Kommunikations- wissenschaft - Medien ...
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HANS-BREDOW-INSTITUT E 20039 F<br />
&<br />
<strong>Medien</strong><br />
<strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong><br />
Elisabeth Klaus / Stephanie Lücke<br />
Reality TV – Definition und Merkmale einer erfolgreichen<br />
Genrefamilie am Beispiel von Reality Soap und Docu Soap<br />
Volker Gehrau<br />
(Film-) Genres und die Reduktion von Unsicherheit<br />
Barbara Pfetsch<br />
Symbolische Geräusche über die Anderen – Die Öffentlichkeit<br />
über <strong>Medien</strong>politik in Pressekommentaren<br />
Christiane Eilders / Katrin Voltmer<br />
Zwischen Deutschland und Europa. Eine empirische<br />
Untersuchung zum Grad von Europäisierung und<br />
Europa-Unterstützung der meinungsführenden deutschen<br />
Tageszeitungen<br />
Wolfgang Schweiger / Hans-Bernd Brosius<br />
Eurovision Song Contest – beeinflussen Nachrichtenfaktoren<br />
die Punktvergabe durch das Publikum?<br />
Nomos Verlagsgesellschaft<br />
Baden-Baden<br />
M&K 51. Jg. 2003/2
II<br />
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HANS-BREDOW-INSTITUT<br />
<strong>Medien</strong><br />
<strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong><br />
&<br />
Redaktion:<br />
Joan Kristin Bleicher, Hardy Dreier, Christiane Eilders,<br />
Uwe Hasebrink, Anja Herzog, Claudia Lampert, Christiane Matzen,<br />
Hermann-Dieter Schröder, Wolfgang Schulz, Jutta Simon,<br />
Ralph Weiß<br />
Nomos Verlagsgesellschaft<br />
Baden-Baden<br />
M&K 51. Jg. 2003/2
188
Editorial<br />
Die Qualität der Zeitschrift „<strong>Medien</strong> & <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>“, die seit 1953<br />
vom Hans-Bredow-Institut herausgegeben und redaktionell betreut wird, ist in vielfältiger<br />
Weise von der Mitarbeit der Scientific Community abhängig. Die Redaktion möchte<br />
daher für größtmögliche Transparenz des Begutachtungsverfahrens und der Arbeitsweise<br />
der Redaktion sorgen. Sie tut dies in diesem Editorial sowie mit jährlichen Kurzberichten<br />
für die Mitgliederversammlung der DGPuK und mit entsprechenden Seiten<br />
unter www.hans-bredow-institut.de.<br />
Begutachtungsverfahren<br />
In den letzten zehn Jahren hat die Redaktion ein Begutachtungsverfahren entwickelt,<br />
das sich mittlerweile sehr gut eingespielt hat. Manuskripte werden beim Eingang von<br />
der Redakteurin Christiane Matzen anonymisiert, so dass auch den redaktionsinternen<br />
Gutachtern die Verfasser nicht bekannt sind. Auf der Basis eines ersten redaktionsinternen<br />
Gutachtens diskutiert die wöchentlich tagende Redaktion, der neben der<br />
Redakteurin Wissenschaftliche Referent(inn)en des Hans-Bredow-Instituts angehören,<br />
mögliche externe Gutachter(innen). In der Regel werden mittlerweile zwei externe<br />
Gutachten eingeholt – manchmal weniger, etwa weil die angefragten Personen ihr<br />
Gutachten nicht liefern, mal mehr, etwa wenn zwischen den Gutachten gravierende<br />
Abweichungen bestehen. Außerdem begutachten zwei oder mehr Redaktionsangehörige<br />
das Manuskript. Es liegen damit gewöhnlich drei bis vier Gutachten zu einem<br />
Text vor.<br />
Die Redaktion diskutiert auf der Grundlage der Voten über die Annahme und den<br />
Zeitpunkt der Veröffentlichung. Den Autor(inn)en wird die Redaktionsentscheidung<br />
schriftlich mitgeteilt. Im Falle einer Entscheidung für Überarbeitung, Neueinreichung<br />
oder Ablehnung legt die Redaktion die Gründe für ihre Entscheidung offen. Dazu werden<br />
die anonymisierten Gutachten, evtl. auch nur in Auszügen, zugesandt. Das Begutachtungsverfahren<br />
soll in der Regel sechs Wochen nach Eingang des Manuskripts abgeschlossen<br />
sein; falls die Begutachtung länger dauert, werden die Autor(inn)en benachrichtigt.<br />
Eine Besonderheit stellen so genannte „Themenhefte“ dar. In Zusammenarbeit mit<br />
Gastherausgeber(inne)n veröffentlicht die Redaktion dazu zunächst einen Call for<br />
Papers. Auf der Basis von Abstracts wird entschieden, welche Beiträge eingeladen werden<br />
sollen. Das Begutachtungsverfahren erfolgt dann weitestgehend wie üblich: Neben<br />
einer Begutachtung durch die Gastherausgeber(innen) und die Redaktion werden in der<br />
Regel auch weitere externe Gutachten eingeholt.<br />
Statistik<br />
Die folgende Tabelle zeigt eine Auswertung der Annahme- und Ablehnungspraxis von<br />
M&K für den Dreijahreszeitraum 2000–2002.<br />
Insgesamt wurden in den drei Jahren 131 Manuskripte eingereicht. Sichtbar ist zum<br />
einen die Bedeutung der Themenhefte für die Akquisition von Manuskripten: Die Zahl<br />
der unaufgefordert eingehenden Manuskripte (30 bis 35 pro Jahr) erscheint angesichts<br />
der Zahl medien- und kommunikations<strong>wissenschaft</strong>licher Institute und der Mitglieder<br />
der DGPuK recht gering.<br />
189
M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />
Sichtbar wird zum anderen, dass etwa gut die Hälfte der eingereichten Manuskripte<br />
gedruckt werden. Nicht sichtbar ist, dass dies im Regelfall nach mehr oder weniger umfangreichen<br />
Überarbeitungen geschieht, die auf Empfehlungen in den Gutachten oder<br />
auf Änderungsauflagen der Redaktion zurückgehen. Neben den angenommenen und<br />
abgelehnten Manuskripten zeigt die Übersicht die Zahl der noch im Verfahren befindlichen<br />
Vorgänge, sei es, weil die Autor(inn)en noch bei der erbetenen Überarbeitung<br />
oder die Redaktion noch bei der Begutachtung sind. Bei den wenigen älteren Vorgängen<br />
handelt es sich um Fälle, in denen eine Überarbeitung angekündigt war, bisher<br />
allerdings noch nicht eingereicht wurde.<br />
Überblick über die Annahme-/Ablehnungspraxis bei M&K 2000–2002<br />
Manuskriptangebote<br />
Gesamt davon für angenom- abgelehnt* im Verfahren* Externe<br />
Themenhefte men* Gutachten<br />
Gesamt 131 34 79 42 10<br />
(100%) (60%) (32%) (8%) 131<br />
2000 41 10 24 15 2 34<br />
2001 46 10 29 14 3 41<br />
2002 44 14 26 13 5 57<br />
* Stand: 26. Mai 2003<br />
Lesebeispiel: Im Jahr 2001 gelangten insgesamt 46 Manuskripte in das Verfahren. Darunter waren 10, die auf einen<br />
Call for Papers der Redaktion für ein Themenheft reagierten. Von den insgesamt 46 Manuskripten wurden<br />
29 angenommen, 14 wurden abgelehnt, die übrigen drei befinden sich noch in der Überarbeitung bzw. es ist unklar,<br />
ob sie noch erneut eingereicht werden. Insgesamt wurden 41 externe Gutachten geliefert.<br />
Eine detailliertere Auswertung (nachzulesen unter www.hans-bredow-institut.de) ergab,<br />
dass weder der Status noch das Geschlecht der Autor(inn)en oder die Frage, ob<br />
allein oder im Team eingereicht wurde, einen wesentlichen Einfluss darauf hat, ob oder<br />
ob nicht in M&K veröffentlicht wird, ob also die von den Gutachter(inne)n angelegten<br />
<strong>wissenschaft</strong>lichen Qualitätskriterien erfüllt wurden.<br />
Externe Gutachter<br />
Wie in der Tabelle dokumentiert, wurden in den drei Jahren 2000–2002 insgesamt 131<br />
externe Voten von 109 Gutachter(inne)n erstellt, wobei die Zahl über die drei Jahre deutlich<br />
angestiegen ist. Diese hohe Zahl belegt einerseits das Bemühen der Redaktion, die<br />
Scientific Community möglichst breit an der Qualitätskontrolle der Zeitschrift zu beteiligen<br />
und jeweils die für das jeweilige Thema besonders einschlägigen Expert(inn)en<br />
anzufragen. Sie zeigt andererseits auch, in welch großem Ausmaß sich die Community<br />
an dem Peer Reviewing-Verfahren beteiligt.<br />
Die Redaktion möchte daher die Gelegenheit nutzen, den vielen Kolleginnen und<br />
Kollegen, die die Zeitschrift mit Gutachten aktiv unterstützt haben, ganz besonders<br />
herzlich zu danken. Um auch die Anonymität der Gutachter gegenüber den Autoren<br />
sicherzustellen, erfolgt dieser öffentliche Dank mit zeitlicher Verzögerung. Im Zeitraum<br />
2000–2002 haben uns mit Gutachten unterstützt: Ruth Ayaß, Eva Barlösius, Klaus Beck,<br />
Günter Bentele, Joan Kristin Bleicher, Heinz Bonfadelli, Frank Brettschneider, Michael<br />
Charlton, Gregor Daschmann, Thomas Dlugaiczyk, Karen Dollhausen, Nicola Döring,<br />
190
Editorial<br />
Jörg Eberspächer, Jens Eder, Wolfgang Eichhorn, Christiane Eilders, Lutz Erbring,<br />
Frank Fischer, Rüdiger Funiok, Volker Gehrau, Uli Gleich, Ulrike Haß-Zumkehr,<br />
Robert Hawkins, Barbara Held, Jörg Hennig, Andreas Hepp, Wolfgang Hirner,<br />
Joachim R. Höflich, Birgitt Höldke, Werner Holly, Walter Hömberg, Matthias Karmasin,<br />
Judith Keilbach, Angela Keppler, Susanne Keuneke, Hans J. Kleinsteuber, Daniela<br />
Kloock, Ursula Koch, Manfred Kops, Helga Kotthoff, Friedrich Krotz, Susanne<br />
Kubisch, Hans-Dieter Kübler, Thomas Kurtz, Maria Lauber, Anja Leppin, Martin Löffelholz,<br />
Johannes Ludwig, Ursula Maier-Rabler, Mirko Marr, Ekkehard Mochmann,<br />
Axel Mühlbacher, Wolfgang Mühl-Benninghaus, Stefan Müller-Doohm, Ute Nawratil,<br />
Christoph Neuberger, Klaus Neumann-Braun, Norbert Neuß, Ekkehardt Oehmichen,<br />
Peter Ohler, Wolfram Peiser, Barbara Pfetsch, Horst Pöttker, Ludger Pries, Jo Reichertz,<br />
Gertrude Robinson, Jutta Röser, Helge Rossen-Stadtfeld, Ulrike Röttger, Georg<br />
Ruhrmann, Christoph Rybarcyk, Ulrich Sarcinelli, Horst G. Scarbath, Michael Schaffrath,<br />
Bertram Scheufele, Axel Schmidt, Siegfried J. Schmidt, Irmela Schneider, Jens-<br />
Peter Schneider, Angela Schorr, Wolfgang Schuldzinski, Helmut Schultze-Fielitz, Wolfgang<br />
Schweiger, Jörg Schweinitz, Gabriele Siegert, Ulrike Six, Hans-Jörg Stiehler,<br />
Martin Stock, Thomas Sudholt, Caja Thimm, Barbara Thomaß, Josef Trappel, Joachim<br />
Trebbe, Sabine Trepte, Hans-Heinrich Trute, Dagmar Unz, Waldemar Vogelgesang,<br />
Gerhard Vowe, Andrea Warnke, Siegfried Weischenberg, Hans-Jürgen Weiß, Stefan<br />
Welling, Joachim Westerbarkey, Jürgen Wilke, Rainer Winter, Werner Wirth, Jens<br />
Woelke, Peter Wuss und Camille Zubayr.<br />
Aufnahme in den Social Science Citation Index und Perspektiven<br />
Bereits vor längerer Zeit hat die Redaktion einen Antrag auf Aufnahme der Zeitschrift<br />
in den Social Science Citation Index SSCI gestellt. Der Vorstand der DGPuK hat dieses<br />
Anliegen im April durch ein entsprechendes Schreiben an die Firma ISI Thomson, die<br />
den SSCI herausgibt, sowohl für M&K als auch für die „Publizistik“ unterstützt. Leider<br />
hat sich ISI Thompson mittlerweile dennoch gegen eine Aufnahme der beiden Zeitschriften<br />
in den SSCI entschieden. Auf Nachfrage wurde erklärt, dass M&K zwar den<br />
dort vorausgesetzten formalen Kriterien entspräche; ein Problem aus Sicht von ISI ergibt<br />
sich daraus, dass M&K als deutschsprachige Zeitschrift international vergleichsweise<br />
wenig zitiert wird.<br />
Ein neues Evaluationsverfahren kann in zwei Jahren beantragt werden. Derweil wird<br />
sich die Redaktion weiter bemühen, die Wahrnehmbarkeit von M&K in internationalen<br />
Verzeichnissen zu erhöhen.<br />
Die Redaktion<br />
191
M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />
192
BERICHTE<br />
INHALTSVERZEICHNIS<br />
Elisabeth Klaus / Stephanie Lücke Reality TV – Definition und Merkmale einer erfolgreichen<br />
Genrefamilie am Beispiel von Reality Soap<br />
und Docu Soap . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195<br />
Volker Gehrau (Film-) Genres und die Reduktion von Unsicherheit 213<br />
Barbara Pfetsch Symbolische Geräusche über die Anderen – Die Öffentlichkeit<br />
über <strong>Medien</strong>politik in Pressekommentaren<br />
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232<br />
Christiane Eilders / Katrin Voltmer Zwischen Deutschland und Europa. Eine empirische<br />
Untersuchung zum Grad von Europäisierung<br />
und Europa-Unterstützung der meinungsführenden<br />
deutschen Tageszeitungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250<br />
Wolfgang Schweiger / Eurovision Song Contest – beeinflussen Nachrich-<br />
Hans-Bernd Brosius tenfaktoren die Punktvergabe durch das Publikum? 271<br />
LITERATUR<br />
Besprechungen<br />
Ruth Ayaß Andy Ruddock: Understanding Audiences. Theory<br />
and Method. London/Thousand Oaks/New Delhi:<br />
Sage, 2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295<br />
Theresia Birkenhauer Irina O. Rajewsky: Intermedialität. Tübingen:<br />
Francke, 2002 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297<br />
Joan Kristin Bleicher Michael Haller (Hrsg.): Die Kultur der <strong>Medien</strong>. Untersuchungen<br />
zum Rollen- und Funktionswandel<br />
des Kulturjournalismus in der <strong>Medien</strong>gesellschaft.<br />
Münster: LIT Verl., 2002 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299<br />
Marco Czygan Siegbert Messmer: Digitales Fernsehen in Deutschland.<br />
Eine industrieökonomische Analyse des wirtschaftspolitischen<br />
Handlungsbedarfs. Frankfurt am<br />
Main u. a.: Peter Lang 2002 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300<br />
Udo Göttlich Andreas Hepp / Martin Löffelholz (Hrsg.): Grundlagentexte<br />
zur transkulturellen Kommunikation.<br />
Konstanz: UVK 2002 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302<br />
Hans Mathias Kepplinger Werner Wirth / Edmund Lauf (Hrsg.): Inhaltsanalyse.<br />
Perspektiven, Probleme, Potentiale. Köln: Halem<br />
Verl., 2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304<br />
193
M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />
Ulrike Röttger Claudia Mast: Unternehmenskommunikation. Ein<br />
Leitfaden. Stuttgart: Lucius und Lucius, 2002 . . . . 305<br />
Zeitschriftenlese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308<br />
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330<br />
English abstracts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337<br />
Autorinnen und Autoren<br />
dieses Heftes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340<br />
Hinweise für Autorinnen<br />
und Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341<br />
194
Reality TV – Definition und Merkmale einer<br />
erfolgreichen Genrefamilie am Beispiel von<br />
Reality Soap und Docu Soap<br />
Elisabeth Klaus / Stephanie Lücke<br />
BERICHTE<br />
Traumquoten für „Deutschland sucht den Superstar“ (RTL), der Grimme-Preis für<br />
„Schwarzwaldhaus 1902“ (SWR), Start der vierten Staffel von „Big Brother“ (RTL II):<br />
Alltagspersonen und Alltagsthemen haben im Fernsehen Hochkonjunktur. Mit Bezug auf<br />
frühere Studien definiert der Beitrag Reality TV als eine höchst lebendige Genrefamilie,<br />
die zahlreiche Genres in sich vereint, darunter die „Gerichts-Show“, „Daily Talks“, „Personal<br />
Help-Shows“ und die aktuellen „Casting-Shows“. Am Beispiel der Hybridgenres<br />
Reality Soap und Docu Soap, die das deutsche Reality TV im Übergang zum<br />
21. Jahrhundert besonders beeinflussten, werden die wichtigsten Merkmale der Genrefamilie<br />
aufgezeigt. Diese lassen sich inhaltlich durch bewusste Grenzübertretungen charakterisieren,<br />
wie die Vermischung von fiktionalen und nicht-fiktionalen Elementen, von<br />
Authentizität und Inszenierung, Alltag und Exotik sowie Information und Unterhaltung.<br />
Formal sind sie durch gleiche Inszenierungsstrategien geprägt, und zwar Personalisierung,<br />
Emotionalisierung, Intimisierung, Stereotypisierung und Dramatisierung. Der<br />
Beitrag versteht sich als Zwischenbilanz einer in der deutschen Fernsehlandschaft nicht<br />
mehr weg zu denkenden Genrefamilie mit ungebrochenem Entwicklungspotenzial.<br />
Keywords: Casting-Show, Daily Talk, Docu Soap, Genres, Gerichts-Show, Inszenierungsstrategien,<br />
Personal Help-Show, Reality Show, Reality Soap<br />
1. Einleitung<br />
RTL hat es wieder einmal geschafft, eine Fernsehsendung zum Thema einer ganzen Nation<br />
zu machen. Die Casting-Show „Deutschland sucht den Superstar“ (DSDS), die von<br />
November 2002 bis März 2003 ausgestrahlt wurde, lockte bis zu 13 Millionen Zuschauerinnen<br />
und Zuschauer bei zeitweise über 40% Marktanteil in der werberelevanten<br />
Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen vor den Fernseher (vgl. etwa Graff 2003, 10; Hoff<br />
2003, 19). Die BILD-Zeitung füllte ihre Schlagzeilen mit Berichten über die angehenden<br />
„Superstars“ Daniel, Juliette, Alexander und Co.. Die Casting-Show ist nicht die erste<br />
ihrer Art – in den vergangenen Jahren brachten auch „Popstars“, „Popstars 2“ oder<br />
„Teenstar“ (alle RTL II) gute Quoten und erfolgreiche Bands wie die „No Angels“ oder<br />
„Bro’Sis“ hervor. 1 Jedoch erreichte keine annähernd so viel Präsenz in den <strong>Medien</strong> und<br />
Köpfen der Menschen wie „Deutschland sucht den Superstar“. Die Sendung wurde wie<br />
„Big Brother“ (RTL II/RTL), dessen vierte Staffel im März 2003 startete, zu einem nationalen<br />
<strong>Medien</strong>ereignis.<br />
Wir argumentieren im Folgenden, dass beide Formate das Ergebnis eines Ausdifferenzierungsprozesses<br />
des Reality TV sind. Reality TV hat seit den 90er Jahren wesent-<br />
1 Ein anderer Versuch von RTL, „Deine Band“, scheiterte an zu geringer Zuschauerresonanz –<br />
die Reality Soap wurde nach acht Folgen abgesetzt, geplant waren zehn Folgen (vgl. Lücke 2002,<br />
93f.).<br />
195
M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />
liche Entwicklungen im deutschen Fernsehen sowohl aufgegriffen als auch selbst vorangetrieben,<br />
wie wir am Beispiel zweier Genres, der Docu Soap und der Reality Soap,<br />
herausarbeiten. Die Collage aus nicht-fiktionalen und fiktionalen Bestandteilen, die<br />
Hinwendung zu alltäglicheren, der Lebenswelt der Zuschauerinnen und Zuschauer entnommenen<br />
Themen und damit einhergehend die emotionalisierte Darstellung des Privaten<br />
und Intimen in der Öffentlichkeit gehören zu den wesentlichen Merkmalen des<br />
Reality TV. Deren immer neue Mischung und Kopplung mit anderen Genres besitzt offensichtlich<br />
ein ungebrochenes Innovationspotenzial, wie der Erfolg der Casting-Shows<br />
oder auch der Gerichts-Shows zeigt.<br />
Im Weiteren stellen wir verschiedene Definitionsversuche zum Reality TV vor und<br />
entwickeln auf der Basis ihrer kritischen Lektüre eine aktualisierte, den heutigen Ausprägungen<br />
der Genrefamilie entsprechende Definition. Im Anschluss greifen wir Docu<br />
Soap und Reality Soap als wichtige Genres des Reality TV heraus und analysieren an diesen<br />
Beispielen, welche gemeinsamen Merkmale das Reality TV ausweist.<br />
In diesem Beitrag geht es somit wesentlich um Definitionsmerkmale von Genres.<br />
Dieser Begriff wird sehr häufig verwendet, manchmal synonym, manchmal in Abgrenzung<br />
zu ähnlichen Begriffen wie „Gattung“ oder „Hybridgenre“. Wir verstehen im Folgenden<br />
unter der Bezeichnung „Gattung“ in Anlehnung an Gehrau Begriffe, die „Fernsehangebote<br />
nach ihrer Form systematisieren und bezeichnen“, während „Genre“ „am<br />
Inhalt orientierte Untergruppen“ der Gattungen sind (2001, 18; Hervorh. d. Verf.). Mit<br />
dem Begriff „Reality TV“ bezeichnen wir eine im deutschen Fernsehen verstärkt seit Beginn<br />
der 90er Jahre verbreitete Fernsehgattung, die in ihrer Form Elemente mehrerer anderer<br />
Gattungen, wie der Serie und der Dokumentation, aufweist. Insofern folgt Reality<br />
TV dem Trend der „Hybridisierung“ vieler Fernsehangebote, d. h. dem Phänomen,<br />
dass durch die Verknüpfung verschiedener Gattungs- oder Genrecharakteristiken neue<br />
Formate geschaffen werden (vgl. beispielsweise Turner 2001b, 6; Weischenberg 2001, 67;<br />
Neale 2001, 4; oder Bleicher 1999, 132). Die Gattung Reality TV hat sich, wie wir im<br />
Folgenden zeigen möchten, in eine Vielzahl unterschiedlicher Genres ausdifferenziert,<br />
so dass wir sie als eine „Genrefamilie“ bezeichnen möchten. Mit dem Begriff „Hybridgenre“<br />
werden schließlich Genres bezeichnet, die unterschiedliche Gattungen und<br />
Genres zu einem neuen Format verknüpfen; diese Bedingung trifft auf die Genres des<br />
Reality TV zu. Angemerkt sei abschließend, dass die Zuordnung von Fernsehsendungen<br />
zu Genres im Idealfall das Ergebnis eines dynamischen Aushandlungsprozesses<br />
zwischen der Produktions- und der Rezeptionsseite ist und dass Rezipierende keineswegs<br />
so klar zwischen Form und Inhalt, zwischen Gattung und Genre differenzieren,<br />
wie dies in diesem Beitrag zum besseren Verständnis geschieht. 2 Die Sicht der Rezipierenden<br />
findet jedoch im folgenden Beitrag keine Berücksichtigung.<br />
2 Die Zuordnung neuer Fernsehprodukte zu einem Genre verbindet vor allem das Bestreben der<br />
Produzentenseite, Erwartungshaltungen der Zuschauer aufzubauen, und die strukturierende<br />
und orientierende Funktion für das Fernsehpublikum. Zur Bedeutung von Genres für Produzenten<br />
und die Publika beispielsweise Neale 2001, 3; Turner 2001a, 5 bzw. Fiske 1997, 109. Gattungen<br />
und Genres müssen im stets im Umbruch befindlichen Fernsehen als dynamisch und<br />
veränderlich gelten.<br />
196
Klaus / Lücke · Reality TV<br />
2. Ausdifferenzierung des Reality TV<br />
Reality TV wurde vor allem Anfang der 90er Jahre zum Gegenstand <strong>wissenschaft</strong>licher<br />
Diskussionen, nachdem Varianten der in den USA entstandenen Gattung auch im deutschen<br />
Fernsehen zu sehen waren. Obwohl Sendungen wie „Polizeireport Deutschland“<br />
(Tele 5), „K – Verbrechen im Fadenkreuz“ (SAT.1) oder „Kripo live“ (MDR) dem Prinzip<br />
des schon lange etablierten „Aktenzeichen XY – ungelöst“ (ZDF) folgten, lösten sie<br />
eine medienethische Debatte aus, in deren Folge sich mehrere Studien mit dem neuen<br />
Format beschäftigten. Claudia Wegener leistet 1994 in einer der ersten Arbeiten zum<br />
Reality TV eine Gattungseingrenzung, gestützt auf Interviews mit Redakteuren und<br />
Moderatoren von Reality TV-Sendungen. 3 Als Charakteristika der Sendungen nennt<br />
Wegener die Darstellung von Emotionen, Personalisierung, Dramatisierung bzw. die<br />
Darstellung von Gewalt sowie Stereotypisierung (vgl. ebd., 43ff. bzw. 51ff.). Die gemeinsame<br />
Basis des diffusen „Wirklichkeitsfernsehens“ sei, dass tatsächliche Ereignisse<br />
– meist Katastrophen, Unfälle oder Verbrechen – nachgestellt oder durch Videoaufnahmen<br />
dokumentiert würden (vgl. ebd., 15f.). Für Wegener gehört demnach die Thematisierung<br />
und Darstellung von Gewalt zwingend zum Format Reality TV hinzu.<br />
Gary Bente und Bettina Fromm schließen sich drei Jahre später der Definition von<br />
Wegener an. Sie untersuchen die Varianten des „Affektfernsehens“, eines neuen Genres,<br />
welches sie sowohl im Informations- als auch im Unterhaltungsbereich wiederfinden<br />
(vgl. 1997, 14). 4 Als gemeinsame Merkmale von Sendungen des Affektfernsehens nennen<br />
sie Emotionalisierung, Personalisierung, Intimisierung und Authentizität. Zwar<br />
zählen sie zunächst das Reality TV anhand der erwähnten Merkmale zum Affektfernsehen<br />
hinzu, schließen es jedoch aus ihrer empirischen Untersuchung aus mit der Begründung,<br />
das von Wegener genannte Charakteristikum (Darstellung von Gewalt) sei<br />
beim Reality TV zentral, treffe aber auf die anderen Sendungen des Affektfernsehens<br />
nicht zu. Die Sendungen des Reality TV seien „eher randständig im Sinne der Definition,<br />
weisen jedoch einige Gemeinsamkeiten mit dem Affektfernsehens auf“ (ebd., 21).<br />
Schon damals war diese Argumentation jedoch wenig überzeugend, weil mit derselben<br />
Begründung andere Varianten des Affektfernsehens ausgeschlossen werden müssten,<br />
etwa Infotainment als einziges Genre, das im Beitrags-Stil präsentiert wird, oder Spielshows,<br />
weil sie im Gegensatz zu den anderen Formaten aus Game Show-Elementen bestehen.<br />
In einer späteren Studie subsummiert Fromm (1999) die verschiedenen Varianten<br />
des Affektfernsehens unter dem Begriff „intime Formate“. Reality TV bezeichnet sie<br />
nicht länger als „randständig“, sondern als „Vorläufer“ (ebd., 19) intimer Formate. Mit<br />
dieser Beurteilung wird jedoch die Bedeutung des Reality TV im Fernsehprogramm der<br />
späten 90er Jahre unterschätzt. 5<br />
Die Forschungsgruppe um Peter Winterhoff-Spurk (1994) geht demgegenüber in ihrer<br />
von der Landesanstalt für das Rundfunkwesen Saarland (LAR) in Auftrag gegebe-<br />
3 Sie zählt folgende Sendungen dazu: „Aktenzeichen XY... ungelöst“ (ZDF), „Polizeireport<br />
Deutschland“ (Tele 5), „Notruf“, „Auf Leben und Tod“, „Augenzeugen-Video“ (alle RTL),<br />
„Retter“, „K – Verbrechen im Fadenkreuz“ und „SK-15“ (alle SAT.1).<br />
4 Zum Affektfernsehen zählen sie Affekt-Talks, Beziehungs-Shows, Spielshows, Suchsendungen,<br />
Konfro-Talks, Infotainment und Reality TV (vgl. ebd., 21).<br />
5 Dass Reality TV im Fernsehen der 90er Jahre bedeutsam ist, zeigt die starke Ausdifferenzierung<br />
der Genrefamilie, vgl. Abbildung 1.<br />
197
M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />
nen Studie davon aus, dass es sich beim Reality TV um ein neues Fernsehgenre 6 mit Unterkategorien<br />
handele (vgl. ebd., 205). Diese Unterkategorien teilen sie ein in kriminelles<br />
Verhalten, Unglücksfälle und nicht-kriminelles deviantes Verhalten. Die damals neuen<br />
„Suchformate“ „Vermißt“ (WDR), „Spurlos“ (RTL) und „Bitte melde Dich“<br />
(SAT.1) sowie die Versöhnungsshows „Nur die Liebe zählt“ und „Verzeih mir“ (beide<br />
RTL) betrachten Winterhoff-Spurk und sein Team somit als Unterkategorie des Reality<br />
TV. Das von Wegener genannte Kriterium „Gewalt“ ersetzen sie durch „negative Deviationen<br />
des Alltäglichen“. Sendungen, in denen „<strong>Medien</strong>ereignisse (Eheschließungen,<br />
überraschende Begegnungen mit Prominenten etc. vor laufender Kamera) inszeniert<br />
und ‚live‘ gezeigt werden“, wie etwa „Traumhochzeit“ oder „Verstehen Sie Spaß?“<br />
(ebd.), zählen sie jedoch nicht zum Reality TV: Diese Ereignisse seien bereits in der Vergangenheit<br />
geschehen und täuschten lediglich eine Art „Live-Charakter“ vor (vgl. ebd.,<br />
206). 7 Auch dieses Ausschlusskriterium kann jedoch nicht überzeugen, da die Ereignisse<br />
aller Sendungen des Reality TV in der Vergangenheit geschehen sind, auch wenn sie<br />
möglichst ereignis- und realitätsnah, teilweise auch mit Originalbildern, inszeniert werden.<br />
Eine Sendung wie „Verzeih mir“ unterscheidet sich in Bezug auf ihren Live-Charakter<br />
nicht von der „Traumhochzeit“ (RTL) oder dem „Flitterabend“ (ARD).<br />
Für Angela Keppler gehören folgerichtig die genannten Sendungen zum „Realitätsfernsehen“<br />
hinzu. Keppler hat 1994 eine erweiterte Definition des Reality TV vorgelegt,<br />
indem sie zwischen dem „narrativen Realitätsfernsehen“ und dem „performativen Realitätsfernsehen“<br />
unterscheidet. In der deutschen Fernsehunterhaltung würden seit Anfang<br />
der 90er Jahre die Zuschauenden in neuer Weise zu AkteurInnen, und zwar als<br />
„Akteure ihres eigenen Lebens“ (1994, 7). Alltag und Alltagspersonen stünden sowohl<br />
bei den narrativen Formen, die tatsächliche Katastrophen reinszenierten, wie auch bei<br />
den glamouröseren Sendungen, die auf herausgehobene Aktionen setzten, im Mittelpunkt<br />
(ebd., S. 8f.). Im Unterschied zu Game- und Quizshows, die auch (z. B. mit einem<br />
Geldgewinn) in die Alltagswirklichkeit der Menschen eingreifen, werden bei Sendungen<br />
des performativen Realitätsfernsehens<br />
„soziale Handlungen ausgeführt, die als solche bereits das alltägliche soziale Leben<br />
der Akteure verändern. Es sind die inzwischen schon kaum mehr zu überschauenden<br />
‚Kennenlern-‘ und ‚Liebessendungen‘, die zur Gattung des performativen<br />
‚Reality-TV‘ gehören und die bei weitem populärste Form des Wirklichkeitsfernsehens<br />
darstellen.“ (ebd., 9. Hervorh. d. A.)<br />
Auch Sendungen wie „Traumhochzeit“ oder „Verstehen Sie Spaß?“ sind demnach für<br />
Keppler Reality TV. Als Vorgänger des performativen Realitätsfernsehens sieht die Autorin<br />
die Daily Talks wie „Hans Meiser“, weil auch hier „echte Menschen in (…) echten<br />
Bedrängnissen zu Wort kommen“ (ebd., 44), die mit ihren Lebenserfahrungen und Alltagssorgen<br />
die Öffentlichkeit des Fernsehens suchten.<br />
Insgesamt gelingt es Keppler, Reality TV einsichtig zu definieren und eine breite<br />
Grundlage für die Analyse der heutigen Ausprägungen und konstitutiven Merkmale<br />
dieser Genrefamilie zu legen. Reality TV hat demnach zwei Ausprägungen, das narrative<br />
und performative Realitätsfernsehen, die wir in Anlehnung an Keppler (ebd., 8f.)<br />
wie folgt definieren:<br />
6 In Abweichung zum vorliegenden Beitrag bezeichnen sie Reality TV als „Genre“.<br />
7 Die Autoren zählen diese Sendungen zu dem nicht näher eingegrenzten Genre „TV-Show“.<br />
198
Klaus / Lücke · Reality TV<br />
Narratives Reality TV umfasst jene Sendungen, die ihre ZuschauerInnen mit der<br />
authentischen oder nachgestellten Wiedergabe realer oder realitätsnaher außergewöhnlicher<br />
Ereignisse nicht-prominenter Darsteller unterhalten.<br />
Performatives Reality TV umfasst jene Sendungen, die eine Bühne für nicht-alltägliche<br />
Inszenierungen sind, jedoch zugleich direkt in die Alltagswirklichkeit nichtprominenter<br />
Menschen eingreifen.<br />
Das narrative Reality TV wird heute geprägt durch vier Genres: die gewaltzentrierten<br />
Sendungen, im Moment beispielsweise repräsentiert durch „Notruf“ (RTL) und „Kripo<br />
live“ (MDR), die Real Life Comedy Formate, welche beispielsweise die US-Serie<br />
„Jackass“ (MTV) 8 oder verschiedene Variationen des „Die dümmsten Verbrecher/ Tiere/<br />
Unfälle der Welt“ (RTL II) umfassen, und die Gerichts-Shows, welche zu Lasten der<br />
Daily Talks im Nachmittagsprogramm seit 2001 an Sendezeit gewannen. 9 Schließlich<br />
tragen in den Personal Help-Shows 10 Laien-Schauspieler zwischenmenschliche Konflikte<br />
aus und erhalten Rat und Hilfe von moderierenden Psychologinnen („Zwei bei Kallwass“,<br />
SAT.1), Medizinerinnen („Dr. Verena Breitenbach“, Pro7) oder Sozialpädagoginnen<br />
(„Die Jugendberaterin“, Pro7), die eine Orientierungsfunktion als moralische Instanz<br />
erfüllen. Alle vier Genres drehen sich um außergewöhnliche Ereignisse des Alltags,<br />
wie Missgeschicke, Rechtsstreitigkeiten, Familien- oder Beziehungskonflikte<br />
sowie Verbrechen oder Unfälle, und gehören damit zum narrativen Reality TV.<br />
Zum performativen Reality TV werden in der vorliegenden Literatur vier Genres gezählt.<br />
Es handelt sich um die Beziehungs-Shows („Verzeih mir“, „Nur die Liebe zählt“<br />
– RTL), Beziehungs-Game Shows („Traumhochzeit“, RTL; „Herzblatt“, ARD), Daily<br />
Talks („Die Oliver Geissen-Show“, RTL; „Fliege“, ARD u. a.) sowie die Problemlösesendungen<br />
(„Bitte melde Dich“, SAT.1; „Mit mir nicht!“, ZDF; „Wie bitte!?“, RTL). 11<br />
Unseres Erachtens erfüllen auch die relativ neuen Casting-Shows alle zur Definition des<br />
performativen Reality TV gehörenden Anforderungen. Beispielhaft wenden wir uns<br />
nun zwei Sendeformen genauer zu, die Ende der 90er Jahre entstanden sind und das Reality<br />
TV um ganz neue Aspekte erweiterten, dabei aber ganz unterschiedliche Resonanzen<br />
erzielten: die Docu Soap und die Reality Soap. Zuvor wollen wir aber in einem die<br />
bisherige Diskussion resümierenden Schaubild das Reality TV in seinen heutigen Formen<br />
vorstellen (siehe Abb. 1).<br />
8 MTV stellte die Serie „Jackass“ nach 24 Episoden ein, nachdem konservative Politiker drohten,<br />
sie zu verbieten. Zuschauer hatten sich beim Nachahmen der Stunts schwer verletzt. Als „krönender<br />
Abschluss“ kam am 27. Februar 2003 der Film „Jackass – The Movie“ in die deutschen<br />
Kinos, vgl. http://www.jackass.tv/main/index.php [Stand: 17. März 2003].<br />
9 Es handelt sich um „Streit um Drei“ (ZDF), „Das Strafgericht“, „Das Familiengericht“, „Das<br />
Jugendgericht“ (alle RTL) sowie „Richterin Barbara Salesch“ und „Richter Alexander Hold“<br />
(beide SAT.1). [Stand: 17. März 2003]<br />
10 So bezeichnet Pro7 seine beiden zu diesem Format zählenden Sendungen, vgl. www.prosieben.de/talk/breitenbach/<br />
[Stand: 17. März 2003].<br />
11 Zu ihnen wird augenblicklich kein Format ausgestrahlt. Die Problemlösesendungen können als<br />
Vorläufer der Personal Help-Shows angesehen werden, da in beiden Fällen Moderatoren quasi<br />
anwaltschaftlich Probleme der Gäste aufgreifen und zu lösen versuchen. In den Personal Help-<br />
Shows ist jedoch die narrative Struktur vorherrschend – die Fälle sind erfunden und werden<br />
nach Drehbuch von Laien-Schauspielern dargestellt. Es wird aus diesem Grund zum narrativen<br />
Realitätsfernsehen gezählt.<br />
199
M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />
Abbildung 1: Genre des Reality TV heute 12<br />
Abbildung 1 zufolge zählen derzeit elf Genres zum Reality TV, wovon vier dem narrativen<br />
und sieben dem performativen Realitätsfernsehen zugeordnet werden können. Dabei<br />
schließt die Zuordnung eines Genres zum Reality TV die Zugehörigkeit zu anderen<br />
Genres nicht aus, alle Genres sind in hohem Maße hybridisiert: So gehören die Daily<br />
Talks zweifelsfrei auch zum Genre Talk Show. Real Life Comedy zeigt schon im Namen,<br />
dass es mit Comedy-Shows verwandt ist. Die Reality Soap und Docu Soap schließlich<br />
weisen Verwandtschaft zur Dokumentation, zur Soap Opera und im Fall der Reality<br />
Soap zu den Game Shows und Talk Shows auf. So wie andere Genres seine Entwicklung<br />
beeinflussten, ist das Reality TV nicht ohne Auswirkung auf andere Fernsehgenres<br />
geblieben. In Abbildung 1 werden die Sendeformen (Infotainment)-Magazine,<br />
Nachrichten und die Doku-Dramen erwähnt. Ein weiterer aktueller Trend zieht sich<br />
durch das Abendprogramm: Neu produzierte Serien setzen auf möglichst realistisch<br />
wirkende Geschichten (z. B. „Die Anstalt – zurück ins Leben“, SAT.1, seit 2002). Diesem<br />
Trend stehen Doku-Dramen gegenüber, die neben Zeitzeugenberichten und historischem<br />
Filmmaterial fiktionale Szenen integrieren (z. B. die Dokumentationen von<br />
Guido Knopp, ZDF, oder das zweiteilige Doku-Drama „Deutschlandspiel“, ARD).<br />
12 Quelle: Lücke 2002, 51 (leicht modifiziert).<br />
200
Klaus / Lücke · Reality TV<br />
3. Der Aufstieg der Hybridgenres Docu Soap und Reality Soap<br />
Der zentrale Trend der Hybridisierung des Fernsehens der 90er Jahre zeigt sich nicht<br />
nur beim „Infotainment“, für das diese Eigenschaft namensgebend war, sondern auch<br />
bei den Genres des Reality TV – unter anderem deshalb, weil sich darin das Gewöhnliche<br />
und das Außergewöhnliche, Alltag und Inszenierung mischen und die geläufige<br />
Trennung zwischen nicht-fiktionalen und fiktionalen Produktionen, zwischen Unterhaltungs-<br />
und Informationssendungen bewusst durchbrochen wird. Reality TV ist zum<br />
Sammelbecken für neue, publikumswirksame Sendekonzepte geworden. Das ist vor allem<br />
im Übergang vom 20. zum 21. Jh. mit der fast zeitgleichen Etablierung zweier Genres<br />
deutlich geworden, die für die Ausdifferenzierung des Reality TV und seiner Abwendung<br />
von Gewalt und Katastrophen besonders einflussreich waren: Die Reality<br />
Soap, deren Prototyp „Big Brother“ (RTL II/RTL) viele Gemüter ähnlich stark erregte<br />
wie die Einführung der gewaltzentrierten Sendungen „Notruf“ (RTL), „Polizeireport<br />
Deutschland“ (Tele 5) und „Auf Leben und Tod“ (RTL) ein knappes Jahrzehnt zuvor,<br />
und die Docu Soap, die zu erbitterten Diskussionen unter Dokumentarfilmern über die<br />
Legitimation von Inszenierungen führte (vgl. Lücke 2002, 105f.).<br />
Docu Soaps haben sich in Deutschland seit 1998 etabliert. 13 Sie vermischen eine fiktionale<br />
Gattung (Serie) mit einer non-fiktionalen (Dokumentation). Inhaltlich zeichnen<br />
sich Docu Soaps dadurch aus, dass sich „normale Menschen“, also keine professionellen<br />
Schauspieler und Schauspielerinnen, freiwillig in ihrer gewohnten privaten oder beruflichen<br />
Umgebung von Kameras begleiten und filmen lassen. Die Akteure stellen ihren<br />
Alltag in der Fernseh-Öffentlichkeit dar und zeigen sich in privaten, nicht selten intimen<br />
Situationen. Die Docu Soap „Abnehmen in Essen“, bei der fünf übergewichtige<br />
Frauen ein Jahr lang bei ihren Versuchen begleitet wurden, dauerhaft Gewicht zu verlieren,<br />
wurde einer breiteren Öffentlichkeit bekannt, da sie im Jahr 2000 mit dem Grimme-Preis<br />
ausgezeichnet wurde. 14<br />
Reality Soaps gibt es im deutschen Fernsehen seit dem Start von „Big Brother“, dem<br />
Fernsehereignis des Jahres 2000. 15 Ebenso wie bei Docu Soaps mischen ihre Regisseure<br />
Serie und Dokumentation zu einem neuen Produkt, darüber hinaus können die Reality<br />
Soaps jedoch Elemente der Talk Show und der Game Show enthalten. Anders als bei<br />
der Docu Soap ist ein zentrales Merkmal der Reality Soap, dass sich ihre ProtagonistInnen<br />
für die Zeit der Dreharbeiten in ein künstlich arrangiertes soziales Setting begeben,<br />
das immer zugleich eine Konkurrenzsituation beinhaltet, d. h. sie werden aus<br />
ihrem natürlichen Alltag in eine eigens für die Reality Soap entstandene Umgebung<br />
versetzt. 16 Die Gestaltung dieses künstlichen Lebensraumes ermöglicht den Machern<br />
13 Zur <strong>wissenschaft</strong>lichen Auseinandersetzung mit Docu Soaps siehe beispielsweise Lücke 2002,<br />
Eggert 1999 oder Bleicher 1999.<br />
14 Vgl. http://www.grimme-institut.de/scripts/preis/preis.html [Stand: 17. Mai 2003].<br />
15 Einen <strong>wissenschaft</strong>lichen Überblick über Reality Soaps, vor allem ihren bekanntesten Vertreter<br />
„Big Brother“, bieten beispielsweise Balke 2000, Böhme-Dürr/ Sudhold 2001, Flicker 2001,<br />
Lücke 2002, Mikos et al. 2000, Schweer 2002 oder Weber 2000. Ein „Reality Lexikon“ mit „Echte<br />
Leute-TV von A bis Z“ hat Feige 2001 zusammengestellt.<br />
16 Seit dem Erfolg von „Big Brother“ waren Reality Soaps nur von Privatsendern produziert worden,<br />
die Landesmedienanstalten warnten die öffentlich-rechtlichen Sender, den Trend aufzugreifen.<br />
„Schwarzwaldhaus 1902“, eine SWR-Produktion für die ARD, durchbrach diese<br />
Schranke, indem der Sender eine gecastete Familie 10 Wochen lang auf einem Hof im Schwarzwald<br />
filmte – sie wurde auf den technischen Stand des Jahres 1902 zurück versetzt. Die viertei-<br />
201
M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />
der Reality Soap, extreme Lebensbedingungen zu schaffen und dadurch die Kommunikationen<br />
und Aktionen der Kandidatinnen und Kandidaten zu beeinflussen. Durch die<br />
Konkurrenzsituation steht deren Zusammenleben in der Spannung zwischen<br />
Gruppenharmonie und persönlicher Profilierung, so dass sich im Genre typische Elemente<br />
der Soap Opera, wie Melodramatik, Streit, Eifersucht und Neid, Versöhnung<br />
und Rivalität, finden. Auch wenn Docu Soap und Reality Soap vor allem jüngere Zielgruppen<br />
ansprechen, sind es keineswegs traditionslose Genres, wie ein kurzer<br />
Überblick zeigt.<br />
4. Zur Geschichte der Docu Soap<br />
Das wahrscheinlich erste Fernsehexperiment, in dem Menschen über einen längeren<br />
Zeitraum mit Kameras in ihrem Alltag beobachtet wurden, fand bereits 1972 in den USA<br />
statt. Dabei begleitete ein Kamerateam sieben Monate lang eine amerikanische Familie.<br />
Im Anschluss wurden 300 Stunden Filmmaterial zu einer Dokumentation zusammen<br />
geschnitten. Dass die Eheleute Loud sich während der Dreharbeiten trennten, führte zu<br />
kontroversen Diskussionen über die Auswirkung der Kamerapräsenz auf das Familienleben<br />
(vgl. Baudrillard 1978, 44ff.). Die erste Docu Soap im deutschen Fernsehen hieß<br />
„Die Fußbroichs“ (Untertitel: „Die einzig wahre Familienserie“, WDR). Im Mittelpunkt<br />
der Serie stand eine Kölner Arbeiterfamilie, die in einer Art „teilnehmender<br />
Beobachtung“ (Müller 1995, 91) bei besonderen Familienereignissen von einem Filmteam<br />
begleitet wurde. Zwischen 1990 und 2002 entstanden so in 17 Staffeln 99 Folgen<br />
der Docu Soap. 17 Ihre Autorin und Regisseurin Ute Diehl erhielt dafür 1992 den Adolf-<br />
Grimme-Preis in Bronze. 18 Trotz des regional großen Erfolges der „Fußbroichs“ – im<br />
Kölner Raum erlangte die Familie Kultstatus (vgl. o.V. 1992b, 215) – folgten zunächst<br />
keine ähnlichen Produktionen.<br />
Der Anstoß für einen wahren Docu Soap-Boom ging vielmehr von Großbritannien<br />
aus, wo seit Mitte der 90er Jahre teils mit sehr hohen Marktanteilen Docu Soaps „am<br />
Fließband“ produziert wurden (vgl. Eggert 1999, 10ff.). Mitte der 90er Jahre strahlte<br />
die BBC die dokumentarische Serie „Children’s Hospital“ aus. 19 Geschichten von<br />
kleinen Patienten in einem Londoner Krankenhaus wurden in mehreren Erzählsträngen<br />
miteinander verwoben. Ermuntert vom Erfolg dieser Serie, gab die BBC<br />
weitere dokumentarische Serien in Auftrag: 1996 entstanden „Vet’s School“ (über eine<br />
Schule für Tierärzte) und „The House“ (Geschichten rund um die Mitarbeiter des<br />
Royal Opera House in London). „Driving School“, eine Serie über Menschen auf<br />
dem Weg zum Führerschein, verhalf den Docu Soaps schließlich in Großbritannien<br />
lige „Dokumentation“ erreichte durchschnittlich mehr als 6 Millionen Zuschauer. Anstatt öffentlicher<br />
Debatten erhielten Regisseur und Kameramann den Grimme-Preis 2003 in der Sparte<br />
„Information & Kultur“: „Selten gelang die Vermittlung von Alltagskultur auf derart perfektem<br />
und zudem unterhaltsamem Niveau.“. Vgl. http://www.swr.de/schwarzwaldhaus1902/<br />
sowie http://www.grimme-institut.de/ [Stand: 17. März 2003].<br />
17 Mittlerweile ist die Serie auf Wunsch der Familie Fußbroich eingestellt worden. Eine Serien-<br />
Chronologie findet sich unter http://www.epguides.de/fussbroi.txt [Stand: 17. März 2003.]<br />
18 Vgl. o. V. 1992a, 8 sowie die Chronik der Preisträger des Adolf-Grimme-Instituts, http://www.<br />
grimme-institut.de/scripts/preis/preis.html [Stand: 17. März 2003].<br />
19 Die folgenden Informationen über britische Docu Soaps stammen, soweit nicht anders gekennzeichnet,<br />
von Eggert 1999, 14 – 26.<br />
202
Klaus / Lücke · Reality TV<br />
zum großen Durchbruch. Am 15. Juli 1997 erreichte „Driving School“ bei über<br />
12 Millionen Zuschauern einen Marktanteil von 53%. Allein 1998 strahlte das britische<br />
Fernsehen insgesamt 75 Docu Soaps aus. Viele davon wurden in andere Länder exportiert<br />
oder dienten als Vorbild für die Umsetzung eigener Produktionen auch in<br />
Deutschland: Das ZDF wandelte „Children’s Hospital“ 1998 in „OP. Schicksale im<br />
Klinikum“ ab, RTL ließ sich von „The Cruise“ inspirieren und drehte 1999 „Das<br />
Clubschiff“, eine Docu Soap über Besatzung und Gäste des deutschen Kreuzfahrtschiffs<br />
„Aida“. SAT.1 nahm im gleichen Jahr „Driving School“ zum Anlass, „Die<br />
Fahrschule“ zu drehen, und RTL II kopierte dasselbe Format 2000 mit „You drive me<br />
crazy“. Bis Mitte 2001 entstanden sowohl bei den öffentlich-rechtlichen Anstalten<br />
ARTE, ZDF, WDR und anderen Dritten Programmen als auch bei den Privatsendern<br />
SAT.1, RTL und RTL II zu unterschiedlichsten Themenbereichen 46 weitere Docu<br />
Soaps (vgl. Lücke 2002, 79).<br />
5. Zur Geschichte der Reality Soap<br />
Auch die Geschichte der Reality Soap beginnt nicht erst mit „Big Brother“. 1994 setzte<br />
der Filmproduzent Markus Peichl in Berlin „Das wahre Leben“ (Premiere Deutschland)<br />
nach US-amerikanischem und britischem Vorbild um („The Real World“, MTV<br />
(USA)/ „The Living Soap“, BBC 2 (GB)). Sieben einander unbekannte junge Leute im<br />
Alter zwischen 21 und 26 Jahren zogen für drei Monate als Wohngemeinschaft in ein<br />
Berliner Loft. Kameras nahmen mindestens zehn Stunden täglich WG-Leben auf, wobei<br />
die Bewohner ein Mitspracherecht darüber hatten, was gefilmt werden durfte. Die<br />
Kandidatinnen und Kandidaten wurden nach Telegenität und nach Merkmalen wie<br />
Geschlecht, Beruf, sexueller Orientierung, Nationalität und Charakter ausgesucht, um<br />
