</strong>angeboten werden zum Teil vorhersehbar und das individuelle<br />

<strong>Medien</strong>handeln darauf abgestimmt. Zudem können sich die Handlungen an<br />

einem sozialen Referenzsystem orientieren und so eine Verbindung zum sozialen System<br />

schaffen. (Schmidt 1987: 166–185) Haben sich bestimmte Erwartungen im sozialen<br />

System durchgesetzt, wirkt die Orientierung am und die Verbindung zum sozialen<br />

System so stark, dass Gattungsbegriffe und damit verbundene Erwartungen an Inhalt<br />

und Aufbereitung auf die <strong>Medien</strong>produzenten einwirken und sogar die Organisation<br />

von <strong>Medien</strong>unternehmen bis hin zu Teilen des <strong>Medien</strong>systems beeinflussen. (Rusch<br />

1987: 263–269)<br />

Gehrau (2001) geht davon aus, dass Genrebegriffe des Publikums eine entscheidende<br />

Rolle bei Gesprächen über audiovisuelle <strong>Medien</strong>angebote spielen. Sie erleichtern das<br />

Verständnis zwischen den <strong>Kommunikations</strong>partnern. Durch den Verweis auf das Genre<br />

werden individuelle und kulturelle Wissensbestände aktiviert, die es ermöglichen, einen<br />

ausreichenden Eindruck des <strong>Medien</strong>angebots zu erlangen, ohne es konkret kennen<br />

zu müssen. Diese Funktion der Verwendung von Genrebezeichnungen tritt aber nicht<br />

nur in Alltagsgesprächen auf, sondern auch bei der empirischen Untersuchung von<br />

219


M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />

Genres mittels Befragung, denn diese schafft eine soziale <strong>Kommunikations</strong>situation.<br />

(Gehrau 2001: 27–30)<br />

Aus der sozialen Perspektive reduzieren Genres Unsicherheit, indem sie mittels Genrebezeichnungen<br />

sowohl die Anschlussfähigkeit der individuellen Erfahrungen sicherstellen<br />

als auch einen Bezug zu kulturellen Konventionen herstellen.<br />

3. Hypothesen und Begriffe<br />

Die generelle Fragestellung der Studie lautet: Sind Genres und Genrebezeichnungen geeignet,<br />

Unsicherheit zu reduzieren? Für die kulturelle und die ökonomische Perspektive<br />

bleibt es bei der vorab dargestellten theoretischen Argumentation, zumal beide bereits<br />

in vielen Ansätzen erörtert wurden. Empirisch untersucht werden die psychologische<br />

sowie die soziale Perspektive mit folgenden Hypothesen:<br />

Soziale Perspektive: Fernsehzuschauer greifen bei der Kommunikation über fiktionale<br />

Fernsehangebote immer dann vermehrt auf Genrebegriffe zurück, wenn die Situation<br />

Unsicherheit birgt.<br />

Psychologische Perspektive: In einer unsicheren Situation steigt das individuelle Gefühl<br />

von Sicherheit an, wenn die Zuschauer auf bekannte Genrevorgaben und -begriffe<br />

zurückgreifen können.<br />

Die Studie untersucht die Funktion von Genres am Beispiel der Verwendung von<br />

Genrebezeichnungen. Anhand von Kommunikation über Film- und Fernsehangebote<br />

lässt sich die Funktion der Genrebezeichnungen nachvollziehen. Bei der Kommunikation<br />

über Film- und Fernsehangebote konkurrieren Genrebezeichnungen mit anderen<br />

Begriffen, die <strong>Medien</strong>angebote beschreiben.<br />

Das Angebot, auf das sich die Analyse bezieht, umfasst das fiktionale Fernsehprogramm.<br />

Bei der Kommunikation über solche <strong>Medien</strong>angebote werden unterschiedliche<br />

Arten von Begriffen benutzt. Diese lassen sich in die folgenden Begriffsfelder einteilen:<br />

(a) Titel, (b) Bewertung, (c) Genre, (d) Personen, (e) Inhalt, (f) Technik, (g) Gattung,<br />

(h) Sender etc. (vgl. Gehrau 2001). So könnte ein Fernsehangebot beispielsweise folgendermaßen<br />

bezeichnet werden: (a) Lolita, ein (b) fesselndes (c) Gesellschaftsdrama mit<br />

(d) Peter Sellers über (e) einen älteren Mann, der sich in ein junges Mädchen verliebt, als<br />

(f) schwarz-weiß (g) Film auf (h) arte ausgestrahlt.<br />

Die Angaben Titel, Sender und Inhalt rekurrieren auf das konkrete Angebot. Demgegenüber<br />

spezifizieren die Angaben zu Personen und Technik das Angebot unter Bezugnahme<br />

auf andere film- und fernsehspezifische Angebote. Genre- und Gattungsbezeichnungen<br />

sind Generalisierungen zur Beschreibung von Form und Inhalt von<br />

<strong>Medien</strong>angeboten. Dabei bezeichnet die Gattung die Form bzw. das Format eines Angebots,<br />

das Genre hingegen den Inhalt bzw. Gegenstand des Angebots. Im Fernsehangebot<br />

sind nach dem Format Gattungen wie Magazine, Shows, Nachrichten etc. zu unterscheiden,<br />

im fiktionalen Fernsehangebot im Wesentlichen Filme und Serien. Genrebegriffe<br />

sind auf das fiktionale Angebot beschränkt und unterscheiden Filme und Serien<br />

nach ähnlichen Inhalten, z. B. in Western, Science Fiction, Drama, Krimi etc..<br />

Insofern korrespondiert das Genre eines fiktionalen Angebotes mit dem Thema eines<br />

nicht fiktionalen Angebots, z. B. Sport, Gesundheit oder Politik als Gegenstand eines<br />

Magazins. (Gehrau 2001: 108–110)<br />

220


Gehrau · (Film-) Genres und Reduktion von Unsicherheit<br />

4. Anlage der Teiluntersuchungen<br />

Die Hypothesen werden anhand von Daten aus zwei empirischen Studien geprüft, einer<br />

Befragung und einer Reihe von Rezeptionsstudien, mit denen primär die Bezeichnung<br />

und Klassifikation von Fernsehprogrammen untersucht werden sollte2 .<br />

Die Befragung fand mit einer nach Alter und Geschlecht quotierten Stichprobe der<br />

Berliner Wohnbevölkerung statt (n = 265) 3 . Es handelt sich um eine mündliche, standardisierte<br />

Befragung, durchgeführt von knapp 60 geschulten studentischen Interviewern.<br />

Im Fragebogen wurde unter anderem offen gefragt, was die Befragten gestern und<br />

vorgestern nach 20 Uhr im Fernsehen gesehen hatten. Damit sollte eine Gesprächssituation<br />

simuliert werden, in der sich zwei Personen über das Fernsehprogramm unterhalten.<br />

Die Interviewer hatten die Anweisung, die Antwort wörtlich zu protokollieren.<br />

Diese Protokolle wurden daraufhin kodiert, welche Art von Elementen die Befragten<br />

benutzen, um die von ihnen gesehenen Sendungen zu bezeichnen. Die Kodierung umfasst<br />

das Vorkommen von: Titel („Spiel mir das Lied vom Tod“, „Krieg der Sterne“ etc.),<br />

Gattung4 (Film, Spielfilm etc.), Genre (Western, Krimi etc.), Sender (ARD, RTL etc.),<br />

Inhalt (Kampf, Verfolgung etc.), Personen (Schwarzenegger, Asterix etc.), Bewertung<br />

(gut, faszinierend etc.) sowie Produktionsangaben (Zeichentrick, schwarz-weiß etc.).<br />

Die Rezeptionsstudien fanden mit insgesamt 124 studentischen Probanden5 statt. Diese<br />

sahen mehrere ca. eine Sekunde lange Ausschnitte vornehmlich aus dem fiktionalen<br />

Fernsehangebot. 6 Alle Ausschnitte wurden Probandengruppen vorgeführt und die Teilnehmer<br />

direkt im Anschluss an jeden Ausschnitt gebeten, auf einem Fragebogen offen<br />

anzugeben, aus was für einem Film bzw. einer Sendung der Ausschnitt ihrer Meinung<br />

nach stamme. Die Probanden wurden gebeten, so zu antworten, als hätte sie ein Bekannter<br />

gefragt, was gerade im Fernsehen läuft. Die Angaben wurden nach demselben<br />

System kodiert wie in der Befragung. Obgleich die Hypothesen lediglich Aussagen über<br />

die Genrebezeichnungen machen, werden bei allen Untersuchungsschritten auch die andere<br />

Angaben ausgewiesen, um die Effekte bei den Genreangaben an den Effekten der<br />

anderen Angaben relativieren zu können.<br />

2 Die hier vorzustellenden Ergebnisse haben insofern den Charakter einer weiter führenden Sekundäranalyse.<br />

Für die primäre Fragestellung siehe Gehrau 2001.<br />

3 Obgleich nur knapp 90 Prozent der anvisierten Stichprobe von 300 Interviews realisiert werden<br />

konnten, weicht keine Gruppe der acht vorgegebenen Merkmalskombinationen aus Geschlecht<br />

und Altersgruppe um mehr als 1,6 Prozentpunkte von den Vorgaben – basierend auf dem<br />

Statistischen-Jahrbuch – ab. In der Stichprobe sind Personen allen Alters – von 16 bis 96 Jahren<br />

– wie auch aller Bildungsgruppen vertreten, obwohl zu den Letztgenannten keine Vorgaben gemacht<br />

wurden.<br />

4 Bei der Kodierung in der Originalstudie wurden alle Angaben über das Format von Fernsehangeboten<br />

als Gattung erfasst. Da die hier vorgestellte Auswertung auf das fiktionale Fernsehangebot<br />

fokussiert, bestehen die Gattungsangaben fast ausschließlich aus der Nennung Film sowie<br />

Synonymen.<br />

5 Die Probanden waren zwischen 18 und 30 Jahre alt, mit einem Durchschnittsalter von 21,7 Jahren<br />

(Median = 21) und befanden sich mehrheitlich im Grundstudium. Knapp zwei Drittel von<br />

ihnen (62%) waren weiblich.<br />

6 Eine Liste der bei den Rezeptionsexperimenten verwendeten Ausschnitte findet sich im Anhang<br />

zum Beitrag.<br />

221


M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />

5. Ergebnisse<br />

5.1 Genrebezeichnungen in <strong>Kommunikations</strong>situationen<br />

Die Befragten haben unterschiedliche Elemente benutzt, um die von ihnen gesehenen<br />

fiktionalen Fernsehangebote zu bezeichnen. In zwei Drittel aller Bezeichnungen einer<br />

Fiktionsendung finden sich Titelangaben, in knapp der Hälfte Gattungsangaben. In jeweils<br />

gut einem Viertel der Bezeichnungen kommen Verweise auf das Genre oder den<br />

Sender vor, in gut einem Fünftel auf den Inhalt und in knapp einem Fünftel auf Personen.<br />

Ein Achtel der Bezeichnungen enthält persönliche Bewertungen der Sendung, ein<br />

Zwölftel Verweise auf die Produktionstechnik. Die Angabe des Titels eines fiktionalen<br />

Fernsehangebots ist das wichtigste Merkmal, um das Angebot im Gespräch mit anderen<br />

zu bezeichnen. Obgleich der Titel theoretisch ausreicht, um einen Film zu identifizieren,<br />

wird er in den meisten Fällen (53 %) durch mindestens ein weiteres Bezeichnungselement<br />

konkretisiert, zumeist handelt es sich um Angaben über die Gattung, den ausstrahlenden<br />

Sender oder das Genre.<br />

Tabelle 1: Bezeichnungselemente für Fiktionangebote (nach Titelangaben)<br />

Bezeichnungselement Vorkommen Davon<br />

Titel 66 % ohne Titel* mit Titel*<br />

Gattung 44 % 80 % 25 %<br />

Genre 27 % 50 % 15 %<br />

Sender 26 % 35 % 25 %<br />

Inhalt 21 % 40 % 10 %<br />

Personen 18 % 30 % 10 %<br />

Bewertung 12 % 10 % 15 %<br />

Produktion 7 % 10 % 5 %<br />

Basis n = 194 n = 67 n = 127<br />

* Die Werte sind – wegen der geringen Fallzahl – auf 5 Prozent gerundet.<br />

Vordergründig erscheinen die Zusatzangaben überflüssig. In der simulierten Gesprächssituation<br />

kann der Befragte allerdings nicht sicher sein, dass dem Interviewer der<br />

Titel bekannt ist. Mit der Ergänzung könnten die Befragten der Unsicherheit begegnen<br />

wollen, vom Interviewer nicht adäquat verstanden zu werden. Interessanter sind allerdings<br />

diejenigen Angaben, in denen die Befragten nicht den Titel nennen. Einerseits<br />

könnten sie etwas gesehen haben, von dem sie den Titel nicht wissen, oder aber sie wissen<br />

ihn, nennen ihn aber nicht, da sie meinen, der Interviewer kenne den Titel wahrscheinlich<br />

nicht. In beiden Fällen besteht beim Befragten Unsicherheit, im ersten Fall<br />

darüber, was er gesehen hat, im zweiten Falle darüber, wie die Kommunikation am besten<br />

gelingt. Wenn der Titel nicht genannt wird, greifen die Befragten in acht von zehn<br />

Fällen auf die Gattung zur Bezeichnung zurück, in jedem zweiten Fall auf das Genre.<br />

Auch andere Angaben werden gemacht, wenngleich deutlich seltener.<br />

Demnach werden Genreangaben in alltäglichen Gesprächen über fiktionale Fernsehangebote<br />

benutzt, und zwar vor allem dann, wenn das Angebot nicht über den Titel<br />

identifiziert wird. Gemäß der ersten Hypothese können beide Resultate als Indiz dafür<br />

gewertet werden, dass Genreangaben den Gesprächspartnern beim Reden über Fernsehangebote<br />

dazu dienen, die Unsicherheit über das Gelingen der Kommunikation zu<br />

reduzieren.<br />

222


Gehrau · (Film-) Genres und Reduktion von Unsicherheit<br />

5.2 Genrebezeichnungen bei der Erkennung von Ausschnitten<br />

Auch bei den Rezeptionsstudien handelt es sich um Befragungen, die der <strong>Kommunikations</strong>situation<br />

geschuldete Unsicherheit tritt also auch in dieser Untersuchung auf. Hier<br />

haben die Probanden aber keinen Film gesehen, sondern lediglich einen Ausschnitt. In<br />

Bezug auf die Unsicherheit unterscheiden sich die Situationen insofern, als zur Unsicherheit<br />

über das Gelingen der Kommunikation die Unsicherheit darüber hinzukommt,<br />

aus welchem Film der Ausschnitt stammen könnte. Bei der Erkennung und Bezeichnung<br />

von Fiktion-Ausschnitten sind vor allem Genrebegriffe wichtig; die Probanden<br />

benutzten sie in fast drei Viertel aller Fälle. Gut die Hälfte der Bezeichnungen enthält<br />

Gattungsangaben. Mittlere Bedeutung haben – mit ca. einem Fünftel Vorkommen – die<br />

Inhaltsangaben und Titelnennungen, gut jede sechste Angabe umfasst Personennennungen,<br />

knapp jede achte Produktionshinweise. Lediglich bei der Bezeichnung jeder<br />

zwanzigsten Rezeption nehmen die Probanden Bewertungen vor; auf Sender wird praktisch<br />

nie verwiesen.<br />

Genres – eingeschränkt auch Gattungen – sind als klassifizierende Angaben bei der<br />

Einordnung und Bezeichnung kurzer Filmausschnitte bedeutsamer als bei der bloßen<br />

Bezeichnung gesehener Filme, wohingegen konkrete Angaben wie Titel oder Sender bei<br />

der Einordnung an Bedeutung verlieren.<br />

Tabelle 2: Bezeichnungselemente bei Ausschnitterkennung (Differenzen zur Befragung)<br />

Bezeichnungselement Vorkommen Differenz zur Differenz zur Gruppe<br />

Gesamtbefragung Abitur/Studium<br />

unter 30 Jahren*<br />

Genre 72 % 45 50<br />

Gattung 51 % 7 10<br />

Inhalt 22 % 1 0<br />

Titel 19 % - 47 - 50<br />

Personen 17 % - 1 - 5<br />

Produktion 12 % 5 0<br />

Bewertung 5 % - 7 - 5<br />

Sender 0 % - 26 - 20<br />

Basis n = 779<br />

* Die Werte sind – wegen der geringen Fallzahl – auf 5 Prozent gerundet.<br />

In Tabelle 2 sind die Differenzen in Prozentpunkten zwischen dem Gesamtergebnis der<br />

Rezeptionsstudien und dem Gesamtergebnis der Befragung einerseits sowie der entsprechenden<br />

Alters- und Bildungsgruppe andererseits wiedergegeben. Streng genommen<br />

ist nur die Differenz zwischen den vergleichbaren Gruppen interpretierbar. Die<br />

Vergleichsgruppe ist insoweit problematisch, als sie auf lediglich 51 Fällen basiert. Das<br />

Problem kommt aber praktisch nicht zum Tragen, da die Unterschiede jeweils zwischen<br />

den Bezeichnungselementen deutlich größer ausfallen als die Unterschiede zwischen<br />

den jeweiligen Gruppendifferenzen.<br />

Die Ähnlichkeiten des Vorkommens einiger Elemente zwischen der Befragung und<br />

der Rezeptionsstudie sind fast verwunderlicher als die Unterschiede. Die Wahrscheinlichkeit,<br />

dass bei der Bezeichnung auf den Inhalt oder auf beteiligte Personen verwiesen<br />

223


M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />

wird, ist bei beiden nahezu identisch. Produktionsangaben sind beim Einordnen von<br />

Ausschnitten etwas wahrscheinlicher. Größer fallen die Differenzen bei den Gattungsangaben<br />

und Bewertungen aus. Es ist aber schwierig zu beurteilen, wie aussagekräftig<br />

die Differenzen – von ca. 7 Prozentpunkten – sind, da der Probandenauswahl der Rezeptionsstudien<br />

kein Zufallsverfahren zugrunde liegt und die Befragung auf einer Quotenstichprobe<br />

basiert, womit die Voraussetzung für die üblichen Testverfahren fehlt. Ignoriert<br />

man die methodischen Einwände und testet die Differenzen nach t, so liegen deren<br />

Signifikanzen um p = 0,05. Die Differenzen können also nicht sicher als tatsächlich<br />

vorhanden interpretiert werden – im Gegensatz zu den großen Differenzen von fast 50<br />

Prozentpunkten Anstieg bei den Genreangaben und Abnahme bei den Titelangaben sowie<br />

den ca. 25 Prozentpunkten Abnahme bei den Senderangaben. Diese Differenzen<br />

sind nach t eindeutig signifikant, trotz Anwendung der konservativsten Varianzschätzung<br />

für die Prozentwertdifferenzen. 7<br />

Die Tatsache, dass bei der Erkennung von Ausschnitten weniger Titel- und Senderangaben<br />

gemacht werden, ist auf das Problem zurückzuführen, den Originalfilm oder<br />

-sender zu erkennen. Wenn der Film nicht erkannt wird, stellt sich die Frage, um was<br />

für einen Film es sich handelt. Es entsteht Unsicherheit. Zusätzlich entsteht Unsicherheit,<br />

da der Titel, wenn er nicht erkannt wird, nicht zur Steuerung der Kommunikation<br />

herangezogen werden kann. Beidem wird offenbar durch den deutlich verstärkten<br />

Rückgriff auf Genreangaben begegnet. Es wird nicht mehr der Film selbst erkannt und<br />

kommuniziert, sondern die Art des Films. Allerdings stellt sich die Frage, ob die Unterschiede<br />

bei der Verwendung der Genreangaben auf die Variation von Unsicherheit<br />

zurückzuführen ist.<br />

In den Daten bietet sich diesbezüglich ein weiterer Vergleich an. In 150 der insgesamt<br />

779 Ausschnittseinordnungen nennen die Probanden den Titel. In diesen Fällen kann<br />

plausiblerweise angenommen werden, die Probanden meinen, den Film erkannt zu haben.<br />

Diese Situation wäre also mit der Befragung vergleichbar. Abgesehen von den möglichen<br />

Fällen, in denen die Probanden den Titel geraten haben, müsste die zusätzliche<br />

Unsicherheit weitgehend eliminiert sein. Es dürften demnach kaum noch Unterschiede<br />

zwischen den Studien auftreten. Tatsächlich egalisieren sich die Unterschiede weitgehend:<br />

Zwar werden auch hier Genreangaben häufiger gebraucht als bei der bloßen Bezeichnung<br />

von Filmen in einer <strong>Kommunikations</strong>situation. Das ließe sich aber durch<br />

Probanden erklären, die den Film nicht sicher erkennen, sondern raten, also noch unsicher<br />

sind. Ansonsten ist die Art der Bezeichnung, wenn der Titel genannt wird, relativ<br />

ähnlich, zum Teil sogar identisch. Die Ausnahme stellen die Verweise auf Personen dar.<br />

Die deutlich höhere Personennennung, wenn bei den Rezeptionsstudien der Titel genannt<br />

wird, erklärt sich durch Figuren als Wiedererkennungsfaktor. Vielfach erkennen<br />

die Probanden den Film anhand der Personen im Ausschnitt und benutzen dann sowohl<br />

den Titel als auch die Person zur Bezeichnung.<br />

Dreht man die Argumentation um, so wird die Funktion der Genreeinordnung und<br />

-nennung noch deutlicher. In den Fällen, in denen die Probanden in den Rezeptions-<br />

7 Dabei werden zur Schätzung der Varianz der Differenz weder die Varianzen der Prozentwerte<br />

beider Untersuchungen gepoolt noch die Varianz der Prozentwerte der Rezeptionsstudie an der<br />

Anzahl der Rezeptionen, sondern an der Anzahl der Probanden (also 124 statt 779) relativiert.<br />

Geht man zudem von ungünstigsten Fall, nämlich einer Verteilung von 50% zu 50% aus, ergibt<br />

sich ein t-Wert von über 70 bei der Differenz von 25 Prozentpunkten und von über 140 bei den<br />

Differenzen von 50 Prozentpunkten, also p < 0,001.<br />

224


studien den Titel nicht nennen, haben sie die Sendung, aus dem der Ausschnitt stammt,<br />

wahrscheinlich nicht erkannt. In diesen Fällen wird das Genre zum dominierenden Bezeichnungselement.<br />

Es wird in 82 Prozent der Bezeichnungen verwendet und kommt<br />

damit in den meisten Bezeichnungen vor, in denen die Probanden überhaupt etwas meinen<br />

erkannt zu haben. Keine andere Elementgruppe kommt auf eine ähnliche Wichtigkeit:<br />

57% Gattungen, 23% Inhalt, 10% Personen, 12% Produktion und 5% Bewertung.<br />

Ein Problem der vorangegangenen Untersuchungen besteht aber in der Feststellung<br />

der Unsicherheit. Bislang liegen den Vergleichen grundsätzliche Überlegungen zugrunde,<br />

welche Situation welche Unsicherheit bergen müsste. Ob die Untersuchten die angenommene<br />

Unsicherheit empfinden, ist nicht generell zu überprüfen, sondern nur<br />

durch individuelle Angaben.<br />

5.3 Genrebezeichnungen und die individuelle Sicherheitseinschätzung<br />

Die Frage nach der Sicherheit der individuellen Einordnung des Ausschnitts war Bestandteil<br />

einiger Rezeptionsstudien. In diesen bezeichneten die Probanden 159 (23%)<br />

Einordnungen als sehr sicher, 287 (43%) als relativ sicher, 166 (24%) als relativ unsicher<br />

und 71 (10%) als sehr unsicher. Wenn sich die Probanden sehr unsicher sind, machen sie<br />

bei jeder achten Rezeption gar keinen Versuch, den Ausschnitt einzuordnen und zu bezeichnen.<br />

Grafik 1:Elemente nach Sicherheitseinschätzung<br />

Gehrau · (Film-) Genres und Reduktion von Unsicherheit<br />

225


M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />

Genrenennungen sind in knapp sechs von zehn sehr unsicheren Beschreibungen enthalten.<br />

Relativ unsichere und relativ sichere kommen auf ca. acht von zehn Angaben,<br />

sehr sichere hingegen nur auf fünf von zehn. Gattungsangaben kommen in gut jeder<br />

zweiten unsicheren, relativ unsicheren und relativ sicheren Einordnung vor. Sind diese<br />

sehr sicher, sinkt der Anteil unter 40 Prozent. Inhaltsverweise liegen zwischen 21 und<br />

26 Prozent, wenn die Einordnung nicht sehr sicher ist und gehen dann auf 13 zurück,<br />

wenn die Angaben sehr sicher sind. Das Vorkommen von Produktionsangaben vermindert<br />

sich von 20 Prozent bei sehr unsicher über 15 auf 8 bei relativ sicher und erhöht sich<br />

dann wieder auf 14 Prozent. Sind die Einordnungen unsicher oder relativ unsicher, finden<br />

sich jeweils 10 Prozent Titelverweise, werden sie relativ sicher, steigt der Anteil auf<br />

15 Prozent und auf 50 Prozent, wenn die Angaben sehr sicher sind. Die Verteilung der<br />

Personenangaben ist ähnlich, sie liegt lediglich 2 bis 5 Prozentpunkte niedriger. 8<br />

Insgesamt liegt eine Zweiteilung der Effekte nahe. Wenn sich die Probanden bei ihrer<br />

Einordnung sehr sicher sind, stellen sich Effekte anders dar als unter Unsicherheitsbedingungen.<br />

Solange die Einordnung nicht sehr sicher ist, ergeben sich folgende Einflüsse:<br />

Mit zunehmender Sicherheit steigt der Anteil der verwendeten Genre- und Personenelemente.<br />

Je mehr Probanden meinen, Personen oder Genres zu erkennen, umso<br />

sicherer sind die Angaben im Durchschnitt. Ebenso verhält es sich mit dem Titel, allerdings<br />

findet der Anstieg erst zwischen relativ unsicher und relativ sicher statt. Inhaltsangaben<br />

verändern sich kaum nach Unsicherheit. Gattungsangaben nehmen tendenziell<br />

bei steigender Sicherheit ab, Produktionsangaben sogar deutlich.<br />

Wenn man die Effekte in zwei Regressionsmodellen schätzt, bestätigt sich das eben<br />

angedeutete Bild. Im ersten Modell erklären die Bezeichnungselemente als unabhängige<br />

Variablen gut 6 Prozent der Varianz, der auf die drei Werte sehr unsicher, eher unsicher<br />

und eher sicher verkürzten Sicherheitsskala. Genreangaben korrelieren mit einem Beta-<br />

Wert von 0,16 signifikant positiv mit der Sicherheitseinschätzung. Je mehr Probanden<br />

Tabelle 3: Regressionsmodelle zur Sicherheitseinschätzung und Erkennung<br />

Beta-Werte Sicherheit der Einschätzung a Erkennung des Ausschnitts b<br />

Genre 0,16 ** – 0,04<br />

Gattung – 0,02 – 0,02<br />

Inhalt 0,02 – 0,06<br />

Titel 0,09 0,27 ***<br />

Person 0,11 * 0,25 ***<br />

Bewertung 0,08 – 0,02<br />

Produktion – 0,14 ** 0,00<br />

Modell df 7/505; R2 = 0,06; F = 4,3 *** df 7/664; R2 = 0,21; F = 26,3 ***<br />

* p > 0,05 /** p < 0,01 /*** p < 0,001<br />

a Abhängige Variable Sicherheit, Skala: sehr unsicher = 1 /relativ unsicher = 2 /relativ sicher = 3 /<br />

sehr sicher = missing.<br />

8 Vergleicht man jeweils die mittlere Häufigkeit des Auftretens jedes einzelnen Bezeichnungselementes<br />

zwischen den vier Sicherheitseinschätzungen, ergeben sich in Bezug auf die Bewertungen<br />

keine signifikanten Unterschiede. Infolge dessen wurde auf die Angabe der Bewertung zugunsten<br />

besserer Übersichtlichkeit verzichtet.<br />

226


Gehrau · (Film-) Genres und Reduktion von Unsicherheit<br />

Genrehinweise finden, umso sicherer wird die Einordnung eingeschätzt. Ebenso – wenn<br />

auch weniger deutlich – verhält es sich mit den Personenangaben (Beta = 0,11). Produktionsangaben<br />

laufen den Effekten entgegen (Beta = –0,14).<br />

Das zweite Regressionsmodell begreift die Angabe, die Einordnung sei sehr sicher,<br />

als Erkennung des Ausschnitts. Stellt man diese Angabe in einem Regressionsmodell mit<br />

einer zweiwertigen abhängigen Variablen den drei Unsicherheitsbedingungen gegenüber,<br />

so wird gut 20 Prozent der Varianz erklärt. Sowohl Titel (Beta = 0,27) als auch Personen<br />

(Beta = 0,25) verursachen den Unterschied, können also als die eigentlichen Erkennungsfaktoren<br />

angesehen werden. Genreangaben sind demgegenüber nicht mit der<br />

Einschätzung verbunden, den Film sicher erkannt zu haben.<br />

6. Zusammenfassung und Diskussion<br />

Die Studie geht dem Zusammenhang zwischen der Verwendung von Genrebezeichnungen<br />

und der Reduktion von Unsicherheit nach.<br />

Im ersten Teil des Beitrags wurden vier Modellierungen vorgestellt, die die unsicherheitsreduzierende<br />

Funktion von Genres und Genrebezeichnungen verdeutlichen. Allen<br />

gemeinsam ist die Idee, dass Genres Erwartungen steuern. Wird ein Angebot einem<br />

Genre zugeordnet, werden einige Merkmale oder Phänomene relativ sicher erwartet, andere<br />

relativ sicher ausgeschlossen. In der kulturellen Modellierung resultiert die Reduktion<br />

von Unsicherheit aus der über Genres geschaffenen Anschlussfähigkeit zwischen<br />

einem konkreten Angebot und dem Gesamtangebot. Demgegenüber stehen die Anschlussfähigkeit<br />

des einzelnen Angebots an bereits erfolgreich vermarktete Angebote<br />

sowie die Publikumswünsche im Vordergrund der ökonomischen Modellierung. In der<br />

psychologischen Modellierung bieten Genrezuordnungen Anschlussmöglichkeit an bereits<br />

gemachte kognitive und emotionale Erfahrungen. Damit wird Unsicherheit in Selektions-<br />

und Rezeptionsprozessen reduziert. In der sozialen Modellierung dienen Genrebezeichnungen<br />

dazu, mittels Sicherung von Anschlusskommunikation Unsicherheit<br />

bei gemeinsamen <strong>Medien</strong>handlungen, insbesondere der Kommunikation über <strong>Medien</strong>angebote,<br />

zu reduzieren.<br />

Die vorgestellte Lesart der Fachliteratur wird im zweiten Teil auf das Publikum fokussiert<br />

und in zwei Hypothesen zusammengefasst: Zuschauer benutzen in der Kommunikation<br />

über <strong>Medien</strong>angebote verstärkt Genrebezeichnungen, wenn die Situation<br />

unsicher ist. Innerhalb derselben Situation steigt das individuelle Sicherheitsgefühl an,<br />

wenn auf Genrebezeichnungen zurückgegriffen werden kann. Die vorliegenden Daten<br />

bestätigen die Vermutungen. Genreangaben kommen in gut jeder vierten Bezeichnung<br />

vor, die Fernsehzuschauer bei der Kommunikation über fiktionale Fernsehangebote<br />

benutzen, sogar in jeder zweiten, wenn sie bei der Bezeichnung nicht den Titel verwenden.<br />

Diese Tatsache wird mit dem Versuch erklärt, Unsicherheit darüber zu reduzieren,<br />

ob der Gesprächspartner adäquat versteht, worüber man redet, was vor allem dann<br />

unsicher erscheint, wenn der Titel nicht zur Steuerung der <strong>Kommunikations</strong>situation<br />

zur Verfügung steht. Wenn zu der benannten Unsicherheit über das Gelingen der<br />

Kommunikation noch die Unsicherheit darüber hinzukommt, um was für ein fiktionales<br />

Fernsehangebot es sich handelt, steigt die Häufigkeit der Genreangaben noch einmal<br />

deutlich an. So werden Genrebezeichnungen in fast drei Viertel der Angaben zu<br />

fiktionalen Fernsehangeboten benutzt, wenn die Zuschauer aus diesen lediglich einen<br />

Ausschnitt gesehen haben. Wird der Ausschnitt von den Zuschauern erkannt, nähert<br />

sich die Häufigkeit der Genreangaben der typischen Häufigkeit bei der Bezeichnung<br />

von gesehenen Sendungen an. Wenn der Ausschnitt demgegenüber nicht erkannt wird,<br />

227


M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />

steigt der Anteil der Genrebezeichnungen auf gut achtzig Prozent der Fälle. Demnach<br />

wird bei der Kommunikation über Fernsehangebote auf Genrebezeichnungen zurückgegriffen<br />

und zwar umso öfter, je mehr Unsicherheit die Situation birgt. Aber auch<br />

wenn man die individuelle Unsicherheit betrachtet, die jemand angibt, wenn er einen<br />

Ausschnitt einordnet, ergibt sich der erwartete Zusammenhang zwischen Unsicherheit<br />

und Genre: Die Zuschauer empfinden die Einordnung umso sicherer, je mehr genrerelevante<br />

Verweise sie finden, obgleich die Identifikation des Ausschnitts nicht mit diesen<br />

verbunden ist.<br />

Genres im Allgemeinen sowie die Verwendung von Genrebezeichnungen im Besonderen<br />

erfüllen eine wichtige Funktion bei Handlungen mit oder in Bezug auf <strong>Medien</strong>angebote.<br />

Einzelne Genres sind mit bestimmten Merkmalen sowie individuellen Erfahrungen<br />

verbunden. Wird ein Angebot einem Genre zugeordnet, so wird vermutet, dass<br />

es auch diese Merkmale aufweist und ähnliche Erfahrungen hervorruft. Da diese Vermutung<br />

vielfach bestätigt wird, werden an Genres Erwartungen geknüpft. Durch die<br />

wiederkehrende Bestätigung der Genreerwartungen reduziert das individuelle Operieren<br />

mit Genres Unsicherheit, denn es macht konkrete kognitive und emotionale Erfahrungen<br />

durch den Anschluss an vorhergegangene vorherseh- und interpretierbar. Genrebezeichnungen<br />

machen die individuellen Erfahrungen kommunizierbar. In der Kommunikation<br />

werden die Bezeichnungen so abgeglichen, dass sie Verstehen und Anschlusskommunikation<br />

sichern, indem sie auf die Ähnlichkeit der individuellen<br />

Erfahrungen verweisen. So werden auf der sozialen Ebene Erwartungen gesteuert und<br />

Unsicherheit reduziert. Das wird zusätzlich dadurch begünstigt, dass sich bestimmte<br />

Genrebezeichnungen im kulturellen Diskurs als Standard durchgesetzt haben. Sie bieten<br />

die Möglichkeit, die Individualität einzelner Werke unter Bezug auf andere Werke<br />

desselben Genres zu begreifen und die kulturelle Kontinuität unter Bezug auf die Gesamtheit<br />

der Werke. So schaffen Genres und Genrebezeichnungen eine Verbindung einerseits<br />

zwischen individuellen und sozialen Erfahrungen mit <strong>Medien</strong>angeboten sowie<br />

andererseits zwischen individuellem und kulturellem Wissen über <strong>Medien</strong>angebote.<br />

Diese Verbindung nutzt man im ökonomischen Kontext, um Unsicherheit bei der Herstellung<br />

und Verbreitung von Film- und Fernsehangeboten zu reduzieren. Im Prozess<br />

der ökonomischen Spezialisierung wirken Genres zum Teil so stark, dass sich nach ihnen<br />

einzelne Marktsegmente mit speziellen Herstellungsverfahren und Vertriebswegen<br />

herausbilden.<br />

Literatur<br />

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Waldmann, Michael R. (1990): Schema und Gedächtnis. Heidelberg: Ansager.<br />

Anhang: Liste der bei den Rezeptionsexperimenten verwendeten Ausschnitte<br />

1 Mein Gott Willi, Komödie, BRD. Mann und Frau liegen im Ehebett, frühstücken und unterhalten<br />

sich dabei. Er sagt: „das große Verdienstkreuz“.<br />

2 Julie Lescaut, Krimireihe, F. Eine schwarzhaarige Frau in Großaufnahme befindet sich in einem<br />

Raum, in dem im Hintergrund eine zweite Frau bügelt.<br />

3 Länder - Menschen - Abenteuer, Bericht N3, BRD 1995. Blick auf den zentralen Platz eines<br />

Urwalddorfes. 2 dunkelhäutige Männer kommen mit Lanzen und Bündeln über den Platz<br />

gelaufen. Off-Stimme: „tauchen überraschend wieder auf“.<br />

4 Bullit, Aktion, USA 1968. Mann geht wachsam um sich sehend durch einen Kellergang, von<br />

einem vergitterten Verschlag heraus gefilmt.<br />

5 Bericht, n tv - Nachrichten, BRD 1995. Nachrichtensprecherin in rotem Sakko steht, in<br />

Handmikro sprechend, vor Plenarsaal mit aufgestellten Fahnen. Sie ist halbtotal zu sehen und<br />

sagt: „Minister und Vertreter“.<br />

6 Scarlett 3, Ausstattungsfilm, BRD / I 1994. Eingangshalle einer Villa, farbiger Butler in<br />

weißem Dress öffnet Tür, rot gekleidete Frau kommt herein.<br />

7 Madonna: Rain, Musikvideo, USA 1993. Blick in Filmstudio, erst hell, dann dunkel werdend;<br />

in weiß gekleidete Frau vor dem Großbild eines bewölkten Himmels posiert, Schnitt,<br />

weiß gekleidete Frau fliegt vor wolkigem Himmel.<br />

8 Der Räuber mit der sanften Hand, Thriller, BRD 1995, RTL. Blick auf eine Terrasse an ei-<br />

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M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />

nem Ferienort, 2 junge Männer mit offenen Hemden kommen an und eine Männerstimme<br />

sagt: „Hallo Bobby“.<br />

9 Die Straßen von Berlin, Krimi-Reihe BRD 1995. Mann wird mit Revolver bedroht. Er<br />

spricht verängstigt: „Mann, wir sind doch“ und zieht seinen Pullover hoch.<br />

10 Mann muss nicht sein, Comedy - Serie, USA. Typisch amerikanisch aussehende Frau mit<br />

schwarzen Locken und rotem Pulli ist in Großaufnahme zu sehen und sagt: „Nebenbei das<br />

sind meine zwei“.<br />

11 Die Legende von O. B. Taggert, Western, USA 1994. Mann mit Hut am Zaun einer Ranch,<br />

hinten reitet ein Mann in Richtung Horizont, Überblende in einen Mondaufgang über dem<br />

Horizont.<br />

12 Deadly Revenge, USA 1991, Action-Thriller. Hand greift in Schublade mit Geld und Pistole.<br />

13 Asterix & Kleopatra, Abenteuer / Zeichentrick, F / B 1968. Asterix und Obelix im Schneesturm.<br />

14 Godzilla und die Riesenkäfer, Fantasy, J 1971. 3-köpfiger Drache speit Feuer.<br />

15 Emanuelle in Tibet, Erotik, F 1993. Mann küsst nackter Frau den Po im Himmelbett liegend.<br />

16a Deadly Revenge, Action-Thriller, USA 1991. Mann B mit Messer wartet / Schnitt / Mann A<br />

schreitet durch einen Laden.<br />

16b Deadly Revenge, Action-Thriller, USA 1991. Mann A geht auf einen Laden zu / Schnitt /<br />

Mann A schreitet durch den Laden.<br />

17a Ausbruch der 28, Kriegs-Film, USA 1969. Gesicht A mit Uniformmütze / Schnitt / Gesicht<br />

B.<br />

17b Ausbruch der 28, Kriegs-Film, USA 1969. Gesicht B.<br />

18a Herkules erobert Atlantis, Abenteuer-Film, I / F 1961. Berittene Römer: „Da ist er“ / Schnitt<br />

/ Fluchtszene auf langem Weg.<br />

18b Loriot auf Sofa: „Meine Damen und Herren“ / Schnitt / Herkules erobert Atlantis, Abenteuer-Film,<br />

I / F 1961. Fluchtszene.<br />

19a Loriot: Von Menschen und Möpsen, Komödie, BRD 1989. Gezeichnete Hunde: „2 Namen<br />

werden wir uns künftig merken müssen, Bubbel und Lohrmann“.<br />

19b Loriot: Von Menschen und Möpsen, Komödie, BRD 1989. Loriot auf Sofa: „Meine Damen<br />

und Herren“. / Schnitt / gezeichnete Hunde: „2 Namen ... Bubbel und Lohrmann“.<br />

20 Basic Instinct, Erotik-Thriller, USA 1991. Leicht bekleidete Frau steigt aus Auto und läuft<br />

durch Regen zu einem Haus.<br />

21 Bananas, Komödie, USA 1971. Mann (W. Allen) greift in seiner Küche nach gefrorenem Spinat,<br />

der ihm immer wieder entgleitet.<br />

22 Bartholomäusnacht, Historien-Drama, F 1994. Reiter kommt zu Rittern mit Bewaffnung,<br />

die an einem Waldrand warten.<br />

23 Super Mario Bros., Komödie, USA 1993. 2 Männer fliegen durch eine belebte Passage, viele<br />

Menschen sehen zu.<br />

24 Basic Instinct, Erotik-Thriller, USA 1991. Paar liegt auf Fußboden, sie fragt ihn: „Wer ist sie<br />

gewesen?“<br />

25a Die unglaubliche Reise in einem verrückten Raumschiff, Komödie, USA 1982. Mann<br />

flüchtet an einer Mauer entlang, an der ein Scheinwerferkegel kreist. Schlagermusik.<br />

25b Die unglaubliche Reise in einem verrückten Raumschiff, Komödie, USA 1982. Mann<br />

flüchtet an einer Mauer entlang, an der ein Scheinwerferkegel kreist und trifft auf Schlagersänger.<br />

Schlagermusik.<br />

26a Verschwörung der Frauen, Drama, UK 1988. Gesicht eines älteren Mannes taucht aus dem<br />

Wasser einer Zinkwanne auf und sagt: „Nancy hat mich gewaschen“.<br />

26b Verschwörung der Frauen, Drama, UK 1988. Hand hält Gesicht unter Wasser einer Zinkwanne,<br />

wird weggezogen und der Kopf taucht langsam auf.<br />

27a Adams Family, Grusel-Komödie, USA 1991. Das Eiskalte Händchen läuft , von der Kamera<br />

verfolgt, einen Schlossflur entlang.<br />

27b Adams Family, Grusel-Komödie, USA 1991. Die Kamera fährt kurz über dem Boden einen<br />

Schlossflur entlang.<br />

230


Gehrau · (Film-) Genres und Reduktion von Unsicherheit<br />

28a Monty Python’s wunderbare Welt der Schwerkraft, Komödie, UK 1971. Soldaten liegen<br />

am Boden, lachen leise und sterben.<br />

28b Monty Python’s wunderbare Welt der Schwerkraft, Komödie, UK 1971. Soldaten biegen<br />

sich vor Lachen und fallen vor Lachen um.<br />

29a Basic Instinct, Erotik-Thriller, USA 1991. Nackte Frau stützt sich , den Oberkörper aufrecht<br />

haltend, auf das Bett auf dem sie liegt.<br />

29b Basic Instinct, Erotik-Thriller, USA 1991. Nackte Frau stützt sich , den Oberkörper aufrecht<br />

haltend, auf das Bett auf dem sie liegt und zieht ein Seil aus dem Bettzeug hervor.<br />

231


Symbolische Geräusche über die Anderen –<br />

Die Öffentlichkeit über <strong>Medien</strong>politik in Pressekommentaren<br />

Barbara Pfetsch<br />

Der Beitrag diskutiert die Strukturen und Prozesse des Politikfeldes <strong>Medien</strong>politik und<br />

versucht, vor diesem Hintergrund die mediale Öffentlichkeit über <strong>Medien</strong>politik zu analysieren.<br />

Nach einer Bestandsaufnahme der internen Strukturen und Verhandlungsprozesse<br />

sowie der Normen und Steuerungsprinzipien medienpolitischer Entscheidungen<br />

wird die Rolle von Öffentlichkeit in medienpolitischen Verhandlungssystemen diskutiert.<br />

Sofern man die Einschätzung teilt, dass die Weichenstellung in der deutschen<br />

<strong>Medien</strong>politik weg von staatlich-hoheitlicher Steuerung hin zu „regulierter Selbstregulierung“<br />

eine breite öffentliche Diskussion über <strong>Medien</strong> und <strong>Medien</strong>kritik erforderlich<br />

macht, stellt sich die empirische Frage, wie dieser öffentliche Diskurs über <strong>Medien</strong>politik<br />

tatsächlich aussieht. Auf der Grundlage einer Inhaltsanalyse von 240 Kommentaren über<br />

<strong>Medien</strong>politik in den überregionalen Qualitätszeitungen von 1994-1998 beschreibt<br />

die Studie den medialen Diskurs über <strong>Medien</strong>politik und interpretiert ihn vor dem<br />

Hintergrund der Annahme, dass die Struktur- und Funktionsdefizite der gegenwärtigen<br />

<strong>Medien</strong>politik möglicherweise deshalb so persistent sind, weil die medienpolitische<br />

Öffentlichkeit allenfalls die symbolischen Geräusche des medienpolitischen Streits reproduziert.<br />

Keywords: <strong>Medien</strong>politik, <strong>Medien</strong>kritik, Öffentlichkeit, Kommentare, Inhaltsanalyse<br />

1. Einleitung<br />

„Wann immer in Deutschland die Politik gestaltend in die <strong>Medien</strong>wirklichkeit eingriff,<br />

kam dabei wenig Gescheites heraus, manchmal sogar Verheerendes.“ Zu dieser nüchternen<br />

Einschätzung kommt Manfred Buchwald (1996: 57), wenn er über die Verantwortung<br />

von Politik für die <strong>Medien</strong> spricht. Man kann aus dieser „biographischen Erfahrung“<br />

des ehemaligen Intendanten eines öffentlich-rechtlichen Rundfunksenders<br />

schließen, dass es mit dem Vertrauen in die <strong>Medien</strong>politik nicht zum Besten bestellt ist.<br />

In solchen Zwischenrufen kommt auch die Skepsis darüber zum Ausdruck, ob die <strong>Medien</strong>politik<br />

in der Bundesrepublik in der Lage ist, die <strong>Medien</strong>entwicklung im Sinne einer<br />

demokratischen <strong>Medien</strong>ordnung zu gestalten. Diese Skepsis hat eine Reihe von<br />

Gründen, die in der Natur des Politikfeldes selbst, in der Internationalisierung der <strong>Medien</strong>entwicklung<br />

und schließlich in einer Veränderung medienpolitischer Steuerungsprinzipien<br />

zu suchen sind. Zum einen erscheint <strong>Medien</strong>politik in der Bundesrepublik als<br />

ein hybrides Politikfeld, das schwach institutionalisierte Verhandlungssysteme und eine<br />

hohe Anfälligkeit für ad-hoc auftretende politische, ökonomische und situationsbezogene<br />

Interessenkonstellationen aufweist (Jarren 1996: 209). Zum anderen vollzieht sich<br />

die <strong>Medien</strong>entwicklung immer stärker über nationalstaatliche Grenzen hinweg, so dass<br />

nationalstaatliche Regelungen ins Leere laufen. Im Zuge der Internationalisierung und<br />

Ökonomisierung der <strong>Medien</strong>branche kam es zu einer stärkeren Gewichtung der Steuerungsphilosophie<br />

der „regulierten Selbstregulierung“ (Hoffmann-Riem 2000: 155). Mit<br />

dem Strukturwandel der <strong>Medien</strong> sind auch die normativen Grundlagen medienpoliti-<br />

232


Pfetsch · Symbolische Geräusche über die Anderen<br />

scher Entscheidungen ins Wanken geraten. Und die Frage, ob <strong>Medien</strong> im Licht der Gemeinwohlverträglichkeit<br />

oder im Licht des ökonomischen Wettbewerbs beurteilt werden<br />

sollen, stellt sich neu und ist nicht entschieden (Hoffmann-Riem 2000:47).<br />

In dieser Situation der Orientierungslosigkeit hören wir allenthalben die Forderung<br />

nach der Herstellung einer medienpolitischen Öffentlichkeit, die nicht zuletzt deshalb<br />

begründet ist, weil die <strong>Medien</strong>politik die normativen Grundlagen der öffentlichen <strong>Medien</strong>kommunikation<br />

1 kodifiziert und fixiert. In dieser Situation erscheint der öffentliche<br />

Diskurs über die <strong>Medien</strong> und die öffentliche Reflexion der <strong>Medien</strong>politik nicht nur vernünftig,<br />

sondern auch unverzichtbar als Grundlage der Weiterentwicklung einer demokratischen<br />

<strong>Medien</strong>ordnung, die publizistische Vielfalt und ein Minimum an Integration<br />

gewährleisten soll 2 . Die normative Vorstellung einer diesbezüglich kritischen Öffentlichkeit<br />

hat aber – wie Peters (1994: 50–51) anmerkt – allenfalls eine heuristische Funktion.<br />

Die empirisch offene Frage ist, in welchem Grad sich die realen Verhältnisse der<br />

<strong>Medien</strong>öffentlichkeit den Eigenschaften des Idealmodells annähern oder davon abweichen<br />

(Peters 1994: 50–51).<br />

Vor diesem Hintergrund versucht der vorliegende Beitrag, die Strukturen und Prozesse<br />

des Politikfeldes sowie die <strong>Medien</strong>öffentlichkeit über <strong>Medien</strong>politik, wie sie sich<br />

in der Kommentierung der überregionalen Tagespresse manifestiert, zu analysieren. In<br />

einem ersten Schritt geht es um eine Bestandsaufnahme der internen Strukturen und<br />

Verhandlungsprozesse sowie der Normen und Steuerungsprinzipien medienpolitischer<br />

Entscheidungen. In einem zweiten Schritt wird die Rolle von Öffentlichkeit in medienpolitischen<br />

Verhandlungssystemen diskutiert. Sofern man die Einschätzung teilt, dass<br />

die Weichenstellung in der deutschen <strong>Medien</strong>politik weg von staatlich-hoheitlicher<br />

Steuerung hin zu „regulierter Selbstregulierung“ eine breite öffentliche Diskussion über<br />

<strong>Medien</strong> und <strong>Medien</strong>kritik erforderlich macht, stellt sich die empirische Frage, wie dieser<br />

öffentliche Diskurs über <strong>Medien</strong>politik tatsächlich aussieht. Welche medienpolitischen<br />

Akteure und Themen sind öffentlich sichtbar und wie stellen sich medienpolitische<br />

Verhandlungen in den <strong>Medien</strong> dar? Zu dieser Frage werden empirische Befunde<br />

vorgelegt, die einen spezifischen Ausschnitt der medienpolitischen Öffentlichkeit beleuchten:<br />

die Kommentare über <strong>Medien</strong>politik in führenden Tageszeitungen. Die Daten<br />

stammen aus dem DFG-Projekt „Die Stimme der <strong>Medien</strong> im politischen Prozess: Themen<br />

und Meinungen in Pressekommentaren 3 “, bei dem die Kommentierung der überregionalen<br />

Qualitätspresse von 1994-1998 inhaltsanalytisch untersucht wurde. In dem<br />

1 „Normative Konzeptionen von Öffentlichkeit und diskursiver Verständigung werden artikuliert<br />

in den <strong>Kommunikations</strong>freiheiten von Verfassungen und Pressegesetzen, in politischen<br />

und juristischen Diskursen über Meinungs- und Äußerungsfreiheit, in Auseinandersetzungen<br />

über <strong>Medien</strong>politik, in journalistischen Professionsnormen und in öffentlichen Auseinandersetzungen<br />

über die Verhaltensstandards von Massenmedien, in öffentlicher Empörung über Geheimhaltung<br />

und Irreführung, in negativen Reaktionen auf manipulative Techniken in politischen<br />

Kampagnen, im Anspruch minoritärer Gruppen auf ‚Stimme‘ (voice) und öffentliches<br />

Gehör.“ (Peters 1994: 49)<br />

2 Vgl. dazu ausführlich Jarren (1999), der Transparenz, Öffentlichkeit und die Bereitstellung von<br />

Wissen als die entscheidende Steuerungsressource (S. 162) einer zukünftigen <strong>Medien</strong>politik bezeichnet<br />

und darüber hinaus Vorschläge für institutionelle Maßnahmen und Regulierungsnetzwerke<br />

vorlegt.<br />

3 Dieses Forschungsprojekt wurde in den Jahren 1998-2001 in der Abteilung „Öffentlichkeit und<br />

soziale Bewegungen“ am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung durchgeführt<br />

(Neidhardt et al. 1998; Eilders et al. 2001).<br />

233


M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />

Untersuchungsmaterial befanden sich insgesamt 240 Kommentare über <strong>Medien</strong>politik,<br />

die für diesen Beitrag sekundäranalytisch ausgewertet wurden. Ziel der vorliegenden<br />

Analysen ist es, die Kommentierung der <strong>Medien</strong>politik zu beschreiben und auf der Basis<br />

dieser Bestandsaufnahme zu einer Einschätzung des Diskurses über <strong>Medien</strong>politik in<br />

diesem Öffentlichkeitssegment zu gelangen. Die Ergebnisse werden vor dem Hintergrund<br />

der Annahme interpretiert, dass die Struktur- und Funktionsdefizite der gegenwärtigen<br />

<strong>Medien</strong>politik möglicherweise deshalb so persistent sind, weil medienpolitische<br />

Öffentlichkeit sich kaum als eine eigenständige kritische Stimme zu profilieren vermag.<br />

2. Zum Charakter der <strong>Medien</strong>politik als Politikfeld<br />

2.1 <strong>Medien</strong>politik als Verhandlungssystem<br />

Bei dem Versuch, <strong>Medien</strong>politik zu definieren, haben Schatz et al. (1990: 332) formuliert,<br />

es gehe konkret um die Maßnahmen, die das politisch-administrative System unternimmt,<br />

um direkt oder indirekt auf die Produktion, Distribution und den Konsum<br />

massenmedial verbreiteter Inhalte einzuwirken. Diese Sicht auf <strong>Medien</strong>politik als staatlich-hoheitliche<br />

Steuerung der <strong>Medien</strong> durch das Regierungssystem erscheint inzwischen<br />

überholt. Auch die <strong>Medien</strong>politik zählt zu denjenigen Policybereichen, in denen<br />

eine Vielzahl sowohl öffentlicher als auch privater Organisationen eingebunden sind.<br />

Diese Akteure bilden so genannte Policy-Netzwerke, deren dominante Interaktionsform<br />

die Verhandlung ist (Mayntz 1993). Auch die Idee mechanistischer hierarchischer<br />

staatlicher Steuerung und Vorstellungen eines schematischen Ablaufs politischer Entscheidungsprozesse<br />

scheinen im Bereich der <strong>Medien</strong> nicht angebracht. Vielmehr markiert<br />

die <strong>Medien</strong>politik, insbesondere im Bereich des Rundfunks, „ein dynamisches und<br />

prozessorientiertes Handlungssystem, dessen Gegenstand die Ausgestaltung publizistischer<br />

Kommunikation … ist. An diesem Handlungssystem nehmen nicht nur die formal<br />

dafür zuständigen politischen Akteure teil, sondern alle diejenigen Akteure, die eine<br />

gemeinsame Orientierung auf den Gegenstand der publizistischen Kommunikation …<br />

aufweisen und die sich bei ihren Handlungen gegenseitig in Rechnung stellen müssen“<br />

(Donges 2002: 273).<br />

Die Orientierung medienpolitischer Handlungssysteme auf publizistische Kommunikation<br />

ist freilich nicht neutral. Ziele sind vielmehr der Aufbau, Erhalt und die Weiterentwicklung<br />

einer demokratischen <strong>Kommunikations</strong>ordnung durch die Herstellung<br />

eines Regelwerkes zur Normierung der Massenkommunikation sowie die Gestaltung<br />

der Strukturen des Massenkommunikationssystems, um die öffentliche Kommunikation<br />

zu gewährleisten (Jarren 1998a: 616). <strong>Medien</strong>politik ist der Norm verpflichtet, die<br />

öffentliche Kommunikation so zu gestalten, dass die Vielfalt der Kanäle, Themen und<br />

Meinungen sowie ein Minimum an Integration der Gesellschaft gewährleistet sind. In<br />

diesem Sinne sind <strong>Medien</strong> nicht neutrale Instrumente zur Verbreitung und Speicherung<br />

von Informationen, sondern „Instanzen der Selektion und Sinngebung, die aktiv in die<br />

gesellschaftliche Konstruktion von Wirklichkeit eingreifen … Institutionen mit unverzichtbaren<br />

Leistungen für das soziale System und einer direkten oder indirekten Allgegenwart,<br />

der sich der einzelne nicht beliebig entziehen kann“ (Schulz 1985: 68). Zentrale<br />

Normen der <strong>Medien</strong>ordnung in Deutschland sind zudem Staatsunabhängigkeit<br />

und die Verhinderung vorherrschender Meinungsmacht.<br />

Seit der Dualisierung des Rundfunksystems in den 80er Jahren haben sich die medienpolitischen<br />

Steuerungsprinzipien in der Bundesrepublik verändert. „Es ist … in vie-<br />

234


Pfetsch · Symbolische Geräusche über die Anderen<br />

len Bereichen der <strong>Medien</strong>ordnung zu beobachten, dass die hoheitlich-imperative Steuerung<br />

abgebaut wird und informelle, kooperative oder sonstwie „weiche“ Steuerungsinstrumente<br />

bevorzugt werden. Dabei gibt es auch eine Tendenz, die Selbstregulierung<br />

stärker zu gewichten, ihr aber – soweit sie allein nicht auszureichen scheint – den erwähnten<br />

regulativen Rahmen oder regulativ gewisse Mindestregeln auf den Weg zu geben“<br />

(Hoffmann-Riem 2000: 155). Die Weichenstellung hin zu „regulierter Selbstregulierung“<br />

bedeutet, dass der Staat nur noch eine Gewährleistungsverantwortung für die<br />

demokratische und pluralistische <strong>Medien</strong>ordnung übernimmt. Im Grundsatz wird eigennutzorientiertes<br />

Handeln medienpolitischer Akteure akzeptiert. Vorausgesetzt wird<br />

allerdings, dass – wie Hoffmann-Riem (2000: 160) schreibt – „im Huckepackverfahren“<br />

auch Gemeinwohlziele wie publizistische Vielfalt und/oder Integration erreicht werden.<br />

Sofern dies nicht geschieht und die Selbstregulierung keine gemeinwohlorientierten Güter<br />

hervorbringt, müssen durch das Management von Institutionen, durch Verhandlungsarrangements<br />

auf der horizontalen Ebene solche Optionen entwickelt werden, die<br />

den Beteiligten gemeinwohlverträgliche Lösungen abverlangen (Hoffmann-Riem 2000:<br />

161). <strong>Medien</strong>politik ist also ein Verhandlungssystem staatlicher und nichtstaatlicher Akteure,<br />

die – zunehmend durch Verfahren regulierter Selbstregulierung – den Aufbau und<br />

die Weiterentwicklung der <strong>Kommunikations</strong>ordnung betreiben. Der Staat normiert allenfalls<br />

durch ein Regelwerk im Sinne eines Gewährleistungsauftrages für <strong>Medien</strong>freiheit,<br />

setzt sonst aber darauf, dass sich Gemeinwohlziele als Nebenprodukt interessengeleiteten<br />

Handelns ergeben.<br />

2.2 Struktur und Funktionsdefizite medienpolitischer Verhandlungssysteme<br />

Im Gegensatz zu anderen Politikfeldern erscheint die <strong>Medien</strong>politik in Deutschland als<br />

ein hybrider, schwach institutionalisierter Politikbereich, der sich traditionellerweise<br />

durch eine Reihe von Struktur- und Funktionsdefiziten (Jarren 1996: 207–210, 1998a:<br />

617–621, 626) auszeichnet. Die Problemlagen, die durch häufig wechselnde Akteurskonstellationen,<br />

stark fragmentierte Politiknetzwerke und intransparente Entscheidungsprozesse<br />

gekennzeichnet sind, haben sich mit der Internationalisierung und Ökonomisierung<br />

von <strong>Medien</strong>systemen drastisch verschärft. <strong>Medien</strong>politik in der Bundesrepublik<br />

sucht ihr Profil zwischen medienpolitischer Kleinstaaterei und dem EU-Kartellrecht.<br />

Diese Diagnose gilt insbesondere für die Rundfunkpolitik, die im Mittelpunkt des<br />

folgenden Abschnittes steht.<br />

Die nationale und europäische Deregulierungspolitik verlangt eine Orientierung an<br />

der Wirtschaftspolitik, d. h. eine Regulierung durch das Wettbewerbs- oder Fusionsrecht.<br />

Gleichzeitig fehlt es an Profilierung, weil die Interessen alter Akteure (wie dem<br />

öffentlich-rechtlichen Rundfunk) und neuer Akteure (wie kommerzielle <strong>Medien</strong>anbieter<br />

und Landesmedienanstalten) in vielen Fällen konfligieren und nicht durch politische<br />

Verfahren geschlichtet werden können. Zu den Strukturdefiziten der nationalen <strong>Medien</strong>politik<br />

gehört, dass sie nur eine begrenzte Reichweite in Bezug auf die technischen,<br />

wirtschaftlichen und internationalen Aspekte der <strong>Medien</strong>kommunikation hat (Jarren<br />

1998b: 14–15). Auf die Strukturen und Eigentumsverhältnisse multinationaler <strong>Medien</strong>unternehmen<br />

und auf internationale Verflechtungen hat die nationale <strong>Medien</strong>politik<br />

keinen Einfluss. Die Internationalisierung verschärft indessen die Streitigkeiten zwischen<br />

Bund und Ländern in Bezug auf die Kompetenzen, da der Bund die technische<br />

Seite der <strong>Medien</strong>kommunikation regelt und für die europäische <strong>Medien</strong>politik zuständig<br />

ist. Schwache Institutionen und hohe Konfliktanfälligkeit führten dazu, dass die<br />

wichtigsten rundfunkpolitischen Entscheidungen durch das Bundesverfassungsgericht<br />

235


M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />

(BVerfG) geprägt wurden. Das BVerfG gehört zweifellos zu den wichtigsten Akteuren<br />

der deutschen <strong>Medien</strong>politik. Die Verfassungsrichter sind eine Institution, die die <strong>Medien</strong><br />

immer wieder vor politischen und ökonomischen Übergriffen in Schutz genommen<br />

hat und ihnen gleichzeitig die Gemeinwohlorientierung ins Pflichtenheft schreibt. Angesichts<br />

der Internationalisierung sowie der Kompetenzverlagerungen zugunsten des<br />

Bundes ist aber fraglich, ob der hohe Grad an Verrechtlichung anhält. Jarren/Donges<br />

(2000: 378) prognostizieren für die absehbare Zukunft einen Einflussverlust der Karlsruher<br />

Richter.<br />

Mit der Einführung des privat-kommerziellen Rundfunks ist eine Ökonomisierung<br />

des <strong>Medien</strong>sektors eingetreten. „Ausbau und Veränderungen des <strong>Medien</strong>systems werden<br />

ganz offenkundig immer mehr von wirtschaftlichen Interessen bestimmt. Blickt<br />

man auf die Entwicklung der <strong>Medien</strong>gesetzgebung der Länder seit dem ersten Rundfunkänderungs-Staatsvertrag<br />

und die Arbeit der Landesmedienanstalten, so muss man<br />

zu der ernüchternden Feststellung kommen, dass sie im Wesentlichen nur das Marktgeschehen<br />

nachvollziehen.“ (Stammler 2000: 14–15). Angesichts dieser Entwicklung werden<br />

<strong>Medien</strong>unternehmen als wirtschaftliche Standortfaktoren unter dem Gesichtspunkt<br />

von Arbeitsplätzen und Steueraufkommen betrachtet. Wenige exponierte parteipolitische<br />

Repräsentanten (wie die Ministerpräsidenten), deren parteipolitische und standortbezogene<br />

Interessen sich bei medienpolitischen Entscheidungen, z. B. bei den Verhandlungen<br />

über Staatsverträge (etwa der SWR-Fusion), bei der Personalpolitik in öffentlich-rechtlichen<br />

Gremien (z. B. bei der Wahl des ZDF-Intendanten) sowie bei Entscheidungen<br />

über Finanzierungshilfen von <strong>Medien</strong>unternehmen (wie z. B. Kredite der<br />

bayerischen Landesbank für Kirch-Media) überlagern, verfügen über eine Schlüsselstellung.<br />

<strong>Medien</strong> sind zum Gegenstand der Konkurrenz zwischen Bundesländern geworden,<br />

und <strong>Medien</strong>politik als Wettbewerbs- und Standortpolitik ist zur „Chefsache“ im<br />

Bereich der Staatskanzleien avanciert.<br />

Die Prioritätensetzung hin zur Industrie- und Standortpolitik beeinflusst den Politikstil<br />

und die politische Kommunikation im Politikfeld <strong>Medien</strong>politik nachhaltig. In<br />

einer Studie über die Rundfunkpolitik in Nordrhein-Westfalen zeigt Wiek (1996: 199),<br />

– dass medienpolitische Entscheidungsprozesse als informelle Interaktionen hinter<br />

verschlossenen Türen stattfinden. Sie sind gekennzeichnet durch ein hohes Maß an<br />

Intransparenz und den Versuch, die öffentliche Debatte zu vermeiden: „Die politischen<br />

Entscheider haben zunehmend die Nähe zu wirtschaftlich potenten kommerziellen<br />

Akteuren gesucht. Dies ging einher mit der Bereitschaft, über politische Inhalte<br />

(bis hin zu einzelnen Gesetzesformulierungen) mit Vertretern dieser Akteure in<br />

geheimen Gesprächen zu verhandeln.“<br />

– dass Öffentlichkeit allenfalls zu instrumentellen Zwecken hergestellt wird, um z. B.<br />

mit vermeintlichen Publikumsinteressen zu argumentieren, wo es ökonomisch Vorteile<br />

verspricht. Das Publikum fungiert als eine symbolische Größe, die bei opportunen<br />

Gelegenheiten zitiert wird, die aber genauso gut außen vorbleiben kann.<br />

Diese Befunde lassen Zweifel aufkommen an der Transparenz sowie den Mechanismen<br />

der Rechtfertigung medienpolitischer Entscheidungen.<br />

3. Zur Rolle von Öffentlichkeit in der <strong>Medien</strong>politik<br />

Die Bestandsaufnahme der Strukturen und Funktionsdefizite der Rundfunkpolitik zeigt<br />

einerseits, dass dieser Politikbereich aus fragmentierten, unübersichtlichen und intransparenten<br />

Verhandlungssystemen besteht, die im Wesentlichen das Marktgeschehen<br />

nachvollziehen. Andererseits wird in der <strong>Medien</strong>politik vorausgesetzt, dass gemein-<br />

236


Pfetsch · Symbolische Geräusche über die Anderen<br />

wohlbezogene Aspekte der <strong>Medien</strong>kommunikation sich in einem Wettbewerbssystem<br />

einstellen, ohne dass der Staat regulierend eingreift. Der ökonomische Wettbewerb im<br />

<strong>Medien</strong>bereich führt indessen nicht notwendigerweise zur Einhaltung normativer Verpflichtungen<br />

wie publizistischer Vielfalt, Unabhängigkeit von Staat und Wirtschaft sowie<br />

Standards publizistischer Qualität. Insofern bedeutet das Prinzip der regulierten<br />

Selbstregulierung, dass es zusätzlicher Instanzen und Mechanismen der kritischen Erörterung<br />

und Legitimierung medienpolitischer Entscheidungen bedarf, um die Gemeinwohlverträglichkeit<br />

zu sichern. Aufgrund der „Selbstbindung der Politik an öffentliche<br />

Diskurse“ (Saretzki 1995: 279) muss Gemeinwohlverträglichkeit als Grundlage einer demokratischen<br />

<strong>Medien</strong>ordnung unter der Voraussetzung der Transparenz in öffentlichen<br />

diskursiven Verfahren eingeklagt werden.<br />

Die Suche nach dem öffentlichen Diskurs über <strong>Medien</strong>politik stellt uns zunächst vor<br />

das Problem, dass das Publikum – als Nachfrager von <strong>Medien</strong>leistungen – eine kontingente,<br />

heterogene und kaum organisierbare Größe (Neidhardt 1994: 12–14) ist. Das Publikum<br />

ist auch deshalb kaum sichtbar, weil es keine ökonomischen Motive hat, <strong>Medien</strong>performanz<br />

und <strong>Medien</strong>leistungen positiv oder negativ zu sanktionieren: „Da Informationsgüter<br />

im Vergleich zu anderen Gütern für den Konsumenten – auch durch<br />

die Umwegfinanzierung durch Werbung – nicht so teuer sind, führt ein Fehlkauf in der<br />

Regel nicht zu Beschwerden und hat zumeist keine Marktkonsequenzen“ (Jarren 1999:<br />

156). Angesichts dieser Konstellation wird man dem Publikum in medienpolitischen<br />

Auseinandersetzungen kaum mehr als eine Beobachterrolle unterstellen können.<br />

Wo sind also die Sprecher, die im Ensemble der Akteure für Gemeinwohlinteressen<br />

eintreten könnten? Jarren (1998a: 625) schreibt diese Rolle den Publikumsmedien zu.<br />

Diese seien in der Lage, die Akteure und inhaltlichen Bezüge des medienpolitischen Politikfeldes<br />

für die Beteiligten und das Publikum sichtbar zu machen: „Der im Hinblick<br />

auf die Legitimation politischer Entscheidungen wesentliche Teil der Kommunikation<br />

über die Regelung öffentlicher Kommunikation vollzieht sich über die Publikumsmedien“.<br />

Bei näherem Hinsehen ist aber die Rolle gerade dieser <strong>Medien</strong> prekär, weil sie als<br />

Betroffene selbst „befangen“ sind, und – wie <strong>Medien</strong>analysen im Bereich der Presse<br />

(Weiß 1985, 1988) zeigen – durchaus parteilich agieren 4 . Die Problematik von Öffentlichkeit<br />

im Fall der <strong>Medien</strong>politik ist also, dass <strong>Medien</strong> Öffentlichkeit erzeugen sollen,<br />

in einer Situation, in der sie selbst und die sie betreffenden Entscheidungen Gegenstand<br />

dieser Öffentlichkeit sind.<br />

Angesichts dieses Dilemmas wird man die Suche nach dem öffentlichen Diskurs über<br />

<strong>Medien</strong>politik mit geringen Erwartungen antreten. Die <strong>Medien</strong> selbst sind als Sprecher<br />

in medienpolitischen Auseinandersetzungen befangen, und wenn man nach den politikfeldspezifischen<br />

Verhandlungsprozessen urteilt, so sind allenfalls vermachtete Sprecherkonstellationen<br />

und interessengeleitete Kommunikationen zu vermuten.<br />

4. <strong>Medien</strong>politik als Gegenstand öffentlicher (<strong>Medien</strong>-)Kommunikation<br />

Im Weiteren wird der Versuch gemacht, die medienpolitische Öffentlichkeit – wie sie<br />

sich in den fünf wichtigsten überregionalen Zeitungen darstellt – zu beschreiben.<br />

Grundlage der empirischen Analysen sind die Daten des DFG-Projektes „Die Stimme<br />

der <strong>Medien</strong> im politischen Prozess“ (Neidhardt et al. 1998). Im Mittelpunkt dieser Stu-<br />

4 Auch Jarren (1998a: 626) hält fest, „dass die <strong>Medien</strong> in eigener Sache entweder gar nicht, parteilich<br />

oder selektiv informieren“.<br />

237


M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />

die steht die Kommentierung der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ), Frankfurter<br />

Rundschau (FR), Süddeutschen Zeitung (SZ), Tageszeitung (taz) und Die Welt (Welt)<br />

von 1994 bis 1998. Da die überregionale Qualitätspresse nur einen spezifischen Ausschnitt<br />

der <strong>Medien</strong>öffentlichkeit in der Bundesrepublik repräsentiert, kann die vorliegende<br />

Analyse mit diesem Datenmaterial nicht den Anspruch erheben, die medienpolitische<br />

Öffentlichkeit an und für sich abzubilden. Um diesem Anspruch zu genügen, sind<br />

Erhebungen nötig, die auch die regionalen Tageszeitungen, die elektronischen <strong>Medien</strong><br />

sowie Titel der einschlägigen Fachpublizistik einbeziehen. Gleichwohl leisten die hier<br />

untersuchten Zeitungen aufgrund ihrer publizistischen wie politischen Orientierungsleistung<br />

einen wesentlichen Beitrag zur politischen Meinungsbildung in der Bundesrepublik<br />

5 und stehen damit für einen zumindest nicht unerheblichen Ausschnitt der nationalen<br />

<strong>Medien</strong>öffentlichkeit 6 . Die fünf überregionalen Qualitätszeitungen bilden das<br />

politische Links-Rechts-Spektrum in Deutschland weitgehend ab. 7<br />

Die Festlegung auf das Genre Kommentar hat für die Untersuchung medienpolitischer<br />

Öffentlichkeit Vorteile: Die <strong>Medien</strong> treten in Kommentaren als öffentliche Sprecher<br />

auf und sind hier nicht an die neutrale Chronistenpflicht gebunden. Die Redaktionen<br />

bestimmen selbst, welche Themen sie in der Kommentarspalte hervorheben und<br />

damit als relevant erachten. Die Kommentare unterscheiden sich daher von der tagesaktuellen<br />

Berichterstattung, die im Lichte von Mechanismen der professionellen Nachrichtenselektion<br />

betrachtet werden muss. Darüber hinaus stehen die Kommentare für<br />

die legitimen Meinungsäußerungen der <strong>Medien</strong>. In Bezug auf die medienpolitische Öffentlichkeit<br />

kann man daher annehmen, dass die <strong>Medien</strong> in Pressekommentaren ihre<br />

Stimme auf eigene Rechnung erheben.<br />

Bei der Festlegung der Qualitätspresse als Träger der medienpolitischen Öffentlichkeit<br />

und der Kommentare als Themenfokussierungen und Meinungsäußerungen innerhalb<br />

dieser Öffentlichkeit ist also eine spezifische Konstellation abgebildet, bei der die<br />

Repräsentation der Meinungsvielfalt immer auch mit Eigeninteressen verbunden ist. Die<br />

Analyse der Pressekommentare der Qualitätsmedien erlaubt es also, die Profilierung<br />

dieser <strong>Medien</strong> in medienpolitischen Auseinandersetzungen nachzuvollziehen und vor<br />

dem Hintergrund des politikfeldspezifischen Akteursdiskurses zu interpretieren. Finden<br />

wir Diskrepanzen oder Konvergenzen zwischen den im Politikfeld verhandelten<br />

Themen und denen der untersuchten <strong>Medien</strong>? Ist die medienpolitische Öffentlichkeit<br />

eher ein Akklamationsmechanismus der in der politischen Sphäre vertretenen Meinungen<br />

oder gibt es Anzeichen dafür, dass die Qualitätszeitungen sich in ihren Kommentaren<br />

kritisch mit der <strong>Medien</strong>politik auseinander setzen?<br />

Diese allgemeinen Fragen bilden die Folie, vor deren Hintergrund die empirische<br />

Analyse steht. Die Daten der Inhaltsanalyse ermöglichen Antworten auf drei konkrete<br />

Fragen: (1) Wann, wie häufig und wie entsteht medienpolitische Öffentlichkeit in den<br />

5 Empirische Untersuchungen zeigen, dass politische Eliten in der Bundesrepublik die überregionalen<br />

Qualitätszeitungen als wichtig oder sehr wichtig einstufen und diese Zeitungen überdurchschnittlich<br />

häufig und lange nutzen (Puhe/Würzberg 1989: 40; Herzog et al. 1990: 74–76).<br />

Darüber hinaus zeigt Kepplinger (1985: 19), dass Journalisten die überregionalen Tageszeitungen,<br />

vor allem die FAZ und die Süddeutsche Zeitung, als wichtig für die eigene Arbeit ansehen.<br />

6 Die Auswahl von überregionalen Zeitungen kann zur Folge haben, dass regional oder lokal begrenzt<br />

geführte medienpolitische Auseinandersetzungen möglicherweise nicht sichtbar sind.<br />

7 Vgl. dazu Inhaltsanalysen und Expertenbefragungen von Schönbach 1977, Kepplinger 1985,<br />

Hagen 1992, Donsbach/Wolling/Blomberg 1996 und Voltmer 1998/99.<br />

238


Pfetsch · Symbolische Geräusche über die Anderen<br />

Qualitätszeitungen? (2) Welche Sprecher und Akteursensembles kennzeichnen diese<br />

medienpolitische Öffentlichkeit, welche Diskursstile prägen ihre Auseinandersetzung?<br />

(3) Was sind die Themen, und kommt es zu Fokussierungen in den medienpolitischen<br />

Auseinandersetzungen?<br />

Das konkrete Vorgehen bei der empirischen Analyse war es, aus den 8946 Leitartikeln<br />

und Kommentaren, die in einer jeweils halbjährlichen Stichprobe über die Jahre<br />

1994–1998 auf der Titelseite oder im Politikteil identifiziert wurden, diejenigen auszuwählen,<br />

in denen das Thema <strong>Medien</strong>politik mindestens einmal angesprochen wurde.<br />

Dies war bei 240 Kommentaren der Fall. Da innerhalb eines Kommentars unterschiedliche<br />

Themen angesprochen werden können und es das Ziel der Analyse war, die spezifischen<br />

Inhalte so präzise wie möglich zu beschreiben, ist die Einheit der Analyse die jeweilige<br />

Themennennung. Damit gehen 340 inhaltliche Nennungen von medienpolitischen<br />

Themen in die Analyse ein.<br />

Da sich die vorliegenden Sekundäranalysen auf einen Ausschnitt eines inhaltsanalytischen<br />

Datensatzes beziehen, der nicht ausschließlich für die Untersuchung des medienpolitischen<br />

Diskurses bestimmt war, sind die Ergebnisse mit zwei Einschränkungen<br />

zu interpretieren. Zum einen wurden nur die Kommentare im Politikteil der jeweiligen<br />

Zeitung inhaltsanalytisch verschlüsselt, d. h. die Meinungsartikel auf der <strong>Medien</strong>seite,<br />

im Lokalteil und im Wirtschaftsteil wurden nicht erhoben. Die Kommentare, die hier<br />

ausgewertet werden, stellen diejenigen Themen und Meinungsäußerungen dar, denen<br />

die Redaktionen der jeweiligen <strong>Medien</strong> jenseits der Ressortgrenzen überragende innenpolitische<br />

Bedeutung zugemessen haben. Zum anderen sind die Kategorien 8 der Themenvariable<br />

vergleichsweise breit, so dass nicht jeder thematische Einzelaspekt als<br />

trennscharfe Unterkategorie im Datensatz erscheint. Diesem Nachteil der Sekundäranalyse<br />

konnte nur mit einer vorsichtigen Interpretation der quantitativen Befunde begegnet<br />

werden und damit, alle 240 Kommentare zu lesen und qualitativ nachzubereiten.<br />

Bei diesem Untersuchungsschritt wurden besonders typische Artikel und Meinungsäußerungen<br />

für wörtliche Zitate und Fallbeispiele ausgewählt.<br />

Die Analysestrategie folgt einer zweistufigen Vorgehensweise. Um die Spezifika der<br />

medienpolitischen Öffentlichkeit herauszuarbeiten, werden in einem ersten Schritt die<br />

Aussagekomplexe über <strong>Medien</strong>politik denen in anderen, vergleichbaren Politikbereichen<br />

gegenübergestellt. Durch den Vergleich mit anderen Politikfeldern können die eigensinnigen<br />

Akteurs- und Diskurskonstellationen der medienpolitischen Öffentlichkeit<br />

beschrieben werden. In einem zweiten Schritt geht es dann um die politikfeldspezifischen<br />

Themen und Positionen medienpolitischer Öffentlichkeit. Bei diesen Analysen<br />

werden die unterschiedlichen Qualitätsmedien, die sich durch ihre spezifische politische<br />

Grundhaltung gegeneinander abgrenzen, verglichen.<br />

4.1 <strong>Medien</strong>politik – ein Politikfeld unter anderen …<br />

Während die Berichterstattung über <strong>Medien</strong> und <strong>Medien</strong>inhalte zwischen Fernsehprogrammhinweisen<br />

und Prominentenberichterstattung auf der Fernseh- bzw. <strong>Medien</strong>seite<br />

verhandelt wird, kommt der <strong>Medien</strong>politik in den Kommentarspalten des Politikteils<br />

eine auf den ersten Blick eher geringe Aufmerksamkeit zu. Von 8946 Kommentaren, die<br />

8 In Bezug auf die inhaltlichen Konstrukte und Themenkategorien folgt die Analyse den im Codebuch<br />

an anderer Stelle dokumentierten Ausprägungen (Eilders/Lüter 1998; Eilders et al. 2001:<br />

38–74).<br />

239


M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />

in einer 50 Prozent-Stichprobe über die Zeit von 1994–1998 analysiert wurden, beschäftigen<br />

sich 3 Prozent mit medienpolitischen Themen. Konkret bedeutet diese Zahl,<br />

dass die Leserin oder der Leser einer überregionalen Tageszeitung im Durchschnitt zwischen<br />

1,2 und 2,0 Kommentare pro Monat über <strong>Medien</strong>politik lesen kann. Tabelle 1<br />

zeigt, dass das Thema nur wenig Varianz über die Zeit und zwischen den einzelnen <strong>Medien</strong><br />

aufweist. Auffällig ist allenfalls, dass die Zahl medienpolitischer Kommentare von<br />

1994 bis 1998 eher rückläufig ist. Zudem scheinen sich die liberalen und linken Zeitungen,<br />

allen voran die taz, etwas stärker in der medienpolitischen Kommentierung zu engagieren<br />

als die konservativen Blätter. Die deutlichste Zurückhaltung im Untersuchungszeitraum<br />

übte hier die FAZ.<br />

Tabelle 1: Nennungen des Themas <strong>Medien</strong>politik in Pressekommentaren 1) (1994–1998)<br />

19942) 1995 1996 1997 1998 Gesamt<br />

N ( Ø ) 3) N ( Ø ) N ( Ø ) N ( Ø ) N ( Ø ) N<br />

Welt 15 (2,5) 10 (1,7) 11 (1,8) 11 (1,8) 13 (2,2) 60<br />

FAZ 10 (1,7) 17 (2,8) 14 (2,3) 9 (1,5) 9 (1,5) 59<br />

SZ 17 (2,8) 18 (3,0) 12 (2,0) 14 (2,3) 12 (2,0) 73<br />

FR 24 (4,0) 17 (2,8) 7 (1,2) 13 (2,2) 11 (1,8) 72<br />

taz 13 (2,2) 22 (3,7) 17 (2,8) 9 (1,5) 15 (2,5) 76<br />

Gesamt 79 (2,6) 84 (2,8) 61 (2,0) 56 (1,9) 60 (2,0) 340<br />

1) Grundlage sind 240 Pressekommentare, in denen das Thema <strong>Medien</strong>politik mindestens einmal genannt<br />

wurde;<br />

2) jeweils 6 Monate pro Jahr;<br />

3) Durchschnitt pro Monat.<br />

Da das Thema <strong>Medien</strong>politik in den Kommentaren der Qualitätsmedien nicht besonders<br />

häufig vorkommt, könnte man vermuten, dass dem öffentlichen Diskurs über dieses<br />

Politikfeld keine hohe Relevanz zugemessen wird. Diese Schlussfolgerung erscheint<br />

in ihrer Verallgemeinerung aber nicht gerechtfertigt, wenn man den Umfang einschlägiger<br />

Thematisierungen in eine Relation zu anderen Politikfeldern oder Themengebieten<br />

bringt und damit sicherstellt, dass die Messungen kein Artefakt des Niveaus der Themenklassifikation<br />

und -messung sind. Mit der Annahme, dass sich der Umfang und der<br />

Charakter medienpolitischer Öffentlichkeit vor allem dann zutreffend beschreiben<br />

lässt, wenn man andere Politikfelder vergleichend heranzieht, wurden für die folgenden<br />

Analysen Politikfelder ausgewählt, die in Bezug auf die Struktur der Entscheidungsprozesse<br />

und Ordnungsmechanismen entweder sehr ähnlich oder sehr diskrepant sind.<br />

Die stärksten Ähnlichkeiten kann man für die Bereiche Bildung und Kultur erwarten,<br />

die sich, wie die <strong>Medien</strong>politik, durch stark föderale Entscheidungsstrukturen und<br />

Akteursnetzwerke auszeichnen. Umgekehrt kann man die größten Diskrepanzen zur<br />

<strong>Medien</strong>politik in den Bereichen Wirtschaft und Gesundheit sowie Forschung und Umwelt<br />

vermuten. Diese Politikfelder sind durch starke bundespolitische Kompetenzen gekennzeichnet.<br />

Die Bereiche Wirtschaft und Gesundheit weisen darüber hinaus starke<br />

neokorporatistische Verflechtungen auf nationaler Ebene auf, während die <strong>Medien</strong>politik<br />

einen föderalen Charakter hat.<br />

Wie Tabelle 2 zeigt, liegt die Beachtung der <strong>Medien</strong>politik in den Pressekommentaren<br />

im Vergleich zu anderen Politikfeldern im unteren Mittelfeld. <strong>Medien</strong>politik steht<br />

einerseits deutlich hinter den Bereichen Wirtschaft, Bildung, Gesundheit und Umwelt.<br />

Andererseits werden die Forschungspolitik und die Kulturpolitik in den Kommentaren<br />

240


Pfetsch · Symbolische Geräusche über die Anderen<br />

Tabelle 2: <strong>Medien</strong>politik als Kommentarthema im Vergleich zu weiteren Politikfeldern<br />

(Nennungen)<br />

Politikfeld <strong>Medien</strong> Forschung Kultur Umwelt Bildung Gesundheit Wirtschaft<br />

1994 79 44 39 83 73 132 147<br />

1995 84 29 57 150 153 78 169<br />

1996 61 40 48 99 133 126 203<br />

1997 56 46 35 66 184 104 209<br />

1998 60 38 55 69 142 37 151<br />

Gesamt 340 197 234 467 685 477 879<br />

der überregionalen Presse noch weniger beachtet als die <strong>Medien</strong>politik. Vorsichtig interpretiert<br />

zeigt die Auszählung, dass <strong>Medien</strong>politik sich in der Öffentlichkeit der<br />

führenden Tagespresse verglichen mit anderen Politikfeldern nicht übermäßig stark profiliert.<br />

Obwohl die hier untersuchten <strong>Medien</strong> über eine eigene Zeitungsseite verfügen,<br />

schafft die <strong>Medien</strong>politik den Sprung in die Kommentarspalten des Politikteils vergleichsweise<br />

selten. Als Gegenbeispiel könnte man die Wirtschaftspolitik anführen.<br />

Wirtschaftspolitik ist der im Vergleich am häufigsten kommentierte Policybereich, wiewohl<br />

Wirtschaftsnachrichten ebenfalls in einem eigenen Ressort bearbeitet werden.<br />

Betrachtet man die Rhetorik der öffentlichen Auseinandersetzung in den Pressekommentaren,<br />

dann gehört die <strong>Medien</strong>politik zu den ausgesprochen kritisch behandelten<br />

Politikfeldern. Tabelle 3 zeigt die Diskursstile, die bei den verschiedenen Politikbereichen<br />

in den Vordergrund gerückt werden. Danach stehen bei mehr als der Hälfte der<br />

medienpolitischen Thematisierungen Kritik, Tadel und Schuldzuweisungen im Vordergrund.<br />

Der medienpolitische Diskurs in der führenden Tagespresse lässt sich also durch<br />

kritische Zuspitzungen und Streit charakterisieren und dies in einem Ausmaß, das<br />

annähernd nur noch die Politikfelder Umwelt und Gesundheit erreichen.<br />

Versucht man, die Hintergründe für diese Rhetorik zu beleuchten, dann geben die<br />

Anlässe der Thematisierung erste Anhaltspunkte: <strong>Medien</strong>politische Öffentlichkeit<br />

Tabelle 3: Themenbehandlung in Pressekommentaren (Prozent) 1)<br />

Politikfeld<br />

Diagnose/Analyse<br />

Frage<br />

Erklärung/<br />

Erläuterung/<br />

Konkretisierung<br />

Folgeabschätzung/<br />

Prognose<br />

<strong>Medien</strong> 1,5 1,2 10,9 3,5 12,4 52,6 7,9 6,5 2,9 340<br />

Forschung 1,5 1,0 7,1 3,0 13,7 38,6 5,1 20,3 9,1 197<br />

Umwelt – – 12,2 2,6 12,4 50,7 6,2 12,4 1,7 467<br />

Kultur 3,8 1,3 15,0 1,7 11,5 46,2 6,4 11,1 1,7 234<br />

Bildung – 2,3 15,0 2,3 10,4 42,6 6,0 18,1 2,0 685<br />

Gesundheit 1,9 – 8,8 – 11,1 51,8 4,6 16,8 2,5 477<br />

Wirtschaft 4,3 – 17,9 3,0 10,4 40,7 7,8 11,7 2,3 879<br />

1) Zeilenprozent, Basis der Prozentwerte sind die Nennungen<br />

Problematisierung<br />

Kritik/Tadel/<br />

Schuldzuweisung<br />

Unterstützung/<br />

Lob<br />

Forderung/Appell<br />

Warnung<br />

N (Nennungen)<br />

241


M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />

Tabelle 4: Anlass der Thematisierung (Prozent)<br />

Politikfeld <strong>Medien</strong> Forschung Kultur Umwelt Bildung Gesundheit Wirtschaft<br />

Sachentscheidung<br />

17,4 17,3 12,4 18,4 19,6 17,6 12,6<br />

Gerichtsurteil 10,9 1,5 4,7 4,7 6,3 7,1 2,2<br />

Stellungnahme/Rede<br />

31,5 27,4 20,1 20,3 30,7 33,8 21,6<br />

Sonstige 40,2 53,8 62,8 56,6 43,4 41,5 63,6<br />

N (Nennungen) 340 197 234 467 685 477 879<br />

scheint vor allem in zwei Situationen zu entstehen, die angesichts der Strukturen des Politikbereiches<br />

typisch sind. Etwa ein Drittel medienpolitischer Thematisierungen sind<br />

durch Stellungnahmen und öffentliche Reden veranlasst, und im Vergleich zu anderen<br />

Politikbereichen sind die Thematisierungen infolge von Gerichtsurteilen überdurchschnittlich<br />

hoch. Durch diese Kombination hebt sich die <strong>Medien</strong>politik von anderen Politikfeldern<br />

wie der Gesundheits- und der Bildungspolitik ab, die vergleichbar hohe Anteile<br />

an öffentlichen Reden bzw. Stellungnahmen aufweisen.<br />

Bei den Gelegenheiten, infolge derer medienpolitische Öffentlichkeit in der Qualitätspresse<br />

entsteht, fällt auf, dass es immer wieder die Rechtssprechung ist, die <strong>Medien</strong>politik<br />

in die Kommentarspalten bringt. Angesichts der Fragmentierung und Zersplitterung<br />

der Akteursnetzwerke und der starken Rolle der höchstrichterlichen Instanzen<br />

und Gerichte ist nicht überraschend, dass es hier zu Aufmerksamkeitsspitzen<br />

kommt. Allein in den Jahren 1994 und 1995 hatte sich eine Reihe von Instanzen mit medienpolitischen<br />

Fragen zu befassen, die in mehr als einer Zeitung öffentliche Resonanz<br />

erzeugten. Beispiele sind das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes über die Nicht-Zulassung<br />

von Fernsehkameras im Gerichtssaal im Februar 1995, ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts<br />

zum Streit zwischen der Bundesregierung und den Ländern um die<br />

Zustimmung zu den Quoten der EU-Fernsehrichtlinie im März 1995 sowie mehrere<br />

Verhandlungen in den Jahren 1994 und 1996 vor dem BGH und vor Landgerichten, bei<br />

denen es um Fragen des Presserechtes und des Verhaltens der <strong>Medien</strong> bei der Recherche<br />

ging. Die qualitative Durchsicht der Kommentare zeigt schließlich, dass die Kommentatoren<br />

auch bei anderen Anlässen immer wieder auf die Rechtssprechung, und insbesondere<br />

auf die Grundsatzurteile des Bundesverfassungsgerichtes, Bezug nehmen.<br />

Vor dem Hintergrund der Struktur des Politikbereiches erscheint plausibel, dass medienpolitische<br />

Öffentlichkeit in hohem Maße auch durch öffentliche Stellungnahmen<br />

veranlasst wird. Da <strong>Medien</strong>politik ein intransparentes Politikfeld ist, in dem Öffentlichkeit<br />

häufig eine instrumentelle Größe ist, haben öffentliche Reden nicht zuletzt auch<br />

strategischen Charakter (Wiek 1996: 199). Ein starkes Beispiel für diesen Mechanismus<br />

im Untersuchungszeitraum ist der Auftritt des bayerischen Ministerpräsidenten Stoiber<br />

bei den Münchner <strong>Medien</strong>tagen 1994. Der Politiker hatte die Gelegenheit zum Anlass<br />

genommen, um die Auflösung der ARD zu fordern. Die Äußerungen Stoibers wurden<br />

von allen hier untersuchten Zeitungen kommentiert und führen in der Folge zu einer<br />

Reihe von Äußerungen verschiedener Landespolitiker über die ARD-Strukturreform,<br />

die dann wieder Gegenstand von Kommentaren wurden. In mehreren Kommentaren<br />

zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk in den Jahren 1995 und 1996 wird immer wieder<br />

leitmotivisch auf die programmatische Rede Stoibers Bezug genommen. Dieses Beispiel<br />

zeigt, dass öffentliche Stellungnahmen von medienpolitischen Akteuren auch dazu<br />

242


Pfetsch · Symbolische Geräusche über die Anderen<br />

dienen können, durch konflikthafte Stilisierungen zu provozieren und damit politische<br />

Positionen im Vorfeld von Entscheidungen zu beeinflussen.<br />

4.2 Akteure und Akteursbewertungen<br />

Öffentlichkeit lässt sich vor allem beschreiben durch die Sprecher-Ensembles, die sich<br />

medial vermittelt zu bestimmten Themen äußern, und Akteure, auf die in den <strong>Medien</strong><br />

Bezug genommen wird. <strong>Medien</strong>politische Öffentlichkeit zeichnet sich in erster Linie dadurch<br />

aus, dass <strong>Medien</strong> in einer doppelten Rolle agieren. Sie agieren in Kommentaren<br />

als legitime Sprecher, die sich zu öffentlichen Angelegenheit mit eigenen Meinungen zu<br />

Wort melden. <strong>Medien</strong> sind aber auch und vor allem Bezugsobjekte, auf die sich die Sprecheräußerungen<br />

Anderer beziehen. Betrachtet man die Akteure9 in den Pressekommentaren<br />

über <strong>Medien</strong>politik, so sind es die <strong>Medien</strong> selbst, die zusammen mit Landesregierungen,<br />

Wirtschaft und Parteien den Kern des Akteursensembles medienpolitischer Öffentlichkeit<br />

ausmachen. Wie Tabelle 5 zeigt, wird bei jedem medienpolitischen Thema<br />

mehr als einmal auf die <strong>Medien</strong> selbst Bezug genommen, während die übrigen Gruppen<br />

jeweils bei jeder dritten Themennennung auftreten.<br />

Tabelle 5: Akteure im Politikfeld <strong>Medien</strong>politik (Nennungen, Prozent, Mehrfachnennungen)<br />

N % 1) % 2)<br />

<strong>Medien</strong> 475 139,7 40,9<br />

Bundesregierung 69 20,3 5,9<br />

Sonstige Institutionen Bund 3) 84 24,7 7,2<br />

Parteien Bund/Länder 94 27,6 8,1<br />

Landesregierung 112 32,9 9,6<br />

sonstige Länder/Kommunen 66 19,4 5,7<br />

Bürger/Bevölkerung 90 26,5 7,8<br />

Kirche/Bewegungen 36 10,6 3,1<br />

Internationale Akteure 30 8,8 2,6<br />

Wirtschaft 105 30,9 9,0<br />

Gesamt* (Nennungen)<br />

*) ohne sonstige und globale Kategorien<br />

1161 341,4 100<br />

1) Prozentuierungsbasis ist die Nennung eines medienpolitischen Themas<br />

2) Prozentuierungsbasis ist die Nennung eines Akteurs<br />

3) Zusammengefasst wurden hier: Bundesrat, Bundestag, Bundespräsident<br />

Dass Landesregierungen und Wirtschaft im Zentrum medienpolitischer Öffentlichkeit<br />

stehen, ist angesichts der Interessenlagen und politischen Kompetenzen nicht verwunderlich.<br />

Diese Akteurskonstellation charakterisiert insbesondere die Kommentierung<br />

im Jahre 1997, als ein bayerisches Bankenkonsortium, zu dem auch eine bayerische<br />

Staatsbank gehörte, dem Filmhändler Leo Kirch eine Aufbauhilfe von 500 Millionen<br />

DM finanzierte.<br />

9 Bei der Codierung der Akteurskategorie wurde nicht danach unterschieden, ob die Akteure aktiv<br />

als Sprecher oder passiv als Bezugsobjekte auftreten.<br />

243


M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />

Bemerkenswert an dem Akteursensemble der <strong>Medien</strong>politik in den Qualitätszeitungen<br />

ist, dass im Zeitraum 1994–1998 kaum andere Interessengruppen an diesem Diskurs<br />

teilhaben. Kirchen und soziale Bewegungen werden nur bei 11 Prozent der Themennennungen<br />

erwähnt, Gewerkschaften und <strong>Medien</strong>verbände treten überhaupt nicht auf.<br />

Dagegen werden die Bürger bzw. die Bevölkerung bei 27 Prozent der medienpolitischen<br />

Themennennungen als Akteur zitiert. Da das Publikum eine heterogene, nicht organisierte<br />

globale kollektive Größe ist, könnte man aus den Daten schließen, dass in den<br />

Auseinandersetzungen über <strong>Medien</strong>politik die Bürger in der Rolle von „opportunen<br />

Zeugen“ (Hagen 1992) auftreten.<br />

Tabelle 6: Beurteilung der Akteure (Prozent, Mehrfachnennungen)<br />

Politikfeld <strong>Medien</strong> Forschung Kultur Umwelt Bildung Gesundheit Wirtschaft<br />

Positiv 20,4 34,9 28,4 25,0 33,1 32,0 28,9<br />

Neutral 16,6 15,4 21,1 15,4 18,7 15,1 18,2<br />

Negativ 63,0 49,7 50,5 59,6 48,2 52,9 52,9<br />

N (Nennungen) 323 184 207 439 637 451 769<br />

Tabelle 7: Beurteilung der Akteursbeziehungen (Prozent, Mehrfachnennungen)<br />

Politikfeld <strong>Medien</strong> Forschung Kultur Umwelt Bildung Gesundheit Wirtschaft<br />

Konflikthaft 50,7 44,2 46,6 47,4 46,8 54,5 48,2<br />

Ambivalent 20,5 25,8 22,3 23,6 25,5 19,7 23,4<br />

Allianz 28,7 30,0 31,0 29,0 27,8 25,7 28,4<br />

N (Nennungen) 314 174 204 417 601 444 795<br />

<strong>Medien</strong>politische Öffentlichkeit in den überregionalen Tageszeitungen zeichnet sich<br />

nach den Analysen auch dadurch aus, dass die Sprecher „mit harten Bandagen“ kämpfen:<br />

Im Vergleich zu anderen Politikfeldern ist die <strong>Medien</strong>politik, wie die Auszählung<br />

der Akteursbewertungen in Tabelle 6 zeigt, durch den höchsten Anteil negativer Beurteilungen<br />

gekennzeichnet. In dieses Bild passt, dass der überwiegende Anteil der referierten<br />

Akteursbeziehungen, der in Tabelle 7 ausgewiesen ist, konflikthaft ist. Abgesehen<br />

von der Gesundheitspolitik markiert die <strong>Medien</strong>politik den Bereich, der sich am<br />

stärksten durch konflikthafte Akteursbeziehungen profiliert. Durch den hohen Anteil<br />

von Negativbewertungen medienpolitischer Akteure, die überwiegend konflikthafte<br />

Stilisierung ihrer Interaktionen sowie die bereits angesprochene kritische Themenbehandlung<br />

von <strong>Medien</strong>politik in Pressekommentaren erscheint die medienpolitische<br />

Öffentlichkeit in den hier untersuchten Zeitungen durch konfrontative Auseinandersetzungen<br />

geprägt. Wenn also medienpolitische Öffentlichkeit in der Qualitätspresse<br />

entsteht, dann ist dies eine Öffentlichkeit, die sich durch ausgesprochen polarisierte Stile<br />

profiliert.<br />

244


Pfetsch · Symbolische Geräusche über die Anderen<br />

4.3 Themen und Fokussierungen<br />

<strong>Medien</strong>politik ist ein Politikfeld, das nicht zuletzt deshalb Struktur- und Funktionsdefizite<br />

aufweist, weil es sich einerseits stark mit anderen Politikfeldern, wie der Wirtschaftspolitik,<br />

der Kulturpolitik oder Technologiepolitik, überschneidet und weil es andererseits<br />

Fragen berührt, die einen allgemeinen gesellschaftlichen Charakter haben.<br />

<strong>Medien</strong>politische Auseinandersetzungen sind daher stark mit anderen Diskursen verstrickt.<br />

Will man medienpolitische Öffentlichkeit beschreiben, dann sind es gerade diese<br />

Grenzbereiche und Schnittmengen zu anderen Themen, die die medienpolitische<br />

Auseinandersetzung beeinflussen. Folgt man diesen Überlegungen, so ist es konsequent,<br />

zu untersuchen, in welchen thematischen und inhaltlichen Kontexten medienpolitische<br />

Themen öffentlich erörtert werden. Tabelle 8 zeigt diejenigen Themen und Themengebiete,<br />

die im Zusammenhang mit medienpolitischen Fragen in den Kommentaren genannt<br />

werden. Danach weist <strong>Medien</strong>politik die stärksten Überschneidungen und<br />

Berührungspunkte mit Fragen der Gesellschaftsordnung und der politischen Kultur<br />

einerseits sowie mit der Wirtschaftspolitik und Wirtschaftsordnung andererseits auf.<br />

Zudem gibt es starke Konvergenzen mit der Rechtspolitik. Diese Kontextualisierung<br />

medienpolitischer Diskurse erscheint exemplarisch für eine <strong>Medien</strong>politik, deren Probleme<br />

und Widersprüchlichkeiten im Spannungsfeld zwischen ökonomischem Wettbewerb<br />

und gemeinwohlverträglichem <strong>Medien</strong>auftrag entstehen. Da diese Widersprüchlichkeiten<br />

immer wieder zum Streit über die normativen Grundlagen der <strong>Medien</strong>ordnung<br />

führen, erscheint es plausibel, dass es zu deutlichen Überschneidungen zwischen<br />

<strong>Medien</strong>politik und Rechtspolitik kommt.<br />

Das inhaltliche Profil des medienpolitischen Diskurses in den Pressekommentaren<br />

der Qualitätsmedien, insbesondere die Verteilung der Einzelthemen10 weist starke<br />

Streuungen auf. Nur bei wenigen Themen kommt es zu Fokussierungen. Tabelle 9 zeigt,<br />

dass sich medienpolitische Öffentlichkeit nicht zuletzt dann kristallisiert, wenn <strong>Medien</strong>politik<br />

im Hinblick auf die gesellschaftliche Rolle der <strong>Medien</strong> und konkrete <strong>Medien</strong>inhalte<br />

reflektiert wird. Die Lektüre der hier verschlüsselten Kommentare ergab,<br />

dass die „Welt“ und die linken bzw. linksliberalen Zeitungen die gesellschaftliche Rolle<br />

der <strong>Medien</strong> und <strong>Medien</strong>inhalte – z. T. sogar selbstkritisch – mit Bezug auf Fehlentwicklungen<br />

der Profession des Journalismus diskutierten. Die FAZ hielt sich aus dieser<br />

Diskussion weitgehend heraus.<br />

Tabelle 9 wirft möglicherweise auch ein Schlaglicht darauf, wie sich die Befangenheit<br />

der Qualitätspresse in eigener Sache auf die medienpolitische Öffentlichkeit auswirken<br />

könnte, nämlich durch die weitgehende Zurückhaltung bei Äußerungen über die eigenen<br />

Angelegenheiten. So bezieht sich nur ein ausgesprochen geringer Anteil der Themennennungen<br />

auf die Presse11 im engeren Sinne. Auffallend ist bei den Wortmeldun-<br />

10 Die Auswertung der medienpolitischen Einzelthemen steht unter dem bereits angesprochenen<br />

Vorbehalt, dass die Unterkategorien der Themenvariable vergleichsweise grob und nicht in jedem<br />

Fall trennscharf waren. Zudem wurden die Kategorien der Unterthemen nicht systematisch<br />

im Hinblick auf die Besonderheiten des Politikfeldes <strong>Medien</strong>politik entwickelt, so dass die<br />

Daten Unschärfen aufweisen, die bei einer Sekundäranalyse in Kauf genommen werden mussten.<br />

11 Angesichts der vorgegebenen Kategorienbildung und der Möglichkeit von Mehrfachnennungen<br />

ist nicht vollständig auszuschließen, dass Themennennungen, die die Presse betreffen, auch<br />

in anderen Kategorien codiert wurden.<br />

245


M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />

Tabelle 8: Inhaltlicher Kontext von <strong>Medien</strong>politik (Prozent, Mehrfachnennungen) 1)<br />

<strong>Medien</strong>politik als ... Hauptthema2) Gesamt3) weiteres Thema % %<br />

Gesellschaftsordnung, politischer Stil, politische Kultur 26,6 25,1<br />

Wirtschaft, Wirtschaftspolitik, Wirtschaftsrecht,<br />

Wirtschaftsordnung<br />

22,0 11,7<br />

Rechtspolitik, Rechtsordnung 15,1 13,8<br />

Föderalismus 8,0 3,3<br />

EU-Politik 6,2 3,7<br />

Kulturpolitik 2,7 5,0<br />

Summe 80,6 62,6<br />

Sonstige Themen 19,4 37,4<br />

N (Nennungen) 113 299<br />

1) Gemeinsame Nennung von <strong>Medien</strong>politik und anderen Themen in einem Kommentar.<br />

2) Grundlage der Auszählung sind 134 Kommentare, in denen das Thema <strong>Medien</strong>politik als Hauptthema<br />

genannt wurde.<br />

3) Grundlage sind alle 240 Kommentare, in denen das Thema <strong>Medien</strong>politik kodiert wurde.<br />

Tabelle 9: <strong>Medien</strong>politische Themen in Pressekommentaren (Prozent)<br />

Welt FAZ SZ FR taz Gesamt<br />

Thema N % N % N % N % N % N %<br />

Hörfunk und<br />

Fernsehen<br />

11 18,3 13 22,0 10 13,7 10 13,9 7 9,2 51 15,0<br />

Rechtsform 6 10,0 6 10,2 5 6,8 3 4,2 0 0 20 5,9<br />

Meinungsvielfalt 3 5,0 7 11,9 6 8,2 4 5,6 5 6,6 25 7,4<br />

<strong>Medien</strong>freiheit 2 3,3 1 1,7 2 2,7 3 4,2 4 5,3 12 3,5<br />

Neue <strong>Medien</strong>,<br />

Kabel<br />

3 5,0 7 11,9 9 12,3 6 8,3 8 10,5 33 9,7<br />

<strong>Medien</strong>monopole 1 1,7 2 3,4 7 9,6 6 8,3 6 7,9 22 6,5<br />

Gesellschaftliche 13<br />

Rolle der <strong>Medien</strong><br />

21,7 6 10,2 14 19,2 16 22,2 24 31,6 73 21,5<br />

<strong>Medien</strong>inhalte 11 18,3 6 10,2 7 9,6 9 12,5 8 10,5 41 12,1<br />

<strong>Medien</strong>politik,<br />

allg.<br />

1 1,7 1 1,7 3 4,1 2 2,8 1 1,3 8 2,4<br />

Presse 3 5,0 1 1,7 4 5,5 4 5,6 5 6,6 17 5,0<br />

Sonstiges 6 10 9 15,3 6 8,2 9 12,5 8 10,5 38 11,2<br />

N (Nennungen) 60 59 73 72 76 340<br />

gen in diesen Kommentaren, dass sich die Tageszeitungen hier vor allem um die internen<br />

Angelegenheiten der „Anderen“ kümmern. Beispiele sind Kommentare über die<br />

„Führungskrise“ beim Nachrichtenmagazin Spiegel im Jahre 1994, Interna von Spiegel<br />

und Focus sowie die Probleme und die Übernahme der ZEIT durch den Holtzbrink<br />

Verlag.<br />

246


Pfetsch · Symbolische Geräusche über die Anderen<br />

Die medienpolitische Öffentlichkeit in der überregionalen Tagespresse konzentriert<br />

sich ganz überwiegend auf Hörfunk und Fernsehen. Mit dem engeren Gegenstand der<br />

Rundfunkpolitik sind dann auch Themen verknüpft, die mit den Kategorien Rechtsform<br />

der <strong>Medien</strong>, Meinungsvielfalt, <strong>Medien</strong>freiheit und <strong>Medien</strong>monopole verschlüsselt wurden.<br />

Betrachtet man die Verteilung der Einzelnennungen, so kommt es auch hier zu<br />

einer relativ hohen thematischen Streuung. Beim qualitativen Vergleich der hier verschlüsselten<br />

Kommentare fallen unterschiedliche Schwerpunktsetzungen der verschiedenen<br />

Zeitungen im Untersuchungszeitraum auf. Die Welt und die FAZ sind besonders<br />

engagiert und kritisch, wenn es um die Strukturen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks<br />

sowie um Rechtsfragen hinsichtlich der Anstalten geht. Die linken und linksliberalen<br />

Blätter stehen an der Seite der öffentlich-rechtlichen Anstalten, setzen ihre Akzente insgesamt<br />

aber stärker auf Fragen der <strong>Medien</strong>entwicklung, und hier insbesondere auf Neue<br />

<strong>Medien</strong>, wie das digitale Fernsehen und das Internet. Zudem thematisieren diese Zeitungen<br />

die Bedrohung der <strong>Medien</strong>freiheit durch politische Gängelung einerseits und die<br />

Bildung von <strong>Medien</strong>monopolen andererseits häufiger als die konservativen Vergleichszeitungen.<br />

Angesichts der breiten Streuung von Themen erscheint die medienpolitische Öffentlichkeit<br />

insgesamt eher disparat uneinheitlich. Diesen Eindruck erhält man auch bei der<br />

Lektüre der 240 Kommentare, die nur wenige Themen erkennen lässt, die in einem kurzen<br />

Zeitraum von allen fünf Qualitätszeitungen kommentiert werden. Dazu gehören die<br />

Strukturreform der ARD, die Vergabe von Krediten der bayerischen Landesbank an<br />

Kirch Media sowie das Verbot der Kartellbildung im digitalen Fernsehen durch die EU.<br />

5. Diskussion<br />

Ausgangspunkt des vorliegenden Beitrages war, dass die <strong>Medien</strong>politik aufgrund von<br />

Struktur- und Funktionsdefiziten in der politischen Verhandlungsarena notwendigerweise<br />

öffentliche Reflexion verlangt. Da sich in der <strong>Medien</strong>politik der Bundesrepublik<br />

Tendenzen der regulierten Selbstregulierung immer stärker durchsetzen, erscheint medienpolitische<br />

Öffentlichkeit als eine Alternative, um die Entwicklung der demokratischen<br />

<strong>Medien</strong>ordnung kritisch zu begleiten. Die Frage, wie medienpolitische Diskurse<br />

als empirisches Desiderat aussehen, beleuchten die hier vorgestellten Analysen, die sich<br />

auf die Öffentlichkeit in den Kommentaren der deutschen Qualitätsmedien von 1994-<br />

1998 beziehen. Nach der empirischen Beschreibung muss man die medienpolitische Öffentlichkeit<br />

der nationalen Tagespresse als eine ambivalente Größe betrachten, die im<br />

Wesentlichen den Streit und die Polarisierung in der politischen Arena nachzuvollziehen<br />

scheint. Wenn medienpolitische Öffentlichkeit in den Pressekommentaren entsteht,<br />

dann ist der Diskurs durch kritische Stile, negative Beurteilungen der Sprecher und konflikthafte<br />

Akteursbeziehungen charakterisiert. <strong>Medien</strong>politische Öffentlichkeit entsteht<br />

nicht zuletzt infolge von rechtlichen Auseinandersetzungen oder öffentlichen Stellungnahmen<br />

der in diesem Politikfeld agierenden Akteure. Bemerkenswert ist nach den vorliegenden<br />

Analysen, dass die Arena der medienpolitischen Öffentlichkeit in der Qualitätspresse<br />

von einem Oligopol von wenigen interessengebundenen Sprechern besetzt<br />

ist. Die wichtigsten Akteure sind einerseits die <strong>Medien</strong> selbst, andererseits die Landesregierungen<br />

und die Wirtschaft. Zivilgesellschaftliche Akteure blieben in der hier zur<br />

Diskussion stehenden Öffentlichkeit im Untersuchungszeitraum weitgehend ausgeklammert.<br />

Mit der prekären Rolle der <strong>Medien</strong> in der medienpolitischen Arena – als Sprecher in<br />

eigener Sache und Kommentatoren der anderen Akteure – gehen die hier untersuchten<br />

247


M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />

<strong>Medien</strong> offenbar zurückhaltend um. Die nationalen Tageszeitungen befassen sich zwischen<br />

1994 und 1998 kaum mit sich selbst, sondern überwiegend mit den Problemen und<br />

Fehlentwicklungen der Anderen, d. h. der elektronischen <strong>Medien</strong>. Das Themenspektrum<br />

der Kommentare ist allerdings disparat, d. h. dass es nur bei wenigen Gelegenheiten<br />

zu Fokussierungen des Diskurses kommt, bei dem sich alle untersuchten Zeitungen<br />

gleichzeitig zu einem Thema äußern. Vor dem Hintergrund der vorliegenden Analysen<br />

ist kaum ersichtlich, dass im Bereich der <strong>Medien</strong>politik eine mediale Öffentlichkeit existiert,<br />

die genug Resonanz zu erzeugen vermag, um die Entscheidungsprozesse und die<br />

<strong>Medien</strong>entwicklung nachhaltig und kritisch zu begleiten. Vielmehr stellt sich die medienpolitische<br />

Öffentlichkeit in der Qualitätspresse eher als ein symbolisches Geräusch<br />

über die Anderen dar. Das Fehlen einer starken medienpolitischen Öffentlichkeit kann<br />

man indessen als ein weiteres Struktur- und Funktionsdefizit des Politikfeldes <strong>Medien</strong>politik<br />

begreifen.<br />

Literatur<br />

Buchwald, Manfred (1996): Die drei Ebenen der Verantwortung am <strong>Medien</strong>markt. In: Hamm, Ingrid<br />

(Hrsg.), Verantwortung im freien <strong>Medien</strong>markt. Internationale Perspektiven zur Wahrung<br />

professioneller Standards. Gütersloh: Verlag Bertelsmann Stiftung, S. 48 – 59.<br />

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<strong>Medien</strong>system aus der Sicht deutscher und amerikanischer Journalisten. In: Hömberg, Walter/Pürer,<br />

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Konstanz: UVK <strong>Medien</strong>, S. 343 – 356.<br />

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und komparative Analyse der politischen Steuerung des Rundfunks. Wiesbaden: Westdeutscher<br />

Verlag.<br />

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Prozess: Themen und Meinungen in Pressekommentaren. Abschlussbericht an die<br />

DFG. Berlin, Mai 2001.<br />

Eilders, Christiane/Lüter, Albrecht (1998): Methodenbericht zum Projekt: Die Stimme der <strong>Medien</strong><br />

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III 98 – 107.<br />

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über die Volkszählungsdiskussion. In: Publizistik 37: S. 444 – 460.<br />

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des 11. Deutschen Bundestages und der Bevölkerung, Opladen: Westdeutscher Verlag.<br />

Hoffmann-Riem, Wolfgang (2000): Regulierung der dualen Rundfunkordnung. Baden-Baden: Nomos.<br />

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statt politisch-administrativer Steuerung? In: Altmeppen, Klaus-Dieter (Hrsg.), Ökonomie<br />

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Ulrich (Hrsg.), Politische Kommunikation in der demokratischen Gesellschaft.<br />

Opladen/Wiesbaden: Westdeutscher Verlag, S. 616 – 629.<br />

Jarren, Otfried (1998b): Digitaler Rundfunk und medienpolitische Regulierung. Einige Diskussionsbemerkungen.<br />

In: Jarren, Otfried/Krotz, Friedrich (Hrsg.), Öffentlichkeit unter Viel-Kanal-Bedingungen.<br />

Symposien des Hans-Bredow-Instituts, Band 18. Baden-Baden/Hamburg:<br />

Nomos, S. 11 – 22.<br />

Jarren, Otfried (1999): <strong>Medien</strong>regulierung in der Informationsgesellschaft? Über die Möglichkeiten<br />

zur Ausgestaltung der zukünftigen <strong>Medien</strong>ordnung. In: Publizistik 44 (2), S. 149 – 164.<br />

Jarren, Otfried/Donges, Patrick (2000): Die <strong>Medien</strong>gesellschaft als Herausforderung für die „Berliner<br />

Republik“. In: Czada, Roland/Wollmann, Hellmut (Hrsg.), Von der Bonner zur Berliner<br />

248


Pfetsch · Symbolische Geräusche über die Anderen<br />

Republik. 10 Jahre deutsche Einheit. Leviathan Sonderheft 19/1999. Wiesbaden: Westdeutscher<br />

Verlag, S. 363 – 381.<br />

Kepplinger, Hans Mathias (1985): Die aktuelle Berichterstattung des Hörfunks. Eine Inhaltsanalyse<br />

der Abendnachrichten und politischen Magazine, Freiburg/München: Alber.<br />

Mayntz, Renate (1993): Policy-Netzwerke und die Logik von Verhandlungssystemen. In: Héritier,<br />

Adrienne (Hrsg.), Policy-Analyse. Kritik und Neuorientierung. PVS Sonderheft 24/1993. Opladen:<br />

Westdeutscher Verlag, S. 9 – 36.<br />

Neidhardt, Friedhelm (1994): Öffentlichkeit, öffentliche Meinung, soziale Bewegungen. In: Neidhardt,<br />

Friedhelm (Hrsg.), Öffentlichkeit, öffentliche Meinung, soziale Bewegungen. Sonderheft<br />

der KZfSS 34/1994, S. 7 – 41.<br />

Neidhardt, Friedhelm/Eilders, Christiane/Pfetsch, Barbara (1998): Die Stimme der <strong>Medien</strong> im politischen<br />

Prozeß: Themen und Meinungen in Pressekommentaren. Berlin: WZB, FS III 98 –<br />

106.<br />

Peters, Bernhard (1994): Der Sinn von Öffentlichkeit. In: Neidhardt, Friedhelm (Hrsg.), Öffentlichkeit,<br />

öffentliche Meinung, soziale Bewegungen. Sonderheft der KZfSS 34/1994, S. 42 – 76.<br />

Puhe, Henry/Würzberg, H. Gerd (1989): Lust und Frust. Das Informationsverhalten des deutschen<br />

Abgeordneten. Eine Untersuchung, Köln: Informedia.<br />

Saretzki, Thomas (1995): „Arguing“ oder „Bargaining“: Selbstbindung der Politik durch öffentliche<br />

Diskurse. In: Göhler, Gerhard (Hrsg.), Macht der Öffentlichkeit – Öffentlichkeit der<br />

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Schatz, Heribert/Habig, Christopher/Immer, Nikolaus (1990): <strong>Medien</strong>politik. In: Beyme, Klaus<br />

von/Schmidt, Manfred G. (Hrsg.), Politik in der Bundesrepublik Deutschland. Opladen: Westdeutscher<br />

Verlag, S. 331 – 359.<br />

Schönbach, Klaus (1977): Trennung von Nachricht und Meinung. Empirische Untersuchung eines<br />

journalistischen Qualitätskriteriums, Freiburg/München: Alber.<br />

Schulz, Winfried (1985): Fortschritte der <strong>Medien</strong>wirkungsforschung. In: Mahle, Walter A. (Hrsg.),<br />

Fortschritte der <strong>Medien</strong>wirkungsforschung. Neue theoretische und methodische Ansätze und<br />

Fortschritte der <strong>Medien</strong>wirkungsforschung. Schriftenreihe der Arbeitsgruppe <strong>Kommunikations</strong>forschung<br />

München, Band 26. Berlin: Spieß, S. 67 – 70.<br />

Stammler, Dieter (2000): Projekt <strong>Kommunikations</strong>rat: Chancen einer effizienten Koordination in<br />

der <strong>Medien</strong>politik? Gutachten für die Friedrich Ebert Stiftung. Bonn: FES Library.<br />

Voltmer, Katrin (1998/99): <strong>Medien</strong>qualität und Demokratie. Eine empirische Analyse publizistischer<br />

Informations- und Orientierungsleistungen in der Wahlkampfkommunikation. Baden-<br />

Baden: Nomos.<br />

Weiß, Hans-Jürgen (1985): Die Tendenz der Berichterstattung und Kommentierung der Tagespresse<br />

zur Neuordnung des Rundfunkwesens in der Bundesrepublik Deutschland. In: Media<br />

Perspektiven, Nr. 12, S. 845 – 866.<br />

Weiß, Hans-Jürgen (1988): Meinungsgestaltung im Interesse der Zeitungen? Eine Analyse der Zeitungspublizistik<br />

zur Erhöhung der Rundfunkgebühr. In: Media Perspektiven, Nr. 8, S. 469 –<br />

489.<br />

Wiek, Ulrich (1996): Politische Kommunikation und Public Relations in der Rundfunkpolitik. Eine<br />

politikfeldbezogene Analyse. Berlin: Vistas.<br />

249


Zwischen Deutschland und Europa<br />

Eine empirische Untersuchung zum Grad von Europäisierung und Europa-<br />

Unterstützung der meinungsführenden deutschen Tageszeitungen<br />

Christiane Eilders / Katrin Voltmer<br />

Der Beitrag untersucht die Rolle der <strong>Medien</strong> bei der Herstellung europäischer Öffentlichkeit.<br />

Die Diskussion unterschiedlicher Modelle europäischer Öffentlichkeit zeigt, dass<br />

die Europäisierung nationaler Öffentlichkeiten den normativen Anforderungen einer<br />

umfassenden Inklusion und Deliberation besser entspricht als die Modelle einer paneuropäischen<br />

Öffentlichkeit und themenspezifischer transnationaler Öffentlichkeiten.<br />

Eine Inhaltsanalyse der europa-politischen Kommentierung der deutschen Qualitätszeitungen<br />

zwischen 1994 und 1998 zeigt einen Grad von Europäisierung der Öffentlichkeit,<br />

der hinter der zunehmenden Europäisierung der Politik deutlich zurückbleibt. Weder<br />

EU-Akteure noch EU-Themen werden in nennenswertem Umfang angesprochen. Selbst<br />

bei den wenigen Europa-Bezügen ist die Perspektive ganz überwiegend national.<br />

Gleichzeitig besteht ein hohes Ausmaß an Unterstützung des europäischen Integrationsprozesses<br />

im gesamten <strong>Medien</strong>spektrum.<br />

Keywords: Öffentlichkeit, Europa, Europäisierung, Kommentare, Inhaltsanalyse,<br />

Presseberichterstattung, Qualitätszeitungen<br />

1. Einleitung<br />

Mit der Einführung einer gemeinsamen europäischen Währung in zwölf Mitgliedstaaten<br />

der Europäischen Union und der Aufnahme von Verhandlungen mit neuen Beitrittskandidaten<br />

tritt die europäische Integration in eine neue Phase der Intensivierung<br />

und Erweiterung ein. Gleichzeitig – und möglicherweise als Reaktion auf diese Entwicklung<br />

– lässt sich beobachten, dass der vor allem in der deutschen Bevölkerung lange Zeit<br />

vorherrschende „permissive Konsens“ erodiert. Jahrzehntelang konnten die politischen<br />

Eliten das europäische Projekt vorantreiben, ohne in großem Stil öffentliche Unterstützung<br />

mobilisieren und europäische Entscheidungen im Einzelnen rechtfertigen zu müssen.<br />

Gescheiterte oder äußerst knappe Referenden in Dänemark, Frankreich und Irland<br />

sind alarmierende Anzeichen dafür, dass selbst in europäischen Kernländern die Skepsis<br />

gegenüber der europäischen Integration wächst (vgl. Niedermayer/Sinnott 1995).<br />

Diese Entwicklungen machen deutlich, dass die Integration Europas mehr erfordert<br />

als die Implementierung effizienter Institutionen und die Harmonisierung von Politiken<br />

zwischen der nationalen und supranationalen Ebene. Ebenso wichtig wie die institutionelle<br />

Integration ist vielmehr die Entstehung einer politischen Kultur auf der Mikroebene<br />

von Politik, das heißt die Unterstützung dieses Prozesses durch die Bürger und<br />

deren aktive Teilhabe (vgl. Almond/Verba 1963). Voraussetzung hierfür ist die Entstehung<br />

von Öffentlichkeit im Sinne eines breiten öffentlichen Diskurses zu europäischen<br />

Fragen, in dem begründeter Konsens hergestellt werden kann, der aber auch Konflikte<br />

zwischen unterschiedlichen Interessen und Meinungen zulässt. Die gegenwärtige Praxis<br />

sieht jedoch anders aus. Europäische Entscheidungen werden in der Regel hinter verschlossenen<br />

Türen und unter Ausschluss einer kritischen Öffentlichkeit getroffen, mit<br />

der Folge, dass die meisten Menschen die in Brüssel gemachte Politik als intransparent<br />

und sogar bedrohlich wahrnehmen. Das zunehmend beklagte Demokratiedefizit der<br />

250


Eilders / Voltmer · Zwischen Deutschland und Europa<br />

Europäischen Union wird deswegen zu Recht von einigen Autoren auf ein <strong>Kommunikations</strong>defizit<br />

zurückgeführt (Eder et al. 1998; Neidhardt et al. 2000).<br />

Bei der Entstehung von Öffentlichkeit nehmen die Massenmedien eine zentrale Vermittlungsfunktion<br />

im Informationsaustausch zwischen politischen Entscheidungsträgern<br />

und Bürgern wahr. Darüber hinaus nehmen die <strong>Medien</strong> gestaltend am politischen<br />

Diskurs teil, indem sie die öffentliche Agenda strukturieren und eigene Positionen in die<br />

Debatte einbringen. Während in der nationalen Politik Öffentlichkeit in einem komplexen<br />

Interaktionsprozess zwischen den politischen Eliten und den <strong>Medien</strong> entsteht<br />

(Blumler/Gurevitch 1995; Pfetsch 1998), stellt sich die Frage, wie leistungsfähig die <strong>Medien</strong><br />

bei der Herstellung einer europäischen Öffentlichkeit sind – und sein können. In<br />

der Europaforschung wurde die Bedeutung der <strong>Medien</strong> bisher weitgehend ignoriert,<br />

und auch in der <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong> entwickelt sich erst seit einiger Zeit ein<br />

wachsendes Interesse an europäischer, gleichsam zwischen nationaler und globaler Ebene<br />

angesiedelter Öffentlichkeit (vgl. Beierwaltes 2000; Kopper 1997).<br />

In diesem Artikel wollen wir untersuchen, auf welche Weise führende deutsche Tageszeitungen<br />

Europa kommunizieren und welche Positionen sie selbst zur europäischen<br />

Integration sowie zur konkreten EU-Politik einnehmen. Ist der Vorwurf berechtigt,<br />

dass die <strong>Medien</strong> zum Demokratie- und <strong>Kommunikations</strong>defizit Europas beitragen, oder<br />

lassen sich zumindest Ansätze eines europäischen Diskurses feststellen? Wird dieser<br />

Diskurs vornehmlich aus nationaler Perspektive geführt oder entwickelt sich Europa zu<br />

einer eigenständigen Bezugsgröße jenseits nationalstaatlicher Interessen? Und in welchem<br />

Maße tragen die <strong>Medien</strong> zu einer kritischen Debatte des europäischen Integrationsprozesses<br />

bei? Wir beginnen unsere Analyse mit einer Diskussion unterschiedlicher<br />

theoretischer Modelle europäischer Öffentlichkeit, die – implizit oder explizit – aktuellen<br />

Untersuchungen zum Thema unterliegen. Dabei werden wir versuchen, die in<br />

diesen Modellen angelegten normativen Annahmen zu rekonstruieren und die Grenzen<br />

und Möglichkeiten ihrer empirischen Umsetzung aufzuzeigen. Unsere empirische Untersuchung<br />

basiert auf einer Inhaltsanalyse von Kommentaren und Leitartikeln zu Europa,<br />

die zwischen 1994 und 1998 in den fünf überregionalen deutschen Qualitätszeitungen<br />

erschienen sind. Damit richtet sich unser Blick auf den genuinen Beitrag der<br />

<strong>Medien</strong> zum Europa-Diskurs in den neunziger Jahren, einer Zeitspanne, in der die europäische<br />

Integration eine besonders dynamische Entwicklung durchmachte. Die Untersuchung<br />

von Kommentaren ist ein in der <strong>Kommunikations</strong>forschung bisher weitgehend<br />

unüblicher Zugang zur <strong>Medien</strong>agenda. Unserer Ansicht nach zu Unrecht, sind<br />

Kommentare doch das Genre, wo die <strong>Medien</strong> frei von ihrer neutralen Chronistenpflicht<br />

als Meinungsführer in Erscheinung treten und aktiv zur öffentlichen politischen Auseinandersetzung<br />

beitragen.<br />

2. Drei Modelle europäischer Öffentlichkeit<br />

In der vorliegenden Literatur lassen sich im Wesentlichen drei Modelle europäischer Öffentlichkeit<br />

unterscheiden. Diese Modelle beinhalten sowohl normative Erwartungen an<br />

einen idealen europäischen öffentlichen Raum als auch empirische Beobachtungen im<br />

Hinblick auf die tatsächliche Umsetzung dieser Standards in der täglichen <strong>Medien</strong>berichterstattung<br />

über europäische Angelegenheiten. Das umfassendste und anspruchsvollste<br />

Modell europäischer Öffentlichkeit ist das einer pan-europäischen Öffentlichkeit,<br />

hergestellt durch europäische <strong>Medien</strong>, die sich an ein transnationales Publikum in<br />

allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union wenden (Gerhards 1992, 1993; siehe auch<br />

das Themenheft von Javnost/The Public 2001). Bei diesem Modell wird angenommen,<br />

251


M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />

dass die Rolle der <strong>Medien</strong> im europäischen Integrationsprozess vergleichbar ist mit der<br />

Rolle, die sie bei der Entstehung der Nationalstaaten und des Nationalismus in Europa<br />

hatten (Neidhardt et al. 2000; Thompson 1995). Anderson (1983, insbesondere Kapitel<br />

3) zufolge ist die Nation eine „imagined community“, ein soziales Konstrukt, das nicht<br />

per se existiert und deswegen „erfunden“ und interpretiert, in anderen Worten kommuniziert<br />

werden muss, um von den Beteiligten als real wahrgenommen werden zu können.<br />

Das Aufkommen einer Massenpresse während des 19. Jahrhunderts führte zu einer<br />

bis dahin unbekannten Dichte, Häufigkeit und Gleichzeitigkeit öffentlicher Kommunikation,<br />

die es breiten Bevölkerungsschichten ermöglichte, einen kognitiven Zusammenhang<br />

zwischen der eigenen unmittelbaren Lebenswelt und abstrakten, übergeordneten<br />

sozialen Realitäten herzustellen. Europa ist eine noch abstraktere politische Struktur als<br />

der Nationalstaat und bedarf deswegen umso mehr der symbolischen Vermittlung, um<br />

für den einzelnen Bürger als politische Gemeinschaft „vorstellbar“ zu werden (vgl.<br />

Christiansen et al. 2001).<br />

Diese Funktion würde allerdings eine Infrastruktur der Massenkommunikation jenseits<br />

des Nationalstaates erfordern, idealerweise ein europäisches <strong>Medien</strong>system oder<br />

zumindest einzelne <strong>Medien</strong>, die eine transnationale Perspektive einnehmen und ein paneuropäisches<br />

Publikum ansprechen (Gerhards 1992). Angesichts neuer <strong>Kommunikations</strong>technologien,<br />

wie Satelliten- und Digitalfernsehen, durch die die bestehenden Beschränkungen<br />

traditioneller Massenmedien wegfallen, scheint dies nicht allzu utopisch.<br />

Die Wirklichkeit sieht jedoch anders aus. Obwohl <strong>Medien</strong>unternehmen zunehmend<br />

global operieren, sind die Publikumsmärkte nach wie vor an sprachlich und kulturell homogenen<br />

Zielgruppen, und das heißt vorwiegend national ausgerichtet (Kleinsteuber et<br />

al. 1990, zu den gemischten Erfahrungen mit pan-europäischen Angeboten vgl. Hasebrink<br />

1998, Dill 1991, Machill 1998, Krüger 2000). Die wenigen Versuche genuin paneuropäischer<br />

Fernsehsender oder Zeitungen sind gescheitert oder müssen als marginal<br />

angesehen werden. Sie tragen kaum zur Entstehung eines öffentlichen europäischen<br />

Raumes bei, da sie sich ausschließlich an Eliten in Politik und Wirtschaft wenden, die in<br />

einem kosmopolitischen Umfeld agieren und für die Englisch eine vertraute (zweite)<br />

Sprache des Berufslebens ist.<br />

Anstatt der offensichtlich unrealistischen Vorstellung eines einheitlichen pan-europäischen<br />

öffentlichen Raumes, schlagen einige Autoren das Modell segmentierter transnationaler<br />

Themenöffentlichkeiten vor. Eder et al. (1998; Eder 2000) betonen, dass sich<br />

in Europa ein komplexes <strong>Kommunikations</strong>netzwerk herausgebildet hat, in dem sich abgrenzbare<br />

Teilöffentlichkeiten um besondere Themen herum kristallisieren. Auch<br />

Schlesinger (1999: 270) lehnt die Vorstellung einer umfassenden europäischen Öffentlichkeit<br />

ab, indem er argumentiert, dass ein Modell der „overlapping public spheres“<br />

adäquater sei, um die Rolle von Kommunikation im Kontext komplexer Mehrebenenprozesse<br />

in Europa zu verstehen (vgl. auch Schlesinger/Kevin 2000). Tatsächlich haben<br />

viele Interessengruppen und soziale Bewegungen Europa als Mobilisierungsarena entdeckt,<br />

die oftmals sogar wirksamere Einflussmöglichkeiten bietet als die nationale Arena<br />

(Imig/Tarrow 2001). Diese thematisch zentrierten Öffentlichkeiten sind nicht notwendigerweise<br />

auf Eliten begrenzt. Vielmehr finden sich in ihnen auch Basisaktivisten und<br />

Bürger, die sich nur gelegentlich engagieren, wenn ein Thema sie persönlich betrifft. In<br />

diesem Prozess sind die Massenmedien nur von geringer Bedeutung, teils weil es – wie<br />

oben dargestellt – keine ausreichende Infrastruktur der Massenkommunikation auf europäischer<br />

Ebene gibt, teils weil die Themen, die in den segmentierten Öffentlichkeiten<br />

diskutiert werden, oft zu komplex sind, um problemlos über die Massenmedien kommuniziert<br />

zu werden. Stattdessen avanciert das Internet zunehmend zum bevorzugten<br />

252


Eilders / Voltmer · Zwischen Deutschland und Europa<br />

Medium, da es sich in idealer Weise dazu eignet, ein interessiertes Publikum anzusprechen,<br />

das bereit ist, sich mit komplexen Themen auseinander zu setzen und gegebenenfalls<br />

selbst aktiv zu werden (Hill/Hughes 1998).<br />

Aus normativ-demokratietheoretischer Perspektive weisen die beiden bisher diskutierten<br />

Modelle europäischer Öffentlichkeit einen entscheidenden Nachteil auf: Sie<br />

schließen systematisch den Großteil der Bürger von der Teilhabe am politischen Diskurs<br />

aus. Eine breite europäische Öffentlichkeit, die allen Bürgern offen steht, scheint<br />

dagegen nur in einem dritten Modell gewährleistet zu sein: der Europäisierung der nationalen<br />

Öffentlichkeit. Zwei Gründe sprechen für diese Annahme. Erstens existiert auf<br />

nationaler Ebene eine flächendeckende Infrastruktur der Massenkommunikation. Hier<br />

auf dem nationalen Markt können die <strong>Medien</strong> auf Publikumsbindungen bauen, sprachliche<br />

und kulturelle Besonderheiten ausnutzen, um Aufmerksamkeit zu erzielen, und<br />

für die Informationsbeschaffung auf eingespielte Interaktionsmuster mit Politikern<br />

zurückgreifen. Zweitens sind die entscheidungsrelevanten Institutionen der Europäischen<br />

Union (Ministerrat, Kommission) nach wie vor eng mit den nationalen Regierungen<br />

der Mitgliedstaaten verknüpft und von diesen dominiert. Es ist deswegen nur folgerichtig,<br />

dass politische Akteure sich nicht an ein europäisches Publikum wenden, um<br />

europa-politische Entscheidungen zu legitimieren, sondern an ihre nationalen Wähler.<br />

Auch aus der Sicht der Bürger sind vor allem nationale politische Akteure für europäische<br />

Politik verantwortlich. Angesichts der geringen Kompetenzen des Europäischen<br />

Parlaments bleiben nationale Wahlen vorerst der wirksamere Mechanismus, um – wenn<br />

auch indirekt – auf europäische Politik Einfluss zu nehmen.<br />

Das Konzept der Europäisierung, häufig weitgehend synonym mit dem der europäischen<br />

Integration verwendet, gewinnt seit einiger Zeit in der politik<strong>wissenschaft</strong>lichen<br />

Forschung zunehmend spezifischere Konturen und hat zu einem Perspektivenwechsel<br />

gegenüber traditionellen Ansätzen geführt (Green Cowles et al. 2000; Hix/Goetz 2000;<br />

Radaelli 2000). Während bisher der Schwerpunkt auf Institutionenwandel und Politikformation<br />

auf europäischer Ebene lag, bezieht sich der Begriff der Europäisierung auf<br />

den Einfluss der EU auf die nationale politische Arena. Dabei kann die Anpassung an<br />

transnationale europäische Prozesse in den einzelnen Mitgliedstaaten, aber auch in den<br />

unterschiedlichen Bereichen des politischen und gesellschaftlichen Wandels durchaus<br />

unterschiedlich verlaufen. Diese je spezifischen Anpassungsprozesse haben wiederum<br />