für „ausreichendes Konfliktpotential“ zu sorgen (vgl. Strittmatter 1994, 95). Der Spiegel<br />
nannte die Serie, deren Ähnlichkeit zu „Big Brother“ unverkennbar ist, eine „neue,<br />
absurde Variante von Reality-TV“ (o. V. 1994, 225). Obwohl zunächst umstritten war,<br />
ob Docu Soap und Reality Soap Genres des Reality TV sind, gelten vor allem letztere<br />
heute geradezu als der Prototyp der Gattung (z. B. Mikos et al. 2000, Feige 2001,<br />
Hohlfeld 2000). Stefan Niggemeier (2003) setzt Reality Soap und Reality TV sogar in<br />
eins, wenn er die Vorbereitungen zu „Big Brother 4“ mit „Reality-TV kehrt zurück“<br />
kommentiert. Nach einem „Overkill“ im Januar 2001, als innerhalb eines Monats<br />
gleichzeitig „Big Brother 3“ (RTL II, RTL), „To Club“ (RTL II), „Der Frisör“ (RTL),<br />
„House of Love“ (RTL) und „Girlscamp“ (SAT.1) starteten, verschwand die Reality<br />
Soap zeitweise vom Bildschirm. Weil sich in der Zwischenzeit andere Genres (Gerichts-Show,<br />
Personal Help-Show und Casting-Show) etablieren konnten, stürzte das<br />
Verschwinden der Reality Soap aus dem deutschen Fernsehprogramm zwischen 2001<br />
und 2003 nicht zugleich auch das Reality TV in die Krise. Weiter legt auch der anhaltende<br />
Erfolg der Reality Soap im Ausland nahe, dass das Genre auch bei uns wieder<br />
verlorenes Terrain zurück erobern wird.<br />
6. Konstituierende Merkmale des Reality TV<br />
Docu Soaps und Reality Soaps stehen im besonderen Maße für die Ausdifferenzierung<br />
und Weiterentwicklung des Reality TV. Ihre Analyse erscheint deshalb geeignet, um die<br />
Charakteristika der Genrefamilie genauer herauszuarbeiten. Die folgende Beschreibung<br />
der wichtigsten Merkmale des Reality TV beruht wesentlich auf einer Bestandsaufnahme<br />
aller bis Mitte 2001 in Deutschland gesendeten Docu Soaps und Reality Soaps (vgl.<br />
203
M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />
Lücke 2002). 20 Dabei konzentrieren wir uns in der Darstellung, gestützt auf die dazu<br />
vorliegende Literatur, auf diejenigen Ergebnisse, die für Genres des performativen ebenso<br />
wie des narrativen Reality TV konstitutiv sind. Diese Charakteristika lassen sich in<br />
vor allem den Inhalt betreffende Grenzübertretungen und vor allem die Form betreffende<br />
Inszenierungsstrategien unterteilen.<br />
6.1 Grenzübertretungen<br />
Grenzübertretungen markieren das Innovative der neuen Genres: Reality TV löst als<br />
Sammlung von Hybridgenres vermeintliche Gegensätze von Authentizität und Inszenierung,<br />
Information und Unterhaltung, Alltäglichem und Außergewöhnlichem auf<br />
und vermischt diese zu neuen Fernseh-Produkten. 21 Grenzüberschreitend sind diese<br />
Merkmale in einem doppelten Sinn: Sie gelten für alle zum Reality TV zählenden Genres<br />
und sie verlassen gleichzeitig bis in die 90er Jahre hinein geltende Konventionen. 22<br />
Zwischen Authentizität und Inszenierung: Als authentisch wird etwas bezeichnet,<br />
wenn es „echt, glaubwürdig“ ist (Meyers Lexikonredaktion 1995, 264). Eine Fernsehsendung<br />
halten Bente und Fromm dann für authentisch, wenn unprominente Menschen<br />
„wahre Geschichten“ erzählen und/oder vor der Kamera darstellen (vgl. 1997, 20).<br />
Herrmann (2002, 130f.) beschreibt Authentizität in Talk Shows so: „Nichtprominente<br />
Bürger erzählen von ihrem Schicksal. (…) Die Geschichten sind also nicht erfunden,<br />
sondern wahr (…).“ Als Vertreter des performativen Reality TV stellen auch Docu<br />
Soaps und Reality Soaps Geschichten und Erlebnisse gewöhnlicher Menschen in den<br />
Mittelpunkt. Laut Selbstaussage der Fernsehsender handelt es sich vor allem bei der<br />
Docu Soap um ein authentisches Genre. Der Sender RTL II23 betont in seiner Pressemitteilung<br />
zu „Reeperbahn“ die Authentizität der Serie: „Keine Szene wird gestellt, wir<br />
begleiten unsere Darsteller mit der Kamera und lassen sie einfach erzählen (…): ‚Dialoge<br />
schreiben wir nicht, die liefern uns unsere Darsteller.‘“ Noch direkter formuliert das<br />
ZDF in der Pressemappe zu „OP. Schicksale im Klinikum“ (1998): Es „entstanden Ge-<br />
20 Im Rahmen einer kommunikations<strong>wissenschaft</strong>lichen Abschlussarbeit wurde zwischen April<br />
1998 (erste Docu Soap im deutschen Fernsehen) und Mai 2001 das Fernsehprogramm mehrerer<br />
Fernsehzeitschriften durchgesehen und auf dieser Basis, kombiniert mit Selbstauskünften der<br />
Fernsehsender ARD, ZDF, ARTE, aller Dritten Programme, RTL, RTL II, SAT.1, Pro Sieben<br />
sowie VOX, alle bis zu diesem Zeitpunkt ausgestrahlten Docu Soaps und Reality Soaps erfasst.<br />
Von allen ermittelten Sendungen (46 Docu Soaps sowie 11 Reality Soaps) wurden Pressematerial<br />
sowie die Einschaltquoten bei der Erstausstrahlung angefordert sowie Zahl und Länge der<br />
Folgen, Ausstrahlungszeitraum, Hauptpersonen und -schauplatz sowie die Produktionsfirma<br />
recherchiert. Anhand der Durchsicht einer Auswahl von Docu Soaps und Reality Soaps wurde<br />
überprüft, inwieweit die aus der theoretischen Literatur hervorgehenden Gattungsmerkmale<br />
des Reality TV, von Daily Soaps und Dokumentationen sich in Docu Soaps und Reality Soaps<br />
wiederfinden.<br />
21 Dass Reality TV ebenfalls Privates öffentlich macht, zeigt dieses Kapitel. Allerdings gehen die<br />
Autorinnen davon aus, dass Fernsehsendungen nicht erst mit dem Beginn der Ära Reality TV<br />
Privates thematisierten, sondern dies seit ihren ersten Tagen tun, wie z. B. Bleicher oder Herrmann<br />
herausarbeiten (vgl. Bleicher 2002, 208ff.; Herrmann 2002, 39 – 51). Es handelt sich deshalb<br />
in unserem Sinne nicht um eine formative Grenzübertretung.<br />
22 Wie beispielsweise die Trennung des Fernsehprogramms in fiktionale und non-fiktionale Produkte.<br />
23 RTL II nimmt für sich in Anspruch, die erste Docu Soap („Reeperbahn!“) im Privatfernsehen<br />
produziert zu haben.<br />
204
Klaus / Lücke · Reality TV<br />
schichten von Menschen, deren Alltag geprägt ist vom Leben in der Klinik, meist über<br />
einen längeren Zeitraum. Nichts wurde dazu erfunden. Nichts nachgestellt, nichts inszeniert.<br />
Authentische Geschichten.“<br />
Solche Pressemitteilungen verbreiten jedoch nur eine Hälfte der Wahrheit. Auch in<br />
den Docu Soaps geht es – ebenso wie in den anderen Genres des performativen Reality<br />
TV, wie Herrmann (2002, 131f.) beispielhaft an den Daily Talks zeigt – nicht nur um die<br />
Darstellung realer Geschehnisse, sondern auch um ihre möglichst geschickte und spannende<br />
Inszenierung. So geben einige RegisseurInnen offen zu, dass sie Szenen nachstellen<br />
lassen oder in die Handlungen ihrer Protagonisten eingreifen, und zwar unabhängig<br />
davon, ob sie für einen öffentlich-rechtlichen oder privaten Sender arbeiten. Differenzierungen<br />
zeigen sich eher im Ausmaß der Eingriffe. So bekennt sich Bettina Böttinger,<br />
verantwortlich für zwei Staffeln „Ein Heim für alle Felle“ (WDR), in der Pressemappe<br />
zur Docu Soap dazu, nicht nur Szenen aus der Realität zu verarbeiten. Im Interview über<br />
die Dreharbeiten äußert sie sich: „Manchmal sind wir ihnen [den Mitarbeitern des Tierheims,<br />
Anmerkung d. A.] sicherlich auf die Nerven gegangen, wenn sehr bestimmt gefragt<br />
wurde, ob sie die eine oder andere Begebenheit mal eben nachspielen könnten –<br />
und zwar ganz natürlich …“ (2000, 7). Susanne Abel , Regisseurin von „Die Fahrschule“<br />
und „Die Skischule“ (beide SAT.1), interessiert sich hingegen gar nicht erst für den<br />
„grauen Alltag“: „… wir zeigen Trudchen Müller nur, wenn es kracht. (...) Die reine<br />
Realität ist so spannend nicht, aber wenn man das flott montiert, kann das sehr spannend<br />
sein. (…) Wenn ich mit der Kamera komme, ist die Realität schon verändert.“ (zit.<br />
in Hoff 2000, 22).<br />
Noch stärker kommt der Inszenierungscharakter in den Reality Soaps zum Ausdruck.<br />
Lothar Mikos hat vermerkt, dass es sich bei „Big Brother“ um „(…) ein um die<br />
Inszenierung von Authentizität bemühtes, auf die Alltagswelt von Zuschauern und<br />
Kandidaten Bezug nehmendes Format [handelt], das zum performativen Realitätsfernsehen<br />
gezählt werden kann.“ (Mikos et al. 2000, 28f.; Hervorh. d. A.). Mikos hat herausgearbeitet,<br />
dass „Big Brother“ und seine Nachfolger Authentizität nur vermitteln<br />
wollen, während im Hintergrund meist unsichtbar die Fernsehmaschinerie dafür sorgt,<br />
dass alles „richtig“ in Szene gesetzt wird. Die Montage einer zusammenhängenden Sendung<br />
aus der Fülle des zur Verfügung stehenden Materials erlaubt es ohne großen Aufwand,<br />
dem tatsächlichen Geschehen einen dramaturgischen roten Faden zu verleihen.<br />
Doch auch hier gibt es Hinweise, dass manchmal direkt nachgeholfen wird: Beispielsweise<br />
berichtete ein Teilnehmer der Reality Soap „Inselduell“, dass die Kameraleute<br />
häufig das Nachspielen von Szenen verlangten, deren Aufnahme schief gegangen oder<br />
verpasst worden war. Die Kandidatinnen und Kandidaten hätten sich vergeblich gegen<br />
diesen „Betrug“ gewehrt. 24<br />
Docu Soaps und Reality Soaps bewegen sich im Spannungsfeld zwischen Authentizität<br />
und Inszenierung, zwischen Realität und Fiktion. Sie möchten den Schein von Authentizität<br />
aufrecht erhalten, während sie tatsächlich Realität inszenieren. Heinrich<br />
Pachl, Regisseur der WDR-Docu Soap „Durchboxen“, nennt diesen Prozess in der<br />
Pressemappe „waschen, färben, föhnen, also arrangieren und stylen“ (o. J., 14). Die Wiedergabe<br />
vermeintlich authentischer Erlebnisse, die jedoch in eine feste Dramaturgie eingebunden<br />
sind, ist ein wesentliches Merkmal aller Genres des performativen wie narra-<br />
24 Es handelt sich um den 51-jährigen Peter Pfaff, den ältesten Kandidaten des „Inselduells“, der<br />
von seinen Erfahrungen auf der Tagung „Das Fernsehen als Labor“ der Evangelischen Akademie<br />
in Hofgeismar (März 2001) berichtete.<br />
205
M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />
tiven Realitätsfernsehens. Für Daily Talks, Beziehungs-Shows oder das gewaltzentrierte<br />
Reality TV gilt gleichermaßen, dass die Geschichten aus dem echten Leben „normaler<br />
Menschen“ gegriffen sind und somit der Realität entstammen. Die Casting-Show<br />
„Deutschland sucht den Superstar“ zeigt, wie zunächst unbekannte Jugendliche versuchen,<br />
sich ihren Traum zu erfüllen und ein Superstar zu werden. Bei allen Formaten des<br />
Reality TV handelt es sich um eine verwirrende Mischung aus Realität und Inszenierung.<br />
Die „echten“ Richter der Gerichts-Shows verhandeln erfundene Fälle mit Laien-Schauspielern,<br />
die Ärztin erteilt ihre Ratschläge in vom Drehbuch vorgegebenen Konflikten,<br />
der Hergang von Unfällen wird fernsehgerecht nachgedreht, die schlagfertigen Antworten<br />
bei „Herzblatt“ von der Redaktion vorgegeben (vgl. Nolda 1996, 26). Neuberger<br />
(1994, 69) spricht von „Teil-Inszenierungen“ von Ereignissen: „Sie sollen den Anschein<br />
von Authentizität behalten und andererseits die Widerspenstigkeit der Realität<br />
durch Inszenierung berechenbar machen.“ Dass die Realität in den Sendungen des Reality<br />
TV eben nicht nur abgebildet, sondern bearbeitet und verändert wird, macht aus<br />
ihren Inszenierungen realer Begebenheiten ein Stück Fiktion.<br />
Zwischen Information und Unterhaltung: Bis in die 80er Jahre wurde in den öffentlich-rechtlichen<br />
Sendeanstalten strikt zwischen Informations- und Unterhaltungsproduktionen<br />
getrennt. Während anerkannt war, dass auch Informationssendungen unterhaltend<br />
aufbereitet sein mussten, ist der Nachweis, dass populäre Unterhaltungssendungen<br />
auch informieren, erst im Rahmen der neueren Publikumsforschung erbracht<br />
worden. In ihrer Zusammenfassung hat Elisabeth Klaus (1996) gezeigt, dass realitätsbezogene<br />
Genres, denen die Informationsfunktion zugeordnet wird, und fiktionale Genres,<br />
die mit Unterhaltungsfunktionen verbunden werden, sich in wesentlichen Teilen<br />
überschneiden und den Zuschauerinnen wie Zuschauern sowohl Information als auch<br />
Unterhaltung bieten. Wie das Infotainment zuvor, durchbrechen Docu Soap und Reality<br />
Soap bewusst den Dualismus von Unterhaltung und Information. Sie unterhalten<br />
durch die Darstellung alltäglicher Probleme von Menschen „wie du und ich“ und durch<br />
die Präsentation ihrer Missgeschicke oder Gefühlsausbrüche, ihrer komischen oder dramatischen<br />
Erlebnisse. Sie steigern die Spannung, indem schwierige Aufgaben gelöst oder<br />
menschliche Grenzsituationen bewältigt werden müssen. Damit informieren sie gleichzeitig<br />
nicht nur über Wissenswertes rund um Alltagsthemen – Schwangerschaft und Geburt,<br />
Partnervermittlung, Abnehmen – sondern vermitteln vor allem Wissen über den<br />
menschlichen Umgang miteinander: die Austragung eines Konflikts und Möglichkeiten<br />
der Versöhnung, des Trostes, die Bewältigung von Freude und Leid, die Legitimität von<br />
Liebe und Hass. Docu Soaps und Reality Soaps zeichnen sich nicht dadurch aus, dass sie<br />
Unterhaltendes mit Informationen anreichern oder Informatives unterhaltend aufbereiten,<br />
vielmehr lassen sie sich nur in der Grenzauflösung bestimmen.<br />
Für alle Genres des performativen wie narrativen Reality TV gilt, dass sie die Grenze<br />
zwischen Unterhaltung und Information bewusst übertreten. Werner Früh et al.<br />
schlagen beispielsweise vor, im gewaltzentrierten Reality TV eine Sonderform des Infotainment<br />
zu sehen (vgl. 1996, 429). Als Kennzeichen der Information nennen sie „Service“-Teile,<br />
welche u. a. Informationen über Erste Hilfe-Maßnahmen oder die Arbeit<br />
der Feuerwehr integrieren. Die echten Richter und Anwälte der Gerichts-Shows sollen<br />
beiläufig Informationen über Fallstudien der deutschen Rechtsprechung vermitteln, und<br />
moderierende Psychologinnen, Medizinerinnen und Sozialpädagoginnen sorgen dafür,<br />
dass in den Personal Help-Shows die Auseinandersetzungen und die Verhandlung der<br />
Konflikte einen professionellen Anstrich bekommen und eine Orientierungsfunktion<br />
für die Rezipienten erfüllen können. Unumstritten, und von der <strong>Medien</strong>kritik besonders<br />
herausgestellt, ist demgegenüber die Unterhaltungsfunktion des Reality TV: Sie<br />
206
Klaus / Lücke · Reality TV<br />
manifestiert sich durch den Einsatz dramaturgischer Mittel wie Emotionen (wie in<br />
Beziehungs-Shows, Daily Talks oder Personal Help-Shows), Komik (in Real Life<br />
Comedy) oder Dramatik (wie in gewaltzentriertem Reality TV oder Gerichts-Shows),<br />
die Nähe zur Fernseh-Show oder zur Serie.<br />
Die heute geläufigere Doppelfunktion des Reality TV wurde aber nicht von Anfang<br />
an erkannt. Udo Michael Krüger ordnet in seiner Studie über Gewaltdarstellungen im<br />
Fernsehen 1992 das gewaltzentrierte Reality TV in den Bereich „Information“ ein, neben<br />
Nachrichtensendungen, politischen und nicht-politischen Informationssendungen.<br />
Diese Einordnung sei durch die GfK-Sendekodierung erforderlich, die Reality TV als<br />
eine Unterkategorie zum Informationsangebot behandele (vgl. 1992, 73). In der Programmanalyse<br />
2001 werden dagegen ohne nähere Begründung Teile der Sendungsform<br />
„Reality/Dokuinszenierung“ – zu dieser Kategorie zählt auch das gewaltzentrierte Reality<br />
TV – in die Sparte Information, andere Teile in die Sparte Unterhaltung eingeordnet<br />
(vgl. Krüger/Zapf-Schramm 2002, 188f.). Auf längere Sicht erscheint zweifelhaft, ob<br />
an der Trennung zwischen Unterhaltung und Information in den Produktionsabteilungen<br />
der Sendeanstalten und den Kategoriensystemen der <strong>Medien</strong>forschung auf Dauer<br />
festgehalten werden kann. Das Reality TV mit all seinen Genres untergräbt diese Grenzsetzung<br />
jedenfalls stetig.<br />
Alltag und Exotik: Der Alltagsbezug ist eine der zentralen Charakteristika des Realitätsfernsehens.<br />
Unterschiedlich aufbereitet steht das Gewöhnliche, Alltägliche auch in<br />
Docu Soaps und Reality Soaps im Vordergrund. Sie zeigen „normale“ Menschen bei der<br />
Bewältigung von Lebensabschnitten, die fast jeder Zuschauer aus seinem eigenen Leben<br />
kennt – seien es die vier pubertierenden Freundinnen („Die Schiller-Gang“, WDR),<br />
Nachwuchs erwartende Pärchen („Schnulleralarm“, RTL II), arbeitssuchende Kleinstadt-Bewohner<br />
(„Artern – Stadt der Träume“, MDR) oder flirtwillige Singles („House<br />
of Love“, RTL). Anders als in den Docu Soaps verlassen die KandidatInnen in den Reality<br />
Soaps zwar ihre Alltagswelt, müssen aber, damit die Inszenierung gelingen kann,<br />
diese als ihren Bezugspunkt und als Quelle der Identifikation behalten. Für die Darstellenden<br />
sowohl der Docu Soap als auch der Reality Soap gilt aber zugleich, dass sie durch<br />
die Fernsehpräsenz für eine Zeit lang aus diesem Alltag herausgerissen werden. Der<br />
Blick der Kamera macht sie zu ExotInnen des Alltags, stellt sie als Einzelne aus, die von<br />
Millionen bestaunt werden können. Das außergewöhnliche Fernsehereignis transformiert<br />
die Alltagsmenschen zu <strong>Medien</strong>stars, wenn auch häufig nur für kurze Zeit, und<br />
stellt damit einen erheblichen Eingriff in ihre Alltagswelt dar, wie er für die Genres des<br />
performativen Reality TV konstituierend ist.<br />
Diese Grenzübertretung von Alltäglichem und Ungewöhnlichem ist für die Genres<br />
des Reality TV konstitutiv. Ob bei „Oliver Geissen“, „Das Jugendgericht“, „Dr. Verena<br />
Breitenbach“ oder „Herzblatt“: Die ProtagonistInnen sind allesamt Nicht-Prominente.<br />
25 Dies ist eins der prägnanten Charakteristika für das Realitätsfernsehen. Die Tatsache,<br />
dass die Darsteller „ganz normale“ Menschen und keine Schauspieler oder Prominenten<br />
sind, bedeutet für die Zuschauenden eine Abweichung von den sonst üblichen<br />
„perfekten“ Fernsehfiguren. Weiter beziehen sich die Sendungen des Reality TV auch<br />
auf besondere Situationen des Alltags dieser Menschen: Schwangerschaft, Krankheit,<br />
Freundschaft – es geht um ungezählte Situationen der Lebensbewältigung. Wiederum<br />
gilt aber, dass das Fernsehen die Alltagsbegebenheiten in herausgehobene Ereignisse und<br />
25 Bei Gerichts-Shows und Personal Help-Shows stellen Laien-Schauspieler die Szenen dar.<br />
207
M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />
die Alltagsmenschen in Fernsehstars überführt. Die ausverkauften Fan-Magazine bei<br />
„Deutschland sucht den Superstar“, die vielen Fanclubs für die KandidatInnen, die Absatzzahlen<br />
ihrer ersten CD „United“, die Traumquoten – all das spricht dafür, dass in<br />
der jeweils spezifischen Mischung von Gewöhnlichem und Außergewöhnlichem, von<br />
Alltag und Exotik der Schlüssel zum Erfolg der Genres des Reality TV liegt.<br />
6.2 Inszenierungsstrategien<br />
Neben den vor allem den Inhalt betreffenden Grenzübertretungen sorgten vor allem die<br />
die Form betreffenden Inszenierungsstrategien des Reality TV immer wieder für Konfliktstoff.<br />
Die einzelnen Genres setzen zielgerichtet jene dramaturgischen Mittel ein, die<br />
für das Fernsehen der 90er Jahre konstituierend geworden sind. Es sind die Stilmittel der<br />
Personalisierung, der Emotionalisierung, der Intimisierung, der Stereotypisierung und<br />
der Dramatisierung. 26<br />
Personalisierung: Docu Soaps und Reality Soaps sind dadurch gekennzeichnet, dass<br />
ihre ProtagonistInnen als Persönlichkeiten inszeniert werden und deshalb potenziell<br />
Identifikationsfiguren für ihr Publikum darstellen können. Menschen erzählen nicht nur<br />
von ihrem Schicksal27 , sondern sie erleben und erleiden es direkt vor der Kamera, so dass<br />
die ZuschauerInnen sie ein Stück ihres Lebensweges begleiten können. ProtagonistInnen<br />
wie Sabrina Begic („Abnehmen in Essen“, ARTE/ WDR und „Big Diet“, RTL II)<br />
oder Manu, Zlatko und Jürgen („Big Brother 1“, RTL II/RTL) wurden so zu Vorbildern<br />
oder auch zu Hassfiguren. Eine solche Personalisierung ihrer nicht-prominenten<br />
Teilnehmenden ist ein wesentliches Element aller Reality TV-Genres. In fast allen Sendungen<br />
werden intime, private Details und Gefühle erörtert, in Interviews erzählen die<br />
Opfer, Retter oder Zeuginnen „ihre Geschichte“ persönlich und entsprechend gefühlsbetont.<br />
Emotionalisierung: Mit der Personalisierung ist die Emotionalisierung eng verbunden.<br />
Auch sie gehört zu den wesentlichen Gestaltungsmerkmalen von Docu Soap und<br />
Reality Soap. Das Schicksal eines krebskranken Mädchens im Krankenhaus („OP.<br />
Schicksal im Klinikum“, ZDF) oder die Reaktionen der jungen Frau, deren Freund auf<br />
einem Video mit einer Konkurrentin flirtet („Versuchung im Paradies“, RTL) stellen<br />
hochemotionale, melodramatische Situationen dar. Als Mittel zur Spannungssteigerung<br />
und zur emotionalen Bindung werden Cliffhanger und schnelle Schnitte eingesetzt, so<br />
dass die Sendungen ihr Soap-Label insgesamt zu Recht tragen. Fast alle Reality TV-Genres<br />
präsentieren gewöhnliche Menschen in einer außergewöhnlichen Situation, die sie<br />
bewältigen – indem sie ihren Partner um Verzeihung bitten, ein lange vermisstes Familienmitglied<br />
wieder treffen oder einen Heiratsantrag machen. In der Regel zeigen die Betroffenen<br />
ohne Hemmungen eigene Emotionen. 28 Der Weinkrampf von Kandidat Daniel<br />
Küblböck beim Ausscheiden seiner Freundin Gracia aus der Casting-Show<br />
26 Diese wurden in den Arbeiten von Wegener 1994, Bente/ Fromm 1997 sowie Fromm 1999 genannt.<br />
27 Von ihren Schicksalen reden sie in den Daily Talks, wie beispielsweise Herrmann (2002, 149ff.)<br />
herausarbeitet. Sie wies dabei den Begriff der „Personalisierung“ als negativ konnotiert zurück<br />
und ersetzte ihn durch „personenbezogene Darstellung“ (ebd., 150).<br />
28 Bei den häufig in Daily Talks vorkommenden, teils sehr privaten und emotionalisierenden Themenbereichen<br />
Beziehung/ Sexualität, Familie und Freundschaft sind oft Tränen oder Wutausbrüche<br />
vorprogrammiert.<br />
208
Klaus / Lücke · Reality TV<br />
„Deutschland sucht den Superstar“ gehörte zu den emotionalen Höhepunkten der<br />
Show. Die geschickte Fragetechnik einer Moderatorin kann emotionale Situationen hervorbringen<br />
oder noch steigern. Durch den Einsatz stilistischer Mittel wie gefühlvoller<br />
oder spannungssteigernder Musik, durch Großaufnahmen weinender Angehöriger oder<br />
durch detaillierte Dokumentationen und häufige Wiederholungen dramatischer Szenen<br />
sollen auch bei den ZuschauerInnen Emotionen geweckt und ihr Mitgefühl mit den im<br />
Fernsehen gezeigten Menschen noch gesteigert werden.<br />
Intimisierung: Docu Soaps und Reality Soaps brechen schonungslos in die Privatsphäre<br />
der Menschen ein. Erstere, indem sie Aspekte des privaten Alltags filmt und so<br />
der Öffentlichkeit preisgibt, letztere, indem sie die Menschen in ihren Charaktereigenschaften<br />
und Handlungen entblößt. In ihnen leben „normale“ Menschen vor, wie man<br />
besondere, häufig schwierige Situationen meistert oder mit zwischenmenschlichen Konflikten<br />
in der Beziehung und zwischen Freunden umgeht. Vor allem die Privatsender bevorzugen<br />
dabei Themen, bei denen Menschen möglichst viel nackte Haut zeigen oder<br />
Sexualität eine Rolle spielt 29 . Was früher noch eindeutig im privaten Lebensbereich lag,<br />
wie persönliche Probleme, Sexualität oder die Gestaltung zwischenmenschlicher Beziehungen,<br />
wird beim Realitätsfernsehen zum öffentlichen Thema (vgl. Bente/ Fromm<br />
1997, 20). „Tabubruch als Programm?“, die im Titel eines Bandes gestellte Frage, der<br />
sich mit der Vermischung von Öffentlichem und einst Privatem beschäftigt, kann für das<br />
Reality TV und seine Genres bejaht werden (vgl. Herrmann/ Lünenborg 2001). Tabubrüche<br />
können dabei sowohl einen aufklärerischen Impuls geben, wie etwa die Grimme-Preis-gekrönte<br />
Docu Soap „Abnehmen in Essen“ (WDR) zeigt, oder aber bestehende<br />
Vorurteile und Diskriminierungen verfestigen, wie es Friederike Herrmann<br />
(2002) für die Darstellung Bisexueller in den Talk Shows analysiert.<br />
Stereotypisierung: In Docu Soap und Reality Soap werden nur ausgewählte Charakterzüge<br />
und Handlungen der ProtagonistInnen gezeigt und insbesondere einzelne Eigenarten<br />
betont und herausgestellt. Durch das Missverhältnis von gefilmter Lebenszeit<br />
und gezeigter Fernsehzeit ist es unmöglich, die Persönlichkeiten umfassend sichtbar<br />
werden zu lassen. Die damit gegebene Tendenz, die DarstellerInnen eher oberflächlich<br />
und stereotyp erscheinen zu lassen, wird durch eine spezifische Komprimierung des Materials<br />
und eine aus dem Gesamtkontext gerissene Präsentation weiter verstärkt. Beispielsweise<br />
repräsentierte Darstellerin Manu aus der ersten Staffel von „Big Brother“ die<br />
„Zicke“, Hanka aus der zweiten Staffel die „Hexe“. Die psychologischen Ursachen für<br />
das Übergewicht der beiden Schwestern Sabrina und Susanne Begic in „Abnehmen in<br />
Essen“ werden zwar angesprochen, jedoch nicht tiefergehend erörtert. Eine differenzierte,<br />
vielschichtige Darstellung der Charaktere ist nicht das Ziel von Docu Soaps und<br />
Reality Soaps. Eine umfassende Bearbeitung von Problemen wie auch eine sensible unverwechselbare<br />
Charakterzeichnung führte dazu, dass der <strong>Medien</strong>text für die Zuschauenden<br />
weniger produzierbar und damit wenig populär wäre (vgl. Fiske 1994, 103ff.). Gerade<br />
die Überzeichnung der Charaktere und die oberflächliche Darstellung von Problemen<br />
ermöglicht es den verschiedenen Gruppen von Zuschauenden, diese Vorlagen mit<br />
eigenen Bedeutungen zu füllen.<br />
In jedem Fall gehört die Stereotypisierung der Handlung und der Darstellenden zu<br />
den gemeinsamen formativen Kennzeichen des narrativen und performativen Reality<br />
29 Beispielsweise die zwischen 2001 und 2002 ausgestrahlten Reality Soaps „House of Love“<br />
(RTL), „Girlscamp“ (SAT.1), „Expedition Robinson“ (RTL II), „Versuchung im Paradies“<br />
(RTL), „Reeperbahn“ (RTL II).<br />
209
M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />
TV. Die erzählten Geschichten werden fast immer in kurzer Zeit dargestellt und zwingen<br />
zur Reduktion komplexer Zusammenhänge. 30 Eine differenzierte Charakterentwicklung<br />
und -darstellung wird dadurch erschwert. Häufig kommen Klischees, stereotype<br />
Darstellungsmuster und standardisierte Handlungsabläufe vor (dies gilt für Reality<br />
TV, aber auch für Soap Operas oder viele Romane, vgl. Wegener 1994, 77ff.).<br />
Dramatisierung: In den Docu Soaps und den Reality Soaps sorgt die Dramaturgie für<br />
besonders spannungsgeladene Momente. Beispiele dafür liefert die Nominierungs-Zeremonie<br />
der KandidatInnen im „Big Brother-Haus“, wer als Nächstes den Container<br />
verlassen muss, aber auch die komplizierte und gefährliche Geburt von Zwillingen (beispielsweise<br />
„Schnulleralarm“, RTL II). Die dabei gewählten Stilmittel entstammen der<br />
fiktionalen Serie oder dem Spielfilm, doch der Stoff kommt aus der Wirklichkeit. Alle<br />
Genres des Reality TV bereiten Ereignisse, gleich welcher Natur, dramatisch auf. Dramatik<br />
wird beispielsweise beim gewaltzentrierten Reality TV durch den Einsatz der<br />
„Living Camera“ erzeugt, ebenso durch spannungssteigernde Musik, schnelle Schnitte,<br />
überraschende Szenenwechsel und eine möglichst zugespitzte Darstellung des Ereignisses.<br />
Im Gerichtssaal sorgt die direkte Konfrontation der Streithähne für dramatische<br />
Momente, in denen Beziehungen beendet oder Ergebnisse von Vaterschaftstests bekannt<br />
werden. Bei „Deutschland sucht den Superstar“ wird erst im letzten Moment verkündet,<br />
wer die Show verlassen muss, so dass für Kandidatinnen wie Zuschauer die<br />
Spannung ins Hochdramatische steigt. Dieser „Entscheidung“ ist eine eigene Sendung<br />
gewidmet, die in der letzten Folge der ersten Staffel am 8. März 2003 mehr als 10 Millionen<br />
Zuschauer anlockte, was um diese Zeit nach Mitternacht einem sagenhaften<br />
Marktanteil von fast 62 Prozent entsprach (vgl. Hoff 2003, 19).<br />
7. Fazit<br />
Reality TV ist ein höchst lebendiges Sammelbecken erfolgreicher Formate, das sich in<br />
den letzten zehn Jahren rasant entwickelt und stetig ausdifferenziert hat. Das älteste<br />
dazu gehörende Genre, gewaltzentriertes Reality TV, hat heute seine Vorrangstellung<br />
gegenüber zahlreichen neuartigen Formaten eingebüßt. Reality TV hat in den 90er Jahren<br />
ein Stück Fernsehgeschichte geschrieben und ist längst mehr als eine Modeerscheinung.<br />
Um seine Entwicklung zur Genrefamilie angemessen zu erfassen, haben wir – angeregt<br />
durch Keppler – einen aktuellen Definitionsvorschlag für das narrative und das<br />
performative Reality TV vorgelegt und eine weiter gehende Klassifizierung vorgeschlagen.<br />
Zwischen dem ersten Boom 1992 und dem Fernsehen des beginnenden 21. Jahrhunderts<br />
können demnach elf verschiedene Genres des Reality TV identifiziert werden,<br />
wovon vier Vertreter des narrativen und sieben des performativen Reality TV sind.<br />
Mit dem Boom der in diesem Beitrag besonders fokussierten Docu Soap und Reality<br />
Soap im Übergang zum 21. Jahrhundert zeigte sich besonders, dass das Reality TV<br />
von der <strong>Medien</strong>entwicklung stark beeinflusst war und diese wiederum weiter vorantrieb.<br />
Dabei blieben die Docu Soaps stets im Schatten der weit mehr Aufsehen erregenden<br />
Reality Soaps. Beide Genres stehen exemplarisch für die Veränderungen und die formativen<br />
Merkmale des Reality TV. Danach zeichnet sich die Genrefamilie vor allem<br />
durch inhaltlich markierte Grenzübertretungen aus: die Verschränkung informierender<br />
30 Kein reales Gerichtsverfahren kann auf die Standardlänge von 20-30 Minuten verkürzt werden.<br />
Doch die Analyse tiefer gehender Ursachen und Motive für eine Tat sind bei Gerichts-Shows<br />
gar nicht erwünscht.<br />
210
Klaus / Lücke · Reality TV<br />
und unterhaltender, inszenierender und authentischer, alltäglicher und außergewöhnlicher<br />
Bestandteile. Zugleich weisen die Genres des Reality TV eine Anzahl gemeinsamer<br />
Inszenierungsstrategien auf. Zu diesen Stilmitteln gehören Personalisierung, Emotionalisierung,<br />
Intimisierung, Stereotypisierung sowie Dramatisierung. Weil sich das Reality<br />
TV momentan besonders rasant entwickelt, ist diese Zusammenstellung der die Genrefamilie<br />
kennzeichnenden Merkmale sicher nicht im Sinne eines statischen, abgeschlossenen<br />
oder eindeutigen Kanons zu verstehen. Vielmehr versteht sie sich als Zwischenbericht,<br />
als Bilanz, von der ausgehend neue Forschungsperspektiven entwickelt<br />
werden können.<br />
8. Literatur<br />
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Pressemappe zu „Durchboxen“, ARTE/ WDR, ohne Datum.<br />
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Pressemitteilung zu „Reeperbahn!“, RTL II, ohne Datum.<br />
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Strittmatter, Judka (1994): Niemand muß lila Haare haben oder Tattoos. Interview mit dem Produzenten<br />
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Genre Book. London: bfi Publishing, S. 4-5.<br />
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Genre Book. London: bfi Publishing, S. 6.<br />
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Weischenberg, Siegfried (2001): Nachrichten-Journalismus: Anleitungen und Qualitäts-Standards<br />
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212
(Film-) Genres und die Reduktion von Unsicherheit<br />
Volker Gehrau<br />
Die Studie geht dem Zusammenhang zwischen der Verwendung von Genrebezeichnungen<br />
und der Reduktion von Unsicherheit nach. Im ersten Teil des Beitrags werden dazu<br />
vier theoretische Modellierungen vorgestellt: In der kulturellen Modellierung resultiert<br />
die Reduktion von Unsicherheit aus der über Genres geschaffenen Anschlussfähigkeit<br />
zwischen einem konkreten Angebot und dem Gesamtangebot. Die Anschlussfähigkeit<br />
des einzelnen Angebots an bereits erfolgreich vermarktete Angebote sowie die Publikumswünsche<br />
steht im Vordergrund der ökonomischen Modellierung. In der psychologischen<br />
Modellierung bieten Genrezuordnungen Anschlussmöglichkeit an bereits gemachte<br />
kognitive und emotionale Erfahrungen. In der sozialen Modellierung dienen<br />
Genrebezeichnungen dazu, mittels Sicherung von Anschlusskommunikation Unsicherheit<br />
bei gemeinsamen <strong>Medien</strong>handlungen, insbesondere der Kommunikation über <strong>Medien</strong>angebote,<br />
zu reduzieren. Im zweiten Teil der Studie werden die Überlegungen auf<br />
das Publikum fokussiert: Demnach müssten Zuschauer in der Kommunikation über <strong>Medien</strong>angebote<br />
verstärkt Genrebezeichnungen benutzen, wenn die Situation unsicher ist.<br />
Innerhalb derselben Situation müsste das individuelle Sicherheitsgefühl ansteigen, wenn<br />
auf Genrebezeichnungen zurückgegriffen werden kann. Die vorliegenden Daten aus einer<br />
mündlichen Befragung sowie einer Reihe von Rezeptionsexperimenten bestätigen die<br />
Vermutungen.<br />
Keywords: Film- und Fernsehforschung, Rezeptionsforschung, Genre, Unsicherheit,<br />
Steuerungsfunktion, Befragung, Rezeptionsexperiment<br />
1. Ansatz<br />
Der nachfolgende Beitrag thematisiert die Frage, welche Funktion die Verwendung von<br />
Genrebegriffen zur Bezeichnung von Film- und Fernsehangeboten erfüllt. 1 Er konzentriert<br />
sich dabei auf den Aspekt des Umgangs mit Unsicherheit. Durch die Zuordnung<br />
eines Angebots zu einem Genre werden diesem bestimmte Eigenschaften zugeschrieben,<br />
andere mit großer Wahrscheinlichkeit erwartet und wieder andere von vornherein<br />
ausgeschlossen und damit Unsicherheit im Handeln mit dem entsprechenden Angebot<br />
reduziert. Diese Grundidee ist nicht neu; sie wird in einer Vielzahl theoretischer Ansätze<br />
zu Genres explizit oder implizit formuliert. Die hier vorgestellte Argumentation basiert<br />
sowohl auf einer Diskussion wichtiger theoretischer Ansätze im Feld von Filmund<br />
Fernsehgenres in Bezug auf den Punkt Unsicherheitsreduktion als auch auf empirischen<br />
Daten.<br />
Den Ausgangspunkt bildet die Überlegung, dass Genrebegriffe eine über Erwartungen<br />
konkretisierte Beziehung zwischen Film- und Fernsehangeboten einerseits und dem<br />
Publikum andererseits konstituieren. Die Konkretisierung der Erwartungen findet über<br />
die Sicherung von Anschlussfähigkeit statt. Die Möglichkeit, nicht nur über das einzelne<br />
Angebot zu kommunizieren, sondern über die Gleichartigkeit vieler Angebote,<br />
1 Ich danke Cornelia Spallek für Anmerkungen zu dem Manuskript sowie Iris Morgenstern und<br />
Jens Wolling für hilfreiche Hinweise zu einer vorhergehenden Version des Beitrags.<br />
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M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />
schafft diese Anschlussfähigkeit, und Genrebegriffe fassen diese Gleichartigkeit in einen<br />
leicht kommunizierbaren Begriff.<br />
Die theoretische Argumentation folgt der Einteilung in Angebot und Publikum und<br />
differenziert jeweils danach, ob die Reduktion von Unsicherheit mit oder ohne Referenz<br />
auf den anderen Bereich stattfindet. Damit lassen sich vier unterschiedliche Felder einteilen,<br />
in denen die hier zu untersuchende Reduktion von Unsicherheit im Kern durch<br />
(a) kulturelle, (b) ökonomische, (c) psychologische sowie (d) soziale Modellierung erklärt<br />
wird. Die kulturelle und die ökonomische Modellierung fokussiert auf das Angebot<br />
(letztere mit Bezug zum Publikum), die psychologische und die soziale Modellierung<br />
fokussiert auf das Publikum (erstere mit Bezug zum Angebot). Die kulturelle Modellierung<br />
von Genrebegriffen stellt eine Verbindung eines einzelnen Angebots zum<br />
Gesamtangebot her und reduziert Unsicherheit durch die Schaffung kultureller Anschlussfähigkeit.<br />
Die ökonomische Modellierung berücksichtigt zudem die Verbindung<br />
zwischen Angebot und Publikum. Sie erklärt die Reduktion von Unsicherheit durch das<br />
Bestreben, an ökonomisch erfolgreiche oder Erfolg versprechende Angebote mit einem<br />
konkreten Angebot anzuknüpfen. Die psychologische Modellierung stellt demgegenüber<br />
eine Verbindung zwischen den vorliegenden emotionalen und kognitiven Rezeptionsphänomenen<br />
und der Erinnerung an vorangegangene emotionale und kognitive<br />
Rezeptionsphänomene her. Die soziale Modellierung kommt bei der Kommunikation<br />
über <strong>Medien</strong>angebote zum Tragen. Hier wird Unsicherheit über die Sicherung sozialkommunikativer<br />
Anschlussfähigkeit vollzogen. Die Unterscheidung zwischen den vier<br />
Modellierungen dient der Vereinfachung der Argumentation. De facto lassen sich die<br />
vorhandenen theoretischen Ansätze zu Genres nicht eindeutig zuordnen, da sie explizit<br />
oder implizit mehrere Modellierungen in ihre jeweilige Argumentation mit einbeziehen.<br />
Trotzdem lassen sich einzelne Aspekte der theoretischen Ansätze den vier Modellierungen<br />
zuordnen.<br />
Im empirischen Teil des Beitrags werden Befragungsdaten zur Publikumsseite vorgestellt,<br />
mit denen der Zusammenhang zwischen Unsicherheit und der Verwendung von<br />
Genrebegriffen untersucht wird. Den Ausgangspunkt bildet die Hypothese, dass Genrebegriffe<br />
verwendet werden, um Unsicherheit zu begegnen. Deshalb müsste einerseits<br />
die Wahrscheinlichkeit der Verwendung von Genrebegriffen größer sein, wenn der Verwendungskontext<br />
viel Unsicherheit birgt, als in Verwendungskontexten mit wenig Unsicherheit.<br />
Andererseits sollte innerhalb desselben Verwendungskontextes die Unsicherheit<br />
abnehmen, wenn Genrebegriffe verwendet werden.<br />
2. Genres aus unterschiedlicher Perspektive<br />
2.1 Genres aus kultureller Perspektive<br />
Die kulturelle Perspektive geht vom Angebot aus und untersucht in erster Linie Filmgenres.<br />
Sie arbeitet Ähnlichkeiten zwischen Filmangeboten heraus und fasst diese zu<br />
Segmenten zusammen. Bei ausreichender Ähnlichkeit und Stabilität der Segmente<br />
werden Genres konstituiert und mit Genrebezeichnungen benannt. Die Konstitution<br />
und Benennung der Genres findet in Anlehnung an den kulturellen Hintergrund –<br />
z. B. literarische Genres – sowie die gesellschaftlichen Gegebenheiten statt. Die Zuordnung<br />
des konkreten Angebots zu einem Genre findet über Ähnlichkeit statt. Wird ein<br />
Angebot einem Genre zugeordnet, so ist damit die Erwartung verbunden, dass das<br />
konkrete Angebot den typischen Merkmalen des Genres entspricht. Die Reduktion<br />
von Unsicherheit kommt in der kulturellen Modellierung von Genres durch die<br />
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Gehrau · (Film-) Genres und Reduktion von Unsicherheit<br />
Sicherstellung kultureller Anschlussfähigkeit des einzelnen Angebots an andere Angebote<br />
zustande.<br />
Beispielhaft für die kulturelle Betrachtungsweise sind Bawdens Ausführungen zu<br />
Genres in Buchers Enzyklopädie des Films:<br />
„Genre: Eine Gruppe von fiktionalen Filmen mit gewissen gemeinsamen Merkmalen.<br />
Diese gemeinsamen Merkmale können geographischer (beispielsweise Western),<br />
zeitlicher (beispielsweise Ritterfilme), motivischer (beispielsweise Musical), dramaturgischer<br />
(beispielsweise Epischer Film) oder produktionstechnischer Natur sein<br />
(beispielsweise Ausstattungsfilm) – meist ist es eine Kombination von mehreren derartigen<br />
Elementen.“ (Bawden 1977: 292)<br />
Die Ansätze, die ich zur kulturellen Perspektive von Genres zähle, stammen hauptsächlich<br />
aus den Bereichen Film<strong>wissenschaft</strong>, Film- und Genretheorie sowie Filmkritik. Altman<br />
(2000: 216-226) unterscheidet hier – in Anlehnung an die Semiotik – semantische<br />
und syntaktische Ansätze. Semantische Ansätze konstruieren die Ähnlichkeitsbeziehung<br />
zwischen den Filmwerken nach inhaltlichen und filmischen Elementen. Ein Film<br />
gehört dann einem Genre an, wenn er dessen typische Elemente aufweist. Krimis könnte<br />
man demnach über das Vorkommen von Verbrechern und Polizei konstituieren. Im<br />
syntaktischen Ansatz werden Genres nach Beziehungen zwischen Elementen abgegrenzt.<br />
So könnte man Krimis über ein Verbrechen abgrenzen, das zu Beginn der Geschichte<br />
begangen und im Verlauf der Geschichte aufgeklärt wird. Semantische Ansätze<br />
haben nach Altman (2000: 220) den Vorteil, auf die meisten Filme anwendbar zu sein,<br />
sie können aber die Entstehung und Logik der Genres nicht erklären; syntaktische Ansätze<br />
sind demgegenüber zwar auf weniger Filme anwendbar, können dafür aber die<br />
Entstehung und Logik der Genres erklären.<br />
Semantische Ansätze finden sich vornehmlich im Feld der Filmtheorie bzw. Filmkritik.<br />
Filme werden nach Genres zugeordnet, um einerseits die Besonderheit des konkreten<br />
Filmwerks herauszuarbeiten (Gehrau 2001: 97) und andererseits Parallelen zu anderen<br />
aufzuzeigen. Z. B. geht Neal (2000) zum Teil semantisch vor, indem er die Charakteristika<br />
der wichtigen Hollywood-Genres herausarbeitet. Tudor (1977: 16–17) kritisiert<br />
solches Vorgehen, denn beispielsweise ist der Western ziemlich gut über das<br />
Merkmal „Amerika in der Zeit zwischen 1860 und 1900“ abzugrenzen; dieses sagt aber<br />
fast nichts über den eigentlichen Charakter von Western aus.<br />
Die meisten genretheoretischen Ansätze folgen eher der syntaktischen Variante. Für<br />
T. Sobchack (1977) bildet die Poetik von Aristoteles und deren Ansatz, Geschichten zu<br />
erzählen, den Ausgangspunkt heutiger Genrefilme. Die typischen Geschichten und<br />
Charaktere seien fast dieselben geblieben, auch wenn sich deren Realisation im Laufe der<br />
Zeit und unterschiedlicher Moden veränderte. V. Sobchack (1982) vermutet den Ursprung<br />
der gängigen Genrefilme in klassischen Mythen und Ritualen. Die dort festgelegten<br />
Handlungsweisen werden in den Geschichten der Genrefilme lediglich variiert.<br />
McConnell (1977) sieht das Genre als eine bestimmte Art an, einen Film zu realisieren,<br />
die sich an bereits bestehende Filmwerke anlehnt.<br />
In beiden Varianten findet durch die Zuordnung eines Films zu einem Genre eine Reduktion<br />
von Unsicherheit statt, denn der zugeordnete Film erbt zumindest einige semantische<br />
und/oder syntaktische Eigenschaften des Genres. Dieses Wissen generiert Erwartungen<br />
an den konkreten Film und erleichtert es, ihn zu analysieren und zu kritisieren.<br />
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M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />
2.2 Genres aus ökonomischer Perspektive<br />
Auch die ökonomische Perspektive setzt beim Angebot an. Sie thematisiert die Frage,<br />
inwiefern die ökonomischen Strukturen bei der Produktion und Vermarktung von Filmen<br />
die Entwicklung von Genres beeinflusst haben. Dabei bezog sich die Argumentation<br />
anfangs auf die Strukturen der Filmindustrie in Hollywood, später auf die Entwicklung<br />
der Film- und Fernsehproduktion allgemein. Auch in dieser Perspektive handelt<br />
es sich bei Genres um Gruppen von Filmen mit bestimmten Merkmalen. Durch den<br />
Bezug auf Genres wird Unsicherheit bei Produktion und Absatz der Produkte reduziert.<br />
Das geschieht zum einen über die Schaffung von Standards und zum anderen über<br />
die Möglichkeit, an erfolgreiche Produkte anzuschließen.<br />
Eine gewisse Standardisierung ergibt sich beim Herstellen von Filmen fast zwangsläufig<br />
aus ökonomischen Zwängen, denen durch Minimierung der Produktionskosten<br />
Rechnung getragen wird. Das führt zu der Idee, Requisiten, Kulissen, Kostüme etc.<br />
mehrfach zu benutzen. (Altman 2000: 184–187) Ähnliches vollzog sich, als die Filmindustrie<br />
versuchte, die Filmproduktion durch Orientierung an den Publikumserwartungen<br />
zu standardisieren. Man lehnte sich bei der Produktion neuer Filme an gemeinsame<br />
Merkmale bereits erfolgreich vermarkteter Filme an. Zudem bildeten sich aus dem Erfolg<br />
oder Misserfolg vorhandener Filme Erwartungen darüber, was das Publikum zu sehen<br />
wünscht. Um den Erfolg eines Filmes kalkulieren und maximieren zu können, orientiert<br />
sich die Produktion neuer Filme an diesem Wissen. Schweinitz (1994) sieht in<br />
diesem Phänomen den Beginn des systematischen Operierens mit Genres und charakterisiert<br />
die damalige Situation so:<br />
„Zur Jahresmitte 1911 konnte man von einer großen Filmgesellschaft regelmäßige<br />
Lieferungen, bestehend aus einem Melodrama, einem Western und einer Comedy,<br />
erwarten“. (Schweinitz 1994: 100)<br />
Hinzu kommt die Vermarktung audio-visueller Produkte. Hierbei spielt weniger die<br />
Orientierung an Genre-Standards eine Rolle als die Verwendung von Genrebegriffen<br />
zur Ankündigung und Verbreitung des Produkts. Gehrau (1999: 78-80) vergleicht das<br />
Vorgehen mit der Verpackung eines Produktes, die beim Kunden Interesse und Erwartungen<br />
wecken sollen. Die Genrebezeichnung ebnet den Weg eines bestimmten Produktes<br />
in Richtung Zielgruppe und macht diese auf das Produkt aufmerksam. Altman<br />
(2000: 100–122) kann zeigen, dass dieses Vorgehen in den frühen Jahren der Filmvermarktung<br />
einen entscheidenden Beitrag zur Genese von Genrebezeichnungen leistete.<br />
Studios replizierten erfolgreiche Filmkonzepte, so dass Reihen entstanden, an denen die<br />
Studios die Rechte besaßen. Andere Studios realisierten ähnliche Produkte, um am Erfolg<br />
zu partizipieren. Sie durften aber die Titel nicht verwenden. So umschrieben sie erst<br />
die Charakteristika der erfolgreichen Reihen mit Adjektiven, aus denen sich später oft<br />
Genrenamen entwickelten.<br />
Aus der ökonomischen Perspektive hat der Zwang, Unsicherheit zu reduzieren – im<br />
Sinne der Reduktion ökonomischer Risiken –, sowohl zur Genese von Genrebegriffen<br />
als auch zur Orientierung an Genrevorgaben geführt. Die Unsicherheitsreduktion ergibt<br />
sich einerseits aus der Anschlussfähigkeit an ökonomisch erfolgreiche Produkte<br />
und andererseits aus der Anschlussfähigkeit an Publikumserwartungen.<br />
216
Gehrau · (Film-) Genres und Reduktion von Unsicherheit<br />
2.3 Genres aus psychologischer Perspektive<br />
Aus der psychologischen Perspektive reduzieren Genres Unsicherheit durch Anschlussfähigkeit<br />
an bereits gemachte kognitive und emotionale Erfahrungen. Genres organisieren<br />
die kognitiven und emotionalen Erfahrungen als spezielles Wissen (für Film- und<br />
Fernsehangebote), mit dessen Hilfe spezielle Erwartungen gebildet werden. Psychologisch<br />
wirksam werden die Genres durch ein Zusammenspiel von Bottom-up- und Topdown-Prozessen.<br />
Bottom-up aktivieren Wahrnehmungen bereits gemachte kognitive<br />
und emotionale Genreerfahrungen, die wiederum top-down Erwartungen aktivieren<br />
und die kognitive und emotionale Verarbeitung steuern. Bei den psychologischen Ansätzen<br />
zu Genres lassen sich kognitive und emotionale Ansätze unterscheiden.<br />
Es dominieren die kognitiven Ansätze, die sich im Kern implizit oder explizit auf die<br />
kognitive Schematheorie beziehen. Die moderne Variante der kognitiven Schematheorie<br />
wurde durch drei ähnliche Konzepte eingeführt: Frames von Minsky (1975), Scripts<br />
von Schank und Abelson (1977) sowie Schemata von Rumelhart (1975). Nach Rumelhart<br />
sind Schemata komplexe Wissensstrukturen, die aus einem Geflecht von Variablen<br />
bestehen. Ein Schema wird durch bestimmte Reize aktiviert. Bei der Aktivierung belegt<br />
die aktivierende Reizkonstellation einige Variablen des Schemas, die wiederum die Belegung<br />
anderer Variablen des Schemas beeinflussen. Im Modell Rumelharts setzt Aktivierung<br />
eines Schemas die Variablen nicht auf einen festgelegten Wert, sondern der Wertebereich<br />
möglicher Belegungen wird eingeschränkt und bestimmte Ausprägungen werden<br />
wahrscheinlicher als andere. Nach der Idee des Wahrnehmungszyklus‘ von Neisser<br />
(1979) aktivieren bestimmte Wahrnehmungen Schemata, die dann die weitere Wahrnehmung<br />
leiten. Dadurch wird eine ökonomische Informationsverarbeitung sichergestellt.<br />
Es muss lediglich anhand wichtiger Bestandteile des Schemas geprüft werden, ob<br />
das Schema auf die folgenden Wahrnehmungen passt. Danach kann sich die Wahrnehmung<br />
auf untypische Merkmale konzentrieren, die über das Schema hinausgehende Zusatzinformationen<br />
liefern (Waldmann 1990: 54–60). Das Schema leitet die weitere Wahrnehmung<br />
nicht nur; es generiert auch Erwartungen an die folgenden Wahrnehmungen.<br />
Mit den Erwartungen entsteht die Möglichkeit, Schemata bewusst zu verändern (Baumgartner/Trauner<br />
1996: 166–167).<br />
Filmverstehen ist laut Bordwell (1992) ein kognitiver Konstruktionsprozess, bei dem<br />
die Zuschauer, vom Filmmaterial ausgehend und auf Vorwissen zurückgreifend, provisorische<br />
Hypothesen über den Filmverlauf bilden. Dabei orientieren sich die Zuschauer<br />
einerseits an Handlungsschemata bezüglich der Narration und der Situation und andererseits<br />
an Figurenschemata über Rollen und Personen sowie deren Motive und Ziele.<br />
Die Vorhersehbarkeit ist – laut Bordwell – bei der Filmrezeption besonders wichtig,<br />
da man im Gegensatz zur Textlektüre nicht zurückblättern kann. Das narrative Form-<br />
Inhalt-Korrespondenzgitter steht im Zentrum des Ansatzes von Ohler (1994). Er beschreibt<br />
die Filmverarbeitung mit Hilfe eines kognitiven Prozessmodells, bei dem Reize<br />
aus dem sensorischen Kurzzeitspeicher und Informationen aus unterschiedlichen<br />
Wissensbeständen des Langzeitgedächtnisses im zentralen Prozessor zu einem Situationsmodell<br />
integriert werden. Dieses stellt eine Vereinfachung der eingehenden Reizkonstellation<br />
dar, da der zentrale Prozessor nur über eine begrenzte Kapazität verfügt.<br />
Ohler (1994: 32–41) unterscheidet drei Wissensbasen, auf die der zentrale Prozessor bei<br />
der Filmverarbeitung zurückgreift: (1) das generelle Weltwissen über persönliche und<br />
kulturell tradierte Alltagserfahrungen, (2) narratives Wissen über genretypische Personen,<br />
Konstellationen, Handlungen und Plots sowie (3) das Wissen über filmische Darstellungsformen.<br />
Unter anderem untersuchte Ohler den Zusammenhang zwischen Gen-<br />
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M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />
reschemata und Filmerinnerung. Erstens erhöht das Genrewissen die Wahrscheinlichkeit<br />
der Erinnerung solcher Szenen, die innerhalb des Genres die Geschichte konstituieren.<br />
Zweitens werden solche Szenen nicht erinnert, die durch das Genreschema in den<br />
Hintergrund treten, da sie entweder für den Handlungsverlauf irrelevant oder vom<br />
Schema selbst vollständig repräsentiert sind. (Ohler 1994: 239–251) Zudem konnte er<br />
anhand eines kurzen Ausschnitts belegen, dass Zuschauer aus diesem genrespezifische<br />
Annahmen über den Fortgang der Handlung generieren, die im Groben den typischen<br />
Handlungsverläufen des Genres entsprechen. (Ohler 1994: 230–238) Schwan (1995) betrachtet<br />
Genres als kognitive Schemata, die Informationen über typische Personen, Objekte<br />
und Ereignisverläufe in Filmen enthalten, die, wenn sie beim Zuschauer aktiviert<br />
sind, die Art seiner Informationsverarbeitung und seiner Filminterpretation steuern: Die<br />
Aktivierung eines bestimmten Genres vereinheitlicht die Einschätzung, welche Szenen<br />
für den Film wichtig und welche eher unwichtig sind. (Schwan 1995: 32–37) Gehrau<br />
(2001) kann zeigen, dass bei geeigneten Szenen bereits binnen einer Sekunde eine relativ<br />
sichere Genreidentifikation stattfindet, die insbesondere von der Erkennung typischer<br />
Personen sowie auffälliger Schlüsselreize abhängt. (Gehrau 2001: 236–251)<br />
Im Vergleich zur kognitiven bildet die emotionale Modellierung von Genres eher die<br />
Ausnahme. Sie betrachtet bestimmte emotionale Konstellationen als typisch für bestimmte<br />
Genres. Treten diese Konstellationen auf, wird das Genre (-Gefühl) aktiviert<br />
und leitet die weitere Rezeption. Den Ausgangspunkt bilden Emotionstheorien, die entweder<br />
körperliche Erregung als Emotion betrachten oder die Bewertung dieser Erregung<br />
(Grodal 2000: 4). Nach Scherer (1998) entstehen die Emotionen bei der Rezeption<br />
audio-visueller <strong>Medien</strong>angebote zum einen als Emotionen durch die medieninduzierte<br />
Erregung, die im Kontext des <strong>Medien</strong>inhalts bewertet wird, und zum anderen als Komotion,<br />
also der Übernahme der Emotionen der dargestellten <strong>Medien</strong>figuren.<br />
Grodal (2000) ist der Erste, der Genres vornehmlich auf emotionaler Basis argumentiert.<br />
Seine Ausgangshypothese lautet:<br />
»My hypothesis is that the main genre-formulars and moods of fictive entertainment<br />
are often constructed to produce certain emotions, by allowing the viewer to stimulate<br />
one from a set of fundamental emotions linked to basic human situations. Mass<br />
fiction, in particular, is preduced, consumed and distributed in certain categories,<br />
and it seems intuitivly evident that one of the pertinent features distinguish these<br />
categories is a set of affect-preducing patterns (such as horror, romance and comedy)<br />
[…].« (Grodal 2000: 161)<br />
Grodal unterscheidet drei Dimensionen, welche die Art der emotionalen Rezeption bestimmen<br />
und die wichtigen Genres unterscheiden: (a) die Kontextualisierung der Rezeption<br />
in Bezug auf die Frage, ob die reale Rezeptionssituation bewusst bleibt oder ausgeblendet<br />
wird, (b) die Art der kognitiven und emotionalen Beziehung zu den <strong>Medien</strong>figuren<br />
sowie (c) die Struktur der Narration, vor allem in Bezug auf die Frage, ob den<br />
Figuren das Geschehen eher passiv widerfährt, oder ob die Handelnden es eher aktiv gestalten.<br />
Während der Rezeption führt die Kombination der drei Dimensionen zu einer<br />
dominanten emotionalen Tönung (einer Art Genregefühl), welche die einzelnen emotionalen<br />
Reaktionen steuert. So kann dieselbe Szene, in der z. B. ein Mann einen anderen<br />
Mann schlägt, je nach Genrekontext Freude verursachen, weil es lustig ist, Trauer,<br />
weil es dramatisch ist, oder Angst, da es spannend ist. (Grodal 2000: 157–164)<br />
Psychologisch betrachtet reduzieren Genres Unsicherheit durch die Anschlussfähigkeit<br />
an bereits vorhandene kognitive und emotionale Erfahrungen. Sie generieren Er-<br />
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Gehrau · (Film-) Genres und Reduktion von Unsicherheit<br />
wartungen, die die kognitive Interpretation, die emotionale Verarbeitung sowie die motivierte<br />
Auswahl von <strong>Medien</strong>inhalten steuern.<br />
2.4 Genres aus sozialer Perspektive<br />
Aus sozialer Perspektive dienen Genrebegriffe dazu, Unsicherheit in <strong>Kommunikations</strong>situationen<br />
zu reduzieren. Sie werden in der Hoffnung benutzt, dem <strong>Kommunikations</strong>partner<br />
deutlich machen zu können, worüber man redet, um so die sozial-kommunikative<br />
Anschlussfähigkeit zu sichern.<br />
Die Argumentation schließt an Luhmanns (1987) Theorie Sozialer Systeme an. Luhmann<br />
bezeichnet all jene Reize oder Ereignisse als Information, die im System Komplexität<br />
reduzieren, indem sie auf nur eine begrenzte Zahl von Möglichkeiten verweisen<br />
(1987: 102–105). Da ständig Informationen auftreten, kann es sein, dass bestimmte Informationen<br />
immer in derselben Konstellation oder Reihenfolge auftreten. Diese werden<br />
zu Generalisierungen zusammengefasst und durch einzelne Symbole repräsentiert.<br />
Die Symbole lassen sich kommunizieren, so dass die Generalisierungen durch Kommunikation<br />
sozial abgestimmt werden.<br />
„Symbolische Generalisierungen verdichten die Verweisungsstruktur jeden Sinns zu<br />
Erwartungen, die anzeigen, was eine gegebene Sinnlage in Aussicht stellt. Und ebenso<br />
gilt das Umgekehrte: Die in konkreten Situationen benötigten […] Erwartungen<br />
führen und korrigieren die Generalisierungen.“ (Luhmann 1987: 139)<br />
Die konstruktivistische <strong>Medien</strong>gattungstheorie knüpft daran an und fundiert ein Gattungskonzept<br />
über <strong>Medien</strong>handlungen. Rusch (1987) greift die Idee der autopoietischen<br />
Systeme auf. Lebende Systeme entwickeln sich in Koevolution mit anderen lebenden<br />
Systemen, die sich gegenseitig wahrnehmen und miteinander kommunizieren.<br />
Durch gemeinsames Handeln in Bezug auf bestimmte Objekte entstehen Konventionen.<br />
Zu diesen zählt Rusch auch Begriffe für <strong>Medien</strong>gattungen. Sie bilden sich im gemeinsamen<br />
Operieren von Personen mit <strong>Medien</strong>angeboten. Die Begrifflichkeit variiert<br />
je nach Personen, die sie verwenden, Situationen, in denen sie verwendet werden und<br />
<strong>Medien</strong>angeboten, auf die sie sich beziehen. (Rusch 1987: 230–252) Nach Schmidt<br />
(1987) steuern <strong>Medien</strong>gattungen Handlungen und Erwartungen individuell und sozial.<br />
Inhalt und Verlauf von <strong>Medien</strong>angeboten werden zum Teil vorhersehbar und das individuelle<br />
<strong>Medien</strong>handeln darauf abgestimmt. Zudem können sich die Handlungen an<br />
einem sozialen Referenzsystem orientieren und so eine Verbindung zum sozialen System<br />
schaffen. (Schmidt 1987: 166–185) Haben sich bestimmte Erwartungen im sozialen<br />
System durchgesetzt, wirkt die Orientierung am und die Verbindung zum sozialen<br />
System so stark, dass Gattungsbegriffe und damit verbundene Erwartungen an Inhalt<br />
und Aufbereitung auf die <strong>Medien</strong>produzenten einwirken und sogar die Organisation<br />
von <strong>Medien</strong>unternehmen bis hin zu Teilen des <strong>Medien</strong>systems beeinflussen. (Rusch<br />
1987: 263–269)<br />
Gehrau (2001) geht davon aus, dass Genrebegriffe des Publikums eine entscheidende<br />
Rolle bei Gesprächen über audiovisuelle <strong>Medien</strong>angebote spielen. Sie erleichtern das<br />
Verständnis zwischen den <strong>Kommunikations</strong>partnern. Durch den Verweis auf das Genre<br />
werden individuelle und kulturelle Wissensbestände aktiviert, die es ermöglichen, einen<br />
ausreichenden Eindruck des <strong>Medien</strong>angebots zu erlangen, ohne es konkret kennen<br />
zu müssen. Diese Funktion der Verwendung von Genrebezeichnungen tritt aber nicht<br />
nur in Alltagsgesprächen auf, sondern auch bei der empirischen Untersuchung von<br />
219
M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />
Genres mittels Befragung, denn diese schafft eine soziale <strong>Kommunikations</strong>situation.<br />
(Gehrau 2001: 27–30)<br />
Aus der sozialen Perspektive reduzieren Genres Unsicherheit, indem sie mittels Genrebezeichnungen<br />
sowohl die Anschlussfähigkeit der individuellen Erfahrungen sicherstellen<br />
als auch einen Bezug zu kulturellen Konventionen herstellen.<br />
3. Hypothesen und Begriffe<br />
Die generelle Fragestellung der Studie lautet: Sind Genres und Genrebezeichnungen geeignet,<br />
Unsicherheit zu reduzieren? Für die kulturelle und die ökonomische Perspektive<br />
bleibt es bei der vorab dargestellten theoretischen Argumentation, zumal beide bereits<br />
in vielen Ansätzen erörtert wurden. Empirisch untersucht werden die psychologische<br />
sowie die soziale Perspektive mit folgenden Hypothesen:<br />
Soziale Perspektive: Fernsehzuschauer greifen bei der Kommunikation über fiktionale<br />
Fernsehangebote immer dann vermehrt auf Genrebegriffe zurück, wenn die Situation<br />
Unsicherheit birgt.<br />
Psychologische Perspektive: In einer unsicheren Situation steigt das individuelle Gefühl<br />
von Sicherheit an, wenn die Zuschauer auf bekannte Genrevorgaben und -begriffe<br />
zurückgreifen können.<br />
Die Studie untersucht die Funktion von Genres am Beispiel der Verwendung von<br />
Genrebezeichnungen. Anhand von Kommunikation über Film- und Fernsehangebote<br />
lässt sich die Funktion der Genrebezeichnungen nachvollziehen. Bei der Kommunikation<br />
über Film- und Fernsehangebote konkurrieren Genrebezeichnungen mit anderen<br />
Begriffen, die <strong>Medien</strong>angebote beschreiben.<br />
Das Angebot, auf das sich die Analyse bezieht, umfasst das fiktionale Fernsehprogramm.<br />
Bei der Kommunikation über solche <strong>Medien</strong>angebote werden unterschiedliche<br />
Arten von Begriffen benutzt. Diese lassen sich in die folgenden Begriffsfelder einteilen:<br />
(a) Titel, (b) Bewertung, (c) Genre, (d) Personen, (e) Inhalt, (f) Technik, (g) Gattung,<br />
(h) Sender etc. (vgl. Gehrau 2001). So könnte ein Fernsehangebot beispielsweise folgendermaßen<br />
bezeichnet werden: (a) Lolita, ein (b) fesselndes (c) Gesellschaftsdrama mit<br />
(d) Peter Sellers über (e) einen älteren Mann, der sich in ein junges Mädchen verliebt, als<br />
(f) schwarz-weiß (g) Film auf (h) arte ausgestrahlt.<br />
Die Angaben Titel, Sender und Inhalt rekurrieren auf das konkrete Angebot. Demgegenüber<br />
spezifizieren die Angaben zu Personen und Technik das Angebot unter Bezugnahme<br />
auf andere film- und fernsehspezifische Angebote. Genre- und Gattungsbezeichnungen<br />
sind Generalisierungen zur Beschreibung von Form und Inhalt von<br />
<strong>Medien</strong>angeboten. Dabei bezeichnet die Gattung die Form bzw. das Format eines Angebots,<br />
das Genre hingegen den Inhalt bzw. Gegenstand des Angebots. Im Fernsehangebot<br />
sind nach dem Format Gattungen wie Magazine, Shows, Nachrichten etc. zu unterscheiden,<br />
im fiktionalen Fernsehangebot im Wesentlichen Filme und Serien. Genrebegriffe<br />
sind auf das fiktionale Angebot beschränkt und unterscheiden Filme und Serien<br />
nach ähnlichen Inhalten, z. B. in Western, Science Fiction, Drama, Krimi etc..<br />
Insofern korrespondiert das Genre eines fiktionalen Angebotes mit dem Thema eines<br />
nicht fiktionalen Angebots, z. B. Sport, Gesundheit oder Politik als Gegenstand eines<br />
Magazins. (Gehrau 2001: 108–110)<br />
220
Gehrau · (Film-) Genres und Reduktion von Unsicherheit<br />
4. Anlage der Teiluntersuchungen<br />
Die Hypothesen werden anhand von Daten aus zwei empirischen Studien geprüft, einer<br />
Befragung und einer Reihe von Rezeptionsstudien, mit denen primär die Bezeichnung<br />
und Klassifikation von Fernsehprogrammen untersucht werden sollte2 .<br />
Die Befragung fand mit einer nach Alter und Geschlecht quotierten Stichprobe der<br />
Berliner Wohnbevölkerung statt (n = 265) 3 . Es handelt sich um eine mündliche, standardisierte<br />
Befragung, durchgeführt von knapp 60 geschulten studentischen Interviewern.<br />
Im Fragebogen wurde unter anderem offen gefragt, was die Befragten gestern und<br />
vorgestern nach 20 Uhr im Fernsehen gesehen hatten. Damit sollte eine Gesprächssituation<br />
simuliert werden, in der sich zwei Personen über das Fernsehprogramm unterhalten.<br />
Die Interviewer hatten die Anweisung, die Antwort wörtlich zu protokollieren.<br />
Diese Protokolle wurden daraufhin kodiert, welche Art von Elementen die Befragten<br />
benutzen, um die von ihnen gesehenen Sendungen zu bezeichnen. Die Kodierung umfasst<br />
das Vorkommen von: Titel („Spiel mir das Lied vom Tod“, „Krieg der Sterne“ etc.),<br />
Gattung4 (Film, Spielfilm etc.), Genre (Western, Krimi etc.), Sender (ARD, RTL etc.),<br />
Inhalt (Kampf, Verfolgung etc.), Personen (Schwarzenegger, Asterix etc.), Bewertung<br />
(gut, faszinierend etc.) sowie Produktionsangaben (Zeichentrick, schwarz-weiß etc.).<br />
Die Rezeptionsstudien fanden mit insgesamt 124 studentischen Probanden5 statt. Diese<br />
sahen mehrere ca. eine Sekunde lange Ausschnitte vornehmlich aus dem fiktionalen<br />
Fernsehangebot. 6 Alle Ausschnitte wurden Probandengruppen vorgeführt und die Teilnehmer<br />
direkt im Anschluss an jeden Ausschnitt gebeten, auf einem Fragebogen offen<br />
anzugeben, aus was für einem Film bzw. einer Sendung der Ausschnitt ihrer Meinung<br />
nach stamme. Die Probanden wurden gebeten, so zu antworten, als hätte sie ein Bekannter<br />
gefragt, was gerade im Fernsehen läuft. Die Angaben wurden nach demselben<br />
System kodiert wie in der Befragung. Obgleich die Hypothesen lediglich Aussagen über<br />
die Genrebezeichnungen machen, werden bei allen Untersuchungsschritten auch die andere<br />
Angaben ausgewiesen, um die Effekte bei den Genreangaben an den Effekten der<br />
anderen Angaben relativieren zu können.<br />
2 Die hier vorzustellenden Ergebnisse haben insofern den Charakter einer weiter führenden Sekundäranalyse.<br />
Für die primäre Fragestellung siehe Gehrau 2001.<br />
3 Obgleich nur knapp 90 Prozent der anvisierten Stichprobe von 300 Interviews realisiert werden<br />
konnten, weicht keine Gruppe der acht vorgegebenen Merkmalskombinationen aus Geschlecht<br />
und Altersgruppe um mehr als 1,6 Prozentpunkte von den Vorgaben – basierend auf dem<br />
Statistischen-Jahrbuch – ab. In der Stichprobe sind Personen allen Alters – von 16 bis 96 Jahren<br />
– wie auch aller Bildungsgruppen vertreten, obwohl zu den Letztgenannten keine Vorgaben gemacht<br />
wurden.<br />
4 Bei der Kodierung in der Originalstudie wurden alle Angaben über das Format von Fernsehangeboten<br />
als Gattung erfasst. Da die hier vorgestellte Auswertung auf das fiktionale Fernsehangebot<br />
fokussiert, bestehen die Gattungsangaben fast ausschließlich aus der Nennung Film sowie<br />
Synonymen.<br />
5 Die Probanden waren zwischen 18 und 30 Jahre alt, mit einem Durchschnittsalter von 21,7 Jahren<br />
(Median = 21) und befanden sich mehrheitlich im Grundstudium. Knapp zwei Drittel von<br />
ihnen (62%) waren weiblich.<br />
6 Eine Liste der bei den Rezeptionsexperimenten verwendeten Ausschnitte findet sich im Anhang<br />
zum Beitrag.<br />
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M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />
5. Ergebnisse<br />
5.1 Genrebezeichnungen in <strong>Kommunikations</strong>situationen<br />
Die Befragten haben unterschiedliche Elemente benutzt, um die von ihnen gesehenen<br />
fiktionalen Fernsehangebote zu bezeichnen. In zwei Drittel aller Bezeichnungen einer<br />
Fiktionsendung finden sich Titelangaben, in knapp der Hälfte Gattungsangaben. In jeweils<br />
gut einem Viertel der Bezeichnungen kommen Verweise auf das Genre oder den<br />
Sender vor, in gut einem Fünftel auf den Inhalt und in knapp einem Fünftel auf Personen.<br />
Ein Achtel der Bezeichnungen enthält persönliche Bewertungen der Sendung, ein<br />
Zwölftel Verweise auf die Produktionstechnik. Die Angabe des Titels eines fiktionalen<br />
Fernsehangebots ist das wichtigste Merkmal, um das Angebot im Gespräch mit anderen<br />
zu bezeichnen. Obgleich der Titel theoretisch ausreicht, um einen Film zu identifizieren,<br />
wird er in den meisten Fällen (53 %) durch mindestens ein weiteres Bezeichnungselement<br />
konkretisiert, zumeist handelt es sich um Angaben über die Gattung, den ausstrahlenden<br />
Sender oder das Genre.<br />
Tabelle 1: Bezeichnungselemente für Fiktionangebote (nach Titelangaben)<br />
Bezeichnungselement Vorkommen Davon<br />
Titel 66 % ohne Titel* mit Titel*<br />
Gattung 44 % 80 % 25 %<br />
Genre 27 % 50 % 15 %<br />
Sender 26 % 35 % 25 %<br />
Inhalt 21 % 40 % 10 %<br />
Personen 18 % 30 % 10 %<br />
Bewertung 12 % 10 % 15 %<br />
Produktion 7 % 10 % 5 %<br />
Basis n = 194 n = 67 n = 127<br />
* Die Werte sind – wegen der geringen Fallzahl – auf 5 Prozent gerundet.<br />
Vordergründig erscheinen die Zusatzangaben überflüssig. In der simulierten Gesprächssituation<br />
kann der Befragte allerdings nicht sicher sein, dass dem Interviewer der<br />
Titel bekannt ist. Mit der Ergänzung könnten die Befragten der Unsicherheit begegnen<br />
wollen, vom Interviewer nicht adäquat verstanden zu werden. Interessanter sind allerdings<br />
diejenigen Angaben, in denen die Befragten nicht den Titel nennen. Einerseits<br />
könnten sie etwas gesehen haben, von dem sie den Titel nicht wissen, oder aber sie wissen<br />
ihn, nennen ihn aber nicht, da sie meinen, der Interviewer kenne den Titel wahrscheinlich<br />
nicht. In beiden Fällen besteht beim Befragten Unsicherheit, im ersten Fall<br />
darüber, was er gesehen hat, im zweiten Falle darüber, wie die Kommunikation am besten<br />
gelingt. Wenn der Titel nicht genannt wird, greifen die Befragten in acht von zehn<br />
Fällen auf die Gattung zur Bezeichnung zurück, in jedem zweiten Fall auf das Genre.<br />
Auch andere Angaben werden gemacht, wenngleich deutlich seltener.<br />
Demnach werden Genreangaben in alltäglichen Gesprächen über fiktionale Fernsehangebote<br />
benutzt, und zwar vor allem dann, wenn das Angebot nicht über den Titel<br />
identifiziert wird. Gemäß der ersten Hypothese können beide Resultate als Indiz dafür<br />
gewertet werden, dass Genreangaben den Gesprächspartnern beim Reden über Fernsehangebote<br />
dazu dienen, die Unsicherheit über das Gelingen der Kommunikation zu<br />
reduzieren.<br />
222
Gehrau · (Film-) Genres und Reduktion von Unsicherheit<br />
5.2 Genrebezeichnungen bei der Erkennung von Ausschnitten<br />
Auch bei den Rezeptionsstudien handelt es sich um Befragungen, die der <strong>Kommunikations</strong>situation<br />
geschuldete Unsicherheit tritt also auch in dieser Untersuchung auf. Hier<br />
haben die Probanden aber keinen Film gesehen, sondern lediglich einen Ausschnitt. In<br />
Bezug auf die Unsicherheit unterscheiden sich die Situationen insofern, als zur Unsicherheit<br />
über das Gelingen der Kommunikation die Unsicherheit darüber hinzukommt,<br />
aus welchem Film der Ausschnitt stammen könnte. Bei der Erkennung und Bezeichnung<br />
von Fiktion-Ausschnitten sind vor allem Genrebegriffe wichtig; die Probanden<br />
benutzten sie in fast drei Viertel aller Fälle. Gut die Hälfte der Bezeichnungen enthält<br />
Gattungsangaben. Mittlere Bedeutung haben – mit ca. einem Fünftel Vorkommen – die<br />
Inhaltsangaben und Titelnennungen, gut jede sechste Angabe umfasst Personennennungen,<br />
knapp jede achte Produktionshinweise. Lediglich bei der Bezeichnung jeder<br />
zwanzigsten Rezeption nehmen die Probanden Bewertungen vor; auf Sender wird praktisch<br />
nie verwiesen.<br />
Genres – eingeschränkt auch Gattungen – sind als klassifizierende Angaben bei der<br />
Einordnung und Bezeichnung kurzer Filmausschnitte bedeutsamer als bei der bloßen<br />
Bezeichnung gesehener Filme, wohingegen konkrete Angaben wie Titel oder Sender bei<br />
der Einordnung an Bedeutung verlieren.<br />
Tabelle 2: Bezeichnungselemente bei Ausschnitterkennung (Differenzen zur Befragung)<br />
Bezeichnungselement Vorkommen Differenz zur Differenz zur Gruppe<br />
Gesamtbefragung Abitur/Studium<br />
unter 30 Jahren*<br />
Genre 72 % 45 50<br />
Gattung 51 % 7 10<br />
Inhalt 22 % 1 0<br />
Titel 19 % - 47 - 50<br />
Personen 17 % - 1 - 5<br />
Produktion 12 % 5 0<br />
Bewertung 5 % - 7 - 5<br />
Sender 0 % - 26 - 20<br />
Basis n = 779<br />
* Die Werte sind – wegen der geringen Fallzahl – auf 5 Prozent gerundet.<br />
In Tabelle 2 sind die Differenzen in Prozentpunkten zwischen dem Gesamtergebnis der<br />
Rezeptionsstudien und dem Gesamtergebnis der Befragung einerseits sowie der entsprechenden<br />
Alters- und Bildungsgruppe andererseits wiedergegeben. Streng genommen<br />
ist nur die Differenz zwischen den vergleichbaren Gruppen interpretierbar. Die<br />
Vergleichsgruppe ist insoweit problematisch, als sie auf lediglich 51 Fällen basiert. Das<br />
Problem kommt aber praktisch nicht zum Tragen, da die Unterschiede jeweils zwischen<br />
den Bezeichnungselementen deutlich größer ausfallen als die Unterschiede zwischen<br />
den jeweiligen Gruppendifferenzen.<br />
Die Ähnlichkeiten des Vorkommens einiger Elemente zwischen der Befragung und<br />
der Rezeptionsstudie sind fast verwunderlicher als die Unterschiede. Die Wahrscheinlichkeit,<br />
dass bei der Bezeichnung auf den Inhalt oder auf beteiligte Personen verwiesen<br />
223
M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />
wird, ist bei beiden nahezu identisch. Produktionsangaben sind beim Einordnen von<br />
Ausschnitten etwas wahrscheinlicher. Größer fallen die Differenzen bei den Gattungsangaben<br />
und Bewertungen aus. Es ist aber schwierig zu beurteilen, wie aussagekräftig<br />
die Differenzen – von ca. 7 Prozentpunkten – sind, da der Probandenauswahl der Rezeptionsstudien<br />
kein Zufallsverfahren zugrunde liegt und die Befragung auf einer Quotenstichprobe<br />
basiert, womit die Voraussetzung für die üblichen Testverfahren fehlt. Ignoriert<br />
man die methodischen Einwände und testet die Differenzen nach t, so liegen deren<br />
Signifikanzen um p = 0,05. Die Differenzen können also nicht sicher als tatsächlich<br />
vorhanden interpretiert werden – im Gegensatz zu den großen Differenzen von fast 50<br />
Prozentpunkten Anstieg bei den Genreangaben und Abnahme bei den Titelangaben sowie<br />
den ca. 25 Prozentpunkten Abnahme bei den Senderangaben. Diese Differenzen<br />
sind nach t eindeutig signifikant, trotz Anwendung der konservativsten Varianzschätzung<br />
für die Prozentwertdifferenzen. 7<br />
Die Tatsache, dass bei der Erkennung von Ausschnitten weniger Titel- und Senderangaben<br />
gemacht werden, ist auf das Problem zurückzuführen, den Originalfilm oder<br />
-sender zu erkennen. Wenn der Film nicht erkannt wird, stellt sich die Frage, um was<br />
für einen Film es sich handelt. Es entsteht Unsicherheit. Zusätzlich entsteht Unsicherheit,<br />
da der Titel, wenn er nicht erkannt wird, nicht zur Steuerung der Kommunikation<br />
herangezogen werden kann. Beidem wird offenbar durch den deutlich verstärkten<br />
Rückgriff auf Genreangaben begegnet. Es wird nicht mehr der Film selbst erkannt und<br />
kommuniziert, sondern die Art des Films. Allerdings stellt sich die Frage, ob die Unterschiede<br />
bei der Verwendung der Genreangaben auf die Variation von Unsicherheit<br />
zurückzuführen ist.<br />
In den Daten bietet sich diesbezüglich ein weiterer Vergleich an. In 150 der insgesamt<br />
779 Ausschnittseinordnungen nennen die Probanden den Titel. In diesen Fällen kann<br />
plausiblerweise angenommen werden, die Probanden meinen, den Film erkannt zu haben.<br />
Diese Situation wäre also mit der Befragung vergleichbar. Abgesehen von den möglichen<br />
Fällen, in denen die Probanden den Titel geraten haben, müsste die zusätzliche<br />
Unsicherheit weitgehend eliminiert sein. Es dürften demnach kaum noch Unterschiede<br />
zwischen den Studien auftreten. Tatsächlich egalisieren sich die Unterschiede weitgehend:<br />
Zwar werden auch hier Genreangaben häufiger gebraucht als bei der bloßen Bezeichnung<br />
von Filmen in einer <strong>Kommunikations</strong>situation. Das ließe sich aber durch<br />
Probanden erklären, die den Film nicht sicher erkennen, sondern raten, also noch unsicher<br />
sind. Ansonsten ist die Art der Bezeichnung, wenn der Titel genannt wird, relativ<br />
ähnlich, zum Teil sogar identisch. Die Ausnahme stellen die Verweise auf Personen dar.<br />
Die deutlich höhere Personennennung, wenn bei den Rezeptionsstudien der Titel genannt<br />
wird, erklärt sich durch Figuren als Wiedererkennungsfaktor. Vielfach erkennen<br />
die Probanden den Film anhand der Personen im Ausschnitt und benutzen dann sowohl<br />
den Titel als auch die Person zur Bezeichnung.<br />
Dreht man die Argumentation um, so wird die Funktion der Genreeinordnung und<br />
-nennung noch deutlicher. In den Fällen, in denen die Probanden in den Rezeptions-<br />
7 Dabei werden zur Schätzung der Varianz der Differenz weder die Varianzen der Prozentwerte<br />
beider Untersuchungen gepoolt noch die Varianz der Prozentwerte der Rezeptionsstudie an der<br />
Anzahl der Rezeptionen, sondern an der Anzahl der Probanden (also 124 statt 779) relativiert.<br />
Geht man zudem von ungünstigsten Fall, nämlich einer Verteilung von 50% zu 50% aus, ergibt<br />
sich ein t-Wert von über 70 bei der Differenz von 25 Prozentpunkten und von über 140 bei den<br />
Differenzen von 50 Prozentpunkten, also p < 0,001.<br />
224
studien den Titel nicht nennen, haben sie die Sendung, aus dem der Ausschnitt stammt,<br />
wahrscheinlich nicht erkannt. In diesen Fällen wird das Genre zum dominierenden Bezeichnungselement.<br />
Es wird in 82 Prozent der Bezeichnungen verwendet und kommt<br />
damit in den meisten Bezeichnungen vor, in denen die Probanden überhaupt etwas meinen<br />
erkannt zu haben. Keine andere Elementgruppe kommt auf eine ähnliche Wichtigkeit:<br />
57% Gattungen, 23% Inhalt, 10% Personen, 12% Produktion und 5% Bewertung.<br />
Ein Problem der vorangegangenen Untersuchungen besteht aber in der Feststellung<br />
der Unsicherheit. Bislang liegen den Vergleichen grundsätzliche Überlegungen zugrunde,<br />
welche Situation welche Unsicherheit bergen müsste. Ob die Untersuchten die angenommene<br />
Unsicherheit empfinden, ist nicht generell zu überprüfen, sondern nur<br />
durch individuelle Angaben.<br />
5.3 Genrebezeichnungen und die individuelle Sicherheitseinschätzung<br />
Die Frage nach der Sicherheit der individuellen Einordnung des Ausschnitts war Bestandteil<br />
einiger Rezeptionsstudien. In diesen bezeichneten die Probanden 159 (23%)<br />
Einordnungen als sehr sicher, 287 (43%) als relativ sicher, 166 (24%) als relativ unsicher<br />
und 71 (10%) als sehr unsicher. Wenn sich die Probanden sehr unsicher sind, machen sie<br />
bei jeder achten Rezeption gar keinen Versuch, den Ausschnitt einzuordnen und zu bezeichnen.<br />
Grafik 1:Elemente nach Sicherheitseinschätzung<br />
Gehrau · (Film-) Genres und Reduktion von Unsicherheit<br />
225
M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />
Genrenennungen sind in knapp sechs von zehn sehr unsicheren Beschreibungen enthalten.<br />
Relativ unsichere und relativ sichere kommen auf ca. acht von zehn Angaben,<br />
sehr sichere hingegen nur auf fünf von zehn. Gattungsangaben kommen in gut jeder<br />
zweiten unsicheren, relativ unsicheren und relativ sicheren Einordnung vor. Sind diese<br />
sehr sicher, sinkt der Anteil unter 40 Prozent. Inhaltsverweise liegen zwischen 21 und<br />
26 Prozent, wenn die Einordnung nicht sehr sicher ist und gehen dann auf 13 zurück,<br />
wenn die Angaben sehr sicher sind. Das Vorkommen von Produktionsangaben vermindert<br />
sich von 20 Prozent bei sehr unsicher über 15 auf 8 bei relativ sicher und erhöht sich<br />
dann wieder auf 14 Prozent. Sind die Einordnungen unsicher oder relativ unsicher, finden<br />
sich jeweils 10 Prozent Titelverweise, werden sie relativ sicher, steigt der Anteil auf<br />
15 Prozent und auf 50 Prozent, wenn die Angaben sehr sicher sind. Die Verteilung der<br />
Personenangaben ist ähnlich, sie liegt lediglich 2 bis 5 Prozentpunkte niedriger. 8<br />
Insgesamt liegt eine Zweiteilung der Effekte nahe. Wenn sich die Probanden bei ihrer<br />
Einordnung sehr sicher sind, stellen sich Effekte anders dar als unter Unsicherheitsbedingungen.<br />
Solange die Einordnung nicht sehr sicher ist, ergeben sich folgende Einflüsse:<br />
Mit zunehmender Sicherheit steigt der Anteil der verwendeten Genre- und Personenelemente.<br />
Je mehr Probanden meinen, Personen oder Genres zu erkennen, umso<br />
sicherer sind die Angaben im Durchschnitt. Ebenso verhält es sich mit dem Titel, allerdings<br />
findet der Anstieg erst zwischen relativ unsicher und relativ sicher statt. Inhaltsangaben<br />
verändern sich kaum nach Unsicherheit. Gattungsangaben nehmen tendenziell<br />
bei steigender Sicherheit ab, Produktionsangaben sogar deutlich.<br />
Wenn man die Effekte in zwei Regressionsmodellen schätzt, bestätigt sich das eben<br />
angedeutete Bild. Im ersten Modell erklären die Bezeichnungselemente als unabhängige<br />
Variablen gut 6 Prozent der Varianz, der auf die drei Werte sehr unsicher, eher unsicher<br />
und eher sicher verkürzten Sicherheitsskala. Genreangaben korrelieren mit einem Beta-<br />
Wert von 0,16 signifikant positiv mit der Sicherheitseinschätzung. Je mehr Probanden<br />
Tabelle 3: Regressionsmodelle zur Sicherheitseinschätzung und Erkennung<br />
Beta-Werte Sicherheit der Einschätzung a Erkennung des Ausschnitts b<br />
Genre 0,16 ** – 0,04<br />
Gattung – 0,02 – 0,02<br />
Inhalt 0,02 – 0,06<br />
Titel 0,09 0,27 ***<br />
Person 0,11 * 0,25 ***<br />
Bewertung 0,08 – 0,02<br />
Produktion – 0,14 ** 0,00<br />
Modell df 7/505; R2 = 0,06; F = 4,3 *** df 7/664; R2 = 0,21; F = 26,3 ***<br />
* p > 0,05 /** p < 0,01 /*** p < 0,001<br />
a Abhängige Variable Sicherheit, Skala: sehr unsicher = 1 /relativ unsicher = 2 /relativ sicher = 3 /<br />
sehr sicher = missing.<br />
8 Vergleicht man jeweils die mittlere Häufigkeit des Auftretens jedes einzelnen Bezeichnungselementes<br />
zwischen den vier Sicherheitseinschätzungen, ergeben sich in Bezug auf die Bewertungen<br />
keine signifikanten Unterschiede. Infolge dessen wurde auf die Angabe der Bewertung zugunsten<br />
besserer Übersichtlichkeit verzichtet.<br />
226
Gehrau · (Film-) Genres und Reduktion von Unsicherheit<br />
Genrehinweise finden, umso sicherer wird die Einordnung eingeschätzt. Ebenso – wenn<br />
auch weniger deutlich – verhält es sich mit den Personenangaben (Beta = 0,11). Produktionsangaben<br />
laufen den Effekten entgegen (Beta = –0,14).<br />
Das zweite Regressionsmodell begreift die Angabe, die Einordnung sei sehr sicher,<br />
als Erkennung des Ausschnitts. Stellt man diese Angabe in einem Regressionsmodell mit<br />
einer zweiwertigen abhängigen Variablen den drei Unsicherheitsbedingungen gegenüber,<br />
so wird gut 20 Prozent der Varianz erklärt. Sowohl Titel (Beta = 0,27) als auch Personen<br />
(Beta = 0,25) verursachen den Unterschied, können also als die eigentlichen Erkennungsfaktoren<br />
angesehen werden. Genreangaben sind demgegenüber nicht mit der<br />
Einschätzung verbunden, den Film sicher erkannt zu haben.<br />
6. Zusammenfassung und Diskussion<br />
Die Studie geht dem Zusammenhang zwischen der Verwendung von Genrebezeichnungen<br />
und der Reduktion von Unsicherheit nach.<br />
Im ersten Teil des Beitrags wurden vier Modellierungen vorgestellt, die die unsicherheitsreduzierende<br />
Funktion von Genres und Genrebezeichnungen verdeutlichen. Allen<br />
gemeinsam ist die Idee, dass Genres Erwartungen steuern. Wird ein Angebot einem<br />
Genre zugeordnet, werden einige Merkmale oder Phänomene relativ sicher erwartet, andere<br />
relativ sicher ausgeschlossen. In der kulturellen Modellierung resultiert die Reduktion<br />
von Unsicherheit aus der über Genres geschaffenen Anschlussfähigkeit zwischen<br />
einem konkreten Angebot und dem Gesamtangebot. Demgegenüber stehen die Anschlussfähigkeit<br />
des einzelnen Angebots an bereits erfolgreich vermarktete Angebote<br />
sowie die Publikumswünsche im Vordergrund der ökonomischen Modellierung. In der<br />
psychologischen Modellierung bieten Genrezuordnungen Anschlussmöglichkeit an bereits<br />
gemachte kognitive und emotionale Erfahrungen. Damit wird Unsicherheit in Selektions-<br />
und Rezeptionsprozessen reduziert. In der sozialen Modellierung dienen Genrebezeichnungen<br />
dazu, mittels Sicherung von Anschlusskommunikation Unsicherheit<br />
bei gemeinsamen <strong>Medien</strong>handlungen, insbesondere der Kommunikation über <strong>Medien</strong>angebote,<br />
zu reduzieren.<br />
Die vorgestellte Lesart der Fachliteratur wird im zweiten Teil auf das Publikum fokussiert<br />
und in zwei Hypothesen zusammengefasst: Zuschauer benutzen in der Kommunikation<br />
über <strong>Medien</strong>angebote verstärkt Genrebezeichnungen, wenn die Situation<br />
unsicher ist. Innerhalb derselben Situation steigt das individuelle Sicherheitsgefühl an,<br />
wenn auf Genrebezeichnungen zurückgegriffen werden kann. Die vorliegenden Daten<br />
bestätigen die Vermutungen. Genreangaben kommen in gut jeder vierten Bezeichnung<br />
vor, die Fernsehzuschauer bei der Kommunikation über fiktionale Fernsehangebote<br />
benutzen, sogar in jeder zweiten, wenn sie bei der Bezeichnung nicht den Titel verwenden.<br />
Diese Tatsache wird mit dem Versuch erklärt, Unsicherheit darüber zu reduzieren,<br />
ob der Gesprächspartner adäquat versteht, worüber man redet, was vor allem dann<br />
unsicher erscheint, wenn der Titel nicht zur Steuerung der <strong>Kommunikations</strong>situation<br />
zur Verfügung steht. Wenn zu der benannten Unsicherheit über das Gelingen der<br />
Kommunikation noch die Unsicherheit darüber hinzukommt, um was für ein fiktionales<br />
Fernsehangebot es sich handelt, steigt die Häufigkeit der Genreangaben noch einmal<br />
deutlich an. So werden Genrebezeichnungen in fast drei Viertel der Angaben zu<br />
fiktionalen Fernsehangeboten benutzt, wenn die Zuschauer aus diesen lediglich einen<br />
Ausschnitt gesehen haben. Wird der Ausschnitt von den Zuschauern erkannt, nähert<br />
sich die Häufigkeit der Genreangaben der typischen Häufigkeit bei der Bezeichnung<br />
von gesehenen Sendungen an. Wenn der Ausschnitt demgegenüber nicht erkannt wird,<br />
227
M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />
steigt der Anteil der Genrebezeichnungen auf gut achtzig Prozent der Fälle. Demnach<br />
wird bei der Kommunikation über Fernsehangebote auf Genrebezeichnungen zurückgegriffen<br />
und zwar umso öfter, je mehr Unsicherheit die Situation birgt. Aber auch<br />
wenn man die individuelle Unsicherheit betrachtet, die jemand angibt, wenn er einen<br />
Ausschnitt einordnet, ergibt sich der erwartete Zusammenhang zwischen Unsicherheit<br />
und Genre: Die Zuschauer empfinden die Einordnung umso sicherer, je mehr genrerelevante<br />
Verweise sie finden, obgleich die Identifikation des Ausschnitts nicht mit diesen<br />
verbunden ist.<br />
Genres im Allgemeinen sowie die Verwendung von Genrebezeichnungen im Besonderen<br />
erfüllen eine wichtige Funktion bei Handlungen mit oder in Bezug auf <strong>Medien</strong>angebote.<br />
Einzelne Genres sind mit bestimmten Merkmalen sowie individuellen Erfahrungen<br />
verbunden. Wird ein Angebot einem Genre zugeordnet, so wird vermutet, dass<br />
es auch diese Merkmale aufweist und ähnliche Erfahrungen hervorruft. Da diese Vermutung<br />
vielfach bestätigt wird, werden an Genres Erwartungen geknüpft. Durch die<br />
wiederkehrende Bestätigung der Genreerwartungen reduziert das individuelle Operieren<br />
mit Genres Unsicherheit, denn es macht konkrete kognitive und emotionale Erfahrungen<br />
durch den Anschluss an vorhergegangene vorherseh- und interpretierbar. Genrebezeichnungen<br />
machen die individuellen Erfahrungen kommunizierbar. In der Kommunikation<br />
werden die Bezeichnungen so abgeglichen, dass sie Verstehen und Anschlusskommunikation<br />
sichern, indem sie auf die Ähnlichkeit der individuellen<br />
Erfahrungen verweisen. So werden auf der sozialen Ebene Erwartungen gesteuert und<br />
Unsicherheit reduziert. Das wird zusätzlich dadurch begünstigt, dass sich bestimmte<br />
Genrebezeichnungen im kulturellen Diskurs als Standard durchgesetzt haben. Sie bieten<br />
die Möglichkeit, die Individualität einzelner Werke unter Bezug auf andere Werke<br />
desselben Genres zu begreifen und die kulturelle Kontinuität unter Bezug auf die Gesamtheit<br />
der Werke. So schaffen Genres und Genrebezeichnungen eine Verbindung einerseits<br />
zwischen individuellen und sozialen Erfahrungen mit <strong>Medien</strong>angeboten sowie<br />
andererseits zwischen individuellem und kulturellem Wissen über <strong>Medien</strong>angebote.<br />
Diese Verbindung nutzt man im ökonomischen Kontext, um Unsicherheit bei der Herstellung<br />
und Verbreitung von Film- und Fernsehangeboten zu reduzieren. Im Prozess<br />