Rückwirkungen auf den politischen Entscheidungsprozess auf europäischer Ebene. Damit<br />

wird Europapolitik nicht mehr als vorwiegend horizontaler Prozess zwischen<br />

europäischen Staaten verstanden, sondern als ein dynamischer Wechselwirkungsprozess<br />

zwischen verschiedenen Handlungsebenen, wobei die oftmals bereits totgesagte nationale<br />

Ebene wieder an Bedeutung gewinnt.<br />

Bezogen auf die Entstehung einer europäischen Öffentlichkeit lässt sich der Begriff<br />

der Europäisierung dahingehend spezifizieren, dass europäische Themen und Akteure<br />

im nationalen politischen Diskurs berücksichtigt werden und die Interpretation nationaler<br />

Politik verändern. Die Annahme ist, dass Europa – ob als politische Institution<br />

oder als geographisch-kultureller Raum – letztendlich nur auf dem Hintergrund bekannter,<br />

in der nationalen Kultur verwurzelter Deutungsmuster sinnhaft kommuniziert<br />

werden kann. Aus dieser Sichtweise konstituiert sich europäische Öffentlichkeit nicht<br />

als umfassender einheitlicher <strong>Kommunikations</strong>raum, sondern als ein „patchwork of<br />

Europeanized national spheres“ (de Beus/Mak 2001: 354). Interessanterweise sieht auch<br />

die Europäische Kommission die Vermittlung von europabezogener Information vornehmlich<br />

als eine Aufgabe der Mitgliedsländer, und nicht der EU (vgl. de Beus/Mak<br />

2001: 353).<br />

253


M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />

Die Bewertung einer auf die nationale Ebene verlagerten europäischen Öffentlichkeit<br />

mag allerdings unterschiedlich ausfallen. Philip Schlesinger argumentiert, dass der<br />

Europa-Diskurs dadurch jeweils eine nationale Färbung erhalte und man statt von der<br />

Europäisierung der nationalen Sphären eher von einer „Domestizierung“ Europas sprechen<br />

könne. 1 Auch andere Autoren geben sich mit der Europäisierung der nationalen<br />

Öffentlichkeiten nicht zufrieden, sondern betrachten das Fehlen einer umfassenden<br />

transnationalen europäischen Öffentlichkeit und das Vorherrschen der nationalen Perspektive<br />

im öffentlichen Diskurs als ein Defizit und ein ernst zu nehmendes Hindernis<br />

auf dem Weg zu einer fortschreitenden Integration (Gerhards 1993; Neidhardt et al.<br />

2000). Dem ist entgegenzuhalten, dass das Konzept einer Europäisierung nationaler<br />

Öffentlichkeiten von einer Wechselbeziehung zwischen nationaler und transnationaler<br />

Ebene ausgeht. Nationale Diskursarenen sind nicht von der Außenwelt abgeschlossen,<br />

sondern nehmen, wenngleich in unterschiedlichem Maße, neue Ideen auf. Außerdem<br />

tragen politische Eliten, aber auch <strong>Medien</strong> mit internationaler Orientierung dazu bei,<br />

dass Ideen und Interpretationen diffundieren.<br />

Nur wenige empirische Studien haben bisher untersucht, wie Europa auf der nationalen<br />

<strong>Medien</strong>agenda dargestellt wird und welche Konsequenzen das für die politische<br />

Meinungsbildung hat (vgl. den Überblick bei Semetko et al. 2000; Semetko/Valkenburg<br />

2000). Ein frühes vergleichendes Projekt zu den Wahlen zum europäischen Parlament<br />

im Jahre 1979 (Blumler 1983) zeigt, dass sowohl die Wahlkämpfe in den Mitgliedstaaten<br />

als auch die <strong>Medien</strong>berichterstattung überwiegend einen nationalen Blickwinkel einnahmen.<br />

Dieses Muster scheint sich in den letzten zwanzig Jahren kaum verändert zu<br />

haben (Kevin 2001; Medrano 2001). In Deutschland hat vor allem Gerhards (1992; 1993;<br />

2000) die Diskussion zur europäischen Öffentlichkeit vorangetrieben. In einer Langzeitanalyse,<br />

die einen Zeitraum zwischen 1950 und 1995 umfasst, vergleicht er die Transnationalisierung<br />

von Ökonomie, Politik und <strong>Medien</strong>öffentlichkeit (Gerhards 2000). Es<br />

zeigt sich, dass im Unterschied zu den beiden anderen Bereichen die <strong>Medien</strong>agenda in<br />

den vergangenen vierzig Jahren praktisch nicht auf die zunehmende Bedeutung Europas<br />

reagiert hat. Die europa-politische Berichterstattung bleibt mehr oder weniger konstant<br />

auf einem Niveau um die sieben Prozent, während sich politische und wirtschaftliche<br />

Tätigkeitsfelder immer mehr in den transnationalen Raum vorgeschoben haben.<br />

Während diese Studie einen hervorragenden Überblick über die Langzeitentwicklung<br />

gibt und somit auch die Frage nach einem Maßstab für einen angemessenen Umfang der<br />

Europaberichterstattung elegant umgeht, bleibt die Messung der <strong>Medien</strong>agenda notgedrungen<br />

recht grob. In der hier vorgestellten Untersuchung können wir lediglich<br />

einen Beobachtungszeitraum von fünf Jahren abdecken. Im Unterschied zu den Analysen<br />

von Gerhards sind wir jedoch in der Lage, die Binnenstruktur der europa-politischen<br />

<strong>Medien</strong>berichterstattung genauer zu untersuchen. Unsere Operationalisierung<br />

des Europäisierungskonzepts wird im folgenden Abschnitt erläutert.<br />

3. Die Rolle der <strong>Medien</strong> bei der Herstellung einer europäisierten Öffentlichkeit<br />

Wir hatten eingangs argumentiert, dass Europa stärker Gegenstand des öffentlichen Diskurses<br />

werden muss, wenn das häufig beklagte Demokratiedefizit der Europäischen<br />

Union behoben werden soll. Der Beitrag der <strong>Medien</strong> zu einer Europäisierung der na-<br />

1 Persönliche Diskussion mit den Autorinnen.<br />

254


Eilders / Voltmer · Zwischen Deutschland und Europa<br />

tionalen Öffentlichkeit besteht folglich in einer Inklusion europäischer Themen und<br />

Akteure auf der <strong>Medien</strong>agenda. Die Erwartung ist, dass die Europäisierung der Politik<br />

sich in einer Europäisierung der <strong>Medien</strong>agenda niederschlägt, dass die Relevanz der supranationalen<br />

Ebene von den <strong>Medien</strong> also wahrgenommen und vermittelt wird. Dabei<br />

verweist der Begriff der Europäisierung auf den Prozesscharakter des Konzepts. 2 Wenn<br />

von einer Europäisierung der nationalen Öffentlichkeit die Rede ist, wird von einer stetigen<br />

Zunahme der Europa-Bezüge auf der <strong>Medien</strong>agenda ausgegangen. Kriterien für<br />

das Ende des Prozesses, ab wann die Europäisierung also erreicht oder abgeschlossen ist,<br />

werden dabei allerdings nicht spezifiziert. Ebenso wenig finden sich Grenzwerte für den<br />

Umfang „angemessener“ Europa-Bezüge, da die Relevanz der supranationalen Ebene<br />

für politische Entscheidungen nicht exakt quantifiziert werden kann. Der Grad der<br />

Europäisierung lässt sich damit nur im Zeit-Vergleich, im Ländervergleich oder aber im<br />

Vergleich zwischen mehreren Politikbereichen beurteilen. In der Regel muss dazu auf<br />

Längsschnittstudien oder andere externe Daten zurückgegriffen werden.<br />

In Bezug auf den Beitrag der <strong>Medien</strong> zur europäischen Integration spielen neben der<br />

Aufnahme Europas auf der öffentlichen Agenda auch die europa-bezogenen Meinungen<br />

der <strong>Medien</strong> eine wichtige Rolle. Hier ist zwischen langfristigen und grundsätzlichen<br />

Haltungen zur europäischen Integration und der Bewertung der tatsächlichen Europa-<br />

Politik der Amtsinhaber zu unterscheiden. Wir gehen davon aus, dass selbst eine häufige<br />

Bezugnahme auf die supranationale Ebene und die Darstellung der Verflochtenheit<br />

beider Politikebenen ohne gleichzeitige Unterstützung des Integrationsgedankens und<br />

der einschlägigen Akteure kaum zu einem europa-freundlichen Klima in der Öffentlichkeit<br />

beiträgt. Wenn dagegen die meinungsführenden <strong>Medien</strong> das europäische Projekt<br />

unterstützen, ist es relativ unwahrscheinlich, dass die „schlechte Presse“ Europas<br />

für die Skepsis gegenüber Europa gesorgt hat. Möglicherweise ist die Ursache für diese<br />

Skepsis dann tatsächlich in einer ungenügenden Inklusion Europas auf der Agenda zu<br />

suchen.<br />

In unserer Analyse der <strong>Medien</strong>agenda konzentrieren wir uns auf drei zentrale Aspekte<br />

von <strong>Medien</strong>handeln, nämlich (1) Thematisierung, (2) politische Stellungnahmen im<br />

Rahmen einer redaktionellen Linie und (3) Bewertung und Kritik aktueller Politik.<br />

(1) Die Strukturierung der öffentlichen Agenda ist zweifellos die wichtigste Leistung<br />

der <strong>Medien</strong> im öffentlichen <strong>Kommunikations</strong>prozess (Dearing/Rogers 1996; Protess/McCombs<br />

1991; McCombs/Shaw 1972). Durch die Auswahl bestimmter Themen<br />

bringen die <strong>Medien</strong> Probleme in das öffentliche Bewusstsein und üben damit indirekten<br />

Handlungsdruck auf politische Entscheidungsträger aus (Luhmann 1970). Eine einfache,<br />

aber zentrale Voraussetzung für die Europäisierung der deutschen <strong>Medien</strong>öffentlichkeit<br />

ist deswegen, dass Europa ein deutlich sichtbarer Bestandteil der öffentlichen<br />

Agenda ist.<br />

Nicht alles, was objektiv wichtig ist, findet allerdings entsprechende publizistische<br />

Beachtung. So mangelt es der Europa-Politik an den wichtigsten Eigenschaften, um die<br />

Aufmerksamkeit der <strong>Medien</strong> auf sich zu ziehen. Weder lassen sich herausragende Persönlichkeiten<br />

auf der europäischen Bühne ausmachen, die eine grenzüberschreitende<br />

2 Betrachtet man die Europa-Bezüge auf der <strong>Medien</strong>agenda nicht im Zeitverlauf, sondern im<br />

Querschnitt, so müsste man konsequenterweise von „Europäisiertheit“ oder „Europabezogenheit“<br />

sprechen. Um jedoch an den allgemeinen Sprachgebrauch der Forschungstradition anzuschließen,<br />

nehmen wir die sprachliche Unschärfe in Kauf und sprechen jeweils vom Grad der<br />

Europäisierung.<br />

255


M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />

positive Ausstrahlung besitzen (vgl. Trenz 2000 zu den EU-Korruptionsskandalen),<br />

noch kulminieren die langen Politik-Zyklen der EU-Politik in Ereignissen mit hoher<br />

symbolischer und visueller Anziehungskraft. Probleme und Konflikte werden meist bewusst<br />

von der Öffentlichkeit fern gehalten, um die Harmonie in der europäischen Familie<br />

zu demonstrieren. Dies entspricht dem Konsensprinzip, nach dem im Ministerrat<br />

Entscheidungen getroffen werden und das die Chance europäischer <strong>Medien</strong>berichterstattung<br />

durch den Mangel an Konflikthaftigkeit systematisch unterhöhlt.<br />

Der Agenda-Setting-Ansatz 3 wurde in der neueren Forschung zum so genannten<br />

„Second-Level Agenda-Setting“ erweitert (Ghanem 1997; McCombs et al. 2000). Die<br />

Annahme ist, dass Agenda-Setting-Prozesse nicht nur die Auswahl von Themen umfassen,<br />

sondern auch die Auswahl bestimmter Aspekte, die die Darstellung eines Themas<br />

steuern. Beispiele solcher Aspekte von Themen sind Persönlichkeitseigenschaften von<br />

Kandidaten oder die Verbindung eines Problems mit anderen Themen. 4 Da diese attributiven<br />

Aspekte einem Thema Sinn und Bedeutung verleihen, kann man davon ausgehen,<br />

dass sie eine wichtige Rolle in individuellen und kollektiven Meinungsbildungsprozessen<br />

spielen. Im Kontext unserer Fragestellung würde eine Europäisierung der<br />

<strong>Medien</strong>agenda auch darin bestehen, dass die <strong>Medien</strong> innenpolitische Probleme in Bezug<br />

setzen zu europäischer Politik. Die Annahme hier ist, dass die Bedeutung von Europa<br />

nicht nur in der Berichterstattung und in den Kommentaren über genuin europäische<br />

Themen zum Ausdruck kommt, sondern auch in der Kontextualisierung innenpolitischer<br />

Probleme im Hinblick auf ihre transnationalen Interdependenzen. Während die<br />

Auswahl von Themen, also die erste Stufe des Agenda-Setting-Prozesses, von vielen<br />

strukturellen Faktoren abhängt, kann die Hervorhebung bestimmter Attribute sehr viel<br />

stärker durch die <strong>Medien</strong> selbst kontrolliert werden.<br />

(2) Über die Themenstrukturierung hinaus nehmen die <strong>Medien</strong> ihre aktive Rolle im<br />

politischen Meinungsbildungsprozess auch dadurch wahr, dass sie ihre eigenen Positionen<br />

zu politischen Konflikten einbringen. Die politischen Positionen einzelner <strong>Medien</strong><br />

folgen in der Regel einem relativ stabilen Muster politischer Präferenzen, der so genannten<br />

redaktionellen Linie, die sich über einen langen Zeitraum herausgebildet hat<br />

und ein wichtiger Bestandteil der publizistischen Identität eines Presseorgans ist. Die redaktionelle<br />

Linie kommt am deutlichsten in Kommentaren zum Ausdruck, wo Journalisten<br />

unabhängig von der professionellen Ausgewogenheitsverpflichtung ihre Meinungen<br />

äußern können. Da Europa sich nicht in das bewährte Links-Rechts-Schema politischer<br />

Konflikte einordnen lässt, ist es offen, welche Position die <strong>Medien</strong> beziehen. Im<br />

Prinzip lassen sich zwei Optionen denken: Entweder folgen die <strong>Medien</strong> den Vorgaben<br />

der politischen Eliten, unter denen in Deutschland zum Thema Europa ein breiter Konsens<br />

quer durch alle parteipolitischen Gruppierungen herrscht; oder die <strong>Medien</strong> folgen<br />

der allgemeinen Bevölkerungsmeinung, die zwar immer noch mehrheitlich pro-Europa<br />

ist, aber in zunehmendem Maße von Skepsis und sogar Ablehnung geprägt ist.<br />

(3) Die letzte Dimension des <strong>Medien</strong>handelns betrifft Bewertungen politischer Akteure<br />

und ihrer Leistungen bei der Lösung aktueller Probleme. Bewertungen und Kri-<br />

3 Wir verwenden hier den Agenda-Setting-Begriff im weiten Sinne als Themenstrukturierungsfunktion<br />

der <strong>Medien</strong>. Damit sind in diesem Kontext keine spezifischen Wirkungsannahmen<br />

verbunden.<br />

4 Konzeptionell ist „Second-Level Agenda-Setting“ eng verwandt mit dem Framing-Ansatz, der<br />

ebenfalls die Kontextualisierung eines Sachverhalts durch die selektive Betonung bestimmter<br />

Aspekte beschreibt (Entman 1993; Nelson et al. 1997).<br />

256


Eilders / Voltmer · Zwischen Deutschland und Europa<br />

tik sind Teil der Rolle der <strong>Medien</strong> als „vierte Gewalt“ und ihrer Funktion, die Öffentlichkeit<br />

auf Probleme, Fehlverhalten politischer Entscheidungsträger oder als falsch erachtete<br />

Entscheidungen aufmerksam zu machen. Generelle Positionen zur europäischen<br />

Integration und spezifische Bewertungen konkreter Politik müssen nicht notwendigerweise<br />

übereinstimmen. So kann zum Beispiel eine unterstützende Position zur europäischen<br />

Integration durchaus mit Kritik am konkreten Kurs der Europapolitik einhergehen,<br />

wenn sie als zu halbherzig, verfehlt oder ineffizient angesehen wird.<br />

Damit operationalisieren wir die Europäisierung der nationalen Öffentlichkeit mit<br />

dem Grad der Sichtbarkeit Europas in den <strong>Medien</strong> und dem Umfang der Verknüpfungen,<br />

die zwischen den beiden Politik-Ebenen hergestellt werden. Zusätzlich werden mit<br />

der generellen Unterstützung der europäischen Integration sowie dem Ausmaß spezifischer<br />

Kritik aktueller politischer Leistungen europa-relevante Positionen der <strong>Medien</strong><br />

erfasst, die mögliche Erklärungen für die europa-politische Haltung der breiteren Öffentlichkeit<br />

darstellen. Insbesondere wollen wir die folgenden Fragen untersuchen:<br />

– Thematisierung: In welchem Maße wählen die untersuchten Printmedien europäische<br />

Themen und europäische Akteure für ihre Kommentare aus und statten sie auf<br />

diese Weise neben der aktuellen Nachrichtenagenda mit zusätzlicher Wichtigkeit<br />

aus? Ziehen die <strong>Medien</strong> Verbindungen zwischen Europa-Politik und anderen innenpolitischen<br />

Politikfeldern, um die Bedeutung Europas für die nationale Entwicklung<br />

zu demonstrieren?<br />

– Positionen: Welche generellen Präferenzen vertreten die deutschen Qualitätszeitungen<br />

hinsichtlich der europäischen Integration? Sind sie pro- oder anti-europäisch,<br />

und in welchem Maße ist dieses Thema zwischen den Zeitungen umstritten? Wie ausgeprägt<br />

ist der Konflikt bzw. Konsens zur europäischen Integration im Vergleich zu<br />

anderen Politikfeldern?<br />

– Bewertung: Wie bewerten die <strong>Medien</strong> europäische Institutionen und politische Akteure,<br />

und zwar sowohl europäische als auch deutsche Akteure, die aktiv am europäischen<br />

Entscheidungsprozess beteiligt sind? Fallen diese Bewertungen verglichen mit<br />

anderen Politikfeldern positiver oder negativer aus?<br />

4. Studiendesign<br />

Die hier vorgestellten empirischen Daten stammen aus einem größeren Projekt5 (vgl.<br />

Neidhardt/Eilders/Pfetsch 1998, Eilders/Lüter 1998) zum politischen Diskurs in den<br />

Kommentaren der deutschen Qualitätspresse. Für die vorliegende Analyse stützen wir<br />

uns auf einen Ausschnitt dieser Daten, der sich auf den europa-politischen <strong>Medien</strong>diskurs<br />

bezieht. Die EU-Politik stellt in der themenübergreifenden Untersuchung lediglich<br />

ein Politikfeld von vielen dar. Das Gesamtprojekt basiert auf einer Inhaltsanalyse<br />

von 8946 Kommentaren aus „Die Welt“, „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ), „Süddeutsche<br />

Zeitung“ (SZ), „Frankfurter Rundschau“ (FR) und der „tageszeitung“ (taz)<br />

zwischen 1994 und 1998. Kommentare ermöglichen einen gezielten und effizienten Zugriff<br />

auf die Gesamtheit der politischen Berichterstattung, da sich die Themen und Meinungen,<br />

die im Meinungsteil zur Sprache kommen, mit dem Inhalt des Nachrichtenteils<br />

decken (Hagen 1992; Schönbach 1977), und bieten somit eine gute Grundlage für eine<br />

5 Das Projekt „Die Stimme der <strong>Medien</strong> im politischen Prozess: Themen und Meinungen in Pressekommentaren“<br />

wurde von der DFG finanziert und war am Wissenschaftszentrum Berlin angesiedelt.<br />

257


M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />

Vermessung des publizistischen Meinungsspektrums zur Frage der europäischen Integration.<br />

Obwohl keine bedeutende Zeitung institutionelle Bindungen zu einer Partei aufweist,<br />

lassen sich auch im gegenwärtigen Pressesystem bestimmte, die Parteienstruktur<br />

widerspiegelnde politische Ideologien nachweisen. Das gilt insbesondere für die nationalen<br />

Qualitätszeitungen. Diese decken fast das gesamte politische Spektrum ab, angefangen<br />

bei der rechts-konservativ ausgerichteten „Welt“ bis hin zur „tageszeitung“ am<br />

linken Ende der Skala. Zwischen diesen beiden Polen liegen von rechts nach links die<br />

„Frankfurter Allgemeine“, die „Süddeutsche Zeitung“ und die „Frankfurter Rundschau“<br />

(Kepplinger 1985a; Hagen 1992; Donsbach/Wolling/Blomberg 1996).<br />

Um eine substanzielle Zeitspanne abzudecken, umfasst unsere Stichprobe die Jahre<br />

1994 bis 1998, wobei alle politischen Kommentare aus jeweils zwei Quartalen pro Jahr<br />

berücksichtigt werden. Für den größeren Projektkontext war es wichtig, Themenkarrieren<br />

über längere Zeitspannen auch zwischen den Zeitungen nachvollziehbar zu<br />

machen. Daher wurde größter Wert darauf gelegt, zusammenhängende Zeiträume zu erfassen<br />

6 . Untersucht wurden alle Kommentare des politischen Teils der Zeitungen, abgesehen<br />

von Kommentaren, die sich ausschließlich mit internationalen Nachrichten<br />

ohne Bezug zu Deutschland oder den einzelnen Mitgliedstaaten der EU beschäftigen.<br />

Anders als eine reine Einzelthemenstudie zu Europa erlaubt die themenübergreifende<br />

Anlage der Untersuchung einen Vergleich der Kommentierung europa-politischer und<br />

innenpolitischer Themen. Für jeden Kommentar konnten bis zu drei Themen, drei<br />

Positionen zu diesen Themen sowie vier Akteure kodiert werden. Es wurde ein detailliertes<br />

Kategorienschema entwickelt, das die folgenden Elemente abdeckt:<br />

– Themen: Das Codebuch enthält 45 Themenbereiche, eines davon europäische Integration,<br />

die jeweils in Unterthemen aufgeschlüsselt werden können (z. B. „Funktionsprobleme<br />

der EU“ und „EU-Erweiterung“).<br />

– Positionen: Um die allgemeine politische Position der Zeitungen hinsichtlich bestimmter<br />

Themengebiete zu erfassen, wurde ein Instrument verwendet, das in der<br />

Lage ist, die gesamte Bandbreite politischer Konflikte abzudecken (Voltmer 1997<br />

und 1998). Für jedes in den Kommentaren angesprochene politische Thema konnte<br />

eine von 16 bipolaren Konfliktdimensionen sowie die politische Präferenz (Zustimmung/Ablehnung)<br />

codiert werden. Für die Analyse der europäischen Integration<br />

werden wir uns auf lediglich zwei Konfliktdimensionen konzentrieren: Die Dimension<br />

„Partnerschaft vs. Abgrenzung“ bezieht sich auf die Grundhaltung in internationalen<br />

Beziehungen, wonach das nationale Interesse in Kooperation bzw.<br />

Konfrontation mit anderen Staaten verfolgt wird. Die Dimension „Supranationalität<br />

vs. Souveränität“ repräsentiert die Bereitschaft, Kompetenzen an überstaatliche<br />

Institutionen abzutreten bzw. die nationale Souveränität als oberstes Ziel zu verfolgen.<br />

– Akteure: Es wurden Einzel- und Kollektivakteure sowohl auf supranationaler als<br />

auch auf nationaler Ebene kodiert.<br />

– Bewertung: Die Bewertungen der Akteure durch den Kommentator wurden auf einer<br />

drei-stufigen Skala kodiert, die von positiver bis zu negativer Einschätzung reicht.<br />

Der mittlere Skalenwert bezeichnet ein ausgewogenes Verhältnis von positiven und<br />

negativen Wertungen in einem Kommentar.<br />

6 Anhand einer Vollerhebung der FAZ wurden mögliche Effekte der Auswahl der Stichprobenquartale<br />

kontrolliert. Es zeigte sich, dass keine systematischen Diskrepanzen zwischen Stichprobenquartalen<br />

und den nicht erfassten Quartalen vorlagen.<br />

258


Das Material wurde nach dreiwöchiger Schulung von einem siebenköpfigen Team am<br />

Wissenschaftszentrum Berlin codiert. Durch die Durchführung im Haus und die Arbeit<br />

in kopräsenten Teams wurde gewährleistet, dass die Codierung sorgfältig vorgenommen<br />

wurde und in Zweifelsfällen eine direkte Abstimmung mit anderen Codern oder der<br />

Projektleitung möglich war. Bei den inhaltlichen Variablen variierte die Reliabilität beträchtlich<br />

zwischen den einzelnen Variablen. Die Variablen aus dem Themenumfeld<br />

(Anlass, Themenfokus, Themen, Themenbehandlung) wurden mit 70- bis 80-prozentiger<br />

Übereinstimmung codiert 7 , was angesichts der sehr differenzierten Themenausprägungen<br />

ein beachtliches Ergebnis darstellt. Die ebenfalls stark ausdifferenzierten Akteursvariablen<br />

erzielten zwar ebenfalls Koeffizienten von zu bis 80 Prozent, die Reliabilität<br />

nahm jedoch mit der Strenge der Vergleichskriterien auf 50 Prozent ab. Die Positionsvariablen<br />

erreichten zwischen 50 und 60 Prozent Übereinstimmung und zeigten<br />

damit das schlechteste Ergebnis 8 . Insgesamt ergab sich über alle Variablen unter Ausschluss<br />

der Formalia ein Koeffizient zwischen 60 und 70 Prozent, was eine durchaus<br />

zufrieden stellende Codiererübereinstimmung darstellt.<br />

Unsere Analyse basiert auf einer europa-spezifischen Teilstichprobe, die 771 der<br />

8946 Kommentare der Gesamtstudie umfasst. Die ausgewählten Kommentare sprechen<br />

entweder Themen der Europa-Politik oder EU-Akteure an (siehe Tabelle 1).<br />

5. Ergebnisse<br />

Eilders / Voltmer · Zwischen Deutschland und Europa<br />

5.1 Thematisierung<br />

Der Grad der Europäisierung der <strong>Medien</strong>agenda wurde zum einen über die Anzahl der<br />

Bezugnahmen auf die supranationale Ebene, zum anderen über die Darstellung der Verflechtung<br />

zwischen europäischer und nationaler Politik erfasst. Unser Datenmaterial<br />

zeigt eine sehr geringe Repräsentation der supranationalen Ebene auf der deutschen <strong>Medien</strong>agenda.<br />

Während innenpolitische Themen sehr viel Beachtung erhielten, wurden<br />

europäische Themen nur 884 Mal erwähnt. Dies macht lediglich 5,6 Prozent aller Themennennungen<br />

in der Gesamtstichprobe aus und liegt deutlich unter den Themennennungen<br />

für die Außen- und Bündnispolitik. Ein Vergleich der Zeitungen unserer Stichprobe<br />

ergibt nur wenige Unterschiede bei der Thematisierung Europas. Dabei brachten<br />

Zeitungen des linken Spektrums Europa etwas mehr Aufmerksamkeit entgegen als die<br />

„Welt“ (siehe Tabelle 2). Angesichts des leichten Anstiegs der Europabezüge zwischen<br />

1994 und 19989 ist aber etwas Zuversicht erlaubt. Da die Aufmerksamkeit für Außenpolitik<br />

im gleichen Zeitraum stabil geblieben ist, kann die leichte Zunahme der EU-Be-<br />

7 Im Interesse einer möglichst großen Transparenz über die Qualität der Datengewinnung wurden<br />

mehrere Gesamtkoeffizienten berechnet, denen aufsteigend jeweils strengere Kriterien für<br />

eine reliable Codierung zugrunde lagen (für eine detailliertere Erläuterung vgl. Eilders/Lüter<br />

1998). Während sich die unterste Ebene auf die quantitativ erheblichen und in der Datenanalyse<br />

vorrangigen Variablen und Differenzierungs- bzw. Aggregationsniveaus bezieht, weist die<br />

oberste Ebene jeweils eine Prüfung aus, die auf jede Aggregation oder den Ausschluss bestimmter<br />

Subvariablen verzichtet. Hier wird also auf der ursprünglichen Ausprägungsebene geprüft.<br />

8 Die Unsicherheiten schienen hier allerdings weniger in der Frage zu bestehen, welcher Konflikt<br />

codiert werden sollte, als vielmehr darin, ob überhaupt einer der Konflikte vorlag.<br />

9 1994: 5,8%, 1995: 1,9%, 1996: 4,1%, 1997: 7,3%, 1998: 9%.<br />

259


M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />

Tabelle 1: Kommentare mit Europabezug: Die Darstellung von Themen und Akteuren<br />

(N = Anzahl der Kommentare)<br />

züge nicht durch ein allgemein gestiegenes Interesse an internationalen Beziehungen erklärt<br />

werden. Vielmehr scheint die Bedeutung supranationaler Politik stärker in das Bewusstsein<br />

der <strong>Medien</strong> gelangt zu sein.<br />

Aufmerksamkeit für die supranationale Ebene wurde im Wesentlichen durch die Unterthemen<br />

„Verschiedene Bereiche der Zusammenarbeit“, „Funktionsprobleme der<br />

EU“ und „EU-Erweiterung“ generiert (siehe Tabelle 3).<br />

260<br />

Mit EU-Thema Ohne EU-Thema<br />

N = 679 N = 8267<br />

Mit EU-Akteur (N = 470) 378 92<br />

4,2% 1%<br />

Ohne EU-Akteur (N = 8476) 301 8175<br />

3,4 % 91,4 %<br />

Tabelle 2: Thematisierung: Darstellung von EU-Politik im Vergleich zu Außen-, Bündnis-<br />

und nationaler Politik in Prozent<br />

(N = Anzahl der Themenbezüge)<br />

Politikfeld taz FR SZ FAZ Welt Gesamt<br />

EU-Politik<br />

(N = 884) 4,7 5,9 7,1 6,1 3,9 5,6<br />

Außen- und Bündnispolitik<br />

(N = 1533) 10,0 9,5 10,6 9,2 9,2 9,7<br />

Nationale Politik<br />

(N = 13473) 85,3 84,6 82,3 84,7 87,0 84,7<br />

Tabelle 3: Thematisierung: Darstellung von EU-Unterthemen<br />

(N = Anzahl der Themenbezüge)<br />

Unterthemen (N = 884) %<br />

Verschiedene Gebiete der Zusammenarbeit 33,1<br />

Funktionsprobleme der EU 15,6<br />

EU-Erweiterungen 10,1<br />

EU-Institutionen 7,6<br />

EU-Agrarpolitik 7,4<br />

EU-Politik allgemein 5,5<br />

Europäische Integration 4,1<br />

Finanzbeziehungen zur und innerhalb der EU 3,6<br />

Andere EU-Themen 12,4


EU-Akteure sind noch schwächer auf der <strong>Medien</strong>agenda repräsentiert als EU-Themen.<br />

EU-Akteure wurden 542 mal angesprochen, was lediglich 1,6 Prozent aller Akteursbezüge<br />

ausmacht. Mehr als die Hälfte davon betrifft die Europäische Union als<br />

Ganzes, weniger als ein Fünftel bezieht sich auf die Kommission und weniger als ein<br />

Zehntel auf das Europäische Parlament und den Ministerrat (siehe Tabelle 4). Auch hier<br />

zeigen sich nur geringe Unterschiede zwischen den Zeitungen mit geringfügig höherer<br />

Sichtbarkeit von EU-Akteuren in liberalen Blättern 10 . Parallel zur medialen Aufmerksamkeit<br />

für EU-Themen lässt sich auch für die EU-Akteure über die Jahre ein leichter<br />

Zuwachs verzeichnen 11 .<br />

Tabelle 4: Thematisierung: Darstellung von EU-Akteuren<br />

(N = Anzahl der Akteursbezüge)<br />

Eilders / Voltmer · Zwischen Deutschland und Europa<br />

EU-Akteure (N = 542) %<br />

Die EU als Ganzes 53,3<br />

Europäisches Parlament 6,5<br />

Ministerrat 6,6<br />

Kommission 18,8<br />

Gerichtshof 3,0<br />

Andere europäische Institutionen 11,8<br />

Die Einschätzung, ob Europa gemessen an seiner politischen Bedeutung auf der <strong>Medien</strong>agenda<br />

hinreichend berücksichtigt ist, kann nur unter Rückgriff auf Vergleichsdaten<br />

– etwa Befunde über andere Politikbereiche oder Länder, am besten aber Längsschnitt-<br />

Daten – vorgenommen werden. Mit der Untersuchung eines Zeitraums von lediglich<br />

fünf Jahren ist ein Zeitvergleich innerhalb unserer eigenen Studie wenig zielführend. Ein<br />

Vergleich mit den Anteilen der Europa-Bezüge in der Längsschnittanalyse von<br />

Gerhards kann jedoch Anhaltspunkte für eine Einschätzung der Angemessenheit des<br />

Europäisierungsgrades liefern. Gerhards hatte mit einer vergleichbaren Unterscheidung<br />

zwischen innenpolitischen, europäischen und internationalen Themen zwischen 1951<br />

und 1995 einen relativ stabilen Anteil von etwa sieben Prozent ermittelt (Gerhards<br />

2000). Unsere Befunde liegen auf ähnlich niedrigem Niveau und zeigen damit keine einschneidende<br />

Bedeutungszunahme der europäischen Ebene für die Zeit nach 1995. Das<br />

gilt auch für die Sichtbarkeit von EU-Akteuren. Hier ermittelte Gerhards Anteile um<br />

ein Prozent für Urheber von Stellungnahmen, die europäischen Institutionen zuzurechnen<br />

waren. In unserer Untersuchung wurden alle angesprochenen EU-Akteure<br />

berücksichtigt, auch wenn sie nicht Urheber, sondern Adressaten oder Betroffene waren,<br />

so dass sich etwas höhere Anteile ergeben. Insgesamt bestätigt sich jedoch hiermit<br />

auch für die Zeit nach 1995 der Befund, dass die Bedeutung von Europa in der Presse<br />

stagniert. Nachdem sich der Umfang der Europa-Bezüge seit den 50er Jahren weder<br />

nach unseren noch nach Gerhards’ Befunden erhöht hat, kann nicht von einem angemessenen<br />

Europäisierungsgrad der <strong>Medien</strong>agenda ausgegangen werden. Die Verlagerung<br />

von Herrschaft auf die supranationale Ebene hat sich im öffentlichen Diskurs nicht<br />

10 Die genauen Anteile der EU-Akteure betragen: taz 1,6%, FR 1,7%, SZ 2,3%, FAZ 1,4%, Welt<br />

1,3%.<br />

11 1,2%, 0,7%, 1,6%, 2,1%, 2,3%.<br />

261


M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />

niedergeschlagen. Vielmehr ist im Zuge der Europäisierung der politischen Entscheidungen<br />

ein Öffentlichkeitsdefizit entstanden, das möglicherweise zur Europaskepsis in<br />

Teilen der Bevölkerung beiträgt.<br />

Neben dem Umfang der Repräsentation Europas auf der nationalen <strong>Medien</strong>agenda<br />

hatten wir eingangs die Darstellung der Verflechtung zwischen der nationalen und supranationalen<br />

Ebene von Politik als Indikator für die Europäisierung politischer Kommunikation<br />

bestimmt. Obgleich die deutschen <strong>Medien</strong> in ihrer Funktion als Thematisierungsinstanz<br />

eine europäische Perspektive weitgehend vermissen lassen, finden sich<br />

im Hinblick auf „Second-Level Agenda-Setting“ Anzeichen für eine Europäisierung, da<br />

in europa-bezogenen Kommentaren in hohem Maß Verbindungen zwischen den beiden<br />

Ebenen der nationalen und der europäischen Politik hergestellt werden. 633 Kommentare<br />

beziehen Europa-Themen auf die nationale Politik, während in lediglich 47 Kommentaren<br />

europäische Themen ohne Bezug zum nationalen Kontext behandelt werden.<br />

Das Gleiche gilt für den Grad der in den Kommentaren zum Ausdruck kommenden<br />

Verflechtung der Akteursebenen. Alle 470 Kommentare mit EU-Akteuren setzen diese<br />

in Beziehung zu nationalen Akteuren. Der in den Kommentaren hergestellte Zusammenhang<br />

zwischen beiden Ebenen verweist auf die hohe Relevanz, die der nationalen<br />

Perspektive in europäischen Angelegenheiten zugewiesen wird.<br />

Die angesprochenen nationalen Politikfelder und Akteure in EU-Kommentaren zeigen,<br />

in welchem Maße die untersuchten <strong>Medien</strong> Europapolitik in den Kontext nationaler<br />

Politik stellen. Die nationalen Akteure in EU-Kommentaren umfassen Einzel- und<br />

Kollektivakteure der politischen Elite, insbesondere Kanzler Helmut Kohl, deutsche<br />

Ministerien sowie die Regierung allgemein (siehe Tabelle 5). Die Dominanz etablierter<br />

politischer Akteure in EU-Kommentaren zeigt, dass europäische Integration fast ausschließlich<br />

als Angelegenheit politischer Eliten dargestellt wird. Die Bürger machen weniger<br />

als sechs Prozent aller nationalen Akteursbezüge aus.<br />

Tabelle 5: Thematisierung: Darstellung ausgewählter nationaler Akteure in EU-Kommentaren<br />

(N = Anzahl der Akteursbezüge)<br />

Nationale Akteure (N = 1686) %<br />

Regierung 13,3<br />

Kanzler 16,6<br />

Minister/Ministerien 15,3<br />

Bürger 5,9<br />

Nationale thematische Bezüge in Kommentaren über EU-Politik waren Außenpolitik,<br />

Finanz-, Wirtschafts- und Haushaltspolitik, Migrations- und Umweltfragen (siehe Tabelle<br />

6). Die Verteilung nationaler Politikfelder in Kommentaren mit EU-Akteuren<br />

zeichnet ein sehr ähnliches Bild. In der Betonung der Außenpolitik kommt die Wahrnehmung<br />

einer starken Interdependenz zwischen EU-Politik und den bilateralen Beziehungen<br />

Deutschlands mit anderen Ländern zum Ausdruck. Die herausragende Stellung<br />

nationaler ökonomischer und finanzieller Belange in Kommentaren zu Europa<br />

spiegelt die Geschichte der Europäischen Union, die in erster Linie als gemeinsamer<br />

Wirtschaftsraum konzipiert war. Der deutliche Bezug, der zwischen Migrations- und<br />

Umweltpolitik und der EU hergestellt wird, unterstreicht die Tatsache, dass es sich hierbei<br />

um Probleme handelt, die nationale Grenzen überschreiten und deswegen auf nationaler<br />

Ebene nicht angemessen gelöst werden können.<br />

262


Eilders / Voltmer · Zwischen Deutschland und Europa<br />

Tabelle 6: Thematisierung: Kontextualisierung der EU-Themen mit ausgewählten Bereichen<br />

der nationalen Politik in Prozent<br />

(N = Anzahl der Themenbezüge)<br />

Nationale Politik In Kommentaren In Kommentaren<br />

mit EU-Thema mit EU-Akteuren<br />

N = 976 N = 734<br />

Außen- und Bündnispolitik 21,9 8,1<br />

Finanz- und Steuerpolitik 10,1 8,1<br />

Haushaltspolitik 4,8 3,4<br />

Wirtschaftspolitik und Wirtschaftsrecht 6,9 10,3<br />

Migrationspolitik 4,3 3,8<br />

Umweltpolitik 4,0 4,5<br />

Gesundheitspolitik 3,4 3,8<br />

Forschungspolitik 2,3 4,1<br />

<strong>Medien</strong>politik 1,7 3,4<br />

Die Analyse der Themen im medialen Europadiskurs zeigt, dass in der überwiegenden<br />

Mehrheit der Kommentare in der deutschen Qualitätspresse Europa als eigenständiger<br />

Themenbereich kaum in den Blick genommen wird. In den wenigen europa-bezogenen<br />

Kommentaren wird EU-Politik vielmehr fast durchgängig in engem Zusammenhang mit<br />

der nationalen Ebene dargestellt. Europa-Politik wird also nicht als unabhängig und losgelöst<br />

von der nationalen Arena dargestellt. Stattdessen thematisieren die Kommentare<br />

die möglichen Auswirkungen Europas auf die nationale Politik. Es kann angenommen<br />

werden, dass eine Europäisierung der öffentlichen Diskussion „durch die nationale Brille“<br />

eine mögliche Form ist, die Relevanz europäischer Politik in das öffentliche Bewusstsein<br />

zu bringen, da die Thematisierung Europas im nationalen Kontext dazu beiträgt,<br />

die supranationale Politik auf die unmittelbaren Lebensbedingungen der Bürger zu beziehen<br />

und es auf diese Weise greifbarer und verständlicher zu machen.<br />

5.2 Position<br />

Unser inhaltsanalytisches Instrument zur Erfassung der medialen Unterstützung für die<br />

europäische Integration konzeptualisiert politische Positionen als Präferenzen grundlegender<br />

Alternativen politischen Handelns. Die wichtigsten Alternativen hinsichtlich der<br />

Europäischen Union sind durch die Konfliktdimension „Supranationalität vs. Souveränität“<br />

markiert. Dieser Konflikt betrifft die Reichweite nationalstaatlicher Souveränitätsrechte<br />

und die Frage, inwieweit diese an supranationale Organisationen abgegeben<br />

werden sollten. Mehr als zwei Drittel aller EU-Kommentare beziehen sich auf diese<br />

Konfliktdimension. Die andere für unsere Fragestellung wichtige Konfliktdimension,<br />

„Partnerschaft vs. Abgrenzung“, die sich auf allgemeine Prinzipien internationaler Zusammenarbeit<br />

bezieht, macht fast ein Viertel unseres Untersuchungsmaterials aus. Insgesamt<br />

decken diese beiden Konflikte 91,7% aller politischen Auseinandersetzungen<br />

über Europa ab.<br />

Es zeigt sich ein stabiler und hoher Grad an Unterstützung für die Positionen „Supranationalität“<br />

und „Partnerschaft“. Die durchschnittliche Position in allen Zeitungen<br />

betrug 1,60, wobei „1“ die Positionen „Supranationalität“ und „Partnerschaft“ bezeichnet,<br />

„3“ „Souveränität“ und „Abgrenzung“ und „2“ die ambivalente Position zwischen<br />

den Alternativen (siehe Tabelle 7). Dieser Befund korrespondiert mit den Positionen<br />

263


M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />

zum Politikfeld der Außenpolitik (1,76) und bildet die insgesamt liberalere Einstellung<br />

der untersuchten Zeitungen in Themenbereichen ab, die die Beziehungen mit anderen<br />

Ländern berühren. Die einzelnen Zeitungen weisen kaum Unterschiede in der Stärkeihrer<br />

Unterstützung für europäische Integration auf. Dieser Befund unterscheidet sich<br />

deutlich von den Positionen, die diese Zeitungen in anderen Politikfeldern – die allerdings<br />

auf anderen Konfliktdimensionen angesiedelt sind – beziehen. Dort bietet sich ein<br />

weit weniger konsensuales Bild und insgesamt ein Übergewicht konservativer Positionen<br />

12 . Im Gegensatz zu vielen nationalen Politikfeldern lassen sich im Bereich der<br />

Außen- und Europapolitik demnach keine ausgeprägten Konfliktlinien zwischen linkem<br />

und rechtem publizistischen Spektrum feststellen.<br />

Tabelle 7: Position: Durchschnittliche allgemeine Präferenzen der Zeitungen<br />

zu EU-Politik und Außenpolitik<br />

(N = Anzahl der politischen Präferenzen für EU-Politik)<br />

(1 = Supranationalität und Partnerschaft, 3 = Souveränität und Abgrenzung)<br />

Politikfeld taz FR SZ FAZ Welt Gesamt<br />

EU-Politik (N = 759) 1,52 1,44 1,65 1,52 1,74 1,60<br />

Außenpolitik (N = 889) 1,86 1,95 1,69 1,72 1,69 1,76<br />

Die empirischen Befunde zeigen also, dass auch wenn die <strong>Medien</strong> der EU insgesamt nur<br />

wenig Bedeutung beimessen, europäische Integration sich durch einen hohen Grad an<br />

Konsens im <strong>Medien</strong>diskurs auszeichnet. Die in Meinungsumfragen beobachtete Europaskepsis<br />

lässt sich für die <strong>Medien</strong> nicht bestätigen. Allerdings ist kaum damit zu rechnen,<br />

dass die geringe mediale Präsenz Europas zu einem Anstieg der Unterstützung der<br />

europäischen Integration beim breiten Publikum führt. In seiner Studie zur politischen<br />

Meinungsbildung und der Bedeutung der Eliten als Meinungsführer stellt Zaller fest,<br />

dass die politisch interessierten Bevölkerungssegmente dazu neigen, sich der Elitenmeinung<br />

anzuschließen, während die weniger informierten Bevölkerungsteile insgesamt einen<br />

deutlich geringeren Unterstützungsgrad für die Politik der Eliten aufweisen (Zaller<br />

1992, 1994). Die medial vermittelten Einstellungen und Argumente der Eliten sind<br />

ihnen weitgehend unbekannt und können damit keine Orientierung für die eigene Meinungsbildung<br />

bieten. Nach Zaller überrascht es also nicht, dass das Projekt der<br />

europäischen Integration unter Bedingungen eines rudimentären Informationsflusses<br />

über Europa bei der breiteren Öffentlichkeit auf nur geringe Unterstützung stößt.<br />

Der Zusammenhang zwischen geringer Repräsentanz und niedriger Kontroverse legt<br />

die Vermutung nahe, dass das Fehlen einer europa-politischen Kontroverse im <strong>Medien</strong>system<br />

möglicherweise der Grund für die geringe Sichtbarkeit Europas auf der <strong>Medien</strong>agenda<br />

ist. Umfangreiche Analysen im größeren Projektzusammenhang haben allerdings<br />

gezeigt, dass die Themenhäufigkeit in den Kommentaren nicht vom Grad der Umstrittenheit<br />

eines Themas im <strong>Medien</strong>system abhängt (vgl. Abschlussbericht an die DFG:<br />

Neidhardt/Eilders/Pfetsch 2001). Man kann also weder davon ausgehen, dass das hohe<br />

Ausmaß an Konsonanz zum Europa-Thema zu einer geringen Beachtung Europas in<br />

den Kommentaren führt, noch davon, dass selten angesprochene Themen besonders<br />

12 Vgl. die durchschnittlichen Positionen zu anderen Politikbereichen in Eilders 2002.<br />

264


Eilders / Voltmer · Zwischen Deutschland und Europa<br />

konsonant bewertet werden. Die niedrige Repräsentanz Europas in den Kommentaren<br />

ist auch nicht das Resultat grundsätzlich unterschiedlicher Relevanzkriterien in Meinungs-<br />

und Nachrichtenteil 13 . Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Europa-Politik<br />

wegen ihrer langen Politikzyklen und dem Fehlen herausragender Persönlichkeiten der<br />

<strong>Medien</strong>logik insgesamt, also unabhängig vom Genre, kaum entspricht. Wenn also Europa<br />

in den Kommentaren nur in begrenztem Umfang angesprochen wird, ist das eine<br />

klare Prioritätenentscheidung gegen europa-politische Themen, die mit spezifischen,<br />

von der Nachrichtenberichterstattung abweichenden Kommentarkriterien nicht erklärt<br />

werden kann.<br />

5.3 Bewertung<br />

Entgegen der im Allgemeinen in Kommentaren wahrgenommenen Kontrollfunktion<br />

der <strong>Medien</strong> ergibt sich in dem hier untersuchten Material ein anderes Bild. EU-Kommentare<br />

zeichnen sich durch einen vergleichsweise neutralen und diagnostisch-analytischen<br />

Bewertungsstil aus. Während sich in der Gesamtstichprobe in mehr als drei<br />

Vierteln (75,5%) klar bewertende Stellungnahmen finden, weisen EU-Kommentare nur<br />

69,3 Prozent entsprechender Meinungsäußerungen auf. Im Vergleich zu anderen Themenbereichen<br />

halten sich die untersuchten Zeitungen in Bezug auf Europa mit bewertenden<br />

Stellungnahmen also eher zurück und versorgen ihr Publikum stärker mit Erklärungen<br />

und Prognosen. Zwar übertreffen – wie auch in der Gesamtstichprobe – die<br />

negativen Bewertungen die positiven, aber die Kommentare zu EU-Themen bleiben klar<br />

unter dem durchschnittlichen Kritikniveau (37,5% gegenüber 44,9%).<br />

Dies gilt auch für die Bewertung der EU-Akteure. Es kann kaum überraschen, dass<br />

die meisten Akteure negativ bewertet werden. EU-Akteure werden jedoch erstens vergleichsweise<br />

seltener Gegenstand von Bewertungen (49% gegenüber 61% bei den nationalen<br />

Akteuren), und wenn dies geschieht, dann werden sie insgesamt positiver bewertet<br />

als die Akteure in der nationalen Politik. Die durchschnittliche Bewertung der<br />

EU-Akteure lag bei 2,1 (wobei „1“ eine positive und „3“ eine negative Beurteilung<br />

anzeigt). Am positivsten wird der Europäische Gerichtshof bewertet (1,6), während die<br />

EU als Ganzes die meiste Kritik auf sich zieht (2,3) (siehe Tabelle 8). Dagegen liegt die<br />

Bewertung nationaler Akteure in EU-Kommentaren im Durchschnitt bei 2,3, wobei die<br />

am häufigsten genannten Akteure zwischen 2,2 (Bundeskanzler Kohl) und 2,4 (Ministerien<br />

und die Regierung) liegen. Bürger, die in der EU-Kommentierung nur eine<br />

untergeordnete Rolle spielen, werden fast ausschließlich in positivem Licht dargestellt<br />

(1,6) (siehe Tabelle 9). Wie auch bei den nationalen Akteuren bleibt die Bewertung der<br />

EU-Akteure über den Beobachtungszeitraum hinweg insgesamt relativ konstant14 .<br />

Im Gegensatz zur auffallend hohen und übereinstimmenden Unterstützung der<br />

europäischen Integration zeigen sich zwischen den Zeitungen klare Unterschiede bei der<br />

Bewertung der EU-Akteure. Linke Zeitungen sind deutlich kritischer als Blätter im<br />

13 Eine Evaluationsstudie zum Unterschied zwischen Meinungs- und Nachrichtenteil in überregionalen<br />

Zeitungen hat abgesehen von einer Überrepräsentation von polity- und politics-Themen<br />

im Gegensatz zu policy-Themen in den Kommentaren keine starken Abweichungen in der<br />

Themenverteilung zwischen den beiden Genres gezeigt (vgl. Abschlussbericht an die DFG:<br />

Neidhardt/Eilders/Pfetsch 2001).<br />

14 1994: 2,2; 1995: 2,9; 1996: 2,2; 1997: 2,1; 1998: 1,9.<br />

265


M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />

Tabelle 8: Bewertung: Bewertung von EU-Akteuren<br />

(N = Anzahl der Akteursbewertungen) (1 = positiv, 3 = negativ)<br />

EU-Akteure (N = 269) Bewertung<br />

EU als Ganzes (N = 132) 2,3<br />

Europäisches Parlament (N = 20) 2,2<br />

Ministerrat (N = 26) 2,2<br />

Kommission (N = 67) 2,1<br />

Gerichtshof (N = 10) 1,6<br />

Andere europäische Institutionen (N = 36) 1,8<br />

Tabelle 9: Bewertung: Bewertung ausgewählter nationaler Akteure<br />

in EU-Kommentaren<br />

(N = Anzahl der Akteursbewertungen) (1 = positiv, 3 = negativ)<br />

Nationale Akteure (N = 1087) Bewertung<br />

Regierung (N = 224) 2,4<br />

Kanzler (N = 280) 2,2<br />

Minister/Ministerien (N = 258) 2,4<br />

Bürger (N = 99) 1,6<br />

rechten Spektrum 15 . Dies ist – auf einem höheren Kritikniveau – auch bei der Bewertung<br />

nationaler Akteure zu beobachten 16 . Die einhellige Unterstützung für die europäische<br />

Integration als prinzipielles politisches Ziel übersetzt sich nicht in eine positive Beurteilung<br />

der in diesen Prozess involvierten politischen Akteure. Stattdessen zeichnet sich<br />

hier ein geteiltes, vom jeweiligen politischen Standort der Zeitungen abhängiges Meinungsbild<br />

ab. Die Kommentatoren unterscheiden zwischen der abstrakten Idee des Projekts<br />

Europa auf der einen und der konkreten Politik sowie der Leistung von Akteuren<br />

und Institutionen auf der anderen Seite.<br />

6. Schlussbetrachtung<br />

Je mehr die europäische Integration voranschreitet, desto mehr wird offenkundig, dass<br />

es dem europäischen Projekt an Offenheit und Öffentlichkeit und damit an Demokratie<br />

mangelt. Demokratie erfordert Transparenz, Kommunikation, Debatte, Rede und<br />

Widerrede – Qualitäten, die nur schwer, wenn überhaupt, auf transnationaler Ebene<br />

herzustellen sind. In diesem Beitrag haben wir argumentiert, dass die Abwesenheit einer<br />

‚idealen‘ pan-europäischen Öffentlichkeit jedoch nicht bedeutet, dass Europa nicht<br />

kommunizierbar ist. Das Konzept der Europäisierung der nationalen Öffentlichkeit<br />

verlagert europäische Öffentlichkeit vielmehr auf die Ebene der einzelnen Mitgliedstaaten,<br />

wo Informationen und Interpretationen europäischer Angelegenheiten im Kontext<br />

geteilter Werte und Erfahrungen kommuniziert werden können.<br />

In der hier vorgestellten empirischen Analyse haben wir untersucht, in welchem<br />

Maße die deutsche <strong>Medien</strong>agenda, repräsentiert durch die Kommentaragenda der fünf<br />

15 taz: 2,3; FR: 2,2; SZ: 2,3; FAZ: 1,9; Welt: 1,7.<br />

16 taz: 2,5; FR: 2,4; SZ: 2,2; FAZ: 2,2; Welt: 2,0.<br />

266


Eilders / Voltmer · Zwischen Deutschland und Europa<br />

überregionalen Qualitätszeitungen, europäisiert ist. Die Interpretation der Befunde<br />

wirft jedoch grundsätzlich die Frage nach dem zugrunde liegenden Bewertungsmaßstab<br />

auf. Was ist der objektive Wichtigkeitsgrad Europas im Vergleich zu anderen tagespolitischen<br />

Problemen, und wie viel Aufmerksamkeit für europa-politische Themen sollte<br />

man deswegen von den <strong>Medien</strong> erwarten? Vergleiche mit externen Längsschnittdaten<br />

haben uns bewogen, „das Glas“ als „halb leer“ anzusehen, da die Europäisierung der<br />

<strong>Medien</strong>agenda im Gegensatz zur Europäisierung der Politik seit den 50er Jahren nicht<br />

deutlich zugenommen hat. Ohne externe Daten zur Europäisierung der Politik, wie zum<br />

Beispiel die Anzahl der Gesetze auf europäischer im Vergleich zur nationalen Ebene,<br />

lässt sich die Angemessenheit des Europäisierungsgrades aber nicht mit letzter Verbindlichkeit<br />

beantworten. Die Bedeutung Europas in der medialen Darstellung lässt sich<br />

jedoch nicht nur am quantitativen Umfang der <strong>Medien</strong>aufmerksamkeit festmachen, sondern<br />

auch am Grad der Unterstützung für die europäische Integration. Zur Messung der<br />

Europäisierung der <strong>Medien</strong>öffentlichkeit haben wir deswegen nicht nur die Thematisierung<br />

Europas, sondern auch die Positionen der <strong>Medien</strong> und das Maß kritischer Kommentierung<br />

untersucht. Als interner Vergleichsmaßstab wurde dabei die Struktur der<br />

nicht-europabezogenen Kommentierung herangezogen. Im Folgenden sollen die wichtigsten<br />

Ergebnisse noch einmal kritisch reflektiert werden.<br />

Insgesamt ergaben die Ergebnisse unserer empirischen Analyse ein geteiltes Bild. Es<br />

zeigte sich, dass Europa nur einen kleinen Teil der <strong>Medien</strong>agenda ausmacht. Im Vergleich<br />

zu anderen Politikfeldern und vor dem Hintergrund der wachsenden Bedeutung<br />

europäischer Entscheidungen kann die Rolle Europas in der <strong>Medien</strong>öffentlichkeit als<br />

marginal angesehen werden. Die Europäisierung der Öffentlichkeit findet weitgehend<br />

in der Form einer Verknüpfung europa-politischer Themen mit innenpolitischen Problemen<br />

statt. Europa wird also vorwiegend durch die nationale Brille hindurch betrachtet.<br />

Damit muss die Debatte nicht zwingend von nationalen Egoismen bestimmt werden.<br />

Vielmehr eignet sich die nationale Perspektive dazu, die möglichen Konsequenzen<br />

der EU-Politik für das Leben des Publikums zu verdeutlichen. Obgleich also die „quantitative“<br />

Europäisierung der Verlagerung von Herrschaft auf die supranationale Ebene<br />

hinterherhinkt, lassen sich positive Ansätze erkennen, dem Publikum die Relevanz Europas<br />

näher zu bringen.<br />

Fragt man nach möglichen Gründen der Marginalisierung Europas im öffentlichen<br />

Diskurs, wird deutlich, dass die Beschaffenheit europa-politischer Themen und die<br />

Struktur europäischer Entscheidungsprozesse der <strong>Medien</strong>logik diametral entgegenstehen.<br />

Es sind aber auch die politischen Akteure selbst, die einer weiter gehenden Europäisierung<br />

der Öffentlichkeit entgegenwirken. Nur auf der Basis einer stetigen Versorgung<br />

mit relevanter und verlässlicher Information durch die europa-politischen Akteure<br />

können die <strong>Medien</strong> im öffentlichen Diskurs eine europäische Agenda überhaupt<br />

etablieren. Aufgrund institutioneller Zwänge und tagespolitischer Machtstrategien meiden<br />

politische Eliten jedoch die öffentliche Diskussion europäischer Themen. Die allgemeine<br />

Überzeugung ist, dass man mit Europa keine Wahlen gewinnen kann; ohne<br />

Transparenz und Öffentlichkeit lässt sich aber auch Europa nicht gewinnen.<br />

Die relativ geringe Aufmerksamkeit gegenüber europäischen Themen geht jedoch<br />

mit einem hohen Maß an Unterstützung für die europäische Integration einher, die die<br />

üblichen Konfliktlinien entlang des politisch-ideologischen Links-Rechts-Schemas ausschaltet.<br />

Sowohl linke als auch konservative Zeitungen zeigten starke und überraschend<br />

einhellige Unterstützung für die europäische Integration. Gleichzeitig wurde bei der Bewertung<br />

der Akteure, insbesondere der nationalen Politiker, die in der Europa-Politik<br />

mitwirken, deutlich vernehmbare Kritik geäußert. Hier zeigten sich dann auch die klas-<br />

267


M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />

sischen Links-Rechts-Differenzen zwischen den Zeitungen, wobei die Kommentare linker<br />

Blätter deutlich kritischer ausfielen als diejenigen im konservativen Spektrum. Dies<br />

ist sicherlich darauf zurückzuführen, dass während des Untersuchungszeitraums mit<br />

Bundeskanzler Helmut Kohl ein konservativer Regierungschef für die Europapolitik<br />

zuständig war.<br />

Die Diskrepanz zwischen der positiven Haltung gegenüber der europäischen Integration<br />

und der negativen Bewertung der tatsächlichen Leistungen der einschlägigen Politiker<br />

und Institutionen kann der Rolle der <strong>Medien</strong> als „loyale Opposition“ Europas<br />

zugeschrieben werden – eine Rolle, die innerhalb der nationalen Arena hinreichend bekannt<br />

ist. Während die <strong>Medien</strong> die etablierte institutionelle Ordnung und ihre Grundwerte<br />

unterstützen, nehmen sie eine kritische, oftmals ablehnende Haltung ein, wenn es<br />

um die aktuelle Politikgestaltung geht. Aus normativer Perspektive kann dies als ein positiver<br />

Beitrag zum politischen Prozess betrachtet werden, da sich die <strong>Medien</strong> damit aktiv<br />

als Kritiker und Kontrolleure profilieren und die Rolle der „vierten Gewalt“ ausfüllen.<br />

Kritische Stellungnahmen sind somit keineswegs eine Bedrohung für das europäische<br />

Projekt. Vielmehr können sie zur Legitimation und Responsivität des europäischen<br />

Politikprozesses beitragen, indem sie die Diskussion möglicher Alternativen initiieren<br />

und Politiker zur öffentlichen Rechtfertigung ihrer Entscheidungen zwingen.<br />

Was normativen Erwartungen entspricht, muss in der Praxis noch lange nicht funktionieren.<br />

Offenbar wächst die Kluft zwischen politischen Eliten und <strong>Medien</strong>, insbesondere<br />

der nationalen Qualitätspresse, auf der einen Seite und der breiten Öffentlichkeit<br />

auf der anderen Seite. Während bei aller Kritik zwischen den Qualitätszeitungen<br />

und den politischen Eliten offenbar ein hoher Grad an Konsens im Hinblick auf die<br />

prinzipielle Wünschbarkeit weiter gehender europäischer Integration herrscht, wächst<br />

in der breiten Bevölkerung das Unbehagen, und es stellt sich die Frage, ob dieses an anderer<br />

Stelle des <strong>Medien</strong>systems, beispielsweise in der Boulevardpresse mit ihrer stärker<br />

populistischen Ausrichtung, artikuliert wird. Hier stößt die vorliegende Studie mit ihrer<br />

Beschränkung auf Qualitätszeitungen notgedrungen an ihre Grenzen, und es bleibt<br />

künftiger Forschung überlassen, dieser wichtigen Differenzierung der Europäisierung<br />

nationaler Öffentlichkeit weiter nachzugehen.<br />

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270


Eurovision Song Contest – beeinflussen Nachrichtenfaktoren<br />

die Punktvergabe durch das Publikum?<br />

Wolfgang Schweiger / Hans-Bernd Brosius<br />

Seit 1998 werden die Punkte beim Eurovision Song Contest (Grand Prix Eurovision,<br />

ESC) durch die TV-Zuschauer per Telefon vergeben. Wir gehen davon aus, dass die Qualität<br />

eines Stückes der zentrale Erklärfaktor für seinen Erfolg ist. Die verbleibende Varianz<br />

ist aus kommunikations<strong>wissenschaft</strong>licher Sicht allerdings interessanter. Sie erklärt<br />

sich aus mindestens drei Faktorengruppen: (1) Eigenschaften des entsendenden Staates,<br />

(2) Beziehungen zwischen Bewerter-Land und bewertetem Land und (3) formale Eigenschaften<br />

des Stückes und seiner Interpreten. Die beiden ersten Faktorengruppen verweisen<br />

auf Variablen, die man als Nachrichtenfaktoren aus der Nachrichtenwerttheorie<br />

kennt. Während das Konzept bislang ausschließlich zur Erklärung journalistischer Nachrichtenauswahl<br />

und für die Nachrichtenselektion bei Rezipienten eingesetzt wurde, versuchen<br />

wir, Nachrichtenfaktoren zur Erklärung der vergebenen Punkte beim ESC – und<br />

damit des Publikumsverhaltens – zu nutzen. Es ergeben sich drei Hypothesen, die der<br />

Beitrag für die Wettbewerbe 1998 bis 2002 empirisch überprüft. H1: Je höher der politische,<br />

wirtschaftliche und kulturelle Status eines Teilnehmerstaats ist, desto mehr Punkte<br />

bekommen seine Beiträge. H2: Je näher sich Teilnehmerstaaten politisch, wirtschaftlich,<br />

kulturell und geografisch sind, desto mehr Punkte geben sich die Zuschauer gegenseitig.<br />

H3: Beiträge von so genannten Next-Door-Giants bekommen von ihren (kleineren)<br />

Nachbarn weniger Punkte, als ihnen von ihrem Status her zustünden. Wie die erhobenen<br />

Daten zeigen, lassen sich alle drei Hypothesen unterschiedlich klar bestätigen.<br />

Keywords: Nachrichtenwertforschung, Eurovision Song Contest, Televoting,<br />

Entscheidungstheorie, Schematheorie, Heuristiken, internationale Kommunikation,<br />

Europa, European Broadcasting Union, Musik<br />

1. Einleitung<br />

Auf den ersten Blick mag die <strong>wissenschaft</strong>liche Beschäftigung mit dem „Grand Prix Eurovision<br />

de la Chanson“– neuerdings „Eurovision Song Contest“ (ESC) genannt – als<br />

einem Schlagerwettbewerb überraschen. Auf den zweiten Blick jedoch erweist sich das<br />

alljährliche europäische TV-Spektakel als ein geradezu idealer Aufhänger für verschiedenste<br />

Überlegungen über die internationale Bedeutung der <strong>Medien</strong>. Dies sei an zwei<br />

Stichworten erläutert:<br />

Seit den 70er Jahren wird heftig über so genannte „internationale Nachrichtenströme“<br />

debattiert. In diesem Zusammenhang geht es um die Beobachtung, dass weltweite<br />

Auslandsberichterstattung in der Regel die politisch, wirtschaftlich und kulturell dominierenden<br />

Staaten der westlichen Welt – allen voran die USA – bevorzugt. Entwicklungs-<br />

und Schwellenländer hingegen kommen kaum vor. 1 Der Grand Prix hingegen ist<br />

eine der wenigen Gelegenheiten, bei der alle europäischen Staaten gleichberechtigt die<br />

1 Vgl. u. a. Sreberny-Mohammadi (1984), Stevenson & Shaw (1984), Stevenson (1994), Kim &<br />

Barnett (1996) sowie den Überblick bei Kunczik & Zipfel (2001: 421ff.).<br />

271


M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />

Gelegenheit erhalten, sich auf einem weithin beachteten Podium darzustellen. Unter<br />

dem Schlagwort des „Kulturimperialismus“ wird zuweilen die nivellierende Wirkung<br />

der globalisierten Massenmedien, allen voran durch US-amerikanische TV-Produktionen,<br />

beklagt (vgl. einführend McQuail 2000: 221–224). Der Grand Prix als europäisches<br />

Podium dagegen könnte den politisch, kulturell und wirtschaftlich immer noch recht heterogenen<br />

Staaten Europas zu einer gewissen pan-europäischen Identität verhelfen.<br />

Während bis 1997 üblicherweise nationale Jurys die Punkte vergaben und diese von<br />

den teilnehmenden Rundfunkanstalten ohne Publikumsbeteiligung besetzt wurden,<br />

wird seit 1998 in fast allen Ländern das Televoting-System eingesetzt. Hierbei entscheiden<br />

ausschließlich die TV-Zuschauer in den Teilnehmerländern per Telefon über die<br />

Punktvergaben. Die Zuschauer jedes Landes geben allen anderen teilnehmenden Ländern<br />

Punkte für die Schlagerstücke. Die vergebenen Punkte sind nicht nur ein Gradmesser<br />

für das Gefallen der Stücke beim Publikum. Eine wesentliche Rolle spielen vermutlich<br />

auch verschiedene Eigenschaften der entsendenden Staaten und Sympathien<br />

bzw. Antipathien zwischen den Zuschauern der Teilnehmerländer.<br />

Deshalb verwundert es nicht, dass jedes Jahr die Wellen hochschlagen, wenn es um<br />

die Punktwertungen und die Ermittlung des Siegers geht. Zwar besteht die Idee der Veranstaltung<br />

in einem fairen Wettstreit zwischen Komponisten, Liedern oder Interpreten<br />

aus unterschiedlichen europäischen – und im Falle Israels außereuropäischen – Ländern.<br />

Dass dieser Wettbewerb jedoch auch ein Wettbewerb zwischen den jeweiligen Staaten,<br />

Völkern oder Regierungen ist, illustriert der Beitrag einer Österreicherin namens „Claudia<br />

(42)“ nach dem Wettbewerb 2002 in einem Online-Diskussionsforum: „Österreich<br />

wird immer verlieren. (…) Da es sich bei diesem Bewerb und (sic!) den reinen Ausdruck<br />

wirtschaftlicher und politischer Sympatien (sic!) handelt und nicht die wirkliche Leistung<br />

der Interpreten bewertet wird, sollte sich Österreich überlegen, überhaupt von diesem<br />

Bewerb zurückzutreten. (…) Gerade jetzt, wo unser lieber Jörg Haider immer wieder<br />

gekonnt dazu beiträgt, Österreich im Ausland unbeliebt zu machen, ist jede Teilnahme<br />

mit großen Erwartungshaltungen sinnlos – egal wie gut die Vertreter Österreichs<br />

sein mögen.“ (forum.webtropia.com; 27.05.2002).<br />

Hier setzt die vorliegende Studie an. Insgesamt erklärt sich die erhaltene Punktzahl<br />

aus mindestens drei Faktorengruppen:<br />

1. Formale und ästhetische Eigenschaften des Stücks (Stil, Tempo, Sprache usw.) und<br />

seiner Interpreten (Geschlecht, Art der Formation, Hautfarbe usw.);<br />

2. Eigenschaften des bewerteten Staats (Beliebtheit, politische, kulturelle oder wirtschaftliche<br />

Bedeutung usw.);<br />

3. Beziehungen zwischen Bewerter-Land und bewertetem Land (geografische, politische<br />

oder kulturelle Nähe, wirtschaftlicher Austausch).<br />

Wir gehen zunächst davon aus, dass das allgemeine Gefallen bzw. die vom Publikum<br />

wahrgenommene Qualität eines Stücks der wichtigste Erklärfaktor für seinen Erfolg<br />

oder Misserfolg beim Wettbewerb ist. 2 Die verbleibende Varianz der abhängigen Variable<br />