der ökonomischen Spezialisierung wirken Genres zum Teil so stark, dass sich nach ihnen<br />
einzelne Marktsegmente mit speziellen Herstellungsverfahren und Vertriebswegen<br />
herausbilden.<br />
Literatur<br />
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228
Gehrau · (Film-) Genres und Reduktion von Unsicherheit<br />
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Schmidt, Siegfried J. (1987): Skizze einer konstruktivistischen <strong>Medien</strong>gattungstheorie. SPIEL (6),<br />
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Schwan, Stephan (1995): „Love or crime or something else?“ Schematische Wissensstrukturen und<br />
Filmrezeption. In: Rundfunk und Fernsehen (43), 1, S. 26 – 40.<br />
Schweinitz, Jörg (1994): „Genre“ und lebendiges Genrebewußtsein – Geschichte eines Begriffs und<br />
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Sobchack, Vivian (1982): Genre film – Myth, ritual, and sociodrama. In: Thomas, S. (ed.), Film /culture<br />
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London: Scarecrow, S. 16 – 23.<br />
Waldmann, Michael R. (1990): Schema und Gedächtnis. Heidelberg: Ansager.<br />
Anhang: Liste der bei den Rezeptionsexperimenten verwendeten Ausschnitte<br />
1 Mein Gott Willi, Komödie, BRD. Mann und Frau liegen im Ehebett, frühstücken und unterhalten<br />
sich dabei. Er sagt: „das große Verdienstkreuz“.<br />
2 Julie Lescaut, Krimireihe, F. Eine schwarzhaarige Frau in Großaufnahme befindet sich in einem<br />
Raum, in dem im Hintergrund eine zweite Frau bügelt.<br />
3 Länder - Menschen - Abenteuer, Bericht N3, BRD 1995. Blick auf den zentralen Platz eines<br />
Urwalddorfes. 2 dunkelhäutige Männer kommen mit Lanzen und Bündeln über den Platz<br />
gelaufen. Off-Stimme: „tauchen überraschend wieder auf“.<br />
4 Bullit, Aktion, USA 1968. Mann geht wachsam um sich sehend durch einen Kellergang, von<br />
einem vergitterten Verschlag heraus gefilmt.<br />
5 Bericht, n tv - Nachrichten, BRD 1995. Nachrichtensprecherin in rotem Sakko steht, in<br />
Handmikro sprechend, vor Plenarsaal mit aufgestellten Fahnen. Sie ist halbtotal zu sehen und<br />
sagt: „Minister und Vertreter“.<br />
6 Scarlett 3, Ausstattungsfilm, BRD / I 1994. Eingangshalle einer Villa, farbiger Butler in<br />
weißem Dress öffnet Tür, rot gekleidete Frau kommt herein.<br />
7 Madonna: Rain, Musikvideo, USA 1993. Blick in Filmstudio, erst hell, dann dunkel werdend;<br />
in weiß gekleidete Frau vor dem Großbild eines bewölkten Himmels posiert, Schnitt,<br />
weiß gekleidete Frau fliegt vor wolkigem Himmel.<br />
8 Der Räuber mit der sanften Hand, Thriller, BRD 1995, RTL. Blick auf eine Terrasse an ei-<br />
229
M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />
nem Ferienort, 2 junge Männer mit offenen Hemden kommen an und eine Männerstimme<br />
sagt: „Hallo Bobby“.<br />
9 Die Straßen von Berlin, Krimi-Reihe BRD 1995. Mann wird mit Revolver bedroht. Er<br />
spricht verängstigt: „Mann, wir sind doch“ und zieht seinen Pullover hoch.<br />
10 Mann muss nicht sein, Comedy - Serie, USA. Typisch amerikanisch aussehende Frau mit<br />
schwarzen Locken und rotem Pulli ist in Großaufnahme zu sehen und sagt: „Nebenbei das<br />
sind meine zwei“.<br />
11 Die Legende von O. B. Taggert, Western, USA 1994. Mann mit Hut am Zaun einer Ranch,<br />
hinten reitet ein Mann in Richtung Horizont, Überblende in einen Mondaufgang über dem<br />
Horizont.<br />
12 Deadly Revenge, USA 1991, Action-Thriller. Hand greift in Schublade mit Geld und Pistole.<br />
13 Asterix & Kleopatra, Abenteuer / Zeichentrick, F / B 1968. Asterix und Obelix im Schneesturm.<br />
14 Godzilla und die Riesenkäfer, Fantasy, J 1971. 3-köpfiger Drache speit Feuer.<br />
15 Emanuelle in Tibet, Erotik, F 1993. Mann küsst nackter Frau den Po im Himmelbett liegend.<br />
16a Deadly Revenge, Action-Thriller, USA 1991. Mann B mit Messer wartet / Schnitt / Mann A<br />
schreitet durch einen Laden.<br />
16b Deadly Revenge, Action-Thriller, USA 1991. Mann A geht auf einen Laden zu / Schnitt /<br />
Mann A schreitet durch den Laden.<br />
17a Ausbruch der 28, Kriegs-Film, USA 1969. Gesicht A mit Uniformmütze / Schnitt / Gesicht<br />
B.<br />
17b Ausbruch der 28, Kriegs-Film, USA 1969. Gesicht B.<br />
18a Herkules erobert Atlantis, Abenteuer-Film, I / F 1961. Berittene Römer: „Da ist er“ / Schnitt<br />
/ Fluchtszene auf langem Weg.<br />
18b Loriot auf Sofa: „Meine Damen und Herren“ / Schnitt / Herkules erobert Atlantis, Abenteuer-Film,<br />
I / F 1961. Fluchtszene.<br />
19a Loriot: Von Menschen und Möpsen, Komödie, BRD 1989. Gezeichnete Hunde: „2 Namen<br />
werden wir uns künftig merken müssen, Bubbel und Lohrmann“.<br />
19b Loriot: Von Menschen und Möpsen, Komödie, BRD 1989. Loriot auf Sofa: „Meine Damen<br />
und Herren“. / Schnitt / gezeichnete Hunde: „2 Namen ... Bubbel und Lohrmann“.<br />
20 Basic Instinct, Erotik-Thriller, USA 1991. Leicht bekleidete Frau steigt aus Auto und läuft<br />
durch Regen zu einem Haus.<br />
21 Bananas, Komödie, USA 1971. Mann (W. Allen) greift in seiner Küche nach gefrorenem Spinat,<br />
der ihm immer wieder entgleitet.<br />
22 Bartholomäusnacht, Historien-Drama, F 1994. Reiter kommt zu Rittern mit Bewaffnung,<br />
die an einem Waldrand warten.<br />
23 Super Mario Bros., Komödie, USA 1993. 2 Männer fliegen durch eine belebte Passage, viele<br />
Menschen sehen zu.<br />
24 Basic Instinct, Erotik-Thriller, USA 1991. Paar liegt auf Fußboden, sie fragt ihn: „Wer ist sie<br />
gewesen?“<br />
25a Die unglaubliche Reise in einem verrückten Raumschiff, Komödie, USA 1982. Mann<br />
flüchtet an einer Mauer entlang, an der ein Scheinwerferkegel kreist. Schlagermusik.<br />
25b Die unglaubliche Reise in einem verrückten Raumschiff, Komödie, USA 1982. Mann<br />
flüchtet an einer Mauer entlang, an der ein Scheinwerferkegel kreist und trifft auf Schlagersänger.<br />
Schlagermusik.<br />
26a Verschwörung der Frauen, Drama, UK 1988. Gesicht eines älteren Mannes taucht aus dem<br />
Wasser einer Zinkwanne auf und sagt: „Nancy hat mich gewaschen“.<br />
26b Verschwörung der Frauen, Drama, UK 1988. Hand hält Gesicht unter Wasser einer Zinkwanne,<br />
wird weggezogen und der Kopf taucht langsam auf.<br />
27a Adams Family, Grusel-Komödie, USA 1991. Das Eiskalte Händchen läuft , von der Kamera<br />
verfolgt, einen Schlossflur entlang.<br />
27b Adams Family, Grusel-Komödie, USA 1991. Die Kamera fährt kurz über dem Boden einen<br />
Schlossflur entlang.<br />
230
Gehrau · (Film-) Genres und Reduktion von Unsicherheit<br />
28a Monty Python’s wunderbare Welt der Schwerkraft, Komödie, UK 1971. Soldaten liegen<br />
am Boden, lachen leise und sterben.<br />
28b Monty Python’s wunderbare Welt der Schwerkraft, Komödie, UK 1971. Soldaten biegen<br />
sich vor Lachen und fallen vor Lachen um.<br />
29a Basic Instinct, Erotik-Thriller, USA 1991. Nackte Frau stützt sich , den Oberkörper aufrecht<br />
haltend, auf das Bett auf dem sie liegt.<br />
29b Basic Instinct, Erotik-Thriller, USA 1991. Nackte Frau stützt sich , den Oberkörper aufrecht<br />
haltend, auf das Bett auf dem sie liegt und zieht ein Seil aus dem Bettzeug hervor.<br />
231
Symbolische Geräusche über die Anderen –<br />
Die Öffentlichkeit über <strong>Medien</strong>politik in Pressekommentaren<br />
Barbara Pfetsch<br />
Der Beitrag diskutiert die Strukturen und Prozesse des Politikfeldes <strong>Medien</strong>politik und<br />
versucht, vor diesem Hintergrund die mediale Öffentlichkeit über <strong>Medien</strong>politik zu analysieren.<br />
Nach einer Bestandsaufnahme der internen Strukturen und Verhandlungsprozesse<br />
sowie der Normen und Steuerungsprinzipien medienpolitischer Entscheidungen<br />
wird die Rolle von Öffentlichkeit in medienpolitischen Verhandlungssystemen diskutiert.<br />
Sofern man die Einschätzung teilt, dass die Weichenstellung in der deutschen<br />
<strong>Medien</strong>politik weg von staatlich-hoheitlicher Steuerung hin zu „regulierter Selbstregulierung“<br />
eine breite öffentliche Diskussion über <strong>Medien</strong> und <strong>Medien</strong>kritik erforderlich<br />
macht, stellt sich die empirische Frage, wie dieser öffentliche Diskurs über <strong>Medien</strong>politik<br />
tatsächlich aussieht. Auf der Grundlage einer Inhaltsanalyse von 240 Kommentaren über<br />
<strong>Medien</strong>politik in den überregionalen Qualitätszeitungen von 1994-1998 beschreibt<br />
die Studie den medialen Diskurs über <strong>Medien</strong>politik und interpretiert ihn vor dem<br />
Hintergrund der Annahme, dass die Struktur- und Funktionsdefizite der gegenwärtigen<br />
<strong>Medien</strong>politik möglicherweise deshalb so persistent sind, weil die medienpolitische<br />
Öffentlichkeit allenfalls die symbolischen Geräusche des medienpolitischen Streits reproduziert.<br />
Keywords: <strong>Medien</strong>politik, <strong>Medien</strong>kritik, Öffentlichkeit, Kommentare, Inhaltsanalyse<br />
1. Einleitung<br />
„Wann immer in Deutschland die Politik gestaltend in die <strong>Medien</strong>wirklichkeit eingriff,<br />
kam dabei wenig Gescheites heraus, manchmal sogar Verheerendes.“ Zu dieser nüchternen<br />
Einschätzung kommt Manfred Buchwald (1996: 57), wenn er über die Verantwortung<br />
von Politik für die <strong>Medien</strong> spricht. Man kann aus dieser „biographischen Erfahrung“<br />
des ehemaligen Intendanten eines öffentlich-rechtlichen Rundfunksenders<br />
schließen, dass es mit dem Vertrauen in die <strong>Medien</strong>politik nicht zum Besten bestellt ist.<br />
In solchen Zwischenrufen kommt auch die Skepsis darüber zum Ausdruck, ob die <strong>Medien</strong>politik<br />
in der Bundesrepublik in der Lage ist, die <strong>Medien</strong>entwicklung im Sinne einer<br />
demokratischen <strong>Medien</strong>ordnung zu gestalten. Diese Skepsis hat eine Reihe von<br />
Gründen, die in der Natur des Politikfeldes selbst, in der Internationalisierung der <strong>Medien</strong>entwicklung<br />
und schließlich in einer Veränderung medienpolitischer Steuerungsprinzipien<br />
zu suchen sind. Zum einen erscheint <strong>Medien</strong>politik in der Bundesrepublik als<br />
ein hybrides Politikfeld, das schwach institutionalisierte Verhandlungssysteme und eine<br />
hohe Anfälligkeit für ad-hoc auftretende politische, ökonomische und situationsbezogene<br />
Interessenkonstellationen aufweist (Jarren 1996: 209). Zum anderen vollzieht sich<br />
die <strong>Medien</strong>entwicklung immer stärker über nationalstaatliche Grenzen hinweg, so dass<br />
nationalstaatliche Regelungen ins Leere laufen. Im Zuge der Internationalisierung und<br />
Ökonomisierung der <strong>Medien</strong>branche kam es zu einer stärkeren Gewichtung der Steuerungsphilosophie<br />
der „regulierten Selbstregulierung“ (Hoffmann-Riem 2000: 155). Mit<br />
dem Strukturwandel der <strong>Medien</strong> sind auch die normativen Grundlagen medienpoliti-<br />
232
Pfetsch · Symbolische Geräusche über die Anderen<br />
scher Entscheidungen ins Wanken geraten. Und die Frage, ob <strong>Medien</strong> im Licht der Gemeinwohlverträglichkeit<br />
oder im Licht des ökonomischen Wettbewerbs beurteilt werden<br />
sollen, stellt sich neu und ist nicht entschieden (Hoffmann-Riem 2000:47).<br />
In dieser Situation der Orientierungslosigkeit hören wir allenthalben die Forderung<br />
nach der Herstellung einer medienpolitischen Öffentlichkeit, die nicht zuletzt deshalb<br />
begründet ist, weil die <strong>Medien</strong>politik die normativen Grundlagen der öffentlichen <strong>Medien</strong>kommunikation<br />
1 kodifiziert und fixiert. In dieser Situation erscheint der öffentliche<br />
Diskurs über die <strong>Medien</strong> und die öffentliche Reflexion der <strong>Medien</strong>politik nicht nur vernünftig,<br />
sondern auch unverzichtbar als Grundlage der Weiterentwicklung einer demokratischen<br />
<strong>Medien</strong>ordnung, die publizistische Vielfalt und ein Minimum an Integration<br />
gewährleisten soll 2 . Die normative Vorstellung einer diesbezüglich kritischen Öffentlichkeit<br />
hat aber – wie Peters (1994: 50–51) anmerkt – allenfalls eine heuristische Funktion.<br />
Die empirisch offene Frage ist, in welchem Grad sich die realen Verhältnisse der<br />
<strong>Medien</strong>öffentlichkeit den Eigenschaften des Idealmodells annähern oder davon abweichen<br />
(Peters 1994: 50–51).<br />
Vor diesem Hintergrund versucht der vorliegende Beitrag, die Strukturen und Prozesse<br />
des Politikfeldes sowie die <strong>Medien</strong>öffentlichkeit über <strong>Medien</strong>politik, wie sie sich<br />
in der Kommentierung der überregionalen Tagespresse manifestiert, zu analysieren. In<br />
einem ersten Schritt geht es um eine Bestandsaufnahme der internen Strukturen und<br />
Verhandlungsprozesse sowie der Normen und Steuerungsprinzipien medienpolitischer<br />
Entscheidungen. In einem zweiten Schritt wird die Rolle von Öffentlichkeit in medienpolitischen<br />
Verhandlungssystemen diskutiert. Sofern man die Einschätzung teilt, dass<br />
die Weichenstellung in der deutschen <strong>Medien</strong>politik weg von staatlich-hoheitlicher<br />
Steuerung hin zu „regulierter Selbstregulierung“ eine breite öffentliche Diskussion über<br />
<strong>Medien</strong> und <strong>Medien</strong>kritik erforderlich macht, stellt sich die empirische Frage, wie dieser<br />
öffentliche Diskurs über <strong>Medien</strong>politik tatsächlich aussieht. Welche medienpolitischen<br />
Akteure und Themen sind öffentlich sichtbar und wie stellen sich medienpolitische<br />
Verhandlungen in den <strong>Medien</strong> dar? Zu dieser Frage werden empirische Befunde<br />
vorgelegt, die einen spezifischen Ausschnitt der medienpolitischen Öffentlichkeit beleuchten:<br />
die Kommentare über <strong>Medien</strong>politik in führenden Tageszeitungen. Die Daten<br />
stammen aus dem DFG-Projekt „Die Stimme der <strong>Medien</strong> im politischen Prozess: Themen<br />
und Meinungen in Pressekommentaren 3 “, bei dem die Kommentierung der überregionalen<br />
Qualitätspresse von 1994-1998 inhaltsanalytisch untersucht wurde. In dem<br />
1 „Normative Konzeptionen von Öffentlichkeit und diskursiver Verständigung werden artikuliert<br />
in den <strong>Kommunikations</strong>freiheiten von Verfassungen und Pressegesetzen, in politischen<br />
und juristischen Diskursen über Meinungs- und Äußerungsfreiheit, in Auseinandersetzungen<br />
über <strong>Medien</strong>politik, in journalistischen Professionsnormen und in öffentlichen Auseinandersetzungen<br />
über die Verhaltensstandards von Massenmedien, in öffentlicher Empörung über Geheimhaltung<br />
und Irreführung, in negativen Reaktionen auf manipulative Techniken in politischen<br />
Kampagnen, im Anspruch minoritärer Gruppen auf ‚Stimme‘ (voice) und öffentliches<br />
Gehör.“ (Peters 1994: 49)<br />
2 Vgl. dazu ausführlich Jarren (1999), der Transparenz, Öffentlichkeit und die Bereitstellung von<br />
Wissen als die entscheidende Steuerungsressource (S. 162) einer zukünftigen <strong>Medien</strong>politik bezeichnet<br />
und darüber hinaus Vorschläge für institutionelle Maßnahmen und Regulierungsnetzwerke<br />
vorlegt.<br />
3 Dieses Forschungsprojekt wurde in den Jahren 1998-2001 in der Abteilung „Öffentlichkeit und<br />
soziale Bewegungen“ am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung durchgeführt<br />
(Neidhardt et al. 1998; Eilders et al. 2001).<br />
233
M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />
Untersuchungsmaterial befanden sich insgesamt 240 Kommentare über <strong>Medien</strong>politik,<br />
die für diesen Beitrag sekundäranalytisch ausgewertet wurden. Ziel der vorliegenden<br />
Analysen ist es, die Kommentierung der <strong>Medien</strong>politik zu beschreiben und auf der Basis<br />
dieser Bestandsaufnahme zu einer Einschätzung des Diskurses über <strong>Medien</strong>politik in<br />
diesem Öffentlichkeitssegment zu gelangen. Die Ergebnisse werden vor dem Hintergrund<br />
der Annahme interpretiert, dass die Struktur- und Funktionsdefizite der gegenwärtigen<br />
<strong>Medien</strong>politik möglicherweise deshalb so persistent sind, weil medienpolitische<br />
Öffentlichkeit sich kaum als eine eigenständige kritische Stimme zu profilieren vermag.<br />
2. Zum Charakter der <strong>Medien</strong>politik als Politikfeld<br />
2.1 <strong>Medien</strong>politik als Verhandlungssystem<br />
Bei dem Versuch, <strong>Medien</strong>politik zu definieren, haben Schatz et al. (1990: 332) formuliert,<br />
es gehe konkret um die Maßnahmen, die das politisch-administrative System unternimmt,<br />
um direkt oder indirekt auf die Produktion, Distribution und den Konsum<br />
massenmedial verbreiteter Inhalte einzuwirken. Diese Sicht auf <strong>Medien</strong>politik als staatlich-hoheitliche<br />
Steuerung der <strong>Medien</strong> durch das Regierungssystem erscheint inzwischen<br />
überholt. Auch die <strong>Medien</strong>politik zählt zu denjenigen Policybereichen, in denen<br />
eine Vielzahl sowohl öffentlicher als auch privater Organisationen eingebunden sind.<br />
Diese Akteure bilden so genannte Policy-Netzwerke, deren dominante Interaktionsform<br />
die Verhandlung ist (Mayntz 1993). Auch die Idee mechanistischer hierarchischer<br />
staatlicher Steuerung und Vorstellungen eines schematischen Ablaufs politischer Entscheidungsprozesse<br />
scheinen im Bereich der <strong>Medien</strong> nicht angebracht. Vielmehr markiert<br />
die <strong>Medien</strong>politik, insbesondere im Bereich des Rundfunks, „ein dynamisches und<br />
prozessorientiertes Handlungssystem, dessen Gegenstand die Ausgestaltung publizistischer<br />
Kommunikation … ist. An diesem Handlungssystem nehmen nicht nur die formal<br />
dafür zuständigen politischen Akteure teil, sondern alle diejenigen Akteure, die eine<br />
gemeinsame Orientierung auf den Gegenstand der publizistischen Kommunikation …<br />
aufweisen und die sich bei ihren Handlungen gegenseitig in Rechnung stellen müssen“<br />
(Donges 2002: 273).<br />
Die Orientierung medienpolitischer Handlungssysteme auf publizistische Kommunikation<br />
ist freilich nicht neutral. Ziele sind vielmehr der Aufbau, Erhalt und die Weiterentwicklung<br />
einer demokratischen <strong>Kommunikations</strong>ordnung durch die Herstellung<br />
eines Regelwerkes zur Normierung der Massenkommunikation sowie die Gestaltung<br />
der Strukturen des Massenkommunikationssystems, um die öffentliche Kommunikation<br />
zu gewährleisten (Jarren 1998a: 616). <strong>Medien</strong>politik ist der Norm verpflichtet, die<br />
öffentliche Kommunikation so zu gestalten, dass die Vielfalt der Kanäle, Themen und<br />
Meinungen sowie ein Minimum an Integration der Gesellschaft gewährleistet sind. In<br />
diesem Sinne sind <strong>Medien</strong> nicht neutrale Instrumente zur Verbreitung und Speicherung<br />
von Informationen, sondern „Instanzen der Selektion und Sinngebung, die aktiv in die<br />
gesellschaftliche Konstruktion von Wirklichkeit eingreifen … Institutionen mit unverzichtbaren<br />
Leistungen für das soziale System und einer direkten oder indirekten Allgegenwart,<br />
der sich der einzelne nicht beliebig entziehen kann“ (Schulz 1985: 68). Zentrale<br />
Normen der <strong>Medien</strong>ordnung in Deutschland sind zudem Staatsunabhängigkeit<br />
und die Verhinderung vorherrschender Meinungsmacht.<br />
Seit der Dualisierung des Rundfunksystems in den 80er Jahren haben sich die medienpolitischen<br />
Steuerungsprinzipien in der Bundesrepublik verändert. „Es ist … in vie-<br />
234
Pfetsch · Symbolische Geräusche über die Anderen<br />
len Bereichen der <strong>Medien</strong>ordnung zu beobachten, dass die hoheitlich-imperative Steuerung<br />
abgebaut wird und informelle, kooperative oder sonstwie „weiche“ Steuerungsinstrumente<br />
bevorzugt werden. Dabei gibt es auch eine Tendenz, die Selbstregulierung<br />
stärker zu gewichten, ihr aber – soweit sie allein nicht auszureichen scheint – den erwähnten<br />
regulativen Rahmen oder regulativ gewisse Mindestregeln auf den Weg zu geben“<br />
(Hoffmann-Riem 2000: 155). Die Weichenstellung hin zu „regulierter Selbstregulierung“<br />
bedeutet, dass der Staat nur noch eine Gewährleistungsverantwortung für die<br />
demokratische und pluralistische <strong>Medien</strong>ordnung übernimmt. Im Grundsatz wird eigennutzorientiertes<br />
Handeln medienpolitischer Akteure akzeptiert. Vorausgesetzt wird<br />
allerdings, dass – wie Hoffmann-Riem (2000: 160) schreibt – „im Huckepackverfahren“<br />
auch Gemeinwohlziele wie publizistische Vielfalt und/oder Integration erreicht werden.<br />
Sofern dies nicht geschieht und die Selbstregulierung keine gemeinwohlorientierten Güter<br />
hervorbringt, müssen durch das Management von Institutionen, durch Verhandlungsarrangements<br />
auf der horizontalen Ebene solche Optionen entwickelt werden, die<br />
den Beteiligten gemeinwohlverträgliche Lösungen abverlangen (Hoffmann-Riem 2000:<br />
161). <strong>Medien</strong>politik ist also ein Verhandlungssystem staatlicher und nichtstaatlicher Akteure,<br />
die – zunehmend durch Verfahren regulierter Selbstregulierung – den Aufbau und<br />
die Weiterentwicklung der <strong>Kommunikations</strong>ordnung betreiben. Der Staat normiert allenfalls<br />
durch ein Regelwerk im Sinne eines Gewährleistungsauftrages für <strong>Medien</strong>freiheit,<br />
setzt sonst aber darauf, dass sich Gemeinwohlziele als Nebenprodukt interessengeleiteten<br />
Handelns ergeben.<br />
2.2 Struktur und Funktionsdefizite medienpolitischer Verhandlungssysteme<br />
Im Gegensatz zu anderen Politikfeldern erscheint die <strong>Medien</strong>politik in Deutschland als<br />
ein hybrider, schwach institutionalisierter Politikbereich, der sich traditionellerweise<br />
durch eine Reihe von Struktur- und Funktionsdefiziten (Jarren 1996: 207–210, 1998a:<br />
617–621, 626) auszeichnet. Die Problemlagen, die durch häufig wechselnde Akteurskonstellationen,<br />
stark fragmentierte Politiknetzwerke und intransparente Entscheidungsprozesse<br />
gekennzeichnet sind, haben sich mit der Internationalisierung und Ökonomisierung<br />
von <strong>Medien</strong>systemen drastisch verschärft. <strong>Medien</strong>politik in der Bundesrepublik<br />
sucht ihr Profil zwischen medienpolitischer Kleinstaaterei und dem EU-Kartellrecht.<br />
Diese Diagnose gilt insbesondere für die Rundfunkpolitik, die im Mittelpunkt des<br />
folgenden Abschnittes steht.<br />
Die nationale und europäische Deregulierungspolitik verlangt eine Orientierung an<br />
der Wirtschaftspolitik, d. h. eine Regulierung durch das Wettbewerbs- oder Fusionsrecht.<br />
Gleichzeitig fehlt es an Profilierung, weil die Interessen alter Akteure (wie dem<br />
öffentlich-rechtlichen Rundfunk) und neuer Akteure (wie kommerzielle <strong>Medien</strong>anbieter<br />
und Landesmedienanstalten) in vielen Fällen konfligieren und nicht durch politische<br />
Verfahren geschlichtet werden können. Zu den Strukturdefiziten der nationalen <strong>Medien</strong>politik<br />
gehört, dass sie nur eine begrenzte Reichweite in Bezug auf die technischen,<br />
wirtschaftlichen und internationalen Aspekte der <strong>Medien</strong>kommunikation hat (Jarren<br />
1998b: 14–15). Auf die Strukturen und Eigentumsverhältnisse multinationaler <strong>Medien</strong>unternehmen<br />
und auf internationale Verflechtungen hat die nationale <strong>Medien</strong>politik<br />
keinen Einfluss. Die Internationalisierung verschärft indessen die Streitigkeiten zwischen<br />
Bund und Ländern in Bezug auf die Kompetenzen, da der Bund die technische<br />
Seite der <strong>Medien</strong>kommunikation regelt und für die europäische <strong>Medien</strong>politik zuständig<br />
ist. Schwache Institutionen und hohe Konfliktanfälligkeit führten dazu, dass die<br />
wichtigsten rundfunkpolitischen Entscheidungen durch das Bundesverfassungsgericht<br />
235
M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />
(BVerfG) geprägt wurden. Das BVerfG gehört zweifellos zu den wichtigsten Akteuren<br />
der deutschen <strong>Medien</strong>politik. Die Verfassungsrichter sind eine Institution, die die <strong>Medien</strong><br />
immer wieder vor politischen und ökonomischen Übergriffen in Schutz genommen<br />
hat und ihnen gleichzeitig die Gemeinwohlorientierung ins Pflichtenheft schreibt. Angesichts<br />
der Internationalisierung sowie der Kompetenzverlagerungen zugunsten des<br />
Bundes ist aber fraglich, ob der hohe Grad an Verrechtlichung anhält. Jarren/Donges<br />
(2000: 378) prognostizieren für die absehbare Zukunft einen Einflussverlust der Karlsruher<br />
Richter.<br />
Mit der Einführung des privat-kommerziellen Rundfunks ist eine Ökonomisierung<br />
des <strong>Medien</strong>sektors eingetreten. „Ausbau und Veränderungen des <strong>Medien</strong>systems werden<br />
ganz offenkundig immer mehr von wirtschaftlichen Interessen bestimmt. Blickt<br />
man auf die Entwicklung der <strong>Medien</strong>gesetzgebung der Länder seit dem ersten Rundfunkänderungs-Staatsvertrag<br />
und die Arbeit der Landesmedienanstalten, so muss man<br />
zu der ernüchternden Feststellung kommen, dass sie im Wesentlichen nur das Marktgeschehen<br />
nachvollziehen.“ (Stammler 2000: 14–15). Angesichts dieser Entwicklung werden<br />
<strong>Medien</strong>unternehmen als wirtschaftliche Standortfaktoren unter dem Gesichtspunkt<br />
von Arbeitsplätzen und Steueraufkommen betrachtet. Wenige exponierte parteipolitische<br />
Repräsentanten (wie die Ministerpräsidenten), deren parteipolitische und standortbezogene<br />
Interessen sich bei medienpolitischen Entscheidungen, z. B. bei den Verhandlungen<br />
über Staatsverträge (etwa der SWR-Fusion), bei der Personalpolitik in öffentlich-rechtlichen<br />
Gremien (z. B. bei der Wahl des ZDF-Intendanten) sowie bei Entscheidungen<br />
über Finanzierungshilfen von <strong>Medien</strong>unternehmen (wie z. B. Kredite der<br />
bayerischen Landesbank für Kirch-Media) überlagern, verfügen über eine Schlüsselstellung.<br />
<strong>Medien</strong> sind zum Gegenstand der Konkurrenz zwischen Bundesländern geworden,<br />
und <strong>Medien</strong>politik als Wettbewerbs- und Standortpolitik ist zur „Chefsache“ im<br />
Bereich der Staatskanzleien avanciert.<br />
Die Prioritätensetzung hin zur Industrie- und Standortpolitik beeinflusst den Politikstil<br />
und die politische Kommunikation im Politikfeld <strong>Medien</strong>politik nachhaltig. In<br />
einer Studie über die Rundfunkpolitik in Nordrhein-Westfalen zeigt Wiek (1996: 199),<br />
– dass medienpolitische Entscheidungsprozesse als informelle Interaktionen hinter<br />
verschlossenen Türen stattfinden. Sie sind gekennzeichnet durch ein hohes Maß an<br />
Intransparenz und den Versuch, die öffentliche Debatte zu vermeiden: „Die politischen<br />
Entscheider haben zunehmend die Nähe zu wirtschaftlich potenten kommerziellen<br />
Akteuren gesucht. Dies ging einher mit der Bereitschaft, über politische Inhalte<br />
(bis hin zu einzelnen Gesetzesformulierungen) mit Vertretern dieser Akteure in<br />
geheimen Gesprächen zu verhandeln.“<br />
– dass Öffentlichkeit allenfalls zu instrumentellen Zwecken hergestellt wird, um z. B.<br />
mit vermeintlichen Publikumsinteressen zu argumentieren, wo es ökonomisch Vorteile<br />
verspricht. Das Publikum fungiert als eine symbolische Größe, die bei opportunen<br />
Gelegenheiten zitiert wird, die aber genauso gut außen vorbleiben kann.<br />
Diese Befunde lassen Zweifel aufkommen an der Transparenz sowie den Mechanismen<br />
der Rechtfertigung medienpolitischer Entscheidungen.<br />
3. Zur Rolle von Öffentlichkeit in der <strong>Medien</strong>politik<br />
Die Bestandsaufnahme der Strukturen und Funktionsdefizite der Rundfunkpolitik zeigt<br />
einerseits, dass dieser Politikbereich aus fragmentierten, unübersichtlichen und intransparenten<br />
Verhandlungssystemen besteht, die im Wesentlichen das Marktgeschehen<br />
nachvollziehen. Andererseits wird in der <strong>Medien</strong>politik vorausgesetzt, dass gemein-<br />
236
Pfetsch · Symbolische Geräusche über die Anderen<br />
wohlbezogene Aspekte der <strong>Medien</strong>kommunikation sich in einem Wettbewerbssystem<br />
einstellen, ohne dass der Staat regulierend eingreift. Der ökonomische Wettbewerb im<br />
<strong>Medien</strong>bereich führt indessen nicht notwendigerweise zur Einhaltung normativer Verpflichtungen<br />
wie publizistischer Vielfalt, Unabhängigkeit von Staat und Wirtschaft sowie<br />
Standards publizistischer Qualität. Insofern bedeutet das Prinzip der regulierten<br />
Selbstregulierung, dass es zusätzlicher Instanzen und Mechanismen der kritischen Erörterung<br />
und Legitimierung medienpolitischer Entscheidungen bedarf, um die Gemeinwohlverträglichkeit<br />
zu sichern. Aufgrund der „Selbstbindung der Politik an öffentliche<br />
Diskurse“ (Saretzki 1995: 279) muss Gemeinwohlverträglichkeit als Grundlage einer demokratischen<br />
<strong>Medien</strong>ordnung unter der Voraussetzung der Transparenz in öffentlichen<br />
diskursiven Verfahren eingeklagt werden.<br />
Die Suche nach dem öffentlichen Diskurs über <strong>Medien</strong>politik stellt uns zunächst vor<br />
das Problem, dass das Publikum – als Nachfrager von <strong>Medien</strong>leistungen – eine kontingente,<br />
heterogene und kaum organisierbare Größe (Neidhardt 1994: 12–14) ist. Das Publikum<br />
ist auch deshalb kaum sichtbar, weil es keine ökonomischen Motive hat, <strong>Medien</strong>performanz<br />
und <strong>Medien</strong>leistungen positiv oder negativ zu sanktionieren: „Da Informationsgüter<br />
im Vergleich zu anderen Gütern für den Konsumenten – auch durch<br />
die Umwegfinanzierung durch Werbung – nicht so teuer sind, führt ein Fehlkauf in der<br />
Regel nicht zu Beschwerden und hat zumeist keine Marktkonsequenzen“ (Jarren 1999:<br />
156). Angesichts dieser Konstellation wird man dem Publikum in medienpolitischen<br />
Auseinandersetzungen kaum mehr als eine Beobachterrolle unterstellen können.<br />
Wo sind also die Sprecher, die im Ensemble der Akteure für Gemeinwohlinteressen<br />
eintreten könnten? Jarren (1998a: 625) schreibt diese Rolle den Publikumsmedien zu.<br />
Diese seien in der Lage, die Akteure und inhaltlichen Bezüge des medienpolitischen Politikfeldes<br />
für die Beteiligten und das Publikum sichtbar zu machen: „Der im Hinblick<br />
auf die Legitimation politischer Entscheidungen wesentliche Teil der Kommunikation<br />
über die Regelung öffentlicher Kommunikation vollzieht sich über die Publikumsmedien“.<br />
Bei näherem Hinsehen ist aber die Rolle gerade dieser <strong>Medien</strong> prekär, weil sie als<br />
Betroffene selbst „befangen“ sind, und – wie <strong>Medien</strong>analysen im Bereich der Presse<br />
(Weiß 1985, 1988) zeigen – durchaus parteilich agieren 4 . Die Problematik von Öffentlichkeit<br />
im Fall der <strong>Medien</strong>politik ist also, dass <strong>Medien</strong> Öffentlichkeit erzeugen sollen,<br />
in einer Situation, in der sie selbst und die sie betreffenden Entscheidungen Gegenstand<br />
dieser Öffentlichkeit sind.<br />
Angesichts dieses Dilemmas wird man die Suche nach dem öffentlichen Diskurs über<br />
<strong>Medien</strong>politik mit geringen Erwartungen antreten. Die <strong>Medien</strong> selbst sind als Sprecher<br />
in medienpolitischen Auseinandersetzungen befangen, und wenn man nach den politikfeldspezifischen<br />
Verhandlungsprozessen urteilt, so sind allenfalls vermachtete Sprecherkonstellationen<br />
und interessengeleitete Kommunikationen zu vermuten.<br />
4. <strong>Medien</strong>politik als Gegenstand öffentlicher (<strong>Medien</strong>-)Kommunikation<br />
Im Weiteren wird der Versuch gemacht, die medienpolitische Öffentlichkeit – wie sie<br />
sich in den fünf wichtigsten überregionalen Zeitungen darstellt – zu beschreiben.<br />
Grundlage der empirischen Analysen sind die Daten des DFG-Projektes „Die Stimme<br />
der <strong>Medien</strong> im politischen Prozess“ (Neidhardt et al. 1998). Im Mittelpunkt dieser Stu-<br />
4 Auch Jarren (1998a: 626) hält fest, „dass die <strong>Medien</strong> in eigener Sache entweder gar nicht, parteilich<br />
oder selektiv informieren“.<br />
237
M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />
die steht die Kommentierung der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ), Frankfurter<br />
Rundschau (FR), Süddeutschen Zeitung (SZ), Tageszeitung (taz) und Die Welt (Welt)<br />
von 1994 bis 1998. Da die überregionale Qualitätspresse nur einen spezifischen Ausschnitt<br />
der <strong>Medien</strong>öffentlichkeit in der Bundesrepublik repräsentiert, kann die vorliegende<br />
Analyse mit diesem Datenmaterial nicht den Anspruch erheben, die medienpolitische<br />
Öffentlichkeit an und für sich abzubilden. Um diesem Anspruch zu genügen, sind<br />
Erhebungen nötig, die auch die regionalen Tageszeitungen, die elektronischen <strong>Medien</strong><br />
sowie Titel der einschlägigen Fachpublizistik einbeziehen. Gleichwohl leisten die hier<br />
untersuchten Zeitungen aufgrund ihrer publizistischen wie politischen Orientierungsleistung<br />
einen wesentlichen Beitrag zur politischen Meinungsbildung in der Bundesrepublik<br />
5 und stehen damit für einen zumindest nicht unerheblichen Ausschnitt der nationalen<br />
<strong>Medien</strong>öffentlichkeit 6 . Die fünf überregionalen Qualitätszeitungen bilden das<br />
politische Links-Rechts-Spektrum in Deutschland weitgehend ab. 7<br />
Die Festlegung auf das Genre Kommentar hat für die Untersuchung medienpolitischer<br />
Öffentlichkeit Vorteile: Die <strong>Medien</strong> treten in Kommentaren als öffentliche Sprecher<br />
auf und sind hier nicht an die neutrale Chronistenpflicht gebunden. Die Redaktionen<br />
bestimmen selbst, welche Themen sie in der Kommentarspalte hervorheben und<br />
damit als relevant erachten. Die Kommentare unterscheiden sich daher von der tagesaktuellen<br />
Berichterstattung, die im Lichte von Mechanismen der professionellen Nachrichtenselektion<br />
betrachtet werden muss. Darüber hinaus stehen die Kommentare für<br />
die legitimen Meinungsäußerungen der <strong>Medien</strong>. In Bezug auf die medienpolitische Öffentlichkeit<br />
kann man daher annehmen, dass die <strong>Medien</strong> in Pressekommentaren ihre<br />
Stimme auf eigene Rechnung erheben.<br />
Bei der Festlegung der Qualitätspresse als Träger der medienpolitischen Öffentlichkeit<br />
und der Kommentare als Themenfokussierungen und Meinungsäußerungen innerhalb<br />
dieser Öffentlichkeit ist also eine spezifische Konstellation abgebildet, bei der die<br />
Repräsentation der Meinungsvielfalt immer auch mit Eigeninteressen verbunden ist. Die<br />
Analyse der Pressekommentare der Qualitätsmedien erlaubt es also, die Profilierung<br />
dieser <strong>Medien</strong> in medienpolitischen Auseinandersetzungen nachzuvollziehen und vor<br />
dem Hintergrund des politikfeldspezifischen Akteursdiskurses zu interpretieren. Finden<br />
wir Diskrepanzen oder Konvergenzen zwischen den im Politikfeld verhandelten<br />
Themen und denen der untersuchten <strong>Medien</strong>? Ist die medienpolitische Öffentlichkeit<br />
eher ein Akklamationsmechanismus der in der politischen Sphäre vertretenen Meinungen<br />
oder gibt es Anzeichen dafür, dass die Qualitätszeitungen sich in ihren Kommentaren<br />
kritisch mit der <strong>Medien</strong>politik auseinander setzen?<br />
Diese allgemeinen Fragen bilden die Folie, vor deren Hintergrund die empirische<br />
Analyse steht. Die Daten der Inhaltsanalyse ermöglichen Antworten auf drei konkrete<br />
Fragen: (1) Wann, wie häufig und wie entsteht medienpolitische Öffentlichkeit in den<br />
5 Empirische Untersuchungen zeigen, dass politische Eliten in der Bundesrepublik die überregionalen<br />
Qualitätszeitungen als wichtig oder sehr wichtig einstufen und diese Zeitungen überdurchschnittlich<br />
häufig und lange nutzen (Puhe/Würzberg 1989: 40; Herzog et al. 1990: 74–76).<br />
Darüber hinaus zeigt Kepplinger (1985: 19), dass Journalisten die überregionalen Tageszeitungen,<br />
vor allem die FAZ und die Süddeutsche Zeitung, als wichtig für die eigene Arbeit ansehen.<br />
6 Die Auswahl von überregionalen Zeitungen kann zur Folge haben, dass regional oder lokal begrenzt<br />
geführte medienpolitische Auseinandersetzungen möglicherweise nicht sichtbar sind.<br />
7 Vgl. dazu Inhaltsanalysen und Expertenbefragungen von Schönbach 1977, Kepplinger 1985,<br />
Hagen 1992, Donsbach/Wolling/Blomberg 1996 und Voltmer 1998/99.<br />
238
Pfetsch · Symbolische Geräusche über die Anderen<br />
Qualitätszeitungen? (2) Welche Sprecher und Akteursensembles kennzeichnen diese<br />
medienpolitische Öffentlichkeit, welche Diskursstile prägen ihre Auseinandersetzung?<br />
(3) Was sind die Themen, und kommt es zu Fokussierungen in den medienpolitischen<br />
Auseinandersetzungen?<br />
Das konkrete Vorgehen bei der empirischen Analyse war es, aus den 8946 Leitartikeln<br />
und Kommentaren, die in einer jeweils halbjährlichen Stichprobe über die Jahre<br />
1994–1998 auf der Titelseite oder im Politikteil identifiziert wurden, diejenigen auszuwählen,<br />
in denen das Thema <strong>Medien</strong>politik mindestens einmal angesprochen wurde.<br />
Dies war bei 240 Kommentaren der Fall. Da innerhalb eines Kommentars unterschiedliche<br />
Themen angesprochen werden können und es das Ziel der Analyse war, die spezifischen<br />
Inhalte so präzise wie möglich zu beschreiben, ist die Einheit der Analyse die jeweilige<br />
Themennennung. Damit gehen 340 inhaltliche Nennungen von medienpolitischen<br />
Themen in die Analyse ein.<br />
Da sich die vorliegenden Sekundäranalysen auf einen Ausschnitt eines inhaltsanalytischen<br />
Datensatzes beziehen, der nicht ausschließlich für die Untersuchung des medienpolitischen<br />
Diskurses bestimmt war, sind die Ergebnisse mit zwei Einschränkungen<br />
zu interpretieren. Zum einen wurden nur die Kommentare im Politikteil der jeweiligen<br />
Zeitung inhaltsanalytisch verschlüsselt, d. h. die Meinungsartikel auf der <strong>Medien</strong>seite,<br />
im Lokalteil und im Wirtschaftsteil wurden nicht erhoben. Die Kommentare, die hier<br />
ausgewertet werden, stellen diejenigen Themen und Meinungsäußerungen dar, denen<br />
die Redaktionen der jeweiligen <strong>Medien</strong> jenseits der Ressortgrenzen überragende innenpolitische<br />
Bedeutung zugemessen haben. Zum anderen sind die Kategorien 8 der Themenvariable<br />
vergleichsweise breit, so dass nicht jeder thematische Einzelaspekt als<br />
trennscharfe Unterkategorie im Datensatz erscheint. Diesem Nachteil der Sekundäranalyse<br />
konnte nur mit einer vorsichtigen Interpretation der quantitativen Befunde begegnet<br />
werden und damit, alle 240 Kommentare zu lesen und qualitativ nachzubereiten.<br />
Bei diesem Untersuchungsschritt wurden besonders typische Artikel und Meinungsäußerungen<br />
für wörtliche Zitate und Fallbeispiele ausgewählt.<br />
Die Analysestrategie folgt einer zweistufigen Vorgehensweise. Um die Spezifika der<br />
medienpolitischen Öffentlichkeit herauszuarbeiten, werden in einem ersten Schritt die<br />
Aussagekomplexe über <strong>Medien</strong>politik denen in anderen, vergleichbaren Politikbereichen<br />
gegenübergestellt. Durch den Vergleich mit anderen Politikfeldern können die eigensinnigen<br />
Akteurs- und Diskurskonstellationen der medienpolitischen Öffentlichkeit<br />
beschrieben werden. In einem zweiten Schritt geht es dann um die politikfeldspezifischen<br />
Themen und Positionen medienpolitischer Öffentlichkeit. Bei diesen Analysen<br />
werden die unterschiedlichen Qualitätsmedien, die sich durch ihre spezifische politische<br />
Grundhaltung gegeneinander abgrenzen, verglichen.<br />
4.1 <strong>Medien</strong>politik – ein Politikfeld unter anderen …<br />
Während die Berichterstattung über <strong>Medien</strong> und <strong>Medien</strong>inhalte zwischen Fernsehprogrammhinweisen<br />
und Prominentenberichterstattung auf der Fernseh- bzw. <strong>Medien</strong>seite<br />
verhandelt wird, kommt der <strong>Medien</strong>politik in den Kommentarspalten des Politikteils<br />
eine auf den ersten Blick eher geringe Aufmerksamkeit zu. Von 8946 Kommentaren, die<br />
8 In Bezug auf die inhaltlichen Konstrukte und Themenkategorien folgt die Analyse den im Codebuch<br />
an anderer Stelle dokumentierten Ausprägungen (Eilders/Lüter 1998; Eilders et al. 2001:<br />
38–74).<br />
239
M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />
in einer 50 Prozent-Stichprobe über die Zeit von 1994–1998 analysiert wurden, beschäftigen<br />
sich 3 Prozent mit medienpolitischen Themen. Konkret bedeutet diese Zahl,<br />
dass die Leserin oder der Leser einer überregionalen Tageszeitung im Durchschnitt zwischen<br />
1,2 und 2,0 Kommentare pro Monat über <strong>Medien</strong>politik lesen kann. Tabelle 1<br />
zeigt, dass das Thema nur wenig Varianz über die Zeit und zwischen den einzelnen <strong>Medien</strong><br />
aufweist. Auffällig ist allenfalls, dass die Zahl medienpolitischer Kommentare von<br />
1994 bis 1998 eher rückläufig ist. Zudem scheinen sich die liberalen und linken Zeitungen,<br />
allen voran die taz, etwas stärker in der medienpolitischen Kommentierung zu engagieren<br />
als die konservativen Blätter. Die deutlichste Zurückhaltung im Untersuchungszeitraum<br />
übte hier die FAZ.<br />
Tabelle 1: Nennungen des Themas <strong>Medien</strong>politik in Pressekommentaren 1) (1994–1998)<br />
19942) 1995 1996 1997 1998 Gesamt<br />
N ( Ø ) 3) N ( Ø ) N ( Ø ) N ( Ø ) N ( Ø ) N<br />
Welt 15 (2,5) 10 (1,7) 11 (1,8) 11 (1,8) 13 (2,2) 60<br />
FAZ 10 (1,7) 17 (2,8) 14 (2,3) 9 (1,5) 9 (1,5) 59<br />
SZ 17 (2,8) 18 (3,0) 12 (2,0) 14 (2,3) 12 (2,0) 73<br />
FR 24 (4,0) 17 (2,8) 7 (1,2) 13 (2,2) 11 (1,8) 72<br />
taz 13 (2,2) 22 (3,7) 17 (2,8) 9 (1,5) 15 (2,5) 76<br />
Gesamt 79 (2,6) 84 (2,8) 61 (2,0) 56 (1,9) 60 (2,0) 340<br />
1) Grundlage sind 240 Pressekommentare, in denen das Thema <strong>Medien</strong>politik mindestens einmal genannt<br />
wurde;<br />
2) jeweils 6 Monate pro Jahr;<br />
3) Durchschnitt pro Monat.<br />
Da das Thema <strong>Medien</strong>politik in den Kommentaren der Qualitätsmedien nicht besonders<br />
häufig vorkommt, könnte man vermuten, dass dem öffentlichen Diskurs über dieses<br />
Politikfeld keine hohe Relevanz zugemessen wird. Diese Schlussfolgerung erscheint<br />
in ihrer Verallgemeinerung aber nicht gerechtfertigt, wenn man den Umfang einschlägiger<br />
Thematisierungen in eine Relation zu anderen Politikfeldern oder Themengebieten<br />
bringt und damit sicherstellt, dass die Messungen kein Artefakt des Niveaus der Themenklassifikation<br />
und -messung sind. Mit der Annahme, dass sich der Umfang und der<br />
Charakter medienpolitischer Öffentlichkeit vor allem dann zutreffend beschreiben<br />
lässt, wenn man andere Politikfelder vergleichend heranzieht, wurden für die folgenden<br />
Analysen Politikfelder ausgewählt, die in Bezug auf die Struktur der Entscheidungsprozesse<br />
und Ordnungsmechanismen entweder sehr ähnlich oder sehr diskrepant sind.<br />
Die stärksten Ähnlichkeiten kann man für die Bereiche Bildung und Kultur erwarten,<br />
die sich, wie die <strong>Medien</strong>politik, durch stark föderale Entscheidungsstrukturen und<br />
Akteursnetzwerke auszeichnen. Umgekehrt kann man die größten Diskrepanzen zur<br />
<strong>Medien</strong>politik in den Bereichen Wirtschaft und Gesundheit sowie Forschung und Umwelt<br />
vermuten. Diese Politikfelder sind durch starke bundespolitische Kompetenzen gekennzeichnet.<br />
Die Bereiche Wirtschaft und Gesundheit weisen darüber hinaus starke<br />
neokorporatistische Verflechtungen auf nationaler Ebene auf, während die <strong>Medien</strong>politik<br />
einen föderalen Charakter hat.<br />
Wie Tabelle 2 zeigt, liegt die Beachtung der <strong>Medien</strong>politik in den Pressekommentaren<br />