„erhaltene Punkte eines Stücks“ ist allerdings aus kommunikations<strong>wissenschaft</strong>licher<br />

Sicht interessanter. Eine quantitative Analyse dieser und anderer Daten in Verbindung<br />

mit den vergebenen Punkten in den letzten fünf Wettbewerbsjahren, also denjenigen<br />

mit Televoting, kann Aussagen zu den Beziehungen zwischen den Publika in den<br />

jeweiligen Ländern Europas erlauben.<br />

2 Vgl. hierzu die niederländische Studie von Haan et al. (2002).<br />

272


Schweiger / Brosius · Eurovision Song Contest<br />

Aus theoretischer Sicht wollen wir uns mit einer weiteren Frage befassen: Die beiden<br />

Faktorenbündel „Eigenschaften von Staaten“ und „Beziehungen zwischen Staaten“ verweisen<br />

auf Variablen, die man als Nachrichtenfaktoren aus der Nachrichtenwerttheorie<br />

kennt, wie z. B. Elite-Nation oder geografische Nähe. Nachrichtenfaktoren wurden in<br />

der Forschung zur journalistischen Nachrichtenauswahl bekanntlich als Indikatoren für<br />

die journalistische Publikationswürdigkeit von Ereignissen identifiziert. 3 Während das<br />

Konzept der Nachrichtenfaktoren bislang ausschließlich zur Erklärung journalistischer<br />

Nachrichtenauswahl und für die Nachrichtenselektion bei Rezipienten (vgl. Eilders<br />

1997, Eilders & Wirth 1999) eingesetzt wurde, gehen wir einen Schritt weiter. Wir versuchen,<br />

Nachrichtenfaktoren – soweit anwendbar – zur Erklärung der vergebenen<br />

Punkte beim Grand Prix zu nutzen.<br />

2. Bedeutung und Geschichte des Eurovision Song Contest<br />

Der ESC ist seit jeher ein reichweitenstarkes Fernsehereignis. 2002 sahen in Europa mindestens<br />

166 Millionen Zuschauer zu4 . In vielen europäischen Staaten erreichte die Live-<br />

Übertragung hohe TV-Marktanteile, so z. B. in Dänemark 40,4 Prozent, Schweden 39,1<br />

Prozent oder Spanien 32,5 Prozent. In Estland, dem austragenden Staat, sah gar jeder<br />

Zweite zu. 5 Auch im deutschsprachigen Raum ist die Popularität des ESC ungebrochen.<br />

Während in der Schweiz der Marktanteil der Sendung 2002 40,6 Prozent erreichte6 ,<br />

sahen in Deutschland knappe zehn Millionen zu (38,2 Prozent) 7 .<br />

Der Ursprung der Veranstaltung reicht in die Nachkriegszeit zurück. Im Jahr 1950<br />

gründeten mehrere westeuropäische – staatliche und öffentlich-rechtliche – Rundfunkanstalten<br />

die „Union Européenne de Radio-Television“ (UER bzw. EBU) 8 mit Sitz in<br />

Genf (vgl. Herrmann 1994: 395f. sowie www.ebu.ch). Eine wesentliche Dienstleistung<br />

der EBU für ihre Mitglieder war von Anfang an die „Eurovision“, ein technisches und<br />

logistisches Übertragungsnetzwerk für Rundfunkinhalte aus den Bereichen Sport,<br />

Nachrichten und Kultur. Der erste Höhepunkt in der Geschichte der Eurovision war<br />

die Übertragung der Fußball-Weltmeisterschaft von 1954 in der Schweiz. Aufgrund des<br />

großen Erfolges entschied man, jedes Jahr eine ähnlich große kulturelle Veranstaltung<br />

zu organisieren. 1955 wurde daraufhin ein europäischer Schlagerwettbewerb beschlossen.<br />

Beim ersten Grand Prix Eurovision 1956 in Lugano, also wiederum in der Schweiz,<br />

nahmen sieben Länder teil (Belgien, Frankreich, Italien, Luxemburg, Niederlande,<br />

Schweiz, BR Deutschland). Sieger dieses ersten Wettbewerbes war die Schweizerin Lys<br />

Assia mit dem Stück „Refrain“.<br />

Das offizielle Ziel der Veranstaltung lautete: „to stimulate the output of original<br />

songs of high quality in the field of popular music, by encouraging compositions among<br />

3 Vgl. die „Klassiker“ Östgaard (1965), Rosengren (1974), Galtung & Ruge (1974), Schulz (1990);<br />

Staab (1990); aktuelle Beiträge: Hagen (1998), Kepplinger (1998), Kepplinger & Rouwen (2000),<br />

Best (2000).<br />

4 Die Daten entstammen einer Studie des estnischen Meinungsforschungsinstitutes Emor; zit.<br />

nach http://www.eurovisionsongcontest.de (24.06.2002).<br />

5 Vgl. http://www.emor.ee/eng/arhiiv.html?id=914 (17.01.2003).<br />

6 Vgl. http://www.srg.ch/de/media_data/de_mediadata.html (17.01.2003).<br />

7 Vgl. http://www.br-online.de/br-intern/medienforschung/aktuell/ard/ard020525.html<br />

(17.01.2003).<br />

8 Mittlerweile ist die englische Variante „European Broadcasting Union“ (EBU) gebräuchlicher.<br />

273


M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />

authors and composers through the international comparison of their work“ (Reglement<br />

der EBU, zit. nach Moser 1999: 16f.). Neben rein kommerziellen Interessen der<br />

EBU und der sie tragenden nationalen Rundfunkanstalten stand damals der Gedanke<br />

europäischer Annäherung auf kultureller Ebene im Mittelpunkt. Ein gemeinsamer Musikwettbewerb<br />

sollte die tiefen Gräben zwischen den ehemaligen Kriegskontrahenten in<br />

Europa überwinden helfen.<br />

Besonders einem Land mit schwieriger Vergangenheit wie Deutschland musste daran<br />

gelegen sein, sich als sangesfreudiges, friedliches und freundschaftliches Land darzustellen.<br />

Der ESC war somit nicht nur eine Bühne, auf der sich die jeweiligen Komponisten,<br />

Texter und Interpreten präsentieren konnten; er ermöglichte vielmehr nationale<br />

Öffentlichkeitsarbeit auf einem europäischen Parkett. Dass es weniger um die teilnehmenden<br />

Personen, sondern eher um die entsendenden Staaten ging und geht, unterstreicht<br />

das Bewertungssystem, bei dem sich Länder, vertreten durch Künstler auf der<br />

einen Seite und nationale Jurys bzw. Redaktionen der mitveranstaltenden Rundfunkhäuser<br />

auf der anderen, gegenseitig Punkte geben.<br />

Der ESC ist bis heute ein kulturelles Forum der nationalen Selbstdarstellung. Besonders<br />

für kleine und relativ unbekannte Länder, wie beispielsweise Malta oder die baltischen<br />

Staaten, ist die Veranstaltung mit ihrer weiten öffentlichen Beachtung in Europa<br />

von immenser Bedeutung. Dasselbe gilt für zukünftige EU-Mitglieder und Mitgliedschaftsanwärter,<br />

wie z. B. Polen, Slowenien, Rumänien, Bulgarien oder die Türkei, denen<br />

die Veranstaltung die Möglichkeit eröffnet, Sympathien bei den bisherigen EU-Bürgern<br />

und ihren Repräsentanten zu gewinnen. Das gilt besonders auch für das jeweilige Gastgeberland,<br />

wie der Wettbewerb 2003 in Riga (Lettland) eindrucksvoll demonstrierte.<br />

Dass der europäische Einigungs- und Erweiterungsprozess der letzten Jahrzehnte<br />

nicht nur auf politischer, ökonomischer und institutioneller Ebene geführt werden<br />

kann, sondern auch gemeinsamer Identifikationsobjekte und -figuren bedarf, ist allgemeiner<br />

Konsens (vgl. etwa Späth & Henzler 2001). Hier ist es eine Aufgabe der Kulturveranstaltung<br />

ESC, eine europäische Musikidentität – natürlich in all ihrer Verschiedenheit<br />

– zu schaffen, welche bei den beteiligten Völkern ein Zusammengehörigkeitsgefühl<br />

erzeugt. So sehen das auch die Fans. Uecker (1998: 80) schreibt: „Der Grand Prix<br />

Eurovision de la Chanson war schon ein völkerverbindendes Kult-Ereignis, als dieser<br />

Begriff noch nicht wie ein marktstrategisches Gütesiegel inflationär jedem Zeitgeist-<br />

Phänomen aufgeklebt wurde.“<br />

Natürlich können die Abstimmungsergebnisse keinesfalls für sich beanspruchen, ein<br />

repräsentatives Abbild der jeweiligen öffentlichen Meinung zu sein, denn schließlich ist<br />

die Teilnahme beim Voting freiwillig – Stichwort: Selbstselektion – und der Anruf sogar<br />

kostenpflichtig, so dass die nationalen Bevölkerungsstichproben systematisch verzerrt<br />

sind. Diese Verzerrungen sollten jedoch in allen Ländern in etwa gleich und nach<br />

den selben Gesetzmäßigkeiten entstanden sein, so dass ein Ländervergleich der nationalen<br />

Abstimmungsergebnisse durchaus – mit Abstrichen – aussagekräftige Daten zu<br />

Tage fördern kann.<br />

Wie bereits erwähnt, blieb die Veranstaltung seit 46 Jahren im Kern unverändert.<br />

Dennoch gab es in den vergangenen Jahren Änderungen in den Teilnahmebedingungen,<br />

im Reglement, in der Zusammensetzung der Jury und im Abstimmungsmodus (vgl. European<br />

Broadcasting Union 2001). Diese muss man zur Kenntnis nehmen, wenn man<br />

sich mit den jeweiligen Abstimmungsergebnissen befassen will. Beispielsweise wurde<br />

eine frühere Regelung, derzufolge jeder Interpret in seiner Landessprache singen musste,<br />

1999 wieder rückgängig gemacht. Entsprechend wurden 1998 gerade einmal drei<br />

Stücke auf Englisch dargeboten, während im Jahr 2002 immerhin 19 der 24 Beiträge eng-<br />

274


Schweiger / Brosius · Eurovision Song Contest<br />

lischsprachig waren. Um das Publikumsinteresse am ESC zu steigern, wurde 1998 das<br />

„Televoting“-System eingeführt.<br />

Das Reglement der EBU 9 enthält hierzu recht allgemein gehaltene Vorschriften: Jedes<br />

Land muss bei der Punktvergabe entweder hälftig eine Jury- und Televoting-Entscheidung<br />

oder aber eine ausschließliche Televoting-Entscheidung verwenden. Alle Anrufe<br />

müssen die gleiche Chance haben, durchgestellt zu werden, und gleich viel kosten.<br />

Nach welchen konkreten Modalitäten das Televoting-Verfahren stattfindet, ist den Länderanstalten<br />

freigestellt, solange sie über ausreichende Televoting-Erfahrungen verfügen,<br />

was bei Anstalten in kleinen Ländern oder ehemaligen Ostblockländern durchaus<br />

nicht selbstverständlich ist. In den letzten fünf Jahren wurden fast alle nationalen Entscheidungen<br />

per Televoting ermittelt – Daten von offizieller Seite gibt es hierzu jedoch<br />

keine. Dabei können die TV-Zuschauer nur für ein einziges „Lieblingslied“ stimmen,<br />

eine Rangliste kann nicht an die nationale Jury übermittelt werden. Das Lied mit den<br />

meisten Anrufen in einem Land bekommt von dessen Jury zwölf Punkte, das zweitbeliebteste<br />

Stück zehn Punkte; danach geht es mit Einerschritten weiter, so dass das Lied<br />

auf Platz elf noch einen Punkt bekommt. Alle anderen Beiträge gehen leer aus.<br />

In diesem Zusammenhang steht auch die alljährliche Diskussion um die Punktvergaben.<br />

Dabei wird oftmals gemutmaßt, nationale oder kulturelle Sympathien spielten eine<br />

größere Rolle als die künstlerische Qualität der Interpreten und Stücke. Politisch eng<br />

verbundene oder befreundete Länder wie Zypern und Griechenland, südosteuropäische<br />

oder skandinavische Länder würden sich gegenseitig mit Punkten überhäufen; nur im<br />

deutschsprachigen Raum helfe man sich nicht gegenseitig – so die allgemeine Wahrnehmung<br />

(vgl. Schneider 1998: 123). Außerdem würden in Deutschland lebende Türken<br />

eher für die Türkei stimmen (vgl. Müller 1998: 120).<br />

3. Punktvergaben und mögliche Einflussfaktoren<br />

Wie bereits angesprochen, wollen wir bei unserem Versuch, die vergebenen Punkte beim<br />

ESC anhand einer Reihe unabhängiger Variablen zu erklären, die – wie auch immer zu<br />

bestimmende – Qualität der Beiträge und ihrer Interpreten als unerklärte Streuung betrachten<br />

und aus der Analyse herauslassen. Uns geht es nicht um eine Bewertung musikalischer<br />

oder künstlerischer Kategorien, und bekanntlich kann man über Geschmack<br />

nicht streiten. Im Gegensatz zur Qualität lassen sich einige formale Stück- (Stil, Tempo,<br />

Textinhalt, Sprache usw.) und Interpreteneigenschaften (Geschlecht, Art der Formation,<br />

Hautfarbe, Kleidung usw.) problemlos bestimmen. Diese Kategorien sollen in der<br />

Analyse ausschließlich als Kontrollvariablen Verwendung finden; theoretische Überlegungen<br />

zu etwaigen Effekten formaler Einflüsse stellen wir deshalb nicht an.<br />

Uns geht es in erster Linie um die Überprüfung der Annahme, dass Nachrichtenfaktoren<br />

von Ereignissen und Akteuren nicht nur für die journalistische Nachrichtenselektion<br />

von Relevanz sind, sondern dass Nachrichtenfaktoren, soweit sie sich auf Staaten<br />

beziehen, auch beeinflussen, welche Aufmerksamkeit und Bewertung Fernsehzuschauer<br />

einzelnen Beiträgen zukommen lassen. Dahinter steckt, wie bereits bei Eilders (1997),<br />

die Überlegung, dass Nachrichtenfaktoren auf Kommunikator- und Publikumsseite in<br />

verschiedenen Bereichen interessen-, einstellungs- und handlungsleitend sein können.<br />

Im zu untersuchenden Fall geht es nicht (nur) um Nachrichtenfaktoren als Bedürfnis-<br />

9 Vgl. http://www.ebu.ch/tv-cec_2002_rules.pdf (03.05.2002).<br />

275


M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />

kategorie auf Nutzerseite, sondern um ihre Auswirkungen auf die Rezeption von ESC-<br />

Beiträgen, auf Publikumseinstellungen und letztlich auf das Abstimmungsverhalten bei<br />

europäischen Zuschauern.<br />

Bereits die „Pioniere“ der Nachrichtenwerttheorie, Galtung & Ruge, fassten Nachrichtenfaktoren<br />

nicht als spezifisch journalistische Kategorie auf, sondern als „commonsense<br />

perception psychology“ (1974: 63), ohne jedoch auf die wahrnehmungspsychologischen<br />

Grundlagen weiter einzugehen. Der angenommene Mechanismus sieht im Bereich<br />

journalistischer Nachrichtenauswahl etwa folgendermaßen aus: Journalisten sind<br />

bemüht, aus der riesigen Fülle von eingehenden Nachrichten diejenigen auszuwählen,<br />

von denen sie annehmen, (a) dass das Publikum von ihnen wissen müsste (gesellschaftliche<br />

Bedeutung), und (b) dass sich das Publikum dafür interessiert (individuelle Bedeutung<br />

für Rezipienten). Die journalistische Auswahlentscheidung kreist also um die vermeintliche<br />

Bedeutung eines Ereignisses, Akteurs, Staats usw.. Zur Ermittlung dieser Bedeutung<br />

ziehen Journalisten verschiedene Eigenschaften, eben die Nachrichtenfaktoren,<br />

heran. Diese sind somit journalistische Handwerksregeln, Routinen oder Heuristiken,<br />

die zeit- und ressourcensparende Auswahlentscheidungen erlauben und damit eine effiziente<br />

Optimierung der Nachrichtenproduktion ermöglichen. Doch Nachrichtenfaktoren<br />

erleichtern nicht nur die Auswahl, sie verändern auch die Produktion von Nachrichten.<br />

Der US-Journalist Walter Lippmann argumentierte bereits 1922, dass die Welt<br />

unmöglich in ihrer gesamten Komplexität erfasst werden könne, und Menschen deshalb<br />

dazu neigen, Beobachtungen und Sachverhalte in allgemeine Schubladen zu stecken, also<br />

Stereotypen zu entwickeln. Im Rahmen der Kognitionspsychologie wurde eine Fülle<br />

von Erklärungsansätzen für eine solche vereinfachte und reduzierte Informationsverarbeitung<br />

entwickelt, die von der Schematheorie mit ihren Spielarten (Skripte, Frames)<br />

über das Elaboration-Likelihood-Modell von Petty & Cacioppo (1986) bis hin zu den<br />

Entscheidungsheuristiken bei Tversky & Kahneman (1973) reicht.<br />

Gemeinsam sind allen Ansätzen zwei Annahmen. Erstens: Menschen nehmen neue<br />

Informationen im Lichte ihrer Erwartungen bzw. Alltagshypothesen (schemageleitet<br />

bzw. top-down) auf und verarbeiten sie entsprechend. Unpassende bzw. nicht erwartungskonforme<br />

Umweltreize werden ignoriert, solange sie unter einer bestimmten Reizstärke<br />

liegen (vgl. das Vividness-Konzept; Nisbett & Ross 1980). Umgekehrt werden<br />

Reize, die den bestehenden kognitiven Strukturen – dies sind Schemata von Wissensbeständen,<br />

aber auch persönliche Bewertungen (vgl. Brosius 1995: 124f.) – eines Menschen<br />

entsprechen, besonders leicht verstanden und gelernt. Das erklärt den Effekt, dass Menschen<br />

vertraute Reize in der Regel besser bewerten als neue; man denke beispielsweise<br />

nur an die allgemeine Ablehnung neu eingeführter Geldscheine oder Münzen. Zweitens:<br />

Der Mensch als „Homo Oeconomicus“ (Jäckel 1992) durchdenkt Entscheidungen nur<br />

in Ausnahmefällen bis in die letzte Verästelung. In der Regel genügen einige wenige, besonders<br />

auffällige oder relevante Eigenschaften der Alternativen, um eine (heuristische)<br />

Entscheidung herbeizuführen. Das Ziel ist in den weitaus meisten Alltagssituationen<br />

nicht die beste, sondern eine ausreichend gute Entscheidung, die schnell und mit geringem<br />

kognitiven Aufwand getroffen wurde 10 . Schemata sind das kognitive Werkzeug, um<br />

Entscheidungen heuristisch treffen zu können.<br />

Diese grobe Skizze menschlicher Informationsverarbeitung gibt eine Vorstellung<br />

von den psychischen Prozessen journalistischer Nachrichtenauswahl und -produktion.<br />

10 Vgl. die kognitionspsychologische Einführung von Anderson (1996) sowie die kommunikations<strong>wissenschaft</strong>lichen<br />

Überblicke bei Brosius (1995), Wirth (1997) und Schweiger (2001).<br />

276


Schweiger / Brosius · Eurovision Song Contest<br />

Sie liefert aber auch erste Anhaltspunkte, welche vergleichbaren Prozesse sich auf der<br />

Rezipientenseite abspielen. Es verwundert also nicht, dass die Annahme von Nachrichtenfaktoren<br />

als allgemeinen menschliche Selektionskriterien mittlerweile empirisch<br />

weitgehend bestätigt ist (vgl. Eilders & Wirth 1999: 39).<br />

Zum ESC-Televoting: Führt man sich die Rezeptions- und Entscheidungssituation<br />

eines einzelnen Zuschauers beim ESC vor Augen, dann ist es plausibel, dass auch hier<br />

Schemata und Heuristiken zum Einsatz kommen. Dafür sprechen mindestens zwei<br />

Gründe. Erstens: Die Zuschauer dürfen ausschließlich die Beiträge aus den anderen<br />

Ländern bewerten; für den Beitrag des eigenen Landes können sie nicht stimmen. Es<br />

kommt hinzu, dass der ESC trotz teilweise fanatischen „Fan-Tums“ für die meisten<br />

Zuschauer vermutlich eine unterhaltende Nebensache mit eher geringer Relevanz ist.<br />

Das Involvement bei der Entscheidung ist somit eher schwach. Wie das bereits erwähnte<br />

Elaboration-Likelihood-Modell annimmt, erfolgen solche „Low-Involvement“-Entscheidungen<br />

auf einer so genannten „peripheren Route“, also stark heuristisch.<br />

Zweitens: Die Entscheidungssituation ist bei über zwanzig konkurrierenden<br />

Interpreten bzw. Liedern, die sich vom Auftreten und von der Machart her teilweise<br />

recht ähnlich sind, durchaus kompliziert. Bei einer solchen Menge von Entscheidungsalternativen<br />

ist es für einen durchschnittlichen Zuschauer unmöglich, sich alle zwanzig<br />

Stücke und Interpreten zu merken, gründlich alle ihre Stärken und Schwächen gegeneinander<br />

abzuwägen und dann kompetent zu entscheiden. Der Schnelldurchlauf aller<br />

Stücke am Schluss des Wettbewerbs ändert daran nicht viel. Es müssen also beim<br />

Publikum Heuristiken zum Einsatz kommen, zumal die Entscheidung innerhalb weniger<br />

Minuten zu fällen ist.<br />

Heuristiken steuern nicht nur die endgültige Televoting-Entscheidung; sie beeinflussen<br />

bereits die Rezeption der Beiträge. Damit ein Zuschauer für ein Stück (sinnvoll) votieren<br />

kann, muss er es zunächst gesehen und gehört haben. Bei über zwanzig Stücken<br />

werden nur die wenigsten Zuschauer jeden Beitrag aufmerksam verfolgen. Da Schemata<br />

eine aufmerksamkeitssteuernde Funktion haben, kann man Folgendes annehmen: Wie<br />

viel Aufmerksamkeit ein Zuschauer einem Stück zukommen lässt, hängt – neben Stückund<br />

Interpreteneigenschaften – davon ab, welches Schema er im Lauf seines Lebens zu<br />

dem betreffenden Land gebildet hat und wie vertraut ihm das Land ist.<br />

Damit sind wir zurück bei der Nachrichtenwertforschung. Wie eingangs erwähnt, befassten<br />

sich bereits die Pionierarbeiten von Galtung & Ruge (1974) und Östgaard (1965)<br />

mit der Frage, inwiefern einzelne Weltregionen in der internationalen Berichterstattung<br />

sichtbar oder eher unsichtbar sind. Die damaligen Befunde sind wenig überraschend,<br />

aber medienpolitisch problematisch: (1) Es gibt eine Reihe von Elite-Nationen, allen voran<br />

die USA, über die – etwa gemessen an ihrer Einwohnerzahl – überproportional berichtet<br />

wird. Ein Ereignis, das dort passiert, hat eine erheblich größere Chance, berichtet<br />

zu werden, als dasselbe Ereignis in einem anderen, weniger beachteten Land. (2) Je<br />

näher das Land, in dem ein Ereignis stattfindet, einem anderen Land ist, desto eher wird<br />

dieses Ereignis dort in die Presse gelangen bzw. ein umfassendes Presseecho bekommen.<br />

Sowohl der Status eines Staates als auch dessen Nähe zum Land des Rezipienten sind<br />

als Schemabestandteile zu betrachten, die die Beitragsrezeption und die Televoting-Entscheidung<br />

beeinflussen. Die Nähe bestimmt maßgeblich, wie vertraut einem Rezipienten<br />

ein Staat ist. 11 Die Vertrautheit mag zwar von Zuschauer zu Zuschauer variieren;<br />

11 Dieser Effekt liegt indirekt auch dem Nachrichtenfaktor „Identifikation“ zugrunde, wie ihn<br />

Östgaard (1965) postuliert hat: Journalisten unterstellen, dass Rezipienten sich besonders für<br />

Themen interessieren, die ihnen bereits vertraut sind, und wählen sie entsprechend häufig aus.<br />

277


M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />

dennoch kann man zwischen den Zuschauern zweier Länder einen generellen Grad an<br />

Vertrautheit bzw. subjektiv wahrgenommener Nähe bestimmen. Auch die wahrgenommene<br />

Bedeutung eines Landes bzw. sein Status beeinflusst die Aufmerksamkeit der Zuschauer.<br />

Auch hier unterscheiden sich streng genommen die individuellen Wahrnehmungen;<br />

doch kann man unterstellen, dass es einen generellen Status eines Staates gibt,<br />

der sich – innerhalb einer gewissen Schwankungsbreite – als nationale, intersubjektive<br />

Konstante beschreiben lässt. Dieselben aufmerksamkeitssteuernden Effekte, die wir für<br />

die Beitragsrezeption beschrieben haben, sollten wiederum die Televoting-Entscheidung<br />

beeinflussen, so dass sich insgesamt die Chancen von Liedern statushoher<br />

und/oder sich gegenseitig naher Staaten erhöhen. Wie Hagen (1998: 148) feststellte, sind<br />

Elite-Status und Nähe die einzigen Nachrichtenfaktoren, die sich auf Länder anwenden<br />

lassen. Dabei bezieht sich der Status auf die absolute Bedeutung eines Staats 12 , die Nähe<br />

auf seine relative Bedeutung für andere Regionen oder Länder. Sowohl der Status als<br />

auch der Faktor Nähe manifestieren sich in unterschiedlichen Bereichen (Einteilung<br />

nach Schulz 1990: 33, 41f. und Staab 1990: 120):<br />

Politischer Status bezieht sich auf die (außen-)politische Bedeutung eines Staats und<br />

damit auf seine politischen, ggf. auch militärischen Einflussmöglichkeiten gegenüber anderen<br />

Ländern. Auch Einwohnerzahl und die Zugehörigkeit zu Bündnissen, wie z. B.<br />

NATO oder EU, und die Bedeutung innerhalb dieser Bündnisse gehören hierher.<br />

Deutschland ist beispielsweise nicht nur einwohnerreichstes EU-Mitglied; mit 99 von<br />

624 Abgeordneten im Europäischen Parlament (Stand: 14.10.2002) und dem Sitz der<br />

Europäischen Zentralbank in Frankfurt am Main hat es zweifellos in Europa und innerhalb<br />

der EU-Staaten Elite-Status. Neben der politischen Macht ist auch die Umsetzung<br />

und Einhaltung demokratischer Prinzipien – wenn man diese als Norm versteht –<br />

ein Indikator für den politischen Status eines Landes. Dies ist in Europa besonders für<br />

die osteuropäischen Staaten relevant, die ja auf ihrem Weg in eine demokratisch verfasste<br />

Marktwirtschaft mit allen Bürgerrechten durchaus mehr oder weniger weit voran geschritten<br />

sind. Die Gewährung und Einhaltung von Pressefreiheit (Staatsferne und ökonomisch-publizistische<br />

Vielfalt) oder der Menschenrechte gehören in diesen Zusammenhang.<br />

Der wirtschaftliche Status eines Staats hängt ab von der absoluten und – gemessen an<br />

der Einwohnerzahl – relativen Leistungsfähigkeit seiner Wirtschaft. Indikatoren sind<br />

beispielsweise das Bruttoinlandsprodukt (BIP) und das Bruttoinlandsprodukt pro<br />

Kopf. Hier spielen auch das Exportvolumen bzw. der Exportanteil an der Gesamtwirtschaftsleistung<br />

eine Rolle, zumal Exportgüter und -dienstleistungen in den kaufenden<br />

Ländern den Eindruck einer Elite-Nation vertiefen. Die US-amerikanische Kultur- und<br />

<strong>Medien</strong>industrie, Coca Cola oder McDonald’s sind plakative Beispiele hierfür. Eine vergleichbare<br />

Bedeutung im Ausland haben im Falle Deutschlands vielleicht die Automobilindustrie<br />

und der Maschinen- und Anlagenbau. Rosengren fand bereits 1974, dass<br />

ökonomische Faktoren, wie der Im- und Export, den Nachrichtenwert von Ereignissen<br />

in bestimmten Staaten besonders beeinflussen.<br />

Schließlich ist der kulturelle Status zu nennen. Dieser umfasst die Bedeutung und Potenz<br />

eines Landes in den Bereichen Literatur, Musik, Film, Theater, <strong>Medien</strong> und Wis-<br />

12 Streng genommen sind Nachrichtenfaktoren nie einem Ereignis, Akteur oder Land immanent,<br />

weil sie ja immer als eine Attribuierung durch Journalisten entstehen. Deshalb kann es auch aus<br />

theoretischer Sicht keine absolute Bedeutung eines Landes geben. Wegen ihrer empirischen Bedeutung<br />

wollen wir die Unterscheidung trotzdem aufrecht erhalten.<br />

278


Schweiger / Brosius · Eurovision Song Contest<br />

senschaft. Je bekannter kulturelle Eigenheiten und Erzeugnisse eines Staats oder einer<br />

Region in anderen Ländern sind, desto höher ist sein diesbezüglicher Status. Deshalb<br />

sollten die großen europäischen „Kulturnationen“ mit erheblicher Außenwirkung –<br />

Großbritannien, Frankreich, Italien, Spanien, Deutschland und Russland – beim ESC<br />

allein schon von daher erhöhte Aufmerksamkeit und damit Wettbewerbsvorteile genießen.<br />

Von großer Relevanz ist hierbei sicherlich die Sprache, die in einem Land<br />

gesprochen wird, und ihre Verbreitung in anderen Ländern als Mutter- oder Fremdsprache.<br />

Während Englisch und – mit Einschränkungen – Französisch in allen europäischen<br />

Staaten verbreitet sind, werden die meisten anderen Sprachen kaum in anderen<br />

Ländern als Fremdsprachen gelernt. Es ist zu vermuten, dass Großbritannien, Irland,<br />

Frankreich und Belgien, teilweise auch die Schweiz, wegen dieses sprachlichen Vorteils<br />

beim ESC prinzipiell höhere Siegchancen haben. Auf der anderen Seite ist Deutsch in<br />

Europa diejenige Sprache, die von den meisten Menschen und in den meisten Staaten<br />

muttersprachlich gesprochen wird (Deutschland, Österreich, Schweiz, teilweise Luxemburg,<br />

Belgien, Italien). Dies könnte sich auch in einem Wettbewerbsvorteil beim<br />

ESC niederschlagen.<br />

Nähe ist – im Gegensatz zum Status – ein reziproker Nachrichtenwert, denn beide<br />

beteiligten Staaten sind sich gegenseitig gleich nah. Dabei lassen sich wiederum zwei<br />

Dimensionen unterscheiden. Nähe bezieht sich entweder auf die Vergleichbarkeit bzw.<br />

Ähnlichkeit der Verhältnisse zwischen zwei Staaten oder auf die Beschaffenheit (Quantität<br />

bzw. Qualität) der zwischenstaatlichen Beziehungen. Das wird bei der Beschreibung<br />

der einzelnen Kategorien klar.<br />

Räumliche Nähe meint zunächst die rein örtliche Entfernung, die zwischen zwei Orten<br />

bzw. Staaten liegt. Zwei Länder können direkte Nachbarn sein, d. h. eine gemeinsame<br />

Land- oder Wassergrenze besitzen (z. B. Deutschland und Österreich, Frankreich<br />

und Großbritannien), sie können sich ohne gemeinsame Grenze in derselben Region befinden<br />

(z. B. Estland und Litauen, Luxemburg und Niederlande), sie können auf demselben<br />

Kontinent liegen oder in unterschiedlichen Weltregionen. Die räumliche Nähe ist<br />

ein Mischkonstrukt aus den Dimensionen „Ähnlichkeit der Verhältnisse“ und „Beschaffenheit<br />

der zwischenstaatlichen Beziehungen“. Denn Nachbarländer sind sich<br />

einerseits in der Regel in verschiedenen Bereichen ähnlich, andererseits gibt es meist intensive<br />

Beziehungen zwischen Nachbarn. Je näher sich zwei Staaten liegen, desto größer<br />

sollte der Nachrichtenwert von Ereignissen im jeweils anderen Land und damit auch die<br />

gegenseitige Aufmerksamkeit beim ESC sein.<br />

Natürlich wird in Europa die räumliche Nähe von der kulturellen Nähe zwischen<br />

Staaten überlagert. Diese ergibt sich neben den bereits oben diskutierten Bereichen besonders<br />

aus einer gemeinsamen Sprache (z. B. Deutschland und Österreich) oder einer<br />

gemeinsamen Sprachgruppe (z. B. Deutschland, Niederlande, Belgien/Flämisch). Die in<br />

den Ländern dominierenden Religionen spielen generell ebenfalls eine erhebliche Rolle,<br />

wie beispielsweise der Kosovo-Konflikt gezeigt hat. Da mit Ausnahme der Türkei und<br />

Israels, die beide auch geografisch am Rand bzw. außerhalb Europas liegen, alle ESC-<br />

Teilnehmerländer christlich geprägt sind, sollte diese Variable im gegebenen Fall allerdings<br />

von untergeordneter Bedeutung sein. Wichtiger ist in Europa der wechselseitige<br />

Tourismus zwischen Ländern: Je mehr Menschen ein anderes Land bereisen und so kennen<br />

lernen, desto größer sollte das interkulturelle Verständnis sein.<br />

Bei der politischen Nähe kommt in Europa mit seiner wechselhaften Geschichte eine<br />

Reihe von Variablen in Frage. Gehören zwei Staaten demselben Bündnis an (NATO,<br />

EU), wenn ja, seit wann? Oder sind sie ehemalige Mitglieder desselben Verteidigungsund<br />

Wertebündnisses, des Warschauer Paktes? Gehörten beide Staaten bis vor nicht all-<br />

279


M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />

zu langer Zeit einem gemeinsamen Staat an, der mittlerweile auseinander gebrochen ist<br />

(Ex-Sowjetunion, Ex-Jugoslawien, Slowakei und Tschechien)? Von Bedeutung ist auch<br />

die Vergleichbarkeit oder eben Unterschiedlichkeit der politischen Bedeutung der Länder<br />

(z. B. Deutschland und Frankreich versus Deutschland und Luxemburg) und der politischen<br />

Verhältnisse. 13 Es ist zu vermuten, dass sich Staaten mit einem weit entwickelten<br />

demokratischen System und weitgehender Pressefreiheit politisch näher sind als<br />

Staaten mit unterschiedlichen politischen Verhältnissen. Dies bedeutet umgekehrt, dass<br />

sich beispielsweise die osteuropäischen Transformationsstaaten untereinander politisch<br />

durchaus nahe sein sollten.<br />

Bei der wirtschaftlichen Nähe wird die Unterscheidung schließlich zwischen den erwähnten<br />

Dimensionen „Ähnlichkeit der Verhältnisse“ und „Beschaffenheit der Beziehungen“<br />

besonders deutlich. Denn sie umfasst zum einen die Intensität und Bedeutung<br />

des wechselseitigen wirtschaftlichen Austausches zwischen zwei Staaten, zum anderen<br />

die Vergleichbarkeit der wirtschaftlichen Situation in beiden Ländern. Während beispielsweise<br />

reger Im- und Export zwischen Deutschland und Polen herrscht, kann von<br />

der Vergleichbarkeit der wirtschaftlichen Situation in beiden Ländern kaum die Rede<br />

sein (z. B. beim BIP pro Kopf).<br />

4. Hypothesen<br />

Fassen wir das bisher Gesagte zusammen: Das Konzept der Nachrichtenwertforschung<br />

umfasst kognitive Strukturen (Schemata), die wiederum Verhaltens- und Entscheidungsprozesse<br />

(Heuristiken) prägen bzw. erleichtern. Da diese Strukturen und Prozesse<br />

bei jeder menschlichen Aufmerksamkeitsverteilung und Informationsverarbeitung<br />

auftreten, ist es plausibel, dass entsprechende Phänomene auch auf der Rezipientenseite<br />

wirken – im vorliegenden Fall letztlich beim ESC-Televoting. Die für Länder einschlägigen<br />

Bündel von Nachrichtenfaktoren sind (a) der Status eines Landes und (b) die Nähe<br />

zwischen zwei Staaten.<br />

Allen genannten Dimensionen liegt jeweils eine lineare Wirkungsvermutung zugrunde:<br />

Je statushöher14 ein ESC-Teilnehmerstaat ist, desto höhere Siegchancen hat er,<br />

weil die Zuschauer stärker auf den Beitrag achten und ihn bei der (heuristischen) Televoting-Entscheidung<br />

stärker berücksichtigen. Dasselbe gilt für die Nähe zweier Staaten.<br />

Als Resultat sollten sie sich gegenseitig überdurchschnittlich viele Punkte geben. Die<br />

Hypothesen 1 und 2 lauten folglich:<br />

Hypothese 1: Je höher der (a) politische, (b) wirtschaftliche und (c) kulturelle Status<br />

eines ESC-Teilnehmerstaats ist, desto mehr Punkte bekommen seine Beiträge.<br />

Hypothese 2: Je näher sich ESC-Teilnehmerstaaten (a) politisch, (b) wirtschaftlich, (c)<br />

kulturell und (d) geografisch sind, desto mehr Punkte geben sich die Zuschauer gegenseitig.<br />

Fraglich ist, ob es Interaktionen zwischen den beiden Faktoren Status und Nähe gibt,<br />

oder ob sie unabhängig voneinander wirken. Birgit Schenk (1987: 39) wies im Bereich<br />

der journalistischen Nachrichtenauswahl auf das Phänomen des „Next-Door-Giant“<br />

13 Vergleichbar Hagens (1998: 152) „Ähnlichkeit der sozio-ökonomischen Entwicklung“.<br />

14 Wie bereits angesprochen, müsste man auch hier wieder streng genommen von der Attribuierung<br />

der Rezipienten ausgehen: Erst der individuell wahrgenommene Status eines Landes<br />

kann sich auf das Abstimmungsverhalten auswirken.<br />

280


Schweiger / Brosius · Eurovision Song Contest<br />

hin. Hierbei handelt es sich um statushohe, benachbarte Staaten, die für ihre kleineren<br />

Nachbarstaaten von eminenter wirtschaftlicher, politischer und kultureller Bedeutung<br />

sind. Über einen solchen großen Nachbarn berichten die <strong>Medien</strong> eines kleineren Anrainerstaats<br />

besonders umfassend und detailliert, wie beispielsweise Hagen (1998) deutlich<br />

am Beispiel der österreichischen Deutschland-Berichterstattung zeigen konnte. In Europa<br />

ist zweifellos Deutschland ein solcher Next-Door-Giant für einige Anrainerstaaten.<br />

Vergleichbare Konstellationen sind denkbar zwischen Frankreich und Belgien bzw.<br />

Luxemburg, zwischen Spanien und Portugal oder zwischen Russland und seinen Nachbarn.<br />

Im Falle der Nachrichtenberichterstattung führt die Interaktion zwischen Status<br />

und Nähe also zu einer wechselseitigen Verstärkung der Effekte und damit zu einer<br />

erhöhten Beachtung.<br />

Auch beim ESC-Televoting muss man zunächst von einer positiven Interaktion ausgehen:<br />

Was der mächtige Nachbar präsentiert, interessiert die Zuschauer nebenan<br />

sicherlich stark. Andererseits wohnt derartigen zwischenstaatlichen Beziehungen bei<br />

der Bevölkerung des kleineren Landes – trotz der nachbarlichen Vertrautheit – oft eine<br />

gewisse Skepsis und Ablehnung inne; der „Next-Door-Giant“ erfreut sich bei seinen<br />

Nachbarn selten uneingeschränkter Beliebtheit. Ursachen für solche Antipathien sind<br />

sicherlich im Neid auf die Macht des Nachbarn beim Kleineren und in einer wahrgenommenen<br />

Arroganz der Bürger des größeren gegenüber den Bürgern des kleinen<br />

Landes zu suchen – gerade wenn ansonsten große Ähnlichkeit zwischen beiden besteht.<br />

Die Abstimmung beim ESC bietet den Bürgern eines „kleinen Nachbarstaates“ theoretisch<br />

sogar die Möglichkeit, es dem ungeliebten Nachbarn einmal „heimzuzahlen“ und<br />

seine Bedeutung zu unterminieren, indem sie seinem Beitrag keine oder wenige Punkte<br />

geben. Anders als bei der journalistischen Nachrichtenselektion, wo solche Fragen wohl<br />

nur eine nachrangige Rolle spielen, stehen sich somit beim ESC-Televoting zwei entgegengesetzte<br />

„Next-Door-Giant“-Effekte gegenüber: Welcher der beiden Effekte stärker<br />

ist, lässt sich nicht vorhersagen; wir entscheiden uns in Hypothese drei für die zweite<br />

Variante.<br />

Hypothese 3: ESC-Beiträge von Next-Door-Giants bekommen von ihren kleineren<br />

Nachbarn weniger Punkte, als ihnen von ihrem Status her zustünden.<br />

5. Methode<br />

Um die genannten Hypothesen beantworten zu können, müsste man eigentlich Daten<br />

zur subjektiven Wahrnehmung der ESC-Zuschauer verwenden: Nicht die tatsächlichen<br />

Verhältnisse beeinflussen das Abstimmungsverhalten der Rezipienten, sondern ihre persönlichen<br />

Status- und Nähe-Bewertungen anderer Staaten. Da es jedoch bevölkerungsrepräsentative<br />

und vergleichbare europäische Befragungsdaten zur Bewertung anderer<br />

Länder unseres Wissens nicht gibt – ganz zu schweigen von entsprechenden Befragungsdaten<br />

für ESC-Zuschauer –, bleibt uns nur der Umweg über öffentliche Statistiken<br />

zu den tatsächlichen Verhältnissen. Dabei unterstellen wir eine ausreichend hohe<br />

Korrelation zwischen der subjektiven Wahrnehmung durch das ESC-Publikum (als zu<br />

messendes Konstrukt) einerseits und statistischen Daten (als indirekte Operationalisierung)<br />

andererseits.<br />

Zunächst wurde eine Vielzahl an Daten zu den Stücken, Interpreten und vergebenen<br />

Punktewertungen der fünf Wettbewerbe seit 1998, also seit der umfassenden Einführung<br />

des Televoting, gesammelt. Ferner wurden aus verschiedenen statistischen<br />

Quellen Daten zu den Teilnehmerländern bzw. zu Beziehungen zwischen den Staaten,<br />

soweit verfügbar, erhoben. Daraus resultierten zwei Datensätze:<br />

281


M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />

Datensatz 1 enthält alle ESC-Beiträge von 1998 bis 2002 (n = 119). Er umfasst neben<br />

der Startnummer des jeweiligen Stücks, seiner Sprache und der Art der Formation (Solo-<br />

Sänger/in, Duett oder Gruppe) die erzielten Gesamtpunkte. Diese Angaben wurden<br />

Feddersen (2002) und verschiedenen Onlinequellen 15 entnommen bzw. teilweise rekonstruiert.<br />

So wurde aus den Namen der Vortragenden auf die Art der Formation und<br />

das Geschlecht der Interpreten geschlossen. Darüber hinaus stehen in Datensatz 1 die<br />

Variablen zum Status des jeweiligen Landes: Einwohnerzahl, BIP, BIP pro Kopf, gesprochene<br />

Sprache/n, aktuelle und ehemalige Bündnismitgliedschaften in EU, NATO<br />

und Warschauer Pakt sowie regionale Lage (z. B. Benelux, Skandinavien; vollständige<br />

Liste siehe weiter unten). Als grobe Schätzung der nationalen Pressefreiheit verwendeten<br />

wir die Daten der US-amerikanischen gemeinnützigen Organisation Freedom House<br />

(2001). Diese veröffentlicht jedes Jahr eine „Press Freedom Survey“ mit einem Pressefreiheitsindex.<br />

16<br />

In Datensatz 2 stellt jede Punktwertung eines Beitrags einen Fall dar (n = 2.716). Zusätzlich<br />

zu den Angaben aus Datensatz 1 befinden sich dort alle Beziehungsvariablen<br />

zwischen den jeweiligen Geber- und Nehmerländern, also hauptsächlich Daten zur Nähe<br />

zwischen den Staaten, die teilweise aus den Status-Daten in Datensatz 1 errechnet wurden<br />

(z. B. die regionale Zusammengehörigkeit oder Differenz des Pressefreiheit-Wertes<br />

zwischen Geber- und Nehmerland), teilweise weiteren Recherchen entstammten.<br />

Tabelle 1 zeigt alle untersuchten Variablen im Überblick. Wie der Tabelle zu entnehmen<br />

ist, wurden einige nahe liegende Variablen nicht in die Analyse aufgenommen.<br />

Der geografische Status (Fläche des Staatsgebiets) beispielsweise korreliert in Europa<br />

stark mit der Einwohnerzahl und dürfte auf die ESC-Bewertungen keinen hiervon unabhängigen<br />

Einfluss haben. Kulturelle Statusvariablen, wie z. B. Englisch oder Französisch<br />

als Landessprache, kämen im Datensatz in einer Fallzahl vor, die für sinnvolle Auswertungen<br />

nicht ausreichen würde, da sie meist nur für ein oder zwei Länder gelten. Andere<br />

Variablen der internationalen Nachrichtenwertforschung, wie beispielsweise die<br />

Alphabetisierungsrate, unterscheiden sich in Europa zu wenig, um sie als sinnvolle Erklärfaktoren<br />

einzusetzen.<br />

Eine Anmerkung zu den Export-/Import-Daten: Der Aufwand, diese Daten für insgesamt<br />

32 Teilnehmerstaaten zu ermitteln (32 x 32 x2=2.048 Fälle), war mit den gegebenen<br />

personellen Mitteln nicht zu leisten. Wir beschlossen, die Angaben nur für eine<br />

willkürliche, strukturell dem Gesamtdatensatz entsprechende Länderstichprobe zu recherchieren.<br />

Deshalb wurden die Export-/Import-Daten jeweils für Deutschland, Estland,<br />

Frankreich, Kroatien, Norwegen, Polen und Spanien als Nehmerland und alle anderen<br />

Geberländer berechnet. Um bei verschiedensten internationalen und nationalen<br />

Quellen vergleichbare Angaben zu erhalten, mussten wir uns ferner mit dem „kleinsten<br />

gemeinsamen Nenner“ aller Quellen zufrieden geben. Die Variablen „Export vom Ge-<br />

15 Z. B. die private Website eines finnischen ESC- und Statistik-Freaks (http://www.kolumbus.fi/<br />

jarpen/), http://www.eurosong.net/, http://www.ogae.de/ (alle 08.01.2003). Generell scheint es<br />

im Internet eine große Anzahl von ESC-Fans zu geben, die mit viel Liebe teilweise überaus ambitionierte<br />

Webangebote erstellen; bei einer Internetrecherche nach dem Suchbegriff „Eurovision<br />

Song Contest“ am 08.01.2003 lieferte die Suchmaschine Google.de ca. 40.000 Treffer!<br />

16 Der Index reicht von 0 (völlige Pressefreiheit) bis 100 (völlig eingeschränkte Pressefreiheit)<br />

Punkten. Er errechnet sich als die Summe der vier Dimensionen „<strong>Medien</strong>recht und Regulierung“,<br />

„Politische Einflussnahme auf Inhalte“, „Ökonomische Einflussnahme auf Inhalte“ (jeweils<br />

max. 30 Punkte) und „Repressive Aktionen“, z. B. Verhaftung / Ermordung von Journalisten<br />

(max. 10 Punkte).<br />

282


Tabelle 1: Variablen im Überblick<br />

Schweiger / Brosius · Eurovision Song Contest<br />

Status Nehmerland Nähe zwischen Geber- und Nehmerland<br />

Geografisch • Direkte Nachbarschaft (gemeinsame<br />

Land-/Wassergrenze)<br />

• Gemeinsame Region<br />

Politisch • Einwohnerzahl • Differenzbetrag Einwohnerzahl<br />

• EU-Mitglied, NATO-Mitglied, • Gemeinsame Mitgliedschaft in<br />

ehem. Warschauer Pakt-Mitglied EU, NATO, ehem. Warschauer Pakt<br />

• Pressefreiheit • Differenzbetrag Pressefreiheit<br />

Wirtschaftlich • Bruttoinlandsprodukt • Differenzbetrag Bruttoinlandsprodukt<br />

• Bruttoinlandsprodukt/ • Differenzbetrag Bruttoinlandsprodukt/<br />

Einwohner Einwohner<br />

• Wirtschaftliche Beziehungen<br />

(Export/Import vom Geber- ins<br />

Nehmerland)<br />

Kulturell • Gemeinsame Landessprache<br />

• Tourismus: Bürger des Geberlandes<br />

als Besucher im Nehmerland<br />

(Übernachtungen/Einwohnerzahl)<br />

ber- ins Nehmerland“ und „Import vom Nehmer- ins Geberland“ umfassen deshalb jeweils<br />

die Ausprägungen (1) wichtigster, (2) zweit-, (3) drittwichtigster Exporteur/Importeur<br />

sowie (4) Andere. Noch schwieriger stellte sich die Beschaffung von Daten zum<br />

Tourismus dar. Hierzu steht wiederum die genannte Länderstichprobe zur Verfügung,<br />

allerdings mit zahlreichen fehlenden Werten.<br />

6. Ergebnisse<br />

Ein erster Länderüberblick über die vergebenen Punkte beginnt mit einer Überraschung.<br />

Tabelle 2 präsentiert in abnehmender Reihenfolge die Gesamtpunkte, die die<br />

insgesamt 32 Teilnehmerländer zwischen 1998 und 2002 durchschnittlich erzielten. Wie<br />

man sieht, sind mit Lettland, Dänemark, Island, Estland, Griechenland und Malta und<br />

mit Ausnahme Russlands ausschließlich sehr kleine bzw. kleine Staaten die erfolgreichsten<br />

ESC-Teilnehmer. Von den großen europäischen Staaten liegen nur Deutschland<br />

und Großbritannien auf den Plätzen elf und dreizehn und damit in der ersten Hälfte des<br />

Feldes. Frankreich und Spanien finden sich auf Plätzen in der hinteren Hälfte. Auf den<br />

ersten Blick scheinen diese Ergebnisse zumindest unserer ersten Hypothese zum Einfluss<br />

des Status’ der ESC-Teilnehmerstaaten zu widersprechen.<br />

Bevor wir uns mit den eigentlichen Hypothesen befassen, noch einige andere Befunde.<br />

Zwei formale Variablen hatten erheblichen Einfluss auf die jeweils erzielten Punkte.<br />

Zunächst lässt sich für die Auftretensreihenfolge bzw. Startnummer der Beiträge ein eindeutiger<br />

Recency-Effekt nachweisen. Je später die insgesamt 119 Beiträge im Ablauf<br />

vorgestellt wurden, desto mehr Punkte erhielten sie durchschnittlich (r = 0,25;<br />

p


M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />

Tabelle 2: Durchschnittliche Gesamtpunkte pro Wettbewerb aller Teilnehmerländer<br />

zwischen 1998 und 2002 (n = 119 Beiträge)<br />

Platz Land Jahre Punkte Platz Land Jahre Punkte<br />

1 Lettland 3 36 17 Rumänien 3 11<br />

2 Dänemark 4 28 18 Irland 4 11<br />

3 Russland 3 27 19 Norwegen 4 11<br />

4 Island 3 22 20 Frankreich 5 11<br />

5 Estland 5 21 21 Slowenien 4 11<br />

6 Griechenland 3 21 22 Zypern 4 8<br />

7 Malta 5 19 23 Slowakei 1 8<br />

8 Schweden 5 19 24 Spanien 5 8<br />

9 Niederlande 4 17 25 Mazedonien 3 8<br />

10 Bosnien 3 16 26 Portugal 3 7<br />

11 Deutschland 5 16 27 Türkei 5 7<br />

12 Kroatien 5 16 28 Finnland 3 7<br />

13 Großbritannien 5 15 29 Litauen 3 7<br />

14 Österreich 3 14 30 Polen 3 5<br />

15 Israel 5 13 31 Ungarn 1 4<br />

16 Belgien 4 12 32 Schweiz 3 3<br />

Einen ebenfalls signifikanten Effekt hat die Sprache eines Beitrags. Während früher die<br />

teilnehmenden Länder immer in ihrer/einer Landessprache antreten mussten, kann seit<br />

einigen Jahren in jeder beliebigen Sprache gesungen werden. Das hat zum verstärkten<br />

Einsatz englischer Texte geführt – eine Strategie, die in den untersuchten fünf Jahren offensichtlich<br />

aufging: Während die auf Englisch gesungenen Titel durchschnittlich 67<br />

Punkte bekamen (n = 56), mussten sich anderssprachige Beiträge (n = 57) 17 mit 45 Punkten<br />

zufrieden geben (t = 2,39; p < 0,02). Englisch scheint mittlerweile nicht nur die „lingua<br />

franca“ im europäischen Schlager zu sein, sondern auch beim europäischen Publikum<br />

die höchste Aufmerksamkeit, Vertrautheit und/oder Sympathie zu genießen. Beide<br />

Befunde unterstreichen die obige Grundannahme, dass Zuschauer bei ihrer Punktvergabe<br />

generell heuristisch vorgehen.<br />

Nun zu den Hypothesen. Tabelle 3 präsentiert Partialkorrelationen zwischen allen<br />

(metrischen bzw. binären) Status- und Nähe-Variablen einerseits und den vergebenen<br />

Punkten andererseits; dabei wurden die bereits erwähnten, wirkungsstarken Variablen<br />

Startplatz und Sprache des Beitrags heraus partialisiert. 18 Die Status-Berechnungen<br />

17 Die deutsche „Ironieoffensive“ seit Guildo Horns „Guildo hat euch lieb“ fiel hier wiederum aus<br />

dem Rahmen. Kein deutscher Beitrag der Jahre 1998 bis 2001 war in englischer Sprache, allerdings<br />

auch nur zwei auf Deutsch: Die deutsch-türkische Gruppe „Sürpriz“ (1999) sang überwiegend<br />

auf Türkisch und Stefan Raabs Beitrag (2000) „Wadde hadde dudde da“ bediente sich<br />

einer dem Deutschen entlehnten „Phantasiesprache“. Trotzdem schnitten die deutschen Titel<br />

von allen nicht-englischen Beiträgen am besten ab.<br />

18 Eine datenanalytische Anmerkung: Eine multiple Regressionsanalyse wäre zweifellos die eleganteste<br />

Auswertungsstrategie. Da jedoch (a) einige Status- und Nähe-Variablen stark untereinander<br />

korrelieren (Multikollinearität) und (b) für verschiedene Variablen unterschiedlich<br />

große Teilstichproben zur Verfügung stehen, sehen wir davon ab.<br />

284


Schweiger / Brosius · Eurovision Song Contest<br />

Tabelle 3: Partialkorrelation zwischen Nachrichtenfaktoren und den erhaltenen<br />

Punkten<br />

Status des Nehmerlandes<br />

n Partialkorrelation<br />

Politisch<br />

Einwohnerzahl n=109 Beiträge +0,09<br />

EU-Mitglied 1 n=109 Beiträge +0,04<br />

NATO-Mitglied1 n=109 Beiträge +0,04<br />

ehem. Warschauer Pakt-Mitglied1 n=109 Beiträge +0,00<br />

Pressefreiheit2 n=109 Beiträge +0,01<br />

Wirtschaftlich<br />

Bruttoinlandsprodukt n=109 Beiträge +0,13<br />

Bruttoinlandsprodukt / Einwohner n=109 Beiträge +0,04<br />

Nähe zwischen Geber- und Nehmerland<br />

Geografisch<br />

Nachbarn1 n=2574 Voten +0,19***<br />

gemeinsame Region1 n=2574 Voten +0,19***<br />

Politisch<br />

Differenzbetrag Einwohnerzahl n=2574 Voten +0,03<br />

Differenzbetrag Pressefreiheit2 n=2574 Voten –0,06**<br />

Gemeinsame EU-Mitgliedschaft1 n=2574 Voten +0,04**<br />

Gemeinsame NATO-Mitgliedschaft1/5 Gemeinsame ehemalige Mitgliedschaft<br />

n=2574 Voten +0,06**<br />

im Warschauer Pakt1 n=2574 Voten +0,07**<br />

Wirtschaftlich<br />

Differenzbetrag Bruttoinlandsprodukt n=2574 Voten +0,05*<br />

Differenzbetrag Bruttoinlandsprodukt/Einwohner n=2574 Voten –0,07***<br />

Export vom Punktenehmer- ins Geberland 3 n=565 Voten 6 +0,05<br />

Import vom Punktegeber- ins Nehmerland4 n=565 Voten 6 +0,08<br />

Kulturell<br />

Gemeinsame Hauptsprache 1 n=2574 Voten +0,12***<br />

Partialkorrelationen kontrolliert nach Startplatz und Sprache des Beitrags (Engl. versus andere<br />

Sprache); ***p < 0,001; ** p < 0,01; * p < 0,05; Variablen metrisch, soweit nicht anders angegeben;<br />

1 Ausprägungen: 1 = ja, 0 = nein; 2 umgedrehte Skala von 0 = min. Pressefreiheit bis 100 = max.<br />

Pressefreiheit; 3 Ausprägungen: 1 = wichtigster bis drittwichtigster Exporteur; 0 = unwichtiger<br />

Exporteur; 4 Ausprägungen: 1 = wichtigster bis drittwichtigster Importeur; 0 = unwichtiger Importeur;<br />

5 Staaten, die nach 1998 NATO-Mitglied wurden (z. B. Polen, Ungarn), wurden als<br />

Nicht-Mitglied codiert; 6 nur für Deutschland, Estland, Frankreich, Kroatien, Norwegen, Polen<br />

und Spanien als Nehmerländer.<br />

285


M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />

stammen aus dem ersten Datensatz auf Liedebene; den Werten zur Wirkung der Nähe<br />

liegt Datensatz 2 mit insgesamt 2.716 Punktvergaben zugrunde. Da hierbei allerdings<br />

pro Beitrag bis zu 24 Punktvergaben bzw. Voten und damit Fälle im Datensatz verrechnet<br />

wurden, sind die Irrtumswahrscheinlichkeiten naturgemäß weitaus niedriger<br />

und nur mit größter Vorsicht zu interpretieren. Wir beschränken unsere Beschreibung<br />

deshalb auf die Korrelationskoeffizienten.<br />

Wie man sieht, hat der politische und wirtschaftliche Status eines Teilnehmerlandes<br />

generell einen sehr schwachen, aber durchgehend positiven Einfluss auf die Punkte, die<br />

seine Beiträge in den letzten fünf Jahren erzielten – alle Korrelationen sind positiv. Die<br />

aktuelle oder ehemalige Mitgliedschaft eines Staats in einem militärischen Bündnis spielt<br />

nach dem Ende des kalten Krieges – erfreulicherweise – nur noch eine geringe bzw. keine<br />

Rolle. Dasselbe gilt für die EU-Mitgliedschaft. Die Pressefreiheit eines Landes – als<br />

Indikator für dessen freiheitlich-demokratische Kultur – hat ebenfalls keinerlei Bedeutung<br />

beim ESC. Auch die nationalen wirtschaftlichen Verhältnisse (BIP pro Einwohner)<br />

haben kaum einen Einfluss auf sein Abschneiden beim Song Contest. Es ist denkbar,<br />

dass diese Faktoren deshalb so geringe Auswirkungen auf die Punktevergabe haben, weil<br />

sie den meisten Fernsehzuschauern schlichtweg unbekannt sind.<br />

Die schiere Größe und wirtschaftliche Bedeutung eines Landes – beides Variablen<br />

mit vermutlich höherem öffentlichen Bekanntheitsgrad – hingegen korrelieren etwas<br />

stärker mit den erhaltenen Punkten (Einwohnerzahl: r = + 0,09; BIP: r = + 0,13). Das<br />

mag ein Hinweis darauf sein, dass Rosengrens Feststellung, ökonomische Faktoren seien<br />

überaus wichtige Nachrichtenfaktoren, auch beim ESC zutrifft.<br />

Zu den Faktoren der Nähe: Wie die Korrelationskoeffizienten im unteren Teil von<br />

Tabelle 3 illustrieren, erklären politische oder wirtschaftliche Faktoren der Nähe bzw.<br />

Ähnlichkeit zwischen zwei Staaten die Punktvergaben der letzten fünf Jahre ebenfalls<br />

nur sehr schwach. Ob ein Geber- und Nehmerland in etwa gleich bevölkerungsstark<br />

sind oder nicht, spielt so gut wie keine Rolle. 19 Eine ähnliche demokratische Kultur –<br />

wieder repräsentiert durch den Pressefreiheitsindex – in beiden Ländern schafft etwas<br />

mehr Nähe und erhöht die vergebenen Punkte geringfügig: Je weniger sich die Pressefreiheit-Indizes<br />

unterscheiden, desto mehr Punkte wurden vergeben (r = – 0,06).<br />

Ähnlich schwache Effekte zeitigt eine gemeinsame Mitgliedschaft in der EU<br />

(r = 0,04) und in militärischen Bündnissen. Die stärkste Solidarität ist unter Staaten des<br />

ehemaligen Warschauer Pakts zu verzeichnen (r = + 0,07). Wie Abbildung 1 in einer anderen<br />

Darstellung zeigt, wurden in dieser Konstellation durchschnittlich 4,0 Punkte vergeben,<br />

während langjährige NATO-Mitgliedsstaaten sich jeweils nur 2,8 Punkte zusprachen.<br />

Allerdings findet man unter den ehemaligen Warschauer Pakt-Staaten auch einige<br />

Länder, die sich damals in einem gemeinsamen Nationalstaat befanden und vielleicht<br />

deshalb heute noch – trotz zwischenzeitlicher Konflikte – über stärkere<br />

Bindungen untereinander verfügen (Estland, Lettland, Litauen und Russland oder<br />

Tschechien und Slowakei). Man kann auf jeden Fall festhalten, dass die denkbare Vermutung,<br />

ehemalige Staaten des Warschauer Paktes seien heute untereinander entfremdet<br />

oder gar verfeindet, bei den ESC-Votings nicht zutrifft.<br />

19 Da wir bei der Einwohnerzahl und anderen Faktoren nur die absolute Distanz zwischen zwei<br />

Staaten als unabhängige Variable messen wollen und nicht etwaige Über- oder Unterlegenheiten,<br />

verwenden wir Differenzbeträge, bei denen die Richtung des Unterschieds unberücksichtigt<br />

bleibt.<br />

286


Schweiger / Brosius · Eurovision Song Contest<br />

Abbildung 1: Mitgliedschaften in Verteidigungsbündnissen und erhaltene Punkte<br />

Gruppen mit unterschiedlichen Kennbuchstaben unterscheiden sich höchstsignifikant<br />

(Duncan’s multiple range test; p < 0,001).<br />

Zur wirtschaftlichen Nähe und Vergleichbarkeit: Wie aus Tabelle 3 zu ersehen, spielt die<br />

Vergleichbarkeit der wirtschaftlichen Lebensverhältnisse ebenfalls nur eine geringe Rolle<br />

beim ESC. Je unterschiedlicher zwei Länder beim Bruttoinlandsprodukt, also in ihrer<br />

volkswirtschaftlichen Gesamtleistung sind, desto mehr Punkte geben sie sich sogar<br />

(Differenzbetrag BIP: r = +0,05). Umgekehrt führt ein vergleichbares Bruttoinlandsprodukt<br />

pro Einwohner zu einer etwas besseren gegenseitigen Bewertung (Differenzbetrag<br />

BIP pro Einwohner: r = –0,07).<br />

Aufschlussreich sind die Befunde zur Intensität der wirtschaftlichen Beziehungen.<br />

Zunächst ist festzuhalten, dass diese prinzipiell reziprok sein können, es in der Regel<br />

aber nicht sind. Es stellt sich somit die Frage, ob die Zuschauer eher dem Beitrag einer<br />

Nation Punkte geben, aus der ihr Land viele Produkte importiert, oder ob sie eher einer<br />

Nation Punkte geben, in die ihre eigene Volkswirtschaft stark exportiert. Wie die Korrelationskoeffizienten<br />

illustrieren, stellen beide Import/Export-Größen jeweils eine<br />

schwache, aber von der Wirkungsrichtung her hypothesenkonforme Einflussgröße dar.<br />

Die Zuschauer geben also tatsächlich dem Beitrag einer Importnation, deren Produkte<br />

sie kennen und nutzen – darunter vielleicht auch <strong>Medien</strong> – mehr Punkte als anderen Ländern<br />

(r = +0,08). Staaten, in die die eigene Volkswirtschaft überdurchschnittlich exportiert,<br />

erhalten ebenfalls etwas mehr Punkte (r = +0,05). Auch hier ist anzumerken, dass<br />

die individuelle Punktevergabe nicht von den tatsächlichen Ex- und Import-Raten abhängt,<br />

sondern von den wahrgenommenen Verhältnissen, so dass sich die schwachen<br />

Zusammenhänge eventuell durch entsprechende Wissensdefizite oder Fehleinschätzungen<br />

bei den Zuschauern erklären lassen.<br />

Wichtiger als alle politischen und wirtschaftlichen Faktoren ist die räumliche und<br />

kulturelle Nähe. ESC-Zuschauer entscheiden sich bevorzugt für ihre direkten oder indirekten<br />

Nachbarn und für Beiträge aus Ländern, in denen dieselbe Sprache gesprochen<br />

wird wie bei ihnen. Während der Beitrag eines direkten Nachbarn im Durchschnitt vom<br />

nationalen Publikum 4,8 Punkte bekam, mussten sich andere Beiträge mit 2,4 Punkten<br />

begnügen (t = 7,67; p < 0,001; n = 209 bzw. 2.507 Voten). Ähnlich deutlich unterschieden<br />

sich die Votings in Abhängigkeit von der Sprache: Länder mit einer gemeinsamen<br />

Hauptsprache gaben sich gegenseitig 6,8 Punkte (n = 26 Voten); im Fall einer gemeinsamen<br />

Minderheitensprache wurden jeweils 3,5 Punkte verteilt (Beispiel: Estland und<br />

Russland; n = 86 Voten). Publika unterschiedlicher Sprachen bedachten die Beiträge des<br />

Anderen mit jeweils 2,5 Punkten (n = 2.604 Voten). Das muss wohlgemerkt nicht<br />

zwangsläufig etwas mit der Sprache des Liedes und damit einem vermeintlich besseren<br />

Textverständnis zu tun haben, da ja mittlerweile die meisten Beiträge auf Englisch gesungen<br />

werden. Vielmehr scheint eine gemeinsame Sprache ein starkes Gefühl der Nähe<br />

und Verbundenheit zwischen den Bevölkerungen zweier Länder mit sich zu bringen.<br />

287


M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />

Mit einer Ausnahme (Malta mit Englisch als zweiter Amtssprache) wird in Europa<br />

ein und dieselbe Sprache immer nur in direkt benachbarten Ländern gesprochen. Somit<br />

lassen sich gemeinsame Sprache und Nachbarschaft analytisch ohnehin nicht trennen.<br />

Es kommt hinzu, dass in gleichsprachigen Nachbarländern üblicherweise auch die Fernsehprogramme<br />

von jenseits der Grenze genutzt werden. Dies verstärkt zum einen das<br />

Gefühl einer gewissen Gemeinsamkeit. Zum anderen ist man eventuell sogar über die<br />

nationale ESC-Vorentscheidung beim Nachbarn bzw. die dort antretenden Interpreten<br />

informiert (Vorwissen). Dieser Effekt könnte besonders bei einem Next-Door-Giant<br />

auftreten. Beispielsweise berichten die österreichischen und Schweizer <strong>Medien</strong> durchaus<br />

über die deutsche Vorentscheidung, da es ja auch eine gemeinsame Musikszene gibt<br />

(besonders deutschsprachige Schlager und Volksmusik), man also teilweise auch die<br />

deutschen Komponisten, Produzenten oder Interpreten kennt. 20<br />

Um herauszufinden, welche Regionen Europas stärker und welche schwächer „zusammenhalten“,<br />

vergleicht Abbildung 2 die innerhalb und außerhalb der jeweiligen Regionen<br />

vergebenen Punkte. Wie man sieht, unterstützten sich die beiden teilnehmenden<br />

Benelux-Staaten Niederlande und Belgien in den letzten fünf Jahren mit 8,7 Punkten<br />

(von maximal 12 Punkten!) mit Abstand am stärksten. Bosnien, Kroatien, Mazedonien,<br />

die am ESC beteiligten Staaten des ehemaligen Jugoslawien, verteilten 6,7 Punkte untereinander.<br />

Damit lagen sie gleichauf mit den Ländern der ehemaligen Sowjetunion<br />

(Baltikum und Russland). Auch die skandinavischen Teilnehmer begünstigten sich eindeutig<br />

gegenseitig (6,3 Punkte). Weniger Zusammenhalt gab es zwischen den deutschsprachigen<br />

Ländern. Doch auch hier verteilte man – entgegen landläufiger Meinung –<br />

untereinander überdurchschnittlich viele Punkte (4,8). Keine regionale Solidarität gab es<br />

zwischen Polen, Rumänien, der Slowakei, Slowenien und Ungarn. Das könnte man dadurch<br />

erklären, dass diese Region vom Zuschnitt her, so wie wir ihn vorgenommen haben,<br />

zu groß und sprachlich nicht einheitlich ist – Rumänisch und Ungarisch sind bekanntlich<br />

keine slawischen Sprachen. Bildet man jedoch aus den verbleibenden drei Staaten<br />

eine slawische Region, so wurden dort gerade einmal 0,9 Punkte untereinander und<br />

damit noch weniger als die ursprünglichen 1,0 Punkte vergeben. Offensichtlich gibt es<br />

in den ehemaligen Satellitenstaaten der UdSSR bis zum heutigen Tag trotz räumlicher<br />

Nähe nur ein geringes Zusammengehörigkeitsgefühl. 21<br />

Im Bereich kultureller Nähe spielen sicherlich touristische und geschäftliche Reisen<br />

eine wichtige Rolle, denn das persönliche Kennenlernen anderer Länder und der dort lebenden<br />

Menschen verstärkt zweifelsohne das Interesse für andere europäische Staaten.<br />

Für die bereits erwähnte kleine Stichprobe ausgewählter Nehmerländer haben wir versucht,<br />

Daten zu den Übernachtungen der Einwohner der jeweiligen Geberländer in den<br />

Nehmerländern zu sammeln. Dies ist mit Hilfe verschiedenster Quellen unter Inkaufnahme<br />

zahlreicher fehlender Werte gelungen. Das Ergebnis ist bemerkenswert: Je öfter<br />

20 Das geht so weit, dass im Jahr 2002 ein Schweizer Beitrag in der deutschen Vorentscheidung<br />

mitmachen durfte, weil die Schweiz nicht selbst am Wettbewerb teilnehmen konnte. Ironischerweise<br />

hätte dieser Beitrag beinahe gewonnen.<br />

21 Dieser Befund steht nur auf den ersten Blick im Widerspruch zum obigen Ergebnis, dass ehemalige<br />

Warschauer Pakt-Mitglieder relativ stark zusammen halten (vgl. Tabelle 3). Er verdeutlicht,<br />

dass nicht von einem Zusammenhalt innerhalb des ehemaligen Militärbündnisses die Rede<br />

sein kann, sondern dass vielmehr die Staaten der ehemaligen Sowjetunion – beim ESC in erster<br />

Linie das Baltikum – untereinander solidarisch sind, nicht jedoch die damaligen osteuropäischen<br />

Satellitenstaaten.<br />

288


Abbildung 2: Regionaler Zusammenhalt<br />

Schweiger / Brosius · Eurovision Song Contest<br />

*** p < 0,001; * p < 0,05; Regionen: Benelux: Belgien, Niederlande; Deutschsprachig: Deutschland, Österreich,<br />

Schweiz; ehem. Jugoslawien: Bosnien, Kroatien, Mazedonien; ehem. UdSSR: Estland, Lettland, Litauen, Russland;<br />

englischsprachige Länder: Großbritannien, Irland; romanische Länder: Frankreich, Portugal, Spanien;<br />

Skandinavien: Dänemark, Finnland, Norwegen, Schweden; slawische Länder / ehem. Warschauer Pakt (außerhalb<br />

UdSSR): Polen, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Ungarn; sonstige: Griechenland, Island, Israel, Malta, Türkei,<br />

Zypern.<br />

Abbildung 3: Einwohner des Geberlandes als Besucher im Nehmerland (Übernachtungen/Einwohnerzahl<br />

des Geberlandes und Punkte)<br />

Gruppen mit unterschiedlichen Kennbuchstaben unterscheiden sich signifikant (Duncan’s multiple range test;<br />

p


M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />

lernen anderer Länder und Kulturen die Aufmerksamkeit und wohl auch Sympathie für<br />

eben diese Länder und damit auch für deren Beiträge erhöht. Nicht jedoch fungieren<br />

Touristen als „Sympathie-Botschafter“ ihres Landes im Ausland – das schlägt sich zumindest<br />

nicht bei den ESC-Abstimmungen nieder.<br />

Abschließend wollen wir uns mit Hypothese 3 zum „Next-Door-Giant“-Effekt befassen,<br />

also mit der Interaktion zwischen der räumlichen Nähe zwischen zwei Staaten<br />

und etwaigen Größen- und Status-Unterschieden. Wir vermuteten, dass ESC-Beiträge<br />

von Next-Door-Giants von ihren Nachbarn weniger Punkte bekommen, als ihnen von<br />

ihrem Status her eigentlich zustünden. Da es keine allgemein gültige Definition für einen<br />

„Giant“-Staat gibt, wurden alle Länderpaarungen des Datensatzes in drei empirisch<br />

vergleichbar große Gruppen eingeteilt. Dies wurde durch folgende Rechenvorschrift erreicht:<br />

(a) Land A hat maximal 38 Prozent der Einwohner von Land B, ist also bedeutend<br />

kleiner, (b) Land A hat mehr als doppelt so viele Einwohner wie Land B (mindestens<br />

263 Prozent) und (c) beide Länder sind etwa gleich groß (Land A hat mehr als 38<br />

Prozent und weniger als 263 Prozent der Einwohner von Land B).<br />

Abbildung 4 präsentiert die entsprechend vergebenen Punkte. Hypothesenkonform<br />

spielt unter nicht-benachbarten Ländern das jeweilige Größenverhältnis überhaupt keine<br />

Rolle; sie geben sich gegenseitig zwischen zwei und drei Punkten. Bei Nachbarländern<br />

sieht die Sache anders aus: Während vergleichbar große Nachbarländer untereinander<br />

6,2 Punkte verteilen, erhalten deutlich größere Staaten vom kleineren Nachbarn<br />

genau die Hälfte an Punkten. Letztere erhalten wiederum ebenfalls recht wenig Punkte<br />

(4,4) vom großen Nachbarn. Beide Haupteffekte und die Interaktion sind eindeutig und<br />

bleiben auch bei zusätzlicher statistischer Kontrolle der Startreihenfolge und der Sprache<br />

des Liedes ähnlich hoch.<br />

Abbildung 4: Next-Door-Giant und erhaltene Punkte<br />

Haupteffekte: Verhältnis der Einwohnerzahl F = 10,28, p < 0,001; Nachbarschaft F = 74,87, p < 0,001; Interaktion:<br />

F = 16,27, p < 0,001; Gruppen mit unterschiedlichen Kennbuchstaben unterscheiden sich hochsignifikant<br />

(Duncan’s multiple range test; p < 0,01).<br />

7. Zusammenfassung und Diskussion<br />

Wie bereits in der Einleitung erwähnt, bezieht sich unsere Analyse nicht auf den vermeintlichen<br />

Hauptfaktor zur Erklärung der ESC-Votings, nämlich die künstlerische<br />

Qualität der Beiträge und Interpreten, sondern auf Faktoren, die beim Wettbewerb eigentlich<br />

gar keine Bedeutung haben dürften, nämlich die Eigenschaften und Beziehungen<br />

der teilnehmenden Staaten.<br />

Dabei lassen sich alle drei ursprünglichen Hypothesen bestätigen. Hypothese 1 hatte<br />

vermutet, dass der politische, wirtschaftliche und kulturelle Status eines Landes sei-<br />

290


Schweiger / Brosius · Eurovision Song Contest<br />

nen Erfolg beim ESC determiniert. Für einige der erhobenen Variablen ließ sich ein Zusammenhang<br />

zeigen. Besonders die Beiträge wirtschaftlich starker Länder mit großer<br />

Bevölkerung erhalten von den anderen europäischen Fernsehzuschauern systematisch<br />

mehr Punkte als die Beiträge kleinerer Länder. Das lässt sich in erster Linie durch die<br />

stärkere Aufmerksamkeit erklären, die den Liedern dieser Staaten vermutlich vom Publikum<br />

zuteil wird. Die Beiträge Frankreichs, Großbritanniens oder Deutschlands finden<br />

einfach mehr Interesse als beispielsweise die Rumäniens oder Lettlands. Noch eindeutiger<br />

sind die Ergebnisse zu Hypothese 2, also zur Nähe zwischen Ländern als Erklärvariable<br />

für die Punktvergabe. Hier stellten sich besonders die räumliche Nähe und<br />

eine gemeinsame Sprache als wesentliche Prädikatoren heraus. Beide Faktoren erhöhen<br />

die Aufmerksamkeit: Zuschauer interessieren sich dafür, welchen Beitrag ihr Nachbarland<br />

vorstellt. Wenn sie darüber hinaus dieselbe Sprache sprechen, die (Rundfunk-)<strong>Medien</strong><br />

des Nachbarlandes nutzen und mit der dortigen Kultur- und Musikszene vertraut<br />

sind, erhöht das die Aufmerksamkeit natürlich zusätzlich. Höhere Vertrautheit mit<br />

Lied, Interpret, Kulturszene und Sprache schafft Sympathie und Solidarität mit dem<br />

Beitrag des Nachbarn, was sich offenkundig bei den Votings niederschlägt.<br />

Die Befunde zu den ersten beiden Hypothesen werfen ein interessantes Schlaglicht<br />

auf den methodischen „Kunstgriff“ der Studie, fehlende Daten zur persönlichen Wahrnehmung<br />

anderer Staaten bei den ESC-Zuschauern – nur diese können wirken! – durch<br />

statistische Daten zu ersetzen. Bei einigen Variablen kann man vermuten, dass Zuschauer<br />

ein verzerrtes Bild oder auch schlichtweg überhaupt keine Vorstellung von den<br />

tatsächlichen Verhältnissen haben. Es fällt auf, dass genau bei denjenigen Status- und<br />

Nähe-Faktoren, die als allgemein bekannt vorausgesetzt werden können, die eindeutigsten<br />

Zusammenhänge vorliegen: Die meisten Zuschauer dürften eine Vorstellung davon<br />

haben, ob ein bestimmter europäischer Staat klein, mittelgroß oder groß ist, und entsprechend<br />

seine Einwohnerzahl und sein Wirtschaftsvolumen (BIP) grob einschätzen<br />

können. Das „Bruttoinlandsprodukt pro Kopf“ als Indikator für die dortigen wirtschaftlichen<br />

Verhältnisse oder die Pressefreiheit sind vermutlich weit weniger bekannt;<br />

beide Variablen erklären das ESC-Abstimmungsverhalten nur marginal bzw. nicht.<br />

Über den Kenntnisstand über Bündnismitgliedschaften in den europäischen Bevölkerungen<br />

– auch diese Variablen erweisen sich als überwiegend wirkungslos – wollen wir<br />

an dieser Stelle nicht spekulieren. Noch deutlicher wird der Zusammenhang zwischen<br />

zu vermutendem Kenntnisstand unter den Zuschauern einerseits und der Korrelation<br />

zwischen Nachrichtenfaktoren und Abstimmungsverhalten andererseits bei den Faktoren<br />

der Nähe. Ausgerechnet die geografische Nähe und das Vorhandensein einer<br />

gemeinsamen Sprache, zweifellos die bekanntesten Dimensionen, erklären hier am meisten.<br />

Wir können diese Vermutung an dieser Stelle mit den gegebenen Daten nicht weiter<br />

vertiefen; es wäre interessant, der Frage weiter nachzugehen.<br />

Den Next-Door-Giant-Effekt (Hypothese 3) können wir am deutlichsten bestätigen:<br />

Etwa gleich große Nachbarländer geben sich gegenseitig deutlich mehr Punkte als unterschiedlich<br />

große Nachbarn. Der übermächtig große Nachbar erhält gerade einmal<br />

halb so viele Punkte, doch auch der Zwerg in der Nachbarschaft muss sich mit weniger<br />

Punkten zufrieden geben. Während Journalisten bei der Nachrichtenauswahl nicht um<br />

Meldungen vom Next-Door-Giant herum kommen und entsprechend umfangreich<br />

über ihn berichten, haben die Zuschauer beim ESC die Möglichkeit, den zwar viel beachteten<br />

und wohl bekannten, aber auch argwöhnisch beäugten großen Nachbarn bei<br />

der Punktvergabe links liegen zu lassen. Schneiders (1998: 122) Lamento über die<br />

deutsch-österreichische „Feindschaft“ beim ESC lässt sich also durchaus theoretisch erklären<br />

und – für alle untersuchten Länderkonstellationen – empirisch belegen. Er<br />

291


M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />

schrieb: „Alle anderen helfen sich gegenseitig, nur den Deutschen hilft niemand. Schlimmer<br />

noch: Deutschland gibt Österreich fast nie Punkte, Österreich den Deutschen erst<br />

recht nicht.“ 22<br />

Der Anspruch der vorliegenden Studie geht über die bloße Erklärung der Stimmabgaben<br />

beim ESC hinaus. Was kann die <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong> aus den vorgelegten<br />

Befunden ableiten? Zunächst liefern sie einen weiteren Beleg dafür, dass Nachrichtenfaktoren<br />

nicht nur journalistische Heuristiken bei der Nachrichtenauswahl sind, sondern<br />

auch auf der Publikumsseite eine Rolle spielen. Bislang wurden Nachrichtenfaktoren<br />

nur zur Erklärung der Rezipientenselektivität während der kommunikativen Phase<br />

(Aufmerksamkeit) und danach (Behalten) heran gezogen. Die vorgelegten Befunde unterstreichen<br />

einerseits ihre aufmerksamkeitssteuernde Funktion, andererseits belegen sie<br />

erstmals auch ihre Entscheidungs- und Handlungsrelevanz beim Publikum. Das mag bei<br />

einer unterhaltenden Veranstaltung wie dem ESC eher unwichtig erscheinen. Überträgt<br />

man die Befunde jedoch beispielsweise auf den Bereich der internationalen politischen<br />

Kommunikation, dann lassen sich dadurch relevante Implikationen herstellen.<br />

Aufmerksamkeit, Vorwissen und Sympathien zwischen den Publika und damit Öffentlichkeiten<br />

verschiedener Länder als Bestandteile heuristischer Informationsverarbeitung<br />

spielen in internationalen Beziehungen sicherlich eine Rolle, werden gegenwärtig<br />

jedoch oft genug in <strong>wissenschaft</strong>lichen Analysen ignoriert, weil sie dem Ideal rationaler<br />

Entscheidungsfindung widersprechen. Damit wird man der Sache jedoch kaum<br />

gerecht. Bedenkt man ferner, dass sich auch Journalisten, Politiker und andere öffentlichkeitsrelevante<br />

Akteure durchaus von solchen stereotypen Wahrnehmungs- und Entscheidungsheuristiken<br />

gegenüber anderen Staaten beeinflussen lassen, drängt sich eine<br />

eingehendere Beschäftigung mit solchen „weichen“ Faktoren internationaler Beziehungen<br />

auf. Während etwa Ausländerfeindlichkeit im Inland seit Jahren ein Thema der <strong>Medien</strong>inhalts-<br />

und Wirkungsforschung ist (vgl. z. B. Brosius & Esser 1995 oder Esser et<br />

al. 2002), macht nicht nur die Nachrichtenwertforschung einen Bogen um nationale Stereotypen<br />

als Erklärfaktor für die Nachrichtenauswahl. Vielleicht trägt die vorgelegte<br />

Studie, die sich ja mit dem Eurovision Song Contest auf einem harmlosen, eher spielerischen<br />

Terrain bewegt, zu einer größeren Gelassenheit und verstärkten Aktivität in diesem<br />

Forschungsgebiet bei.<br />

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und fremdenfeindliche Gewalt. Opladen: Westdeutscher Verlag.<br />

22 Es sei allerdings angemerkt, dass diese Wahrnehmung des deutsch-österreichischen „Konflikts“<br />

zumindest in den letzten Jahren nicht mehr stimmt: Österreich gab den deutschen Beiträgen in<br />

den vergangenen fünf Jahren in drei Wettbewerben durchschnittlich 7,7 Punkte – umgekehrt<br />

waren es nur 2,3.<br />

292


Schweiger / Brosius · Eurovision Song Contest<br />

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Besprechungen<br />

Andy Ruddock<br />

Understanding Audiences<br />

Theory and Method<br />

London/Thousand Oaks/New Delhi: Sage,<br />

2001. – 201 S.<br />

ISBN 0 7619 6345 6<br />

Angesichts der enormen Fülle von empirischen<br />

Einzeluntersuchungen in der Rezeptionsforschung,<br />

vor allem bei der Heterogenität ihrer<br />

Ansätze, kann man das Unterfangen, eine Einführung<br />

in die Rezeptionsforschung zu verfassen,<br />

schlicht waghalsig nennen. Andy Ruddock<br />

hat sich der Herausforderung trotzdem gestellt.<br />

Herausgekommen ist eine übersichtliche und<br />

ausgesprochen gut geschriebene Monographie,<br />

die in sechs umfassenden Kapiteln Theorie und<br />

Methode der Publikums-, Wirkungs- resp. Rezeptionsforschung<br />

von ihren Ursprüngen an<br />

bis heute skizziert.<br />

Ruddock geht im Wesentlichen chronologisch<br />

vor. Nachdem Kapitel 1 sich um einen<br />

methodologischen Rahmen bemüht, behandelt<br />

das zweite Kapitel die Tradition der Wirkungsforschung,<br />

Kapitel 3 die Meinungsforschung,<br />

das vierte die Kultivierungsthese. Das fünfte<br />

(und längste Kapitel) behandelt die schon klassischen<br />

Rezeptionsforschungen der Cultural<br />

Studies, gefolgt von einem ebenfalls umfassenden<br />

sechsten Kapitel, das „Audiences, Media<br />

and Consumption“ behandelt und neuere Entwicklungen<br />

in den Cultural Studies diskutiert.<br />

Jedes Kapitel wird mit „exercises“ abgeschlossen,<br />

in denen Übungsfragen gestellt werden.<br />

Der Schwerpunkt der Darstellung liegt mit den<br />

beiden letzten Kapiteln klar auf den Cultural<br />

Studies, was Ruddock seinen Lesern schon im<br />

ersten Satz klar macht: „This is a book about<br />

audiences and how to study them – from a<br />

cultural studies perspective.“ (S. 1)<br />

Eine Darstellung der Publikumsforschung<br />

von Berelsons „What missing the newspaper<br />

means“ bis heute: Dies geht auf insgesamt<br />

knapp 200 Seiten natürlich nicht ohne inhaltliche<br />

Verluste und konzeptionelle Einbußen.<br />

Ruddock hat ja dankenswerterweise keine enzyklopädische<br />

Abhandlung geschrieben, in der<br />

er uns seine Kenntnis der „audience research“<br />

allumfassend bis hin zum letzten bibliographischen<br />

Nachweis ausbreitet. Das Buch kommt<br />

ohne eine einzige Fußnote aus und ist deswe-<br />

LITERATUR<br />

gen, und weil es viel mit Beispielen arbeitet,<br />

mehr als nur gut lesbar. Daher kann man Ruddock<br />

kaum vorrechnen, wen er alles nicht zitiert<br />

oder berücksichtigt hat. Mit wörtlichen<br />

Zitaten geht Ruddock ohnehin sparsam um,<br />

der Stil ist eher essayistisch. Im Großen und<br />

Ganzen ist Ruddock eine ansprechende und<br />

übersichtliche Darstellung gelungen. Dennoch<br />

ist seine notwendig selektive Darstellung in<br />

manchen Punkten sehr selektiv, etwa wenn im<br />

Kapitel zu den Cultural Studies ausgerechnet<br />

Marie Gillespies beeindruckende Untersuchung<br />

„Television, Ethnicity and Cultural<br />

Change“ fehlt. Zu kurz geraten nach meiner<br />

Wahrnehmung vor allem aber jene interpretativen<br />

Ansätze der Rezeptionsforschung, die<br />

selbst nicht den Cultural Studies zuzurechnen<br />

sind. Sie werden teils schlicht den Cultural Studies<br />

zugeschlagen (zum Beispiel die Arbeiten<br />

von James Lull), auch wenn sie da nicht wirklich<br />

hingehören, oder gar nicht erst erwähnt,<br />

etwa die einflussreichen ethnographischen Untersuchungen<br />

von Thomas Lindlof. Oder sie<br />

werden anderweitig eingelagert, etwa der Usesand-Gratifications-Approach,<br />

der auf zwei Seiten<br />

zusammengestaucht wird und, man staunt<br />

nicht schlecht, den Wirkungsstudien (Kapitel<br />

2) zugeordnet wird. In diesem Zusammenhang<br />

ist dann auch nicht ganz verständlich, warum<br />

ausgerechnet Gerbners Kultivierungsthese im<br />

Gegenzug ein eigenständiges Kapitel erhält,<br />

und dies, obwohl er explizit (S. 103) dem Wirkungsansatz<br />

(also Kapitel 2) zuzuordnen ist.<br />

Hier sind – bei aller Eloquenz in Darstellung<br />

und Duktus – im Aufbau des Buches handfeste<br />

Fehler unterlaufen, was für einen Text, der einführenden<br />

Charakter beansprucht und mit<br />

Übungen vorgeht, nicht unbedenklich ist.<br />

Generell geraten bei der Darstellung des<br />

Kultivierungsansatzes die Dinge etwas aus den<br />

Angeln. Während sonst in jedem Kapitel souverän<br />

zunächst der Ansatz in seinem Selbstanspruch<br />

und seinem Hintergrund dargestellt<br />

wird, anschließend exemplarisch methodische<br />

und inhaltliche Kritiken sachlich angeführt<br />

werden, um schließlich den jeweiligen Ansatz<br />

wiederum zu rehabilitieren, werden in Kapitel<br />

4 die Kritiken eher pauschal angeführt und<br />

schließlich als „misplaced“ (S. 110) beschrieben.<br />

Den Kultivierungsansatz als kompatibel<br />

mit Kritischer Theorie und verwandt mit den<br />

Cultural Studies zu bezeichnen (S. 107, 109 u.<br />

114), ehrt zwar Ruddocks Ansinnen, mehr Verbindendes<br />

als Trennendes zwischen dem alten<br />

295


M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />

und dem neuen Paradigma zu finden, ist aber<br />

schon ein wenig überzogen. Warum ausgerechnet<br />

der in der Scientific Community so heftig<br />

umstrittene Kultivierungsansatz solch eine<br />

Adelung erfährt, erschließt sich nicht weiter.<br />

Denn (fast) alle anderen Kapitel sind ausgesprochen<br />

souverän in der Darstellung, ja elegant<br />

im Stil, und präsentieren die jeweiligen<br />

Ansätze auch <strong>wissenschaft</strong>shistorisch als Antworten<br />

auf die historischen Umstände und<br />

drängenden Fragen der Zeit. Glanzvoll in diesem<br />

Punkt ist zum Beispiel Kapitel 2 über die<br />

Wirkungsforschung, deren Entstehung in den<br />

frühen 40er Jahren Ruddock als Zwangsaushebung<br />

beschreibt: „This marriage of scholarship<br />

and nationalism did not end on VJ day [Victory<br />

over Japan; RA]. (…) And so, a decade after<br />

conscription into the war effort, the emerging<br />

discipline of mass communication has yet to be<br />

demobbed.“ (S. 48)<br />

Das Buch hat eine entscheidende inhaltliche<br />

Schwäche. Der im Untertitel angekündigte Tenor<br />

des Buches und im ersten Kapitel mittels<br />

der Überschrift „Questions of Theory and Method“<br />

gespannte Rahmen wird nicht ausgefüllt.<br />

Zwar werden in den vorderen Kapiteln – und<br />

dies macht das Buch so anschaulich – jeweils<br />

einzelne empirische Untersuchungen exemplarisch<br />

genauer diskutiert und in ihrer Methode<br />

kritisch erläutert. Auf den Seiten 48-61, im Kapitel<br />

zur Wirkungsforschung, werden die Logik<br />

des quantitativen Procederes ausführlich<br />

erläutert, Probleme des Sampling beschrieben<br />

und speziell die in der Wirkungsforschung üblichen<br />

Experimente und Surveys als Einzelmethoden<br />

diskutiert. In Kapitel 5, das die Cultural<br />

Studies behandelt, wird auf den Seiten 128–141<br />

als Gegenstück analog die qualitative Forschungsstrategie<br />

erläutert. Wenn man sich nur<br />

ein wenig in qualitativen Methoden auskennt,<br />

kann man diese Darstellung allenfalls als bescheiden<br />

bezeichnen, insbesondere wegen der<br />

Gleichsetzung von ethnographischen Methoden<br />

mit qualitativen Untersuchungen jeglicher<br />

methodischer Provenienz. In der entsprechenden<br />

Passage bei Ruddock werden insbesondere<br />

Interviews, Gruppendiskussionen und sogar<br />

schriftliche Befragungen mit ethnographischen<br />

Verfahren in eins gesetzt. In den Cultural Studies<br />

ist das üblich, und man kann sich mit diesem<br />

Sprachspiel notgedrungen abfinden, auch<br />

wenn man es für eine entbehrliche Verwässerung<br />

des Begriffs Ethnographie in der Tradition<br />

Malinowskis halten mag, der eine ganz ein-<br />

296<br />

deutige Ansicht vertrat über die „armchair ethnography“<br />

seiner Zeit, zu der die Ethnologen,<br />

am Ende noch mit einem Whiskyglas bewaffnet,<br />

die „natives“ zum Interview auf die Veranda<br />

der Kolonialverwaltungen bestellten. Aber<br />

Ruddock bezeichnet ausgerechnet das Datenmaterial,<br />

das in Interviews und Gruppendiskussionen<br />

entsteht, als „naturally occurring<br />

data“ (S. 134). „Naturally occurring“, das<br />

klingt irgendwie nach Beobachtung von Rotwild<br />

in freier Wildbahn und als sei das Interview<br />

schon irgendwo dort draußen. Aber noch<br />

kein Interview ist bislang von selbst entstanden.<br />

Im Gegenteil ist es eine ausgesprochen artifizielle<br />

soziale Situation, die es ohne den Interviewer<br />

und seinen Leitfaden erst gar nicht<br />

gäbe, und es ist vor allem alles andere als eine<br />

„everyday practice“, auf deren Analyse die<br />

Cultural Studies, zumindest theoretisch, sonst<br />

so großen Wert legen. Es ist mehr mit der Methode<br />

des Survey verwandt als mit irgendeiner<br />

anderen qualitativen Methode. Die von Morley<br />

in „The Nationwide Audience“ eingesetzten<br />

Gruppendiskussionen haben zu Teilen selbst<br />

experimentelle Züge. Aber Ruddock gerät angesichts<br />

dieser Methoden und ihrer Daten fast<br />

ins Schwärmen ob ihrer Authentizität: „Such<br />

situations represent the closest thing that audience<br />

research can get to natural viewing situations.“<br />

(S. 136) – als gäbe es keine Untersuchungen,<br />

die mit Aufzeichnungen und/oder (teilnehmender)<br />

Beobachtung von natürlichen Rezeptionssituationen,<br />

i.e. nicht vom Forscher<br />

evozierten Daten, arbeiten. Sie stammen, Ironie<br />

der Geschichte, neben den explizit ethnographischen<br />

Arbeiten von Lindlof und Lull, mit<br />

den Studien z. B. von Gillespie und Jenkins<br />

auch aus den Cultural Studies. In diesem Punkt<br />

gibt das Buch echte Rätsel auf, weil es sowohl<br />

die qualitativen Methoden wie auch die empirischen<br />

Untersuchungen aus den Cultural Studies<br />

unter Wert präsentiert. Ansonsten ist die<br />

Lektüre ein Genuss, vor allem auch, weil Ruddock<br />

die mitunter in den Cultural Studies üblichen<br />

binären Polarisierungen (the power block,<br />

the people) meidet und sehr differenziert argumentiert.<br />

Ruth Ayaß


Irina O. Rajewsky<br />

Intermedialität<br />

Tübingen: Francke, 2002. – 216 S.<br />

ISBN 3-7720-2976-0<br />

Das Theater kopiert Fernsehformate oder arbeitet<br />

mit der Großaufnahme, die Literatur<br />

transponiert die Struktur von Videoclips, der<br />

Film adaptiert literarische Narrationsmodi, die<br />

selbst wiederum durch Bildformen des Kinos<br />

angeregt sind. Die Vielfalt intermedialer Phänomene<br />

ist ebenso eindrucksvoll wie die begriffliche<br />

(Des-)Orientierung: Multi- und Polymedialität,<br />

Trans- und Metamedialität – das<br />

sind längst nicht alle gängigen Begriffe. Ursache<br />

für die terminologische Verwirrung, so die<br />

These der Autorin, ist das Fehlen einer medienübergreifenden<br />

allgemeinen Theorie und<br />

Systematik der Intermedialität; statt eines eigenen<br />

Forschungsfeldes gibt es diverse Untersuchungen<br />

zu intermedialen Phänomenen, deren<br />

Fachtermini jeweils von der Spezifik der involvierten<br />

<strong>Medien</strong> geprägt sind. Dem will die Studie<br />

begegnen, indem sie im doppelten Sinn einführt:<br />

Mit dem Einblick in die Forschungsgeschichte<br />

wird der Leser zugleich zu methodischen<br />

und terminologischen Differenzierungen<br />

geführt, die, sukzessive aufgebaut und jeweils<br />

in einem Schema festgehalten, am Ende ein begriffliches<br />

Gerüst zur „Intermedialität“ ergeben.<br />

Über weite Strecken kann man diesem<br />

Gerüst folgen, das allerdings in seiner literaturzentrierten<br />

Systematik schließlich erneut die<br />

fachspezifische Problematik jeder Intermedialitätsforschung<br />

deutlich werden lässt.<br />

Gleichwohl ist die Studie als Einführung in<br />

den Gegenstandsbereich bestens geeignet, hat<br />

das beschriebene Verfahren, das den historischen<br />

Überblick verbindet mit einer begrifflichen<br />

Systematisierung, doch den Vorteil, dass<br />

Begriffe nicht willkürlich definitorisch verabreicht<br />

werden, sondern sich begründen in<br />

ihrem Anknüpfen an die bisherige Forschung.<br />

Terminologische Entscheidungen bleiben auf<br />

diese Weise transparent, selbst wenn man sie<br />

nicht übernehmen möchte.<br />

Um das Forschungsfeld Intermedialität insgesamt<br />

von genetischer Einflussforschung, von<br />

Quellenkunde und Stoffgeschichte abzugrenzen,<br />

plädiert Rajewsky zunächst für einen weiten<br />

Begriff der Intermedialität, der alle Phänomene<br />

betrifft, die <strong>Medien</strong>grenzen überschreiten<br />

und zwischen (inter) distinkten <strong>Medien</strong><br />

angesiedelt sind, während Intramedialität<br />

Literatur · Besprechungen<br />

Relationen innerhalb desselben Mediums<br />

meint und Transmedialität den Rekurs auf Motive<br />

oder Genres, die nicht (mehr) an eine mediale<br />

Präsentationsform gebunden sind.<br />

Dieser weite Begriff von Intermedialität<br />

wird im Folgenden eingegrenzt. Auf dem<br />

Hintergrund der maßgeblichen Forschungsstränge,<br />

der traditionellen komparatistischen<br />

Erforschung der „Wechselwirkungen der<br />

Künste“einerseits, der Film- und <strong>Medien</strong><strong>wissenschaft</strong><br />

andererseits, die seit den 70er Jahren<br />

das Verhältnis von Literatur und Film untersucht<br />

haben, unternimmt Rajewsky eine markante<br />

Grenzziehung, indem sie drei Bereiche<br />

des Intermedialen unterscheidet, die üblicherweise<br />

vermischt werden: <strong>Medien</strong>kombination,<br />

<strong>Medien</strong>wechsel und intermediale Bezüge.<br />

Die Begründung: Das Intermediale habe hier<br />

jeweils unterschiedliche Qualitäten, was entsprechend<br />

verschiedene Forschungsinteressen<br />

bedinge.<br />

Bei der <strong>Medien</strong>kombination betrifft das Intermediale<br />

das Produkt, zwei- oder mehrere<br />

mediale Systeme treten in Kombination – wie<br />

z. Β. bei den per se plurimedialen Künsten Film<br />

und Oper –; aber es findet kein Bezug eines <strong>Medien</strong>produkts<br />

auf ein anderes statt. Das Forschungsinteresse<br />

richtet sich auf die Auswirkungen<br />

und ästhetischen Effekte des Zusammenspiels<br />

unterschiedlicher medialer Systeme.<br />

Beim <strong>Medien</strong>wechsel – dazu gehören Literaturverfilmungen,<br />

Literaturopern, Adaptionen,<br />

Inszenierungen dramatischer Texte – betrifft<br />

das Intermediale den Produktionsprozess: die<br />

Transformation eines medienspezifischen Produkts<br />

in ein anderes. Die Erforschung gilt hier<br />

den Veränderungen, die sich infolge des Transfers<br />

in ein anderes semiotisches System ergeben.<br />

Der dritte Bereich der intermedialen Bezüge<br />

– zumeist mit Intermedialität gleichgesetzt<br />

(oder als Intermedialität im engeren Sinn<br />

bezeichnet) – betrifft den Bezug z. B. eines literarischen<br />

Textes, Filmes oder Gemäldes auf<br />

ein anderes Medium bzw. auf ein anderes semiotisches<br />

System. Das Intermediale berührt<br />

hier das Verfahren der Bedeutungskonstitution,<br />

die Art und Weise, wie ein mediales Produkt<br />

mit den eigenen Mitteln jeweils Elemente,<br />

Strukturen und Verfahren eines anderen Mediums<br />

thematisiert. Auf diesen Bereich „intermedialer<br />

Bezüge“ konzentrieren sich die weiteren<br />

Ausführungen, in denen die Autorin aus einer<br />

– wie sie sagt – „literaturzentrierten Perspektive“<br />

den literarischen Rekurs auf audiovisuelle<br />

297


M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />

<strong>Medien</strong>, das Fernsehen und den Film begrifflich<br />

zu differenzieren versucht.<br />

Diese Unterteilung intermedialer Forschungsfelder<br />

erscheint erst einmal klärend, ermöglicht<br />

sie doch eine Präzisierung der jeweiligen<br />

Erkenntnisinteressen. Im Verlauf der Ausführungen<br />

wird jedoch deutlich, dass sich die<br />

Eingrenzungen motivieren durch die Konzentration<br />

auf den literatur<strong>wissenschaft</strong>lichen Gegenstand.<br />

Sie ermöglicht der Autorin allerdings,<br />

die Probleme literatur<strong>wissenschaft</strong>licher<br />

Intermedialitätsforschung sehr nachdrücklich<br />

zu stellen.<br />

Aus den spezifischen Konditionen des Mediums<br />

–Literatur ist „monomedial“und verbalsprachlich<br />

– folgt, dass der Bezug auf ein anderes<br />

Medium immer nur „simuliert“, „thematisiert“,<br />

„imitiert“ oder „evoziert“ werden kann.<br />

Da es keine Kopräsenz unterschiedlicher <strong>Medien</strong><br />

gibt, hat die Bezugnahme hier immer Als-<br />

Ob-Charakter (H. B. Heller). Dieser Als-Ob-<br />

Charakter wird jedoch, so die Verfasserin,<br />

durch Beschreibungen geleugnet, die in einer<br />

Anleihe an die Fachterminologie des Films –<br />

mit Begriffen wie „montieren“, „zoomen“,<br />

„schneiden“ etc. – eine materielle Präsenz des<br />

anderen Mediums suggerieren und damit die<br />

theoretischen Schwierigkeiten, eine Bezugnahme<br />

auf audiovisuelle <strong>Medien</strong> im Medium der<br />

Sprache sowohl nachzuweisen wie zu beschreiben,<br />

verstellen.<br />

Diesem Problem, der eigentlichen Unmöglichkeit,<br />

dass ein Text mit seinen eigenen Mitteln<br />

medienspezifische Komponenten eines<br />

fremdmedialen Bezugssystems nicht reproduzieren<br />

kann, geht Rajewsky ausführlich nach.<br />

Sie begegnet ihm durch den Entwurf eines begrifflichen<br />

Konzepts, das anschließt an die Diskussion<br />

der 90er Jahre, als man begann, die Intermedialität<br />

aus dem Bereich der Intertextualität<br />

abzuleiten (v. a. W. Wolf). Aufgenommen<br />

aus der Intertextualitätsforschung werden die<br />

Unterscheidung von Einzelreferenz und Systemreferenz<br />

(K. W. Hempfer) sowie die Kategorien<br />

„Systemerwähnung“ und „Systemaktualisierung“<br />

(F. Penzenstadler), die von der<br />

Verfasserin für die Analyse intermedialer Bezüge<br />

adaptiert werden. In der Analyse von Texten<br />

der italienischen und englischen Literatur<br />

der 90er Jahre wird das verfeinerte terminologische<br />

Instrumentarium eingesetzt und erprobt.<br />

Hier allerdings verschiebt sich die Relation<br />

von begrifflicher Differenzierung und<br />

Erkenntnisgewinn, insofern sich die Katego-<br />

298<br />

rienbildung tendenziell gegenüber dem literarischen<br />

Gegenstand verselbstständigt. Nur im<br />

Ausblick geht es um die Erörterung der ästhetischen<br />

Potenziale, der Frage, wie intermediale<br />

Bezüge die Möglichkeiten literarischen Erzählens<br />

modifizieren, erweitern und transformieren.<br />

Ob die entwickelten Kategorien übertragbar<br />

sind, wenn es nicht allein um intermediale Bezüge<br />

im Verhältnis Literatur/Film geht, erscheint<br />

aus zwei Gründen fraglich: Die fokussierten<br />

Probleme betreffen v. a. das „monomediale“<br />

Medium Literatur; dass auch die „multioder<br />

plurimedialen“ <strong>Medien</strong> gleichzeitig intermediale<br />

Bezüge herstellen, wird kursorisch<br />

thematisiert, jedoch anhand von formal wenig<br />

komplexen Beispielen. Auffällig ist in diesem<br />

Zusammenhang, dass eine Kunstform, die als<br />

„<strong>Medien</strong>kombination“ eine sehr lange Tradition<br />

hat, kaum Erwähnung findet; als „plurimediale“<br />

Formen werden immer wieder Oper,<br />

Film und Klangkunst genannt – nicht aber das<br />

Theater. Beiläufig wird es am Ende – in eher<br />

sonderbarer Terminologie – angesprochen als<br />

„Bühnendrama“. Zum anderen ist die Beschreibung<br />

des „kontaktgebenden“ Mediums –<br />

hier des Films – oft unspezifisch und filmtheoretisch<br />

unausgewiesen; die Frage der notwendigen<br />

fach<strong>wissenschaft</strong>lichen Kompetenz – hier<br />

der film<strong>wissenschaft</strong>lichen – bei der Erforschung<br />

intermedialer Bezüge wird an keiner<br />

Stelle erörtert.<br />

Gleichwohl: Das Buch ermöglicht, erleichtert<br />

durch ein Glossar und eine immer transparente<br />

Argumentation, eine Einführung und<br />

systematisch Orientierung im weiten Feld der<br />

Intermedialität, indem es vor allem die methodischen<br />

und theoretischen Probleme der bisherigen<br />

Forschung verdeutlicht.<br />

Theresia Birkenhauer


Michael Haller (Hrsg.)<br />

Die Kultur der <strong>Medien</strong><br />

Untersuchungen zum Rollen- und Funktionswandel<br />

des Kulturjournalismus in der<br />

<strong>Medien</strong>gesellschaft<br />

Münster: LIT Verl., 2002. – 234 S.<br />

(Reihe <strong>Medien</strong>: Forschung und<br />

Wissenschaft; 1)<br />

ISBN 3-8258-5907-X<br />

Nicht nur in der Politik, sondern auch im <strong>Medien</strong>bereich<br />

scheint zu gelten: In Zeiten wachsender<br />

Bedeutung der Wirtschaft gerät die Kultur<br />

in die Krise. In einer Zeit der steigenden<br />

Konzentrationsbildung von <strong>Medien</strong>unternehmen<br />

verändert sich auch die etablierte Zielrichtung<br />

des Kulturjournalismus weg von der Einflussnahme<br />

auf Kulturschaffende hin zur<br />

Orientierung an Leserinteressen.<br />

In seiner Einleitung zum <strong>Medien</strong>wandel im<br />

Kulturprozess beschreibt Michael Haller die<br />

historische Entwicklung des Feuilletons als<br />

Grundlage zeitbezogener Zielsetzungen. Seine<br />

Festschrift für Siegfried Schmidt wählt zwei<br />

unterschiedliche Perspektiven: „Die eine ist auf<br />

das <strong>Medien</strong>system gerichtet und thematisiert<br />

die mediale Kommunikation als Kultur. Die<br />

andere gilt dem Journalismus, der Kultur als<br />

Gegenstandsbereich aufgreift, über Ereignisse<br />

berichtet, Kulturgeschehen beschreibt und darüber<br />

räsoniert.“ (11) Beide Perspektiven werden<br />

aus dem Blickwinkel von Praktikern und<br />

Wissenschaftlern behandelt. Dieser Dialog<br />

führt zu vielfältigen Blickwinkeln auf unterschiedliche<br />

Aspekte des Themas Kultur. An einigen<br />

Stellen leidet allerdings etwas die editorische<br />

Sorgfalt. So finden sich in der Bibliographie<br />

einige Doppelnennungen unmittelbar<br />

nacheinander und auch der Siegener <strong>Medien</strong><strong>wissenschaft</strong>ler<br />

Helmut Kreuzer wird nicht mit<br />

tz geschrieben.<br />

Die Beiträge des Bandes gliedern sich in die<br />

Teilbereiche: 1. <strong>Medien</strong>produktion: Das Thema<br />

Kultur, 2. Kulturproduktion: Die <strong>Medien</strong><br />

als Kultur, Wandel der Wahrnehmungskulturen<br />

und 3. Transformationen: Perspektiven der<br />

<strong>Medien</strong><strong>wissenschaft</strong>en.<br />

Der Fernsehredakteur Manfred Eichel<br />

(ZDF) beschreibt im ersten Teilbereich Veränderungen<br />

des Kulturbegriffs im Bereich von<br />

Magazinsendungen des Fernsehens, die den<br />

Anspruch erheben, „einen relevanten Kulturbegriff<br />

vor Augen zu haben und ihn in allen sei-<br />

Literatur · Besprechungen<br />

nen Facetten zu bespielen.“ (21) Nach einer<br />

Phase der politisch motivierten Ausweitung<br />

des Kulturbegriffs in den siebziger Jahren diagnostiziert<br />

Eichel eine stärkere Unterhaltungsorientierung<br />

unter dem wachsenden Quotendruck<br />

der achtziger Jahre. Das aktuelle Erscheinungsbild<br />

von Kultur im Fernsehen ist<br />

von einer Mischung beider Entwicklungen geprägt.<br />

Kulturmagazine, so Eichel, „sind trotz<br />

aller programmatischen Unterhaltsamkeit wieder<br />

kulturiger geworden und sie sind von Fall<br />

zu Fall politisch geblieben.“ (25)<br />

Für den Bereich der Printmedien beschreibt<br />

Zeit-Ressortleiter Jens Jessen die fortschreitende<br />

Politisierung des Feuilletons an aktuellen<br />

Beispielen, etwa der FAZ. Das politisierende<br />

Feuilleton verdanke sich „keinem genuinen Interesse<br />

an der Politik, sondern einem Deutungsinteresse,<br />

dem zwangsläufig auch politische<br />

Themen vor die Flinte kamen.“ (31) Jessen<br />

versteht das Feuilleton als theoretischen Überbau<br />

aller Ressorts. Dennoch sei das Feuilleton<br />

„ein Ressort mit sinkender Akzeptanz (bei Lesern<br />

und Verlegern) und höchst unsicheren Zukunftsaussichten.“<br />

(29) Die Politisierung des<br />

Feuilletons versteht Jessen auch als Teil der<br />

Überlebensstrategie des Ressorts. Ein politisches<br />

Feuilleton könne mehr Spektakel machen<br />

als eine noch so glänzende Theaterkritik. (34)<br />

Hier scheint sich eine resignative Grundhaltung<br />

ihre Konzepte des Rückzugs aus einem in<br />

der Konkurrenz der Printmedien wenig gefragten<br />

Themenkomplex zu suchen.<br />

Die Beiträge von Lothar Mikos und Rüdiger<br />

Steinmetz fallen durch ihre Ansätze in unterschiedliche<br />

Richtungen aus dem Rahmen der<br />

Gesamtkonzeption des Bandes. Mikos zeigt<br />

medientheoretisch eher abstrakt die gesellschaftliche<br />

Funktion des Fernsehens als kulturelles<br />

Forum und seine Bedeutung im Alltag<br />

der Menschen. Steinmetz wählt die umgekehrte<br />

Argumentationslinie vom Besonderen hin<br />

zum Allgemeinen und zeigt am Beispiel von<br />

„Big Brother“ den Wandel vom Fernsehen als<br />

Kulturgut zum Fernsehen als Wirtschaftsgut.<br />

Seiner Analyse des Formats, die weitgehend<br />

ohne Verweise zu anderen Untersuchungen<br />

bleibt, folgt eine Kette von Thesen, die man lieber<br />

im eigentlichen Text gelesen hätte.<br />

Im Abschnitt zu den Wahrnehmungskulturen<br />

befasst sich Elisabeth Fiedler mit dem Einfluss<br />

des journalistischen Sprachgebrauchs auf<br />

die Ausprägung eines kulturellen Sprachverhaltens.<br />

Merkwürdig mutet hier ihre konserva-<br />

299


M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />

tive Kritik an der Verwendung von Anglizismen<br />

an, zumal die von ihr konstatierte Bedeutungsgleichheit<br />

von trashig und kitschig leider<br />

nicht ganz zutrifft. Schön hingegen ihre Wortschöpfung<br />

eines „Potcom-Startup“ (118) anstelle<br />

der Dotcom-Unternehmen.<br />

Thomas Knieper verweist auf das Paradox,<br />

dass die westliche <strong>Medien</strong>kultur visuell orientiert<br />

ist, gleichzeitig aber eine kulturhistorische<br />

Tradition der Bildkritik besteht. Er stellt verschiedene<br />

Fragestellungen und Forschungsansätze<br />

der visuellen Kommunikation vor.<br />

Während Knieper das Fernsehen ins Zentrum<br />

seines Beitrags stellt, befasst sich Hans-Jürgen<br />

Bucher außer mit der Entwicklung von Visualisierung<br />

in den Printmedien auch mit Möglichkeiten<br />

und Problemen der Bildgestaltung. Er<br />

zeigt aber Gewinn bringend auf, wie Grundzüge<br />

des Zeitungsdesigns auch das aktuelle Webdesign<br />

beeinflussen. Jochen Schlevoigt zeigt,<br />

leider an anderer Stelle das Bandes, obwohl beide<br />

Beiträge sich gut ergänzen, anhand eines<br />

materialreichen historischen Überblicks die<br />

Bedeutung der Kulturtechnik Design für die<br />

Zeitungen.<br />

Der Schlussteil von Sammelbänden ist – wie<br />

so häufig – dem Ausblick auf künftige Entwicklungen<br />

des Journalismus‘ und seiner <strong>wissenschaft</strong>lichen<br />

Erforschung vorbehalten. Margret<br />

Lünenborg widmet sich Veränderungen<br />

auf der Angebotsebene. Sie befasst sich mit der<br />

bislang wenig beachteten Orientierungsfunktion<br />

fiktionaler Vermittlungselemente im Journalismus.<br />

Es zeigt sich, dass die klassische<br />

Dichotomie von Fakten und Fiktionen in der<br />

<strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong> differenzierteren<br />

Kategoriebildungen weichen sollte. Mit<br />

diesem Zugriff verändert sich auch die Auffassung<br />

von der Aufgabenstellung des Journalismus.<br />

Margret Lünenborg sieht neben der Informationsvermittlung<br />

auch die Aufgabe „der<br />

Herstellung eines gemeinsamen kulturellen<br />

Selbstverständnisses innerhalb der Gesellschaft.“<br />

(177) Christoph Neuberger konstatiert<br />

einen von den neuen <strong>Medien</strong> ausgehenden<br />

grundlegenden Wandel der journalistischen<br />

Berufskultur. Im Internet drohe der Journalismus<br />

als kulturelle Form zu verschwinden, „da<br />

er mit vielen neuen Kommunikatoren konkurriert.“<br />

(200)<br />

Michael Haller wählt in seinem Schlussbeitrag<br />

einen umfassenden Ausblick auf die Probleme<br />

der <strong>Medien</strong>kommunikation in einer globalisierten<br />

Universalkultur. Was so global und<br />

300<br />

allgemein beginnt, endet jedoch in erfahrbarer<br />

Nähe: „Wenn westliche Kulturexpansion nicht<br />

zur Weltgesellschaft, eher zu sich verschärfenden<br />

Konflikten führt, dann liegt der Funktionszweck<br />

interkultureller <strong>Medien</strong>kommunikation<br />

eher in der Regionalisierung globaler<br />

Wertkonflikte“. William Faulkner hat es kürzer<br />

formuliert: „The local is the universe.“<br />

Joan Kristin Bleicher<br />

Siegbert Messmer<br />

Digitales Fernsehen in Deutschland<br />

Eine industrieökonomische Analyse des<br />

wirtschaftspolitischen Handlungsbedarfs<br />

Frankfurt am Main u.a.: Peter Lang 2002. –<br />

352 S.<br />

ISBN 3-631-38888-8<br />

Siegbert Messmer untersucht in seiner Dissertation,<br />

inwieweit die Digitalisierung des Fernsehens<br />

durch die Vervielfachung der Übertragungskapazitäten<br />

zu einer Wettbewerbsintensivierung<br />

im deutschen Fernsehen führen wird.<br />

Auf Grundlage des industrieökonomischen<br />

Analyserahmens untersucht er die verschiedenen<br />

Wertschöpfungsstufen des digitalen Fernsehens<br />

in Deutschland hinsichtlich möglicher<br />

Marktunvollkommenheiten und leitet wirtschaftspolitische<br />

Maßnahmen ab.<br />

Nach einer Einführung erläutert der Autor<br />

im zweiten Kapitel die technischen Rahmenbedingungen<br />

des digitalen Fernsehens, insbesondere<br />

die Übertragungstechnik und Nutzungsmöglichkeiten<br />

der verschiedenen Übertragungswege.<br />

Dies geschieht sehr ausführlich<br />

und liefert eine hilfreiche Grundlage für die<br />

weitere Analyse. Der Leser erfährt viele technische<br />

Details, die auch für die ökonomische Beurteilung<br />

von Bedeutung sind. Messmer greift<br />

Begriffsbestimmungen anderer Autoren für digitales<br />

Fernsehen auf und kommt zu einer wenig<br />

überraschenden, aber zweckmäßigen Definition,<br />

indem er digitales Fernsehen definiert<br />

als „Angebote … die in Form digitaler Daten<br />

… transportiert … keine reinen ‚One-toone‘-<strong>Kommunikations</strong>dienste<br />

darstellen, …<br />

und zu deren Empfang eine Settop-Box verwendet<br />

werden muß, …“ (S. 63).<br />

Im darauf folgenden Kapitel erläutert Messmer<br />

die rechtlichen Grundlagen für die Konzentrationskontrolle<br />

des digitalen Fernsehens


in Deutschland und vergleicht Rundfunkrecht<br />

und Kartellrecht. Dieses Kapitel fällt sehr<br />

knapp und oberflächlich aus. Der Autor entwirft<br />

eine „systemadäquate Konzentrationskontrolle<br />

im Bereich digitalen Fernsehens“<br />

(S. 75f). Diese Ausführungen sind aber nicht<br />

nur deplatziert, da sie schon vor der Analyse<br />

der ökonomischen Tatbestände erfolgen, sondern<br />

fallen mit einem Umfang von nur einer<br />

einzigen Seite indiskutabel knapp aus.<br />

Der Hauptteil der Arbeit folgt im vierten<br />

Kapitel, in dem Messmer Marktunvollkommenheiten<br />

im digitalen Fernsehen in Deutschland<br />

analysiert. Er stellt zunächst fest, dass digitales<br />

Fernsehen den Öffentlichen-Guts-Charakter<br />

der Nicht-Rivalität besitzt, im Vergleich<br />

zum analogen Fernsehen aber die Ausschließbarkeit<br />

vom Konsum einfacher zu bewerkstelligen<br />

ist. Die Auswirkungen dieser Eigenschaften<br />

werden detailliert analysiert. Nach einer<br />

Darstellung der Wertschöpfungskette des digitalen<br />

Fernsehens untersucht er anschließend<br />

die Programm- und die Distributionsebene auf<br />

das Vorliegen von Markteintrittsbarrieren in<br />

Form von Größen- und Verbundvorteilen sowie<br />

von versunkenen Kosten. Die vorangestellten<br />

Marktabgrenzungen sind leider oberflächlich<br />

und wenig hilfreich für die folgende<br />

Analyse, zumal der Autor hierfür das Industriekonzept<br />

verwendet und nicht das Bedarfsmarktkonzept,<br />

was angemessener erscheint.<br />

Für die Programmebene kommt Messmer<br />

zu dem Ergebnis, dass die Größenvorteile<br />

hier sehr groß sind, so dass die Tendenz zu<br />

einem natürlichen Monopol besteht. Andererseits<br />

zeigt die Empirie, dass es verschiedene<br />

Programmanbieter gibt und die Marktanteile<br />

der großen Fernsehveranstalter abgenommen<br />

haben, was Messmer zu Recht mit der Heterogenität<br />

der Konsumentenpräferenzen erklärt.<br />

Messmer erwartet für das digitale Fernsehen<br />

eine Zunahme des Wettbewerbs, da neue Anbieter<br />

wegen der erhöhten Anzahl an Distributionskanälen<br />

auf den Markt eintreten können.<br />

Im Bereich der Distribution des digitalen Fernsehens<br />

konstatiert Messmer eine im Vergleich<br />

zur Programmebene deutlich größere Konzentrationstendenz<br />

infolge von Größen- und Verbundvorteilen<br />

in Verbindung mit hohen versunkenen<br />

Kosten. Dies gilt insbesondere für<br />

die Kabelnetze und die spezifischen Distributionsdienstleistungen<br />

(Zugangskontrollsystem,<br />

Packaging, Navigationssysteme). Da Messmer<br />

die Marktunvollkommenheiten aufgrund der<br />

Literatur · Besprechungen<br />

Kostensituation für am bedeutendsten hält,<br />

streift er weitere Ursachen (asymmetrische Informationen<br />

und anderes) nur am Rande.<br />

In Kapitel fünf gibt Messmer einen kurzen<br />

Überblick über die Wettbewerbsverhältnisse<br />

im deutschen Digitalfernsehen und hebt besonders<br />

die Gefahr vertikaler Konzentration hervor.<br />

Zur besseren Einordnung gibt er einen<br />

hilfreichen Einblick in den Entwicklungsstand<br />

des digitalen Fernsehens in anderen Ländern.<br />

Auf Grundlage der vorangegangenen Untersuchungen<br />

entwickelt Messmer in Kapitel<br />

sechs wirtschaftspolitische Instrumente für das<br />

digitale Fernsehen. Er konzentriert sich dabei<br />

auf die Distributionsebene, das Lizenzierungsverfahren<br />

sowie die Preisgestaltung für das<br />

digitale Fernsehen. Aufgrund der Gatekeeper-<br />

Position der digitalen Netzbetreiber und der<br />

damit verbundenen Missbrauchsmöglichkeiten<br />

fordert der Autor zunächst eine vertikale Desintegration<br />

von Infrastrukturbetreibern und<br />

Diensteanbietern. Darüber hinaus skizziert er<br />

Regelungen, die einen diskriminierungsfreien<br />

Zugang zu den digitalen Dienstleistungen wie<br />

das Multiplexing ermöglichen sollen. Er greift<br />

dabei auf in der Literatur bekannte Vorschläge<br />

zurück. Außerdem fordert er eine Auktion der<br />

Übertragungslizenzen und umreißt einige Anforderungen<br />

an ein derartiges System. Das Kapitel<br />

schließt mit der Feststellung, dass infolge<br />

der Digitalisierung Pay-TV einfacher einzusetzen<br />

ist, was den Vorteil mit sich bringt, dass die<br />

Präferenzen der Zuschauer besser erkannt und<br />

bedient werden können.<br />

Das Buch endet mit einer Zusammenfassung<br />

der Ergebnisse, in der der Autor hervorhebt,<br />

dass das digitale Fernsehen die Voraussetzung<br />

dafür schafft, Meinungsvielfalt aus dem Marktgeschehen<br />

heraus realisieren zu können, weil<br />

eine große Anzahl von unabhängigen Programmveranstaltern<br />

Fernsehprogramme anbieten<br />

kann. Daher ist der Forderung, grundsätzlich<br />

das Instrumentarium des Kartellrechts<br />

anzuwenden, zuzustimmen.<br />

Als Fazit bleibt festzuhalten, dass Messmer<br />

mit seiner Arbeit eine detaillierte und hilfreiche<br />

Analyse des digitalen Fernsehens vorgelegt hat,<br />

die viele Literaturquellen verarbeitet und einen<br />

detaillierten Überblick bietet, wenn auch wenig<br />

neue oder überraschende Erkenntnisse geboten<br />

werden.<br />

Marco Czygan<br />

301


M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />

Andreas Hepp / Martin Löffelholz (Hrsg.)<br />

Grundlagentexte zur transkulturellen<br />

Kommunikation<br />

Konstanz: UVK 2002. – 897 S.<br />

(Reihe UTB; 2371)<br />

ISBN 3-8252-2371-X<br />

Die mit der Globalisierung im Zusammenhang<br />

stehenden Prozesse haben in beinahe alle Wissenschaften<br />

zu theoretischen und damit verbundenen<br />

begrifflichen Anstrengungen geführt,<br />

mit denen die gesellschafts- und kulturverändernde<br />

Kraft einzufangen versucht wird.<br />

Dazu gehören insbesondere Fragen des Kontakts<br />

und Austausches über nationalkulturelle<br />

Grenzen und geographische Räume hinweg.<br />

Neben bereits eingeführten Begriffen wie Interkulturalität<br />

und Internationalität treten jüngere<br />

Begriffe wie Transnationalität, kulturelle<br />

Hybridität oder kultureller Synkretismus, denen<br />

mitunter der Begriff des Kulturimperialismus<br />

gegenübersteht. An der Nahtstelle all dieser<br />

Prozesse scheint die <strong>Medien</strong>- und <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong><br />

in besonderer Weise<br />

herausgefordert, die unterschiedlichen Aspekte<br />

des globalen Austauschs und des internationalen<br />

und interkulturellen Kulturkontakts, die<br />

mit Kommunikation über geographische aber<br />

vor allem nationalsprachliche Grenzen hinweg<br />

verbunden sind, zu sondieren. Die Vielfalt der<br />

entstehenden kommunikativen Formen des<br />

Austauschs, des Kulturkontakts und der kulturellen<br />

Veränderungen hat im letzten Jahrzehnt<br />

gerade in dieser Disziplin weitere theoretische<br />

Ansätze hervorgebracht, die das bestehende –<br />

erstmals von Maletzke beschriebene – Analysespektrum<br />

internationaler und interkultureller<br />

Kommunikation, das unzweifelhaft schon hier<br />

als interdisziplinäres Feld ausgewiesen ist, um<br />

Begriffe und Konzepte wie Deterritorialisierung,<br />

Transkulturalität und Translokalität erweitert.<br />

Übersicht über die bestehende theoretische<br />

und konzeptionelle Vielfalt zu ermöglichen,<br />

darf als vorrangige Absicht des angesichts seines<br />

Umfangs von knapp 900 Seiten weit über<br />

ein Kompendium zur internationalen <strong>Kommunikations</strong>forschung<br />