im Vergleich zu anderen Politikfeldern im unteren Mittelfeld. <strong>Medien</strong>politik steht<br />
einerseits deutlich hinter den Bereichen Wirtschaft, Bildung, Gesundheit und Umwelt.<br />
Andererseits werden die Forschungspolitik und die Kulturpolitik in den Kommentaren<br />
240
Pfetsch · Symbolische Geräusche über die Anderen<br />
Tabelle 2: <strong>Medien</strong>politik als Kommentarthema im Vergleich zu weiteren Politikfeldern<br />
(Nennungen)<br />
Politikfeld <strong>Medien</strong> Forschung Kultur Umwelt Bildung Gesundheit Wirtschaft<br />
1994 79 44 39 83 73 132 147<br />
1995 84 29 57 150 153 78 169<br />
1996 61 40 48 99 133 126 203<br />
1997 56 46 35 66 184 104 209<br />
1998 60 38 55 69 142 37 151<br />
Gesamt 340 197 234 467 685 477 879<br />
der überregionalen Presse noch weniger beachtet als die <strong>Medien</strong>politik. Vorsichtig interpretiert<br />
zeigt die Auszählung, dass <strong>Medien</strong>politik sich in der Öffentlichkeit der<br />
führenden Tagespresse verglichen mit anderen Politikfeldern nicht übermäßig stark profiliert.<br />
Obwohl die hier untersuchten <strong>Medien</strong> über eine eigene Zeitungsseite verfügen,<br />
schafft die <strong>Medien</strong>politik den Sprung in die Kommentarspalten des Politikteils vergleichsweise<br />
selten. Als Gegenbeispiel könnte man die Wirtschaftspolitik anführen.<br />
Wirtschaftspolitik ist der im Vergleich am häufigsten kommentierte Policybereich, wiewohl<br />
Wirtschaftsnachrichten ebenfalls in einem eigenen Ressort bearbeitet werden.<br />
Betrachtet man die Rhetorik der öffentlichen Auseinandersetzung in den Pressekommentaren,<br />
dann gehört die <strong>Medien</strong>politik zu den ausgesprochen kritisch behandelten<br />
Politikfeldern. Tabelle 3 zeigt die Diskursstile, die bei den verschiedenen Politikbereichen<br />
in den Vordergrund gerückt werden. Danach stehen bei mehr als der Hälfte der<br />
medienpolitischen Thematisierungen Kritik, Tadel und Schuldzuweisungen im Vordergrund.<br />
Der medienpolitische Diskurs in der führenden Tagespresse lässt sich also durch<br />
kritische Zuspitzungen und Streit charakterisieren und dies in einem Ausmaß, das<br />
annähernd nur noch die Politikfelder Umwelt und Gesundheit erreichen.<br />
Versucht man, die Hintergründe für diese Rhetorik zu beleuchten, dann geben die<br />
Anlässe der Thematisierung erste Anhaltspunkte: <strong>Medien</strong>politische Öffentlichkeit<br />
Tabelle 3: Themenbehandlung in Pressekommentaren (Prozent) 1)<br />
Politikfeld<br />
Diagnose/Analyse<br />
Frage<br />
Erklärung/<br />
Erläuterung/<br />
Konkretisierung<br />
Folgeabschätzung/<br />
Prognose<br />
<strong>Medien</strong> 1,5 1,2 10,9 3,5 12,4 52,6 7,9 6,5 2,9 340<br />
Forschung 1,5 1,0 7,1 3,0 13,7 38,6 5,1 20,3 9,1 197<br />
Umwelt – – 12,2 2,6 12,4 50,7 6,2 12,4 1,7 467<br />
Kultur 3,8 1,3 15,0 1,7 11,5 46,2 6,4 11,1 1,7 234<br />
Bildung – 2,3 15,0 2,3 10,4 42,6 6,0 18,1 2,0 685<br />
Gesundheit 1,9 – 8,8 – 11,1 51,8 4,6 16,8 2,5 477<br />
Wirtschaft 4,3 – 17,9 3,0 10,4 40,7 7,8 11,7 2,3 879<br />
1) Zeilenprozent, Basis der Prozentwerte sind die Nennungen<br />
Problematisierung<br />
Kritik/Tadel/<br />
Schuldzuweisung<br />
Unterstützung/<br />
Lob<br />
Forderung/Appell<br />
Warnung<br />
N (Nennungen)<br />
241
M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />
Tabelle 4: Anlass der Thematisierung (Prozent)<br />
Politikfeld <strong>Medien</strong> Forschung Kultur Umwelt Bildung Gesundheit Wirtschaft<br />
Sachentscheidung<br />
17,4 17,3 12,4 18,4 19,6 17,6 12,6<br />
Gerichtsurteil 10,9 1,5 4,7 4,7 6,3 7,1 2,2<br />
Stellungnahme/Rede<br />
31,5 27,4 20,1 20,3 30,7 33,8 21,6<br />
Sonstige 40,2 53,8 62,8 56,6 43,4 41,5 63,6<br />
N (Nennungen) 340 197 234 467 685 477 879<br />
scheint vor allem in zwei Situationen zu entstehen, die angesichts der Strukturen des Politikbereiches<br />
typisch sind. Etwa ein Drittel medienpolitischer Thematisierungen sind<br />
durch Stellungnahmen und öffentliche Reden veranlasst, und im Vergleich zu anderen<br />
Politikbereichen sind die Thematisierungen infolge von Gerichtsurteilen überdurchschnittlich<br />
hoch. Durch diese Kombination hebt sich die <strong>Medien</strong>politik von anderen Politikfeldern<br />
wie der Gesundheits- und der Bildungspolitik ab, die vergleichbar hohe Anteile<br />
an öffentlichen Reden bzw. Stellungnahmen aufweisen.<br />
Bei den Gelegenheiten, infolge derer medienpolitische Öffentlichkeit in der Qualitätspresse<br />
entsteht, fällt auf, dass es immer wieder die Rechtssprechung ist, die <strong>Medien</strong>politik<br />
in die Kommentarspalten bringt. Angesichts der Fragmentierung und Zersplitterung<br />
der Akteursnetzwerke und der starken Rolle der höchstrichterlichen Instanzen<br />
und Gerichte ist nicht überraschend, dass es hier zu Aufmerksamkeitsspitzen<br />
kommt. Allein in den Jahren 1994 und 1995 hatte sich eine Reihe von Instanzen mit medienpolitischen<br />
Fragen zu befassen, die in mehr als einer Zeitung öffentliche Resonanz<br />
erzeugten. Beispiele sind das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes über die Nicht-Zulassung<br />
von Fernsehkameras im Gerichtssaal im Februar 1995, ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts<br />
zum Streit zwischen der Bundesregierung und den Ländern um die<br />
Zustimmung zu den Quoten der EU-Fernsehrichtlinie im März 1995 sowie mehrere<br />
Verhandlungen in den Jahren 1994 und 1996 vor dem BGH und vor Landgerichten, bei<br />
denen es um Fragen des Presserechtes und des Verhaltens der <strong>Medien</strong> bei der Recherche<br />
ging. Die qualitative Durchsicht der Kommentare zeigt schließlich, dass die Kommentatoren<br />
auch bei anderen Anlässen immer wieder auf die Rechtssprechung, und insbesondere<br />
auf die Grundsatzurteile des Bundesverfassungsgerichtes, Bezug nehmen.<br />
Vor dem Hintergrund der Struktur des Politikbereiches erscheint plausibel, dass medienpolitische<br />
Öffentlichkeit in hohem Maße auch durch öffentliche Stellungnahmen<br />
veranlasst wird. Da <strong>Medien</strong>politik ein intransparentes Politikfeld ist, in dem Öffentlichkeit<br />
häufig eine instrumentelle Größe ist, haben öffentliche Reden nicht zuletzt auch<br />
strategischen Charakter (Wiek 1996: 199). Ein starkes Beispiel für diesen Mechanismus<br />
im Untersuchungszeitraum ist der Auftritt des bayerischen Ministerpräsidenten Stoiber<br />
bei den Münchner <strong>Medien</strong>tagen 1994. Der Politiker hatte die Gelegenheit zum Anlass<br />
genommen, um die Auflösung der ARD zu fordern. Die Äußerungen Stoibers wurden<br />
von allen hier untersuchten Zeitungen kommentiert und führen in der Folge zu einer<br />
Reihe von Äußerungen verschiedener Landespolitiker über die ARD-Strukturreform,<br />
die dann wieder Gegenstand von Kommentaren wurden. In mehreren Kommentaren<br />
zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk in den Jahren 1995 und 1996 wird immer wieder<br />
leitmotivisch auf die programmatische Rede Stoibers Bezug genommen. Dieses Beispiel<br />
zeigt, dass öffentliche Stellungnahmen von medienpolitischen Akteuren auch dazu<br />
242
Pfetsch · Symbolische Geräusche über die Anderen<br />
dienen können, durch konflikthafte Stilisierungen zu provozieren und damit politische<br />
Positionen im Vorfeld von Entscheidungen zu beeinflussen.<br />
4.2 Akteure und Akteursbewertungen<br />
Öffentlichkeit lässt sich vor allem beschreiben durch die Sprecher-Ensembles, die sich<br />
medial vermittelt zu bestimmten Themen äußern, und Akteure, auf die in den <strong>Medien</strong><br />
Bezug genommen wird. <strong>Medien</strong>politische Öffentlichkeit zeichnet sich in erster Linie dadurch<br />
aus, dass <strong>Medien</strong> in einer doppelten Rolle agieren. Sie agieren in Kommentaren<br />
als legitime Sprecher, die sich zu öffentlichen Angelegenheit mit eigenen Meinungen zu<br />
Wort melden. <strong>Medien</strong> sind aber auch und vor allem Bezugsobjekte, auf die sich die Sprecheräußerungen<br />
Anderer beziehen. Betrachtet man die Akteure9 in den Pressekommentaren<br />
über <strong>Medien</strong>politik, so sind es die <strong>Medien</strong> selbst, die zusammen mit Landesregierungen,<br />
Wirtschaft und Parteien den Kern des Akteursensembles medienpolitischer Öffentlichkeit<br />
ausmachen. Wie Tabelle 5 zeigt, wird bei jedem medienpolitischen Thema<br />
mehr als einmal auf die <strong>Medien</strong> selbst Bezug genommen, während die übrigen Gruppen<br />
jeweils bei jeder dritten Themennennung auftreten.<br />
Tabelle 5: Akteure im Politikfeld <strong>Medien</strong>politik (Nennungen, Prozent, Mehrfachnennungen)<br />
N % 1) % 2)<br />
<strong>Medien</strong> 475 139,7 40,9<br />
Bundesregierung 69 20,3 5,9<br />
Sonstige Institutionen Bund 3) 84 24,7 7,2<br />
Parteien Bund/Länder 94 27,6 8,1<br />
Landesregierung 112 32,9 9,6<br />
sonstige Länder/Kommunen 66 19,4 5,7<br />
Bürger/Bevölkerung 90 26,5 7,8<br />
Kirche/Bewegungen 36 10,6 3,1<br />
Internationale Akteure 30 8,8 2,6<br />
Wirtschaft 105 30,9 9,0<br />
Gesamt* (Nennungen)<br />
*) ohne sonstige und globale Kategorien<br />
1161 341,4 100<br />
1) Prozentuierungsbasis ist die Nennung eines medienpolitischen Themas<br />
2) Prozentuierungsbasis ist die Nennung eines Akteurs<br />
3) Zusammengefasst wurden hier: Bundesrat, Bundestag, Bundespräsident<br />
Dass Landesregierungen und Wirtschaft im Zentrum medienpolitischer Öffentlichkeit<br />
stehen, ist angesichts der Interessenlagen und politischen Kompetenzen nicht verwunderlich.<br />
Diese Akteurskonstellation charakterisiert insbesondere die Kommentierung<br />
im Jahre 1997, als ein bayerisches Bankenkonsortium, zu dem auch eine bayerische<br />
Staatsbank gehörte, dem Filmhändler Leo Kirch eine Aufbauhilfe von 500 Millionen<br />
DM finanzierte.<br />
9 Bei der Codierung der Akteurskategorie wurde nicht danach unterschieden, ob die Akteure aktiv<br />
als Sprecher oder passiv als Bezugsobjekte auftreten.<br />
243
M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />
Bemerkenswert an dem Akteursensemble der <strong>Medien</strong>politik in den Qualitätszeitungen<br />
ist, dass im Zeitraum 1994–1998 kaum andere Interessengruppen an diesem Diskurs<br />
teilhaben. Kirchen und soziale Bewegungen werden nur bei 11 Prozent der Themennennungen<br />
erwähnt, Gewerkschaften und <strong>Medien</strong>verbände treten überhaupt nicht auf.<br />
Dagegen werden die Bürger bzw. die Bevölkerung bei 27 Prozent der medienpolitischen<br />
Themennennungen als Akteur zitiert. Da das Publikum eine heterogene, nicht organisierte<br />
globale kollektive Größe ist, könnte man aus den Daten schließen, dass in den<br />
Auseinandersetzungen über <strong>Medien</strong>politik die Bürger in der Rolle von „opportunen<br />
Zeugen“ (Hagen 1992) auftreten.<br />
Tabelle 6: Beurteilung der Akteure (Prozent, Mehrfachnennungen)<br />
Politikfeld <strong>Medien</strong> Forschung Kultur Umwelt Bildung Gesundheit Wirtschaft<br />
Positiv 20,4 34,9 28,4 25,0 33,1 32,0 28,9<br />
Neutral 16,6 15,4 21,1 15,4 18,7 15,1 18,2<br />
Negativ 63,0 49,7 50,5 59,6 48,2 52,9 52,9<br />
N (Nennungen) 323 184 207 439 637 451 769<br />
Tabelle 7: Beurteilung der Akteursbeziehungen (Prozent, Mehrfachnennungen)<br />
Politikfeld <strong>Medien</strong> Forschung Kultur Umwelt Bildung Gesundheit Wirtschaft<br />
Konflikthaft 50,7 44,2 46,6 47,4 46,8 54,5 48,2<br />
Ambivalent 20,5 25,8 22,3 23,6 25,5 19,7 23,4<br />
Allianz 28,7 30,0 31,0 29,0 27,8 25,7 28,4<br />
N (Nennungen) 314 174 204 417 601 444 795<br />
<strong>Medien</strong>politische Öffentlichkeit in den überregionalen Tageszeitungen zeichnet sich<br />
nach den Analysen auch dadurch aus, dass die Sprecher „mit harten Bandagen“ kämpfen:<br />
Im Vergleich zu anderen Politikfeldern ist die <strong>Medien</strong>politik, wie die Auszählung<br />
der Akteursbewertungen in Tabelle 6 zeigt, durch den höchsten Anteil negativer Beurteilungen<br />
gekennzeichnet. In dieses Bild passt, dass der überwiegende Anteil der referierten<br />
Akteursbeziehungen, der in Tabelle 7 ausgewiesen ist, konflikthaft ist. Abgesehen<br />
von der Gesundheitspolitik markiert die <strong>Medien</strong>politik den Bereich, der sich am<br />
stärksten durch konflikthafte Akteursbeziehungen profiliert. Durch den hohen Anteil<br />
von Negativbewertungen medienpolitischer Akteure, die überwiegend konflikthafte<br />
Stilisierung ihrer Interaktionen sowie die bereits angesprochene kritische Themenbehandlung<br />
von <strong>Medien</strong>politik in Pressekommentaren erscheint die medienpolitische<br />
Öffentlichkeit in den hier untersuchten Zeitungen durch konfrontative Auseinandersetzungen<br />
geprägt. Wenn also medienpolitische Öffentlichkeit in der Qualitätspresse<br />
entsteht, dann ist dies eine Öffentlichkeit, die sich durch ausgesprochen polarisierte Stile<br />
profiliert.<br />
244
Pfetsch · Symbolische Geräusche über die Anderen<br />
4.3 Themen und Fokussierungen<br />
<strong>Medien</strong>politik ist ein Politikfeld, das nicht zuletzt deshalb Struktur- und Funktionsdefizite<br />
aufweist, weil es sich einerseits stark mit anderen Politikfeldern, wie der Wirtschaftspolitik,<br />
der Kulturpolitik oder Technologiepolitik, überschneidet und weil es andererseits<br />
Fragen berührt, die einen allgemeinen gesellschaftlichen Charakter haben.<br />
<strong>Medien</strong>politische Auseinandersetzungen sind daher stark mit anderen Diskursen verstrickt.<br />
Will man medienpolitische Öffentlichkeit beschreiben, dann sind es gerade diese<br />
Grenzbereiche und Schnittmengen zu anderen Themen, die die medienpolitische<br />
Auseinandersetzung beeinflussen. Folgt man diesen Überlegungen, so ist es konsequent,<br />
zu untersuchen, in welchen thematischen und inhaltlichen Kontexten medienpolitische<br />
Themen öffentlich erörtert werden. Tabelle 8 zeigt diejenigen Themen und Themengebiete,<br />
die im Zusammenhang mit medienpolitischen Fragen in den Kommentaren genannt<br />
werden. Danach weist <strong>Medien</strong>politik die stärksten Überschneidungen und<br />
Berührungspunkte mit Fragen der Gesellschaftsordnung und der politischen Kultur<br />
einerseits sowie mit der Wirtschaftspolitik und Wirtschaftsordnung andererseits auf.<br />
Zudem gibt es starke Konvergenzen mit der Rechtspolitik. Diese Kontextualisierung<br />
medienpolitischer Diskurse erscheint exemplarisch für eine <strong>Medien</strong>politik, deren Probleme<br />
und Widersprüchlichkeiten im Spannungsfeld zwischen ökonomischem Wettbewerb<br />
und gemeinwohlverträglichem <strong>Medien</strong>auftrag entstehen. Da diese Widersprüchlichkeiten<br />
immer wieder zum Streit über die normativen Grundlagen der <strong>Medien</strong>ordnung<br />
führen, erscheint es plausibel, dass es zu deutlichen Überschneidungen zwischen<br />
<strong>Medien</strong>politik und Rechtspolitik kommt.<br />
Das inhaltliche Profil des medienpolitischen Diskurses in den Pressekommentaren<br />
der Qualitätsmedien, insbesondere die Verteilung der Einzelthemen10 weist starke<br />
Streuungen auf. Nur bei wenigen Themen kommt es zu Fokussierungen. Tabelle 9 zeigt,<br />
dass sich medienpolitische Öffentlichkeit nicht zuletzt dann kristallisiert, wenn <strong>Medien</strong>politik<br />
im Hinblick auf die gesellschaftliche Rolle der <strong>Medien</strong> und konkrete <strong>Medien</strong>inhalte<br />
reflektiert wird. Die Lektüre der hier verschlüsselten Kommentare ergab,<br />
dass die „Welt“ und die linken bzw. linksliberalen Zeitungen die gesellschaftliche Rolle<br />
der <strong>Medien</strong> und <strong>Medien</strong>inhalte – z. T. sogar selbstkritisch – mit Bezug auf Fehlentwicklungen<br />
der Profession des Journalismus diskutierten. Die FAZ hielt sich aus dieser<br />
Diskussion weitgehend heraus.<br />
Tabelle 9 wirft möglicherweise auch ein Schlaglicht darauf, wie sich die Befangenheit<br />
der Qualitätspresse in eigener Sache auf die medienpolitische Öffentlichkeit auswirken<br />
könnte, nämlich durch die weitgehende Zurückhaltung bei Äußerungen über die eigenen<br />
Angelegenheiten. So bezieht sich nur ein ausgesprochen geringer Anteil der Themennennungen<br />
auf die Presse11 im engeren Sinne. Auffallend ist bei den Wortmeldun-<br />
10 Die Auswertung der medienpolitischen Einzelthemen steht unter dem bereits angesprochenen<br />
Vorbehalt, dass die Unterkategorien der Themenvariable vergleichsweise grob und nicht in jedem<br />
Fall trennscharf waren. Zudem wurden die Kategorien der Unterthemen nicht systematisch<br />
im Hinblick auf die Besonderheiten des Politikfeldes <strong>Medien</strong>politik entwickelt, so dass die<br />
Daten Unschärfen aufweisen, die bei einer Sekundäranalyse in Kauf genommen werden mussten.<br />
11 Angesichts der vorgegebenen Kategorienbildung und der Möglichkeit von Mehrfachnennungen<br />
ist nicht vollständig auszuschließen, dass Themennennungen, die die Presse betreffen, auch<br />
in anderen Kategorien codiert wurden.<br />
245
M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />
Tabelle 8: Inhaltlicher Kontext von <strong>Medien</strong>politik (Prozent, Mehrfachnennungen) 1)<br />
<strong>Medien</strong>politik als ... Hauptthema2) Gesamt3) weiteres Thema % %<br />
Gesellschaftsordnung, politischer Stil, politische Kultur 26,6 25,1<br />
Wirtschaft, Wirtschaftspolitik, Wirtschaftsrecht,<br />
Wirtschaftsordnung<br />
22,0 11,7<br />
Rechtspolitik, Rechtsordnung 15,1 13,8<br />
Föderalismus 8,0 3,3<br />
EU-Politik 6,2 3,7<br />
Kulturpolitik 2,7 5,0<br />
Summe 80,6 62,6<br />
Sonstige Themen 19,4 37,4<br />
N (Nennungen) 113 299<br />
1) Gemeinsame Nennung von <strong>Medien</strong>politik und anderen Themen in einem Kommentar.<br />
2) Grundlage der Auszählung sind 134 Kommentare, in denen das Thema <strong>Medien</strong>politik als Hauptthema<br />
genannt wurde.<br />
3) Grundlage sind alle 240 Kommentare, in denen das Thema <strong>Medien</strong>politik kodiert wurde.<br />
Tabelle 9: <strong>Medien</strong>politische Themen in Pressekommentaren (Prozent)<br />
Welt FAZ SZ FR taz Gesamt<br />
Thema N % N % N % N % N % N %<br />
Hörfunk und<br />
Fernsehen<br />
11 18,3 13 22,0 10 13,7 10 13,9 7 9,2 51 15,0<br />
Rechtsform 6 10,0 6 10,2 5 6,8 3 4,2 0 0 20 5,9<br />
Meinungsvielfalt 3 5,0 7 11,9 6 8,2 4 5,6 5 6,6 25 7,4<br />
<strong>Medien</strong>freiheit 2 3,3 1 1,7 2 2,7 3 4,2 4 5,3 12 3,5<br />
Neue <strong>Medien</strong>,<br />
Kabel<br />
3 5,0 7 11,9 9 12,3 6 8,3 8 10,5 33 9,7<br />
<strong>Medien</strong>monopole 1 1,7 2 3,4 7 9,6 6 8,3 6 7,9 22 6,5<br />
Gesellschaftliche 13<br />
Rolle der <strong>Medien</strong><br />
21,7 6 10,2 14 19,2 16 22,2 24 31,6 73 21,5<br />
<strong>Medien</strong>inhalte 11 18,3 6 10,2 7 9,6 9 12,5 8 10,5 41 12,1<br />
<strong>Medien</strong>politik,<br />
allg.<br />
1 1,7 1 1,7 3 4,1 2 2,8 1 1,3 8 2,4<br />
Presse 3 5,0 1 1,7 4 5,5 4 5,6 5 6,6 17 5,0<br />
Sonstiges 6 10 9 15,3 6 8,2 9 12,5 8 10,5 38 11,2<br />
N (Nennungen) 60 59 73 72 76 340<br />
gen in diesen Kommentaren, dass sich die Tageszeitungen hier vor allem um die internen<br />
Angelegenheiten der „Anderen“ kümmern. Beispiele sind Kommentare über die<br />
„Führungskrise“ beim Nachrichtenmagazin Spiegel im Jahre 1994, Interna von Spiegel<br />
und Focus sowie die Probleme und die Übernahme der ZEIT durch den Holtzbrink<br />
Verlag.<br />
246
Pfetsch · Symbolische Geräusche über die Anderen<br />
Die medienpolitische Öffentlichkeit in der überregionalen Tagespresse konzentriert<br />
sich ganz überwiegend auf Hörfunk und Fernsehen. Mit dem engeren Gegenstand der<br />
Rundfunkpolitik sind dann auch Themen verknüpft, die mit den Kategorien Rechtsform<br />
der <strong>Medien</strong>, Meinungsvielfalt, <strong>Medien</strong>freiheit und <strong>Medien</strong>monopole verschlüsselt wurden.<br />
Betrachtet man die Verteilung der Einzelnennungen, so kommt es auch hier zu<br />
einer relativ hohen thematischen Streuung. Beim qualitativen Vergleich der hier verschlüsselten<br />
Kommentare fallen unterschiedliche Schwerpunktsetzungen der verschiedenen<br />
Zeitungen im Untersuchungszeitraum auf. Die Welt und die FAZ sind besonders<br />
engagiert und kritisch, wenn es um die Strukturen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks<br />
sowie um Rechtsfragen hinsichtlich der Anstalten geht. Die linken und linksliberalen<br />
Blätter stehen an der Seite der öffentlich-rechtlichen Anstalten, setzen ihre Akzente insgesamt<br />
aber stärker auf Fragen der <strong>Medien</strong>entwicklung, und hier insbesondere auf Neue<br />
<strong>Medien</strong>, wie das digitale Fernsehen und das Internet. Zudem thematisieren diese Zeitungen<br />
die Bedrohung der <strong>Medien</strong>freiheit durch politische Gängelung einerseits und die<br />
Bildung von <strong>Medien</strong>monopolen andererseits häufiger als die konservativen Vergleichszeitungen.<br />
Angesichts der breiten Streuung von Themen erscheint die medienpolitische Öffentlichkeit<br />
insgesamt eher disparat uneinheitlich. Diesen Eindruck erhält man auch bei der<br />
Lektüre der 240 Kommentare, die nur wenige Themen erkennen lässt, die in einem kurzen<br />
Zeitraum von allen fünf Qualitätszeitungen kommentiert werden. Dazu gehören die<br />
Strukturreform der ARD, die Vergabe von Krediten der bayerischen Landesbank an<br />
Kirch Media sowie das Verbot der Kartellbildung im digitalen Fernsehen durch die EU.<br />
5. Diskussion<br />
Ausgangspunkt des vorliegenden Beitrages war, dass die <strong>Medien</strong>politik aufgrund von<br />
Struktur- und Funktionsdefiziten in der politischen Verhandlungsarena notwendigerweise<br />
öffentliche Reflexion verlangt. Da sich in der <strong>Medien</strong>politik der Bundesrepublik<br />
Tendenzen der regulierten Selbstregulierung immer stärker durchsetzen, erscheint medienpolitische<br />
Öffentlichkeit als eine Alternative, um die Entwicklung der demokratischen<br />
<strong>Medien</strong>ordnung kritisch zu begleiten. Die Frage, wie medienpolitische Diskurse<br />
als empirisches Desiderat aussehen, beleuchten die hier vorgestellten Analysen, die sich<br />
auf die Öffentlichkeit in den Kommentaren der deutschen Qualitätsmedien von 1994-<br />
1998 beziehen. Nach der empirischen Beschreibung muss man die medienpolitische Öffentlichkeit<br />
der nationalen Tagespresse als eine ambivalente Größe betrachten, die im<br />
Wesentlichen den Streit und die Polarisierung in der politischen Arena nachzuvollziehen<br />
scheint. Wenn medienpolitische Öffentlichkeit in den Pressekommentaren entsteht,<br />
dann ist der Diskurs durch kritische Stile, negative Beurteilungen der Sprecher und konflikthafte<br />
Akteursbeziehungen charakterisiert. <strong>Medien</strong>politische Öffentlichkeit entsteht<br />
nicht zuletzt infolge von rechtlichen Auseinandersetzungen oder öffentlichen Stellungnahmen<br />
der in diesem Politikfeld agierenden Akteure. Bemerkenswert ist nach den vorliegenden<br />
Analysen, dass die Arena der medienpolitischen Öffentlichkeit in der Qualitätspresse<br />
von einem Oligopol von wenigen interessengebundenen Sprechern besetzt<br />
ist. Die wichtigsten Akteure sind einerseits die <strong>Medien</strong> selbst, andererseits die Landesregierungen<br />
und die Wirtschaft. Zivilgesellschaftliche Akteure blieben in der hier zur<br />
Diskussion stehenden Öffentlichkeit im Untersuchungszeitraum weitgehend ausgeklammert.<br />
Mit der prekären Rolle der <strong>Medien</strong> in der medienpolitischen Arena – als Sprecher in<br />
eigener Sache und Kommentatoren der anderen Akteure – gehen die hier untersuchten<br />
247
M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />
<strong>Medien</strong> offenbar zurückhaltend um. Die nationalen Tageszeitungen befassen sich zwischen<br />
1994 und 1998 kaum mit sich selbst, sondern überwiegend mit den Problemen und<br />
Fehlentwicklungen der Anderen, d. h. der elektronischen <strong>Medien</strong>. Das Themenspektrum<br />
der Kommentare ist allerdings disparat, d. h. dass es nur bei wenigen Gelegenheiten<br />
zu Fokussierungen des Diskurses kommt, bei dem sich alle untersuchten Zeitungen<br />
gleichzeitig zu einem Thema äußern. Vor dem Hintergrund der vorliegenden Analysen<br />
ist kaum ersichtlich, dass im Bereich der <strong>Medien</strong>politik eine mediale Öffentlichkeit existiert,<br />
die genug Resonanz zu erzeugen vermag, um die Entscheidungsprozesse und die<br />
<strong>Medien</strong>entwicklung nachhaltig und kritisch zu begleiten. Vielmehr stellt sich die medienpolitische<br />
Öffentlichkeit in der Qualitätspresse eher als ein symbolisches Geräusch<br />
über die Anderen dar. Das Fehlen einer starken medienpolitischen Öffentlichkeit kann<br />
man indessen als ein weiteres Struktur- und Funktionsdefizit des Politikfeldes <strong>Medien</strong>politik<br />
begreifen.<br />
Literatur<br />
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Jarren, Otfried/Donges, Patrick (2000): Die <strong>Medien</strong>gesellschaft als Herausforderung für die „Berliner<br />
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248
Pfetsch · Symbolische Geräusche über die Anderen<br />
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Neidhardt, Friedhelm (1994): Öffentlichkeit, öffentliche Meinung, soziale Bewegungen. In: Neidhardt,<br />
Friedhelm (Hrsg.), Öffentlichkeit, öffentliche Meinung, soziale Bewegungen. Sonderheft<br />
der KZfSS 34/1994, S. 7 – 41.<br />
Neidhardt, Friedhelm/Eilders, Christiane/Pfetsch, Barbara (1998): Die Stimme der <strong>Medien</strong> im politischen<br />
Prozeß: Themen und Meinungen in Pressekommentaren. Berlin: WZB, FS III 98 –<br />
106.<br />
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Fortschritte der <strong>Medien</strong>wirkungsforschung. Neue theoretische und methodische Ansätze und<br />
Fortschritte der <strong>Medien</strong>wirkungsforschung. Schriftenreihe der Arbeitsgruppe <strong>Kommunikations</strong>forschung<br />
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Wiek, Ulrich (1996): Politische Kommunikation und Public Relations in der Rundfunkpolitik. Eine<br />
politikfeldbezogene Analyse. Berlin: Vistas.<br />
249
Zwischen Deutschland und Europa<br />
Eine empirische Untersuchung zum Grad von Europäisierung und Europa-<br />
Unterstützung der meinungsführenden deutschen Tageszeitungen<br />
Christiane Eilders / Katrin Voltmer<br />
Der Beitrag untersucht die Rolle der <strong>Medien</strong> bei der Herstellung europäischer Öffentlichkeit.<br />
Die Diskussion unterschiedlicher Modelle europäischer Öffentlichkeit zeigt, dass<br />
die Europäisierung nationaler Öffentlichkeiten den normativen Anforderungen einer<br />
umfassenden Inklusion und Deliberation besser entspricht als die Modelle einer paneuropäischen<br />
Öffentlichkeit und themenspezifischer transnationaler Öffentlichkeiten.<br />
Eine Inhaltsanalyse der europa-politischen Kommentierung der deutschen Qualitätszeitungen<br />
zwischen 1994 und 1998 zeigt einen Grad von Europäisierung der Öffentlichkeit,<br />
der hinter der zunehmenden Europäisierung der Politik deutlich zurückbleibt. Weder<br />
EU-Akteure noch EU-Themen werden in nennenswertem Umfang angesprochen. Selbst<br />
bei den wenigen Europa-Bezügen ist die Perspektive ganz überwiegend national.<br />
Gleichzeitig besteht ein hohes Ausmaß an Unterstützung des europäischen Integrationsprozesses<br />
im gesamten <strong>Medien</strong>spektrum.<br />
Keywords: Öffentlichkeit, Europa, Europäisierung, Kommentare, Inhaltsanalyse,<br />
Presseberichterstattung, Qualitätszeitungen<br />
1. Einleitung<br />
Mit der Einführung einer gemeinsamen europäischen Währung in zwölf Mitgliedstaaten<br />
der Europäischen Union und der Aufnahme von Verhandlungen mit neuen Beitrittskandidaten<br />
tritt die europäische Integration in eine neue Phase der Intensivierung<br />
und Erweiterung ein. Gleichzeitig – und möglicherweise als Reaktion auf diese Entwicklung<br />
– lässt sich beobachten, dass der vor allem in der deutschen Bevölkerung lange Zeit<br />
vorherrschende „permissive Konsens“ erodiert. Jahrzehntelang konnten die politischen<br />
Eliten das europäische Projekt vorantreiben, ohne in großem Stil öffentliche Unterstützung<br />
mobilisieren und europäische Entscheidungen im Einzelnen rechtfertigen zu müssen.<br />
Gescheiterte oder äußerst knappe Referenden in Dänemark, Frankreich und Irland<br />
sind alarmierende Anzeichen dafür, dass selbst in europäischen Kernländern die Skepsis<br />
gegenüber der europäischen Integration wächst (vgl. Niedermayer/Sinnott 1995).<br />
Diese Entwicklungen machen deutlich, dass die Integration Europas mehr erfordert<br />
als die Implementierung effizienter Institutionen und die Harmonisierung von Politiken<br />
zwischen der nationalen und supranationalen Ebene. Ebenso wichtig wie die institutionelle<br />
Integration ist vielmehr die Entstehung einer politischen Kultur auf der Mikroebene<br />
von Politik, das heißt die Unterstützung dieses Prozesses durch die Bürger und<br />
deren aktive Teilhabe (vgl. Almond/Verba 1963). Voraussetzung hierfür ist die Entstehung<br />
von Öffentlichkeit im Sinne eines breiten öffentlichen Diskurses zu europäischen<br />
Fragen, in dem begründeter Konsens hergestellt werden kann, der aber auch Konflikte<br />
zwischen unterschiedlichen Interessen und Meinungen zulässt. Die gegenwärtige Praxis<br />
sieht jedoch anders aus. Europäische Entscheidungen werden in der Regel hinter verschlossenen<br />
Türen und unter Ausschluss einer kritischen Öffentlichkeit getroffen, mit<br />
der Folge, dass die meisten Menschen die in Brüssel gemachte Politik als intransparent<br />
und sogar bedrohlich wahrnehmen. Das zunehmend beklagte Demokratiedefizit der<br />
250
Eilders / Voltmer · Zwischen Deutschland und Europa<br />
Europäischen Union wird deswegen zu Recht von einigen Autoren auf ein <strong>Kommunikations</strong>defizit<br />
zurückgeführt (Eder et al. 1998; Neidhardt et al. 2000).<br />
Bei der Entstehung von Öffentlichkeit nehmen die Massenmedien eine zentrale Vermittlungsfunktion<br />
im Informationsaustausch zwischen politischen Entscheidungsträgern<br />
und Bürgern wahr. Darüber hinaus nehmen die <strong>Medien</strong> gestaltend am politischen<br />
Diskurs teil, indem sie die öffentliche Agenda strukturieren und eigene Positionen in die<br />
Debatte einbringen. Während in der nationalen Politik Öffentlichkeit in einem komplexen<br />
Interaktionsprozess zwischen den politischen Eliten und den <strong>Medien</strong> entsteht<br />
(Blumler/Gurevitch 1995; Pfetsch 1998), stellt sich die Frage, wie leistungsfähig die <strong>Medien</strong><br />
bei der Herstellung einer europäischen Öffentlichkeit sind – und sein können. In<br />
der Europaforschung wurde die Bedeutung der <strong>Medien</strong> bisher weitgehend ignoriert,<br />
und auch in der <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong> entwickelt sich erst seit einiger Zeit ein<br />
wachsendes Interesse an europäischer, gleichsam zwischen nationaler und globaler Ebene<br />
angesiedelter Öffentlichkeit (vgl. Beierwaltes 2000; Kopper 1997).<br />
In diesem Artikel wollen wir untersuchen, auf welche Weise führende deutsche Tageszeitungen<br />
Europa kommunizieren und welche Positionen sie selbst zur europäischen<br />
Integration sowie zur konkreten EU-Politik einnehmen. Ist der Vorwurf berechtigt,<br />
dass die <strong>Medien</strong> zum Demokratie- und <strong>Kommunikations</strong>defizit Europas beitragen, oder<br />
lassen sich zumindest Ansätze eines europäischen Diskurses feststellen? Wird dieser<br />
Diskurs vornehmlich aus nationaler Perspektive geführt oder entwickelt sich Europa zu<br />
einer eigenständigen Bezugsgröße jenseits nationalstaatlicher Interessen? Und in welchem<br />
Maße tragen die <strong>Medien</strong> zu einer kritischen Debatte des europäischen Integrationsprozesses<br />
bei? Wir beginnen unsere Analyse mit einer Diskussion unterschiedlicher<br />
theoretischer Modelle europäischer Öffentlichkeit, die – implizit oder explizit – aktuellen<br />
Untersuchungen zum Thema unterliegen. Dabei werden wir versuchen, die in<br />
diesen Modellen angelegten normativen Annahmen zu rekonstruieren und die Grenzen<br />
und Möglichkeiten ihrer empirischen Umsetzung aufzuzeigen. Unsere empirische Untersuchung<br />
basiert auf einer Inhaltsanalyse von Kommentaren und Leitartikeln zu Europa,<br />
die zwischen 1994 und 1998 in den fünf überregionalen deutschen Qualitätszeitungen<br />
erschienen sind. Damit richtet sich unser Blick auf den genuinen Beitrag der<br />
<strong>Medien</strong> zum Europa-Diskurs in den neunziger Jahren, einer Zeitspanne, in der die europäische<br />
Integration eine besonders dynamische Entwicklung durchmachte. Die Untersuchung<br />
von Kommentaren ist ein in der <strong>Kommunikations</strong>forschung bisher weitgehend<br />
unüblicher Zugang zur <strong>Medien</strong>agenda. Unserer Ansicht nach zu Unrecht, sind<br />
Kommentare doch das Genre, wo die <strong>Medien</strong> frei von ihrer neutralen Chronistenpflicht<br />
als Meinungsführer in Erscheinung treten und aktiv zur öffentlichen politischen Auseinandersetzung<br />
beitragen.<br />
2. Drei Modelle europäischer Öffentlichkeit<br />
In der vorliegenden Literatur lassen sich im Wesentlichen drei Modelle europäischer Öffentlichkeit<br />
unterscheiden. Diese Modelle beinhalten sowohl normative Erwartungen an<br />
einen idealen europäischen öffentlichen Raum als auch empirische Beobachtungen im<br />
Hinblick auf die tatsächliche Umsetzung dieser Standards in der täglichen <strong>Medien</strong>berichterstattung<br />
über europäische Angelegenheiten. Das umfassendste und anspruchsvollste<br />
Modell europäischer Öffentlichkeit ist das einer pan-europäischen Öffentlichkeit,<br />
hergestellt durch europäische <strong>Medien</strong>, die sich an ein transnationales Publikum in<br />
allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union wenden (Gerhards 1992, 1993; siehe auch<br />
das Themenheft von Javnost/The Public 2001). Bei diesem Modell wird angenommen,<br />
251
M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />
dass die Rolle der <strong>Medien</strong> im europäischen Integrationsprozess vergleichbar ist mit der<br />
Rolle, die sie bei der Entstehung der Nationalstaaten und des Nationalismus in Europa<br />
hatten (Neidhardt et al. 2000; Thompson 1995). Anderson (1983, insbesondere Kapitel<br />
3) zufolge ist die Nation eine „imagined community“, ein soziales Konstrukt, das nicht<br />
per se existiert und deswegen „erfunden“ und interpretiert, in anderen Worten kommuniziert<br />
werden muss, um von den Beteiligten als real wahrgenommen werden zu können.<br />
Das Aufkommen einer Massenpresse während des 19. Jahrhunderts führte zu einer<br />
bis dahin unbekannten Dichte, Häufigkeit und Gleichzeitigkeit öffentlicher Kommunikation,<br />
die es breiten Bevölkerungsschichten ermöglichte, einen kognitiven Zusammenhang<br />
zwischen der eigenen unmittelbaren Lebenswelt und abstrakten, übergeordneten<br />
sozialen Realitäten herzustellen. Europa ist eine noch abstraktere politische Struktur als<br />
der Nationalstaat und bedarf deswegen umso mehr der symbolischen Vermittlung, um<br />
für den einzelnen Bürger als politische Gemeinschaft „vorstellbar“ zu werden (vgl.<br />
Christiansen et al. 2001).<br />
Diese Funktion würde allerdings eine Infrastruktur der Massenkommunikation jenseits<br />
des Nationalstaates erfordern, idealerweise ein europäisches <strong>Medien</strong>system oder<br />
zumindest einzelne <strong>Medien</strong>, die eine transnationale Perspektive einnehmen und ein paneuropäisches<br />
Publikum ansprechen (Gerhards 1992). Angesichts neuer <strong>Kommunikations</strong>technologien,<br />
wie Satelliten- und Digitalfernsehen, durch die die bestehenden Beschränkungen<br />
traditioneller Massenmedien wegfallen, scheint dies nicht allzu utopisch.<br />
Die Wirklichkeit sieht jedoch anders aus. Obwohl <strong>Medien</strong>unternehmen zunehmend<br />
global operieren, sind die Publikumsmärkte nach wie vor an sprachlich und kulturell homogenen<br />
Zielgruppen, und das heißt vorwiegend national ausgerichtet (Kleinsteuber et<br />
al. 1990, zu den gemischten Erfahrungen mit pan-europäischen Angeboten vgl. Hasebrink<br />
1998, Dill 1991, Machill 1998, Krüger 2000). Die wenigen Versuche genuin paneuropäischer<br />
Fernsehsender oder Zeitungen sind gescheitert oder müssen als marginal<br />
angesehen werden. Sie tragen kaum zur Entstehung eines öffentlichen europäischen<br />
Raumes bei, da sie sich ausschließlich an Eliten in Politik und Wirtschaft wenden, die in<br />
einem kosmopolitischen Umfeld agieren und für die Englisch eine vertraute (zweite)<br />
Sprache des Berufslebens ist.<br />
Anstatt der offensichtlich unrealistischen Vorstellung eines einheitlichen pan-europäischen<br />
öffentlichen Raumes, schlagen einige Autoren das Modell segmentierter transnationaler<br />
Themenöffentlichkeiten vor. Eder et al. (1998; Eder 2000) betonen, dass sich<br />
in Europa ein komplexes <strong>Kommunikations</strong>netzwerk herausgebildet hat, in dem sich abgrenzbare<br />
Teilöffentlichkeiten um besondere Themen herum kristallisieren. Auch<br />
Schlesinger (1999: 270) lehnt die Vorstellung einer umfassenden europäischen Öffentlichkeit<br />
ab, indem er argumentiert, dass ein Modell der „overlapping public spheres“<br />
adäquater sei, um die Rolle von Kommunikation im Kontext komplexer Mehrebenenprozesse<br />
in Europa zu verstehen (vgl. auch Schlesinger/Kevin 2000). Tatsächlich haben<br />
viele Interessengruppen und soziale Bewegungen Europa als Mobilisierungsarena entdeckt,<br />
die oftmals sogar wirksamere Einflussmöglichkeiten bietet als die nationale Arena<br />
(Imig/Tarrow 2001). Diese thematisch zentrierten Öffentlichkeiten sind nicht notwendigerweise<br />
auf Eliten begrenzt. Vielmehr finden sich in ihnen auch Basisaktivisten und<br />
Bürger, die sich nur gelegentlich engagieren, wenn ein Thema sie persönlich betrifft. In<br />
diesem Prozess sind die Massenmedien nur von geringer Bedeutung, teils weil es – wie<br />
oben dargestellt – keine ausreichende Infrastruktur der Massenkommunikation auf europäischer<br />
Ebene gibt, teils weil die Themen, die in den segmentierten Öffentlichkeiten<br />
diskutiert werden, oft zu komplex sind, um problemlos über die Massenmedien kommuniziert<br />
zu werden. Stattdessen avanciert das Internet zunehmend zum bevorzugten<br />
252
Eilders / Voltmer · Zwischen Deutschland und Europa<br />
Medium, da es sich in idealer Weise dazu eignet, ein interessiertes Publikum anzusprechen,<br />
das bereit ist, sich mit komplexen Themen auseinander zu setzen und gegebenenfalls<br />
selbst aktiv zu werden (Hill/Hughes 1998).<br />
Aus normativ-demokratietheoretischer Perspektive weisen die beiden bisher diskutierten<br />
Modelle europäischer Öffentlichkeit einen entscheidenden Nachteil auf: Sie<br />
schließen systematisch den Großteil der Bürger von der Teilhabe am politischen Diskurs<br />
aus. Eine breite europäische Öffentlichkeit, die allen Bürgern offen steht, scheint<br />
dagegen nur in einem dritten Modell gewährleistet zu sein: der Europäisierung der nationalen<br />
Öffentlichkeit. Zwei Gründe sprechen für diese Annahme. Erstens existiert auf<br />
nationaler Ebene eine flächendeckende Infrastruktur der Massenkommunikation. Hier<br />
auf dem nationalen Markt können die <strong>Medien</strong> auf Publikumsbindungen bauen, sprachliche<br />
und kulturelle Besonderheiten ausnutzen, um Aufmerksamkeit zu erzielen, und<br />
für die Informationsbeschaffung auf eingespielte Interaktionsmuster mit Politikern<br />
zurückgreifen. Zweitens sind die entscheidungsrelevanten Institutionen der Europäischen<br />
Union (Ministerrat, Kommission) nach wie vor eng mit den nationalen Regierungen<br />
der Mitgliedstaaten verknüpft und von diesen dominiert. Es ist deswegen nur folgerichtig,<br />
dass politische Akteure sich nicht an ein europäisches Publikum wenden, um<br />
europa-politische Entscheidungen zu legitimieren, sondern an ihre nationalen Wähler.<br />
Auch aus der Sicht der Bürger sind vor allem nationale politische Akteure für europäische<br />
Politik verantwortlich. Angesichts der geringen Kompetenzen des Europäischen<br />
Parlaments bleiben nationale Wahlen vorerst der wirksamere Mechanismus, um – wenn<br />
auch indirekt – auf europäische Politik Einfluss zu nehmen.<br />
Das Konzept der Europäisierung, häufig weitgehend synonym mit dem der europäischen<br />
Integration verwendet, gewinnt seit einiger Zeit in der politik<strong>wissenschaft</strong>lichen<br />
Forschung zunehmend spezifischere Konturen und hat zu einem Perspektivenwechsel<br />
gegenüber traditionellen Ansätzen geführt (Green Cowles et al. 2000; Hix/Goetz 2000;<br />
Radaelli 2000). Während bisher der Schwerpunkt auf Institutionenwandel und Politikformation<br />
auf europäischer Ebene lag, bezieht sich der Begriff der Europäisierung auf<br />
den Einfluss der EU auf die nationale politische Arena. Dabei kann die Anpassung an<br />
transnationale europäische Prozesse in den einzelnen Mitgliedstaaten, aber auch in den<br />
unterschiedlichen Bereichen des politischen und gesellschaftlichen Wandels durchaus<br />
unterschiedlich verlaufen. Diese je spezifischen Anpassungsprozesse haben wiederum<br />
Rückwirkungen auf den politischen Entscheidungsprozess auf europäischer Ebene. Damit<br />
wird Europapolitik nicht mehr als vorwiegend horizontaler Prozess zwischen<br />
europäischen Staaten verstanden, sondern als ein dynamischer Wechselwirkungsprozess<br />
zwischen verschiedenen Handlungsebenen, wobei die oftmals bereits totgesagte nationale<br />
Ebene wieder an Bedeutung gewinnt.<br />
Bezogen auf die Entstehung einer europäischen Öffentlichkeit lässt sich der Begriff<br />
der Europäisierung dahingehend spezifizieren, dass europäische Themen und Akteure<br />
im nationalen politischen Diskurs berücksichtigt werden und die Interpretation nationaler<br />
Politik verändern. Die Annahme ist, dass Europa – ob als politische Institution<br />
oder als geographisch-kultureller Raum – letztendlich nur auf dem Hintergrund bekannter,<br />
in der nationalen Kultur verwurzelter Deutungsmuster sinnhaft kommuniziert<br />
werden kann. Aus dieser Sichtweise konstituiert sich europäische Öffentlichkeit nicht<br />
als umfassender einheitlicher <strong>Kommunikations</strong>raum, sondern als ein „patchwork of<br />
Europeanized national spheres“ (de Beus/Mak 2001: 354). Interessanterweise sieht auch<br />
die Europäische Kommission die Vermittlung von europabezogener Information vornehmlich<br />
als eine Aufgabe der Mitgliedsländer, und nicht der EU (vgl. de Beus/Mak<br />
2001: 353).<br />
253
M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />
Die Bewertung einer auf die nationale Ebene verlagerten europäischen Öffentlichkeit<br />
mag allerdings unterschiedlich ausfallen. Philip Schlesinger argumentiert, dass der<br />
Europa-Diskurs dadurch jeweils eine nationale Färbung erhalte und man statt von der<br />
Europäisierung der nationalen Sphären eher von einer „Domestizierung“ Europas sprechen<br />
könne. 1 Auch andere Autoren geben sich mit der Europäisierung der nationalen<br />
Öffentlichkeiten nicht zufrieden, sondern betrachten das Fehlen einer umfassenden<br />
transnationalen europäischen Öffentlichkeit und das Vorherrschen der nationalen Perspektive<br />
im öffentlichen Diskurs als ein Defizit und ein ernst zu nehmendes Hindernis<br />
auf dem Weg zu einer fortschreitenden Integration (Gerhards 1993; Neidhardt et al.<br />
2000). Dem ist entgegenzuhalten, dass das Konzept einer Europäisierung nationaler<br />
Öffentlichkeiten von einer Wechselbeziehung zwischen nationaler und transnationaler<br />
Ebene ausgeht. Nationale Diskursarenen sind nicht von der Außenwelt abgeschlossen,<br />
sondern nehmen, wenngleich in unterschiedlichem Maße, neue Ideen auf. Außerdem<br />
tragen politische Eliten, aber auch <strong>Medien</strong> mit internationaler Orientierung dazu bei,<br />
dass Ideen und Interpretationen diffundieren.<br />
Nur wenige empirische Studien haben bisher untersucht, wie Europa auf der nationalen<br />
<strong>Medien</strong>agenda dargestellt wird und welche Konsequenzen das für die politische<br />
Meinungsbildung hat (vgl. den Überblick bei Semetko et al. 2000; Semetko/Valkenburg<br />
2000). Ein frühes vergleichendes Projekt zu den Wahlen zum europäischen Parlament<br />
im Jahre 1979 (Blumler 1983) zeigt, dass sowohl die Wahlkämpfe in den Mitgliedstaaten<br />
als auch die <strong>Medien</strong>berichterstattung überwiegend einen nationalen Blickwinkel einnahmen.<br />
Dieses Muster scheint sich in den letzten zwanzig Jahren kaum verändert zu<br />
haben (Kevin 2001; Medrano 2001). In Deutschland hat vor allem Gerhards (1992; 1993;<br />
2000) die Diskussion zur europäischen Öffentlichkeit vorangetrieben. In einer Langzeitanalyse,<br />
die einen Zeitraum zwischen 1950 und 1995 umfasst, vergleicht er die Transnationalisierung<br />
von Ökonomie, Politik und <strong>Medien</strong>öffentlichkeit (Gerhards 2000). Es<br />
zeigt sich, dass im Unterschied zu den beiden anderen Bereichen die <strong>Medien</strong>agenda in<br />
den vergangenen vierzig Jahren praktisch nicht auf die zunehmende Bedeutung Europas<br />
reagiert hat. Die europa-politische Berichterstattung bleibt mehr oder weniger konstant<br />
auf einem Niveau um die sieben Prozent, während sich politische und wirtschaftliche<br />
Tätigkeitsfelder immer mehr in den transnationalen Raum vorgeschoben haben.<br />
Während diese Studie einen hervorragenden Überblick über die Langzeitentwicklung<br />
gibt und somit auch die Frage nach einem Maßstab für einen angemessenen Umfang der<br />
Europaberichterstattung elegant umgeht, bleibt die Messung der <strong>Medien</strong>agenda notgedrungen<br />
recht grob. In der hier vorgestellten Untersuchung können wir lediglich<br />
einen Beobachtungszeitraum von fünf Jahren abdecken. Im Unterschied zu den Analysen<br />
von Gerhards sind wir jedoch in der Lage, die Binnenstruktur der europa-politischen<br />
<strong>Medien</strong>berichterstattung genauer zu untersuchen. Unsere Operationalisierung<br />
des Europäisierungskonzepts wird im folgenden Abschnitt erläutert.<br />
3. Die Rolle der <strong>Medien</strong> bei der Herstellung einer europäisierten Öffentlichkeit<br />
Wir hatten eingangs argumentiert, dass Europa stärker Gegenstand des öffentlichen Diskurses<br />
werden muss, wenn das häufig beklagte Demokratiedefizit der Europäischen<br />
Union behoben werden soll. Der Beitrag der <strong>Medien</strong> zu einer Europäisierung der na-<br />
1 Persönliche Diskussion mit den Autorinnen.<br />
254
Eilders / Voltmer · Zwischen Deutschland und Europa<br />
tionalen Öffentlichkeit besteht folglich in einer Inklusion europäischer Themen und<br />
Akteure auf der <strong>Medien</strong>agenda. Die Erwartung ist, dass die Europäisierung der Politik<br />
sich in einer Europäisierung der <strong>Medien</strong>agenda niederschlägt, dass die Relevanz der supranationalen<br />
Ebene von den <strong>Medien</strong> also wahrgenommen und vermittelt wird. Dabei<br />
verweist der Begriff der Europäisierung auf den Prozesscharakter des Konzepts. 2 Wenn<br />
von einer Europäisierung der nationalen Öffentlichkeit die Rede ist, wird von einer stetigen<br />
Zunahme der Europa-Bezüge auf der <strong>Medien</strong>agenda ausgegangen. Kriterien für<br />
das Ende des Prozesses, ab wann die Europäisierung also erreicht oder abgeschlossen ist,<br />
werden dabei allerdings nicht spezifiziert. Ebenso wenig finden sich Grenzwerte für den<br />
Umfang „angemessener“ Europa-Bezüge, da die Relevanz der supranationalen Ebene<br />
für politische Entscheidungen nicht exakt quantifiziert werden kann. Der Grad der<br />
Europäisierung lässt sich damit nur im Zeit-Vergleich, im Ländervergleich oder aber im<br />
Vergleich zwischen mehreren Politikbereichen beurteilen. In der Regel muss dazu auf<br />
Längsschnittstudien oder andere externe Daten zurückgegriffen werden.<br />
In Bezug auf den Beitrag der <strong>Medien</strong> zur europäischen Integration spielen neben der<br />
Aufnahme Europas auf der öffentlichen Agenda auch die europa-bezogenen Meinungen<br />
der <strong>Medien</strong> eine wichtige Rolle. Hier ist zwischen langfristigen und grundsätzlichen<br />
Haltungen zur europäischen Integration und der Bewertung der tatsächlichen Europa-<br />
Politik der Amtsinhaber zu unterscheiden. Wir gehen davon aus, dass selbst eine häufige<br />
Bezugnahme auf die supranationale Ebene und die Darstellung der Verflochtenheit<br />
beider Politikebenen ohne gleichzeitige Unterstützung des Integrationsgedankens und<br />
der einschlägigen Akteure kaum zu einem europa-freundlichen Klima in der Öffentlichkeit<br />
beiträgt. Wenn dagegen die meinungsführenden <strong>Medien</strong> das europäische Projekt<br />
unterstützen, ist es relativ unwahrscheinlich, dass die „schlechte Presse“ Europas<br />
für die Skepsis gegenüber Europa gesorgt hat. Möglicherweise ist die Ursache für diese<br />
Skepsis dann tatsächlich in einer ungenügenden Inklusion Europas auf der Agenda zu<br />
suchen.<br />
In unserer Analyse der <strong>Medien</strong>agenda konzentrieren wir uns auf drei zentrale Aspekte<br />
von <strong>Medien</strong>handeln, nämlich (1) Thematisierung, (2) politische Stellungnahmen im<br />
Rahmen einer redaktionellen Linie und (3) Bewertung und Kritik aktueller Politik.<br />
(1) Die Strukturierung der öffentlichen Agenda ist zweifellos die wichtigste Leistung<br />
der <strong>Medien</strong> im öffentlichen <strong>Kommunikations</strong>prozess (Dearing/Rogers 1996; Protess/McCombs<br />
1991; McCombs/Shaw 1972). Durch die Auswahl bestimmter Themen<br />
bringen die <strong>Medien</strong> Probleme in das öffentliche Bewusstsein und üben damit indirekten<br />
Handlungsdruck auf politische Entscheidungsträger aus (Luhmann 1970). Eine einfache,<br />
aber zentrale Voraussetzung für die Europäisierung der deutschen <strong>Medien</strong>öffentlichkeit<br />
ist deswegen, dass Europa ein deutlich sichtbarer Bestandteil der öffentlichen<br />
Agenda ist.<br />
Nicht alles, was objektiv wichtig ist, findet allerdings entsprechende publizistische<br />
Beachtung. So mangelt es der Europa-Politik an den wichtigsten Eigenschaften, um die<br />
Aufmerksamkeit der <strong>Medien</strong> auf sich zu ziehen. Weder lassen sich herausragende Persönlichkeiten<br />
auf der europäischen Bühne ausmachen, die eine grenzüberschreitende<br />
2 Betrachtet man die Europa-Bezüge auf der <strong>Medien</strong>agenda nicht im Zeitverlauf, sondern im<br />
Querschnitt, so müsste man konsequenterweise von „Europäisiertheit“ oder „Europabezogenheit“<br />
sprechen. Um jedoch an den allgemeinen Sprachgebrauch der Forschungstradition anzuschließen,<br />
nehmen wir die sprachliche Unschärfe in Kauf und sprechen jeweils vom Grad der<br />
Europäisierung.<br />
255
M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />
positive Ausstrahlung besitzen (vgl. Trenz 2000 zu den EU-Korruptionsskandalen),<br />
noch kulminieren die langen Politik-Zyklen der EU-Politik in Ereignissen mit hoher<br />
symbolischer und visueller Anziehungskraft. Probleme und Konflikte werden meist bewusst<br />
von der Öffentlichkeit fern gehalten, um die Harmonie in der europäischen Familie<br />
zu demonstrieren. Dies entspricht dem Konsensprinzip, nach dem im Ministerrat<br />
Entscheidungen getroffen werden und das die Chance europäischer <strong>Medien</strong>berichterstattung<br />
durch den Mangel an Konflikthaftigkeit systematisch unterhöhlt.<br />
Der Agenda-Setting-Ansatz 3 wurde in der neueren Forschung zum so genannten<br />
„Second-Level Agenda-Setting“ erweitert (Ghanem 1997; McCombs et al. 2000). Die<br />
Annahme ist, dass Agenda-Setting-Prozesse nicht nur die Auswahl von Themen umfassen,<br />
sondern auch die Auswahl bestimmter Aspekte, die die Darstellung eines Themas<br />
steuern. Beispiele solcher Aspekte von Themen sind Persönlichkeitseigenschaften von<br />
Kandidaten oder die Verbindung eines Problems mit anderen Themen. 4 Da diese attributiven<br />
Aspekte einem Thema Sinn und Bedeutung verleihen, kann man davon ausgehen,<br />
dass sie eine wichtige Rolle in individuellen und kollektiven Meinungsbildungsprozessen<br />
spielen. Im Kontext unserer Fragestellung würde eine Europäisierung der<br />
<strong>Medien</strong>agenda auch darin bestehen, dass die <strong>Medien</strong> innenpolitische Probleme in Bezug<br />
setzen zu europäischer Politik. Die Annahme hier ist, dass die Bedeutung von Europa<br />
nicht nur in der Berichterstattung und in den Kommentaren über genuin europäische<br />
Themen zum Ausdruck kommt, sondern auch in der Kontextualisierung innenpolitischer<br />
Probleme im Hinblick auf ihre transnationalen Interdependenzen. Während die<br />
Auswahl von Themen, also die erste Stufe des Agenda-Setting-Prozesses, von vielen<br />
strukturellen Faktoren abhängt, kann die Hervorhebung bestimmter Attribute sehr viel<br />
stärker durch die <strong>Medien</strong> selbst kontrolliert werden.<br />
(2) Über die Themenstrukturierung hinaus nehmen die <strong>Medien</strong> ihre aktive Rolle im<br />
politischen Meinungsbildungsprozess auch dadurch wahr, dass sie ihre eigenen Positionen<br />
zu politischen Konflikten einbringen. Die politischen Positionen einzelner <strong>Medien</strong><br />
folgen in der Regel einem relativ stabilen Muster politischer Präferenzen, der so genannten<br />
redaktionellen Linie, die sich über einen langen Zeitraum herausgebildet hat<br />
und ein wichtiger Bestandteil der publizistischen Identität eines Presseorgans ist. Die redaktionelle<br />
Linie kommt am deutlichsten in Kommentaren zum Ausdruck, wo Journalisten<br />
unabhängig von der professionellen Ausgewogenheitsverpflichtung ihre Meinungen<br />
äußern können. Da Europa sich nicht in das bewährte Links-Rechts-Schema politischer<br />
Konflikte einordnen lässt, ist es offen, welche Position die <strong>Medien</strong> beziehen. Im<br />
Prinzip lassen sich zwei Optionen denken: Entweder folgen die <strong>Medien</strong> den Vorgaben<br />
der politischen Eliten, unter denen in Deutschland zum Thema Europa ein breiter Konsens<br />
quer durch alle parteipolitischen Gruppierungen herrscht; oder die <strong>Medien</strong> folgen<br />
der allgemeinen Bevölkerungsmeinung, die zwar immer noch mehrheitlich pro-Europa<br />
ist, aber in zunehmendem Maße von Skepsis und sogar Ablehnung geprägt ist.<br />
(3) Die letzte Dimension des <strong>Medien</strong>handelns betrifft Bewertungen politischer Akteure<br />
und ihrer Leistungen bei der Lösung aktueller Probleme. Bewertungen und Kri-<br />
3 Wir verwenden hier den Agenda-Setting-Begriff im weiten Sinne als Themenstrukturierungsfunktion<br />
der <strong>Medien</strong>. Damit sind in diesem Kontext keine spezifischen Wirkungsannahmen<br />
verbunden.<br />
4 Konzeptionell ist „Second-Level Agenda-Setting“ eng verwandt mit dem Framing-Ansatz, der<br />
ebenfalls die Kontextualisierung eines Sachverhalts durch die selektive Betonung bestimmter<br />
Aspekte beschreibt (Entman 1993; Nelson et al. 1997).<br />
256
Eilders / Voltmer · Zwischen Deutschland und Europa<br />
tik sind Teil der Rolle der <strong>Medien</strong> als „vierte Gewalt“ und ihrer Funktion, die Öffentlichkeit<br />
auf Probleme, Fehlverhalten politischer Entscheidungsträger oder als falsch erachtete<br />
Entscheidungen aufmerksam zu machen. Generelle Positionen zur europäischen<br />
Integration und spezifische Bewertungen konkreter Politik müssen nicht notwendigerweise<br />
übereinstimmen. So kann zum Beispiel eine unterstützende Position zur europäischen<br />
Integration durchaus mit Kritik am konkreten Kurs der Europapolitik einhergehen,<br />
wenn sie als zu halbherzig, verfehlt oder ineffizient angesehen wird.<br />
Damit operationalisieren wir die Europäisierung der nationalen Öffentlichkeit mit<br />
dem Grad der Sichtbarkeit Europas in den <strong>Medien</strong> und dem Umfang der Verknüpfungen,<br />
die zwischen den beiden Politik-Ebenen hergestellt werden. Zusätzlich werden mit<br />
der generellen Unterstützung der europäischen Integration sowie dem Ausmaß spezifischer<br />
Kritik aktueller politischer Leistungen europa-relevante Positionen der <strong>Medien</strong><br />
erfasst, die mögliche Erklärungen für die europa-politische Haltung der breiteren Öffentlichkeit<br />
darstellen. Insbesondere wollen wir die folgenden Fragen untersuchen:<br />
– Thematisierung: In welchem Maße wählen die untersuchten Printmedien europäische<br />
Themen und europäische Akteure für ihre Kommentare aus und statten sie auf<br />
diese Weise neben der aktuellen Nachrichtenagenda mit zusätzlicher Wichtigkeit<br />
aus? Ziehen die <strong>Medien</strong> Verbindungen zwischen Europa-Politik und anderen innenpolitischen<br />
Politikfeldern, um die Bedeutung Europas für die nationale Entwicklung<br />
zu demonstrieren?<br />
– Positionen: Welche generellen Präferenzen vertreten die deutschen Qualitätszeitungen<br />
hinsichtlich der europäischen Integration? Sind sie pro- oder anti-europäisch,<br />
und in welchem Maße ist dieses Thema zwischen den Zeitungen umstritten? Wie ausgeprägt<br />
ist der Konflikt bzw. Konsens zur europäischen Integration im Vergleich zu<br />
anderen Politikfeldern?<br />
– Bewertung: Wie bewerten die <strong>Medien</strong> europäische Institutionen und politische Akteure,<br />
und zwar sowohl europäische als auch deutsche Akteure, die aktiv am europäischen<br />
Entscheidungsprozess beteiligt sind? Fallen diese Bewertungen verglichen mit<br />
anderen Politikfeldern positiver oder negativer aus?<br />
4. Studiendesign<br />
Die hier vorgestellten empirischen Daten stammen aus einem größeren Projekt5 (vgl.<br />
Neidhardt/Eilders/Pfetsch 1998, Eilders/Lüter 1998) zum politischen Diskurs in den<br />
Kommentaren der deutschen Qualitätspresse. Für die vorliegende Analyse stützen wir<br />
uns auf einen Ausschnitt dieser Daten, der sich auf den europa-politischen <strong>Medien</strong>diskurs<br />
bezieht. Die EU-Politik stellt in der themenübergreifenden Untersuchung lediglich<br />
ein Politikfeld von vielen dar. Das Gesamtprojekt basiert auf einer Inhaltsanalyse<br />
von 8946 Kommentaren aus „Die Welt“, „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ), „Süddeutsche<br />
Zeitung“ (SZ), „Frankfurter Rundschau“ (FR) und der „tageszeitung“ (taz)<br />
zwischen 1994 und 1998. Kommentare ermöglichen einen gezielten und effizienten Zugriff<br />
auf die Gesamtheit der politischen Berichterstattung, da sich die Themen und Meinungen,<br />
die im Meinungsteil zur Sprache kommen, mit dem Inhalt des Nachrichtenteils<br />
decken (Hagen 1992; Schönbach 1977), und bieten somit eine gute Grundlage für eine<br />
5 Das Projekt „Die Stimme der <strong>Medien</strong> im politischen Prozess: Themen und Meinungen in Pressekommentaren“<br />
wurde von der DFG finanziert und war am Wissenschaftszentrum Berlin angesiedelt.<br />
257
M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />
Vermessung des publizistischen Meinungsspektrums zur Frage der europäischen Integration.<br />
Obwohl keine bedeutende Zeitung institutionelle Bindungen zu einer Partei aufweist,<br />
lassen sich auch im gegenwärtigen Pressesystem bestimmte, die Parteienstruktur<br />
widerspiegelnde politische Ideologien nachweisen. Das gilt insbesondere für die nationalen<br />
Qualitätszeitungen. Diese decken fast das gesamte politische Spektrum ab, angefangen<br />
bei der rechts-konservativ ausgerichteten „Welt“ bis hin zur „tageszeitung“ am<br />
linken Ende der Skala. Zwischen diesen beiden Polen liegen von rechts nach links die<br />
„Frankfurter Allgemeine“, die „Süddeutsche Zeitung“ und die „Frankfurter Rundschau“<br />
(Kepplinger 1985a; Hagen 1992; Donsbach/Wolling/Blomberg 1996).<br />
Um eine substanzielle Zeitspanne abzudecken, umfasst unsere Stichprobe die Jahre<br />
1994 bis 1998, wobei alle politischen Kommentare aus jeweils zwei Quartalen pro Jahr<br />
berücksichtigt werden. Für den größeren Projektkontext war es wichtig, Themenkarrieren<br />
über längere Zeitspannen auch zwischen den Zeitungen nachvollziehbar zu<br />
machen. Daher wurde größter Wert darauf gelegt, zusammenhängende Zeiträume zu erfassen<br />
6 . Untersucht wurden alle Kommentare des politischen Teils der Zeitungen, abgesehen<br />
von Kommentaren, die sich ausschließlich mit internationalen Nachrichten<br />
ohne Bezug zu Deutschland oder den einzelnen Mitgliedstaaten der EU beschäftigen.<br />
Anders als eine reine Einzelthemenstudie zu Europa erlaubt die themenübergreifende<br />
Anlage der Untersuchung einen Vergleich der Kommentierung europa-politischer und<br />
innenpolitischer Themen. Für jeden Kommentar konnten bis zu drei Themen, drei<br />
Positionen zu diesen Themen sowie vier Akteure kodiert werden. Es wurde ein detailliertes<br />
Kategorienschema entwickelt, das die folgenden Elemente abdeckt:<br />
– Themen: Das Codebuch enthält 45 Themenbereiche, eines davon europäische Integration,<br />
die jeweils in Unterthemen aufgeschlüsselt werden können (z. B. „Funktionsprobleme<br />
der EU“ und „EU-Erweiterung“).<br />
– Positionen: Um die allgemeine politische Position der Zeitungen hinsichtlich bestimmter<br />
Themengebiete zu erfassen, wurde ein Instrument verwendet, das in der<br />
Lage ist, die gesamte Bandbreite politischer Konflikte abzudecken (Voltmer 1997<br />
und 1998). Für jedes in den Kommentaren angesprochene politische Thema konnte<br />
eine von 16 bipolaren Konfliktdimensionen sowie die politische Präferenz (Zustimmung/Ablehnung)<br />
codiert werden. Für die Analyse der europäischen Integration<br />
werden wir uns auf lediglich zwei Konfliktdimensionen konzentrieren: Die Dimension<br />
„Partnerschaft vs. Abgrenzung“ bezieht sich auf die Grundhaltung in internationalen<br />
Beziehungen, wonach das nationale Interesse in Kooperation bzw.<br />
Konfrontation mit anderen Staaten verfolgt wird. Die Dimension „Supranationalität<br />
vs. Souveränität“ repräsentiert die Bereitschaft, Kompetenzen an überstaatliche<br />
Institutionen abzutreten bzw. die nationale Souveränität als oberstes Ziel zu verfolgen.<br />
– Akteure: Es wurden Einzel- und Kollektivakteure sowohl auf supranationaler als<br />
auch auf nationaler Ebene kodiert.<br />
– Bewertung: Die Bewertungen der Akteure durch den Kommentator wurden auf einer<br />
drei-stufigen Skala kodiert, die von positiver bis zu negativer Einschätzung reicht.<br />
Der mittlere Skalenwert bezeichnet ein ausgewogenes Verhältnis von positiven und<br />
negativen Wertungen in einem Kommentar.<br />
6 Anhand einer Vollerhebung der FAZ wurden mögliche Effekte der Auswahl der Stichprobenquartale<br />
kontrolliert. Es zeigte sich, dass keine systematischen Diskrepanzen zwischen Stichprobenquartalen<br />
und den nicht erfassten Quartalen vorlagen.<br />
258
Das Material wurde nach dreiwöchiger Schulung von einem siebenköpfigen Team am<br />
Wissenschaftszentrum Berlin codiert. Durch die Durchführung im Haus und die Arbeit<br />
in kopräsenten Teams wurde gewährleistet, dass die Codierung sorgfältig vorgenommen<br />
wurde und in Zweifelsfällen eine direkte Abstimmung mit anderen Codern oder der<br />
Projektleitung möglich war. Bei den inhaltlichen Variablen variierte die Reliabilität beträchtlich<br />
zwischen den einzelnen Variablen. Die Variablen aus dem Themenumfeld<br />
(Anlass, Themenfokus, Themen, Themenbehandlung) wurden mit 70- bis 80-prozentiger<br />
Übereinstimmung codiert 7 , was angesichts der sehr differenzierten Themenausprägungen<br />
ein beachtliches Ergebnis darstellt. Die ebenfalls stark ausdifferenzierten Akteursvariablen<br />
erzielten zwar ebenfalls Koeffizienten von zu bis 80 Prozent, die Reliabilität<br />
nahm jedoch mit der Strenge der Vergleichskriterien auf 50 Prozent ab. Die Positionsvariablen<br />
erreichten zwischen 50 und 60 Prozent Übereinstimmung und zeigten<br />
damit das schlechteste Ergebnis 8 . Insgesamt ergab sich über alle Variablen unter Ausschluss<br />
der Formalia ein Koeffizient zwischen 60 und 70 Prozent, was eine durchaus<br />
zufrieden stellende Codiererübereinstimmung darstellt.<br />
Unsere Analyse basiert auf einer europa-spezifischen Teilstichprobe, die 771 der<br />
8946 Kommentare der Gesamtstudie umfasst. Die ausgewählten Kommentare sprechen<br />
entweder Themen der Europa-Politik oder EU-Akteure an (siehe Tabelle 1).<br />
5. Ergebnisse<br />
Eilders / Voltmer · Zwischen Deutschland und Europa<br />
5.1 Thematisierung<br />
Der Grad der Europäisierung der <strong>Medien</strong>agenda wurde zum einen über die Anzahl der<br />
Bezugnahmen auf die supranationale Ebene, zum anderen über die Darstellung der Verflechtung<br />
zwischen europäischer und nationaler Politik erfasst. Unser Datenmaterial<br />
zeigt eine sehr geringe Repräsentation der supranationalen Ebene auf der deutschen <strong>Medien</strong>agenda.<br />
Während innenpolitische Themen sehr viel Beachtung erhielten, wurden<br />
europäische Themen nur 884 Mal erwähnt. Dies macht lediglich 5,6 Prozent aller Themennennungen<br />
in der Gesamtstichprobe aus und liegt deutlich unter den Themennennungen<br />
für die Außen- und Bündnispolitik. Ein Vergleich der Zeitungen unserer Stichprobe<br />
ergibt nur wenige Unterschiede bei der Thematisierung Europas. Dabei brachten<br />
Zeitungen des linken Spektrums Europa etwas mehr Aufmerksamkeit entgegen als die<br />
„Welt“ (siehe Tabelle 2). Angesichts des leichten Anstiegs der Europabezüge zwischen<br />
1994 und 19989 ist aber etwas Zuversicht erlaubt. Da die Aufmerksamkeit für Außenpolitik<br />
im gleichen Zeitraum stabil geblieben ist, kann die leichte Zunahme der EU-Be-<br />
7 Im Interesse einer möglichst großen Transparenz über die Qualität der Datengewinnung wurden<br />
mehrere Gesamtkoeffizienten berechnet, denen aufsteigend jeweils strengere Kriterien für<br />
eine reliable Codierung zugrunde lagen (für eine detailliertere Erläuterung vgl. Eilders/Lüter<br />
1998). Während sich die unterste Ebene auf die quantitativ erheblichen und in der Datenanalyse<br />
vorrangigen Variablen und Differenzierungs- bzw. Aggregationsniveaus bezieht, weist die<br />
oberste Ebene jeweils eine Prüfung aus, die auf jede Aggregation oder den Ausschluss bestimmter<br />
Subvariablen verzichtet. Hier wird also auf der ursprünglichen Ausprägungsebene geprüft.<br />
8 Die Unsicherheiten schienen hier allerdings weniger in der Frage zu bestehen, welcher Konflikt<br />
codiert werden sollte, als vielmehr darin, ob überhaupt einer der Konflikte vorlag.<br />
9 1994: 5,8%, 1995: 1,9%, 1996: 4,1%, 1997: 7,3%, 1998: 9%.<br />
259
M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />
Tabelle 1: Kommentare mit Europabezug: Die Darstellung von Themen und Akteuren<br />
(N = Anzahl der Kommentare)<br />
züge nicht durch ein allgemein gestiegenes Interesse an internationalen Beziehungen erklärt<br />
werden. Vielmehr scheint die Bedeutung supranationaler Politik stärker in das Bewusstsein<br />
der <strong>Medien</strong> gelangt zu sein.<br />
Aufmerksamkeit für die supranationale Ebene wurde im Wesentlichen durch die Unterthemen<br />
„Verschiedene Bereiche der Zusammenarbeit“, „Funktionsprobleme der<br />
EU“ und „EU-Erweiterung“ generiert (siehe Tabelle 3).<br />
260<br />
Mit EU-Thema Ohne EU-Thema<br />
N = 679 N = 8267<br />
Mit EU-Akteur (N = 470) 378 92<br />
4,2% 1%<br />
Ohne EU-Akteur (N = 8476) 301 8175<br />
3,4 % 91,4 %<br />
Tabelle 2: Thematisierung: Darstellung von EU-Politik im Vergleich zu Außen-, Bündnis-<br />
und nationaler Politik in Prozent<br />
(N = Anzahl der Themenbezüge)<br />
Politikfeld taz FR SZ FAZ Welt Gesamt<br />
EU-Politik<br />
(N = 884) 4,7 5,9 7,1 6,1 3,9 5,6<br />
Außen- und Bündnispolitik<br />
(N = 1533) 10,0 9,5 10,6 9,2 9,2 9,7<br />
Nationale Politik<br />
(N = 13473) 85,3 84,6 82,3 84,7 87,0 84,7<br />
Tabelle 3: Thematisierung: Darstellung von EU-Unterthemen<br />
(N = Anzahl der Themenbezüge)<br />
Unterthemen (N = 884) %<br />
Verschiedene Gebiete der Zusammenarbeit 33,1<br />
Funktionsprobleme der EU 15,6<br />
EU-Erweiterungen 10,1<br />
EU-Institutionen 7,6<br />
EU-Agrarpolitik 7,4<br />
EU-Politik allgemein 5,5<br />
Europäische Integration 4,1<br />
Finanzbeziehungen zur und innerhalb der EU 3,6<br />
Andere EU-Themen 12,4
EU-Akteure sind noch schwächer auf der <strong>Medien</strong>agenda repräsentiert als EU-Themen.<br />
EU-Akteure wurden 542 mal angesprochen, was lediglich 1,6 Prozent aller Akteursbezüge<br />
ausmacht. Mehr als die Hälfte davon betrifft die Europäische Union als<br />
Ganzes, weniger als ein Fünftel bezieht sich auf die Kommission und weniger als ein<br />
Zehntel auf das Europäische Parlament und den Ministerrat (siehe Tabelle 4). Auch hier<br />
zeigen sich nur geringe Unterschiede zwischen den Zeitungen mit geringfügig höherer<br />
Sichtbarkeit von EU-Akteuren in liberalen Blättern 10 . Parallel zur medialen Aufmerksamkeit<br />
für EU-Themen lässt sich auch für die EU-Akteure über die Jahre ein leichter<br />
Zuwachs verzeichnen 11 .<br />
Tabelle 4: Thematisierung: Darstellung von EU-Akteuren<br />
(N = Anzahl der Akteursbezüge)<br />
Eilders / Voltmer · Zwischen Deutschland und Europa<br />
EU-Akteure (N = 542) %<br />
Die EU als Ganzes 53,3<br />
Europäisches Parlament 6,5<br />
Ministerrat 6,6<br />
Kommission 18,8<br />
Gerichtshof 3,0<br />
Andere europäische Institutionen 11,8<br />
Die Einschätzung, ob Europa gemessen an seiner politischen Bedeutung auf der <strong>Medien</strong>agenda<br />
hinreichend berücksichtigt ist, kann nur unter Rückgriff auf Vergleichsdaten<br />
– etwa Befunde über andere Politikbereiche oder Länder, am besten aber Längsschnitt-<br />
Daten – vorgenommen werden. Mit der Untersuchung eines Zeitraums von lediglich<br />
fünf Jahren ist ein Zeitvergleich innerhalb unserer eigenen Studie wenig zielführend. Ein<br />
Vergleich mit den Anteilen der Europa-Bezüge in der Längsschnittanalyse von<br />
Gerhards kann jedoch Anhaltspunkte für eine Einschätzung der Angemessenheit des<br />
Europäisierungsgrades liefern. Gerhards hatte mit einer vergleichbaren Unterscheidung<br />
zwischen innenpolitischen, europäischen und internationalen Themen zwischen 1951<br />
und 1995 einen relativ stabilen Anteil von etwa sieben Prozent ermittelt (Gerhards<br />
2000). Unsere Befunde liegen auf ähnlich niedrigem Niveau und zeigen damit keine einschneidende<br />
Bedeutungszunahme der europäischen Ebene für die Zeit nach 1995. Das<br />
gilt auch für die Sichtbarkeit von EU-Akteuren. Hier ermittelte Gerhards Anteile um<br />
ein Prozent für Urheber von Stellungnahmen, die europäischen Institutionen zuzurechnen<br />
waren. In unserer Untersuchung wurden alle angesprochenen EU-Akteure<br />
berücksichtigt, auch wenn sie nicht Urheber, sondern Adressaten oder Betroffene waren,<br />
so dass sich etwas höhere Anteile ergeben. Insgesamt bestätigt sich jedoch hiermit<br />
auch für die Zeit nach 1995 der Befund, dass die Bedeutung von Europa in der Presse<br />
stagniert. Nachdem sich der Umfang der Europa-Bezüge seit den 50er Jahren weder<br />
nach unseren noch nach Gerhards’ Befunden erhöht hat, kann nicht von einem angemessenen<br />
Europäisierungsgrad der <strong>Medien</strong>agenda ausgegangen werden. Die Verlagerung<br />
von Herrschaft auf die supranationale Ebene hat sich im öffentlichen Diskurs nicht<br />
10 Die genauen Anteile der EU-Akteure betragen: taz 1,6%, FR 1,7%, SZ 2,3%, FAZ 1,4%, Welt<br />
1,3%.<br />
11 1,2%, 0,7%, 1,6%, 2,1%, 2,3%.<br />
261
M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />
niedergeschlagen. Vielmehr ist im Zuge der Europäisierung der politischen Entscheidungen<br />
ein Öffentlichkeitsdefizit entstanden, das möglicherweise zur Europaskepsis in<br />
Teilen der Bevölkerung beiträgt.<br />
Neben dem Umfang der Repräsentation Europas auf der nationalen <strong>Medien</strong>agenda<br />
hatten wir eingangs die Darstellung der Verflechtung zwischen der nationalen und supranationalen<br />
Ebene von Politik als Indikator für die Europäisierung politischer Kommunikation<br />
bestimmt. Obgleich die deutschen <strong>Medien</strong> in ihrer Funktion als Thematisierungsinstanz<br />
eine europäische Perspektive weitgehend vermissen lassen, finden sich<br />
im Hinblick auf „Second-Level Agenda-Setting“ Anzeichen für eine Europäisierung, da<br />
in europa-bezogenen Kommentaren in hohem Maß Verbindungen zwischen den beiden<br />
Ebenen der nationalen und der europäischen Politik hergestellt werden. 633 Kommentare<br />
beziehen Europa-Themen auf die nationale Politik, während in lediglich 47 Kommentaren<br />
europäische Themen ohne Bezug zum nationalen Kontext behandelt werden.<br />
Das Gleiche gilt für den Grad der in den Kommentaren zum Ausdruck kommenden<br />
Verflechtung der Akteursebenen. Alle 470 Kommentare mit EU-Akteuren setzen diese<br />
in Beziehung zu nationalen Akteuren. Der in den Kommentaren hergestellte Zusammenhang<br />
zwischen beiden Ebenen verweist auf die hohe Relevanz, die der nationalen<br />
Perspektive in europäischen Angelegenheiten zugewiesen wird.<br />
Die angesprochenen nationalen Politikfelder und Akteure in EU-Kommentaren zeigen,<br />
in welchem Maße die untersuchten <strong>Medien</strong> Europapolitik in den Kontext nationaler<br />
Politik stellen. Die nationalen Akteure in EU-Kommentaren umfassen Einzel- und<br />
Kollektivakteure der politischen Elite, insbesondere Kanzler Helmut Kohl, deutsche<br />
Ministerien sowie die Regierung allgemein (siehe Tabelle 5). Die Dominanz etablierter<br />
politischer Akteure in EU-Kommentaren zeigt, dass europäische Integration fast ausschließlich<br />
als Angelegenheit politischer Eliten dargestellt wird. Die Bürger machen weniger<br />
als sechs Prozent aller nationalen Akteursbezüge aus.<br />
Tabelle 5: Thematisierung: Darstellung ausgewählter nationaler Akteure in EU-Kommentaren<br />
(N = Anzahl der Akteursbezüge)<br />
Nationale Akteure (N = 1686) %<br />
Regierung 13,3<br />
Kanzler 16,6<br />
Minister/Ministerien 15,3<br />
Bürger 5,9<br />
Nationale thematische Bezüge in Kommentaren über EU-Politik waren Außenpolitik,<br />
Finanz-, Wirtschafts- und Haushaltspolitik, Migrations- und Umweltfragen (siehe Tabelle<br />
6). Die Verteilung nationaler Politikfelder in Kommentaren mit EU-Akteuren<br />
zeichnet ein sehr ähnliches Bild. In der Betonung der Außenpolitik kommt die Wahrnehmung<br />
einer starken Interdependenz zwischen EU-Politik und den bilateralen Beziehungen<br />
Deutschlands mit anderen Ländern zum Ausdruck. Die herausragende Stellung<br />
nationaler ökonomischer und finanzieller Belange in Kommentaren zu Europa<br />
spiegelt die Geschichte der Europäischen Union, die in erster Linie als gemeinsamer<br />
Wirtschaftsraum konzipiert war. Der deutliche Bezug, der zwischen Migrations- und<br />
Umweltpolitik und der EU hergestellt wird, unterstreicht die Tatsache, dass es sich hierbei<br />
um Probleme handelt, die nationale Grenzen überschreiten und deswegen auf nationaler<br />
Ebene nicht angemessen gelöst werden können.<br />
262
Eilders / Voltmer · Zwischen Deutschland und Europa<br />
Tabelle 6: Thematisierung: Kontextualisierung der EU-Themen mit ausgewählten Bereichen<br />
der nationalen Politik in Prozent<br />
(N = Anzahl der Themenbezüge)<br />
Nationale Politik In Kommentaren In Kommentaren<br />
mit EU-Thema mit EU-Akteuren<br />
N = 976 N = 734<br />
Außen- und Bündnispolitik 21,9 8,1<br />
Finanz- und Steuerpolitik 10,1 8,1<br />
Haushaltspolitik 4,8 3,4<br />
Wirtschaftspolitik und Wirtschaftsrecht 6,9 10,3<br />
Migrationspolitik 4,3 3,8<br />
Umweltpolitik 4,0 4,5<br />
Gesundheitspolitik 3,4 3,8<br />
Forschungspolitik 2,3 4,1<br />
<strong>Medien</strong>politik 1,7 3,4<br />
Die Analyse der Themen im medialen Europadiskurs zeigt, dass in der überwiegenden<br />
Mehrheit der Kommentare in der deutschen Qualitätspresse Europa als eigenständiger<br />
Themenbereich kaum in den Blick genommen wird. In den wenigen europa-bezogenen<br />
Kommentaren wird EU-Politik vielmehr fast durchgängig in engem Zusammenhang mit<br />
der nationalen Ebene dargestellt. Europa-Politik wird also nicht als unabhängig und losgelöst<br />
von der nationalen Arena dargestellt. Stattdessen thematisieren die Kommentare<br />
die möglichen Auswirkungen Europas auf die nationale Politik. Es kann angenommen<br />
werden, dass eine Europäisierung der öffentlichen Diskussion „durch die nationale Brille“<br />
eine mögliche Form ist, die Relevanz europäischer Politik in das öffentliche Bewusstsein<br />
zu bringen, da die Thematisierung Europas im nationalen Kontext dazu beiträgt,<br />
die supranationale Politik auf die unmittelbaren Lebensbedingungen der Bürger zu beziehen<br />
und es auf diese Weise greifbarer und verständlicher zu machen.<br />
5.2 Position<br />
Unser inhaltsanalytisches Instrument zur Erfassung der medialen Unterstützung für die<br />
europäische Integration konzeptualisiert politische Positionen als Präferenzen grundlegender<br />
Alternativen politischen Handelns. Die wichtigsten Alternativen hinsichtlich der<br />
Europäischen Union sind durch die Konfliktdimension „Supranationalität vs. Souveränität“<br />
markiert. Dieser Konflikt betrifft die Reichweite nationalstaatlicher Souveränitätsrechte<br />
und die Frage, inwieweit diese an supranationale Organisationen abgegeben<br />
werden sollten. Mehr als zwei Drittel aller EU-Kommentare beziehen sich auf diese<br />
Konfliktdimension. Die andere für unsere Fragestellung wichtige Konfliktdimension,<br />
„Partnerschaft vs. Abgrenzung“, die sich auf allgemeine Prinzipien internationaler Zusammenarbeit<br />
bezieht, macht fast ein Viertel unseres Untersuchungsmaterials aus. Insgesamt<br />
decken diese beiden Konflikte 91,7% aller politischen Auseinandersetzungen<br />
über Europa ab.<br />
Es zeigt sich ein stabiler und hoher Grad an Unterstützung für die Positionen „Supranationalität“<br />
und „Partnerschaft“. Die durchschnittliche Position in allen Zeitungen<br />
betrug 1,60, wobei „1“ die Positionen „Supranationalität“ und „Partnerschaft“ bezeichnet,<br />
„3“ „Souveränität“ und „Abgrenzung“ und „2“ die ambivalente Position zwischen<br />
den Alternativen (siehe Tabelle 7). Dieser Befund korrespondiert mit den Positionen<br />
263
M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />
zum Politikfeld der Außenpolitik (1,76) und bildet die insgesamt liberalere Einstellung<br />
der untersuchten Zeitungen in Themenbereichen ab, die die Beziehungen mit anderen<br />
Ländern berühren. Die einzelnen Zeitungen weisen kaum Unterschiede in der Stärkeihrer<br />
Unterstützung für europäische Integration auf. Dieser Befund unterscheidet sich<br />
deutlich von den Positionen, die diese Zeitungen in anderen Politikfeldern – die allerdings<br />
auf anderen Konfliktdimensionen angesiedelt sind – beziehen. Dort bietet sich ein<br />
weit weniger konsensuales Bild und insgesamt ein Übergewicht konservativer Positionen<br />
12 . Im Gegensatz zu vielen nationalen Politikfeldern lassen sich im Bereich der<br />
Außen- und Europapolitik demnach keine ausgeprägten Konfliktlinien zwischen linkem<br />
und rechtem publizistischen Spektrum feststellen.<br />
Tabelle 7: Position: Durchschnittliche allgemeine Präferenzen der Zeitungen<br />
zu EU-Politik und Außenpolitik<br />
(N = Anzahl der politischen Präferenzen für EU-Politik)<br />
(1 = Supranationalität und Partnerschaft, 3 = Souveränität und Abgrenzung)<br />
Politikfeld taz FR SZ FAZ Welt Gesamt<br />
EU-Politik (N = 759) 1,52 1,44 1,65 1,52 1,74 1,60<br />
Außenpolitik (N = 889) 1,86 1,95 1,69 1,72 1,69 1,76<br />
Die empirischen Befunde zeigen also, dass auch wenn die <strong>Medien</strong> der EU insgesamt nur<br />
wenig Bedeutung beimessen, europäische Integration sich durch einen hohen Grad an<br />
Konsens im <strong>Medien</strong>diskurs auszeichnet. Die in Meinungsumfragen beobachtete Europaskepsis<br />
lässt sich für die <strong>Medien</strong> nicht bestätigen. Allerdings ist kaum damit zu rechnen,<br />
dass die geringe mediale Präsenz Europas zu einem Anstieg der Unterstützung der<br />
europäischen Integration beim breiten Publikum führt. In seiner Studie zur politischen<br />
Meinungsbildung und der Bedeutung der Eliten als Meinungsführer stellt Zaller fest,<br />
dass die politisch interessierten Bevölkerungssegmente dazu neigen, sich der Elitenmeinung<br />
anzuschließen, während die weniger informierten Bevölkerungsteile insgesamt einen<br />
deutlich geringeren Unterstützungsgrad für die Politik der Eliten aufweisen (Zaller<br />
1992, 1994). Die medial vermittelten Einstellungen und Argumente der Eliten sind<br />
ihnen weitgehend unbekannt und können damit keine Orientierung für die eigene Meinungsbildung<br />
bieten. Nach Zaller überrascht es also nicht, dass das Projekt der<br />
europäischen Integration unter Bedingungen eines rudimentären Informationsflusses<br />
über Europa bei der breiteren Öffentlichkeit auf nur geringe Unterstützung stößt.<br />
Der Zusammenhang zwischen geringer Repräsentanz und niedriger Kontroverse legt<br />
die Vermutung nahe, dass das Fehlen einer europa-politischen Kontroverse im <strong>Medien</strong>system<br />
möglicherweise der Grund für die geringe Sichtbarkeit Europas auf der <strong>Medien</strong>agenda<br />
ist. Umfangreiche Analysen im größeren Projektzusammenhang haben allerdings<br />
gezeigt, dass die Themenhäufigkeit in den Kommentaren nicht vom Grad der Umstrittenheit<br />
eines Themas im <strong>Medien</strong>system abhängt (vgl. Abschlussbericht an die DFG:<br />
Neidhardt/Eilders/Pfetsch 2001). Man kann also weder davon ausgehen, dass das hohe<br />
Ausmaß an Konsonanz zum Europa-Thema zu einer geringen Beachtung Europas in<br />
den Kommentaren führt, noch davon, dass selten angesprochene Themen besonders<br />
12 Vgl. die durchschnittlichen Positionen zu anderen Politikbereichen in Eilders 2002.<br />
264
Eilders / Voltmer · Zwischen Deutschland und Europa<br />
konsonant bewertet werden. Die niedrige Repräsentanz Europas in den Kommentaren<br />
ist auch nicht das Resultat grundsätzlich unterschiedlicher Relevanzkriterien in Meinungs-<br />
und Nachrichtenteil 13 . Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Europa-Politik<br />
wegen ihrer langen Politikzyklen und dem Fehlen herausragender Persönlichkeiten der<br />
<strong>Medien</strong>logik insgesamt, also unabhängig vom Genre, kaum entspricht. Wenn also Europa<br />
in den Kommentaren nur in begrenztem Umfang angesprochen wird, ist das eine<br />
klare Prioritätenentscheidung gegen europa-politische Themen, die mit spezifischen,<br />
von der Nachrichtenberichterstattung abweichenden Kommentarkriterien nicht erklärt<br />
werden kann.<br />
5.3 Bewertung<br />
Entgegen der im Allgemeinen in Kommentaren wahrgenommenen Kontrollfunktion<br />
der <strong>Medien</strong> ergibt sich in dem hier untersuchten Material ein anderes Bild. EU-Kommentare<br />
zeichnen sich durch einen vergleichsweise neutralen und diagnostisch-analytischen<br />
Bewertungsstil aus. Während sich in der Gesamtstichprobe in mehr als drei<br />
Vierteln (75,5%) klar bewertende Stellungnahmen finden, weisen EU-Kommentare nur<br />
69,3 Prozent entsprechender Meinungsäußerungen auf. Im Vergleich zu anderen Themenbereichen<br />
halten sich die untersuchten Zeitungen in Bezug auf Europa mit bewertenden<br />
Stellungnahmen also eher zurück und versorgen ihr Publikum stärker mit Erklärungen<br />
und Prognosen. Zwar übertreffen – wie auch in der Gesamtstichprobe – die<br />
negativen Bewertungen die positiven, aber die Kommentare zu EU-Themen bleiben klar<br />
unter dem durchschnittlichen Kritikniveau (37,5% gegenüber 44,9%).<br />
Dies gilt auch für die Bewertung der EU-Akteure. Es kann kaum überraschen, dass<br />
die meisten Akteure negativ bewertet werden. EU-Akteure werden jedoch erstens vergleichsweise<br />
seltener Gegenstand von Bewertungen (49% gegenüber 61% bei den nationalen<br />
Akteuren), und wenn dies geschieht, dann werden sie insgesamt positiver bewertet<br />
als die Akteure in der nationalen Politik. Die durchschnittliche Bewertung der<br />
EU-Akteure lag bei 2,1 (wobei „1“ eine positive und „3“ eine negative Beurteilung<br />
anzeigt). Am positivsten wird der Europäische Gerichtshof bewertet (1,6), während die<br />
EU als Ganzes die meiste Kritik auf sich zieht (2,3) (siehe Tabelle 8). Dagegen liegt die<br />
Bewertung nationaler Akteure in EU-Kommentaren im Durchschnitt bei 2,3, wobei die<br />
am häufigsten genannten Akteure zwischen 2,2 (Bundeskanzler Kohl) und 2,4 (Ministerien<br />
und die Regierung) liegen. Bürger, die in der EU-Kommentierung nur eine<br />
untergeordnete Rolle spielen, werden fast ausschließlich in positivem Licht dargestellt<br />
(1,6) (siehe Tabelle 9). Wie auch bei den nationalen Akteuren bleibt die Bewertung der<br />
EU-Akteure über den Beobachtungszeitraum hinweg insgesamt relativ konstant14 .<br />
Im Gegensatz zur auffallend hohen und übereinstimmenden Unterstützung der<br />
europäischen Integration zeigen sich zwischen den Zeitungen klare Unterschiede bei der<br />
Bewertung der EU-Akteure. Linke Zeitungen sind deutlich kritischer als Blätter im<br />
13 Eine Evaluationsstudie zum Unterschied zwischen Meinungs- und Nachrichtenteil in überregionalen<br />
Zeitungen hat abgesehen von einer Überrepräsentation von polity- und politics-Themen<br />
im Gegensatz zu policy-Themen in den Kommentaren keine starken Abweichungen in der<br />
Themenverteilung zwischen den beiden Genres gezeigt (vgl. Abschlussbericht an die DFG:<br />
Neidhardt/Eilders/Pfetsch 2001).<br />
14 1994: 2,2; 1995: 2,9; 1996: 2,2; 1997: 2,1; 1998: 1,9.<br />
265
M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />
Tabelle 8: Bewertung: Bewertung von EU-Akteuren<br />
(N = Anzahl der Akteursbewertungen) (1 = positiv, 3 = negativ)<br />
EU-Akteure (N = 269) Bewertung<br />
EU als Ganzes (N = 132) 2,3<br />
Europäisches Parlament (N = 20) 2,2<br />
Ministerrat (N = 26) 2,2<br />
Kommission (N = 67) 2,1<br />
Gerichtshof (N = 10) 1,6<br />
Andere europäische Institutionen (N = 36) 1,8<br />
Tabelle 9: Bewertung: Bewertung ausgewählter nationaler Akteure<br />
in EU-Kommentaren<br />
(N = Anzahl der Akteursbewertungen) (1 = positiv, 3 = negativ)<br />
Nationale Akteure (N = 1087) Bewertung<br />
Regierung (N = 224) 2,4<br />
Kanzler (N = 280) 2,2<br />
Minister/Ministerien (N = 258) 2,4<br />
Bürger (N = 99) 1,6<br />
rechten Spektrum 15 . Dies ist – auf einem höheren Kritikniveau – auch bei der Bewertung<br />
nationaler Akteure zu beobachten 16 . Die einhellige Unterstützung für die europäische<br />
Integration als prinzipielles politisches Ziel übersetzt sich nicht in eine positive Beurteilung<br />
der in diesen Prozess involvierten politischen Akteure. Stattdessen zeichnet sich<br />
hier ein geteiltes, vom jeweiligen politischen Standort der Zeitungen abhängiges Meinungsbild<br />
ab. Die Kommentatoren unterscheiden zwischen der abstrakten Idee des Projekts<br />
Europa auf der einen und der konkreten Politik sowie der Leistung von Akteuren<br />
und Institutionen auf der anderen Seite.<br />
6. Schlussbetrachtung<br />
Je mehr die europäische Integration voranschreitet, desto mehr wird offenkundig, dass<br />
es dem europäischen Projekt an Offenheit und Öffentlichkeit und damit an Demokratie<br />
mangelt. Demokratie erfordert Transparenz, Kommunikation, Debatte, Rede und<br />
Widerrede – Qualitäten, die nur schwer, wenn überhaupt, auf transnationaler Ebene<br />
herzustellen sind. In diesem Beitrag haben wir argumentiert, dass die Abwesenheit einer<br />
‚idealen‘ pan-europäischen Öffentlichkeit jedoch nicht bedeutet, dass Europa nicht<br />