hinaus gehenden Buches<br />

bezeichnet werden, mit dem „Grundlagentexte<br />

zur transkulturellen Kommunikation“ vorgelegt<br />

werden.<br />

Als ein willkommenes Ergebnis liefert der<br />

Band mehrere, erstmals in deutschsprachiger<br />

302<br />

Übersetzung erscheinende Texte von bereits<br />

anderswo publizierten Artikeln sowie Originalbeiträge<br />

von mit der Thematik verbundenen<br />

Autoren, darunter u. a. Rosengren, Silverstone,<br />

Tomlinson, Hall, Morley, Gillespie sowie<br />

Liebes und Katz. Angesichts der Vielzahl<br />

an Beiträgen – inkl. der Einleitung der beiden<br />

Herausgeber handelt es sich um 36 Artikel –<br />

wäre jedoch neben einer gemeinsamen Bibliographie<br />

für alle Beiträge auch ein Register hilfreich<br />

gewesen, um das Buch abzurunden und<br />

vor allem um die zur Anwendung kommenden<br />

theoretischen Positionen und Schlagworte vergleichend<br />

leichter erschließen zu können. Angesichts<br />

der unternommenen editorischen Anstrengungen<br />

ist dies besonders schade.<br />

In einer Reihe von Beiträgen werden aber<br />

nicht nur die begrifflichen Grenzmarken neu<br />

vermessen, sondern gerade die mit den Begriffen<br />

belegten kulturellen Veränderungen und<br />

Verschränkungen analysiert und deren Auswirkungen<br />

auf die <strong>Medien</strong>kultur und Kommunikation<br />

im nationalen und internationalen<br />

bzw. globalen Maßstab beschrieben und bewertet.<br />

Ergebnis der Zusammenschau der Leistung<br />

aller Beiträge ist ein jüngerer, zugleich<br />

auch als Buchtitel geführter Begriff der „transkulturellen<br />

Kommunikation“, der nun selbst in<br />

dem Lichtkegel betrachtet werden muss, den<br />

das Buch wirft: die <strong>wissenschaft</strong>liche Einordnung<br />

all dieser begrifflichen und theoretischen<br />

Anstrengungen.<br />

Die von den Herausgebern vorgelegte<br />

Sammlung der unterschiedlichen Beiträge,<br />

Themen und Perspektiven soll verdeutlichen,<br />

dass „Kulturen […] mediatisiert, multiethnisch<br />

und stark differenziert nach Milieu, Lebensform<br />

und Lebensstilen“ begriffen werden müssen,<br />

„[…] die über Lokalitäten hinweg bestehen“<br />

(S. 17). Der Ansicht der Herausgeber nach<br />

erlaubt das – u. a. in Rekurs auf eine Definition<br />

von W. Welsch aber auch von K. Luger – die<br />

Einbindung der transkulturellen Perspektive in<br />

die internationale <strong>Kommunikations</strong>forschung.<br />

Der Gewinn des Buches liegt somit zuallererst<br />

darin, die Bewegungsrichtung zu einer aus<br />

den kulturellen Veränderungen des letzten<br />

Jahrzehnts entstehenden neuen Qualität kommunikativen<br />

Austauschs erkennbar werden zu<br />

lassen. Mit der fünfteiligen Untergliederung<br />

wird diese nochmals auf unterschiedlichen Feldern<br />

der internationalen <strong>Kommunikations</strong>forschung<br />

nachvollzogen. Im vorliegenden Rahmen<br />

wird es unmöglich sein, alle Beiträge zu


würdigen. Im Vordergrund stehen daher Fragen<br />

zum Aufbau des Bandes, also der Anordnung<br />

der Beiträge, sowie abschließend die<br />

theoretischen und begrifflichen Leistungen<br />

und Klärungen.<br />

Die thematische, auf kulturelle Fragen bezogene<br />

Eingrenzung wird unter der Überschrift<br />

„Bezugspunkte transkultureller Kommunikation“<br />

mit Beiträgen von Rosengren, Hess-Lüttich,<br />

Hall, Sklair, Tomlinson, Mohammadi und<br />

Löffelholz eingeleitet. Zentrale Probleme der<br />

Auseinandersetzung bilden neben dem Kulturbegriff<br />

die Auswirkungen internationaler und<br />

interkultureller Kommunikation (Rosengren)<br />

auf den Gebieten des globalen Kulturaustauschs<br />

(Sklair), in Situationen der Kulturkonflikts<br />

(Hess-Lüttich), unter Bedingungen des<br />

Kulturimperialismus (Tomlinson) oder in der<br />

Krisenkommunikation (Löffelholz). Dominant<br />

sind Fragen der Internationalität sowie Interkulturalität.<br />

Explizit wird auf „transkulturelle<br />

Kommunikation“ in diesem Kapitel allein<br />

in dem Beitrag von Löffelholz verwiesen.<br />

Das Verhältnis von <strong>Medien</strong>politik und den<br />

globalen bzw. international agierenden Institutionen<br />

der Kulturproduktion thematisieren die<br />

Beiträge von Donges, Kunczik und Zipfel, Negus,<br />

C. Winter, Meckel, F. Esser sowie Kleinsteuber<br />

im zweiten Kapitel. Die Herausforderung<br />

der <strong>Medien</strong>politik ist angesichts ihrer „lediglich“<br />

auf nationalkulturelle Prozesse bezogenen<br />

Steuerungsmöglichkeiten derzeit wohl<br />

am stärksten. Folgerichtig stehen die Auswirkungen<br />

der Globalisierung auf nationale <strong>Kommunikations</strong>räume<br />

und transnational wirksame<br />

Management- und Steuerungsmöglichkeiten<br />

im Mittelpunkt der Beiträge. Neben den<br />

politischen Reaktionen auf die Globalisierung<br />

bei Donges geht es um praxisrelevante Herausforderungen<br />

(Meckel) eines transkulturellen<br />

<strong>Medien</strong>- und Redaktionsmanagements sowie<br />

um die <strong>wissenschaft</strong>lichen Herausforderungen<br />

einer transnationalen Journalismusforschung<br />

(F. Esser).<br />

Der Frage des Öffentlichkeitswandels unter<br />

dem Einfluss transkulturell Verbreitung findender<br />

<strong>Medien</strong>produkte widmen sich – angefangen<br />

von Fragen der Programmressourcen<br />

des Fernsehens über die Veränderung der Presse<br />

bis hin zur globalen Rolle des Internets –<br />

Beiträge von Ch. Barker, Prokop, Hallenberger,<br />

Mikos, Müller, Renger und H. J. Bucher.<br />

Die Veränderung des europäischen Programmmarktes<br />

wird im Beitrag von Hallenberger zu<br />

Literatur · Besprechungen<br />

dem Eurofiction-Forschungsverbund betrachtet,<br />

während in den Beiträgen von Mikos, Renger<br />

und Müller der Wandel der Unterhaltungskommunikation<br />

mit seinen transnationalen<br />

Hintergründen Beachtung findet. In den bisherigen<br />

Beiträgen lässt sich dabei ein unterschiedlicher,<br />

kein einheitlicher Aufgriff des Konzepts<br />

Transkulturalität ausmachen. Oftmals wird<br />

Transkulturatät auch bloß schlagwortartig zur<br />

Markierung eines Unterschieds eingesetzt.<br />

Den deutlichsten Bogen zum ersten Kapitel<br />

schlagen dann jene Beiträge, die den Auswirkungen<br />

der international Verbreitung findenden<br />

<strong>Medien</strong>angebote in der <strong>Medien</strong>aneignung<br />

auf die kulturelle Identitätsbildung nachgehen.<br />

Die Begriffe der Transnationalität und Transkulturalität<br />

erfahren dabei eine auf den kulturellen<br />

Erfahrungszusammenhang des Publikums<br />

bezogene Anwendung. Eine der Konsequenzen<br />

liegt in dem deutlichen Plädoyer für<br />

eine vergleichende Rezeptionsforschung, deren<br />

Konturen in dem Beitrag von Krotz grundlegend<br />

behandelt werden.<br />

Der in diesen Beiträgen aufgenommene Faden<br />

wird dann in dem nachfolgenden Kapitel,<br />

das auf Herausforderungen der kulturellen<br />

Veränderungen insbesondere des letzten Jahrzehnts<br />

eingeht, weiter verfolgt. Das mit „Perspektiven<br />

transkultureller Kommunikation“<br />

überschriebene Kapitel versammelt in den<br />

Beiträgen von Silverstone, Lull, Birowo und<br />

Hanitzsch, Bromley, Volkmer, Karmasin sowie<br />

Hepp unterschiedliche kultur<strong>wissenschaft</strong>liche<br />

Reflektionen, mit denen auch die Rolle<br />

und schließlich die Notwendigkeit des Begriffs<br />

„transkulturelle Kommunikation“ abgerundet<br />

werden sollen. Diesem Kapitel darf mithin<br />

auch die stärkste Begründungslast der eingangs<br />

genannten Intention einer <strong>wissenschaft</strong>lichen<br />

Überprüfung der vorliegenden Begriffe und<br />

Konzeptionen zugeschrieben bzw. abgeschaut<br />

werden. Dabei ist es, wie die ausführliche, auf<br />

den Kulturbegriff in den verschiedenen Beiträgen<br />

des Bandes bezogene Diskussion veranschaulicht,<br />

durchaus unstrittig, dass die Formen<br />

des kommunikativen Austauschs sowie<br />

der Kontakt mit verschiedenen kulturellen und<br />

symbolischen Ausdrucksweisen und Praktiken<br />

auch die bestehenden Kulturen verändert hat.<br />

Deren auf nationalkulturelle Momente bezogene<br />

Selbstdefinition, die sich vom Europa des 18.<br />

Jahrhunderts u. a. durch den Kolonialismus<br />

auch auf andere Weltregionen erstreckte, ist in<br />

qualitativer Veränderung begriffen. Die For-<br />

303


M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />

men des Kulturkontakts haben sich verändert,<br />

als deren Folge die kulturelle Differenzierung<br />

fortschreitet: Sie geht nun quer durch nationalkulturelle<br />

Beziehungskontexte, was nach Andreas<br />

Hepps Auffassung die auf Lokalität und<br />

Geographie bezogene nationalkulturelle Komponente<br />

aufheben würde, womit Transkulturalität<br />

und translokale Prozesse als Herausforderung<br />

der Theoriebildung und Empirie ins Spiel<br />

kommen.<br />

Die für nationalkulturelle Prozesse entscheidende<br />

Frage der Sprache bzw. der Nationalsprachlichkeit<br />

findet hier – wie auch in anderen<br />

Beiträgen – allerdings keine grundsätzliche Beachtung,<br />

was bei einer kommunikations<strong>wissenschaft</strong>lichen<br />

Betrachtung durchaus verwundert.<br />

Denn es ist gerade die Sprache im Zusammenhang<br />

mit dem territorialen Raum, die den<br />

Bezugspunkt nationalkultureller Identitätsbildung<br />

darstellt. Und dieser Verbindungspunkt<br />

wird trotz möglicher Auflösungstendenzen<br />

traditionaler Kontexte auch über Grenzen hinweg<br />

Bezugspunkt bleiben und es rechtfertigen,<br />

neben der Beobachtung von Neuem die Transnationalität<br />

als dominantes Thema der Forschung<br />

beizubehalten. Wie demgegenüber<br />

Transkulturalität die neuen kommunikativen<br />

Qualitäten bestimmt, kann der Band sowohl<br />

wegen der uneinheitlichen Verwendung des<br />

Begriffs als auch angesichts der Vielzahl an<br />

Beiträgen, die weiterhin mit einer interkulturellen<br />

oder transnationalen Perspektive arbeiten,<br />

nicht abschließend beantworten. Dies ist angesichts<br />

der das Feld prägenden Theorien auch<br />

nicht die alles entscheidende Leistung des Bandes.<br />

Diese besteht darin, auf qualitative Veränderungsprozesse,<br />

die zu neuen Abhängigkeiten<br />

und zur Ausbildung neuer kultureller Formen<br />

führen, zu verweisen und Anstöße für weiter<br />

führende Forschungen zu liefern. Die Herausgeber<br />

haben in dieser Hinsicht eine Übersicht<br />

über die Diskussionen im letzten Jahrzehnt<br />

vorgelegt, und in diesem Sinne wird der Band<br />

sicherlich willkommene Aufnahme und Verwendung<br />

finden.<br />

Udo Göttlich<br />

304<br />

Werner Wirth / Edmund Lauf (Hrsg.)<br />

Inhaltsanalyse<br />

Perspektiven, Probleme, Potentiale<br />

Köln: Halem Verl., 2001. – 379 S.<br />

ISBN 3-931606-40-6<br />

Die ersten Erfahrungen mit quantitativer Inhaltsanalyse<br />

habe ich Mitte der sechziger Jahre<br />

im Seminar von Elisabeth Noelle-Neumann<br />

gemacht. Die Mehrheit der Teilnehmer lehnte<br />

die Methode ab. Wenige Jahre zuvor waren<br />

Hans Magnus Enzensbergers sprachkritische<br />

Essays über die FAZ und den Spiegel erschienen.<br />

Sie waren unser Vorbild. Trotzdem konnte<br />

von einer sachlichen Methodenkritik kaum<br />

die Rede sein. Alle Kritiker hatten nur rudimentäre<br />

Vorstellungen von der Methode, und<br />

keiner hätte eine quantitative Inhaltsanalyse<br />

durchführen können. Das ist heute vielfach<br />

nichts anders. Aber es gibt wichtige Ausnahmen.<br />

Dazu gehört der hier vorgestellte Sammelband.<br />

Vernachlässigt man einige definitorische und<br />

typologische Ansätze, die kaum in die Zukunft<br />

weisen, sowie einige umetikettierte Neuerungen,<br />

die bereits Mitte der achtziger Jahre publiziert<br />

wurden, lassen sich die meisten Beiträge<br />

drei Themenkomplexen zuordnen: der Technik<br />

der Anlage und Durchführung von Inhaltsanalysen;<br />

der Reliabilität und Validität der Codierungen<br />

sowie der Frage, ob es sich bei der quantitativen<br />

Inhaltsanalyse um eine reaktive oder<br />

non-reaktive Methode handelt. Weil der Band<br />

eine Vielzahl substanzieller Beiträge enthält,<br />

die hier nicht gewürdigt werden können, soll<br />

nur jeweils ein Beispiel vorgestellt werden.<br />

Charakteristisch für die Diskussion technischer<br />

Probleme ist der Beitrag von Hans-Jürgen<br />

Weiß und Joachim Trebbe. Ihr Gegenstand<br />

ist die Entwicklung eines Kategoriensystems<br />

zur Identifikation des Informationsangebotes<br />

der Fernsehsender, das sowohl dem Themenspektrum<br />

der Sendungen als auch ihren unterschiedlichen<br />

Formaten gerecht wird. Seine<br />

Grundlage ist eine einfache Typologie auf der<br />

Grundlage der Unterscheidung von öffentlich<br />

und privat relevanten Informationen sowie<br />

zwischen Meinungsbildung, Bildung, Beratung<br />

und Information. Ersteres betrifft offenkundig<br />

den Ort, letzteres die Funktion der Nutzung.<br />

Die Umsetzung dieses Ansatzes führt zu einem<br />

relativ hohen Anteil stark differenzierter Informationen.<br />

Dies ist medienpolitisch bedeutsam,


vor allem aber <strong>wissenschaft</strong>lich fruchtbar, weil<br />

es neue Möglichkeiten der Nutzungsforschung<br />

erschließt.<br />

Charakteristisch für die Diskussion der Reliabilität<br />

und Validität quantitativer Inhaltsanalysen<br />

ist der Beitrag von Evelyn Engesser und<br />

Carsten Reinemann über die (partiellen) Unterschiede<br />

zwischen der Einstufung der Gesamttendenz<br />

von Beiträgen über Politiker und<br />

ihrer Berechnung anhand von Aussagen über<br />

einzelne Eigenschaften. Die Autoren stellen<br />

verschiedene Datengrundlagen und Berechnungsmodi<br />

vor und diskutieren mehrere sozialpsychologische<br />

Theorien, die die Verbindung<br />

zwischen den <strong>Medien</strong>inhalten und ihrer<br />

Nutzung, bzw. Wirkung schlagen.<br />

Charakteristisch für die Diskussion der Ansichten<br />

darüber, ob es sich bei der quantitativen<br />

Inhaltsanalyse um eine non-reaktive oder um<br />

eine reaktive Methode handelt, ist der Beitrag<br />

von Eva Baumann. Ihn sollten vor allem die<br />

entschiedenen Anhänger qualitativer Verfahren<br />

am Anfang lesen, weil hier die unterschiedlichen<br />

Sichtweisen von Werner Früh und Klaus<br />

Merten gut verständlich nachgezeichnet und<br />

sachliche Anknüpfungspunkte für eine Fach<br />

übergreifende Diskussion bereit gestellt werden.<br />

Empfehlenswert ist der vorliegende Band<br />

vor allem, weil fast alle Autoren ihre methodischen<br />

Überlegungen anhand von konkreten<br />

Untersuchungen entwickeln. Sie wissen im<br />

Unterschied zu manchen älteren und vielen<br />

neueren Methodenkritikern, worüber sie<br />

schreiben. In seiner Gesamtheit dokumentiert<br />

der Band den hohen Stand, den die hiesige Diskussion<br />

um die Möglichkeiten und Grenzen<br />

von quantitativen Inhaltsanalysen erreicht hat.<br />

Dies gilt für die erkenntnistheoretischen Voraussetzungen<br />

der Methode, ihre handwerkliche<br />

Umsetzung und ihre praktischen Konsequenzen.<br />

Hans Mathias Kepplinger<br />

Claudia Mast<br />

Unternehmenskommunikation<br />

Ein Leitfaden<br />

Stuttgart: Lucius und Lucius, 2002. – 451 S.<br />

ISBN 3-8252-2308-6<br />

Eine Reihe von PR-Lehrbüchern und <strong>wissenschaft</strong>lichen<br />

Überblickswerken sind in den<br />

letzten Jahren angekündigt worden, erschienen<br />

Literatur · Besprechungen<br />

sind bislang allerdings die wenigsten der geplanten<br />

Titel. Eine positive Ausnahme stellt<br />

hier das Buch von Claudia Mast dar.<br />

Die Defizite der PR-Forschung und der PR-<br />

Literatur sind bekannt und sie verringern sich<br />

nur sehr langsam: Nach wie vor ist die <strong>wissenschaft</strong>liche<br />

Fachliteratur quantitativ und qualitativ<br />

sehr begrenzt, PR-Lehrbücher im eigentlichen<br />

Sinne liegen nicht vor. Vielmehr ist ein<br />

deutlicher Überschuss an Praktiker- und Howto-do-Literatur<br />

zu konstatieren. Wissenschaftliche<br />

Überblickswerke sind also gefordert und<br />

werden dringend benötigt. Ob allerdings der<br />

vorliegende „Leitfaden für die Unternehmenskommunikation“<br />

(S. 1) geeignet ist, die Lücken<br />

im Bereich der <strong>wissenschaft</strong>lichen Literatur zu<br />

verringern, ist fraglich. Denn das Buch ist ein<br />

Grenzgänger: Weder ist es ein rein <strong>wissenschaft</strong>liches<br />

Einführungswerk, das einen systematischen<br />

und weitgehend vollständigen<br />

Überblick über vorliegende theoretische Ansätze<br />

zum Forschungsfeld PR/Unternehmenskommunikation<br />

liefert und entsprechend in der<br />

universitären Lehre eingesetzt werden kann,<br />

noch ist es konkretes How-to-do. Dies spiegelt<br />

sich letztlich auch in den Zielgruppen des Bandes<br />

wider, der sich an Studierende, die in das<br />

Berufsfeld PR streben, und an PR-Praktiker<br />

richtet.<br />

Das Buch ist in vier Hauptblöcke unterteilt:<br />

„Theoretische Ansätze und Modelle“, „Planung<br />

und Optimierung“, „Umsetzung in der<br />

Praxis“ und „Herausforderung und Perspektiven“.<br />

Die Gliederung spricht dafür, dass wir es<br />

überwiegend mit einem praxisnahen Ratgeber<br />

zu tun haben – behandeln doch gemäß der<br />

Überschriften drei von vier Blöcken vor allem<br />

praxisnahe Problemstellungen, während<br />

„Theoretische Ansätze und Modelle“ nur einen<br />

sehr kleinen Teil des Buches ausmachen. Dieser<br />

Eindruck trügt jedoch, denn die von Claudia<br />

Mast gewählten Überschriften leiten ein wenig<br />

in die Irre – so werden beispielsweise unter der<br />

Überschrift „Planung und Optimierung“ theoretische<br />

Ansätze bzw. Modelle wie der Stakeholder<br />

Approach oder die situative Theorie der<br />

Teilöffentlichkeiten vorgestellt. Unklarheiten<br />

in der Gliederung, thematische Überschneidungen<br />

bzw. unpräzise Überschriften finden<br />

sich auch an zahlreichen anderen Stellen – etwa<br />

wenn unter der Überschrift „Wirtschafts- und<br />

kommunikations<strong>wissenschaft</strong>liche Perspektiven“<br />

allgemeine Makrotrends („Glokalisierung“,<br />

Werte als Orientierungen etc.) und<br />

305


M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />

deren Konsequenzen für die Unternehmenskommunikation<br />

beschrieben, nicht aber die<br />

unterschiedlichen Theorie- und Begriffsverständnisse<br />

und die unterschiedlichen Erklärungsziele<br />

kommunikations- und wirtschafts<strong>wissenschaft</strong>licher<br />

PR-Forschung erörtert werden.<br />

Unter dem Stichwort „Theoretische Ansätze<br />

und Modelle“ liefert die Autorin neben der<br />

kaum zu umgehenden Definitionsproblematik<br />

einen knappen Überblick über die bekannten<br />

Klassiker zur Unternehmenskommunikation<br />

auf der Meso-Ebene: Grunig und Hunt und deren<br />

vier Grundmodelle der PR dürfen da ebenso<br />

wenig fehlen wie eine Darstellung der<br />

Beiträge von Bruhn oder Zerfass. Neuere und<br />

weniger bekannte Modelle finden hier leider<br />

keine Berücksichtigung. Insbesondere im Hinblick<br />

auf einen Einsatz in der universitären<br />

Lehre wäre zudem eine über die deskriptive<br />

Darstellung hinausreichende kritische Diskussion<br />

der verschiedenen Ansätze wünschenswert:<br />

Dies gilt beispielsweise für die vier<br />

Grundmodelle der PR, die als nicht empirisch<br />

gebildete und zudem nicht theoretisch begründete<br />

Modelle aus <strong>wissenschaft</strong>licher Perspektive<br />

von eingeschränktem Wert sind. Das Buch<br />

spiegelt an dieser und an anderen Stellen leider<br />

die für weite Teile der PR-Forschung typische,<br />

eher unkritische Adaption von Praxis-Ansätzen<br />

wider.<br />

Im Mittelpunkt des zweiten thematischen<br />

Blocks „Planung und Optimierung“ stehen<br />

zum einen unterschiedliche Ansätze der Umfeldanalyse,<br />

zum anderen werden konkrete<br />

Planungs- und Umsetzungsschritte im Rahmen<br />

des <strong>Kommunikations</strong>managements – von der<br />

Situationsanalyse bis zur Evaluation – vorgestellt.<br />

Dies schließt auch die detaillierte Beschreibung<br />

unterschiedlicher <strong>Medien</strong> und<br />

<strong>Kommunikations</strong>wege der Unternehmenskommunikation<br />

ein; die stark praxisorientierte<br />

Auflistung reicht von Videokonferenzen über<br />

Fax und CD-Rom bis hin zu „organisierten Essen“<br />

(S. 180). Analytisch gehaltvoller sind demgegenüber<br />

die Ausführungen zur Netzwerkkommunikation<br />

im Kontext von Organisationen,<br />

wobei die zentrale Frage, welche Relevanz<br />

<strong>Kommunikations</strong>netzwerke für die Unternehmenskommunikation<br />

heute und in Zukunft<br />

entfalten, leider nur am Rande behandelt wird.<br />

Von informellen <strong>Kommunikations</strong>netzwerken<br />

ist der Weg nicht weit zum Gerücht. Die Bedeutung<br />

dieser <strong>Kommunikations</strong>form für die<br />

306<br />

Unternehmenskommunikation beleuchtet<br />

Gerhard Maletzke in einem eigenen Kapitel.<br />

Das Thema ist interessant und wird ohne Zweifel<br />

von der PR bzw. Unternehmenskommunikation<br />

vernachlässigt – im Gesamtzusammenhang<br />

des Buches wirken die Ausführungen zur<br />

Gerüchtekommunikation allerdings etwas zufällig<br />

und zu stark gewichtet.<br />

Systematisiert anhand der vier Zielgruppen<br />

Mitarbeiter, Kunden, Multiplikatoren und Kapitalgeber<br />

wird im dritten inhaltlichen Hauptblock<br />

schließlich die konkrete „Umsetzung in<br />

der Praxis“ vorgestellt. Im Mittelpunkt stehen<br />

konsequenterweise nicht theoretische Zugänge<br />

– der Forschungsstand zum Thema PR und<br />

Journalismus wird auf drei Seiten zusammengefasst<br />

–, sondern praxisnahe Fragestellungen.<br />

Als zentrale „Herausforderungen und Perspektiven“<br />

(Teil IV) werden die Internationalisierung<br />

der Unternehmenskommunikation<br />

(Beitrag von Simone Huck), die Markenkommunikation<br />

(Beitrag von Monika Stöckl) und<br />

Change Communication betrachtet. Die Ausführungen<br />

sind interessant, leider wird jedoch<br />

nicht ganz klar, warum gerade die genannten<br />

und nicht andere Aspekte als zentrale Herausforderungen<br />

und Perspektiven der Unternehmenskommunikation<br />

angesehen werden.<br />

Das typische und letztlich nicht lösbare Dilemma<br />

von Überblickswerken – in welchem<br />

Verhältnis sollen Tiefe und Breite der inhaltlichen<br />

Darlegungen zueinander stehen? – wurde<br />

im vorliegenden Fall zu Gunsten der Breite beantwortet:<br />

Die Palette der aufgearbeiteten<br />

Aspekte und aktuellen Trends des <strong>Kommunikations</strong>managements<br />

ist beachtlich, leider werden<br />

aber viele Themenaspekte nur sehr oberflächlich<br />

behandelt – ein Abschnitt zum Thema<br />

Benchmarking in der PR, einer zur SWOT-<br />

Analyse und eine Seite zur Balanced Scorecard.<br />

Ähnlich steht es um die eher sparsam verwendeten<br />

Abbildungen und Tabellen, die aufgrund<br />

fehlender Beschreibung und Erläuterung im<br />

Fließtext oftmals unverständlich bleiben.<br />

Kurze Themenblöcke, hohe Verständlichkeit<br />

und ein einfacher Zugriff sind kennzeichnend<br />

für das Buch. Die möglichen Barrieren für<br />

eine Lektüre wurden – und dies ist mit Blick auf<br />

Studienanfänger positiv gemeint – bewusst<br />

niedrig angelegt. Problematisch ist mit Blick<br />

auf diese Gruppe eher, dass einzelne Begriffe<br />

zum Teil unpräzise verwendet oder nicht erläutert<br />

werden – etwa wenn PR zugleich als „eine<br />

Art Interface zwischen dem Organisationssys-


tem und der Umwelt“, als „boundary spanner“<br />

und „PR-System“ (S. 40) bezeichnet wird.<br />

Zur verfolgten Strategie der niedrigen Barrieren<br />

passt auch die Entscheidung, in der das<br />

Buch abschließenden Bibliographie vor allem<br />

auf gut zugängliche Werke der letzten zehn bis<br />

zwölf Jahre zurückzugreifen und nicht nur ältere<br />

Bücher, sondern auch Zeitschriftenaufsätze<br />

überwiegend nicht zu berücksichtigen, „da<br />

sie insbesondere für Berufstätige nur mit<br />

großem Aufwand zu beschaffen sind“ (S. 2).<br />

Vor allem der Verzicht auf Zeitschriftenaufsätze<br />

ist bedauerlich (und würde in jeder studentischen<br />

Abschlussarbeit als erheblicher Mangel<br />

kritisiert), da neuere theoretische Überlegungen<br />

und empirische Befunde – lange bevor sie<br />

in Monographien und Sammelbänden zu finden<br />

sind – in <strong>wissenschaft</strong>lichen Fachzeitschriften<br />

veröffentlicht werden.<br />

Eine gute Servicefunktion erfüllen die kommentierten<br />

Literaturtipps, die am Ende jeden<br />

Literatur · Besprechungen<br />

Kapitels aufgeführt sind. Die Qualität dieser<br />

Empfehlungen leidet jedoch – ebenso wie die<br />

der umfangreichen Literaturliste am Schluss<br />

des Buches – unter der undifferenzierten Verwendung<br />

von Praktikerliteratur und <strong>wissenschaft</strong>licher<br />

Literatur. Insbesondere mit Blick<br />

auf die Zielgruppe Studierende ist es notwendig,<br />

die unterschiedlichen Literaturtypen und<br />

die damit jeweils verbundenen Erkenntnissinteressen<br />

und Zielsetzungen klar auszuweisen.<br />

Nicht Fisch, nicht Fleisch – es bleibt am<br />

Schluss ein ambivalentes Bild. Das Buch läuft<br />

Gefahr, beiden möglichen Verwendungszwecken<br />

– universitäre Lehre einerseits und<br />

praxisnahe Einführung in ein Berufsfeld bzw.<br />

einen Tätigkeitsbereich andererseits – nicht gerecht<br />

zu werden. Eine klare Entscheidung für<br />

die eine oder andere Seite hätte ihm sicher gut<br />

getan.<br />

Ulrike Röttger<br />

307


M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />

Zeitschriftenlese<br />

AfP<br />

Jg 33 (2002) Nr 6<br />

Callies, Christian: Inhalt, Dogmatik und Grenzen<br />

der Selbstregulierung im <strong>Medien</strong>recht. –<br />

S. 465 – 474<br />

Stolzenburg-Wiemer, Sandra; Häußer, Tanja:<br />

Widerrufsmöglichkeiten einer Sendelizenz<br />

nach §§ 8,9 Landesmediengesetz NW. – S. 475<br />

– 479<br />

Jg 33 (2002) Nr 6, Beilage<br />

Berger, Christian; Degenhart, Christoph:<br />

Rechtsfragen Elektronischer Pressespiegel:<br />

verfassungsrechtliche und urheberrechtliche<br />

Aspekte. – S. 557 – 583<br />

Jg 34 (2003) Nr 1<br />

Schack, Haimo: Dürfen öffentliche Einrichtungen<br />

elektronische Archive anlegen?: zur geplanten<br />

Neufassung des § 53 Abs. 2 UrhG im<br />

Lichte des Drei-Stufen-Tests. – S. 1 – 8<br />

Rath-Glawatz, Michael: Die Selbstbindung öffentlich-rechtlicher<br />

Rundfunkanstalten bei der<br />

Veranstaltung von Online-Angeboten. – S. 9 –<br />

13<br />

Im Zuge der Diskussionen um die Veranstaltung von<br />

Online-Angeboten durch öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten,<br />

wurde in Bezugnahme auf die bisher<br />

ergangene Rechtsprechung oftmals darauf abgestellt,<br />

dass diese nur dann publizistische Angebote neben<br />

den Rundfunkprogrammen produzieren dürfen, solange<br />

sie einen vorwiegend programmbezogenen Inhalt<br />

haben und dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich<br />

ist. Der Beitrag untersucht vor diesem Hintergrund<br />

die Grundsätze zum Programmbezug bei<br />

Online-Angeboten und deren Umsetzung. Am Beispiel<br />

ausgewählter Dienste wird die Reichweite der<br />

Zulässigkeit von öffentlich-rechtlichen Online-Angeboten<br />

dargestellt. Als eine gangbare Lösung zur Auflösung<br />

der Diskussion um die Reichweite von Online-<br />

Angeboten, fordert der Autor eine Selbstverpflichtung<br />

der Rundfunkanstalten zur Programmbindung,<br />

und stellt mögliche Inhalte einer solchen Selbstverpflichtung<br />

dar.<br />

Kupsch, Christoph von: Das neue LandesmedienG<br />

NW – Deregulierung oder Überregulierung?:<br />

die Neuregelung der Verteilung von<br />

Übertragungskapazitäten an Rundfunkveranstalter<br />

und <strong>Medien</strong>dienste. – S. 14 – 21<br />

Durch das In-Kraft-Treten des neuen Landesmediengesetzes<br />

Nordrhein-Westfalen (L<strong>Medien</strong>G NW) am<br />

1.7.2002 ist das ehemalige LRG ersetzt und aus kon-<br />

308<br />

zeptioneller Sicht in einigen Punkten entscheidend<br />

verändert worden. Der Artikel stellt die tiefgreifendsten<br />

Neuansätze des nordrhein-westfälischen Gesetzgebers<br />

dar und gliedert sie in medienrechtliche Problematiken<br />

ein. Neben dem „Führerscheinprinzip“,<br />

d.h. der Entkopplung von Zulassungs- und Zuweisungsentscheidung,<br />

setzt sich der Beitrag mit der Vorrangentscheidung<br />

und der Einbeziehung von <strong>Medien</strong>diensten<br />

in diese Entscheidung sowie der Konzentrationsklausel<br />

bei Ballungsraumfernsehen auseinander.<br />

Der Autor kommt zu dem Ergebnis, dass das Gesetz<br />

praktisch handhabbar in handwerklicher Hinsicht<br />

aber weitgehend missglückt ist.<br />

Kilic, Memet: Verantwortung der öffentlichrechtlichen<br />

Öffentlichkeitanstalten bei der Integration<br />

von Migranten. – S. 22 – 23<br />

Communicatio Socialis<br />

Jg 35 (2002) Nr 4<br />

Rolfes, Helmuth: Katholische Kirche und <strong>Medien</strong>ethik:<br />

Überlegungen zu einer Standortbestimmung.<br />

– S. 381 – 393<br />

Karmasin, Matthias: Zum Verhältnis von <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong><br />

und <strong>Medien</strong>ethik. –<br />

S. 394 – 409<br />

Pörksen, Bernhard: Konturen digitaler <strong>Kommunikations</strong>welten:<br />

Leitunterscheidungen eines<br />

interdisziplinären Forschungsfeldes: eine<br />

Einführung. – S. 410 – 438<br />

Bolz, Norbert: In einer Welt der Simulation<br />

wird das Reale zur Obsession: Wissenschaftsinterview<br />

Bernhard Pörksen mit Norbert Bolz.<br />

– S. 439 – 458<br />

Hillebrecht, Steffen W.; Schilling, Oliver;<br />

Schlaus, Antonia: Herausforderungen kirchlicher<br />

Öffentlichkeitsarbeit: Ergebnisse einer<br />

qualitativen Befragung. – S. 459 – 471<br />

Verst, Ludger: Ein Klassiker der <strong>Medien</strong>ausbildung:<br />

25 Jahre Theologenkurse des ifp. –<br />

S. 472 – 478<br />

Foley, John P.: A pioneer in church communication.<br />

– S. 479<br />

Das Heft enthält diverse Artikel zum 70. Geburtstag<br />

von Franz-Josef Eilers.<br />

Jg 36 (2003) Nr 1<br />

Hömberg, Walter; Schatz, Eva: Orientierung<br />

gesucht: Ratgeberjournalismus in der Bistumspresse.<br />

– S. 6 – 22


Avenarius, Horst: Hunzinger und die Folgen:<br />

zur Moral in der Öffentlichkeitsarbeit. – S. 23 –<br />

42<br />

Als zwei führende Politiker wegen ihrer zweifelhaften<br />

Beziehungen zum PR-Manager Hunzinger zurücktreten<br />

mussten, wurden auch moralische Fragen der<br />

Öffentlichkeitsarbeit aufgeworfen. Der Autor, Präsident<br />

des Deutschen Rates für Public Relations, diskutiert<br />

diesen Fall anhand von vier Fragen: Was macht<br />

diesen Fall für die politische Öffentlichkeit bedeutsam?<br />

Wie bewältigte die PR-Zunft den Fall? Wie halten<br />

PR-Leute es generell mit der Moral? Welche<br />

grundlegenden moralischen Prinzipien gelten für die<br />

PR-Arbeit?<br />

Rademacher, Lars: Zwischen Wahrhaftigkeit,<br />

Legitimation und Loyalität: Thesen zur Ethik<br />

der Öffentlichkeitsarbeit. – S. 43 – 50<br />

Vor dem Hintergrund des „Falles Hunzinger“ präsentiert<br />

der Beitrag Thesen zur Ethik der Öffentlichkeitsarbeit:<br />

„Es wird dafür plädiert, PR-Arbeit aus<br />

ihrem sozialen Zusammenhang zu bewerten und nicht<br />

anhand moralischer Assoziationen, die die Regeln<br />

hoch komplexer Sozialgefüge außer Acht lassen. Stattdessen<br />

wird PR-Arbeit in einer mehrwertigen Logik<br />

rekonstruiert, die sowohl individueller als auch kollektiver<br />

Verantwortung Raum läßt.“<br />

Ostermann, Friedrich: Der Wahrheit verpflichtet:<br />

für ein neues Verantwortungsbewusstsein<br />

in einer komplexen Welt. – S. 51 – 55<br />

Communication Research<br />

Jg 30 (2003) Nr 1<br />

Knobloch, Silvia et al: Imagery effects on the<br />

selective reading of Internet newsmagazines. –<br />

S. 3 – 29<br />

Sundar, S. Shyam; Kalyanaraman, Sriram;<br />

Brown, Justin: Explicating web site interactivity:<br />

impression formation effects in political<br />

campaign sites. – S. 30 – 59<br />

McDonald, Daniel; Dimmick, John: The conceptualization<br />

and measurement of diversity. –<br />

S. 60 – 79<br />

In dem Beitrag wird ein Vergleich von 13 verschiedenen<br />

Messverfahren für „Vielfalt“ durchgeführt. Ausgegangen<br />

wird von dem „dualen Konzept“ von „Vielfalt“<br />

von Junge, der zwei Dimensionen festhält: Kategorien<br />

zur Klassifikation und die Verteilung der Elemente<br />

innerhalb dieser Kategorien. Nach einer kurzen<br />

theoretischen Einordnung und Darstellung der verschiedenen<br />

Messmethoden, die dieses Konzept nutzen,<br />

wird ein Vergleich der Methoden anhand einer<br />

Analyse von Radioprogrammen über einen Zeitraum<br />

von 30 Jahren durchgeführt. Im Ergebnis zeigte sich,<br />

dass für viele Fragestellungen die meisten Methoden<br />

keine wesentlichen Unterschiede aufwiesen. Für manche<br />

Fragestellungen zeigten sich allerdings einige Methoden<br />

als geeigneter als andere, z. B. wenn besonders<br />

genau die Veränderungen in der Anzahl der Kategorien<br />

bestimmt werden soll.<br />

Literatur · Zeitschriftenlese<br />

Kang, Naewon; Kwak, Nojin: A multilevel<br />

approach to civic participation: individual<br />

length of residence, neighborhood residential<br />

stability, and their interactive effects with media<br />

use. – S. 80 – 106<br />

Der Artikel stellt eine Studie vor, die die Bedeutung<br />

der Länge des Wohnens an einem Ort und die Stabilität<br />

der nachbarschaftlichen Beziehungen sowie die<br />

<strong>Medien</strong>nutzung als Faktoren der Partizipation der<br />

Bürger untersuchte. Damit wurden zwei bis dahin<br />

einzeln untersuchte Bereiche kombiniert. Der positive<br />

Einfluss von stabilen Nachbarschaftsbeziehungen<br />

auf die Beteiligung in sozialen Fragen sowie das<br />

höhere Interesse an lokalen Informationen wurde bereits<br />

nachgewiesen; der Einfluss der <strong>Medien</strong>nutzung<br />

auf die Partizipation wurde in verschiedenen Untersuchungen<br />

in Bezug auf die Länge der Nutzung als<br />

negativ bestimmt – die „time displacement hypothesis“<br />

und die Hypothese des „mean world effect“ sind<br />

breit diskutierte Ergebnisse hiervon. Die Ergebnisse<br />

der hier vorgestellten Studie (auf Grundlage einer Telefon-Befragung<br />

von 830 Bürgern in Wisconsin) ergab,<br />

dass es eine signifikante Beziehung zwischen<br />

den Wohnort-Variablen und der <strong>Medien</strong>nutzung mit<br />

der sozialen Orientierung der Bürger gibt: Längere<br />

Aufenthalte an einem Wohnort führten zu größerem<br />

Interesse an lokalen Nachrichten und höherer Partizipation<br />

in gesellschaftlichen Fragen, kürzere Aufenthalte<br />

gingen einher mit geringerem Interesse an<br />

Partizipation und längerer allgemeiner Fernsehnutzung.<br />

Communication Theory<br />

Jg 12 (2002) Nr 4<br />

Barge, J. Kevin; Little, Martin: Dialogical wisdom,<br />

communicative practice, and organizational<br />

life. – S. 375 – 397<br />

Burkhalter, Stephanie; Gastil, John; Kelshaw,<br />

Todd: A conceptual definition and theoretical<br />

model of public deliberation in small face-toface<br />

groups. – S. 398 – 422<br />

Lynch, Owen H.: Humorous communication:<br />

finding a place for humor in communication research.<br />

– S. 423 – 445<br />

Squires, Catherine R.: Rethinking the black –<br />

public sphere: an alternative vocabulary for<br />

multiple public spheres. – S. 446-468<br />

Jg 13 (2003) Nr 1<br />

Ashcraft, Karen Lee; Allen, Brenda J.: The racial<br />

foundation of organizational communication.<br />

– S. 5 – 38<br />

Shome, Raka: Space matters: the power and<br />

practice of space. – S. 39 – 56<br />

Houston, Renée; Jackson, Michele H.: Technology<br />

and context within research on internatio-<br />

309


M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />

nal development programs: positioning an integrationist<br />

perspective. – S. 57 – 77<br />

Planalp, Sally: The unacknowledged role of<br />

emotion in theories of close relationships: how<br />

do theories feel?. – S. 78 – 99<br />

Communications<br />

Jg 27 (2002) Nr 4<br />

Adoni, Hanna; Cohen, Akiba A.; Caspi, Dan:<br />

The consumer’s choice: language, media consumption<br />

and hybrid identities of minorities. –<br />

S. 411 – 436<br />

Vandebosch, Heidi; Eggermont, Steven: Elderly<br />

people’s media use: at the crossroads of personal<br />

and societal developments. – S. 437 – 456<br />

Furnham, Adrian; Spencer-Bowdage, Sarah: Sex<br />

role stereotyping in television advertisements: a<br />

content analysis of advertisements from South<br />

Africa and Great Britain. – S. 457 – 484<br />

Rathmann, Tim A.: Supplement or substitution?:<br />

the relationship between reading a local<br />

print newspaper and the use of its online version.<br />

– S. 485 – 498<br />

Hansen, Anders: Discourses of nature in advertising.<br />

– S. 499 – 512<br />

Jg 28 (2003) Nr 1<br />

Rijt, Gerrit van der; d’Haenens, Leen; Straten,<br />

Pascalle van: Subcultural grounding of teenage<br />

smoking, drinking and use of drugs. – S. 1 – 16<br />

Huysmans, Frank: The foundation of communication<br />

and action in consciousness: confronting<br />

action theory with systems theoretical<br />

arguments. – S. 17 – 32<br />

Nikken, Peter: Twelve years of Dutch children’s<br />

television: efforts of public and commercial<br />

TV channels for children up to twelve years<br />

old. – S. 33 – 52<br />

Computer und Recht<br />

Jg 18 (2002) Nr 12<br />

Kloos, Bernhard; Wagner, Axel-Michael: Vom<br />

Eigentum zur Verfügbarkeit: nutzungsorientierte<br />

Geschäftskonzepte im IT-Sektor aus vertragsrechtlicher<br />

Sicht. – S. 865 – 872<br />

Welker, Ann Marie; Schmidt, Petra: Kündigung<br />

von Softwarepflegeverträgen durch sog.<br />

End-of-Life-Schreiben. – S. 873 – 875<br />

310<br />

Röhrborn, Jens; Katko, Peter: Rechtliche Anforderungen<br />

an Wireless LAN: eine Untersuchung<br />

nach deutschem und europäischem<br />

<strong>Kommunikations</strong>recht. – S. 882 – 889<br />

Deckers, Stefan: Allgemeine Geschäftsbedingungen<br />

im Web-Design-Vertrag: Zulässigkeit<br />

üblicher Klauseln und vertragliche Gestaltungsmöglichkeiten<br />

für Besteller einer Web-<br />

Site. – S. 900 – 906<br />

Jg 19 (2003) Nr 1<br />

Schneider, Jochen: Neues zu Vorlage und Herausgabe<br />

des Quellcodes?: kritische Überlegungen<br />

zur Dissonanz zwischen vertraglicher und<br />

prozessualer Beurteilung des Quellcodes durch<br />

den BGH. – S. 1 – 58<br />

Deike, Thies: Open Source Software: IPR-Fragen<br />

und Einordnung ins deutsche Rechtssystem.<br />

– S. 9 – 17<br />

Splittgerber, Andreas: Die elektronische Form<br />

von bestimmenden Schriftsätzen. – S. 23 – 27<br />

In die ZPO sind durch das Formvorschriftenänderungsgesetz<br />

Regelungen eingeführt worden, welche<br />

die elektronische Form von Schriftsätzen zulassen.<br />

Die Einreichung von (bestimmenden) Schriftsätzen<br />

bei Gericht ist damit grundsätzlich mit den modernen<br />

<strong>Kommunikations</strong>medien (Fax, Computerfax, E-Mail)<br />

zulässig. Der Beitrag untersucht die Rechtssprechung<br />

des BGH und des BVerfG zum Schriftformerfordernis<br />

bei bestimmenden Schriftsätzen und trägt zur<br />

Klärung der Frage bei, ob beispielsweise auch Computerfaxe<br />

mit nur eingetipptem Namenszusatz oder<br />

E-Mails mit oder ohne digitale Signatur die erforderliche<br />

Form wahren.<br />

Mankowski, Peter: Für einen Augenscheinsbeweis<br />

hinsichtlich der Identität des Erklärenden<br />

bei E-mails: zugl. Anmerkung zu OLG Köln v.<br />

6.9.2002 – 19 U 16/02. – S. 44 – 49<br />

Der Autor untersucht in diesem Beitrag die für die<br />

Rechtsverbindlichkeit einer E-Mail bedeutende Frage,<br />

in welchem Umfang man sich rechtlich darauf verlassen<br />

darf, dass eine unter einer bestimmten E-Mail-<br />

Adresse abgegebene E-Mail vom Inhaber dieser<br />

Adresse stammt. Der Autor bejaht in diesem Zusammenhang<br />

aus tatsächlichen, ökonomischen und normativen<br />

Gründen einen Anscheinsbeweis und entkräftet<br />

die dagegen vorgebrachten Einwände.<br />

Jg 19 (2003) Nr 2<br />

Spindler, Gerald; Klöhn, Lars: Neue Qualifikationsprobleme<br />

im E-Commerce: Verträge über<br />

die Verschaffung digitalisierter Informationen<br />

als Kaufvertrag, Werkvertrag, Verbrauchsgüterkauf?.<br />

– S. 81 – 86<br />

Die Schuldrechtsreform im BGB hat auch im Bereich


des E-Commerce Rechtsunsicherheit geschaffen. Dieser<br />

Beitrag geht der Frage nach, wie Verträge über die<br />

Herstellung und Verschaffung digitalisierter Informationen<br />

(Software, digitalisierte Musik, Filme, E-Books<br />

etc.) in die jetzt vom BGB geregelten Vertragstypen<br />

einzuordnen sind. Auch wird in diesem Zusammenhang<br />

auf die Einführung des Verbraucherschutzrechts<br />

in das BGB sowie auf die Einordnungsprobleme bei<br />

der unentgeltlichen Informationsverschaffung hingewiesen.<br />

Wuermeling, Ulrich; Deike, Thies: Open<br />

Source Software: eine juristische Risikoanalyse.<br />

– S. 87 – 90<br />

Piepenbrock, Hermann-Josef; Rühmer, Thomas;<br />

Ruhle, Ernst-Olav: Netzbetreiberauswahl<br />

im Ortsnetz: § 43 Abs. 6 TKG n.F. und die Folgen<br />

für TK-Unternehmen. – S. 97 – 102<br />

Jg 19 (2003) Nr 3<br />

Feil, Thomas; Leitzen, Werner: EVB-IT Pflege<br />

S: der neue IT-Beschaffungsvertrag für die<br />

Pflege von Standardsoftware. – S. 161 – 164<br />

Heide, Nils: Softwarepatente im Verletzungsprozess:<br />

prozessuale Strategien bei der Durchsetzung<br />

von Softwarepatenten. – S. 165 – 171<br />

Müller, Felix: Was ist ortsnahe Zuführung?: die<br />

Auslegung des neuen § 43 Abs. 6 Satz 3 TKG<br />

im Spannungsfeld zwischen Bundestagsentschließung<br />

und EU-Vertragsverletzungsverfahren.<br />

– S. 176 – 181<br />

Koenig, Christian; Neumann, Andreas: Telekommunikationsrechtliche<br />

Regulierung von<br />

Domainnamen. – S. 182 – 186<br />

Härting, Niko: Informationspflichten der Anbieter<br />

von Mehrwertdiensten: 0190-Nummern<br />

im Fernabsatzrecht. – S. 204 – 208<br />

Der Autor kommt in diesem Beitrag zu dem Ergebnis,<br />

dass das Fernabsatzrecht und die entsprechenden<br />

Vorschriften des BGB auf Mehrwertdienste weitgehend<br />

anwendbar sind. Jedoch stellt die praktische<br />

Umsetzung dieser sich daraus ergebenden Pflichten<br />

den Diensteanbieter vor erhebliche und zum Teil<br />

kaum lösbare Schwierigkeiten. Solange die Möglichkeiten<br />

des Fernabsatzrechts zur Bekämpfung von<br />

Missbrauchsfällen nicht genutzt werden, besteht kein<br />

Anlass für die Erwartung, dass neue gesetzliche Informationspflichten<br />

eine wirksame Handhabe gegen unseriöse<br />

Anbieter von Mehrwertdiensten sein werden.<br />

Jg 19 (2003) Nr 4<br />

Paulus, Christoph G.: Insolvenzverfahren, Sanierungsplan:<br />

Risiken und Vermeidungsstrategien:<br />

dargestellt unter besonderer Berücksichtigung<br />

des Escrow-Agent. – S. 237 – 243<br />

Literatur · Zeitschriftenlese<br />

Stögmüller, Thomas: Fakturierung und Inkasso<br />

von Mehrwertdiensten: eine Untersuchung<br />

der gegenwärtigen und zukünftigen Rechtslage.<br />

– S. 251 – 257<br />

Raabe, Oliver: Abgrenzungsprobleme bei der<br />

rechtlichen Einordnung von Anonymisierungsdiensten<br />

im Internet: wie können die Regelungsbereiche<br />

des Telediensterechts zum Telekommunikationsrecht<br />

horizontal voneinander<br />

abgegrenzt werden?. – S. 268 – 273<br />

Nach wie vor ist die horizontale Abgrenzung des Telediensterechts<br />

zum Telekommunikationsrechts umstritten.<br />

Diese Problematik spielt auch für die Einordnung<br />

von Anonymisierungsdiensten eine entscheidende<br />

Rolle. In diesem Zusammenhang stellt sich insbesondere<br />

die Frage, ob die in der Diskussion<br />

befindliche Abgrenzung der Regelungsbereiche von<br />

Teledienste- zum Telekommunikationsrecht nach<br />

technischen Referenzmodellen sachgerecht ist und<br />

zudem der gesetzlichen Intention entspricht.<br />

Mayer, Christoph: Die Privatkopie nach Umsetzung<br />

des Regierungsentwurfs zur Regelung<br />

des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft:<br />

verkommt der Begriff „Recht zur<br />

Privatkopie“ zum bloßen Euphemismus?. –<br />

S. 274 – 280<br />

In diesem Beitrag wird die Behandlung der Privatkopie<br />

sowohl nach geltendem als auch nach zukünftigem,<br />

durch eine EU-Richtline geprägtem Recht näher<br />

betrachtet. Der Autor kommt zu dem Schluss, dass<br />

dem deutschen Gesetzgeber bei der Umsetzung der<br />

Richtlinie in nationales Recht nahezu kein Vorwurf<br />

gemacht werden kann.<br />

Computer und Recht international<br />

Jg 3 (2002) Nr 6<br />

Allitsch, Rainer: Data retention on the Internet:<br />

a measure with one foot offside?. – S. 161 – 168<br />

Beardwood, John: Tea leaves and goat entrails:<br />

a review of the privacy commisioner’s significant<br />

findings under new Canadian privacy legislation.<br />

– S. 169 – 176<br />

Jg 4 (2003) Nr 1<br />

Ruiz, Blanca Rodriguez: After Napster: cyberspace<br />

and the future of copyright. – S. 1 – 5<br />

Kabel, Jan: Spam: a terminal threat to ISPs?: the<br />

legal position of ISPs concerning their Anti-<br />

Spam policies in the EU after the privacy &<br />

telecom directive. – S. 6 – 10<br />

Westkamp, Guido: Towards access control in<br />

UK copyright law?: some remarks on the<br />

proposed implementation of the EU copyright<br />

directive. – S. 11 – 16<br />

311


M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />

Jg 4 (2003) Nr 2<br />

Dreyfuss, Rochelle C.; Ginsburg, Jane C.: Principles<br />

governing jurisdiction, choice of law, and<br />

judgements in transnational disputes: aim, scope<br />

and approach of the American Law Institute<br />

project on intellectual property. – S. 33 – 39<br />

Fallenböck, Markus; Weitzer, Johann: Digital<br />

rights management: a new approach to information<br />

and content management?. – S. 40 – 45<br />

Beardwood, John: Making all sales final: meeting<br />

the requirements for On-Line Consumer<br />

transactions in Canada. – S. 46 – 49<br />

Convergence<br />

Jg 8 (2002) Nr 4<br />

Gaudreault, André; Marion, Philippe: The<br />

cinema as a model for the genealogy of media.<br />

– S. 12 – 18<br />

Couchot, Edmond: Digital hybridisation: a<br />

technique, an aesthetic. – S. 19 – 28<br />

Szczepanik, Petr: Intermediality and<br />

(Inter)media reflexivity in contemporary cinema.<br />

– S. 29 – 36<br />

Ramsgard Thomsen, Mette: Positioning intermedia:<br />

intermedia and mixed reality. – S. 37 – 45<br />

Swalwell, Melanie: New/Inter/Media. – S. 46 –<br />

58<br />

Higgins, Hannah: Intermedial perception; or,<br />

fluxing across the sensory. – S. 59 – 76<br />

Bolter, Jay David: Formal analysis and cultural<br />

critique in digital media theory. – S. 77 – 88<br />

Fornäs, Johan: Passages across threshold: into<br />

the borderlands of mediation. – S. 89 – 108<br />

European Journal of Communication<br />

Jg 17 (2002) Nr 4<br />

Jansson, André: The mediatization of tourism<br />

experience. – S. 429 – 444<br />

Vyncke, Patrick: Lifestyle segmentation: from<br />

attitudes, interests and opinions, to values, aesthetic<br />

styles, life visions and media preferences.<br />

– S. 445 – 464<br />

Boni, Federico: Framing media masculinities:<br />

men’s lifestyle magazines and the biopolitics of<br />

the male body. – S. 465 – 478<br />

Taylor, Lisa: From ways of life to lifestyle: the<br />

ordinari-ization of British gardening lifestyle<br />

television. – S. 479 – 494<br />

312<br />

Kilicbay, Baris; Binark, Mutlu: Consumer culture,<br />

Islam and the politics of lifestyle: fashion<br />

for veiling in contemporary Turkey. – S. 495 –<br />

512<br />

Jg 18 (2003) Nr 1<br />

Lavie, Aliza; Lehmann-Wilzig, Sam: Whose<br />

news?: does gender determine the editorial product?.<br />

– S. 5 – 30<br />

„The study reported in this article is a survey of 16 female<br />

and 25 male editors in seven Israeli newspapers<br />

to examine how gender affects professional news selection.<br />

It rated the newsworthiness of 16 different general<br />

subject areas, 17 journalism selection criteria,<br />

and 14 ,concrete’ headlines as simulation. Several editors<br />

were also interviewed in-depth. Ninety students<br />

of mass communications were surveyed as a control<br />

group. The findings indicate an absence of significant<br />

,otherness’ between female and male editors, both in<br />

newsworthiness criteria and actual practice – similar<br />

to the control group. The article goes on to address<br />

possible reasons for the small number of Israeli women<br />

in editorial positions as well as the lack of gender<br />

distinctions regarding news values; personal, social<br />

economic and news consumption factors, rather than<br />

gender-related obstacles or organisational ethos, are<br />

implicated.“<br />

Papatheodorou, Fotini; Machin, David: The<br />

umbilical cord that was never cut: the post-dictatorial<br />

intimacy between the political elite and<br />

the mass medias in Greece and Spain. – S. 31 –<br />

54<br />

„Market dynamics has led to a dramatic transformation<br />

of the Spanish and Greek media systems since the<br />

late 1980s, bringing them in line with West European<br />

patterns. The current media landscape is, thus, a far<br />

cry from the introvert, parochial press and broadcasting<br />

systems present in the two countries in the first<br />

15 years of democratic government, when the partisan<br />

political control of radio and television and the overpolitisation<br />

of the press were dominant features of<br />

their media systems. The aim of this article is to analyse<br />

the key developments in the media industries of<br />

these two Southern European countries and identify<br />

the elements of continuity and change through an examination<br />

of the interplay between the state, the market<br />

and the media. Despite the multiplication of media<br />

outlets, it is argued, state policy in the media is determined<br />

as ever by the persistent culture of political expediency,<br />

typical of the European south, as political<br />

elites still seek desperately to influence the content of<br />

political coverage.“<br />

Spencer, Graham: Pushing for peace: the Irish<br />

government, television news and the Northern<br />

Ireland peace process. – S. 55 – 80<br />

„Although much has been written about the role of<br />

the news media within conflict situation, far less is<br />

known about the part played by reporting during a<br />

period of developing peace. This article approaches<br />

this question by looking at how the Irish government<br />

dealt with television news during the initial phases of<br />

the Northern Ireland peace process. In drawing from


interviews carried out with key government representatives,<br />

it presents a picture of diverse strategies applied<br />

by the Irish in their efforts to push for peace and<br />

indicates how different communicative priorities<br />

came into play to meet varying problems and opportunities<br />

afforded by television news coverage.“<br />

Gulyas, Agnes: Print media in post-communist<br />

East Central Europe. – S. 81 – 106<br />

Federal Communications Law Journal<br />

Jg 55 (2002) Nr 1<br />

Lavey, Warren G.: Making and keeping regulatory<br />

promises. – S. 1 – 60<br />

Der Beitrag diskutiert anhand unterschiedlicher Fälle<br />

aus dem Bereich der Telekommunikation, welche Bedeutung<br />

die Gewissheit im Hinblick auf zukünftige<br />

regulatorische Entscheidungen für die Industrie besitzt.<br />

Er kommt zu dem Ergebnis, dass klare Pläne für<br />

die Änderung der Regulierung für die Wirtschaft vorteilhaft<br />

sind. Gesetzgeber sollten daher die Regelungen<br />

nur in im Voraus bestimmten Intervallen ändern<br />

und die Regulierungsinstanzen auffordern, selbst Pläne<br />

für die Entwicklung regulatorischer Ansätze zu<br />

entwickeln. Unsicherheit kann dem Verfasser zufolge<br />

auch dadurch beseitigt werden, dass Industrie aber<br />

auch Konsumentengruppen gemeinsam mit dem Regulierer<br />

Vereinbarungen mit mehrjähriger Laufzeit<br />

über Veränderungen oder auch Konstanz der Regulierungsansätze<br />

schließen.<br />

Galperin, Hernan; Bar, François: The regulation<br />

of interactive television in the United<br />

States and the European Union. – S. 61 – 84<br />

Der Beitrag geht von der Beobachtung aus, dass interaktives<br />

Fernsehen an Bedeutung gewinnt und die Frage<br />

zu klären ist, wie unter diesen veränderten Bedingungen<br />

Politikziele wie Förderung von Wettbewerb,<br />

Innovation und Zugang zu vielfältigen Informationsquellen<br />

verfolgt werden können. Das Risiko, dass<br />

marktstarke Anbieter von Übertragungsplattformen<br />

ihre Marktmacht auf die Angebote interaktiven Fernsehens<br />

übertragen und damit Wettbewerb, Innovation<br />

und Vielfalt beschränken, wird von den Verfassern als<br />

hoch angesehen. Den neuen Problemen könne nur<br />

sehr begrenzt mit must-carry rules, ownership rules<br />

oder anderen Instrumenten struktureller Regulierung<br />

begegnet werden. Erforderlich sei vielmehr eine Zugangsregulierung,<br />

die bereits greift, bevor die technische<br />

Entwicklung Fakten schafft.<br />

Mota, Sue Ann: The U.S. Supreme Court<br />

addresses the child pornography prevention act<br />

and child online protection act in Ashcroft v.<br />

Free Spech coalition and Ashcroft v. American<br />

Civil Liberties Union. – S. 85 – 98<br />

Seit Jahren wird in den USA versucht, eine Jugendschutzregulierung<br />

für Internetdienste zu etablieren,<br />

die den strengen Anforderungen des First Amendment,<br />

dem amerikanischen Grundrecht der Meinungsfreiheit,<br />

genügt. Der Beitrag stellt zwei Entscheidungen<br />

des U.S. Supreme Court vor. In der einen<br />

wurden große Teile des Child Pornography Prevention<br />

Acts als verfassungswidrig eingestuft, weil sie die<br />

vom First Amendment geschützte Meinungsfreiheit<br />

Literatur · Zeitschriftenlese<br />

übermäßig einschränken. Dagegen ließ dem Beitrag<br />

zufolge der Supreme Court einen von ihm zu prüfenden<br />

Teil des Child Online Protection Acts als verfassungsgemäß<br />

passieren, da der Kongress offenbar die<br />

Leitlinien vorheriger Entscheidungen bei der Abfassung<br />

des Acts beachtet hat. Der Beitrag schließt mit<br />

dem Appell, vor dem Hintergrund dieser Entscheidungen<br />

die Regulierung weiter zu optimieren, um zu<br />

einem effektiven, aber auch verfassungskonformen<br />

Jugendschutz zu gelangen.<br />

Journal of Communication<br />

Jg 52 (2002) Nr 4<br />

Holladay, Sherry J.: „Have fun while you can“,<br />

„You’re only as old as you feel“, and „Don’t<br />

ever get old!“: an examination of memorable<br />

messages about aging. – S. 681 – 697<br />

Hajek, Christopher; Giles, Howard: The old<br />

man out: an intergroup analysis of intergenerational<br />

communication among gay men. – S. 698<br />

– 714<br />

Pecchioni, Loretta L.; Croghan, Jon M.: Young<br />

adults’ stereotypes of older adults with their<br />

grandparents as the targets. – S. 715 – 730<br />

Gilboa, Eytan: Global communication and foreign<br />

policy. – S. 731 – 748<br />

Clayman, Steven E.; Heritage, John: Questioning<br />

presidents: journalistic deference and adversarialness<br />

in the press conferences of U.S.<br />

Presidents Eisenhower and Reagan. – S. 749 –<br />

775<br />

Appiah, Osei: Black and White viewers’ perception<br />

and recall of occupational characters on<br />

television. – S. 776 – 793<br />

Schofield Clark, Lynn: U.S. adolescent religious<br />

identity, the media, and the „Funky“ side<br />

of Religion. – S. 794 – 811<br />

Greene, Kathryn et al: Elaboration in processing<br />

adolescent health messages: the impact of<br />

egocentrism and sensation seeking on message<br />

processing. – S. 812 – 831<br />

Parameswaran, Radhika: Reading fictions of<br />

romance: gender, sexuality, and nationalism in<br />

postcolonial India. – S. 832 – 851<br />

Hecht, Michael L. et al: Looking through Northern<br />

Exposure at Jewish American Identity<br />

and the communication theory of identity. –<br />

S. 852 – 869<br />

D’Angelo, Paul: News framing as a multiparadigmatic<br />

research program: a response to Entman.<br />

– S. 870 – 888<br />

Pratt, Cornelius B.; Ha, Louisa; Pratt, Charlot-<br />

313


M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />

te A.: Setting the public health agenda on major<br />

diseases in Sub-Saharan Africa: African popular<br />

magazines and medical journals, 1981-1997.<br />

– S. 889 – 904<br />

Nathanson, Amy I. et al: Counteracting the effects<br />

of female stereotypes on television via active<br />

mediation. – S. 922 – 937<br />

Leone, Ron: Contemplating ratings: an examination<br />

of what the MPAA considers „Too far<br />

for R“ and why. – S. 938 – 954<br />

Ex, Carine T. G. M.: Young females’ images of<br />

motherhood in relation to television viewing. –<br />

S. 955 – 971<br />

Kepplinger, Hans Mathias: Mediatization of<br />

politics: theory and data. – S. 972 – 986<br />

Massey, Brian L.; Chang, Li-ing Arthur: Locating<br />

Asian values in Asian journalism: a content<br />

analysis of web newspapers. – S. 987 – 1003<br />

Jg 53 (2003) Nr 1<br />

Gallois, Cindy: 2002 ICA presidential address:<br />

reconciliation through communication in intercultural<br />

encounters: potential or peril?. –<br />

S. 5 – 15<br />

Bishop, Ronald: The world’s nicest grown-up:<br />

a fantasy theme analysis of news media coverage<br />

of Fred Rogers. – S. 16 – 31<br />

Marvin, Carolyn: Portrayals of violence and<br />

group difference in newspaper photographs:<br />

nationalism and media. – S. 32 – 44<br />

Holbert, R. Lance; Shah, Dhavan V.; Kwak,<br />

Nojin: Political implications of prime-time<br />

drama and sitcom use: genres of representation<br />

and opinions concerning women’s rights. –<br />

S. 45 – 60<br />

Lowry, Dennis T. et al: Setting the public fear<br />

agenda: a longitudinal analysis of network TV<br />

crime reporting, public perceptions of crime,<br />

and FBI crime statistics. – S. 61 – 73<br />

Public perceptions of crime as the most important<br />

problem (MIP) facing the country jumped tenfold,<br />

from 5% in March of 1992 to an unprecedented 52%<br />

in August of 1994. This study analyzed the effects of<br />

three network television news predictor variables and<br />

two FBI predictor variables to determine what statistically<br />

accounted for the „big scare“. Based upon data<br />

from 1978 through 1998, results suggest that the 1994<br />

„bis scare“ was more a network TV news scare that a<br />

scare based upon the real world of crime. The television<br />

news variables alone accounted for almost four times<br />

more variance in public perceptions of crime as<br />

the MIP than did actual crime rates.<br />

314<br />

Pool, Marina M.; Koolstra, Cees M.; Voort,<br />

Tom H. A. van der: The impact of background<br />

radio and television on high school students’<br />

homework performance. – S. 74 – 87<br />

Romer, Daniel; Hall Jamieson, Kathleen; Aday,<br />

Sean: Television news and the cultivation of<br />

fear of crime. – S. 88 – 104<br />

Die Ergebnisse von drei Einzelstudien zum Einfluss<br />

von Lokalfernsehen auf die Verbrechensangst der Bevölkerung<br />

bestätigen die Annahmen der Kultivierungshypothese.<br />

Datenbasis waren Längs- und Querschnittdaten<br />

aus nationalen Umfragen sowie eine lokal<br />

begrenzte Befragung. Belege für andere Erklärungen<br />

duch konkurrierende Hypothesen fanden sich<br />

nicht. Die Nutzung lokaler Fernsehnachrichten führt<br />

demnach unabhängig von den tatsächlichen Verbrechensraten<br />

und unabhängig von Personenmerkmalen,<br />

die eine besondere Ansprechbarkeit für Verbrechensangst<br />

erwarten lassen, zu einer höheren Angst vor<br />

Verbrechen.<br />

Slater, Michael D.: Alienation, aggression, and<br />

sensation seeking as predictors of adolescent<br />

use of violent film, computer, and website content.<br />

– S. 105 – 121<br />

Sotirovic, Mira: How individuals explain social<br />

problems: the influence of media use. – S. 122 –<br />

137<br />

This study examined the role of media use in individuals’<br />

explanations of crime and welfare. Attribution<br />

theory and the information-processing approach to<br />

media effects provided a theoretical framework for<br />

this research. Media effects on explanations of social<br />

problems are enhanced by individuals´ patterns of information<br />

processing. Specifically, active processing<br />

of national television public affairs content increased<br />

while active processing of newspaper public affairs<br />

contect decreased the likelihood of individualistic explanations.<br />

The study also showed that individualistic<br />

explanations of crime and welfare are related to support<br />

for the death penalty and to opposition toward<br />

welfare programs.<br />

Hart, Roderick P.; Jennings, William P.; Dixson,<br />

Mary J.: Imagining the American people:<br />

strategies for building political community. –<br />

S. 138 – 154<br />

McDevitt, Michael: In Defense of autonomy:<br />

a critique of the public journalism critique. –<br />

S. 155 – 164<br />

Weispfenning, John: Cultural functions of reruns:<br />

time, memory, and television. – S. 165 –<br />

176<br />

Journal of Media Economics<br />

Jg 16 (2003) Nr 1<br />

Chan-Olmsted, Sylvia M.; Kang, Jae-Won:<br />

Theorizing the strategic architecture of a<br />

broadband television industry. – S. 3 – 22


„The emerging broadband environment is pushing<br />

forward a new phase of development for the television<br />

medium. Just as the introduction of cable television<br />

added the multichannel, narrow-casting capability to<br />

broadcast television, the arrival of the Internet and the<br />

broadband infrastructure brought more enhanced<br />

functions such as interactivity and personalization to<br />

cable television. This article introduces a strategic architecture<br />

that depicts the roles of various channel<br />

members and the interrelationships between them in<br />

the emerging broadband television industry by incorporating<br />

the concepts of value chain and complementary<br />

convergence. Contrary to the belief that the<br />

broadband industry would present a truly converged<br />

system in which firms from the multichannel television<br />

and telephone sectors compete in one another’s<br />

market with bundled services, this article anticipates a<br />

broadband market that continues to offer telecommunications<br />

and video programming products under two<br />

separate interfacing devices and different distribution<br />

infrastructures because of the importance of preserving<br />

the unique characteristics of each product.“<br />

Parsons, Patrick R.: Horizontal integration in<br />

the cable television industry: history and context.<br />

– S. 23 – 40<br />

„This article offers an historical review and analysis of<br />

horizontal integration in the cable television industry.<br />

It traces ownership patterns from the inception of the<br />

earliest multiple system operators (MSOs) to the formation<br />

of today’s industry behemoths. It is a business<br />

history that provides a panoramic view of the slow but<br />

steady concentration of holdings in the industry and<br />

looks at the contemporaneous forces that either accelerated<br />

or retarded such formation at given points in its<br />

development.“<br />

Chambers, Todd: Structural changes in small<br />

media markets. – S. 41 – 60<br />

»This article addresses the structural changes in the local<br />

broadcast television, radio, and daily newspaper<br />

industries in small media markets. Specifically, the<br />

study explores the consequences of shifting from a<br />

managed structure of regulation to an open-market<br />

structure of deregulation in markets with a population<br />

of 125,000 or less. Overall, the statistical analysis suggests<br />

a limited impact on the number of local owners<br />

when considering the gradual change from regulation<br />

to deregulation. However, the analysis suggests that<br />

there has been a negative impact on ownership diversity<br />

in some local media industries in the small markets<br />

since the Telecommunications Ac t of 1996.“<br />

Journal of Communication Inquiry<br />

Jg 27 (2003) Nr 1<br />

Marcellus, Jane: My grandmother’s black market<br />

birth control: „subjugated knowledges“ in<br />

the history of contraceptive discourse. – S. 9 –<br />

28<br />

Mellinger, Gwyneth: Counting color: ambivalence<br />

and contradiction in the American society<br />

of newspaper editiors’ discourse of diversity. –<br />

S. 129 – 151<br />

Literatur · Zeitschriftenlese<br />

Guzman, Isabel Molina: Contesting the borders<br />

of the imagined nation: the frame of religious<br />

marginalization in grassroots socially<br />

conservative discourses about sexuality in public<br />

education. – S. 29 – 48<br />

Rajgopal, Shoba S.: The politics of location:<br />

ethnic identity and cultural conflict in the cinema<br />

of the South Asian Diaspora. – S. 49 – 66<br />

Consalvo, Mia: Cyber-Slaying media fans:<br />

code, digital poaching and corporate control of<br />

the Internet. – S. 67 – 86<br />

Rauch, Jennifer: Rooted in nations, blossoming<br />

in globalization?: a cultural perspective on the<br />

content of a „Northern“ mainstream and a<br />

„Southern“ alternative news agency. – S. 87 –<br />

103<br />

Die Studie vergleicht die Berichterstattung zweier<br />

Nachrichtenagenturen: einer dem „Mainstream“ zugerechneten<br />

(Associated Press) und einer „alternativen“<br />

(Inter Press Service). Der Vergleich erfolgt nicht<br />

auf der Ebene der Nachrichtenauswahl, sondern auf<br />

der konkreten Textebene in Bezug auf Ereignisse,<br />

über die beide Agenturen berichten. Die qualitative<br />

Analyse der Angebote über den Gipfel der „Group of<br />

77“, der 2000 auf Kuba stattfand, zeigt, dass IPS in seinen<br />

Texten die Zusammenarbeit, die Errungenschaften<br />

und die Ziele der südlichen Länder betont,<br />

während AP Aspekte der Uneinigkeit und der Kontroverse<br />

in den Vordergrund stellt. In der Schlussfolgerung<br />

resümiert die Autorin, dass das Angebot von<br />

AP durch die hegemonialen Interessen und Vorannahmen<br />

der USA geprägt wird, wodurch sich bestätige,<br />

dass es vielfältigerer Informationsquellen bedürfe,<br />

um der Öffentlichkeit einen angemessenen Zugang zu<br />

relevanten Geschehnissen zu eröffnen.<br />

Journalism & Mass Communication<br />

Quarterly<br />

Jg 79 (2002) Nr 4<br />

Peter, Jochen; Lauf, Edmund: Reliability in<br />

cross-national content analysis. – S. 815 – 832<br />

Husselbee, L. Paul; Elliott, Larry: Loking beyond<br />

hate: how national and regional newspapers<br />

framed hate crimes in Jasper, Texas, and<br />

Laramie Wyoming. – S. 833 – 852<br />

Warren, Ron: Preaching to the choir?: parent’s<br />

use of TV ratings to mediate children’s viewing.<br />

– S. 867 – 886<br />

Len-Rios, Maria E.: The Bush and Gore Presidential<br />

campaign web sites: identifying with<br />

Hispanic voters during the 2000 Iowa Caucuses<br />

and New Hampshire Primary. – S. 887 – 904<br />

315


M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />

Deshpande, Sameer; Hitchcon, Jacqueline C.:<br />

Cause-related marketing ads in the light of negative<br />

news. – S. 905 – 926<br />

Min, Young: Intertwining of campaign news<br />

and advertising: the content and electoral effects<br />

of newspaper ad watches. – S. 927 – 944<br />

Lee, Moon J.; Ferguson, Mary Ann: Effects of<br />

Anti-Tobacco Advertisements based on risktalking<br />

tendencies: realistic fear vs. vulgar humor.<br />

– S. 945 – 963<br />

Shah, Dhavan et al: Nonrecursive models of internet<br />

use and community engagement: questioning<br />

whether time spent online erodes social<br />

capital. – S. 964 – 987<br />

Thomsen, Steven R.: Health and Beauty magazine<br />

reading and body shape concerns among a<br />

group of college women. – S. 988 – 1008<br />

Kommunikation und Recht<br />

Jg 5 (2002) Nr 12<br />

Koos, Stefan: Ausgewählte Aspekte des rechtlichen<br />

Schutzes gegen ungewollte Netzeinwahlen<br />

durch Dialer. – S. 617 – 625<br />

Tillmann, Michael: Telearbeit nach der Novellierung<br />

des BetrVG: die Geburt des doppelten<br />

Betriebsbegriffs. – S. 629 – 632<br />

Klimek, Oliver A.: Zugangsbeschränkungen im<br />

Rahmen des Application Service Providing: typische<br />

Klauseln und Inhaltskontrolle. – S. 633 –<br />

641<br />

Engels, Stefan: Liberalisierung des Telefonmarketings.<br />

– S. 642 – 643<br />

Strömer, Tobias H.: Der externe Jugendschutzbeauftragte.<br />

– S. 643 – 647<br />

Jg 6 (2003) Nr 1<br />

Großfeld, Bernhard; Hoeltzenbein, Josef: Global<br />

powers: international aspects of cyberspace<br />

patents. – S. 1 – 7<br />

Koenig, Christian; Loetz, Sascha; Neumann,<br />

Andreas: Sektorspezifische Regulierung im<br />

neuen Telekommunikationsrecht: Umsetzungsspielräume,<br />

verfassungsrechtliche Vorgaben<br />

und Verfahrensgestaltung. – S. 1 – 30<br />

Koenig, Christian; Loetz, Sascha; Neumann,<br />

Andreas: Der Begriff des funktionsfähigen<br />

Wettbewerbs im deutschen Telekommunikationsrecht.<br />

– S. 8 – 15<br />

316<br />

„Gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 TKG ist die Sicherstellung<br />

eines chancengleichen und funktionsfähigen Wettbewerbs<br />

Ziel der telekommunikationsrechtlichen Regulierung.<br />

Zugleich weist § 81 Abs. 3 TKG dem Begriff<br />

des funktionsfähigen Wettbewerbs bei der Beurteilung<br />

der Möglichkeit einer Optimierung oder Zurückführung<br />

der sektorspezifischen Regulierung eine<br />

zentrale Rolle zu. Dennoch fehlt es bislang an einer<br />

genaueren Bestimmung des telekommunikationsrechtlichen<br />

Begriffs „funktionsfähiger Wettbewerb“.<br />

Eine solche war unmittelbar nach der endgültigen Liberalisierung<br />

der deutschen Telekommunikationsmärkte<br />

weitgehend entbehrlich, da es damals unzweifelhaft<br />

war, dass in den regulierten Telekommunikationsmärkten<br />

kein funktionsfähiger Wettbewerb<br />

herrschte. Die mittlerweile erfolgte Intensivierung des<br />

Wettbewerbs macht es jedoch notwendig, das Konzept<br />

des funktionsfähigen Wettbewerbs schärfer zu<br />

konturieren. Eine solche Konturierung aus juristischer<br />

und ökonomischer Perspektive zu leisten ist<br />

Anliegen des [...] Beitrags.“<br />

Berlinger, Daniela: Resale im Mobilfunk. –<br />

S. 16 – 20<br />

Geis, Ivo: Elektronische Kommunikation mit<br />

der öffentlichen Verwaltung. – S. 21 – 27<br />

Jg 6 (2003) Nr 2<br />

Gounalakis, Georgios: Das TK-Sonderkartellrecht<br />

und die Regelungen zur Belegung von<br />

Übertragungskapazitäten auf dem Prüfstand. –<br />

S. 49 – 52<br />

Der Beitrag greift die Thematik auf, ob es sinnvoll ist,<br />

das Sonderkartellrecht im Telekommunikationsrecht<br />

abzuschaffen und die Regelungen über die Belegung<br />

von Übertragungskapazitäten beizubehalten. Er konstatiert,<br />

dass das materielle <strong>Medien</strong>recht in den Bereich<br />

zu straffen und zu harmonisieren ist, in denen es<br />

derzeit zu behebbaren Anwendungs- und Kompetenzkonflikten<br />

kommt. Dies gilt zum einen für das<br />

Verhältnis zwischen sektorspezifischem Kartellrecht<br />

im TKG und GWB, zum anderen besteht eine Harmonisierungsbedarf<br />

zwischen den telekommunikations-<br />

und medienrechtlichen Vorschriften, welche die<br />

Belegung von Übertragungswegen regeln.<br />

Wissmann, Martin; Klümper, Mathias: Effizienter<br />

Rechtsschutz und Rechtsweg im künftigen<br />

<strong>Kommunikations</strong>recht. – S. 52 – 58<br />

Durch die Umsetzung des EU-Richtlinienpakets für<br />

die elektronische Kommunikation kommt dem<br />

Rechtsschutz eine besondere Bedeutung zu. Nach einer<br />

kurzen Darstellung des gegenwärtigen Rechtsschutzes<br />

im TK-Sektor zeigen die Autoren die<br />

zukünftigen Anforderungen an den Rechtsschutz<br />

nach dem neuen europäischen Rechtsrahmen sowie<br />

sich daraus ergebende Anpassungs- und Änderungsbedarfe<br />

im Hinblick auf behördliche Streitbeilegungsverfahren<br />

und gerichtlichen Rechtsschutz auf.<br />

Viefhues, Wolfram; Volesky, Karl-Heinz:<br />

Elektronischer Rechtsverkehr – wird die Chance<br />

genutzt?. – S. 59 – 63


Gitter, Rotraud; Roßnagel, Alexander: Rechtsfragen<br />

mobiler Agentensysteme im E-Commerce.<br />

– S. 64 – 71<br />

Eriksen, Lars H.: Die Bilanzierung von Software<br />

nach deutschem Recht. – S. 72 – 74<br />

Jg 6 (2003) Nr 3<br />

Heckmann, Dirk: E-Vergabe als Motor für E-<br />

Government?. – S. 97 – 104<br />

Stichtenoth, Joans: Softwareüberlassungsverträge<br />

nach dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz.<br />

– S. 105 – 109<br />

Capito, Ralf; Elspaß, Mathias: Die Auswahl des<br />

Betreibers und der neue Rechtsrahmen der Europäischen<br />

Gemeinschaft für die Märkte der<br />

elektronischen Kommunikation. – S. 110 – 117<br />

Der Beitrag beleuchtet kurz die derzeitigen gemeinschaftsrechtlichen<br />

und nationalen Vorgaben zur Betreiberauswahl<br />

und erläutert die relevanten Vorschriften<br />

des neuen europäischen <strong>Kommunikations</strong>rechtsrahmens.<br />

Im Anschluss wird untersucht, inwieweit<br />

die Änderungen des TKG mit den Vorgaben des Gemeinschaftsrechts<br />

übereinstimmen und welche Umsetzungsbedarfe<br />

entstehen. Am Beispiel der regulatorischen<br />

Vorgaben zur Betreiberauswahl werden dabei<br />

zugleich grundlegenden Rechtsfragen und die Funktionsweise<br />

des neuen Rechtsrahmens der Gemeinschaft<br />

erörtert.<br />

Obergfell, Eva Ines: Deutscher Urheberschutz<br />

auf internationalem Kollisionskurs. – S. 118 –<br />

125<br />

Reinhard, Tim; Lober, Andreas: The show<br />

must go on: Lizenzverträge in der Insolvenz. –<br />

S. 126 – 129<br />

Jg 6 (2003) Nr 4<br />

Ladeur, Karl-Heinz: Das europäische Telekommunikationsrecht<br />

im Jahr 2002. – S. 153 –<br />

159<br />

„Der Beitrag gibt einen Überblick über die Entwicklung<br />

des Telekommunikationsrechts, insbesondere<br />

die Vollendung des Richtlinienpakets und der Ansätze<br />

zu seiner Umsetzung in die Rechtspraxis der Mitgliedstaaten<br />

und die Entscheidungspraxis von Kommission<br />

und europäischen Gerichten zum Wettbewerbsrecht,<br />

soweit sie für die Telekommunikationsmärkte<br />

von Bedeutung ist.“<br />

Gerpott, Torsten J.: Regulierung der Qualitätsberichterstattung<br />

für Telekommunikationsdienste.<br />

– S. 160 – 167<br />

„In etlichen Industriestaaten werden zum Teil bereits<br />

seit längerer Zeit von Marktaufsichtsbehörden für den<br />

Telekommunikationssektor Qualitätsdaten von TK-<br />

Diensten regelmäßig erhoben und veröffentlicht. In<br />

Deutschland hingegen wurden nach der vollständigen<br />

Literatur · Zeitschriftenlese<br />

Öffnung der TK-Dienstemärkte für Wettbewerb im<br />

Januar 1998 erst einmal im Juli 2002 entsprechende<br />

Qualitätsinformationen für den festnetzbasierten<br />

Sprachtelefondienst von der zuständigen Behörde in<br />

deren Amtsblatt publiziert. Der [...]Artikel analysiert<br />

zunächst konzeptionell die Vorteilspotentiale und -<br />

voraussetzungen einer regulierten Qualitätsberichterstattung<br />

für TK-Dienste aus der Perspektive verschiedener<br />

Marktparteien. Dann vergleicht er diese Berichterstattung<br />

für den festnetzbasierten Sprachtelefondienst<br />

in Deutschland mit derjenigen in den USA,<br />

Großbritannien und Australien. Aus den konzeptionellen<br />

und ländervergleichenden Analysen werden<br />

Vorschläge zur Weiterentwicklung der Inhalte sowie<br />

des Verfahrens der regulierten Qualitätsberichterstattung<br />

für Telekommunikationsdienste in Deutschland<br />

abgeleitet.“<br />

Hilgendorf, Eric; Hong, Seung-Hee: Cyberstalking.<br />

– S. 168 – 172<br />

Lubitz, Markus: Internetvertrieb und Kfz-<br />

GVO Nr. 1400/2002. – S. 173 – 176<br />

Bousonville, Ruth Maria: Rat und Auskunft am<br />

Telefon – Anwalts-Hotline. – S. 177 – 180<br />

Mass Communication & Society<br />

Jg 5 (2002) Nr 4<br />

Alexander, Alison et al: Quality standards in<br />

children’s programming: an independent observation<br />

of industry claims. – S. 383 – 394<br />

Shen, Fuyuan; Wu, H. Denis: Effects of Soft-<br />

Money issue advertisements on candidate evaluation<br />

and voting preference: an exploration. –<br />

S. 395 – 410<br />

Lowrey, Wilson: Word people vs. picture people:<br />

normative differences and strategies for<br />

control over work among newsroom subgroups.<br />

– S. 411 – 432<br />

Bullock, Cathy F. et al: Group affiliations, opinion<br />

polarization, and global organizations:<br />

views of the world trade organization before<br />

and after Seattle. – S. 433 – 450<br />

Media, culture & society<br />

Jg 24 (2002) Nr 6<br />

Watson, Iarfhlaith: Irish-language broadcasting:<br />

history, ideology and identity. – S. 739<br />

– 758<br />

Yteberg, Espen: Ideal types in public service television:<br />

paternalists and bureaucrats, charismatics,<br />

and avant-gardists. – S. 759 – 774<br />

Silk, Michael: „Bangsa Malaysia“: global sport,<br />

the city of the mediated refurbishment of local<br />

identities. – S. 775 – 794<br />

317


M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />

Winseck, Dwayne: Netscapes of power: convergence,<br />

consolidation and power in the Canadian<br />

mediascape. – S. 795 – 820<br />

Sonwalkar, Prasun: „Murdochization“ of the<br />

Indian press: from by-line to bottom-line. –<br />

S. 821 – 834<br />

Jg 25 (2003) Nr 1<br />

Hoskins, Andrew: Signs of the Holocaust:<br />

exhibiting memory in a mediated age. – S. 7 –<br />

22<br />

Diese Ausgabe der Zeitschrift ist dem Thema „Soziales<br />

Gedächtnis und <strong>Medien</strong>“ gewidmet. Die Beiträge<br />

befassen sich mit einer Reihe unterschiedlicher Formen<br />

von kollektiver Erinnerung mittels unterschiedlicher<br />

<strong>Medien</strong> und in verschiedenen Ländern bzw. Regionen<br />

(Holocaust-Erinnerungen, Genozid in Kambodscha,<br />

Apartheid in Südafrika und der DDR). Beschrieben<br />

werden verschiedene Formen des sozialen<br />

Gedächtnisses (öffentlich, kulturell, national, familiär<br />

usw.), Erinnerungen als Formen sozialen Handelns<br />

und gesellschaftlicher Strukturen und die Rolle von<br />

<strong>Medien</strong> wie elektronische <strong>Medien</strong>, Fotos oder interaktive<br />