kommunizierbar ist. Das Konzept der Europäisierung der nationalen Öffentlichkeit<br />
verlagert europäische Öffentlichkeit vielmehr auf die Ebene der einzelnen Mitgliedstaaten,<br />
wo Informationen und Interpretationen europäischer Angelegenheiten im Kontext<br />
geteilter Werte und Erfahrungen kommuniziert werden können.<br />
In der hier vorgestellten empirischen Analyse haben wir untersucht, in welchem<br />
Maße die deutsche <strong>Medien</strong>agenda, repräsentiert durch die Kommentaragenda der fünf<br />
15 taz: 2,3; FR: 2,2; SZ: 2,3; FAZ: 1,9; Welt: 1,7.<br />
16 taz: 2,5; FR: 2,4; SZ: 2,2; FAZ: 2,2; Welt: 2,0.<br />
266
Eilders / Voltmer · Zwischen Deutschland und Europa<br />
überregionalen Qualitätszeitungen, europäisiert ist. Die Interpretation der Befunde<br />
wirft jedoch grundsätzlich die Frage nach dem zugrunde liegenden Bewertungsmaßstab<br />
auf. Was ist der objektive Wichtigkeitsgrad Europas im Vergleich zu anderen tagespolitischen<br />
Problemen, und wie viel Aufmerksamkeit für europa-politische Themen sollte<br />
man deswegen von den <strong>Medien</strong> erwarten? Vergleiche mit externen Längsschnittdaten<br />
haben uns bewogen, „das Glas“ als „halb leer“ anzusehen, da die Europäisierung der<br />
<strong>Medien</strong>agenda im Gegensatz zur Europäisierung der Politik seit den 50er Jahren nicht<br />
deutlich zugenommen hat. Ohne externe Daten zur Europäisierung der Politik, wie zum<br />
Beispiel die Anzahl der Gesetze auf europäischer im Vergleich zur nationalen Ebene,<br />
lässt sich die Angemessenheit des Europäisierungsgrades aber nicht mit letzter Verbindlichkeit<br />
beantworten. Die Bedeutung Europas in der medialen Darstellung lässt sich<br />
jedoch nicht nur am quantitativen Umfang der <strong>Medien</strong>aufmerksamkeit festmachen, sondern<br />
auch am Grad der Unterstützung für die europäische Integration. Zur Messung der<br />
Europäisierung der <strong>Medien</strong>öffentlichkeit haben wir deswegen nicht nur die Thematisierung<br />
Europas, sondern auch die Positionen der <strong>Medien</strong> und das Maß kritischer Kommentierung<br />
untersucht. Als interner Vergleichsmaßstab wurde dabei die Struktur der<br />
nicht-europabezogenen Kommentierung herangezogen. Im Folgenden sollen die wichtigsten<br />
Ergebnisse noch einmal kritisch reflektiert werden.<br />
Insgesamt ergaben die Ergebnisse unserer empirischen Analyse ein geteiltes Bild. Es<br />
zeigte sich, dass Europa nur einen kleinen Teil der <strong>Medien</strong>agenda ausmacht. Im Vergleich<br />
zu anderen Politikfeldern und vor dem Hintergrund der wachsenden Bedeutung<br />
europäischer Entscheidungen kann die Rolle Europas in der <strong>Medien</strong>öffentlichkeit als<br />
marginal angesehen werden. Die Europäisierung der Öffentlichkeit findet weitgehend<br />
in der Form einer Verknüpfung europa-politischer Themen mit innenpolitischen Problemen<br />
statt. Europa wird also vorwiegend durch die nationale Brille hindurch betrachtet.<br />
Damit muss die Debatte nicht zwingend von nationalen Egoismen bestimmt werden.<br />
Vielmehr eignet sich die nationale Perspektive dazu, die möglichen Konsequenzen<br />
der EU-Politik für das Leben des Publikums zu verdeutlichen. Obgleich also die „quantitative“<br />
Europäisierung der Verlagerung von Herrschaft auf die supranationale Ebene<br />
hinterherhinkt, lassen sich positive Ansätze erkennen, dem Publikum die Relevanz Europas<br />
näher zu bringen.<br />
Fragt man nach möglichen Gründen der Marginalisierung Europas im öffentlichen<br />
Diskurs, wird deutlich, dass die Beschaffenheit europa-politischer Themen und die<br />
Struktur europäischer Entscheidungsprozesse der <strong>Medien</strong>logik diametral entgegenstehen.<br />
Es sind aber auch die politischen Akteure selbst, die einer weiter gehenden Europäisierung<br />
der Öffentlichkeit entgegenwirken. Nur auf der Basis einer stetigen Versorgung<br />
mit relevanter und verlässlicher Information durch die europa-politischen Akteure<br />
können die <strong>Medien</strong> im öffentlichen Diskurs eine europäische Agenda überhaupt<br />
etablieren. Aufgrund institutioneller Zwänge und tagespolitischer Machtstrategien meiden<br />
politische Eliten jedoch die öffentliche Diskussion europäischer Themen. Die allgemeine<br />
Überzeugung ist, dass man mit Europa keine Wahlen gewinnen kann; ohne<br />
Transparenz und Öffentlichkeit lässt sich aber auch Europa nicht gewinnen.<br />
Die relativ geringe Aufmerksamkeit gegenüber europäischen Themen geht jedoch<br />
mit einem hohen Maß an Unterstützung für die europäische Integration einher, die die<br />
üblichen Konfliktlinien entlang des politisch-ideologischen Links-Rechts-Schemas ausschaltet.<br />
Sowohl linke als auch konservative Zeitungen zeigten starke und überraschend<br />
einhellige Unterstützung für die europäische Integration. Gleichzeitig wurde bei der Bewertung<br />
der Akteure, insbesondere der nationalen Politiker, die in der Europa-Politik<br />
mitwirken, deutlich vernehmbare Kritik geäußert. Hier zeigten sich dann auch die klas-<br />
267
M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />
sischen Links-Rechts-Differenzen zwischen den Zeitungen, wobei die Kommentare linker<br />
Blätter deutlich kritischer ausfielen als diejenigen im konservativen Spektrum. Dies<br />
ist sicherlich darauf zurückzuführen, dass während des Untersuchungszeitraums mit<br />
Bundeskanzler Helmut Kohl ein konservativer Regierungschef für die Europapolitik<br />
zuständig war.<br />
Die Diskrepanz zwischen der positiven Haltung gegenüber der europäischen Integration<br />
und der negativen Bewertung der tatsächlichen Leistungen der einschlägigen Politiker<br />
und Institutionen kann der Rolle der <strong>Medien</strong> als „loyale Opposition“ Europas<br />
zugeschrieben werden – eine Rolle, die innerhalb der nationalen Arena hinreichend bekannt<br />
ist. Während die <strong>Medien</strong> die etablierte institutionelle Ordnung und ihre Grundwerte<br />
unterstützen, nehmen sie eine kritische, oftmals ablehnende Haltung ein, wenn es<br />
um die aktuelle Politikgestaltung geht. Aus normativer Perspektive kann dies als ein positiver<br />
Beitrag zum politischen Prozess betrachtet werden, da sich die <strong>Medien</strong> damit aktiv<br />
als Kritiker und Kontrolleure profilieren und die Rolle der „vierten Gewalt“ ausfüllen.<br />
Kritische Stellungnahmen sind somit keineswegs eine Bedrohung für das europäische<br />
Projekt. Vielmehr können sie zur Legitimation und Responsivität des europäischen<br />
Politikprozesses beitragen, indem sie die Diskussion möglicher Alternativen initiieren<br />
und Politiker zur öffentlichen Rechtfertigung ihrer Entscheidungen zwingen.<br />
Was normativen Erwartungen entspricht, muss in der Praxis noch lange nicht funktionieren.<br />
Offenbar wächst die Kluft zwischen politischen Eliten und <strong>Medien</strong>, insbesondere<br />
der nationalen Qualitätspresse, auf der einen Seite und der breiten Öffentlichkeit<br />
auf der anderen Seite. Während bei aller Kritik zwischen den Qualitätszeitungen<br />
und den politischen Eliten offenbar ein hoher Grad an Konsens im Hinblick auf die<br />
prinzipielle Wünschbarkeit weiter gehender europäischer Integration herrscht, wächst<br />
in der breiten Bevölkerung das Unbehagen, und es stellt sich die Frage, ob dieses an anderer<br />
Stelle des <strong>Medien</strong>systems, beispielsweise in der Boulevardpresse mit ihrer stärker<br />
populistischen Ausrichtung, artikuliert wird. Hier stößt die vorliegende Studie mit ihrer<br />
Beschränkung auf Qualitätszeitungen notgedrungen an ihre Grenzen, und es bleibt<br />
künftiger Forschung überlassen, dieser wichtigen Differenzierung der Europäisierung<br />
nationaler Öffentlichkeit weiter nachzugehen.<br />
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270
Eurovision Song Contest – beeinflussen Nachrichtenfaktoren<br />
die Punktvergabe durch das Publikum?<br />
Wolfgang Schweiger / Hans-Bernd Brosius<br />
Seit 1998 werden die Punkte beim Eurovision Song Contest (Grand Prix Eurovision,<br />
ESC) durch die TV-Zuschauer per Telefon vergeben. Wir gehen davon aus, dass die Qualität<br />
eines Stückes der zentrale Erklärfaktor für seinen Erfolg ist. Die verbleibende Varianz<br />
ist aus kommunikations<strong>wissenschaft</strong>licher Sicht allerdings interessanter. Sie erklärt<br />
sich aus mindestens drei Faktorengruppen: (1) Eigenschaften des entsendenden Staates,<br />
(2) Beziehungen zwischen Bewerter-Land und bewertetem Land und (3) formale Eigenschaften<br />
des Stückes und seiner Interpreten. Die beiden ersten Faktorengruppen verweisen<br />
auf Variablen, die man als Nachrichtenfaktoren aus der Nachrichtenwerttheorie<br />
kennt. Während das Konzept bislang ausschließlich zur Erklärung journalistischer Nachrichtenauswahl<br />
und für die Nachrichtenselektion bei Rezipienten eingesetzt wurde, versuchen<br />
wir, Nachrichtenfaktoren zur Erklärung der vergebenen Punkte beim ESC – und<br />
damit des Publikumsverhaltens – zu nutzen. Es ergeben sich drei Hypothesen, die der<br />
Beitrag für die Wettbewerbe 1998 bis 2002 empirisch überprüft. H1: Je höher der politische,<br />
wirtschaftliche und kulturelle Status eines Teilnehmerstaats ist, desto mehr Punkte<br />
bekommen seine Beiträge. H2: Je näher sich Teilnehmerstaaten politisch, wirtschaftlich,<br />
kulturell und geografisch sind, desto mehr Punkte geben sich die Zuschauer gegenseitig.<br />
H3: Beiträge von so genannten Next-Door-Giants bekommen von ihren (kleineren)<br />
Nachbarn weniger Punkte, als ihnen von ihrem Status her zustünden. Wie die erhobenen<br />
Daten zeigen, lassen sich alle drei Hypothesen unterschiedlich klar bestätigen.<br />
Keywords: Nachrichtenwertforschung, Eurovision Song Contest, Televoting,<br />
Entscheidungstheorie, Schematheorie, Heuristiken, internationale Kommunikation,<br />
Europa, European Broadcasting Union, Musik<br />
1. Einleitung<br />
Auf den ersten Blick mag die <strong>wissenschaft</strong>liche Beschäftigung mit dem „Grand Prix Eurovision<br />
de la Chanson“– neuerdings „Eurovision Song Contest“ (ESC) genannt – als<br />
einem Schlagerwettbewerb überraschen. Auf den zweiten Blick jedoch erweist sich das<br />
alljährliche europäische TV-Spektakel als ein geradezu idealer Aufhänger für verschiedenste<br />
Überlegungen über die internationale Bedeutung der <strong>Medien</strong>. Dies sei an zwei<br />
Stichworten erläutert:<br />
Seit den 70er Jahren wird heftig über so genannte „internationale Nachrichtenströme“<br />
debattiert. In diesem Zusammenhang geht es um die Beobachtung, dass weltweite<br />
Auslandsberichterstattung in der Regel die politisch, wirtschaftlich und kulturell dominierenden<br />
Staaten der westlichen Welt – allen voran die USA – bevorzugt. Entwicklungs-<br />
und Schwellenländer hingegen kommen kaum vor. 1 Der Grand Prix hingegen ist<br />
eine der wenigen Gelegenheiten, bei der alle europäischen Staaten gleichberechtigt die<br />
1 Vgl. u. a. Sreberny-Mohammadi (1984), Stevenson & Shaw (1984), Stevenson (1994), Kim &<br />
Barnett (1996) sowie den Überblick bei Kunczik & Zipfel (2001: 421ff.).<br />
271
M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />
Gelegenheit erhalten, sich auf einem weithin beachteten Podium darzustellen. Unter<br />
dem Schlagwort des „Kulturimperialismus“ wird zuweilen die nivellierende Wirkung<br />
der globalisierten Massenmedien, allen voran durch US-amerikanische TV-Produktionen,<br />
beklagt (vgl. einführend McQuail 2000: 221–224). Der Grand Prix als europäisches<br />
Podium dagegen könnte den politisch, kulturell und wirtschaftlich immer noch recht heterogenen<br />
Staaten Europas zu einer gewissen pan-europäischen Identität verhelfen.<br />
Während bis 1997 üblicherweise nationale Jurys die Punkte vergaben und diese von<br />
den teilnehmenden Rundfunkanstalten ohne Publikumsbeteiligung besetzt wurden,<br />
wird seit 1998 in fast allen Ländern das Televoting-System eingesetzt. Hierbei entscheiden<br />
ausschließlich die TV-Zuschauer in den Teilnehmerländern per Telefon über die<br />
Punktvergaben. Die Zuschauer jedes Landes geben allen anderen teilnehmenden Ländern<br />
Punkte für die Schlagerstücke. Die vergebenen Punkte sind nicht nur ein Gradmesser<br />
für das Gefallen der Stücke beim Publikum. Eine wesentliche Rolle spielen vermutlich<br />
auch verschiedene Eigenschaften der entsendenden Staaten und Sympathien<br />
bzw. Antipathien zwischen den Zuschauern der Teilnehmerländer.<br />
Deshalb verwundert es nicht, dass jedes Jahr die Wellen hochschlagen, wenn es um<br />
die Punktwertungen und die Ermittlung des Siegers geht. Zwar besteht die Idee der Veranstaltung<br />
in einem fairen Wettstreit zwischen Komponisten, Liedern oder Interpreten<br />
aus unterschiedlichen europäischen – und im Falle Israels außereuropäischen – Ländern.<br />
Dass dieser Wettbewerb jedoch auch ein Wettbewerb zwischen den jeweiligen Staaten,<br />
Völkern oder Regierungen ist, illustriert der Beitrag einer Österreicherin namens „Claudia<br />
(42)“ nach dem Wettbewerb 2002 in einem Online-Diskussionsforum: „Österreich<br />
wird immer verlieren. (…) Da es sich bei diesem Bewerb und (sic!) den reinen Ausdruck<br />
wirtschaftlicher und politischer Sympatien (sic!) handelt und nicht die wirkliche Leistung<br />
der Interpreten bewertet wird, sollte sich Österreich überlegen, überhaupt von diesem<br />
Bewerb zurückzutreten. (…) Gerade jetzt, wo unser lieber Jörg Haider immer wieder<br />
gekonnt dazu beiträgt, Österreich im Ausland unbeliebt zu machen, ist jede Teilnahme<br />
mit großen Erwartungshaltungen sinnlos – egal wie gut die Vertreter Österreichs<br />
sein mögen.“ (forum.webtropia.com; 27.05.2002).<br />
Hier setzt die vorliegende Studie an. Insgesamt erklärt sich die erhaltene Punktzahl<br />
aus mindestens drei Faktorengruppen:<br />
1. Formale und ästhetische Eigenschaften des Stücks (Stil, Tempo, Sprache usw.) und<br />
seiner Interpreten (Geschlecht, Art der Formation, Hautfarbe usw.);<br />
2. Eigenschaften des bewerteten Staats (Beliebtheit, politische, kulturelle oder wirtschaftliche<br />
Bedeutung usw.);<br />
3. Beziehungen zwischen Bewerter-Land und bewertetem Land (geografische, politische<br />
oder kulturelle Nähe, wirtschaftlicher Austausch).<br />
Wir gehen zunächst davon aus, dass das allgemeine Gefallen bzw. die vom Publikum<br />
wahrgenommene Qualität eines Stücks der wichtigste Erklärfaktor für seinen Erfolg<br />
oder Misserfolg beim Wettbewerb ist. 2 Die verbleibende Varianz der abhängigen Variable<br />
„erhaltene Punkte eines Stücks“ ist allerdings aus kommunikations<strong>wissenschaft</strong>licher<br />
Sicht interessanter. Eine quantitative Analyse dieser und anderer Daten in Verbindung<br />
mit den vergebenen Punkten in den letzten fünf Wettbewerbsjahren, also denjenigen<br />
mit Televoting, kann Aussagen zu den Beziehungen zwischen den Publika in den<br />
jeweiligen Ländern Europas erlauben.<br />
2 Vgl. hierzu die niederländische Studie von Haan et al. (2002).<br />
272
Schweiger / Brosius · Eurovision Song Contest<br />
Aus theoretischer Sicht wollen wir uns mit einer weiteren Frage befassen: Die beiden<br />
Faktorenbündel „Eigenschaften von Staaten“ und „Beziehungen zwischen Staaten“ verweisen<br />
auf Variablen, die man als Nachrichtenfaktoren aus der Nachrichtenwerttheorie<br />
kennt, wie z. B. Elite-Nation oder geografische Nähe. Nachrichtenfaktoren wurden in<br />
der Forschung zur journalistischen Nachrichtenauswahl bekanntlich als Indikatoren für<br />
die journalistische Publikationswürdigkeit von Ereignissen identifiziert. 3 Während das<br />
Konzept der Nachrichtenfaktoren bislang ausschließlich zur Erklärung journalistischer<br />
Nachrichtenauswahl und für die Nachrichtenselektion bei Rezipienten (vgl. Eilders<br />
1997, Eilders & Wirth 1999) eingesetzt wurde, gehen wir einen Schritt weiter. Wir versuchen,<br />
Nachrichtenfaktoren – soweit anwendbar – zur Erklärung der vergebenen<br />
Punkte beim Grand Prix zu nutzen.<br />
2. Bedeutung und Geschichte des Eurovision Song Contest<br />
Der ESC ist seit jeher ein reichweitenstarkes Fernsehereignis. 2002 sahen in Europa mindestens<br />
166 Millionen Zuschauer zu4 . In vielen europäischen Staaten erreichte die Live-<br />
Übertragung hohe TV-Marktanteile, so z. B. in Dänemark 40,4 Prozent, Schweden 39,1<br />
Prozent oder Spanien 32,5 Prozent. In Estland, dem austragenden Staat, sah gar jeder<br />
Zweite zu. 5 Auch im deutschsprachigen Raum ist die Popularität des ESC ungebrochen.<br />
Während in der Schweiz der Marktanteil der Sendung 2002 40,6 Prozent erreichte6 ,<br />
sahen in Deutschland knappe zehn Millionen zu (38,2 Prozent) 7 .<br />
Der Ursprung der Veranstaltung reicht in die Nachkriegszeit zurück. Im Jahr 1950<br />
gründeten mehrere westeuropäische – staatliche und öffentlich-rechtliche – Rundfunkanstalten<br />
die „Union Européenne de Radio-Television“ (UER bzw. EBU) 8 mit Sitz in<br />
Genf (vgl. Herrmann 1994: 395f. sowie www.ebu.ch). Eine wesentliche Dienstleistung<br />
der EBU für ihre Mitglieder war von Anfang an die „Eurovision“, ein technisches und<br />
logistisches Übertragungsnetzwerk für Rundfunkinhalte aus den Bereichen Sport,<br />
Nachrichten und Kultur. Der erste Höhepunkt in der Geschichte der Eurovision war<br />
die Übertragung der Fußball-Weltmeisterschaft von 1954 in der Schweiz. Aufgrund des<br />
großen Erfolges entschied man, jedes Jahr eine ähnlich große kulturelle Veranstaltung<br />
zu organisieren. 1955 wurde daraufhin ein europäischer Schlagerwettbewerb beschlossen.<br />
Beim ersten Grand Prix Eurovision 1956 in Lugano, also wiederum in der Schweiz,<br />
nahmen sieben Länder teil (Belgien, Frankreich, Italien, Luxemburg, Niederlande,<br />
Schweiz, BR Deutschland). Sieger dieses ersten Wettbewerbes war die Schweizerin Lys<br />
Assia mit dem Stück „Refrain“.<br />
Das offizielle Ziel der Veranstaltung lautete: „to stimulate the output of original<br />
songs of high quality in the field of popular music, by encouraging compositions among<br />
3 Vgl. die „Klassiker“ Östgaard (1965), Rosengren (1974), Galtung & Ruge (1974), Schulz (1990);<br />
Staab (1990); aktuelle Beiträge: Hagen (1998), Kepplinger (1998), Kepplinger & Rouwen (2000),<br />
Best (2000).<br />
4 Die Daten entstammen einer Studie des estnischen Meinungsforschungsinstitutes Emor; zit.<br />
nach http://www.eurovisionsongcontest.de (24.06.2002).<br />
5 Vgl. http://www.emor.ee/eng/arhiiv.html?id=914 (17.01.2003).<br />
6 Vgl. http://www.srg.ch/de/media_data/de_mediadata.html (17.01.2003).<br />
7 Vgl. http://www.br-online.de/br-intern/medienforschung/aktuell/ard/ard020525.html<br />
(17.01.2003).<br />
8 Mittlerweile ist die englische Variante „European Broadcasting Union“ (EBU) gebräuchlicher.<br />
273
M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />
authors and composers through the international comparison of their work“ (Reglement<br />
der EBU, zit. nach Moser 1999: 16f.). Neben rein kommerziellen Interessen der<br />
EBU und der sie tragenden nationalen Rundfunkanstalten stand damals der Gedanke<br />
europäischer Annäherung auf kultureller Ebene im Mittelpunkt. Ein gemeinsamer Musikwettbewerb<br />
sollte die tiefen Gräben zwischen den ehemaligen Kriegskontrahenten in<br />
Europa überwinden helfen.<br />
Besonders einem Land mit schwieriger Vergangenheit wie Deutschland musste daran<br />
gelegen sein, sich als sangesfreudiges, friedliches und freundschaftliches Land darzustellen.<br />
Der ESC war somit nicht nur eine Bühne, auf der sich die jeweiligen Komponisten,<br />
Texter und Interpreten präsentieren konnten; er ermöglichte vielmehr nationale<br />
Öffentlichkeitsarbeit auf einem europäischen Parkett. Dass es weniger um die teilnehmenden<br />
Personen, sondern eher um die entsendenden Staaten ging und geht, unterstreicht<br />
das Bewertungssystem, bei dem sich Länder, vertreten durch Künstler auf der<br />
einen Seite und nationale Jurys bzw. Redaktionen der mitveranstaltenden Rundfunkhäuser<br />
auf der anderen, gegenseitig Punkte geben.<br />
Der ESC ist bis heute ein kulturelles Forum der nationalen Selbstdarstellung. Besonders<br />
für kleine und relativ unbekannte Länder, wie beispielsweise Malta oder die baltischen<br />
Staaten, ist die Veranstaltung mit ihrer weiten öffentlichen Beachtung in Europa<br />
von immenser Bedeutung. Dasselbe gilt für zukünftige EU-Mitglieder und Mitgliedschaftsanwärter,<br />
wie z. B. Polen, Slowenien, Rumänien, Bulgarien oder die Türkei, denen<br />
die Veranstaltung die Möglichkeit eröffnet, Sympathien bei den bisherigen EU-Bürgern<br />
und ihren Repräsentanten zu gewinnen. Das gilt besonders auch für das jeweilige Gastgeberland,<br />
wie der Wettbewerb 2003 in Riga (Lettland) eindrucksvoll demonstrierte.<br />
Dass der europäische Einigungs- und Erweiterungsprozess der letzten Jahrzehnte<br />
nicht nur auf politischer, ökonomischer und institutioneller Ebene geführt werden<br />
kann, sondern auch gemeinsamer Identifikationsobjekte und -figuren bedarf, ist allgemeiner<br />
Konsens (vgl. etwa Späth & Henzler 2001). Hier ist es eine Aufgabe der Kulturveranstaltung<br />
ESC, eine europäische Musikidentität – natürlich in all ihrer Verschiedenheit<br />
– zu schaffen, welche bei den beteiligten Völkern ein Zusammengehörigkeitsgefühl<br />
erzeugt. So sehen das auch die Fans. Uecker (1998: 80) schreibt: „Der Grand Prix<br />
Eurovision de la Chanson war schon ein völkerverbindendes Kult-Ereignis, als dieser<br />
Begriff noch nicht wie ein marktstrategisches Gütesiegel inflationär jedem Zeitgeist-<br />
Phänomen aufgeklebt wurde.“<br />
Natürlich können die Abstimmungsergebnisse keinesfalls für sich beanspruchen, ein<br />
repräsentatives Abbild der jeweiligen öffentlichen Meinung zu sein, denn schließlich ist<br />
die Teilnahme beim Voting freiwillig – Stichwort: Selbstselektion – und der Anruf sogar<br />
kostenpflichtig, so dass die nationalen Bevölkerungsstichproben systematisch verzerrt<br />
sind. Diese Verzerrungen sollten jedoch in allen Ländern in etwa gleich und nach<br />
den selben Gesetzmäßigkeiten entstanden sein, so dass ein Ländervergleich der nationalen<br />
Abstimmungsergebnisse durchaus – mit Abstrichen – aussagekräftige Daten zu<br />
Tage fördern kann.<br />
Wie bereits erwähnt, blieb die Veranstaltung seit 46 Jahren im Kern unverändert.<br />
Dennoch gab es in den vergangenen Jahren Änderungen in den Teilnahmebedingungen,<br />
im Reglement, in der Zusammensetzung der Jury und im Abstimmungsmodus (vgl. European<br />
Broadcasting Union 2001). Diese muss man zur Kenntnis nehmen, wenn man<br />
sich mit den jeweiligen Abstimmungsergebnissen befassen will. Beispielsweise wurde<br />
eine frühere Regelung, derzufolge jeder Interpret in seiner Landessprache singen musste,<br />
1999 wieder rückgängig gemacht. Entsprechend wurden 1998 gerade einmal drei<br />
Stücke auf Englisch dargeboten, während im Jahr 2002 immerhin 19 der 24 Beiträge eng-<br />
274
Schweiger / Brosius · Eurovision Song Contest<br />
lischsprachig waren. Um das Publikumsinteresse am ESC zu steigern, wurde 1998 das<br />
„Televoting“-System eingeführt.<br />
Das Reglement der EBU 9 enthält hierzu recht allgemein gehaltene Vorschriften: Jedes<br />
Land muss bei der Punktvergabe entweder hälftig eine Jury- und Televoting-Entscheidung<br />
oder aber eine ausschließliche Televoting-Entscheidung verwenden. Alle Anrufe<br />
müssen die gleiche Chance haben, durchgestellt zu werden, und gleich viel kosten.<br />
Nach welchen konkreten Modalitäten das Televoting-Verfahren stattfindet, ist den Länderanstalten<br />
freigestellt, solange sie über ausreichende Televoting-Erfahrungen verfügen,<br />
was bei Anstalten in kleinen Ländern oder ehemaligen Ostblockländern durchaus<br />
nicht selbstverständlich ist. In den letzten fünf Jahren wurden fast alle nationalen Entscheidungen<br />
per Televoting ermittelt – Daten von offizieller Seite gibt es hierzu jedoch<br />
keine. Dabei können die TV-Zuschauer nur für ein einziges „Lieblingslied“ stimmen,<br />
eine Rangliste kann nicht an die nationale Jury übermittelt werden. Das Lied mit den<br />
meisten Anrufen in einem Land bekommt von dessen Jury zwölf Punkte, das zweitbeliebteste<br />
Stück zehn Punkte; danach geht es mit Einerschritten weiter, so dass das Lied<br />
auf Platz elf noch einen Punkt bekommt. Alle anderen Beiträge gehen leer aus.<br />
In diesem Zusammenhang steht auch die alljährliche Diskussion um die Punktvergaben.<br />
Dabei wird oftmals gemutmaßt, nationale oder kulturelle Sympathien spielten eine<br />
größere Rolle als die künstlerische Qualität der Interpreten und Stücke. Politisch eng<br />
verbundene oder befreundete Länder wie Zypern und Griechenland, südosteuropäische<br />
oder skandinavische Länder würden sich gegenseitig mit Punkten überhäufen; nur im<br />
deutschsprachigen Raum helfe man sich nicht gegenseitig – so die allgemeine Wahrnehmung<br />
(vgl. Schneider 1998: 123). Außerdem würden in Deutschland lebende Türken<br />
eher für die Türkei stimmen (vgl. Müller 1998: 120).<br />
3. Punktvergaben und mögliche Einflussfaktoren<br />
Wie bereits angesprochen, wollen wir bei unserem Versuch, die vergebenen Punkte beim<br />
ESC anhand einer Reihe unabhängiger Variablen zu erklären, die – wie auch immer zu<br />
bestimmende – Qualität der Beiträge und ihrer Interpreten als unerklärte Streuung betrachten<br />
und aus der Analyse herauslassen. Uns geht es nicht um eine Bewertung musikalischer<br />
oder künstlerischer Kategorien, und bekanntlich kann man über Geschmack<br />
nicht streiten. Im Gegensatz zur Qualität lassen sich einige formale Stück- (Stil, Tempo,<br />
Textinhalt, Sprache usw.) und Interpreteneigenschaften (Geschlecht, Art der Formation,<br />
Hautfarbe, Kleidung usw.) problemlos bestimmen. Diese Kategorien sollen in der<br />
Analyse ausschließlich als Kontrollvariablen Verwendung finden; theoretische Überlegungen<br />
zu etwaigen Effekten formaler Einflüsse stellen wir deshalb nicht an.<br />
Uns geht es in erster Linie um die Überprüfung der Annahme, dass Nachrichtenfaktoren<br />
von Ereignissen und Akteuren nicht nur für die journalistische Nachrichtenselektion<br />
von Relevanz sind, sondern dass Nachrichtenfaktoren, soweit sie sich auf Staaten<br />
beziehen, auch beeinflussen, welche Aufmerksamkeit und Bewertung Fernsehzuschauer<br />
einzelnen Beiträgen zukommen lassen. Dahinter steckt, wie bereits bei Eilders (1997),<br />
die Überlegung, dass Nachrichtenfaktoren auf Kommunikator- und Publikumsseite in<br />
verschiedenen Bereichen interessen-, einstellungs- und handlungsleitend sein können.<br />
Im zu untersuchenden Fall geht es nicht (nur) um Nachrichtenfaktoren als Bedürfnis-<br />
9 Vgl. http://www.ebu.ch/tv-cec_2002_rules.pdf (03.05.2002).<br />
275
M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />
kategorie auf Nutzerseite, sondern um ihre Auswirkungen auf die Rezeption von ESC-<br />
Beiträgen, auf Publikumseinstellungen und letztlich auf das Abstimmungsverhalten bei<br />
europäischen Zuschauern.<br />
Bereits die „Pioniere“ der Nachrichtenwerttheorie, Galtung & Ruge, fassten Nachrichtenfaktoren<br />
nicht als spezifisch journalistische Kategorie auf, sondern als „commonsense<br />
perception psychology“ (1974: 63), ohne jedoch auf die wahrnehmungspsychologischen<br />
Grundlagen weiter einzugehen. Der angenommene Mechanismus sieht im Bereich<br />
journalistischer Nachrichtenauswahl etwa folgendermaßen aus: Journalisten sind<br />
bemüht, aus der riesigen Fülle von eingehenden Nachrichten diejenigen auszuwählen,<br />
von denen sie annehmen, (a) dass das Publikum von ihnen wissen müsste (gesellschaftliche<br />
Bedeutung), und (b) dass sich das Publikum dafür interessiert (individuelle Bedeutung<br />
für Rezipienten). Die journalistische Auswahlentscheidung kreist also um die vermeintliche<br />
Bedeutung eines Ereignisses, Akteurs, Staats usw.. Zur Ermittlung dieser Bedeutung<br />
ziehen Journalisten verschiedene Eigenschaften, eben die Nachrichtenfaktoren,<br />
heran. Diese sind somit journalistische Handwerksregeln, Routinen oder Heuristiken,<br />
die zeit- und ressourcensparende Auswahlentscheidungen erlauben und damit eine effiziente<br />
Optimierung der Nachrichtenproduktion ermöglichen. Doch Nachrichtenfaktoren<br />
erleichtern nicht nur die Auswahl, sie verändern auch die Produktion von Nachrichten.<br />
Der US-Journalist Walter Lippmann argumentierte bereits 1922, dass die Welt<br />
unmöglich in ihrer gesamten Komplexität erfasst werden könne, und Menschen deshalb<br />
dazu neigen, Beobachtungen und Sachverhalte in allgemeine Schubladen zu stecken, also<br />
Stereotypen zu entwickeln. Im Rahmen der Kognitionspsychologie wurde eine Fülle<br />
von Erklärungsansätzen für eine solche vereinfachte und reduzierte Informationsverarbeitung<br />
entwickelt, die von der Schematheorie mit ihren Spielarten (Skripte, Frames)<br />
über das Elaboration-Likelihood-Modell von Petty & Cacioppo (1986) bis hin zu den<br />
Entscheidungsheuristiken bei Tversky & Kahneman (1973) reicht.<br />
Gemeinsam sind allen Ansätzen zwei Annahmen. Erstens: Menschen nehmen neue<br />
Informationen im Lichte ihrer Erwartungen bzw. Alltagshypothesen (schemageleitet<br />
bzw. top-down) auf und verarbeiten sie entsprechend. Unpassende bzw. nicht erwartungskonforme<br />
Umweltreize werden ignoriert, solange sie unter einer bestimmten Reizstärke<br />
liegen (vgl. das Vividness-Konzept; Nisbett & Ross 1980). Umgekehrt werden<br />
Reize, die den bestehenden kognitiven Strukturen – dies sind Schemata von Wissensbeständen,<br />
aber auch persönliche Bewertungen (vgl. Brosius 1995: 124f.) – eines Menschen<br />
entsprechen, besonders leicht verstanden und gelernt. Das erklärt den Effekt, dass Menschen<br />
vertraute Reize in der Regel besser bewerten als neue; man denke beispielsweise<br />
nur an die allgemeine Ablehnung neu eingeführter Geldscheine oder Münzen. Zweitens:<br />
Der Mensch als „Homo Oeconomicus“ (Jäckel 1992) durchdenkt Entscheidungen nur<br />
in Ausnahmefällen bis in die letzte Verästelung. In der Regel genügen einige wenige, besonders<br />
auffällige oder relevante Eigenschaften der Alternativen, um eine (heuristische)<br />
Entscheidung herbeizuführen. Das Ziel ist in den weitaus meisten Alltagssituationen<br />
nicht die beste, sondern eine ausreichend gute Entscheidung, die schnell und mit geringem<br />
kognitiven Aufwand getroffen wurde 10 . Schemata sind das kognitive Werkzeug, um<br />
Entscheidungen heuristisch treffen zu können.<br />
Diese grobe Skizze menschlicher Informationsverarbeitung gibt eine Vorstellung<br />
von den psychischen Prozessen journalistischer Nachrichtenauswahl und -produktion.<br />
10 Vgl. die kognitionspsychologische Einführung von Anderson (1996) sowie die kommunikations<strong>wissenschaft</strong>lichen<br />
Überblicke bei Brosius (1995), Wirth (1997) und Schweiger (2001).<br />
276
Schweiger / Brosius · Eurovision Song Contest<br />
Sie liefert aber auch erste Anhaltspunkte, welche vergleichbaren Prozesse sich auf der<br />
Rezipientenseite abspielen. Es verwundert also nicht, dass die Annahme von Nachrichtenfaktoren<br />
als allgemeinen menschliche Selektionskriterien mittlerweile empirisch<br />
weitgehend bestätigt ist (vgl. Eilders & Wirth 1999: 39).<br />
Zum ESC-Televoting: Führt man sich die Rezeptions- und Entscheidungssituation<br />
eines einzelnen Zuschauers beim ESC vor Augen, dann ist es plausibel, dass auch hier<br />
Schemata und Heuristiken zum Einsatz kommen. Dafür sprechen mindestens zwei<br />
Gründe. Erstens: Die Zuschauer dürfen ausschließlich die Beiträge aus den anderen<br />
Ländern bewerten; für den Beitrag des eigenen Landes können sie nicht stimmen. Es<br />
kommt hinzu, dass der ESC trotz teilweise fanatischen „Fan-Tums“ für die meisten<br />
Zuschauer vermutlich eine unterhaltende Nebensache mit eher geringer Relevanz ist.<br />
Das Involvement bei der Entscheidung ist somit eher schwach. Wie das bereits erwähnte<br />
Elaboration-Likelihood-Modell annimmt, erfolgen solche „Low-Involvement“-Entscheidungen<br />
auf einer so genannten „peripheren Route“, also stark heuristisch.<br />
Zweitens: Die Entscheidungssituation ist bei über zwanzig konkurrierenden<br />
Interpreten bzw. Liedern, die sich vom Auftreten und von der Machart her teilweise<br />
recht ähnlich sind, durchaus kompliziert. Bei einer solchen Menge von Entscheidungsalternativen<br />
ist es für einen durchschnittlichen Zuschauer unmöglich, sich alle zwanzig<br />
Stücke und Interpreten zu merken, gründlich alle ihre Stärken und Schwächen gegeneinander<br />
abzuwägen und dann kompetent zu entscheiden. Der Schnelldurchlauf aller<br />
Stücke am Schluss des Wettbewerbs ändert daran nicht viel. Es müssen also beim<br />
Publikum Heuristiken zum Einsatz kommen, zumal die Entscheidung innerhalb weniger<br />
Minuten zu fällen ist.<br />
Heuristiken steuern nicht nur die endgültige Televoting-Entscheidung; sie beeinflussen<br />
bereits die Rezeption der Beiträge. Damit ein Zuschauer für ein Stück (sinnvoll) votieren<br />
kann, muss er es zunächst gesehen und gehört haben. Bei über zwanzig Stücken<br />
werden nur die wenigsten Zuschauer jeden Beitrag aufmerksam verfolgen. Da Schemata<br />
eine aufmerksamkeitssteuernde Funktion haben, kann man Folgendes annehmen: Wie<br />
viel Aufmerksamkeit ein Zuschauer einem Stück zukommen lässt, hängt – neben Stückund<br />
Interpreteneigenschaften – davon ab, welches Schema er im Lauf seines Lebens zu<br />
dem betreffenden Land gebildet hat und wie vertraut ihm das Land ist.<br />
Damit sind wir zurück bei der Nachrichtenwertforschung. Wie eingangs erwähnt, befassten<br />
sich bereits die Pionierarbeiten von Galtung & Ruge (1974) und Östgaard (1965)<br />
mit der Frage, inwiefern einzelne Weltregionen in der internationalen Berichterstattung<br />
sichtbar oder eher unsichtbar sind. Die damaligen Befunde sind wenig überraschend,<br />
aber medienpolitisch problematisch: (1) Es gibt eine Reihe von Elite-Nationen, allen voran<br />
die USA, über die – etwa gemessen an ihrer Einwohnerzahl – überproportional berichtet<br />
wird. Ein Ereignis, das dort passiert, hat eine erheblich größere Chance, berichtet<br />
zu werden, als dasselbe Ereignis in einem anderen, weniger beachteten Land. (2) Je<br />
näher das Land, in dem ein Ereignis stattfindet, einem anderen Land ist, desto eher wird<br />
dieses Ereignis dort in die Presse gelangen bzw. ein umfassendes Presseecho bekommen.<br />
Sowohl der Status eines Staates als auch dessen Nähe zum Land des Rezipienten sind<br />
als Schemabestandteile zu betrachten, die die Beitragsrezeption und die Televoting-Entscheidung<br />
beeinflussen. Die Nähe bestimmt maßgeblich, wie vertraut einem Rezipienten<br />
ein Staat ist. 11 Die Vertrautheit mag zwar von Zuschauer zu Zuschauer variieren;<br />
11 Dieser Effekt liegt indirekt auch dem Nachrichtenfaktor „Identifikation“ zugrunde, wie ihn<br />
Östgaard (1965) postuliert hat: Journalisten unterstellen, dass Rezipienten sich besonders für<br />
Themen interessieren, die ihnen bereits vertraut sind, und wählen sie entsprechend häufig aus.<br />
277
M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />
dennoch kann man zwischen den Zuschauern zweier Länder einen generellen Grad an<br />
Vertrautheit bzw. subjektiv wahrgenommener Nähe bestimmen. Auch die wahrgenommene<br />
Bedeutung eines Landes bzw. sein Status beeinflusst die Aufmerksamkeit der Zuschauer.<br />
Auch hier unterscheiden sich streng genommen die individuellen Wahrnehmungen;<br />
doch kann man unterstellen, dass es einen generellen Status eines Staates gibt,<br />
der sich – innerhalb einer gewissen Schwankungsbreite – als nationale, intersubjektive<br />
Konstante beschreiben lässt. Dieselben aufmerksamkeitssteuernden Effekte, die wir für<br />
die Beitragsrezeption beschrieben haben, sollten wiederum die Televoting-Entscheidung<br />
beeinflussen, so dass sich insgesamt die Chancen von Liedern statushoher<br />
und/oder sich gegenseitig naher Staaten erhöhen. Wie Hagen (1998: 148) feststellte, sind<br />
Elite-Status und Nähe die einzigen Nachrichtenfaktoren, die sich auf Länder anwenden<br />
lassen. Dabei bezieht sich der Status auf die absolute Bedeutung eines Staats 12 , die Nähe<br />
auf seine relative Bedeutung für andere Regionen oder Länder. Sowohl der Status als<br />
auch der Faktor Nähe manifestieren sich in unterschiedlichen Bereichen (Einteilung<br />
nach Schulz 1990: 33, 41f. und Staab 1990: 120):<br />
Politischer Status bezieht sich auf die (außen-)politische Bedeutung eines Staats und<br />
damit auf seine politischen, ggf. auch militärischen Einflussmöglichkeiten gegenüber anderen<br />
Ländern. Auch Einwohnerzahl und die Zugehörigkeit zu Bündnissen, wie z. B.<br />
NATO oder EU, und die Bedeutung innerhalb dieser Bündnisse gehören hierher.<br />
Deutschland ist beispielsweise nicht nur einwohnerreichstes EU-Mitglied; mit 99 von<br />
624 Abgeordneten im Europäischen Parlament (Stand: 14.10.2002) und dem Sitz der<br />
Europäischen Zentralbank in Frankfurt am Main hat es zweifellos in Europa und innerhalb<br />
der EU-Staaten Elite-Status. Neben der politischen Macht ist auch die Umsetzung<br />
und Einhaltung demokratischer Prinzipien – wenn man diese als Norm versteht –<br />
ein Indikator für den politischen Status eines Landes. Dies ist in Europa besonders für<br />
die osteuropäischen Staaten relevant, die ja auf ihrem Weg in eine demokratisch verfasste<br />
Marktwirtschaft mit allen Bürgerrechten durchaus mehr oder weniger weit voran geschritten<br />
sind. Die Gewährung und Einhaltung von Pressefreiheit (Staatsferne und ökonomisch-publizistische<br />
Vielfalt) oder der Menschenrechte gehören in diesen Zusammenhang.<br />
Der wirtschaftliche Status eines Staats hängt ab von der absoluten und – gemessen an<br />
der Einwohnerzahl – relativen Leistungsfähigkeit seiner Wirtschaft. Indikatoren sind<br />
beispielsweise das Bruttoinlandsprodukt (BIP) und das Bruttoinlandsprodukt pro<br />
Kopf. Hier spielen auch das Exportvolumen bzw. der Exportanteil an der Gesamtwirtschaftsleistung<br />
eine Rolle, zumal Exportgüter und -dienstleistungen in den kaufenden<br />
Ländern den Eindruck einer Elite-Nation vertiefen. Die US-amerikanische Kultur- und<br />
<strong>Medien</strong>industrie, Coca Cola oder McDonald’s sind plakative Beispiele hierfür. Eine vergleichbare<br />
Bedeutung im Ausland haben im Falle Deutschlands vielleicht die Automobilindustrie<br />
und der Maschinen- und Anlagenbau. Rosengren fand bereits 1974, dass<br />
ökonomische Faktoren, wie der Im- und Export, den Nachrichtenwert von Ereignissen<br />
in bestimmten Staaten besonders beeinflussen.<br />
Schließlich ist der kulturelle Status zu nennen. Dieser umfasst die Bedeutung und Potenz<br />
eines Landes in den Bereichen Literatur, Musik, Film, Theater, <strong>Medien</strong> und Wis-<br />
12 Streng genommen sind Nachrichtenfaktoren nie einem Ereignis, Akteur oder Land immanent,<br />
weil sie ja immer als eine Attribuierung durch Journalisten entstehen. Deshalb kann es auch aus<br />
theoretischer Sicht keine absolute Bedeutung eines Landes geben. Wegen ihrer empirischen Bedeutung<br />
wollen wir die Unterscheidung trotzdem aufrecht erhalten.<br />
278
Schweiger / Brosius · Eurovision Song Contest<br />
senschaft. Je bekannter kulturelle Eigenheiten und Erzeugnisse eines Staats oder einer<br />
Region in anderen Ländern sind, desto höher ist sein diesbezüglicher Status. Deshalb<br />
sollten die großen europäischen „Kulturnationen“ mit erheblicher Außenwirkung –<br />
Großbritannien, Frankreich, Italien, Spanien, Deutschland und Russland – beim ESC<br />
allein schon von daher erhöhte Aufmerksamkeit und damit Wettbewerbsvorteile genießen.<br />
Von großer Relevanz ist hierbei sicherlich die Sprache, die in einem Land<br />
gesprochen wird, und ihre Verbreitung in anderen Ländern als Mutter- oder Fremdsprache.<br />
Während Englisch und – mit Einschränkungen – Französisch in allen europäischen<br />
Staaten verbreitet sind, werden die meisten anderen Sprachen kaum in anderen<br />
Ländern als Fremdsprachen gelernt. Es ist zu vermuten, dass Großbritannien, Irland,<br />
Frankreich und Belgien, teilweise auch die Schweiz, wegen dieses sprachlichen Vorteils<br />
beim ESC prinzipiell höhere Siegchancen haben. Auf der anderen Seite ist Deutsch in<br />
Europa diejenige Sprache, die von den meisten Menschen und in den meisten Staaten<br />
muttersprachlich gesprochen wird (Deutschland, Österreich, Schweiz, teilweise Luxemburg,<br />
Belgien, Italien). Dies könnte sich auch in einem Wettbewerbsvorteil beim<br />
ESC niederschlagen.<br />
Nähe ist – im Gegensatz zum Status – ein reziproker Nachrichtenwert, denn beide<br />
beteiligten Staaten sind sich gegenseitig gleich nah. Dabei lassen sich wiederum zwei<br />
Dimensionen unterscheiden. Nähe bezieht sich entweder auf die Vergleichbarkeit bzw.<br />
Ähnlichkeit der Verhältnisse zwischen zwei Staaten oder auf die Beschaffenheit (Quantität<br />
bzw. Qualität) der zwischenstaatlichen Beziehungen. Das wird bei der Beschreibung<br />
der einzelnen Kategorien klar.<br />
Räumliche Nähe meint zunächst die rein örtliche Entfernung, die zwischen zwei Orten<br />
bzw. Staaten liegt. Zwei Länder können direkte Nachbarn sein, d. h. eine gemeinsame<br />
Land- oder Wassergrenze besitzen (z. B. Deutschland und Österreich, Frankreich<br />
und Großbritannien), sie können sich ohne gemeinsame Grenze in derselben Region befinden<br />
(z. B. Estland und Litauen, Luxemburg und Niederlande), sie können auf demselben<br />
Kontinent liegen oder in unterschiedlichen Weltregionen. Die räumliche Nähe ist<br />
ein Mischkonstrukt aus den Dimensionen „Ähnlichkeit der Verhältnisse“ und „Beschaffenheit<br />
der zwischenstaatlichen Beziehungen“. Denn Nachbarländer sind sich<br />
einerseits in der Regel in verschiedenen Bereichen ähnlich, andererseits gibt es meist intensive<br />
Beziehungen zwischen Nachbarn. Je näher sich zwei Staaten liegen, desto größer<br />
sollte der Nachrichtenwert von Ereignissen im jeweils anderen Land und damit auch die<br />
gegenseitige Aufmerksamkeit beim ESC sein.<br />
Natürlich wird in Europa die räumliche Nähe von der kulturellen Nähe zwischen<br />
Staaten überlagert. Diese ergibt sich neben den bereits oben diskutierten Bereichen besonders<br />
aus einer gemeinsamen Sprache (z. B. Deutschland und Österreich) oder einer<br />
gemeinsamen Sprachgruppe (z. B. Deutschland, Niederlande, Belgien/Flämisch). Die in<br />
den Ländern dominierenden Religionen spielen generell ebenfalls eine erhebliche Rolle,<br />
wie beispielsweise der Kosovo-Konflikt gezeigt hat. Da mit Ausnahme der Türkei und<br />
Israels, die beide auch geografisch am Rand bzw. außerhalb Europas liegen, alle ESC-<br />
Teilnehmerländer christlich geprägt sind, sollte diese Variable im gegebenen Fall allerdings<br />
von untergeordneter Bedeutung sein. Wichtiger ist in Europa der wechselseitige<br />
Tourismus zwischen Ländern: Je mehr Menschen ein anderes Land bereisen und so kennen<br />
lernen, desto größer sollte das interkulturelle Verständnis sein.<br />
Bei der politischen Nähe kommt in Europa mit seiner wechselhaften Geschichte eine<br />
Reihe von Variablen in Frage. Gehören zwei Staaten demselben Bündnis an (NATO,<br />
EU), wenn ja, seit wann? Oder sind sie ehemalige Mitglieder desselben Verteidigungsund<br />
Wertebündnisses, des Warschauer Paktes? Gehörten beide Staaten bis vor nicht all-<br />
279
M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />
zu langer Zeit einem gemeinsamen Staat an, der mittlerweile auseinander gebrochen ist<br />
(Ex-Sowjetunion, Ex-Jugoslawien, Slowakei und Tschechien)? Von Bedeutung ist auch<br />
die Vergleichbarkeit oder eben Unterschiedlichkeit der politischen Bedeutung der Länder<br />