<strong>Medien</strong> in Museen.<br />

Hughes, Rachel: The abject artefacts of memory:<br />

photographs from Cambodia’s genocide.<br />

– S. 23 – 45<br />

Andrews, Molly: Grand national narratives and<br />

the project of truth commissions: a comparative<br />

analysis. – S. 45 – 67<br />

Reading, Anna: Digital interactivity in public<br />

memory institutions: the uses of new technologies<br />

in Holocaust museums. – S. 67 – 86<br />

Hassan, Robert: The MIT media lab: techno<br />

dream factory or alienation as a way of life?. –<br />

S. 87 – 106<br />

Jg 25 (2003) Nr 2<br />

Kraidy, Marwan M.; Goeddertz, Tamara:<br />

Transnational advertising and international relations:<br />

US press discourses on the Benetton<br />

„We on death row“ campaign. – S. 147 – 166<br />

Oren, Tasha G.: The belly dancer strategy: Israeli<br />

edeucational television and its alternatives.<br />

– S. 167 – 186<br />

Connell, Liam: The Scottishness of the Scottish<br />

press: 1918-1939. – S. 187 – 208<br />

Deacon, David: Holism, communion and conversion:<br />

integrating media consumption and<br />

production research. – S. 209 – 232<br />

Ward, David: State aid or band aid?: did the Eu-<br />

318<br />

ropean Commission really destroy the European<br />

model of public service broadcasting?. –<br />

S. 232 – 250<br />

Der Artikel untersucht die Haltung der Europäischen<br />

Kommission in Bezug auf die staatliche Unterstützung<br />

im Rundfunksektor und insbesondere die Finanzierung<br />

des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.<br />

Gegen die Kritik von verschiedener Seite die Kommission<br />

gefährde mit ihrer Politik die Existenz des öffentlich-rechtlichen<br />

Rundfunks argumentiert der Autor<br />

die Kommission verfolge eine durchdachte Strategie,<br />

die die Existenz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks<br />

längerfristig stärke.<br />

Pietikäinen, Sari; Hujanen, Jaana: At the crossroads<br />

of ethnicity, place and identity: representations<br />

of northern people and regions in Finnish<br />

news discourse. – S. 251 – 268<br />

Ausgehend von der Bedeutung der öffentlichen Kommunikation<br />

für die Bildung von Identitäten untersuchte<br />

die in diesem Beitrag vorgestellte Studie diskursanalytisch<br />

die Repräsentationen des finnischen<br />

Nordens und seiner Bevölkerung insbesondere der<br />

Samen und der Finnen in Nachrichten. Untersucht<br />

wurden regionale und nationale Zeitungen in der Zeit<br />

von 1985 bis 1994. Ein Zusammenhang zeigte sich<br />

zwischen der Dominanz von offiziellen Akteuren in<br />

der Presse-Berichterstattung und der Repräsentation<br />

von Bewohnern des Nordens als marginale Zuschauer<br />

und Gegenstand der Handlungen der Mehrheit im<br />

Süden des Landes.<br />

Media Perspektiven<br />

(2002) Nr 12<br />

Zubayr, Camille; Gerhard, Heinz: Berichterstattung<br />

zur Bundestagswahl aus Sicht der Zuschauer:<br />

Ergebnisse einer Repräsentativbefragung<br />

und der GfK-Fernsehforschung. – S. 586<br />

– 599<br />

„Basierend auf zwei Datenquellen, der regelmäßigen<br />

Zuschauerforschung der GfK und dem ARD/ZDF-<br />

Wahltrend, einer zweistufigen Repräsentativumfrage<br />

unter insgesamt 2500 Wahlberechtigten, bilanzieren<br />

die Autoren die Nutzung und Bewertung der Fernsehberichterstattung<br />

zur Bundestagswahl am 22. September<br />

2002. Über die Hälfte der Befragten gab an,<br />

dass das Fernsehen im Wahlkampf die wichtigste Informationsquelle<br />

für sie war. 51,7 Millionen Bundesbürger<br />

sahen sich zumindest eine Wahlsondersendung<br />

im Ersten, bei ZDF, RTL oder SAT.1 an. Damit fand<br />

die Vorwahlberichterstattung des Fernsehens eine<br />

ähnliche Resonanz beim Publikum wie bei der Bundestagswahl<br />

vier Jahre zuvor. ...“<br />

Dehm, Ursula: Fernsehduelle im Urteil der Zuschauer:<br />

eine Befragung des ZDF zu einem<br />

neuen Sendungsformat bei der Bundestagswahl<br />

2002. – S. 600 – 609<br />

„Schlagworte wie <strong>Medien</strong>wahlkampf und Amerikanisierung<br />

prägten (wieder einmal) die öffentliche Debatte<br />

um den Bundestagswahlkampf 2002. Im Zentrum<br />

des Interesses standen dieses Mal die erstmals ausgetragenen<br />

„Fernsehduelle“ zwischen Bundeskanzler


Gerhard Schröder und seinem Herausforderer Edmund<br />

Stoiber. Die beiden von ARD/ZDF bzw.<br />

RTL/SAT.1 übertragenen Debatten erreichten jeweils<br />

mehr Zuschauer als jede andere Sendung zur Bundestagswahl.<br />

... Spekulationen über eine möglicherweise<br />

wahlentscheidende Bedeutung der Fernsehduelle geben<br />

die Befragungsergebnisse wenig Nahrung: je nach<br />

(vor den Sendungen geäußerter) Präferenz für einen<br />

der beiden Kandidaten sahen die meisten Zuschauer<br />

auch die Fernsehduelle unterschiedlich. ... Die Meinungen<br />

zu den Kandidaten haben sich bei deren Anhängern<br />

durch die Fernsehduelle nur sehr geringfügig<br />

verändert.“<br />

Krüger, Udo Michael; Zapf-Schramm, Thomas:<br />

Wahlberichterstattung im öffentlichrechtlichen<br />

und privaten Fernsehen: Ergebnisse<br />

des ARD/ZDF-Wahlmonitors 2002. –<br />

S. 610 – 622<br />

Müller, Dieter K.: ARD und ZDF als Werbeträger<br />

nach 20.00 Uhr: Wahlwerbung im Fernsehen.<br />

– S. 623 – 628<br />

Müller, Marion G.: Parteienwerbung im Bundestagswahlkampf<br />

2002: eine qualitative Analyse<br />

politischer Werbung und PR. – S. 629 – 638<br />

(2003) Nr 1<br />

Kuchenbuch, Katharina: Die Fernsehnutzung<br />

von Kindern aus verschiedenen Herkunftsmilieus:<br />

eine Analyse anhand des Sinus-Milieu-<br />

Modells. – S. 2 – 11<br />

Fritz, Irina; Klingler, Walter: Zeitbudgets und<br />

Tagesablaufverhalten in Deutschland: die Position<br />

der Massenmedien: Ergebnisse auf Basis<br />

der ARD/ZDF-Studie Massenkommunikation<br />

2000. – S. 12 – 23<br />

Pätzold, Ulrich; Röper, Horst: Fernsehproduktionsvolumen<br />

1998 bis 2000: Fortschreibung<br />

der Formatt-Studie über Konzentration<br />

und regionale Schwerpunkte der Auftragsproduktionsbranche.<br />

– S. 24 – 34<br />

Adlbrecht, Jo: Internetverbreitung und Onlinenutzung<br />

in Österreich: ORF ist führendes<br />

<strong>Medien</strong>angebot im Internet. – S. 35 – 43<br />

(2003) Nr 2<br />

Breunig, Christian: Onlineangebote für Jugendliche:<br />

Jugend-Websites sind ideale Ergänzung<br />

zu den klassischen <strong>Medien</strong>. – S. 50 – 66<br />

„... In der hier erstmals vorliegenden Übersicht werden<br />

die Onlineangebote für Jugendliche systematisiert,<br />

einzelne Angebote vorgestellt, der Nutzen der<br />

Angebote für die Jugendlichen umschrieben, die Betreiber<br />

der Websites benannt und deren Ziele dargelegt.<br />

...“<br />

Literatur · Zeitschriftenlese<br />

Eimeren, Birgit van: Internetnutzung Jugendlicher:<br />

Erlebniswert des Internets beruht wesentlich<br />

auf Kommunikation und Unterhaltung.<br />

– S. 67 – 75<br />

Turecek, Oliver; Grajczyk, Andreas; Roters,<br />

Gunar: Video- und DVD-Markt im Aufwind:<br />

2001 und 2002 erfolgreiche Jahre für die Videobranche.<br />

– S. 76 – 85<br />

Gaßner, Hans-Peter: Werbeerfolgskontrolle<br />

mit der Spot-Analyse Radio: die Wirkung von<br />

Radiospots messen. – S. 86 – 92<br />

Krüger, Udo Michael; Zapf-Schramm, Thomas:<br />

Wandel der Unterhaltungsformate im<br />

Fernsehen bei robuster Spartenstruktur: Programmanalyse<br />

2002/I. – S. 102 – 114<br />

Gerhards, Maria; Klingler, Walter: <strong>Medien</strong>nutzung<br />

in der Zukunft: eine Prognose auf der Basis<br />

aktueller Daten. – S. 115 – 130<br />

Neuberger, Christoph: Onlinejournalismus:<br />

Veränderungen – Glaubwürdigkeit – Technisierung:<br />

eine Sekundäranalyse bisheriger Forschungsergebnisse<br />

und <strong>wissenschaft</strong>licher<br />

Analysen. – S. 131 – 138<br />

„Ein Kennzeichen für den Onlinejournalismus ist,<br />

dass die frühere Knappheit an Vermittlungskapazität<br />

abgelöst wird durch Knappheit an Aufmerksamkeit<br />

und Kompetenz aufseiten der Nutzer. Zudem entwickeln<br />

sich im Internet neue Angebotsformen, die im<br />

weiteren Sinn journalistische Leistungen erbringen<br />

(z.B. Weblogs, peer-to-peer-Angebote). ... Onlinenutzer<br />

orientieren sich, wie Befragungen in den USA<br />

gezeigt haben, bei der Bewertung von Angeboten<br />

zwar stärker als Journalisten und Experten an Gestaltungsmerkmalen.<br />

Dennoch hat die Einhaltung journalistischer<br />

Berufsnormen für sie eine große Bedeutung.<br />

Nutzer erwarten Transparenz über Anbieter<br />

und Quellen sowie eine klare Trennung zwischen redaktionellem<br />

Teil und Werbung. Journalistische und<br />

kommerzielle Inhalte lassen sich nach ihrer Einschätzung<br />

im Internet oft nur schwer unterscheiden, und<br />

auch Transparenz ist nicht ausreichend gegeben. In<br />

den USA ist den Ergebnissen einer jährlichen repräsentativen<br />

Befragung zufolge das Zutrauen in die Zuverlässigkeit<br />

von Internetinformatoinen tendenziell<br />

rückläufig. ...“<br />

Gleich, Uli: Qualität im Journalismus am Beispiel<br />

der Kriegsberichterstattung: Forschungsbeiträge<br />

zur Qualitätsdebatte. – S. 139 – 148<br />

Media psychology<br />

Jg 4 (2002) Nr 4<br />

Raney, Arthur A.: Moral judgement as a predictor<br />

of enjoyment of crime drama. – S. 305 –<br />

322<br />

319


M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />

Haridakis, Paul M.: Viewer characteristics, exposure<br />

to television violence, and aggression. –<br />

S. 323 – 352<br />

Eveland, William P.; Seo, Mihye; Marton,<br />

Krisztina: Learning from the news in campaign<br />

2000: an experimental comparison of TV news,<br />

newspapers, and online-news. – S. 353 – 378<br />

Jg 5 (2003) Nr 1<br />

Cantor, Joanne; Mares, Marie-Louise; Hyde,<br />

Janet S.: Autobiographical memories of exposure<br />

to sexual media content. – S. 1 – 32<br />

Gegenstand der vorgestellten Inhaltsanalyse waren<br />

Beschreibungen von Erinnerungen an Kontakte mit<br />

sexuellen <strong>Medien</strong>inhalten, die bei 196 Undergraduate<br />

Students erhoben worden waren. Die Berichte waren<br />

emotional sowohl positiv als auch negativ gefärbt, wobei<br />

sich signifikante Unterschiede nach Alter zum<br />

Zeitpunkt des <strong>Medien</strong>kontakts (5 bis 12 Jahre versus<br />

13 Jahre und älter) und Geschlecht zeigten. Bericht<br />

über frühe Kontakte bezogen sich mehr auf oberflächliche<br />

Merkmale (z.B. Nacktheit) sowie auf Empfindungen<br />

von Schuld oder Verwirrung, während sich<br />

Berichte über spätere Kontakte auf Elemente der Geschichte<br />

(z.B. Vergewaltigung) bezogen und eher mit<br />

Wut, Ekel und Trauer verbunden waren. Die Berichte<br />

von Männern bezogen sich stärker auf physische<br />

Aspekte und waren in der Regel positiver als die von<br />

Frauen, die sich stärker auf die Beziehungsaspekte von<br />

„depictions“ bezogen. Die erinnerten <strong>Medien</strong>inhalte<br />

stammten weit überwiegend aus Filmen, die mindestens<br />

mit der Kategorie R klassifiziert worden waren;<br />

diese Filme wurden zu Hause, in Abwesenheit der Eltern<br />

gesehen. Abschließend werden Möglichkeiten<br />

diskutiert, wie die Aufmerksamkeit der Eltern sowie<br />

ihr medienbezogenes Erziehungsverhalten gefördert<br />

werden können.<br />

Bolls, Paul D.; Lang, Annie: I saw it on the radio:<br />

the allocation of attention to high-imagery<br />

radio advertisements. – S. 33 – 56<br />

In dieser Studie wurde untersucht, wie sich der Grad<br />

an bildlichen Vorstellungen in Radio-Werbespots die<br />

Allokation kognitiver Ressourcen bei der Speicherung<br />

der Botschaft des Spots im Gedächtnis auswirkt. In einem<br />

Experiment hörten sich die Teilnehmer 24 ca. 60sekündige<br />

Radiospots an, die zuvor danach klassifiziert<br />

worden waren, inwieweit sie bildliche Vorstellungen<br />

enthielten. Bei der Hälfte der Spots wurden<br />

Zusatzaufgaben gestellt und die Reaktionszeiten bei<br />

der Lösung dieser Aufgaben gemessen. Nach jedem<br />

Spot wurde außerdem das selbst wahrgenommene Involvement<br />

erfragt. Die Reaktionszeiten für die Sekundäraufgabe<br />

waren kürzer bei den Spots, die mit bildlichen<br />

Vorstellungen arbeiteten; bei diesen Spots war<br />

auch das von den Teilnehmern wahrgenommene Involvement<br />

stärker. Die Ergebnisse sprechen dafür,<br />

dass Radiohörer mehr kognitive Ressourcen in die<br />

Verarbeitung von sehr bildhaften Radiospots investieren,<br />

als dies für die eigentliche Botschaft notwendig<br />

wäre.<br />

Salwen, Michael B.; Dupagne, Michael: News<br />

of Y2K and experiencing Y2K: exploring the<br />

320<br />

relationship between the third-person-effect<br />

and optimistic bias. – S. 57 – 82<br />

Die Studie befasst sich mit den Erwartungen der Amerikaner<br />

Ende des Jahres 1999 hinsichtlich der für das<br />

Jahr 2000 vorhergesagten Probleme. Theoretisch geht<br />

es um das Verhältnis zwischen Third-Person-Effekt<br />

und der sozialpsychologischen Theorie des ,optimistic<br />

bias’. Der Third-Person-Effekt sagt voraus, dass<br />

sich Menschen selbst für weniger von <strong>Medien</strong> beeinflussbar<br />

halten als andere Menschen. Um diesen Effekt<br />

zu erklären, berufen sich einige Forscher auf den<br />

„optimistic bias“, der darin besteht, dass Menschen<br />

davon ausgehen, dass sie mit geringerer Wahrscheinlichkeit<br />

als andere Menschen Opfer negativer Ereignisse<br />

werden. Bisher allerdings gibt es zu dieser These<br />

kaum empirische Evidenz. Wie erwartet, bezeichneten<br />

sich die Befragten selbst als weniger von der massiven<br />

<strong>Medien</strong>berichterstattung zur Jahrtausendwende<br />

beeinflusst als andere Menschen. Außerdem erwarteten<br />

sie für sich persönlich geringere negative Auswirkungen<br />

der mit dem Jahreswechsel verbundenen Probleme.<br />

Allerdings zeigte sich keinerlei Zusammenhang<br />

zwischen diesen beiden Urteilstendenzen; diese<br />

wurden offensichtlich auch von unterschiedlichen<br />

Prädiktoren beeinflusst. Die Befunde zeigen, dass der<br />

Third-Person-Effekt nicht lediglich ein medienbezogener<br />

Sonderfall eines „optimistic bias“ ist, sondern<br />

dass die Menschen unterschiedliche Kriterien heranziehen,<br />

wenn es um die Wahrscheinlichkeit bestimmter<br />

Ereignisse und um die möglichen Wirkungen der<br />

<strong>Medien</strong>berichterstattung über diese Ereignisse geht.<br />

Nowak, Kristine L.: Sex categorization in<br />

Computer mediated communication (CMC):<br />

exploring the utopian promise. – S. 83 – 104<br />

Ausgangspunkt sind zwei widersprüchliche Thesen<br />

im Hinblick auf die Rolle der Geschlechterkategorisierung<br />

in der computervermittelten Kommunikation.<br />

Während eine Seite betont, durch die fehlenden Hinweise<br />

auf die Geschlechtszugehörigkeit könne die<br />

Kommunikation gleichberechtigter verlaufen, verweist<br />

die andere Seite darauf, dass die entsprechenden<br />

Hinweise die Verbindlichkeit und Zuverlässigkeit der<br />

Kommunikation erhöhten. In einer Untersuchung<br />

unter 42 Studierenden wurden diese nach Bearbeitung<br />

einer computergestützen Problemlöseaufgabe, die in<br />

Kooperation mit Anderen zu bearbeiten war, befragt:<br />

Mehr als ein Drittel der Befragten ordneten ihren<br />

Partner keiner Geschlechtskategorie zu. Die Mehrheit<br />

derer, die eine solche Zuordnung vornahmen, lagen<br />

dabei falsch. Die Teilnehmer ohne Zuordnung empfanden<br />

die Zusammenarbeit als unmittelbarer und<br />

glaubwürdiger. Frauen berichteten, diese Art der<br />

Kommunikation ermögliche ihnen höhere soziale<br />

Präsenz. Diese Befunde werden im Sinne der These interpretiert,<br />

dass computergestützte <strong>Kommunikations</strong>systeme,<br />

die keine Hinweise auf soziodemographische<br />

Merkmale beinhalten, eine gleichberechtigtere<br />

Kommunikation fördern können.<br />

medien + erziehung<br />

Jg 47 (2003) Nr 1<br />

Fritz, Jürgen: Action, Lebenswelten und<br />

Transfer. – S. 7 – 21<br />

Brinkmann, Dieter: Alles action – oder was?:


Erlebniswelten als informelle Lernorte. – S. 22<br />

– 27<br />

Paus-Hasebrink, Ingrid; Lampert, Claudia:<br />

Dragonball und DragonballZ: Action, Abenteuer,<br />

Anime. – S. 28 – 31<br />

Warkus, Hartmut; Jacob, Thomas: Von LANs<br />

und Clans: Gespräche am Rande der Games<br />

Convention in Leipzig. – S. 32 – 34<br />

Masuch, Maic; Fromme, Johannes: Computerspiele<br />

in der universitären Ausbildung. – S. 35 –<br />

40<br />

Blömeke, Sigrid: Portfolio als Instrument zur<br />

Stärkung der medienpädagogischen Anteile in<br />

der Lehrerausbildung. – S. 47 – 51<br />

Hüther, Jürgen: Wegbereiter der <strong>Medien</strong>pädagogik<br />

(9): Alfons Otto Schorb (1921 –<br />

1983). – S. 53 – 56<br />

Jg 47 (2003) Nr 2<br />

Hrachovec, Herbert: Die Welt des Datenverkehrs:<br />

Schauplatz und Regelsystem. – S. 77 – 81<br />

Demmler, Kathrin; Anfang, Günther: Jugend<br />

im pädagogischen Netz. – S. 82 – 86<br />

Feibel, Thomas: Alleine auf dem größten Spielplatz<br />

der Welt. – S. 87 – 89<br />

Peschke, Rudi: Schulen sind am Netz – und was<br />

passiert – nicht?. – S. 90 – 96<br />

Hüther, Jürgen: Wegbereiter der <strong>Medien</strong>pädagogik<br />

(10); Die Arbeiterradiobewegung<br />

(1923-1933). – S. 113 – 116<br />

<strong>Medien</strong> Journal<br />

Jg 26 (2002) Nr 3<br />

Lievrouw, Leah A.: Theorizing new media: a<br />

meta-theoretical approach. – S. 4 – 13<br />

Maier-Rabler, Ursula: Cultural aspects and digital<br />

divide in Europe. – S. 14 – 32<br />

Winkler, Roman: Deliberation on the Internet:<br />

talkboard discussions on the UK Parliament<br />

elections 2001. – S. 33 – 49<br />

Franz, Vera: Democratic potential and limitation<br />

of the Internet in an authoritarian system: a<br />

case study on B92 in Serbia. – S. 50 – 63<br />

Dimitrova, Daniela V.: Internet adoption in the<br />

Post-Communist countries. – S. 64 – 71<br />

Literatur · Zeitschriftenlese<br />

<strong>Medien</strong> & Zeit<br />

Jg 17 (2002) Nr 5<br />

Brecht, Christoph: Anfang und Ende der Geschichte<br />

im Kino: der vergessene Sinn des<br />

historischen Monumentalfilms. – S. 4 – 21<br />

Geser, Guntram; Loacker, Armin: Die österreichische<br />

Filmwirtschaft der Stummfilm-Ära<br />

1918 – 1927. – S. 22 – 45<br />

Reichert, Ramón: Der Arbeitsstudienfilm: eine<br />

verborgene Geschichte des Stummfilms. – S. 46<br />

– 57<br />

Deutsch, Gustav: The medium is the weapon. –<br />

S. 58 – 62<br />

Jg 18 (2003) Nr 1<br />

Steiner, Ines; Liebrand, Claudia: Der mit dem<br />

Dolch tanzt: Ausdrucksbewegung und gestische<br />

Semantik in Robert Wienes „Orlacs Hände“<br />

(1924). – S. 4 – 22<br />

Tode, Thomas: Ein Film kann einen anderen<br />

verdecken: zu den verschiedenen Fasungen des<br />

„Panzerkreuzer Potemkin“ und Meisels wieder<br />

gefundener Musikvertonung. – S. 23 – 40<br />

Sarkisova, Oksana: „Life as it should be?“:<br />

early non-fiction cinema in Russia: from Kulturfilm<br />

to documentary. – S. 41 – 61<br />

<strong>Medien</strong> praktisch<br />

Jg 27 (2003) Nr 1<br />

Thema; Gewalt und <strong>Medien</strong>, Teil 3. – S. 4 – 42<br />

Das Themenheft veröfentlicht diverse Artikel<br />

zum Thema „Gewalt und <strong>Medien</strong>“.<br />

Bachmair, Ben: Pisa-Studie und <strong>Medien</strong>pädagogik:<br />

kulturelle Ressourcen, Teil 2: beim<br />

Optimismus der Sesame Street anknüpfen. – S.<br />

56 – 60<br />

Büsch, Andreas; Hermsen, Thomas: Daily<br />

Talkshows – Faszination des Privaten im Öffentlichen,:<br />

Teil 1: Formate, Themen, Typen. –<br />

S. 61 – 64<br />

Schill, Wolfgang; Wagner, Wolf-Rüdiger: <strong>Medien</strong>-Lese-Kompetenz<br />

vermitteln, Teil 2: Anschlusskommunikation<br />

als Teilbereich der <strong>Medien</strong>-Lese-Kompetenz.<br />

– S. 65 – 69<br />

321


M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />

Multimedia und Recht<br />

Jg 5 (2002) Nr 12<br />

Scheuer, Alexander; Strothmann, Peter: Europäisches<br />

<strong>Medien</strong>recht: Entwicklungen 2001/<br />

2002. – S. 771 – 780<br />

Leier, Klaus-Peter: Elektronischer Handel in<br />

der Welthandelsorganisation (WTO). – S. 781 –<br />

787<br />

Schreiter, Eva-Maria; Kind, Benedikt: Lehren<br />

aus den ersten Liberalisierungsjahren in der Telekommunikation?:<br />

Positionsbestimmung im<br />

Vorfeld des parlamentarischen Gesetzgebungsprozesses<br />

für ein neues TKG. – S. 788 – 793<br />

Racine, Jérôme; Winkler, Klaus: Konfliktlösungsansätze<br />

im TK-Markt: Hilft das ADR-<br />

Grünbuch der EU weiter?. – S. 794 – 797<br />

Yonemaru, Tsuneharu; Roßnagel, Alexander:<br />

Japanische Signaturgesetzgebung: auf dem Weg<br />

zu „e-Japan“. – S. 798 – 805<br />

Möller, Jan; Florax, Björn-Christoph: Kreditwirtschaftliche<br />

Scoring-Verfahren: Verbot automatisierter<br />

Einzelentscheidungen gem. § 6a<br />

BDSG. – S. 806 – 810<br />

Jg 6 (2003) Nr 1<br />

Hilty, Reto M.: Der Softwarevertrag – ein Blick<br />

in die Zukunft: Konsequenzen der trägerlosen<br />

Nutzung und des patentrechtlichen Schutzes<br />

von Software. – S. 3 – 15<br />

Hertin, Paul W.: Urhebervertragsnovelle 2002:<br />

up-date von Urheberrechtsverträgen. – S. 16 –<br />

22<br />

Schwarz, Günter Christian: Neue <strong>Medien</strong> im<br />

Gesellschaftsrecht: von der Präsenz- zur virtuellen<br />

Mitgliederversammlung. – S. 23 – 28<br />

„Dem Gesellschaftsrecht liegt die Vorstellung zu<br />

Grunde, dass die Mitglieder eines Verbands an Mitgliederversammlungen<br />

physisch präsent teilnehmen<br />

müssen, um ihre versammlungsgebundenen Rechte<br />

ausüben zu können. Diese Vorstellung ist durch die<br />

,Neuen <strong>Medien</strong>’ überholt. Die versammlungsgebundenen<br />

Rechte können mittels neuer <strong>Kommunikations</strong>medien<br />

auch von ortsabwesenden Mitgliedern versammlungsgleich<br />

ausgeübt werden. Dies macht eine<br />

den modernen technischen Verhältnissen angepasste<br />

Auslegung und Anwendung des Gesellschaftsrecht<br />

erforderlich. Auch die Satzungsgeber werden ihre Regelwerke<br />

den veränderten <strong>Kommunikations</strong>formen<br />

anpassen müssen, um mit der Informationstechnologie<br />

Schritt zu halten und Rechtsklarheit zu schaffen.“<br />

Kruse, Jörn: Verbindungsnetzbetreiberauswahl<br />

im Mobilfunk. – S. 29 – 34<br />

Der Beitrag untersucht die Folgen einer möglichen<br />

Verbindungsnetzbetreiberauswahl im Mobilfunk-<br />

322<br />

markt, über die seit längerem diskutiert wird. Der<br />

Schwerpunkt liegt dabei vor allem auf der ökonomischen<br />

Analyse der dadurch zu Stande kommenden<br />

Marktveränderungen und Regelungsbedarfe. Im Ergebnis<br />

lehnt der Autor aus ökonomischen Gesichtspunkten<br />

eine Verbindungsnetzbetreiberauswahl in<br />

diesem Sektor ab, insbesondere aufgrund der Annahme,<br />

dass sich der bisher weitgehend unregulierte und<br />

dadurch wettbewerbsoffene Markt durch dann entstehende<br />

Regelungsbedarfe in einen hochregulierten<br />

Markt überführt werden könnte, ohne dass die RegTP<br />

adäquate Maßstäbe zur Verfügung hätte.<br />

Viefhus, Wolfram; Hoffmann, Helmut: ERVG:<br />

Gesetz zur Verhinderung des elektronischen<br />

Rechtsverkehrs?: praktische Auswirkungen<br />

des Diskussionsentwurfs und Anpassungsbedarf<br />

an die Regelungen bei den Gerichten der<br />

Europäischen Gemeinschaften. – S. 71 – 76<br />

Jg 6 (2003) Nr 2<br />

Mand, Elmar: E-Commerce mit Arzneimitteln:<br />

Auswirkungen des Herkunftslandprinzips auf<br />

das internationale Wettbewerbsrecht. – S. 77 –<br />

81<br />

Ohlenburg, Anna: Die neue EU-Datenschutzrichtlinie<br />

2002/58/EG: Asuwirkungen und<br />

Neuerungen für elektronische Kommunikation.<br />

– S. 82 – 86<br />

Die am 12.7.2002 in Kraft getretene Richtlinie<br />

2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des<br />

Rates über die Verarbeitung personenbezogener Daten<br />

und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen<br />

Kommunikation (EK-DSRL) sieht eine Umsetzung<br />

in nationales Recht bis zum 31.10.2003 vor. Der<br />

Beitrag stellt die einzelnen Artikel der Richtlinie vor<br />

und ermittelt den Umsetzungsbedarf in deutsches<br />

Recht. Die Autorin kommt zu dem Ergebnis, dass der<br />

Umsetzungsbedarf überschaubar ist.<br />

Rau, Stephan: Insolvenzschutz bei Kabelfasernutzungsverträgen.<br />

– S. 87 – 90<br />

Ellinghaus, Ulrich: Der Stand der Telekommunikationsgesetzgebung.<br />

– S. 91 – 94<br />

Nach einer Anzahl geringfügiger Änderungen und einer<br />

„kleinen TKG-Novelle“, aber noch vor dem Hinauskommen<br />

einer gesamten TKG-Reformierung über<br />

das Entwurfsstadium, stellt der Autor diese Änderungen<br />

überblicksartig und mit ihren wesentlichen Einflüssen<br />

auf den Regulierungsrahmen nach dem TKG<br />

dar. Der Beitrag analysiert dabei auch, inwieweit die<br />

Änderungen den Zielen des TKG, insb. der Schaffung<br />

eines offenen Wettbewerbs, dienlich sein können.<br />

Anastasyadis, Sofia: Reformen im griechischen<br />

Telekommunikationsrecht. – S. 95 – 102<br />

Jg 6 (2003) Nr 3<br />

Husch, Gertrud; Kemmler, Anne; Ohlenburg,<br />

Anna: Die Umsetzung des EU-Rechtsrahmens


für elektronische Kommunikation: ein erster<br />

Überblick. – S. 139 – 147<br />

Nach dem In-Kraft-Treten eines neuen europäischen<br />

Rechtsrahmens für elektronische Kommunikation im<br />

Jahr 2002, der eine Vereinfachung und Harmonisierung<br />

der sektorspezifischen Regulierung im Bereich<br />

der elektronischen Kommunikation herbeiführen soll,<br />

sind die Mitgliedstaaten aufgefordert, die Vorgaben<br />

der fünf Richtlinien bis zum 24.7. bzw. 31.10.2003<br />

umzusetzen. Der Beitrag will einige wesentliche<br />

Aspekte der Rahmenrichtlinie, der Universaldienstrichtlinie,<br />

der Zugangsrichtlinie, der Datenschutzrichtlinie<br />

sowie der Frequenzentscheidung hervorheben<br />

und erörtern und Überlegungen zu deren Umsetzung<br />

in deutsches Recht anstellen.<br />

Gottschalk, Eckart: Das Ende von „fair use“?:<br />

technische Schutzmaßnahmen im Urheberrecht<br />

der USA. – S. 148 – 155<br />

Liesching, Marc: Pornografieverbote in Staaten<br />

der Europäischen Union. – S. 156 – 163<br />

„Der Beitrag stellt die strafrechtlichen Distributionsverbote<br />

bezüglich pornografischer <strong>Medien</strong> in den<br />

größten neun nicht-deutschsprachigen Mitgliedstaaten<br />

der EU dar. Dabei werden i. d. R. anschließenden<br />

rechtsvergleichenden Untersuchung teils erhebliche<br />

Divergenzen deutlich, die angesichts des vordergründig<br />

anzunehmenden internationalen Konsenses – etwa<br />

bei der Bekämpfung von Kinderpornografie – überraschen.“<br />

Roßnagel, Alexander: Die fortgeschrittene<br />

elektronische Signatur. – S. 164 – 169<br />

Weizsäcker, C. Christian von: Ex-ante-Regulierung<br />

von Terminierungsentgelten?. – S. 170 –<br />

175<br />

Jg 6 (2003) Nr 4<br />

Holznagel, Bernd: Domainnamen- und IP-<br />

Nummern-Vergabe: eine Aufgabe der Regulierungsbehörde.<br />

– S. 219 – 222<br />

„Gegenwärtig gibt es Bestrebungen, die Vergabe von<br />

Domainnamen und IP-Nummern dem Regime des<br />

TK-Rechts zu unterwerfen. Dann wäre zukünftig die<br />

Regulierungsbehörde für Telekommunikation und<br />

Post (RegTP) hierfür verantwortlich. In dem Beitrag<br />

wird nachgewiesen, dass Domainnamen schon nicht<br />

als Nummern i.S.d. § 3 Nr. 10 TKG einzustufen sind.<br />

Zudem wird argumentiert, dass eine hoheitliche Verteilung<br />

von IP-Nummern nicht durch § 43 Abs. 1 gedeckt<br />

wäre.“<br />

Weiler, Frank: Spamming: Wandel des europäischen<br />

Rechtsrahmens. – S. 223 – 229<br />

„Die unverlangte Zusendung von E-Mails (Spamming)<br />

ist ein viel diskutiertes Problem; die h.M. hält<br />

diese Werbemethode wegen eines Verstoßes gegen § 1<br />

UWG bzw. § 823 Abs. 1 BGB für unzulässig (Opt-in-<br />

Lösung). Die Auseinandersetzung wurde durch die<br />

Fernabsatz-Richtlinie (FARL) verstärkt, weil dort<br />

vorgesehen ist, dass die Zusendung von E-Mails auch<br />

ohne vorherige Zustimmung des Verbrauchers erlaubt<br />

ist, soweit dieser nicht ausdrücklich widersprochen<br />

Literatur · Zeitschriftenlese<br />

hat (Opt-out-Lösung). Der Diskussion um die mögliche<br />

Richtlinienwidrigkeit des deutschen Rechts hat<br />

der europäische Gesetzgeber indessen mit zwei kürzlich<br />

in Kraft getretenen Richtlinien den Boden entzogen.<br />

[...] Die Richtlinie über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen<br />

räumt den Mitgliedstaaten die<br />

Möglichkeit ein, zwischen Opt-in- und Opt-out-Lösung<br />

zu wählen. – ein Weg, der auch in anderen Richtlinien<br />

beschritten wurde. Zugleich aber macht die Datenschutzrichtlinie<br />

für die elektronische Kommunikation<br />

(EK-DSRL) die Zusendung von Werbe-E-Mails<br />

von der vorherigen Zustimmung des Empfängers abhängig<br />

– das europäische Recht verlangt nunmehr in<br />

allen Mitgliedstaaten eine Opt-in-Lösung.“<br />

Spies, Axel: Zeitweise Überlassung von Frequenzen:<br />

Anforderungen an den Rechtsrahmen.<br />

– S. 230 – 234<br />

Der Artikel untersucht die Anforderungen, die an einen<br />

Rechtrahmen für die zeitweilige Überlassung von<br />

Frequenzen zu stellen sind. Zu diesem Zweck stellt<br />

der Autor zunächst die Situation in den USA dar, wo<br />

die Diskussion um das sog. Spectrum Trading bereits<br />

seit einiger Zeit geführt wird, und gibt dann einen<br />

Überblick über EU-Initiativen und deren Umsetzung<br />

in den Mitgliedstaaten. Dann wird geprüft, ob eine<br />

Frequenzüberlassung derzeit nach deutschem Recht<br />

zulässig wäre und wie Frequenzüberlassungsverträge<br />

rechtlich eingeordnet werden können.<br />

Nolte, Norbert; Schreier, Torsten: Anspruch<br />

von Telekommunikationsunternehmen auf Erstattung<br />

von Lizenzgebühren. – S. 235 – 240<br />

Multimedia und Recht, Beilage<br />

Jg 6 (2003) Nr 1<br />

Groebel, Annegret: Mobilfunk – Festnetz:<br />

Partnerschaft oder angespannte Konkurrenz?:<br />

Forumsveranstaltung der RegTP am 22. Oktober<br />

2002 in Bonn. – S. 1 – 44<br />

Wettbewerb im Internetzugangsmarkt: Workshop<br />

der Regulierungsbehörde für Telekommunikation<br />

und Post am 12.11.2002 im Gästehaus<br />

Petersberg. – S. 1 – 52<br />

Jg 6 (2003) Nr 2<br />

Spindler, Gerald: Die Einspeisung von Rundfunkprogrammen<br />

in Kabelnetze: Rechtsfragen<br />

der urheberrechtlichen Vergütung und vertragsrechtlichen<br />

Gestaltung. – S. 1 – 27<br />

„Die Entwicklung der Kabelnetze und die Einspeisung<br />

von Programmen in Kabelnetze haben in jüngster<br />

Zeit zu Kontroversen um die urheberrechtliche<br />

Vergütung für die eingespeisten Inhalte geführt, vor<br />

allem hinsichtlich des bestehenden Kontrahierungszwangs.<br />

Der Beitrag untersucht den zentralen Begriff<br />

der wirtschaftlichen Angemessenheit für die Kabelweitersendung<br />

von Rundfunkprogrammen im Lichte<br />

der EG-Satelliten- und Kabelrichtlinie und allgemeiner<br />

urheberrechtlicher Prinzipien. Dabei wird gezeigt,<br />

323


M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />

dass ein Bouquet an Faktoren Eingang in die Abwägung<br />

finden muss. [...] Gerade im Rahmen der Urhebervertragsrechtsreform<br />

können solche Überlegungen<br />

ihren größeren Anwendungsbereich finden.<br />

Schließlich werden sog. Freistellungsklauseln, die die<br />

Verantwortung für den Ausgleich urheberechtlicher<br />

Vergütungsansprüche im Rahmen von Programmeinspeisungsverträgen<br />

den Sendeunternehmen zuweisen,<br />

näher beleuchtet.“<br />

Jg 6 (2003) Nr 4<br />

Engel, Christoph: Die Internet-Service-Provider<br />

als Geiseln deutscher Ordnungsbehörden:<br />

eine Kritik an den Verfügungen der Bezirksregierung<br />

Düsseldorf. – S. 1 – 36<br />

Der Autor setzt sich kritisch mit den Sperrungsverfügungen<br />

des Düsseldorfer Regierungspräsidenten auseinander.<br />

Bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der<br />

Verfügungen kommt der Autor an verschiedenen Stellen<br />

zu dem Ergebnis, dass diese unzulässig seien. Insbesondere<br />

im Hinblick auf die Staatsferne, der Bund-<br />

Länder-Kompetenzverteilung, der Anwendbarkeit<br />

deutschen Rechts auf Auslandssachverhalte, völkerrechtliche<br />

Grenzen sowie der Anwendbarkeit des materiellen<br />

Rechts vor dem Hintergrund der Störerauswahl,<br />

den Grenzen der Inanspruchnahme von Nichtstörern<br />

der entgegenstehenden Informationsfreiheit<br />

der Nutzer und den allgemeine Verhältnismäßigkeitsanforderungen<br />

hegt der Autor große Zweifel an der<br />

Rechtmäßigkeit der Verwaltungsakte.<br />

New media & society<br />

Jg 4 (2002) Nr 4<br />

Weber, Ian; Evans, Vanessa: Constructing the<br />

meaning of digital television in Britain, the<br />

United States and Australia. – S. 435 – 456<br />

Much has been written about digital television. Mainstream<br />

reports range from a vague televisual utopia<br />

where one need never unplug oneself from the TV<br />

ever again to the social realities and practicalities of a<br />

consumer driven market. This study examines how<br />

the media constructs the meaning of digital television<br />

in Britain, the United States and Australia. Rogers’<br />

(1983, 1995) diffusion of innovation theory to assess<br />

the rate of diffusion the role that media communication<br />

(language) plays in this process. It uses a content<br />

analysis methodology to examine 1836 digital television<br />

articles, drawn from mainstream newspaper publications<br />

from 1996 to January 2002. Results from the<br />

analysis show a correlation between the extent of media<br />

coverage; the media’s strategic, flexible and timed<br />

use of technological determinism-social construction<br />

language structures; and the degree and success of the<br />

diffusion of digital television in these research settings.<br />

Tang, Pui See; Ang, Peng Hwa: The diffusion<br />

of information technology in Singapore<br />

schools: a process framework. – S. 457 – 478<br />

Mitra, Ananda; Watts, Eric: Theorizing cyberspace:<br />

the idea of voice applied to the internet<br />

discourse. – S. 479 – 498<br />

324<br />

Kluver, Alan R.: The logic of new media in international<br />

affairs. – S. 499 – 517<br />

Kim, Sung Tae; Weaver, David: Communication<br />

research about the internet: a thematic metaanalysis.<br />

– S. 518 – 539<br />

Kujundzic, Neboojsa; Dorrell, Matthew: Instantaneous<br />

representation and the pig itself. –<br />

S. 540 – 549<br />

Howard, Philip N.: Network ethnography and<br />

the hypermedia organization: new media, new<br />

organizations, new methods. – S. 550 – 574<br />

Jg 5 (2003) Nr 1<br />

White, Michele: Too close to see: men, women,<br />

and webcams. – S. 7 – 28<br />

Fernback, Jan: Legends on the net: an examination<br />

of computer-mediated communication as a<br />

locus or oral culture. – S. 29 – 46<br />

Steinberg, Philip E.; McDowell, Stephen: Mutiny<br />

on the bandwidth: the semiotics of statehood<br />

in the Internet domain name registries of<br />

Pitcairn Island and Niue. – S. 47 – 68<br />

O’Sullivan, Patrick; Flanagan, Andrew J.: Reconceptualizing<br />

„flaming“ and other problematic<br />

messages. – S. 69 – 94<br />

Schofield Clark, Lynn: Challenges of social<br />

good in the world of „Grand theft auto“ and<br />

„Barbie“: a case study of a community computer<br />

center for youth. – S. 95 – 116<br />

Bergman, Alvan; Haythornwaite, Caroline:<br />

Radicals of presentation: visibility, relation and<br />

co-presence in persistent conversation. – S. 117<br />

– 140<br />

Political Communication<br />

Jg 20 (2003) Nr 1<br />

Barnhurst, Kevin G.: The makers of meaning:<br />

national public radio and the new long journalism,<br />

1980-2000. – S. 1 – 22<br />

McGraw, Kathleen; Ling, Cristina: Media<br />

priming of presidential and group evaluations.<br />

– S. 23 – 40<br />

Schaffner, Brian F.; Sellers, Patrick J.: The<br />

structural determinants of local congressional<br />

news coverage. – S. 41 – 58<br />

Brynin, Malcolm; Newton, Kenneth: The national<br />

press and voting turnout: British general<br />

elections of 1992 and 1997. – S. 59 – 78


Anhand von Umfragedaten untersuchen die Autoren<br />

den Einfluss nationaler Tageszeitungen auf das Wahlergebnis<br />

der britischen Wahlen 1992 und 1997.<br />

Während für die Tageszeitungslektüre ingesamt weder<br />

Mobilisierungseffekte für die Teilnahme an der<br />

Wahl noch eine Zunahme politischer Apathie festgestellt<br />

werden konnte, konnte gezeigt werden, dass die<br />

Zeitungsleser, die ein Blatt lesen, das ihre eigenen politischen<br />

Präferenzen bestärkt, eher zur Wahl gehen<br />

als diejenigen, deren eigene Meinung durch ihre Zeitungslektüre<br />

unter Gegendruck gerät. Der Effekt<br />

zeigte sich stärker in der knappen 1992er Wahl als bei<br />

dem eindeutigen Sieg von Labour 1997. Außerdem<br />

betrifft er stärker die Labour-Anhänger als die Konservativen.<br />

Das zeige, dass die Dominanz konservativer<br />

Blätter in Groß Britannien bis 1992 die Wahlerfolge<br />

der Konservativen möglicherweise begünstigt hat.<br />

Public Opinion Quarterly<br />

Jg 66 (2002) Nr 4<br />

Murray, Shoon Kathleen; Howard, Peter: Variation<br />

in White House polling operations:<br />

Carter to Clinton. – S. 527 – 558<br />

Schaffner, Brian F.; Streb, Matthew J.: The partisan<br />

heuristic in low-information elections. –<br />

S. 559 – 581<br />

Martin, Elizabeth: The effects of questionnaire<br />

design on reporting of detailed Hispanic origin<br />

in census 2000 mail questionnaires. – S. 582 –<br />

593<br />

Losch, Mary E. et al: The effect of time of year<br />

of data collection on sample effiviency: an analysis<br />

of behavioral risk factor surveillance survey<br />

data. – S. 594 – 607<br />

Goldstein, Kenneth M.; Jennings, M. Kent: The<br />

effect of advance letters on cooperation in a list<br />

sample telephone survey. – S. 608 – 617<br />

Torres-Reyna, Keneth; Shapiro, Robert Y.:<br />

Women and sexual orientation in the military.<br />

– S. 618 – 632<br />

Publizistik<br />

Jg 47 (2002) Nr 4<br />

Donsbach, Wolfgang; Wenzel, Arnd: Aktivität<br />

und Passivität von Journalisten gegenüber parlamentarischer<br />

Pressearbeit: Inhaltsanalyse von<br />

Pressemitteilungen und Presseberichterstattung<br />

am Beispiel der Fraktionen des Sächsischen<br />

Landtags. – S. 373 – 387<br />

„Auf der Grundlage des Intereffikations-Modells<br />

wurde die Beziehung zwischen PR und Journalisten<br />

am Beispiel der Pressemitteilungen der Fraktionen im<br />

Sächsischen Landtag sowie der Berichterstattung über<br />

diese Fraktionen in sächsischen Tageszeitungen untersucht.<br />

Die Basis bilden 486 Pressemitteilungen und<br />

Literatur · Zeitschriftenlese<br />

823 Zeitungsbeiträge von Februar 2000, die jeweils<br />

unabhängig voneinander sowie abgleichend codiert<br />

wurden. Auf dieser Grundlage lassen sich sowohl Adaptionsleistungen<br />

des Journalismus an die PR wie<br />

auch umgekehrt der PR an den Journalismus ermittlen.<br />

.... Das Intereffikations-Modell erwies sich insgesamt<br />

als brauchbare Heuristik für die Beziehung zwischen<br />

PR und Journalismus.“<br />

Schmerl, Christiane: „Tais-toi et sois belle!“: 20<br />

Jahre Geschlechterinszenierung in fünf westdeutschen<br />

Printmedien. – S. 388 – 411<br />

Klein, Markus; Ohr, Dieter; Heinrich, Stefanie:<br />

Spitzenkandidaten im Wahlkampf: die Veränderbarkeit<br />

von Kandidatenimages durch Wahlkampf<br />

und <strong>Medien</strong>, untersucht am Beispiel der<br />

nordrhein-westfälischen Landtagswahl vom<br />

14. Mai 2000. – S. 412 – 435<br />

Schramm, Holger; Hartmann, Tilo; Klimmt,<br />

Christoph: Desiderata und Perspektiven der<br />

Forschung über parasoziale Interaktionen und<br />

Beziehungen zu <strong>Medien</strong>figuren. – S. 436 – 459<br />

„Obschon parasoziale Interaktionen und Beziehungen<br />

als eines der wichtigsten Konzepte innerhalb der<br />

<strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong> gelten, weisen sie eine<br />

Reihe von Desiderata und Unklarheiten auf, welche<br />

den Informationsgehalt und die Anknüpfbarkeit des<br />

Konzeptes verringern. Der vorliegende Artikel thematisiert<br />

nicht nur diese Desiderata, sondern unterbreitet<br />

darüber hinaus auch erste Lösungsvorschläge.<br />

Zunächst werden Unschärfen der Definition zentraler<br />

Elemente wie des Interaktionsbeghriffs, des Beziehungsbegriffs<br />

und des Personabegriffs diskutiert.<br />

Darauf folgend werden Anknüpfungspunkte an andere<br />

kommunikations<strong>wissenschaft</strong>liche und psychologische<br />

Theorien und Konzepte vorgeschlagen. Abschließend<br />

werden grundlegende methodische Probleme<br />

der Erhebung parasozialer Phänomene erörtert<br />

und das gängige Erhebungsinstrument, die Parasocial-<br />

Interaction-Scale, kritisch betrachtet. Ziel der Darlegung<br />

ist es, Wege aufzuzeigen, die zu einem präziseren<br />

Verständnis parasozialer Phänomene führen und<br />

die Integration unterschiedlicher Konzepte und<br />

Theorien der Rezeptionsforschung vorantreiben können.“<br />

Jg 48 (2003) Nr 1<br />

Quiring, Oliver: Die Fernsehberichterstattung<br />

über die Arbeitslosigkeit und ihr Einfluss auf<br />

wahlrelevante Vorstellungen der Bevölkerung<br />

– eine Zeitreihenanalyse. – S. 1 – 24<br />

„Sowohl wahlsoziologisch als auch politik<strong>wissenschaft</strong>lich<br />

und politökonomische Modelle und Analysen<br />

legen einen Einfluss der Wirtschaftslage auf die<br />

Wahlpräferenzen der Bevölkerung nahe, kommen<br />

aber im Einzelnen zu sehr verschiedenen Einschätzungen<br />

hinsichtlich der Stärke und Richtung dieses<br />

Einflusses. Dieser Beitrag unterzieht die Annahme,<br />

dass die Darstellung der Arbeitslosigkeit in den Fernsehnachrichten<br />

eine entscheidende intervenierende<br />

Variable zwischen realer Entwicklung und den Wahlpräferenzen<br />

darstellt, einer eingehenderen Analyse.<br />

325


M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />

Anhand einer Zeitreihenanalyse (August 1994 bis September<br />

1998) wird gezeigt, dass die Berichterstattung<br />

der Fernsehnachrichten stark von den negativen<br />

Aspekten der Arbeitslosigkeit geprägt war. Obwohl<br />

sich keine direkten Effekte der Berichterstattung auf<br />

die Wahlpräferenzen für Volks- und Protestparteien<br />

feststellen lassen, übt die Darstellung des Arbeitsmarktes<br />

in den <strong>Medien</strong> direkte, über weitere wahlrelevante<br />

Vorstellungen der Bevölkerung vermittelte<br />

Einflüsse auf die Wahlpräferenzen aus.“<br />

Döring, Nicola: Politiker-Homepages zwischen<br />

Politik-PR und Bürgerpartizipation. –<br />

S. 25 – 46<br />

Schraewer, Claudia: Skandale und Missstände –<br />

zur Bedeutung der Sprache für die Realitätsdarstellung.<br />

– S. 47 – 62<br />

Arnold, Klaus: Propaganda als ideologische<br />

Kommunikation. – S. 63 – 82<br />

„Der Begriff Propaganda wird angesichts der vielen<br />

Konflikte und kriegerischen Auseinandersetzungen<br />

sowohl in der <strong>Medien</strong>berichterstattung als auch in der<br />

Wissenschaft häufig verwendet. Was unter Propaganda<br />

jedoch genau verstanden und inwieweit diese <strong>Kommunikations</strong>form<br />

von ähnlichen Formen wie Public<br />

Relations oder Werbung abgegrenzt werden kann, ist<br />

weitgehend unklar. Ausgehend von der Durchsicht<br />

bisheriger Ansätze zur Propaganda und der Einbeziehung<br />

des Totalitarismus-Ansatzes wird in dem vorliegenden<br />

Beitrag argumentiert, dass Propaganda sinnvollerweise<br />

nur als ein <strong>Kommunikations</strong>prozess gefasst<br />

werden kann, bei dem umfassende Ansprüche<br />

dargestellt werden, die durch die Verwendung eines<br />

ideologischen Systems durchgesetzt werden sollen …“<br />

TKMR<br />

Jg 54 (2002) Nr 6<br />

Schalast, Christoph; Schmidt, Matthias; Schalast,<br />

Clemens: Einführung in das deutsche und<br />

europäische Recht der Breitbandkabelkommunikation:<br />

Regulierung, Kartellrecht und Vertragsgestaltung.<br />

– S. 429 – 440<br />

Gersdorf, Hubertus: Einspeisung von CNBC<br />

als Bestandteil des Programmbouquets<br />

„ZDF.vision“ in digitale Kabelnetze der PrimaCom<br />

Ag. – S. 441 – 448<br />

Wüstenberg, Dirk: Die Erstellung und Überprüfung<br />

von Rechnungen aufgrund von Telefonkundenverträgen.<br />

– S. 449 – 456<br />

Koenig, Christian; Koch, Alexander: (0)190er-<br />

Nummern im Visier des Rechts: zur Störer-<br />

Verantwortlichkeit von Service Carriern nach<br />

altem und neuem Recht. – S. 457 – 461<br />

326<br />

Jg 55 (2003) Nr 1<br />

Wüstenberg, Dirk: Die Strafbarkeit wegen des<br />

Versendens und Empfangens pornografischer<br />

E-mails am Arbeitsplatz. – S. 4 – 10<br />

Stender-Vorwachs, Jutta: Anbieterhaftung und<br />

neues Multimediarecht. – S. 11 – 18<br />

Ranke, Johanes: Standortdaten des Mobilfunks<br />

nach US-amerikanischem Recht. – S. 19 – 26<br />

Tolley’s Communications Law<br />

Jg 7 (2002) Nr 6<br />

Morel, Fraser; Jones, Richard: De-mystifying<br />

electronic signatures and electronic signatures<br />

law from a European Union perspective. –<br />

S. 174 – 178<br />

Griffiths, Margaret: „0% Finance“: too good to<br />

be true?. – S. 179 – 180<br />

Harrison, Jackie: e-Public Services and interactive<br />

television: re-evaluating the remit and scope<br />

of public service broadcasting (PSB) in the<br />

digital age. – S. 181 – 187<br />

Prince, Sue: Televising Courtroom proceedings<br />

in Canada: Relevant considerations for the UK.<br />

– S. 188 – 194<br />

Jg 8 (2003) Nr 1<br />

Manolopoulos, Andreas: A legal framework<br />

for the protection of software „behaviour“. –<br />

S. 210 – 215<br />

Schwab, Karin F.: Value-added services provided<br />

by mobile telecommunications service providers:<br />

data protection issues. – S. 216 – 222<br />

Palomba, Marina: The use of celebrities in advertising<br />

– how the position has changed. –<br />

S. 223 – 224<br />

Harran, Claude: Assessing the effectiveness of<br />

the Australian antisiphoning provisions. –<br />

S. 225 – 230<br />

Trends in Communication<br />

(2002) Nr 10<br />

McKnight, Lee W.; Vongpivat, Pratana; Selian,<br />

Audrey: Mobile regions: enterpreneurship in<br />

information and communication technologies<br />

in national innovations system models. – S. 9 –<br />

34<br />

Oort, Frank van; Atzema, Oedzge: Agglomeration<br />

economies and the location of new in-


formation and communication technology:<br />

(ICT) firms in the Netherlands. – S. 35 – 64<br />

Vinig, Tsvi: Creating a successful technology<br />

sector: a causal model of the development of the<br />

high-tech sector in Israel in the 1990s. – S. 65 –<br />

88<br />

Green, Roy et al: Innovation in the Irish sector:<br />

economy, culture, and communication. – S. 89<br />

– 114<br />

Leisink, Peter: Multimedia clusters: do regional<br />

policies have a critical edge?. – S. 115 – 128<br />

Avvari, Mohan V.; Isshamuddin, Ismail: Factors<br />

facilitating the information of an ICT-cluster:<br />

the case of Malaysia’s Multimedia Super<br />

Corridor. – S. 129 – 152<br />

Zeitschrift für <strong>Medien</strong>psychologie<br />

Jg 15 (2003) Nr 1<br />

Herrmann, Thomas; Kienle, Andrea; Reiband,<br />

Natalja: Metawissen als Voraussetzung für den<br />

Wisssensaustausch und die Kooperation beim<br />

Wissensmanagement. – S. 3 – 12<br />

„Metawissen ist als eine Form der kognitiven Steuerung<br />

und Kontrolle ein förderlicher Faktor des Wissensmanagements.<br />

Diese Annahme wurde anhand der<br />

empirischen Daten einer explorativen Untersuchung<br />

(47 halbstrukturierte Interviews) in fünf Unternehmen<br />

deutlich, bei denen technische Systeme als Medium<br />

des Wissensaustauschs eingesetzt wurden. Es ergibt<br />

sich eine Differenzierung zwischen verschiedenen<br />

Aspekten des Metawissens der Akteure: Inhalte,<br />

Teilnehmer, Nutzungsverlauf, Selbstwirksamkeit,<br />

Kooperation, Strukturierung. Metawissen ergänzt die<br />

bekannten Erfolgskriterien oder Barrieren des Wissensmanagements<br />

und es kann helfen, die Beteiligung<br />

am Wissensaustausch zu steigern und die Qualität der<br />

kooperativ aufgebauten Wissensstrukturen zu sichern.“<br />

Baeßler, Berit et al: E-Learning-Systeme: theoriegeleitete<br />

Konzeption, Qualitätsmanagement,<br />

Implementierung. – S. 13 – 23<br />

„Der Beitrag entwickelt auf der Basis von pädagogischen<br />

Überlegungen und lernpsychologischen Forschungsergebnissen<br />

zur computergestützten Wissensvermittlung<br />

eine Konzeptualisierung von E-Learning-Systemen<br />

und deren von konsequentem Qualitätsmanagement<br />

begleitete Umsetzung. Die<br />

Vorgehensweise wird anhand der Entwicklung und<br />

Realisierung internetgestützten Lernsystems „CLIC<br />

– Computer-based Learning: Introduction to Communications“<br />

veranschaulicht, das an der Universität<br />

Erfurt erarbeitet wird. Es geht um die Koordination<br />

auf der Ebene der Produktion (Didaktik, Inhalt, Technik)<br />

und auf der Ebene der Rezeption (Lern- und<br />

<strong>Kommunikations</strong>formen, Lernorganisation). Die explorativ<br />

angelegte Evaluation des ersten Einsatzes von<br />

CLIC belegt ein weitgehend gelungenes Konzept und<br />

Qualitätsmanagement. Vorgestellt werden ausgewählte<br />

Evaluationsergebnisse zur Koordination und<br />

Literatur · Zeitschriftenlese<br />

Organisation der Wissensvermittlung sowie des sozialen<br />

Kontakts zwischen Studierenden und Dozierenden.<br />

Anhand von drei in der Evaluation empirisch<br />

ermittelten E-Learning-Typen werden Probleme und<br />

Potenziale beim E-Learning aufgezeigt und Schlussfolgerungen<br />

für die koordinierende Gestaltung von E-<br />

Learning-Systemen gezogen.“<br />

Müller, Katrin; Troitzsch, Heide; Renkl, Alexander:<br />

Der Einfluss nonverbaler Signale auf den<br />

<strong>Kommunikations</strong>prozess in einer kollaborativen<br />

virtuellen Umgebung. – S. 24 – 33<br />

„Die vorliegende Untersuchung widmet sich der Bedeutung<br />

nonverbaler Signale in kollaborativen virtuellen<br />

Umgebungen. In der audio- und textbasierten<br />

computervermittelten Kommunikation werden nonverbale<br />

Signale nicht oder nur begrenzt übertragen,<br />

wodurch sich Einschränkungen im <strong>Kommunikations</strong>prozess<br />

ergeben. In einer experimentellen Untersuchung<br />

wird überprüft, welchen Einfluss das Vorhandensein<br />

eines Repertoires nonverbaler Signale auf den<br />

computervermittelten <strong>Kommunikations</strong>prozess und<br />

auf die Performanzkriterien hat und inwieweit die Bewertung<br />

der Umgebung und des <strong>Kommunikations</strong>prozesses<br />

beeinflusst wird. Die Ergebnisse zeigen,<br />

dass sich die Bedingung, in der das Repertoire zur<br />

Verfügung steht, hinsichtlich objektiver Prozessvariablen,<br />

wie verbaler Unterbrechungen, nicht signifikant<br />

von der Bedingung ohne Repertoire unterscheidet. In<br />

der Bedingung mit nonverbalem Repertoire konnte<br />

jedoch eine erhöhte Motivation der Teilnehmer festgestellt<br />

werden, und der <strong>Kommunikations</strong>prozess<br />

wurde als flüssiger beurteilt. Darüber hinaus legen die<br />

Ergebnisse die Annahme nahe, dass eine moderate<br />

Nutzung der nonverbalen Signale zu einer besseren<br />

Lösungsqualität führt. Nach den vorliegenden Befunden<br />

ist es vor allem für die Motivation der Nutzer und<br />

die Akzeptanz von virtuellen <strong>Kommunikations</strong>umgebungen<br />

wichtig, nonverbale Signale zur Verfügung zu<br />

stellen.“<br />

Schweizer, Karin: <strong>Medien</strong>psychologische Methoden:<br />

ein Vergleich ausgewählter Methoden<br />

zur Analyse von <strong>Kommunikations</strong>daten aus<br />

der netzbasierten Kleingruppenforschung. – S.<br />

34 – 37<br />

„Die Analyse der Kommunikation in der Kleingruppenforschung<br />

wird häufig mit Hilfe von Verfahren<br />

durchgeführt, die auf der IPA bzw. dem SYMLOG-<br />

Verfahren (Bales 1976; Bales&Cohen 1982) beruhen.<br />

Diese Verfahren fokussieren die Betrachtung der Aktionen<br />

und Reaktionen der <strong>Kommunikations</strong>teilnehmer<br />

in Bezug auf aufgabenorientierte oder sozio-emotionale<br />

Äußerungen. Eine Anwendung dieser Verfahren<br />

auf die Analyse von <strong>Kommunikations</strong>daten zur<br />

netzbasierten Wissenskommunikation bestätigt einmal<br />

mehr, dass in netzbasierten Settings aufgabenbezogener,<br />

aber weniger vertrauensvoll und offen kommuniziert<br />

wird. Durch das Hinzunehmen weiterer<br />

Variablen wie der Betrachtung der Sprecherwechsel<br />

selbst, der Anzahl von Redebeiträgen oder des nonverbalen<br />

Verhaltens werden diese Ergebnisse jedoch<br />

in Frage gestellt.“<br />

327


M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />

Zeitschrift für Urheber- und <strong>Medien</strong>recht<br />

Jg 46 (2002) Nr 12<br />

Kreile, Johannes; Diesbach, Martin: Der neue<br />

Jugendmedienschutz-Staatsvertrag: was ändert<br />

sich für den Rundfunk?. – S. 849 – 858<br />

Ladeur, Karl-Heinz: „Regulierte Selbstregulierung“<br />

im Jugendmedienschutzrecht: zugleich<br />

Anmerkungen zum Urteil des Verwaltungsgerichts<br />

Berlin zum Fall „Der Soldat James<br />

Ryan“. – S. 859 – 867<br />

Liesching, Marc: Zur Gesetzgebungskompetenz<br />

der Bundesländer für den Bereich „Jugendschutz<br />

in Rundfunk und Telemedien“. –<br />

S. 868 – 874<br />

Palzer, Carmen: Co-Regulierung als Steuerungsform<br />

für den Jugendschutz in den audiovisuellen<br />

<strong>Medien</strong>: eine europäische Perspektive.<br />

– S. 875 – 885<br />

Walter, Ute: Der zivilrechtliche Schutz vor<br />

Nachstellungen: was der Gesetzgeber über den<br />

Unterschied zwischen Paparazzo und Papagallo<br />

nicht zu sagen wagte. – S. 886 – 898<br />

Jg 47 (2003) Nr 1<br />

Ficsor, Mihály: Collective management of<br />

copyright in the international environment. – S.<br />

3 – 14<br />

Schwarze, Jürgen: Urheberrechte und deren<br />

Verwaltung im Lichte des europäischen Wettbewerbsrechts.<br />

– S. 15 – 26<br />

Reinbothe, Jörg: Rechtliche Perspektiven für<br />

Verwertungsgesellschaften im Europäischen<br />

Binnenmarkt. – S. 27 – 33<br />

Der Autor beschreibt die bisherige Behandlung der<br />

kollektiven Wahrnehmung in der EU, untersucht die<br />

gegenwärtige Ausgangslage und nennt Orientierungen<br />

für einen Regelungsrahmen in der EU. Auch wird<br />

eine diesbezügliche Mitteilung der Europäischen<br />

Kommission in die Überlegungen einbezogen.<br />

Lerche, Peter: Verwertungsgesellschaften als<br />

Unternehmen „sui generis“. – S. 34 – 37<br />

Gerhardt, Andreas: Die Verwertungsgesellschaften<br />

im Europäischen Binnenmarkt: Diskussionsbericht<br />

zum gleichnamigen Symposion<br />

des Instituts für Urheber- und <strong>Medien</strong>recht<br />

vom 18. Oktober 2002 im Rahmen der <strong>Medien</strong>tage<br />

München. – S. 38 – 40<br />

328<br />

Jg 47 (2003) Nr 2<br />

Engel, Christoph: Reihen aus Kinofilmen: die<br />

Regeln des Rundfunkstaatsvertrags über die<br />

Unterbrechung zur Ausstrahlung von Werbung.<br />

– S. 85 – 93<br />

Der Autor prüft anhand der Vorgaben der EU-Fernsehrichtlinie<br />

die Auslegung des § 44 Abs. 4 S. 1 Rundfunkstaatsvertrag,<br />

der die Unterbrechung zur Ausstrahlung<br />

von Werbung für Kino- und Fernsehfilme<br />

regelt. Angeführt wird dazu das vorhandene Meinungsspektrum<br />

und anhand der juristischen Auslegungsmethodik<br />

wird die Vorschrift nach Wortlaut,<br />

Entstehungsgeschichte, Systematik und Zweck beleuchtet.<br />

Frentz, Wolfgang Raitz von; Marrder, Larissa:<br />

Filmrechtehandel mit Unternehmen in der Krise:<br />

Risiken und Lösungen. – S. 94 – 108<br />

Renck-Laufke, Martha: Sechster Rundfunkänderungsstaatsvertrag<br />

und <strong>Medien</strong>konzentration.<br />

– S. 109 – 111<br />

Hepach, Stefan: Der Kompetenzrahmen der<br />

KEK nach dem Sechsten Rundfunkänderungsstaatsvertrag.<br />

– S. 112 – 121<br />

Der Beitrag zeigt, dass der Kompetenzrahmen der<br />

KEK durch den Sechsten Rundfunkänderungsstaatsvertrag<br />

jedenfalls nicht substanziell erweitert wurde.<br />

Divergenzen zwischen der gesetzlichen Regelung und<br />

den Deutungsversuchen der KEK sind durch den Gesetzgeber<br />

zu beheben.<br />

Krüger, Christof: Kritische Bemerkungen zum<br />

Regierungsentwurf für ein Gesetz zur Regelung<br />

des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft.<br />

– S. 122 – 127<br />

Jg 47 (2003) Nr 3<br />

Berger, Christian: Zum Anspruch auf angemessene<br />

Vergütung (§ 32 UrhG) und weitere Beteiligung<br />

(§ 32 a UrhG) bei Arbeitnehmer-Urhebern.<br />

– S. 173 – 179<br />

Gounalakis, Georgios: Regulierung von Presse,<br />

Rundfunk und elektronischen Diensten in der<br />

künftigen <strong>Medien</strong>ordnung. – S. 180 – 191<br />

Der Autor geht in diesem Beitrag der Frage nach, ob<br />

die Sonderrolle der Presse beibehalten werden soll.<br />

Weiterhin wird die inhaltlich-publizistische Regulierung<br />

von Rundfunk, <strong>Medien</strong>- und Telediensten untersucht.<br />

Gleichbehandlung und unterschiedliche Regulierung<br />

von Rundfunk unf elektronischen Diensten<br />

werden erläutert. Letztlich werden zusammenfassend<br />

Thesen für den gegenwärtigen und zukünftigen Regulierungsrahmen<br />

aufgestellt.<br />

Flechsig, Norbert P.: Europäische Satellitenverbreitung<br />

im Lichte nationaler Koproduktion:<br />

zum Inhalt der Übertragungsregelung des<br />

§ 137 h UrhG bei gemeinschaftlicher Filmherstellung.<br />

– S. 192 – 199


Braun, Stefan: Die Änderung der Telekommunikations-Kundenschutzordnung:<br />

besserer<br />

Schutz vor Betrügereien mit 0190-Nummern. –<br />

S. 200 – 203<br />

Vorliegend werden Ausgangslage und Zielsetzung der<br />

Verordnung sowie deren neue Regelungen im Einzelnen<br />

dargestellt, ferner auch die diesbezüglich geübte<br />

Kritik. Die Änderung der TKV reicht aber nach Ansicht<br />

des Autors bei weitem noch nicht aus, um z.B. im<br />

Bereich der 0190-Nummern und darauf basierenden<br />

Dialern einen wirksamen Verbraucherschutz zu gewährleisten.<br />

Tolkmitt, Jan: Die Regulierung des Zugangs zu<br />

Programmrechten im US-amerikanischen<br />

Recht. – S. 204 – 224<br />

Jg 47 (2003) Nr 4<br />

Bethge, Herbert: Das Duell der Kanzlerkandidaten<br />

im Spannungsfeld zwischen Rundfunkfreiheit<br />

und Parteiengleichheit. – S. 253 – 260<br />

Dieser Beitrag geht der Frage nach, ob der Vorsitzende<br />

der FDP bzw. die FDP selbst einen Anspruch auf<br />

Teilnahme am Kandidaten-Duell hat. Zuvor werden<br />

die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Grundlagen<br />

herausgestellt. Der Streitfall wirft komplexe Fragen<br />

des Verhältnissen von Rundfunkfreiheit und Parteiengleichheit<br />

auf, die zwar auch das einfache Gesetzesrecht<br />

betreffen, aber abschließend nur vor dem Hintergrund<br />

des Verfassungsrechts zu beantworten sind.<br />

Beuthien, Volker: Postmortaler Persönlichkeitsschutz<br />

auf dem Weg ins Vermögensrecht.<br />

– S. 261 – 262<br />

Literatur · Zeitschriftenlese<br />

Westerholt, Margot Gräfin von; Joppich, Brigitte:<br />

Insolvenz des Lizenzsnehmers bei Filmund<br />

Fernsehlizenzen: was passiert mit den<br />

Ansprüchen, insbesondere Vergütungsansprüchen<br />

des Lizenzgebers im Falle der Eröffnung<br />

des Insolvenzverfahrens (bzw der Ausübung<br />

des Wahlrechts nach § 103 InsO). – S. 262 – 269<br />

Reinhard, Tim; Distelkötter, Julia: Die Haftung<br />

des Dritten bei Bestsellerwerken nach §<br />

32a Abs 2 UrhG. – S. 269 – 275<br />

Seiler, David; Alig, Olivia: Kopierabgaben in<br />

Unternehmensbibliotheken und Verjährung. –<br />

S. 276 – 284<br />

Die Autoren prüfen anhand der Problemstellung,<br />

nach der gemäß einem Urteil des BGH für Fotokopien<br />

in Forschungs- und Bildungseinrichtungen sowie<br />

Bibliotheken von Unternehmen der gewerblichen<br />

Wirtschaft Abgaben an die VG Wort zu zahlen sind,<br />

ob Unternehmen zur rückwirkenden Zahlung der<br />

Kopierabgaben für Unternehmensbibliotheken verpflichtet<br />

sind. Ferner werden die Verjährung und Verwirkung<br />

solcher Ansprüche angesprochen.<br />

Thoms, Frank: Kopierabgaben in Unternehmensbibliotheken<br />

und Verjährung – eine Entgegnung.<br />

– S. 285 – 286<br />

Knies, Bernhard: DeCSS – oder: Spiel mir das<br />

Lied vom Code. – S. 286 – 291<br />

Obergfell, Eva Inés: Zur Auswertungspflicht<br />

des Filmverleihers: Anmerkung zum Urteil des<br />

Bundesgerichtshofs vom 10. Oktober 2002 – I<br />

ZR 193/00. – S. 292 – 296<br />

329


M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />

Literaturverzeichnis<br />

11 Bibliographien. Lexika<br />

12 Jahrbücher. Geschäftsberichte<br />

21 <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong> und -forschung<br />

22 Journalismus. <strong>Medien</strong>berufe<br />

23 Publizistische Persönlichkeiten<br />

24 <strong>Medien</strong>institute<br />

31 Kommunikation<br />

32 <strong>Kommunikations</strong>politik<br />

33 Lokalkommunikation. Bundesländer<br />

41 Massenkommunikation Politik<br />

42 Massenkommunikation Gesellschaft<br />

43 Massenkommunikation Kultur<br />

12 Jahrbücher. Geschäftsberichte<br />

Geschäftsbericht 2001. – Hamburg: NDR,<br />

2002. – 130 S.<br />

Haushaltsplan 2003/ Hessischer Rundfunk<br />

(Hrsg.). – Frankfurt: HR, 2002. – getr. S.<br />

Jahrbuch 2002, Bd 2; Audiovisuelle Ausstattung<br />

der Haushalte – Übertragungswege –<br />

Fernsehreichweiten. – Baden-Baden: Nomos,<br />

2003. – 109 S.<br />

Jahrbuch 2002, Bd 4; Multimedia und neue<br />

Technologien. – Baden-Baden: Nomos, 2003. –<br />

112 S.<br />

Jahrbuch 2002, Bd 5; Fernsehsender – Programmproduktionen<br />

und -handel. – Baden-Baden:<br />

Nomos, 2003. – 127 S.<br />

Tätigkeitsbericht des Instituts für Rundfunkökonomie<br />

für die Jahre 2001 und 2002. – Köln:<br />

Institut für Rundfunkökonomie, 2003. – 66 S.<br />

(Arbeitspapiere des Instituts für Rundfunkökonomie<br />

an der Universität zu Köln; 162)<br />

Wirtschaftsplan 2003/Radio Bremen, RB<br />

(Hrsg.). – Bremen: RB, 2002. – getr. S.<br />

21 <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong> und<br />

-forschung<br />

Kommunikation – <strong>Medien</strong> – Gesellschaft: eine<br />

Bestandsaufnahme deutscher und französischer<br />

Wissenschaftler/Hrsg.: Viallon, Philippe;<br />

Weiland, Ute. – Berlin: Avinus, 2002. – 416 S.<br />

Machin, David: Ethnographic research for media<br />

studies. – London: Arnold, 2002. – 181 S.<br />

<strong>Medien</strong><strong>wissenschaft</strong>: ein Handbuch zur Entwicklung<br />

der <strong>Medien</strong> und <strong>Kommunikations</strong>formen:<br />

Teilband 3/Hrsg.: Leonhard, Joachim-<br />

330<br />

51 Telekommunikation. Informationsgesellschaft<br />

52 Neue Technologien. Multimedia<br />

61 Internationale Kommunikation<br />

62 Europa Kommunikation<br />

71 Massenmedien, allgemein<br />

72 <strong>Medien</strong> Bildung<br />

73 <strong>Medien</strong> Ökonomie<br />

74 <strong>Medien</strong> Recht<br />

75 Rundfunk<br />

76 Werbung<br />

81 Publikum. <strong>Medien</strong>nutzung<br />

82 Rezeptionsforschung<br />

83 Kinder Jugendliche <strong>Medien</strong><br />

91 Literatur zu einzelnen Ländern<br />

Felix. – Berlin: Walter de Gruyter GmbH &<br />

Co. KG, 2002. – 2971 S. (Handbücher zur<br />

Sprach- und <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>;<br />

15/3)<br />

Öffentliche Kommunikation: Handbuch<br />

<strong>Kommunikations</strong>- und <strong>Medien</strong><strong>wissenschaft</strong>/<br />

Hrsg.: Bentele, Günter; Brosius, Hans-Bernd;<br />

Jarren, Otfried. – Wiesbaden: Westdt. Verl.,<br />

2003. – 607 S.<br />

Schonlau, Matthias; Fricker, Ronald; Elliott,<br />

Marc N.: Conducting research surveys via<br />

e-mail and the web. – Santa Monica: Rand,<br />

2002. – 117 S.<br />

22 Journalismus. <strong>Medien</strong>berufe<br />

Giordano, Giuseppina: <strong>Medien</strong>präsenz durch<br />

Prominenz?: Selektionskriterien von Lokaljournalisten<br />

bei kommunalen Pressemitteilungen;<br />

eine Fallstudie. – Münster: Lit., 2002. – 142<br />

S. (Beiträge zur <strong>Kommunikations</strong>theorie; 20)<br />

Janssen, Maike; Paukens, Hans: Weiterbildungsbedarf<br />

der Content-Wirtschaft: Studie<br />

für ein Aus- und Weiterbildungsangebot. –<br />

München: R. Fischer, 2003. – 108 S.<br />

Knieper, Thomas: Die politische Karikatur:<br />

eine journalistische Darstellungsform und deren<br />

Produzenten. – Köln: Halem, 2002. – 346 S.<br />

Ludwig, Johannes: Investigativer Journalismus:<br />

Recherchestrategien – Quellen – Informanten.<br />

– Konstanz: UVK, 2002. – 398 S.<br />

(Praktischer Journalismus; 48)<br />

Sachsse, Rolf: Bildjournalismus heute: Beruf,<br />

Ausbildung, Praxis. – München: List Verl.,<br />

2003. – 304 S.


Seib, Phillip M.: Going live: getting the news<br />

right in a realtime, online world. – Lanham:<br />

Rowman & Littlefield, 2001. – 197 S.<br />

Wyss, Vinzenz: Redaktionelles Qualitätsmanagement:<br />

Ziele, Normen, Ressourcen. – Konstanz:<br />

UVK, 2002. – 430 S. (Forschungsfeld<br />

Kommunikation; 15)<br />

23 Publizistische Persönlichkeiten<br />

Friedrich-Wilhelm Frhr. von Sell: Bibliographie.<br />

– Köln: WDR, 2002. – 47 S.<br />

Wagner, Hans: Journalismus mit beschränkter<br />

Haftung?: Gesammelte Beiträge zur Journalismus-<br />

und <strong>Medien</strong>kritik; Festschrift Heinz Starkulla.<br />

– München: R. Fischer, 2003. – 335 S.<br />

31 Kommunikation<br />

Mayer-Uellner, Robert: Das Schweigen der<br />

Lurker: Politische Partizipation und soziale<br />

Kontrolle in Online-Diskussionsforen. – München:<br />

R. Fischer, 2003. – 247 S. (Internet Research;<br />

8)<br />

<strong>Medien</strong>philosophie: Beiträge zur Klärung eines<br />

Begriffs/Hrsg.: Münker, Stefan; Roesler, Alexander;<br />

Sandbothe, Mike. – Frankfurt: Fischer<br />

TB., 2003. – 224 S.<br />

Mobile Kommunikation: Wertschöpfung,<br />

Technologien, neue Dienste/Hrsg.: Reichwald,<br />

Ralf. – Wiesbaden: Gabler, 2002. – 563 S.<br />

Unternehmenskommunikation offline/online:<br />

Wandelprozesse interner und externer Kommunikation<br />

durch neue <strong>Medien</strong>/Hrsg.: Thimm,<br />

Caja. – Frankfurt: Lang, 2002. – 313 S. (Bonner<br />

Beiträge zur <strong>Medien</strong><strong>wissenschaft</strong>; 1)<br />

33 Lokalkommunikation. Bundesländer<br />

Ossenbühl, Fritz: Rechtsfragen des Teilnehmerentgelts<br />

nach bayerischem <strong>Medien</strong>recht. –<br />

München: R. Fischer, 2003. – 114 S. (BLM-<br />

Schriftenreihe; 73)<br />

SAEK Sächsische Ausbildungs- und Erprobungskanäle:<br />

auf dem Weg zur <strong>Medien</strong>kompetenz.<br />

– Berlin: Vistas, 2003. – 213 S. (Schriftenreihe<br />

der SLM; 11)<br />

Volpers, Helmut; Salwiczek, Christian;<br />

Schnier, Detlef: Hörfunklandschaft Niedersachsen<br />

2001: eine vergleichende Analyse des<br />

privaten Hörfunks. – Berlin: Vistas, 2003. – 259<br />

S. (Schriftenreihe der NLM; 15)<br />

Literatur · Literaturverzeichnis<br />

41 Massenkommunikation Politik<br />

Aus Politik und Zeitgeschichte: Beilage zur<br />

Wochenzeitung Das Parlament; Bundestagswahlen<br />

2002. – Bonn: Bundeszentrale für politische<br />

Bildung, 2002. – 54 S. (B 49-50; 2002)<br />

Chomsky, Noam: Media Control: wie die <strong>Medien</strong><br />

uns manipulieren. – Hamburg: Europa<br />

Verl., 2003. – 254 S.<br />

Meng, Richard: Der <strong>Medien</strong>kanzler: was bleibt<br />

vom System Schröder. – Frankfurt: Suhrkamp,<br />

2002. – 247 S.<br />

Tönnies, Ferndinand: Kritik der öffentlichen<br />

Meinung; 1922/Hrsg.: Deichsel, Alexander;<br />

Fechner, Rolf; Waßner, Rainer. – Berlin: de<br />

Gruyter, 2002. – 805 S. (Gesamtausgabe/TG;<br />

14)<br />

42 Massenkommunikation Gesellschaft<br />

Gesellschaftstheorie und <strong>Medien</strong>system: Interdisziplinäre<br />

Zugänge zur Beziehung von <strong>Medien</strong>,<br />

Journalismus und Gesellschaft/Hrsg.:<br />

Eurich, Claus. – Münster: Lit., 2002. – 140 S.<br />

(<strong>Medien</strong>; 2)<br />

Integration durch Politik und <strong>Medien</strong>?: 7. <strong>Medien</strong>forum<br />

Migranten bei uns/Hrsg.: Meier-<br />

Braun, Karl; Kilgus, Martin A.. – Baden-Baden:<br />

Nomos, 2003. – 190 S. (SWR Schriftenreihe,<br />

Grundlagen; 3)<br />

Kümmel, Gerhard; Klein, Paul; Kozielski, Peter<br />

Michael: Die gewalttätige Gesellschaft: Erscheinungsformen<br />

und Ursachen von Gewalt –<br />

Handlungsmöglichkeiten für die Bundeswehr.<br />

– Strausberg: Sozialwiss. Institut der Bundeswehr,<br />

2002. – 404 S.<br />

Media in transition: from totalitarianism to democracy/Hrsg.:<br />

Manaev, Oleg; Pryliuk, Yuri. –<br />

Kyiv: Abris, 1993. – 291 S.<br />

Die Sicht des Anderen: 10 Jahre Deutsch-Türkischer<br />

Dialog/Körber-Stiftung (Hrsg.). –<br />

Hamburg: Braun & Behrmann, 2002. – 24 S.<br />

43 Massenkommunikation Kultur<br />

<strong>Medien</strong>kultur im digitalen Wandel: Prozesse,<br />

Potentiale, Perspektiven/Hrsg.: Spoun, Sascha;<br />

Wunderlich, Werner. – Bern: Haupt, 2002. –<br />

319 S. (Facetten der <strong>Medien</strong>kultur; 2)<br />

Populäre Kultur als repräsentative Kultur: die<br />

Herausforderung der Cultural Studies/Hrsg.:<br />

Göttlich, Udo; Albrecht, Clemens; Gebhardt,<br />

331


M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />

Winfried. – Köln: Halem, 2002. – 308 S. (Fiktion<br />

und Fiktionalisierung; 6)<br />

51 Telekommunikation. Informationsgesellschaft<br />

Castells, Manuel: Der Aufstieg der Netzwerkgesellschaft;<br />

Das Informationszeitalter, Teil 1<br />

der Trilogie. – Opladen: Leske + Budrich, 2003.<br />

– 600 S.<br />

Castells, Manuel: Die Macht der Identität; Das<br />

Informationszeitalter, Teil 2 der Trilogie. –<br />

Opladen: Leske + Budrich, 2002. – 449 S.<br />

Latzer, Michael; Schmitz, Stefan: Die Ökonomie<br />

des E-Commerce: new economy, digitale<br />

Ökonomie und real<strong>wissenschaft</strong>liche Auswirkungen.<br />

– Marburg: Metropolis Verl., 2002. –<br />

210 S.<br />

Lindstädt, Hagen: Die Versteigerung der deutschen<br />

UMTS-Lizenzen: eine ökonomische<br />

Analyse des Bieterverhaltens. – Leipzig, 2001. –<br />

24 S. (HHL-Arbeispapiere; 42)<br />

Nett, Lorenz; Stumpf, Ulrich: Eckpunkte zur<br />

Ausgestaltung eines möglichen Handels mit<br />

Frequenzen. – Bad Honnef: WIK, 2003. – 96 S.<br />

(Diskussionsbeiträge; 241)<br />

52 neue Technologien. Multimedia<br />

Gourd, Andrea: Öffentlichkeit und digitales<br />

Fernsehen. – Wiesbaden: Westdeutscher Verl.,<br />

2002. – 320 S.<br />

Innovationsmanagement in <strong>Medien</strong>unternehmen:<br />

Theoretische Grundlagen und Praxiserfahrungen/Hrsg.:<br />

Habann, Frank. – Wiesbaden:<br />

Gabler, 2003. – 299 S.<br />

Jürgens, Hans W.: Zur Handhabbarkeit von<br />

Zugangseinrichtungen und Verfahren zur Nutzung<br />

digitaler <strong>Medien</strong>angebote. – Kiel: ULR,<br />

2002. – 70 S. (ULR-Schriftenreihe; 19)<br />

Kröger, Claudia: Strategisches Marketing von<br />

Online-<strong>Medien</strong>produkten: Marktattraktivität<br />

und Wettbewerbspositionen. – Wiesbaden:<br />

DUV, 2002. – 499 S. (Betriebswirtschaftliche<br />

Forschung zur Unternehmensführung; 44)<br />

61 internationale Kommunikation<br />

Schröer, Norbert: Verfehlte Verständigung:<br />

<strong>Kommunikations</strong>soziologische Fallstudie zur<br />

interkulturellen Kommunikation. – Konstanz:<br />

UVK, 2002. – 170 S.<br />

332<br />

62 Europa Kommunikation<br />

Communication research and media science in<br />

Europe: perspectives for research and academic<br />

training in Europe’s changing media<br />

reality/Hrsg.: Schorr, Angela; Campbell, William;<br />

Schenk, Michael. – Berlin: de Gruyter,<br />

2002. – 656 S.<br />

Krebber, Daniel: Europeanisation of regulatory<br />

television policy: the decision-making<br />

process of the television without frontiers directives<br />

from 1989 & 1997. – Baden-Baden:<br />

Nomos, 2003. – 221 S. (Integration Europas<br />

und Ordnung der Weltwirtschaft; 24)<br />

Transnationale Öffentlichkeiten und Identitäten<br />

im 20. Jahrhundert/Hrsg.: Kaelble, Hartmut;<br />

Kirsch, Martin; Schmidt-Gernig, Alexander.<br />

– 2002: Campus, 2002. – 448 S.<br />

71 Massenmedien, allgemein<br />

Altendorfer, Otto: Das <strong>Medien</strong>system der<br />

Bundesrepublik Deutschland: Bd 1. – Wiesbaden:<br />

Westdeutscher, 2001. – 344 S.<br />

Augstein, Jakob: Sieben Schüsse in Glienicke:<br />

Gerichtsreportagen aus Berlin. – München:<br />

Hanser, 1998. – 131 S.<br />

Aus Politik und Zeitgeschichte: Beilage zur<br />

Wochenzeitung Das Parlament; Genderforschung.<br />

– Bonn: Bundeszentrale für politische<br />

Bildung, 2002. – 46 S. (B 33-34; 2002)<br />

Brookes, Rod: Representing sport. – London:<br />

Arnold, 2002. – 172 S.<br />

Daten zur <strong>Medien</strong>situation in Deutschland;<br />

Basisdaten 2002. – Frankfurt: Media Perspektiven,<br />

2002. – 88 S.<br />

Deutschland – einig <strong>Medien</strong>land?: Erfahrungen<br />

und Analysen/Hrsg.: Hömberg, Walter. –<br />

Münster: Lit, 2002. – 122 S.<br />

Feinstein, Joshua: The triumph of the ordinary:<br />

depictions of daily life in the East German cinema,<br />

1949-1989. – London: Univ. of North<br />

Carolina Pr., 2002. – 331 S.<br />

Gentechnologie in der öffentlichen Kontroverse/Hrsg.:<br />

Bonfadelli, Heinz; Dahinden, Urs. –<br />

Zürich: Seismo, 2002. – 208 S.<br />

Jahresschriften; Wissenschaft, Politik und Politikberatung:<br />

Erkundungen zu einem schwierigen<br />

Verhältnis. – Strausberg: Sozial<strong>wissenschaft</strong>liches<br />

Institut der Bundeswehr, 2002. –<br />

222 S.


Krajewski, Sabine: Life goes on, and sometimes<br />

it doesn’t: a comparative study of medical drama<br />

in the US, Great Britain and Germany. –<br />

Frankfurt: Lang, 2002. – 220 S. (Europäische<br />

Hochschulschriften, Reihe 30; 85)<br />

Liebert, Wolf-Andreas: Wissenstransformationen:<br />

handlungssemantische Analysen von Wissenschafts-<br />

und Vermittlungstexten. – Berlin:<br />

de Gruyter, 2002. – 493 S. (Studia linguistica<br />

Germanica; 63)<br />

<strong>Medien</strong> und Terrorismus: Reaktionen auf den<br />

11. September 2001/Hrsg.: Schicha, Christian;<br />

Brosda, Carsten. – Münster: Lit., 2002. – 201 S.<br />

(Ikö-Publikationen; 4)<br />

Nur Krisen, Kriege, Katastrophen?: Auslandsberichterstattung<br />

im deutschen Fernsehen; Dokumentation<br />

der 21. Tutzinger <strong>Medien</strong>tage/<br />

Hrsg.: Cappitelli, Claudia; Schwanebeck, Axel.<br />

– München: R. Fischer, 2003. – 198 S.<br />

Sport-goes-media.de: zur Medialisierung des<br />

Sports; Festschrift für Herbert Haag/Hrsg.:<br />

Strauss, Bernd; Kolb, Michael; Lames, Martin.<br />

– Schondorf: Hofmann, 2002. – 187 S.<br />

72 <strong>Medien</strong> Bildung<br />

Barsch, Achim; Erlinger, Hans Dieter: <strong>Medien</strong>pädagogik:<br />

eine Einführung. – Stuttgart: Klett-<br />

Cotta, 2002. – 220 S.<br />

Bickelmann, Karin; Sosalla, Werner: <strong>Medien</strong>kompetenz:<br />

Voraussetzungen, Förderung,<br />

Handlungsschritte. – Berlin: Vistas, 2002. – 114<br />

S. (Schriften der LMS; 9)<br />

Tulodziecki, Gerhard; Herzig, Bardo: Computer<br />

und Internet im Unterricht: medienpädagogische<br />

Grundlagen und Beispiele. – Berlin:<br />

Cornelsen Scriptor, 2002. – 207 S.<br />

73 <strong>Medien</strong> Ökonomie<br />

Beck, Hanno: <strong>Medien</strong>ökonomie: Print, Fernsehen<br />

und Multimedia. – Heidelberg: Springer,<br />

2002. – 348 S.<br />

Dimmick, John W.: Media competition and coexistence:<br />

the theory of the niche. – London:<br />

LEA, 2003. – 145 S.<br />

Hass, Berthold H.: Geschäftsmodelle von <strong>Medien</strong>unternehmen:<br />

Ökonomische Grundlagen<br />

und Veränderungen durch neue Informationsund<br />

<strong>Kommunikations</strong>technik. – Wiesbaden:<br />

DUV, 2002. – 193 S.<br />

Hermann, Michael: Vom Broadcast zum Personalcast:<br />

Ökonomische Potenziale der Indivi-<br />

Literatur · Literaturverzeichnis<br />

dualisierung audiovisueller <strong>Medien</strong>produkte. –<br />

Wiesbaden: DUV, 2002. – 236 S.<br />

Internet und die Zukunft der Printmedien:<br />

<strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>liche und medienökonomische<br />

Aspekte/Hrsg.: Theis-Berglmair,<br />

Anna M.. – Münster: Lit, 2002. – 258 S.<br />

(Beiträge zur <strong>Medien</strong>ökonomie; 4)<br />

Kürble, Peter: Spielfilme im Netz multimedialer<br />

Entwicklungen: Wettbewerbsanalyse und<br />

Markteintrittsmöglichkeiten am Beispiel von<br />

Netzbetreibern; Eine theoretische Untersuchung<br />

mit Hilfe des Konzeptes der fünf Wettbewerbskräfte<br />

und des Transaktionskostenansatzes.<br />

– Berlin, 1999. – 339 S.<br />

Sjurts, Insa: Strategien in der <strong>Medien</strong>branche:<br />

Grundlagen und Fallbeispiele. – Wiesbaden:<br />

Gabler, 2002. – 438 S.<br />

Wer beherrscht die <strong>Medien</strong>?: die 50 größten<br />

<strong>Medien</strong>konzerne der Welt; Jahrbuch 2003/<br />

Hrsg.: Hachmeister, Lutz; Rager, Günther. –<br />

München: Beck, 2003. – 431 S.<br />

74 <strong>Medien</strong> Recht<br />

Beck’scher Kommentar zum Rundfunkrecht/<br />

Hrsg.: Hahn, Werner; Vesting, Thomas. –<br />

München: Beck, 2003. – 1543 S.<br />

Bruns, Marco: Diskursive Zugänge zum<br />

Rechtssystem: zur Verrechtlichung des <strong>Kommunikations</strong>schutzes<br />

im Datenschutz und zur<br />

Institutionalisierung des Datenschutzes in der<br />

Öffentlichkeit. – Baden-Baden: Nomos, 2000.<br />

– 328 S. (Frankfurter Studien zum Datenschutz;<br />

14)<br />

Dörr, Dieter; Schiedermair, Stephanie: Rundfunk<br />

und Datenschutz: die Stellung des Datenschutzbeauftragten<br />

des Norddeutschen Rundfunks;<br />

Eine Untersuchung unter besonderer<br />

Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen<br />

und europarechtlichen Vorgaben. – Frankfurt:<br />

Lang, 2002. – 96 S. (Studien zum deutschen und<br />

europäischen <strong>Medien</strong>recht; 13)<br />

Gets, Martina: Meinungsäußerungs- und Informationsfreiheit<br />

im Internet aus Sicht des<br />

Völkerrechts. – Berlin: Berlin Verl. Spitz, 2002.<br />

– 200 S.<br />

Hasselblatt, Fabian; Urs, Dieter: Die Vergleichende<br />

Werbung in der Europäischen Gemeinschaft<br />

für die Zeit nach Maastricht und Amsterdam<br />

– unter besonderer Berücksichtigung<br />

der Errichtung des europäischen Binnenmarktes.<br />

– Köln: Heymann, 2002. – 400 S. (Schriftenreihe<br />

zum gewerblichen Rechtsschutz; 117)<br />

333


M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />

Heyms, Sybille; Prieß, Christiane: Werbung<br />

online: eine Betrachtung aus rechtlicher Sicht. –<br />

Berlin: Schmidt Verl., 2001. – 266 S. (Electronic<br />

commerce und Recht; 4)<br />

Jugendschutz: Sonderdruck aus Hartstein/<br />

Ring/Kreile/Dörr/Stettner; Jugendmedienschutz-Staatsvertrag;<br />

Jugendschutzgesetz; <strong>Medien</strong>dienste-Staatsvertrag;<br />

Teledienstegesetz:<br />

Textausgabe. – München: Rehm, 2003. – 167 S.<br />

Moos, Flemming: Die Bindung der Telekommunikationsregulierung<br />

durch das GATS-Abkommen.<br />

– Baden-Baden: Nomos, 2003. – 362<br />

S. (Law and economics of international Telecommunications;<br />

50)<br />

Moosmann, Oliver: Exklusivstories: zur rechtlichen<br />

Problematik der Exklusivvermarktung<br />

von Lebensgeschichten und anderen persönlichkeitsrechtlich<br />

geschützten Informationen. –<br />

Frankfurt: Lang, 2002. – 222 S.<br />

Nationaler Rundfunk und Europäisches Gemeinschaftsrecht<br />

zwischen <strong>Kommunikations</strong>freiheit<br />

und Regulierung: Vortragsveranstaltung.<br />

– München: Beck, 2003. – 110 S. (Schriftenreihe<br />

des Instituts für Rundfunkrecht an der<br />

Universität zu Köln; 86)<br />

Neun, Andreas: Öffentlich-rechtlicher Rundfunk:<br />

Grenzen des Wachstums: Programmund<br />

Angebotsdiversifizierung der Rundfunkanstalten<br />

der Bundesrepublik Deutschland. –<br />

Berlin: Duncker & Humblot, 2002. – 482 S.<br />

(Beiträge zum Informationsrecht; 2)<br />

Ory, Stephan; Schmittmann, Jens M.: Freie<br />

Mitarbeiter in den <strong>Medien</strong>: Einordnung im Arbeits-,<br />

Sozial- und Steuerrecht. – München:<br />

Beck, 2002. – 257 S.<br />

Paschke, Marian: <strong>Medien</strong>recht. – Berlin: Springer-Verlag,<br />

2001. – 2. Aufl. – 452 S.<br />

Petry, Friedrich: Reform der Rundfunkordnung<br />

im Lichte der Rundfunkveranstalterfreiheit.<br />

– Berlin: Dissertation Verl., 2002. – 148 S.<br />

Rundfunk über Gebühr?: die Finanzierung des<br />

öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Zeitalter<br />

der technischen Konvergenz; 3. Mainzer <strong>Medien</strong>gespräch/Hrsg.:<br />

Dörr, Dieter. – Frankfurt:<br />

Lang, 2003. – 73 S. (Studien zum deutschen und<br />

europäischen <strong>Medien</strong>recht; 14)<br />

Schlottfeld, Christian: Die Verwertung rechtswidrig<br />

beschaffter Informationen durch Presse<br />

und Rundfunk. – Baden-Baden: Nomos, 2002.<br />

– 333 S.<br />

334<br />

Spinello, Richard A.: Regulating cyberspace:<br />

the policies and technologies of control. – London:<br />

Quorum Books, 2002. – 246 S.<br />

Staatliche Kontrolle und selbstregulative Steuerung:<br />

Demokratische Willensbildung am Beispiel<br />

des Jugendmedienschutzes/Hrsg.: Büttner,<br />

Christian; Gottberg, Joachim von. –<br />

Frankfurt: Campus, 2002. – 216 S.<br />

Tschon, Michaela S.: Cross Ownership und publizistische<br />

Gewaltenteilung: rechtstatsächliche<br />

Grundlagen und rechtliche Zulässigkeit der<br />

marktführenden Eigentumskonzentration in<br />

den <strong>Medien</strong>; zugleich ein Beitrag zur Dogmatik<br />

der Cross Ownership Beschränkung unter besonderer<br />

Berücksichtigung des § 26 Abs. 2 Satz<br />

2 RStV. – Berlin: Duncker & Humblot, 2002. –<br />

608 S. (Schriften zu <strong>Kommunikations</strong>fragen;<br />

34)<br />

Will, Martin: Internetwahlen: verfassungsrechtliche<br />

Möglichkeiten und Grenzen. – Stuttgart:<br />

Boorberg, 2002. – 197 S. (Recht und Neue<br />

<strong>Medien</strong>; 2)<br />

75 Rundfunk<br />

Berger-Klein, Andrea: Mikropolitik im Rundfunk:<br />

Programm- und Strukturreformen bei<br />

NDR 90,3 (Hamburg-Welle). – Hamburg: Lit.,<br />

2002 (<strong>Medien</strong> und Politik; 17)<br />

Breyer-Mayländer, Thomas; Werner, Andreas:<br />

Handbuch der <strong>Medien</strong>betriebslehre. – München:<br />

R. Oldenburg, 2003. – 405 S.<br />

Cross-Media Management: Content-Strategien<br />

erfolgreich umsetzen/Hrsg.: Müller-Kalthoff,<br />

Björn. – Berlin: Springer, 2002. – 232 S.<br />

Grätz, Reinhard: Gremien in öffentlich-rechtlichen<br />

Rundfunkanstalten. Entscheidungsträger<br />

oder Erfüllungshilfen?. – Köln: Institut für<br />

Rundfunkökonomie, 2002. – 7 S. (Arbeitspapiere<br />

des Instituts für Rundfunkökonomie an<br />

der Universität zu Köln; 161)<br />

Hurth, Elisabeth: Zwischen Religion und Unterhaltung:<br />

zur Bedeutung der religiösen Dimension<br />

in den <strong>Medien</strong>. – Mainz: Grünewald<br />

Verl., 2001. – 152 S.<br />

Ivanyi, Nathalie; Reichertz, Jo: Liebe (wie) im<br />

Fernsehen: eine wissenssoziologische Analyse.<br />

– Opladen: Leske + Budrich, 2002. – 308 S. (Erlebniswelten;<br />

5)<br />

Jaedicke, Horst: Tatort Tagesschau: eine Institution<br />

wird 50. – München: Alliteraverlag,<br />

2002. – 234 S.


Krug, Hans-Jürgen: Radiolandschaften: Beiträge<br />

zur Geschichte und Entwicklung des Hörfunks.<br />

– Frankfurt: Lang, 2002. – 186 S. (Hamburger<br />

Beiträge zur Germanistik; 37)<br />

Maier, Michaela: Zur Konvergenz des Fernsehens<br />

in Deutschland: Ergebnisse qualitativer<br />

und repräsentativer Zuschauerbefragungen. –<br />

Konstanz: UVK, 2002. – 387 S. (<strong>Medien</strong> und<br />

Märkte; 11)<br />

Rundfunkregulierung: Leitbilder, Modelle und<br />

Erfahrungen im internationalen Vergleich; eine<br />

sozial-und rechts<strong>wissenschaft</strong>liche Analyse. –<br />

Zürich: Seismo, 2002. – 409 S.<br />

Schrader, Stephanie: Von der Deutschen Stunde<br />

in Bayern zum Reichssender München: der<br />

Zugriff der Nationalsozialisten auf den Rundfunk.<br />

– Frankfurt: Lang, 2002. – 100 S. (Studien<br />

zur Geschichte des Bayerischen Rundfunks; 1)<br />

Stellung & Finanzierung des deutschen Auslandsrundfunks:<br />

Dokumentation DW-Symposium<br />

März 2000. – Berlin: Vistas, 2000. – 98 S.<br />

(DW-Schriftenreihe; 2)<br />

Trimborn, Jürgen: Fernsehen der Neunziger:<br />

die deutsche Fernsehlandschaft seit der Einführung<br />

des Privatfernsehens. – Köln: Leppin,<br />

1999. – 228 S. (Fernseh<strong>wissenschaft</strong>; 2)<br />

Wolff, Franca: Glasnost erst kurz vor Sendeschluss:<br />

die letzten Jahre des DDR-Fernsehens<br />

(1985-1989/90). – Köln: Böhlau, 2002. – 324 S.<br />

(<strong>Medien</strong> in Geschichte und Gegenwart; 18)<br />

76 Werbung<br />

Bongard, Joachim: Werbewirkungsforschung:<br />

Grundlagen – Probleme – Ansätze. – Münster:<br />

Lit, 2002. – 434 S. (Publizistik; 7)<br />

Fischer, Heinz-Dietrich; Westermann, Arne:<br />

Knappe Geschichte der Hörfunk- und Fernsehwerbung<br />

in Deutschland: Leitfaden durch<br />

medienpolitische Stationen eines <strong>Kommunikations</strong>phänomens.<br />

– Hagen: ISL Verl., 2001. –<br />

151 S.<br />

Die Gesellschaft der Werbung: Kontexte und<br />

Texte, Produktionen und Rezeptionen, Entwicklungen<br />

und Perspektiven/Hrsg.: Willems,<br />

Herbert. – Wiesbaden: Westdt. Verl., 2002. –<br />

1006 S.<br />

Jahrbuch Deutscher Werberat 2003/Deutscher<br />

Werberat (Hrsg.). – Bonn: edition ZAW, 2003.<br />

– 74 S.<br />

Literatur · Literaturverzeichnis<br />

81 Publikum. <strong>Medien</strong>nutzung<br />

Fernsehsender im Urteil der Zuschauer: Image-<br />

Bewertung 2002. – Mainz: ZDF, 2002. – 26 S.<br />

MA 2001 Internet-Nutzung: Basis: MA 2001<br />

Radio II/Arbeitsgemeinschaft Media Analyse<br />

e.V. (Hrsg.). – Frankfurt am Main, 2001. – 36 S.<br />

Massenkommunikation VI: eine Langzeitstudie<br />

zur <strong>Medien</strong>nutzung und <strong>Medien</strong>bewertung<br />

1964-2000/Hrsg.: Berg, Klaus; Ridder, Christa-<br />

Maria. – Baden-Baden: Nomos, 2002. – 256 S.<br />

(Schriftenreihe Media Perspektiven; 16)<br />

Oehmichen, Ekkehardt; Ridder, Christa-Maria:<br />

Die <strong>Medien</strong>NutzerTypologie: ein neuer<br />

Ansatz der Publikumsanalyse. – Baden-Baden:<br />

Nomos, 2003. – 320 S. (Schriftenreihe Media<br />

Perspektiven; 17)<br />

82 Rezeptionsforschung<br />

Früh, Werner: Unterhaltung durch das Fernsehen:<br />

eine molare Theorie. – Konstanz: UVK,<br />

2002. – 253 S.<br />

Gunter, Barrie; Harrison, Jackie; Wykes, Maggie:<br />

Violence on television: distribution, form,<br />

context, and themes. – London: LEA Inc, 2002.<br />

– 307 S.<br />

Peters, Lars: Von Welle zu Welle: Umschalten<br />

beim Radiohören. – Berlin: Vistas, 2003. – 277<br />

S. (Schriftenreihe der NLM; 16)<br />

83 Kinder Jugendliche <strong>Medien</strong><br />

Bergmann, Wolfgang: Digitalkids: Kindheit in<br />

der <strong>Medien</strong>maschine. – München: Beust, 2003.<br />

– 232 S.<br />

Broadcast television effects in a remote community/Hrsg.:<br />

Charlton, Tony; Gunter, Barrie;<br />

Hannan, Andrew. – Mahwah: Erlbaum, 2002. –<br />

169 S.<br />

Children in the digital age: influences of electronic<br />

media on development/Hrsg.: Calvert,<br />

Sandra L.; Jordan, Amy B.; Cocking, Rodney<br />

R. – London: Praeger Publ., 2002. – 260 S.<br />

Netkids und Theater: Studien zum Verhältnis<br />

von Jugend, Theater und neuen <strong>Medien</strong>/Hrsg.:<br />

Richard, Jürg. – Frankfurt: Lang, 2002. – 259 S.<br />

(Kinder- und Jugendkultur, -literatur und -medien;<br />

19)<br />

335


M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />

91 Literatur zu einzelnen Ländern<br />

Baldauf, Manuela: Wahlkampf im Web: eine<br />

Untersuchung der offiziellen Webseiten von<br />

George W. Bush und Al Gore im US-Präsidentschaftswahlkampf<br />

2000. – Wiesbaden:<br />

DUV, 2002. – 159 S.<br />

Beyond boundaries: cyberspace in Africa/<br />

Hrsg.: Robins, Melinda B.; Hilliard, Robert L..<br />

– Portsmouth: Heinemann, 2002. – 188 S.<br />

Broadcasting in Japan: the twentieth Century<br />

journey from Radio to Multimedia. – Tokyo:<br />

NHK, 2002. – 365 S.<br />

Brooks, Dwight E.; Rada, James A.: Constructing<br />

race in black and whiteness: media coverage<br />

of public support for President Clinton. –<br />

Columbia: AEJMC, 2002. – 156 S. (Journalism<br />

and communication monographs; 2002/3)<br />

Chermak, Steven M.: Searching for a demon:<br />

the media construction of the militia movement.<br />

– Boston: Northeastern Univ., Pr., 2002.<br />

– 272 S.<br />

Chinese communication studies: contexts and<br />

comparisons/Hrsg.: Lu, Xing; Jia, Wenshan;<br />

Heisey, D. Ray. – London: Ablex Publ., 2002.<br />

– 278 S.<br />

Durham, Frank D.: Anti-Communism, race,<br />

and structuration: Newspaper coverage of the<br />

labor and desegregation movements in the<br />

South, 1932–40 and 1953–61. – Columbia: AE-<br />

JMC, 2002. – 107 S. (Journalism and communication<br />

monographs; 2002/2)<br />

Elsäßer, Ulrike; Evermann, Jovan; Thiel, Michael:<br />

Dallas, Denver & Co.; Das Große Lexikon<br />

der amerikanischen Soaps: alles über die amerikanischen<br />

Daily-Soaps im deutschen Fernsehen.<br />

– Berlin: Lexikon Imprint Verl., 2002. –<br />

431 S.<br />

336<br />

Ibelema, Minabere: The Nigerian press and<br />

June 12: pressure and performance during a political<br />

crisis. – Columbia: AEJMC, 2003. – 209<br />

S. (Journalism and communication monographs;<br />

2003/4)<br />

Keller, Alexander: Radio Veritas: ein kirchliches<br />

Entwicklungshilfeprojekt in Asien (1958-<br />

1986). – Köln: Eigenverlag, 2001. – 479 S.<br />

Klee, Hans Dieter: Afrikas <strong>Medien</strong> im Griff der<br />

Global Player und der eigenen Machthaber. –<br />

Köln: Institut für Rundfunkökonomie, 2002. –<br />

14 S. (Arbeitspapiere des Instituts für Rundfunkökonomie<br />

an der Universität zu Köln;<br />

160)<br />

Mebane, Felicia E.: Medicare politics: exploring<br />

the roles of media coverage, political information,<br />

and political participation. – New York:<br />

Garland, 2001. – 181 S.<br />

Oswell, David: Television, childhood, and the<br />

home: a history of the child television audience<br />

in Britain. – Oxford: Clarendon, 2002. – 179 S.<br />

Taiwan; Public television service foundation<br />

annual report 2001. – Taipei: PTS, 2001. – 37 S.<br />

Vittinghoff, Natascha: Die Anfänge des Journalismus<br />

in China: (1860-1911). – Wiesbaden:<br />

Harrassowitz, 2002. – 507 S. (Opera Sinologica;<br />

9)<br />

Widmer, Michael: Das Verhältnis zwischen<br />

<strong>Medien</strong>recht und <strong>Medien</strong>ethik: Unter besonderer<br />

Berücksichtigung der „Erklärung der Rechte<br />

und Pflichten der Journalistinnen und Journalisten“<br />

und des Schweizer Presserats. – Bern:<br />

Stämpfli, 2003. – 147 S. (Schriften zum <strong>Medien</strong>und<br />

Immaterialgüterrecht; 68)<br />

Zum Fernseh’n drängt, am Fernseh’n hängt<br />

doch alles...; 50 Jahre Schweizer Fernsehen. –<br />

Baden: Hier und Jetzt Verl., 2003. – 463 S.


English Abstracts<br />

Elisabeth Klaus / Stephanie Lücke: Reality TV – Definition and criteria of a successful<br />

genre family with exemplary reference to reality soap and docu soap (Reality TV<br />

– Definition und Merkmale einer erfolgreichen Genrefamilie am Beispiel von Reality<br />

Soap und Docu Soap), pp. 195 – 212<br />

Dream ratings for “Deutschland sucht den Superstar” (screened on channel RTL, rough<br />

equivalent of “Idols”), the Grimme Prize for “Schwarzwaldhaus 1902” (SWR), the<br />

launch of the fourth series of “Big Brother” (RTL II): everyday persons and everyday<br />

themes are extremely popular on television. With reference to earlier studies, the article<br />

defines reality TV as a highly active genre family, which combines numerous genres,<br />

including “court TV”, “daily talks”, “personal help shows” and the current “casting<br />

shows”. Taking the hybrid genre reality soap and docu soap as examples, which had a<br />

particularly strong influence on German reality TV at the transition to the 21st century,<br />

the most important criteria of the genre family are outlined. These can be characterised<br />

in terms of content by their deliberate overstepping of limits, such as the mixture of<br />

fictional and non-fictional elements, of authenticity and staging, of everyday and exotic<br />

life, and of information and entertainment. Formally, they are shaped by the same<br />

staging strategies, these being personalisation, emotionalisation, intimisation, stereotypification<br />

and dramatisation. The article views itself as an interim assessment of a genre<br />

family that has become a taken-for-granted part of the German television landscape and<br />

has unbroken development potential.<br />

Keywords: genres, reality TV, docu soap, casting show, reality soap, court TV, daily<br />

talks, personal help show, staging strategies<br />

Volker Gehrau: (Film) Genres and the reduction of uncertainty ((Film-) Genres und<br />

die Reduktion von Unsicherheit), pp. 213 – 231<br />

The study examines the connection between the use of genre designations and the<br />

reduction of uncertainty. In the first section of the article, four theoretical modellings<br />

are presented in this context: in cultural modelling, the reduction of uncertainty results<br />

from the follow-through capability between a specific offering and the offerings as a<br />

whole. Economic modelling concentrates on the capability to follow through from an<br />

individual offering to the offerings already marketed and audience desires. In psychological<br />

modelling, genre classifications provide the capability to follow through the cognitive<br />

and emotional experiences that have already been made. In social modelling, genre<br />

designations serve to reduce the uncertainty of common media actions, in particular of<br />

communication about media offerings, by means of ensuring follow-through capability.<br />

The reflections in the second section of the study focus on the audience: accordingly,<br />

the audience would have to make increasing use of genre designations in communication<br />

about media offerings if the situation is uncertain. Within the same situation, the<br />

individual sense of certainty would have to increase if it is possible to fall back upon<br />

genre designations. The available data from an oral survey and from a number of<br />

recipience experiments confirm the suppositions.<br />

Keywords: film and television research, recipience research, genre, uncertainty, control<br />

function, survey, recipience experiment<br />

337


M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />

Barbara Pfetsch: Symbolic noises via the others – The public sphere via media policy<br />

in press commentaries (Symbolische Geräusche über die Anderen – Die Öffentlichkeit<br />

über <strong>Medien</strong>politik in Pressekommentaren), pp. 232 – 249<br />

The article discusses the structures and processes of the policy field of media policy and,<br />

against this background, attempts to analyse the media public through media policy.<br />

After taking stock of the internal structures and negotiation processes and of the norms<br />

and governing principles of media policy decisions, the role of the public sphere in systems<br />

of media policy decision-making is discussed. Insofar as the opinion is shared that<br />

a broadly based public discussion about media and media criticism is a prerequisite for<br />

the redirection of the German media policy from control by state jurisdiction towards<br />

“regulated self-regulation”, the empirical question arises regarding the specific nature of<br />

this public discourse about media policy. On the basis of a content analysis of 240 commentaries<br />

about media policy in national quality newspapers between 1994 and 1998,<br />

the study describes the media discourse on media policy and interprets this against the<br />

background of the assumption that the persistence of the structural and functional<br />

deficits of the current media policy is possibly attributable to the fact that the media<br />

policy public is a peripheral factor, which at most reproduces the symbolic noises of the<br />

media policy dispute.<br />

Keywords: media policy, media criticism, public sphere, commentaries, content analysis<br />

Christiane Eilders / Katrin Voltmer: Between Germany and Europe. An empirical<br />

investigation of the degree of Europeanisation and support for Europe of the leading<br />

opinion-making Germany daily newspapers (Zwischen Deutschland und Europa.<br />

Eine empirische Untersuchung zum Grad von Europäisierung und Europa-<br />

Unterstützung der meinungsführenden deutschen Tageszeitungen), pp. 250 – 270<br />

This paper investigates the role of the media in the construction of a European public<br />

sphere. The discussion of different models of a European public sphere shows that the<br />

Europeanisation of the national public sphere complies with normative claims of extensive<br />

inclusion and deliberation better than the models of a pan-European public sphere<br />

and publics with segmented transnational issues. A content analysis of the discourse on<br />

European politics in German quality newspaper commentaries from 1994 to 1998 shows<br />

a degree of Europeanisation of the public sphere that markedly lags behind the increasing<br />

Europeanisation of politics. EU actors and EU issues are hardly addressed. Even if<br />

the media do address European issues, they predominantly address them in terms of national<br />

politics. At the same time, the media unanimously support the idea of European<br />

integration.<br />

Keywords: public, Europe, Europeanisation, commentaries, content analysis, press reporting,<br />

quality newspapers<br />

Wolfgang Schweiger / Hans-Bernd Brosius: Eurovision Song Contest – do news factors<br />

influence the voting of the viewers? (Eurovision Song Contest – beeinflussen<br />

Nachrichtenfaktoren die Punktvergabe durch das Publikum?) pp. 271 – 294<br />

Since 1998, the points at the Eurovision Song Contest (Grand Prix Eurovision, ESC)<br />

have been cast over the phone by TV viewers. The assumption is that the quality of a<br />

song is the central explanatory factor for its success. The remaining variance is interest-<br />

338


English Abstracts and Keywords<br />

ing, however, from a communication sciences angle. It can be explained with reference<br />

to at least three factor groups: (1) Characteristics of the voting country, (2) Relations<br />

between the voting country and the country for which the vote is cast and (3) Formal<br />

characteristics of the song and its singer. The first three factor groups point to variables,<br />

which are known as news factors from news value theory. Whereas the concept has been<br />

solely applied up to now to explain the journalistic selection of news and the selection<br />

of news by recipients, the authors of this article refer to news factors to explain the voting<br />

at the ESC – and thus the behaviour of the audience. Three hypotheses result, which<br />

the article examines with respect to the contests of the years 1998 to 2002. H1: The higher<br />

the political, economic and cultural status of a contestant country, the more points its<br />

entry receives. H2: The closer the contestant countries are in political, economic,<br />

cultural and geographical terms, the more points the viewers give one another. H3: Entries<br />

by so-called next-door giants receive fewer points from their (smaller) neighbours<br />

than they should have received on merit of their status. As shown by the data collected,<br />

all three hypotheses can be clearly confirmed to varying degrees.<br />

Keywords: news values research, Eurovision Song Contest, televoting, decision-making<br />

theory, schema theory, heuristics, international communication, Europe, European<br />

Broadcasting Union, music<br />

339


Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieses Heftes<br />

Dr. Ruth Ayaß, Fakultät für Soziologie, Universität Bielefeld, Postfach 100131,<br />

33501 Bielefeld, ruth.ayass@uni-bielefeld.de<br />

Prof. Dr. Theresia Birkenhauer, Institut für Germanistik II, Universität Hamburg,<br />

Von-Melle-Park 6, 20146 Hamburg, theresiabirkenhauer@web.de<br />

Prof. Dr. Joan Kristin Bleicher, Institut für Germanistik II, Universität Hamburg,<br />

Von-Melle-Park 6, 20146 Hamburg, joan.bleicher@uni-hamburg.de<br />

Dr. Marco Czygan, Weihrachstr. 3, 98693 Ilmenau, marco@czygan.de<br />

Prof. Dr. Hans-Bernd Brosius, Institut für <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong> und<br />

<strong>Medien</strong>forschung, Ludwig-Maximilians Universität München, Oettingenstr. 67, 80538<br />

München, brosius@ifkw.uni-muenchen.de<br />

Dr. Christiane Eilders, Hans-Bredow-Institut, Heimhuder Str. 21, 20148 Hamburg,<br />

c.eilders@hans-bredow-institut.de<br />

Dr. Volker Gehrau, Journalisten-Kolleg, Freie Universität Berlin, Otto-von-Simson-<br />

Str. 3, 14195 Berlin, vgehrau@zedat.fu-berlin.de<br />

Dr. Udo Göttlich, Zentrum für Angewandte Kultur<strong>wissenschaft</strong> ZAK, Universität<br />

Karlsruhe (TH), Kaiserstraße 12, 76128 Karlsruhe, goettlich@uni-duisburg.de<br />

Prof. Dr. Hans Mathias Kepplinger, Institut für Publizistik, Johannes Gutenberg-<br />

Universität, Colonel-Kleinmann-Weg 2, 55099 Mainz, kepplinger@uni-mainz.de<br />

Prof. Dr. Elisabeth Klaus, Zentrum für interdisziplinäre <strong>Medien</strong><strong>wissenschaft</strong> (ZiM),<br />

Universität Göttingen, Humboldtallee 32, 37073 Göttingen, eklaus@uni-goettingen.de<br />

Dipl. Sozw. Stephanie Lücke, Studienrichtung <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>, Universität<br />

Erfurt, Nordhäuser Straße 63 , 99089 Erfurt, stephanie.luecke@uni-erfurt.de<br />

Prof. Dr. Barbara Pfetsch, Universität Hohenheim, Institut für Sozial<strong>wissenschaft</strong>en<br />

540 E, Fruwirthstrasse 47, 70599 Stuttgart, pfetsch@uni-hohenheim.de<br />

Dr. Ulrike Röttger, Institut für <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong> der Westfälischen<br />

Wilhelms-Universität Münster, Bispinghof 9-14, 48143 Münster, ulrike.roettger@unimuenster.de<br />

Dr. Wolfgang Schweiger, Institut für <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong> und <strong>Medien</strong>forschung,<br />

Ludwig-Maximilians Universität München, Oettingenstr. 67, 80538 München,<br />

mail@wolfgang-schweiger.de<br />

Dr. Katrin Voltmer, Institute of Communications Studies, University of Leeds, Roger<br />

Stevens Building, Leeds LS2 9JT, Großbritannien, icskv@leeds.ac.uk<br />

340


Hinweise für Autorinnen und Autoren<br />

Die <strong>wissenschaft</strong>liche Vierteljahreszeitschrift „<strong>Medien</strong> & <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>“<br />

(bis Ende 1999 „Rundfunk und Fernsehen – Zeitschrift für <strong>Medien</strong>- und <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>“)<br />

wird seit 1953 vom Hans-Bredow-Institut herausgegeben und redaktionell<br />

betreut. Die Zeitschrift ist ein interdisziplinäres Forum für theoretische und<br />

empirische Beiträge aus der gesamten <strong>Medien</strong>- und <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>.<br />

Für die Publikation in „<strong>Medien</strong> & <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>“ kommen folgende<br />

Textsorten in Betracht:<br />

• Aufsätze sollen ein Moment originärer theoretischer Leistung beinhalten bzw. einen<br />

theoretisch weiterführenden Argumentationsgang bieten;<br />

• Berichte sollen Befunde zu einem ausgewiesenen Problem von theoretischer oder<br />

medienpraktischer Relevanz darstellen;<br />

• Unter der Rubrik Diskussion sollen Beiträge erscheinen, die innerhalb eines <strong>wissenschaft</strong>lichen<br />

Diskurses Position beziehen und die Diskussion voranbringen können.<br />

Dabei können auch spekulative Betrachtungen fruchtbar sein.<br />

• Literaturberichte/-aufsätze sollen Literatur bzw. ausgewählte Literatur zu bestimmten<br />

Problemstellungen systematisch und vergleichend zusammenfassen und<br />

eine Übersicht über den Stand der Theorie und/oder Empirie geben.<br />

Die Redaktion bietet außerdem die Möglichkeit zur Stellungnahme und Erwiderung zu<br />

publizierten Beiträgen der oben genannten Kategorien. Stellungnahmen und Erwiderungen,<br />

die den in „<strong>Medien</strong> & <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>“ üblichen inhaltlichen und<br />

formalen Standards entsprechen und geeignet sind, die <strong>wissenschaft</strong>liche Diskussion zu<br />

fördern, werden im nächstmöglichen Heft publiziert. Die Redaktion räumt dabei dem<br />

Autor bzw. der Autorin des Beitrages, auf den sich die Stellungnahme bezieht, die Möglichkeit<br />

einer Erwiderung ein.<br />

Manuskripte, die zur Publikation in „<strong>Medien</strong> & <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>“ eingereicht<br />

werden, dürfen nicht anderweitig veröffentlicht sein und bis Abschluss des Begutachtungsverfahrens<br />

nicht anderen Stellen zur Veröffentlichung angeboten werden.<br />

Im Sinne der Förderung des <strong>wissenschaft</strong>lichen Diskurses und der kumulativen Forschung<br />

sowie der Qualitätssicherung legt die Redaktion bei der Begutachtung von Beiträgen<br />

besonderen Wert darauf, dass größtmögliche Transparenz hinsichtlich der verwendeten<br />

Daten hergestellt wird. Autorinnen und Autoren empirischer Beiträge verpflichten<br />

sich mit der Einreichung des Manuskripts, dass sie die Art und Weise der Datenerhebung<br />

bzw. den Zugang zu Datenbeständen, die von Dritten (z. B. Datenbanken) zur<br />

Verfügung gestellt worden sind, ausreichend dokumentieren, um so die Voraussetzungen<br />

für Sekundäranalysen und Replikationen zu schaffen. Zugleich erklären sie sich bereit,<br />

die verwendeten Daten bei <strong>wissenschaft</strong>lich begründeten Anfragen im Rahmen der jeweils<br />

gegebenen Möglichkeiten für weitere Analysen zur Verfügung zu stellen.<br />

Formalien:<br />

• Manuskripte sind der Redaktion in dreifacher Ausfertigung oder per E-Mail zuzuschicken.<br />

• Da die eingereichten Manuskripte anonymisiert begutachtet werden, sind zwei Titelblätter<br />

erforderlich: eines mit Angabe des Titels und der Namen und Anschriften<br />

der Autorinnen und Autoren, eines ohne Anführung der Namen und Adressen. Das<br />

Manuskript selbst darf keine Hinweise auf die Autorinnen und Autoren enthalten.<br />

341


M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />

• Beizufügen ist eine kurze Zusammenfassung des Beitrags (max. 15 Zeilen), die dem<br />

Leser als selbständiger Text einen hinreichenden Eindruck vom Inhalt des jeweiligen<br />

Beitrags vermittelt.<br />

• Der Umfang der Beiträge soll 20 Manuskriptseiten (55.000 Zeichen) nicht überschreiten.<br />

• Die Manuskriptseiten müssen im DIN A4-Format (einseitig), anderthalbzeilig beschrieben<br />

und mit ausreichendem Rand versehen sein.<br />

• Gliederung des Textes: Jedes Kapitel und Unterkapitel sollte mit einer Überschrift<br />

(in Dezimalzählung) versehen sein.<br />

• Hervorhebungen im Text sind kursiv oder fett zu kennzeichnen.<br />

• Für Hinweise und Literaturbelege bestehen wahlweise zwei Möglichkeiten:<br />

a) durch Angabe von Autor, Erscheinungsjahr und Seitenziffer im fortlaufenden<br />

Text – z. B.: . . . (Müller, 1990: 37 – 40) . . . –, wobei der vollständige bibliographische<br />

Nachweis über ein Literaturverzeichnis im Anschluss an den Beitrag erfolgt;<br />

b) über durchnumerierte Anmerkungsziffern, wobei der Text der Anmerkung auf<br />

der entsprechenden Seite aufgeführt wird.<br />

Über eine Annahme des Manuskripts und den Zeitpunkt der Veröffentlichung entscheidet<br />

die Redaktion auf der Grundlage redaktionsinterner und externer Gutachten.<br />

Dem/der Autor/in wird die Redaktionsentscheidung schriftlich mitgeteilt. Im Falle einer<br />

Entscheidung für Überarbeitung, Neueinreichung oder Ablehnung legt die Redaktion<br />

die Gründe für ihre Entscheidung offen. Dazu werden die anonymisierten Gutachten,<br />

evtl. auch nur in Auszügen, zugesandt. Das Begutachtungsverfahren ist in der<br />

Regel sechs Wochen nach Eingang des Manuskripts abgeschlossen; falls die Begutachtung<br />

längere Zeit erfordert, werden die Autor/inn/en benachrichtigt.<br />

Von jedem Originalbeitrag werden 20 Sonderdrucke kostenlos zur Verfügung gestellt.<br />

Weitere Sonderdrucke können bei Rückgabe der Fahnenkorrektur an die Redaktion<br />

schriftlich gegen Rechnung bestellt werden.<br />

Verlag und Redaktion haften nicht für Manuskripte, die unverlangt eingereicht werden.<br />

Mit der Annahme eines Manuskripts erwirbt der Verlag von den Autorinnen und Autoren<br />

alle Rechte, insbesondere auch das Recht der weiteren Vervielfältigung zu gewerblichen<br />

Zwecken im Wege des fotomechanischen oder eines anderen Verfahrens.<br />

Anschrift der Redaktion: Hans-Bredow-Institut<br />

Heimhuder Straße 21, 20148 Hamburg (Tel. 0 40/45 02 17-41)<br />

E-Mail: c.matzen@hans-bredow-institut.de<br />

<strong>Medien</strong> & <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong><br />

Herausgegeben vom Hans-Bredow-Institut für <strong>Medien</strong>forschung an der Universität Hamburg<br />

ISSN 1615-634X<br />

Die Zeitschrift sowie alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung,<br />

die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des<br />

Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und<br />

die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.<br />

Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden, 2003. Printed in Germany.<br />

Bezugsbedingungen: Die Zeitschrift erscheint vierteljährlich (4 Hefte jährlich), Jahresabonnement 68,–, Jahresabonnement<br />

für Studenten € 42,– (gegen Nachweis), Einzelheft € 21,–, jeweils zuzügl. Versandkosten (inkl.<br />

MwSt); Bestellungen nehmen der Buchhandel und der Verlag entgegen; Abbestellungen vierteljährlich zum<br />

Jahresende. Zahlung jeweils im Voraus an Nomos Verlagsgesellschaft, Postscheckk. Karlsruhe 736 36-751 und<br />

Stadtsparkasse Baden-Baden, Konto 5-002 266.<br />

Verlag und Anzeigenannahme: Nomos Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, 76520 Baden-Baden,<br />

Telefon: (0 72 21) 21 04-0, Telefax: 21 04 27.<br />

342


M&K 2003/2 <strong>Medien</strong> & <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>

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