(z. B. Deutschland und Frankreich versus Deutschland und Luxemburg) und der politischen<br />
Verhältnisse. 13 Es ist zu vermuten, dass sich Staaten mit einem weit entwickelten<br />
demokratischen System und weitgehender Pressefreiheit politisch näher sind als<br />
Staaten mit unterschiedlichen politischen Verhältnissen. Dies bedeutet umgekehrt, dass<br />
sich beispielsweise die osteuropäischen Transformationsstaaten untereinander politisch<br />
durchaus nahe sein sollten.<br />
Bei der wirtschaftlichen Nähe wird die Unterscheidung schließlich zwischen den erwähnten<br />
Dimensionen „Ähnlichkeit der Verhältnisse“ und „Beschaffenheit der Beziehungen“<br />
besonders deutlich. Denn sie umfasst zum einen die Intensität und Bedeutung<br />
des wechselseitigen wirtschaftlichen Austausches zwischen zwei Staaten, zum anderen<br />
die Vergleichbarkeit der wirtschaftlichen Situation in beiden Ländern. Während beispielsweise<br />
reger Im- und Export zwischen Deutschland und Polen herrscht, kann von<br />
der Vergleichbarkeit der wirtschaftlichen Situation in beiden Ländern kaum die Rede<br />
sein (z. B. beim BIP pro Kopf).<br />
4. Hypothesen<br />
Fassen wir das bisher Gesagte zusammen: Das Konzept der Nachrichtenwertforschung<br />
umfasst kognitive Strukturen (Schemata), die wiederum Verhaltens- und Entscheidungsprozesse<br />
(Heuristiken) prägen bzw. erleichtern. Da diese Strukturen und Prozesse<br />
bei jeder menschlichen Aufmerksamkeitsverteilung und Informationsverarbeitung<br />
auftreten, ist es plausibel, dass entsprechende Phänomene auch auf der Rezipientenseite<br />
wirken – im vorliegenden Fall letztlich beim ESC-Televoting. Die für Länder einschlägigen<br />
Bündel von Nachrichtenfaktoren sind (a) der Status eines Landes und (b) die Nähe<br />
zwischen zwei Staaten.<br />
Allen genannten Dimensionen liegt jeweils eine lineare Wirkungsvermutung zugrunde:<br />
Je statushöher14 ein ESC-Teilnehmerstaat ist, desto höhere Siegchancen hat er,<br />
weil die Zuschauer stärker auf den Beitrag achten und ihn bei der (heuristischen) Televoting-Entscheidung<br />
stärker berücksichtigen. Dasselbe gilt für die Nähe zweier Staaten.<br />
Als Resultat sollten sie sich gegenseitig überdurchschnittlich viele Punkte geben. Die<br />
Hypothesen 1 und 2 lauten folglich:<br />
Hypothese 1: Je höher der (a) politische, (b) wirtschaftliche und (c) kulturelle Status<br />
eines ESC-Teilnehmerstaats ist, desto mehr Punkte bekommen seine Beiträge.<br />
Hypothese 2: Je näher sich ESC-Teilnehmerstaaten (a) politisch, (b) wirtschaftlich, (c)<br />
kulturell und (d) geografisch sind, desto mehr Punkte geben sich die Zuschauer gegenseitig.<br />
Fraglich ist, ob es Interaktionen zwischen den beiden Faktoren Status und Nähe gibt,<br />
oder ob sie unabhängig voneinander wirken. Birgit Schenk (1987: 39) wies im Bereich<br />
der journalistischen Nachrichtenauswahl auf das Phänomen des „Next-Door-Giant“<br />
13 Vergleichbar Hagens (1998: 152) „Ähnlichkeit der sozio-ökonomischen Entwicklung“.<br />
14 Wie bereits angesprochen, müsste man auch hier wieder streng genommen von der Attribuierung<br />
der Rezipienten ausgehen: Erst der individuell wahrgenommene Status eines Landes<br />
kann sich auf das Abstimmungsverhalten auswirken.<br />
280
Schweiger / Brosius · Eurovision Song Contest<br />
hin. Hierbei handelt es sich um statushohe, benachbarte Staaten, die für ihre kleineren<br />
Nachbarstaaten von eminenter wirtschaftlicher, politischer und kultureller Bedeutung<br />
sind. Über einen solchen großen Nachbarn berichten die <strong>Medien</strong> eines kleineren Anrainerstaats<br />
besonders umfassend und detailliert, wie beispielsweise Hagen (1998) deutlich<br />
am Beispiel der österreichischen Deutschland-Berichterstattung zeigen konnte. In Europa<br />
ist zweifellos Deutschland ein solcher Next-Door-Giant für einige Anrainerstaaten.<br />
Vergleichbare Konstellationen sind denkbar zwischen Frankreich und Belgien bzw.<br />
Luxemburg, zwischen Spanien und Portugal oder zwischen Russland und seinen Nachbarn.<br />
Im Falle der Nachrichtenberichterstattung führt die Interaktion zwischen Status<br />
und Nähe also zu einer wechselseitigen Verstärkung der Effekte und damit zu einer<br />
erhöhten Beachtung.<br />
Auch beim ESC-Televoting muss man zunächst von einer positiven Interaktion ausgehen:<br />
Was der mächtige Nachbar präsentiert, interessiert die Zuschauer nebenan<br />
sicherlich stark. Andererseits wohnt derartigen zwischenstaatlichen Beziehungen bei<br />
der Bevölkerung des kleineren Landes – trotz der nachbarlichen Vertrautheit – oft eine<br />
gewisse Skepsis und Ablehnung inne; der „Next-Door-Giant“ erfreut sich bei seinen<br />
Nachbarn selten uneingeschränkter Beliebtheit. Ursachen für solche Antipathien sind<br />
sicherlich im Neid auf die Macht des Nachbarn beim Kleineren und in einer wahrgenommenen<br />
Arroganz der Bürger des größeren gegenüber den Bürgern des kleinen<br />
Landes zu suchen – gerade wenn ansonsten große Ähnlichkeit zwischen beiden besteht.<br />
Die Abstimmung beim ESC bietet den Bürgern eines „kleinen Nachbarstaates“ theoretisch<br />
sogar die Möglichkeit, es dem ungeliebten Nachbarn einmal „heimzuzahlen“ und<br />
seine Bedeutung zu unterminieren, indem sie seinem Beitrag keine oder wenige Punkte<br />
geben. Anders als bei der journalistischen Nachrichtenselektion, wo solche Fragen wohl<br />
nur eine nachrangige Rolle spielen, stehen sich somit beim ESC-Televoting zwei entgegengesetzte<br />
„Next-Door-Giant“-Effekte gegenüber: Welcher der beiden Effekte stärker<br />
ist, lässt sich nicht vorhersagen; wir entscheiden uns in Hypothese drei für die zweite<br />
Variante.<br />
Hypothese 3: ESC-Beiträge von Next-Door-Giants bekommen von ihren kleineren<br />
Nachbarn weniger Punkte, als ihnen von ihrem Status her zustünden.<br />
5. Methode<br />
Um die genannten Hypothesen beantworten zu können, müsste man eigentlich Daten<br />
zur subjektiven Wahrnehmung der ESC-Zuschauer verwenden: Nicht die tatsächlichen<br />
Verhältnisse beeinflussen das Abstimmungsverhalten der Rezipienten, sondern ihre persönlichen<br />
Status- und Nähe-Bewertungen anderer Staaten. Da es jedoch bevölkerungsrepräsentative<br />
und vergleichbare europäische Befragungsdaten zur Bewertung anderer<br />
Länder unseres Wissens nicht gibt – ganz zu schweigen von entsprechenden Befragungsdaten<br />
für ESC-Zuschauer –, bleibt uns nur der Umweg über öffentliche Statistiken<br />
zu den tatsächlichen Verhältnissen. Dabei unterstellen wir eine ausreichend hohe<br />
Korrelation zwischen der subjektiven Wahrnehmung durch das ESC-Publikum (als zu<br />
messendes Konstrukt) einerseits und statistischen Daten (als indirekte Operationalisierung)<br />
andererseits.<br />
Zunächst wurde eine Vielzahl an Daten zu den Stücken, Interpreten und vergebenen<br />
Punktewertungen der fünf Wettbewerbe seit 1998, also seit der umfassenden Einführung<br />
des Televoting, gesammelt. Ferner wurden aus verschiedenen statistischen<br />
Quellen Daten zu den Teilnehmerländern bzw. zu Beziehungen zwischen den Staaten,<br />
soweit verfügbar, erhoben. Daraus resultierten zwei Datensätze:<br />
281
M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />
Datensatz 1 enthält alle ESC-Beiträge von 1998 bis 2002 (n = 119). Er umfasst neben<br />
der Startnummer des jeweiligen Stücks, seiner Sprache und der Art der Formation (Solo-<br />
Sänger/in, Duett oder Gruppe) die erzielten Gesamtpunkte. Diese Angaben wurden<br />
Feddersen (2002) und verschiedenen Onlinequellen 15 entnommen bzw. teilweise rekonstruiert.<br />
So wurde aus den Namen der Vortragenden auf die Art der Formation und<br />
das Geschlecht der Interpreten geschlossen. Darüber hinaus stehen in Datensatz 1 die<br />
Variablen zum Status des jeweiligen Landes: Einwohnerzahl, BIP, BIP pro Kopf, gesprochene<br />
Sprache/n, aktuelle und ehemalige Bündnismitgliedschaften in EU, NATO<br />
und Warschauer Pakt sowie regionale Lage (z. B. Benelux, Skandinavien; vollständige<br />
Liste siehe weiter unten). Als grobe Schätzung der nationalen Pressefreiheit verwendeten<br />
wir die Daten der US-amerikanischen gemeinnützigen Organisation Freedom House<br />
(2001). Diese veröffentlicht jedes Jahr eine „Press Freedom Survey“ mit einem Pressefreiheitsindex.<br />
16<br />
In Datensatz 2 stellt jede Punktwertung eines Beitrags einen Fall dar (n = 2.716). Zusätzlich<br />
zu den Angaben aus Datensatz 1 befinden sich dort alle Beziehungsvariablen<br />
zwischen den jeweiligen Geber- und Nehmerländern, also hauptsächlich Daten zur Nähe<br />
zwischen den Staaten, die teilweise aus den Status-Daten in Datensatz 1 errechnet wurden<br />
(z. B. die regionale Zusammengehörigkeit oder Differenz des Pressefreiheit-Wertes<br />
zwischen Geber- und Nehmerland), teilweise weiteren Recherchen entstammten.<br />
Tabelle 1 zeigt alle untersuchten Variablen im Überblick. Wie der Tabelle zu entnehmen<br />
ist, wurden einige nahe liegende Variablen nicht in die Analyse aufgenommen.<br />
Der geografische Status (Fläche des Staatsgebiets) beispielsweise korreliert in Europa<br />
stark mit der Einwohnerzahl und dürfte auf die ESC-Bewertungen keinen hiervon unabhängigen<br />
Einfluss haben. Kulturelle Statusvariablen, wie z. B. Englisch oder Französisch<br />
als Landessprache, kämen im Datensatz in einer Fallzahl vor, die für sinnvolle Auswertungen<br />
nicht ausreichen würde, da sie meist nur für ein oder zwei Länder gelten. Andere<br />
Variablen der internationalen Nachrichtenwertforschung, wie beispielsweise die<br />
Alphabetisierungsrate, unterscheiden sich in Europa zu wenig, um sie als sinnvolle Erklärfaktoren<br />
einzusetzen.<br />
Eine Anmerkung zu den Export-/Import-Daten: Der Aufwand, diese Daten für insgesamt<br />
32 Teilnehmerstaaten zu ermitteln (32 x 32 x2=2.048 Fälle), war mit den gegebenen<br />
personellen Mitteln nicht zu leisten. Wir beschlossen, die Angaben nur für eine<br />
willkürliche, strukturell dem Gesamtdatensatz entsprechende Länderstichprobe zu recherchieren.<br />
Deshalb wurden die Export-/Import-Daten jeweils für Deutschland, Estland,<br />
Frankreich, Kroatien, Norwegen, Polen und Spanien als Nehmerland und alle anderen<br />
Geberländer berechnet. Um bei verschiedensten internationalen und nationalen<br />
Quellen vergleichbare Angaben zu erhalten, mussten wir uns ferner mit dem „kleinsten<br />
gemeinsamen Nenner“ aller Quellen zufrieden geben. Die Variablen „Export vom Ge-<br />
15 Z. B. die private Website eines finnischen ESC- und Statistik-Freaks (http://www.kolumbus.fi/<br />
jarpen/), http://www.eurosong.net/, http://www.ogae.de/ (alle 08.01.2003). Generell scheint es<br />
im Internet eine große Anzahl von ESC-Fans zu geben, die mit viel Liebe teilweise überaus ambitionierte<br />
Webangebote erstellen; bei einer Internetrecherche nach dem Suchbegriff „Eurovision<br />
Song Contest“ am 08.01.2003 lieferte die Suchmaschine Google.de ca. 40.000 Treffer!<br />
16 Der Index reicht von 0 (völlige Pressefreiheit) bis 100 (völlig eingeschränkte Pressefreiheit)<br />
Punkten. Er errechnet sich als die Summe der vier Dimensionen „<strong>Medien</strong>recht und Regulierung“,<br />
„Politische Einflussnahme auf Inhalte“, „Ökonomische Einflussnahme auf Inhalte“ (jeweils<br />
max. 30 Punkte) und „Repressive Aktionen“, z. B. Verhaftung / Ermordung von Journalisten<br />
(max. 10 Punkte).<br />
282
Tabelle 1: Variablen im Überblick<br />
Schweiger / Brosius · Eurovision Song Contest<br />
Status Nehmerland Nähe zwischen Geber- und Nehmerland<br />
Geografisch • Direkte Nachbarschaft (gemeinsame<br />
Land-/Wassergrenze)<br />
• Gemeinsame Region<br />
Politisch • Einwohnerzahl • Differenzbetrag Einwohnerzahl<br />
• EU-Mitglied, NATO-Mitglied, • Gemeinsame Mitgliedschaft in<br />
ehem. Warschauer Pakt-Mitglied EU, NATO, ehem. Warschauer Pakt<br />
• Pressefreiheit • Differenzbetrag Pressefreiheit<br />
Wirtschaftlich • Bruttoinlandsprodukt • Differenzbetrag Bruttoinlandsprodukt<br />
• Bruttoinlandsprodukt/ • Differenzbetrag Bruttoinlandsprodukt/<br />
Einwohner Einwohner<br />
• Wirtschaftliche Beziehungen<br />
(Export/Import vom Geber- ins<br />
Nehmerland)<br />
Kulturell • Gemeinsame Landessprache<br />
• Tourismus: Bürger des Geberlandes<br />
als Besucher im Nehmerland<br />
(Übernachtungen/Einwohnerzahl)<br />
ber- ins Nehmerland“ und „Import vom Nehmer- ins Geberland“ umfassen deshalb jeweils<br />
die Ausprägungen (1) wichtigster, (2) zweit-, (3) drittwichtigster Exporteur/Importeur<br />
sowie (4) Andere. Noch schwieriger stellte sich die Beschaffung von Daten zum<br />
Tourismus dar. Hierzu steht wiederum die genannte Länderstichprobe zur Verfügung,<br />
allerdings mit zahlreichen fehlenden Werten.<br />
6. Ergebnisse<br />
Ein erster Länderüberblick über die vergebenen Punkte beginnt mit einer Überraschung.<br />
Tabelle 2 präsentiert in abnehmender Reihenfolge die Gesamtpunkte, die die<br />
insgesamt 32 Teilnehmerländer zwischen 1998 und 2002 durchschnittlich erzielten. Wie<br />
man sieht, sind mit Lettland, Dänemark, Island, Estland, Griechenland und Malta und<br />
mit Ausnahme Russlands ausschließlich sehr kleine bzw. kleine Staaten die erfolgreichsten<br />
ESC-Teilnehmer. Von den großen europäischen Staaten liegen nur Deutschland<br />
und Großbritannien auf den Plätzen elf und dreizehn und damit in der ersten Hälfte des<br />
Feldes. Frankreich und Spanien finden sich auf Plätzen in der hinteren Hälfte. Auf den<br />
ersten Blick scheinen diese Ergebnisse zumindest unserer ersten Hypothese zum Einfluss<br />
des Status’ der ESC-Teilnehmerstaaten zu widersprechen.<br />
Bevor wir uns mit den eigentlichen Hypothesen befassen, noch einige andere Befunde.<br />
Zwei formale Variablen hatten erheblichen Einfluss auf die jeweils erzielten Punkte.<br />
Zunächst lässt sich für die Auftretensreihenfolge bzw. Startnummer der Beiträge ein eindeutiger<br />
Recency-Effekt nachweisen. Je später die insgesamt 119 Beiträge im Ablauf<br />
vorgestellt wurden, desto mehr Punkte erhielten sie durchschnittlich (r = 0,25;<br />
p
M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />
Tabelle 2: Durchschnittliche Gesamtpunkte pro Wettbewerb aller Teilnehmerländer<br />
zwischen 1998 und 2002 (n = 119 Beiträge)<br />
Platz Land Jahre Punkte Platz Land Jahre Punkte<br />
1 Lettland 3 36 17 Rumänien 3 11<br />
2 Dänemark 4 28 18 Irland 4 11<br />
3 Russland 3 27 19 Norwegen 4 11<br />
4 Island 3 22 20 Frankreich 5 11<br />
5 Estland 5 21 21 Slowenien 4 11<br />
6 Griechenland 3 21 22 Zypern 4 8<br />
7 Malta 5 19 23 Slowakei 1 8<br />
8 Schweden 5 19 24 Spanien 5 8<br />
9 Niederlande 4 17 25 Mazedonien 3 8<br />
10 Bosnien 3 16 26 Portugal 3 7<br />
11 Deutschland 5 16 27 Türkei 5 7<br />
12 Kroatien 5 16 28 Finnland 3 7<br />
13 Großbritannien 5 15 29 Litauen 3 7<br />
14 Österreich 3 14 30 Polen 3 5<br />
15 Israel 5 13 31 Ungarn 1 4<br />
16 Belgien 4 12 32 Schweiz 3 3<br />
Einen ebenfalls signifikanten Effekt hat die Sprache eines Beitrags. Während früher die<br />
teilnehmenden Länder immer in ihrer/einer Landessprache antreten mussten, kann seit<br />
einigen Jahren in jeder beliebigen Sprache gesungen werden. Das hat zum verstärkten<br />
Einsatz englischer Texte geführt – eine Strategie, die in den untersuchten fünf Jahren offensichtlich<br />
aufging: Während die auf Englisch gesungenen Titel durchschnittlich 67<br />
Punkte bekamen (n = 56), mussten sich anderssprachige Beiträge (n = 57) 17 mit 45 Punkten<br />
zufrieden geben (t = 2,39; p < 0,02). Englisch scheint mittlerweile nicht nur die „lingua<br />
franca“ im europäischen Schlager zu sein, sondern auch beim europäischen Publikum<br />
die höchste Aufmerksamkeit, Vertrautheit und/oder Sympathie zu genießen. Beide<br />
Befunde unterstreichen die obige Grundannahme, dass Zuschauer bei ihrer Punktvergabe<br />
generell heuristisch vorgehen.<br />
Nun zu den Hypothesen. Tabelle 3 präsentiert Partialkorrelationen zwischen allen<br />
(metrischen bzw. binären) Status- und Nähe-Variablen einerseits und den vergebenen<br />
Punkten andererseits; dabei wurden die bereits erwähnten, wirkungsstarken Variablen<br />
Startplatz und Sprache des Beitrags heraus partialisiert. 18 Die Status-Berechnungen<br />
17 Die deutsche „Ironieoffensive“ seit Guildo Horns „Guildo hat euch lieb“ fiel hier wiederum aus<br />
dem Rahmen. Kein deutscher Beitrag der Jahre 1998 bis 2001 war in englischer Sprache, allerdings<br />
auch nur zwei auf Deutsch: Die deutsch-türkische Gruppe „Sürpriz“ (1999) sang überwiegend<br />
auf Türkisch und Stefan Raabs Beitrag (2000) „Wadde hadde dudde da“ bediente sich<br />
einer dem Deutschen entlehnten „Phantasiesprache“. Trotzdem schnitten die deutschen Titel<br />
von allen nicht-englischen Beiträgen am besten ab.<br />
18 Eine datenanalytische Anmerkung: Eine multiple Regressionsanalyse wäre zweifellos die eleganteste<br />
Auswertungsstrategie. Da jedoch (a) einige Status- und Nähe-Variablen stark untereinander<br />
korrelieren (Multikollinearität) und (b) für verschiedene Variablen unterschiedlich<br />
große Teilstichproben zur Verfügung stehen, sehen wir davon ab.<br />
284
Schweiger / Brosius · Eurovision Song Contest<br />
Tabelle 3: Partialkorrelation zwischen Nachrichtenfaktoren und den erhaltenen<br />
Punkten<br />
Status des Nehmerlandes<br />
n Partialkorrelation<br />
Politisch<br />
Einwohnerzahl n=109 Beiträge +0,09<br />
EU-Mitglied 1 n=109 Beiträge +0,04<br />
NATO-Mitglied1 n=109 Beiträge +0,04<br />
ehem. Warschauer Pakt-Mitglied1 n=109 Beiträge +0,00<br />
Pressefreiheit2 n=109 Beiträge +0,01<br />
Wirtschaftlich<br />
Bruttoinlandsprodukt n=109 Beiträge +0,13<br />
Bruttoinlandsprodukt / Einwohner n=109 Beiträge +0,04<br />
Nähe zwischen Geber- und Nehmerland<br />
Geografisch<br />
Nachbarn1 n=2574 Voten +0,19***<br />
gemeinsame Region1 n=2574 Voten +0,19***<br />
Politisch<br />
Differenzbetrag Einwohnerzahl n=2574 Voten +0,03<br />
Differenzbetrag Pressefreiheit2 n=2574 Voten –0,06**<br />
Gemeinsame EU-Mitgliedschaft1 n=2574 Voten +0,04**<br />
Gemeinsame NATO-Mitgliedschaft1/5 Gemeinsame ehemalige Mitgliedschaft<br />
n=2574 Voten +0,06**<br />
im Warschauer Pakt1 n=2574 Voten +0,07**<br />
Wirtschaftlich<br />
Differenzbetrag Bruttoinlandsprodukt n=2574 Voten +0,05*<br />
Differenzbetrag Bruttoinlandsprodukt/Einwohner n=2574 Voten –0,07***<br />
Export vom Punktenehmer- ins Geberland 3 n=565 Voten 6 +0,05<br />
Import vom Punktegeber- ins Nehmerland4 n=565 Voten 6 +0,08<br />
Kulturell<br />
Gemeinsame Hauptsprache 1 n=2574 Voten +0,12***<br />
Partialkorrelationen kontrolliert nach Startplatz und Sprache des Beitrags (Engl. versus andere<br />
Sprache); ***p < 0,001; ** p < 0,01; * p < 0,05; Variablen metrisch, soweit nicht anders angegeben;<br />
1 Ausprägungen: 1 = ja, 0 = nein; 2 umgedrehte Skala von 0 = min. Pressefreiheit bis 100 = max.<br />
Pressefreiheit; 3 Ausprägungen: 1 = wichtigster bis drittwichtigster Exporteur; 0 = unwichtiger<br />
Exporteur; 4 Ausprägungen: 1 = wichtigster bis drittwichtigster Importeur; 0 = unwichtiger Importeur;<br />
5 Staaten, die nach 1998 NATO-Mitglied wurden (z. B. Polen, Ungarn), wurden als<br />
Nicht-Mitglied codiert; 6 nur für Deutschland, Estland, Frankreich, Kroatien, Norwegen, Polen<br />
und Spanien als Nehmerländer.<br />
285
M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />
stammen aus dem ersten Datensatz auf Liedebene; den Werten zur Wirkung der Nähe<br />
liegt Datensatz 2 mit insgesamt 2.716 Punktvergaben zugrunde. Da hierbei allerdings<br />
pro Beitrag bis zu 24 Punktvergaben bzw. Voten und damit Fälle im Datensatz verrechnet<br />
wurden, sind die Irrtumswahrscheinlichkeiten naturgemäß weitaus niedriger<br />
und nur mit größter Vorsicht zu interpretieren. Wir beschränken unsere Beschreibung<br />
deshalb auf die Korrelationskoeffizienten.<br />
Wie man sieht, hat der politische und wirtschaftliche Status eines Teilnehmerlandes<br />
generell einen sehr schwachen, aber durchgehend positiven Einfluss auf die Punkte, die<br />
seine Beiträge in den letzten fünf Jahren erzielten – alle Korrelationen sind positiv. Die<br />
aktuelle oder ehemalige Mitgliedschaft eines Staats in einem militärischen Bündnis spielt<br />
nach dem Ende des kalten Krieges – erfreulicherweise – nur noch eine geringe bzw. keine<br />
Rolle. Dasselbe gilt für die EU-Mitgliedschaft. Die Pressefreiheit eines Landes – als<br />
Indikator für dessen freiheitlich-demokratische Kultur – hat ebenfalls keinerlei Bedeutung<br />
beim ESC. Auch die nationalen wirtschaftlichen Verhältnisse (BIP pro Einwohner)<br />
haben kaum einen Einfluss auf sein Abschneiden beim Song Contest. Es ist denkbar,<br />
dass diese Faktoren deshalb so geringe Auswirkungen auf die Punktevergabe haben, weil<br />
sie den meisten Fernsehzuschauern schlichtweg unbekannt sind.<br />
Die schiere Größe und wirtschaftliche Bedeutung eines Landes – beides Variablen<br />
mit vermutlich höherem öffentlichen Bekanntheitsgrad – hingegen korrelieren etwas<br />
stärker mit den erhaltenen Punkten (Einwohnerzahl: r = + 0,09; BIP: r = + 0,13). Das<br />
mag ein Hinweis darauf sein, dass Rosengrens Feststellung, ökonomische Faktoren seien<br />
überaus wichtige Nachrichtenfaktoren, auch beim ESC zutrifft.<br />
Zu den Faktoren der Nähe: Wie die Korrelationskoeffizienten im unteren Teil von<br />
Tabelle 3 illustrieren, erklären politische oder wirtschaftliche Faktoren der Nähe bzw.<br />
Ähnlichkeit zwischen zwei Staaten die Punktvergaben der letzten fünf Jahre ebenfalls<br />
nur sehr schwach. Ob ein Geber- und Nehmerland in etwa gleich bevölkerungsstark<br />
sind oder nicht, spielt so gut wie keine Rolle. 19 Eine ähnliche demokratische Kultur –<br />
wieder repräsentiert durch den Pressefreiheitsindex – in beiden Ländern schafft etwas<br />
mehr Nähe und erhöht die vergebenen Punkte geringfügig: Je weniger sich die Pressefreiheit-Indizes<br />
unterscheiden, desto mehr Punkte wurden vergeben (r = – 0,06).<br />
Ähnlich schwache Effekte zeitigt eine gemeinsame Mitgliedschaft in der EU<br />
(r = 0,04) und in militärischen Bündnissen. Die stärkste Solidarität ist unter Staaten des<br />
ehemaligen Warschauer Pakts zu verzeichnen (r = + 0,07). Wie Abbildung 1 in einer anderen<br />
Darstellung zeigt, wurden in dieser Konstellation durchschnittlich 4,0 Punkte vergeben,<br />
während langjährige NATO-Mitgliedsstaaten sich jeweils nur 2,8 Punkte zusprachen.<br />
Allerdings findet man unter den ehemaligen Warschauer Pakt-Staaten auch einige<br />
Länder, die sich damals in einem gemeinsamen Nationalstaat befanden und vielleicht<br />
deshalb heute noch – trotz zwischenzeitlicher Konflikte – über stärkere<br />
Bindungen untereinander verfügen (Estland, Lettland, Litauen und Russland oder<br />
Tschechien und Slowakei). Man kann auf jeden Fall festhalten, dass die denkbare Vermutung,<br />
ehemalige Staaten des Warschauer Paktes seien heute untereinander entfremdet<br />
oder gar verfeindet, bei den ESC-Votings nicht zutrifft.<br />
19 Da wir bei der Einwohnerzahl und anderen Faktoren nur die absolute Distanz zwischen zwei<br />
Staaten als unabhängige Variable messen wollen und nicht etwaige Über- oder Unterlegenheiten,<br />
verwenden wir Differenzbeträge, bei denen die Richtung des Unterschieds unberücksichtigt<br />
bleibt.<br />
286
Schweiger / Brosius · Eurovision Song Contest<br />
Abbildung 1: Mitgliedschaften in Verteidigungsbündnissen und erhaltene Punkte<br />
Gruppen mit unterschiedlichen Kennbuchstaben unterscheiden sich höchstsignifikant<br />
(Duncan’s multiple range test; p < 0,001).<br />
Zur wirtschaftlichen Nähe und Vergleichbarkeit: Wie aus Tabelle 3 zu ersehen, spielt die<br />
Vergleichbarkeit der wirtschaftlichen Lebensverhältnisse ebenfalls nur eine geringe Rolle<br />
beim ESC. Je unterschiedlicher zwei Länder beim Bruttoinlandsprodukt, also in ihrer<br />
volkswirtschaftlichen Gesamtleistung sind, desto mehr Punkte geben sie sich sogar<br />
(Differenzbetrag BIP: r = +0,05). Umgekehrt führt ein vergleichbares Bruttoinlandsprodukt<br />
pro Einwohner zu einer etwas besseren gegenseitigen Bewertung (Differenzbetrag<br />
BIP pro Einwohner: r = –0,07).<br />
Aufschlussreich sind die Befunde zur Intensität der wirtschaftlichen Beziehungen.<br />
Zunächst ist festzuhalten, dass diese prinzipiell reziprok sein können, es in der Regel<br />
aber nicht sind. Es stellt sich somit die Frage, ob die Zuschauer eher dem Beitrag einer<br />
Nation Punkte geben, aus der ihr Land viele Produkte importiert, oder ob sie eher einer<br />
Nation Punkte geben, in die ihre eigene Volkswirtschaft stark exportiert. Wie die Korrelationskoeffizienten<br />
illustrieren, stellen beide Import/Export-Größen jeweils eine<br />
schwache, aber von der Wirkungsrichtung her hypothesenkonforme Einflussgröße dar.<br />
Die Zuschauer geben also tatsächlich dem Beitrag einer Importnation, deren Produkte<br />
sie kennen und nutzen – darunter vielleicht auch <strong>Medien</strong> – mehr Punkte als anderen Ländern<br />
(r = +0,08). Staaten, in die die eigene Volkswirtschaft überdurchschnittlich exportiert,<br />
erhalten ebenfalls etwas mehr Punkte (r = +0,05). Auch hier ist anzumerken, dass<br />
die individuelle Punktevergabe nicht von den tatsächlichen Ex- und Import-Raten abhängt,<br />
sondern von den wahrgenommenen Verhältnissen, so dass sich die schwachen<br />
Zusammenhänge eventuell durch entsprechende Wissensdefizite oder Fehleinschätzungen<br />
bei den Zuschauern erklären lassen.<br />
Wichtiger als alle politischen und wirtschaftlichen Faktoren ist die räumliche und<br />
kulturelle Nähe. ESC-Zuschauer entscheiden sich bevorzugt für ihre direkten oder indirekten<br />
Nachbarn und für Beiträge aus Ländern, in denen dieselbe Sprache gesprochen<br />
wird wie bei ihnen. Während der Beitrag eines direkten Nachbarn im Durchschnitt vom<br />
nationalen Publikum 4,8 Punkte bekam, mussten sich andere Beiträge mit 2,4 Punkten<br />
begnügen (t = 7,67; p < 0,001; n = 209 bzw. 2.507 Voten). Ähnlich deutlich unterschieden<br />
sich die Votings in Abhängigkeit von der Sprache: Länder mit einer gemeinsamen<br />
Hauptsprache gaben sich gegenseitig 6,8 Punkte (n = 26 Voten); im Fall einer gemeinsamen<br />
Minderheitensprache wurden jeweils 3,5 Punkte verteilt (Beispiel: Estland und<br />
Russland; n = 86 Voten). Publika unterschiedlicher Sprachen bedachten die Beiträge des<br />
Anderen mit jeweils 2,5 Punkten (n = 2.604 Voten). Das muss wohlgemerkt nicht<br />
zwangsläufig etwas mit der Sprache des Liedes und damit einem vermeintlich besseren<br />
Textverständnis zu tun haben, da ja mittlerweile die meisten Beiträge auf Englisch gesungen<br />
werden. Vielmehr scheint eine gemeinsame Sprache ein starkes Gefühl der Nähe<br />
und Verbundenheit zwischen den Bevölkerungen zweier Länder mit sich zu bringen.<br />
287
M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />
Mit einer Ausnahme (Malta mit Englisch als zweiter Amtssprache) wird in Europa<br />
ein und dieselbe Sprache immer nur in direkt benachbarten Ländern gesprochen. Somit<br />
lassen sich gemeinsame Sprache und Nachbarschaft analytisch ohnehin nicht trennen.<br />
Es kommt hinzu, dass in gleichsprachigen Nachbarländern üblicherweise auch die Fernsehprogramme<br />
von jenseits der Grenze genutzt werden. Dies verstärkt zum einen das<br />
Gefühl einer gewissen Gemeinsamkeit. Zum anderen ist man eventuell sogar über die<br />
nationale ESC-Vorentscheidung beim Nachbarn bzw. die dort antretenden Interpreten<br />
informiert (Vorwissen). Dieser Effekt könnte besonders bei einem Next-Door-Giant<br />
auftreten. Beispielsweise berichten die österreichischen und Schweizer <strong>Medien</strong> durchaus<br />
über die deutsche Vorentscheidung, da es ja auch eine gemeinsame Musikszene gibt<br />
(besonders deutschsprachige Schlager und Volksmusik), man also teilweise auch die<br />
deutschen Komponisten, Produzenten oder Interpreten kennt. 20<br />
Um herauszufinden, welche Regionen Europas stärker und welche schwächer „zusammenhalten“,<br />
vergleicht Abbildung 2 die innerhalb und außerhalb der jeweiligen Regionen<br />
vergebenen Punkte. Wie man sieht, unterstützten sich die beiden teilnehmenden<br />
Benelux-Staaten Niederlande und Belgien in den letzten fünf Jahren mit 8,7 Punkten<br />
(von maximal 12 Punkten!) mit Abstand am stärksten. Bosnien, Kroatien, Mazedonien,<br />
die am ESC beteiligten Staaten des ehemaligen Jugoslawien, verteilten 6,7 Punkte untereinander.<br />
Damit lagen sie gleichauf mit den Ländern der ehemaligen Sowjetunion<br />
(Baltikum und Russland). Auch die skandinavischen Teilnehmer begünstigten sich eindeutig<br />
gegenseitig (6,3 Punkte). Weniger Zusammenhalt gab es zwischen den deutschsprachigen<br />
Ländern. Doch auch hier verteilte man – entgegen landläufiger Meinung –<br />
untereinander überdurchschnittlich viele Punkte (4,8). Keine regionale Solidarität gab es<br />
zwischen Polen, Rumänien, der Slowakei, Slowenien und Ungarn. Das könnte man dadurch<br />
erklären, dass diese Region vom Zuschnitt her, so wie wir ihn vorgenommen haben,<br />
zu groß und sprachlich nicht einheitlich ist – Rumänisch und Ungarisch sind bekanntlich<br />
keine slawischen Sprachen. Bildet man jedoch aus den verbleibenden drei Staaten<br />
eine slawische Region, so wurden dort gerade einmal 0,9 Punkte untereinander und<br />
damit noch weniger als die ursprünglichen 1,0 Punkte vergeben. Offensichtlich gibt es<br />
in den ehemaligen Satellitenstaaten der UdSSR bis zum heutigen Tag trotz räumlicher<br />
Nähe nur ein geringes Zusammengehörigkeitsgefühl. 21<br />
Im Bereich kultureller Nähe spielen sicherlich touristische und geschäftliche Reisen<br />
eine wichtige Rolle, denn das persönliche Kennenlernen anderer Länder und der dort lebenden<br />
Menschen verstärkt zweifelsohne das Interesse für andere europäische Staaten.<br />
Für die bereits erwähnte kleine Stichprobe ausgewählter Nehmerländer haben wir versucht,<br />
Daten zu den Übernachtungen der Einwohner der jeweiligen Geberländer in den<br />
Nehmerländern zu sammeln. Dies ist mit Hilfe verschiedenster Quellen unter Inkaufnahme<br />
zahlreicher fehlender Werte gelungen. Das Ergebnis ist bemerkenswert: Je öfter<br />
20 Das geht so weit, dass im Jahr 2002 ein Schweizer Beitrag in der deutschen Vorentscheidung<br />
mitmachen durfte, weil die Schweiz nicht selbst am Wettbewerb teilnehmen konnte. Ironischerweise<br />
hätte dieser Beitrag beinahe gewonnen.<br />
21 Dieser Befund steht nur auf den ersten Blick im Widerspruch zum obigen Ergebnis, dass ehemalige<br />
Warschauer Pakt-Mitglieder relativ stark zusammen halten (vgl. Tabelle 3). Er verdeutlicht,<br />
dass nicht von einem Zusammenhalt innerhalb des ehemaligen Militärbündnisses die Rede<br />
sein kann, sondern dass vielmehr die Staaten der ehemaligen Sowjetunion – beim ESC in erster<br />
Linie das Baltikum – untereinander solidarisch sind, nicht jedoch die damaligen osteuropäischen<br />
Satellitenstaaten.<br />
288
Abbildung 2: Regionaler Zusammenhalt<br />
Schweiger / Brosius · Eurovision Song Contest<br />
*** p < 0,001; * p < 0,05; Regionen: Benelux: Belgien, Niederlande; Deutschsprachig: Deutschland, Österreich,<br />
Schweiz; ehem. Jugoslawien: Bosnien, Kroatien, Mazedonien; ehem. UdSSR: Estland, Lettland, Litauen, Russland;<br />
englischsprachige Länder: Großbritannien, Irland; romanische Länder: Frankreich, Portugal, Spanien;<br />
Skandinavien: Dänemark, Finnland, Norwegen, Schweden; slawische Länder / ehem. Warschauer Pakt (außerhalb<br />
UdSSR): Polen, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Ungarn; sonstige: Griechenland, Island, Israel, Malta, Türkei,<br />
Zypern.<br />
Abbildung 3: Einwohner des Geberlandes als Besucher im Nehmerland (Übernachtungen/Einwohnerzahl<br />
des Geberlandes und Punkte)<br />
Gruppen mit unterschiedlichen Kennbuchstaben unterscheiden sich signifikant (Duncan’s multiple range test;<br />
p
M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />
lernen anderer Länder und Kulturen die Aufmerksamkeit und wohl auch Sympathie für<br />
eben diese Länder und damit auch für deren Beiträge erhöht. Nicht jedoch fungieren<br />
Touristen als „Sympathie-Botschafter“ ihres Landes im Ausland – das schlägt sich zumindest<br />
nicht bei den ESC-Abstimmungen nieder.<br />
Abschließend wollen wir uns mit Hypothese 3 zum „Next-Door-Giant“-Effekt befassen,<br />
also mit der Interaktion zwischen der räumlichen Nähe zwischen zwei Staaten<br />
und etwaigen Größen- und Status-Unterschieden. Wir vermuteten, dass ESC-Beiträge<br />
von Next-Door-Giants von ihren Nachbarn weniger Punkte bekommen, als ihnen von<br />
ihrem Status her eigentlich zustünden. Da es keine allgemein gültige Definition für einen<br />
„Giant“-Staat gibt, wurden alle Länderpaarungen des Datensatzes in drei empirisch<br />
vergleichbar große Gruppen eingeteilt. Dies wurde durch folgende Rechenvorschrift erreicht:<br />
(a) Land A hat maximal 38 Prozent der Einwohner von Land B, ist also bedeutend<br />
kleiner, (b) Land A hat mehr als doppelt so viele Einwohner wie Land B (mindestens<br />
263 Prozent) und (c) beide Länder sind etwa gleich groß (Land A hat mehr als 38<br />
Prozent und weniger als 263 Prozent der Einwohner von Land B).<br />
Abbildung 4 präsentiert die entsprechend vergebenen Punkte. Hypothesenkonform<br />
spielt unter nicht-benachbarten Ländern das jeweilige Größenverhältnis überhaupt keine<br />
Rolle; sie geben sich gegenseitig zwischen zwei und drei Punkten. Bei Nachbarländern<br />
sieht die Sache anders aus: Während vergleichbar große Nachbarländer untereinander<br />
6,2 Punkte verteilen, erhalten deutlich größere Staaten vom kleineren Nachbarn<br />
genau die Hälfte an Punkten. Letztere erhalten wiederum ebenfalls recht wenig Punkte<br />
(4,4) vom großen Nachbarn. Beide Haupteffekte und die Interaktion sind eindeutig und<br />
bleiben auch bei zusätzlicher statistischer Kontrolle der Startreihenfolge und der Sprache<br />
des Liedes ähnlich hoch.<br />
Abbildung 4: Next-Door-Giant und erhaltene Punkte<br />
Haupteffekte: Verhältnis der Einwohnerzahl F = 10,28, p < 0,001; Nachbarschaft F = 74,87, p < 0,001; Interaktion:<br />
F = 16,27, p < 0,001; Gruppen mit unterschiedlichen Kennbuchstaben unterscheiden sich hochsignifikant<br />
(Duncan’s multiple range test; p < 0,01).<br />
7. Zusammenfassung und Diskussion<br />
Wie bereits in der Einleitung erwähnt, bezieht sich unsere Analyse nicht auf den vermeintlichen<br />
Hauptfaktor zur Erklärung der ESC-Votings, nämlich die künstlerische<br />
Qualität der Beiträge und Interpreten, sondern auf Faktoren, die beim Wettbewerb eigentlich<br />
gar keine Bedeutung haben dürften, nämlich die Eigenschaften und Beziehungen<br />
der teilnehmenden Staaten.<br />
Dabei lassen sich alle drei ursprünglichen Hypothesen bestätigen. Hypothese 1 hatte<br />
vermutet, dass der politische, wirtschaftliche und kulturelle Status eines Landes sei-<br />
290
Schweiger / Brosius · Eurovision Song Contest<br />
nen Erfolg beim ESC determiniert. Für einige der erhobenen Variablen ließ sich ein Zusammenhang<br />
zeigen. Besonders die Beiträge wirtschaftlich starker Länder mit großer<br />
Bevölkerung erhalten von den anderen europäischen Fernsehzuschauern systematisch<br />
mehr Punkte als die Beiträge kleinerer Länder. Das lässt sich in erster Linie durch die<br />
stärkere Aufmerksamkeit erklären, die den Liedern dieser Staaten vermutlich vom Publikum<br />
zuteil wird. Die Beiträge Frankreichs, Großbritanniens oder Deutschlands finden<br />
einfach mehr Interesse als beispielsweise die Rumäniens oder Lettlands. Noch eindeutiger<br />
sind die Ergebnisse zu Hypothese 2, also zur Nähe zwischen Ländern als Erklärvariable<br />
für die Punktvergabe. Hier stellten sich besonders die räumliche Nähe und<br />
eine gemeinsame Sprache als wesentliche Prädikatoren heraus. Beide Faktoren erhöhen<br />
die Aufmerksamkeit: Zuschauer interessieren sich dafür, welchen Beitrag ihr Nachbarland<br />
vorstellt. Wenn sie darüber hinaus dieselbe Sprache sprechen, die (Rundfunk-)<strong>Medien</strong><br />
des Nachbarlandes nutzen und mit der dortigen Kultur- und Musikszene vertraut<br />
sind, erhöht das die Aufmerksamkeit natürlich zusätzlich. Höhere Vertrautheit mit<br />
Lied, Interpret, Kulturszene und Sprache schafft Sympathie und Solidarität mit dem<br />
Beitrag des Nachbarn, was sich offenkundig bei den Votings niederschlägt.<br />
Die Befunde zu den ersten beiden Hypothesen werfen ein interessantes Schlaglicht<br />
auf den methodischen „Kunstgriff“ der Studie, fehlende Daten zur persönlichen Wahrnehmung<br />
anderer Staaten bei den ESC-Zuschauern – nur diese können wirken! – durch<br />
statistische Daten zu ersetzen. Bei einigen Variablen kann man vermuten, dass Zuschauer<br />
ein verzerrtes Bild oder auch schlichtweg überhaupt keine Vorstellung von den<br />
tatsächlichen Verhältnissen haben. Es fällt auf, dass genau bei denjenigen Status- und<br />
Nähe-Faktoren, die als allgemein bekannt vorausgesetzt werden können, die eindeutigsten<br />
Zusammenhänge vorliegen: Die meisten Zuschauer dürften eine Vorstellung davon<br />
haben, ob ein bestimmter europäischer Staat klein, mittelgroß oder groß ist, und entsprechend<br />
seine Einwohnerzahl und sein Wirtschaftsvolumen (BIP) grob einschätzen<br />
können. Das „Bruttoinlandsprodukt pro Kopf“ als Indikator für die dortigen wirtschaftlichen<br />
Verhältnisse oder die Pressefreiheit sind vermutlich weit weniger bekannt;<br />
beide Variablen erklären das ESC-Abstimmungsverhalten nur marginal bzw. nicht.<br />
Über den Kenntnisstand über Bündnismitgliedschaften in den europäischen Bevölkerungen<br />
– auch diese Variablen erweisen sich als überwiegend wirkungslos – wollen wir<br />
an dieser Stelle nicht spekulieren. Noch deutlicher wird der Zusammenhang zwischen<br />
zu vermutendem Kenntnisstand unter den Zuschauern einerseits und der Korrelation<br />
zwischen Nachrichtenfaktoren und Abstimmungsverhalten andererseits bei den Faktoren<br />
der Nähe. Ausgerechnet die geografische Nähe und das Vorhandensein einer<br />
gemeinsamen Sprache, zweifellos die bekanntesten Dimensionen, erklären hier am meisten.<br />
Wir können diese Vermutung an dieser Stelle mit den gegebenen Daten nicht weiter<br />
vertiefen; es wäre interessant, der Frage weiter nachzugehen.<br />
Den Next-Door-Giant-Effekt (Hypothese 3) können wir am deutlichsten bestätigen:<br />
Etwa gleich große Nachbarländer geben sich gegenseitig deutlich mehr Punkte als unterschiedlich<br />
große Nachbarn. Der übermächtig große Nachbar erhält gerade einmal<br />
halb so viele Punkte, doch auch der Zwerg in der Nachbarschaft muss sich mit weniger<br />
Punkten zufrieden geben. Während Journalisten bei der Nachrichtenauswahl nicht um<br />
Meldungen vom Next-Door-Giant herum kommen und entsprechend umfangreich<br />
über ihn berichten, haben die Zuschauer beim ESC die Möglichkeit, den zwar viel beachteten<br />
und wohl bekannten, aber auch argwöhnisch beäugten großen Nachbarn bei<br />
der Punktvergabe links liegen zu lassen. Schneiders (1998: 122) Lamento über die<br />
deutsch-österreichische „Feindschaft“ beim ESC lässt sich also durchaus theoretisch erklären<br />
und – für alle untersuchten Länderkonstellationen – empirisch belegen. Er<br />
291
M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />
schrieb: „Alle anderen helfen sich gegenseitig, nur den Deutschen hilft niemand. Schlimmer<br />
noch: Deutschland gibt Österreich fast nie Punkte, Österreich den Deutschen erst<br />
recht nicht.“ 22<br />
Der Anspruch der vorliegenden Studie geht über die bloße Erklärung der Stimmabgaben<br />
beim ESC hinaus. Was kann die <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong> aus den vorgelegten<br />
Befunden ableiten? Zunächst liefern sie einen weiteren Beleg dafür, dass Nachrichtenfaktoren<br />
nicht nur journalistische Heuristiken bei der Nachrichtenauswahl sind, sondern<br />
auch auf der Publikumsseite eine Rolle spielen. Bislang wurden Nachrichtenfaktoren<br />
nur zur Erklärung der Rezipientenselektivität während der kommunikativen Phase<br />
(Aufmerksamkeit) und danach (Behalten) heran gezogen. Die vorgelegten Befunde unterstreichen<br />
einerseits ihre aufmerksamkeitssteuernde Funktion, andererseits belegen sie<br />
erstmals auch ihre Entscheidungs- und Handlungsrelevanz beim Publikum. Das mag bei<br />
einer unterhaltenden Veranstaltung wie dem ESC eher unwichtig erscheinen. Überträgt<br />
man die Befunde jedoch beispielsweise auf den Bereich der internationalen politischen<br />
Kommunikation, dann lassen sich dadurch relevante Implikationen herstellen.<br />
Aufmerksamkeit, Vorwissen und Sympathien zwischen den Publika und damit Öffentlichkeiten<br />
verschiedener Länder als Bestandteile heuristischer Informationsverarbeitung<br />
spielen in internationalen Beziehungen sicherlich eine Rolle, werden gegenwärtig<br />
jedoch oft genug in <strong>wissenschaft</strong>lichen Analysen ignoriert, weil sie dem Ideal rationaler<br />
Entscheidungsfindung widersprechen. Damit wird man der Sache jedoch kaum<br />
gerecht. Bedenkt man ferner, dass sich auch Journalisten, Politiker und andere öffentlichkeitsrelevante<br />
Akteure durchaus von solchen stereotypen Wahrnehmungs- und Entscheidungsheuristiken<br />
gegenüber anderen Staaten beeinflussen lassen, drängt sich eine<br />
eingehendere Beschäftigung mit solchen „weichen“ Faktoren internationaler Beziehungen<br />
auf. Während etwa Ausländerfeindlichkeit im Inland seit Jahren ein Thema der <strong>Medien</strong>inhalts-<br />
und Wirkungsforschung ist (vgl. z. B. Brosius & Esser 1995 oder Esser et<br />
al. 2002), macht nicht nur die Nachrichtenwertforschung einen Bogen um nationale Stereotypen<br />
als Erklärfaktor für die Nachrichtenauswahl. Vielleicht trägt die vorgelegte<br />
Studie, die sich ja mit dem Eurovision Song Contest auf einem harmlosen, eher spielerischen<br />
Terrain bewegt, zu einer größeren Gelassenheit und verstärkten Aktivität in diesem<br />
Forschungsgebiet bei.<br />
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Brosius, Hans-Bernd & Esser, Frank (1995): Eskalation durch Berichterstattung? Massenmedien<br />
und fremdenfeindliche Gewalt. Opladen: Westdeutscher Verlag.<br />
22 Es sei allerdings angemerkt, dass diese Wahrnehmung des deutsch-österreichischen „Konflikts“<br />
zumindest in den letzten Jahren nicht mehr stimmt: Österreich gab den deutschen Beiträgen in<br />
den vergangenen fünf Jahren in drei Wettbewerben durchschnittlich 7,7 Punkte – umgekehrt<br />
waren es nur 2,3.<br />
292
Schweiger / Brosius · Eurovision Song Contest<br />
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Einzeluntersuchungen in der Rezeptionsforschung,<br />
vor allem bei der Heterogenität ihrer<br />
Ansätze, kann man das Unterfangen, eine Einführung<br />
in die Rezeptionsforschung zu verfassen,<br />
schlicht waghalsig nennen. Andy Ruddock<br />
hat sich der Herausforderung trotzdem gestellt.<br />
Herausgekommen ist eine übersichtliche und<br />
ausgesprochen gut geschriebene Monographie,<br />
die in sechs umfassenden Kapiteln Theorie und<br />
Methode der Publikums-, Wirkungs- resp. Rezeptionsforschung<br />
von ihren Ursprüngen an<br />
bis heute skizziert.<br />
Ruddock geht im Wesentlichen chronologisch<br />
vor. Nachdem Kapitel 1 sich um einen<br />
methodologischen Rahmen bemüht, behandelt<br />
das zweite Kapitel die Tradition der Wirkungsforschung,<br />
Kapitel 3 die Meinungsforschung,<br />
das vierte die Kultivierungsthese. Das fünfte<br />
(und längste Kapitel) behandelt die schon klassischen<br />
Rezeptionsforschungen der Cultural<br />
Studies, gefolgt von einem ebenfalls umfassenden<br />
sechsten Kapitel, das „Audiences, Media<br />
and Consumption“ behandelt und neuere Entwicklungen<br />
in den Cultural Studies diskutiert.<br />
Jedes Kapitel wird mit „exercises“ abgeschlossen,<br />
in denen Übungsfragen gestellt werden.<br />
Der Schwerpunkt der Darstellung liegt mit den<br />
beiden letzten Kapiteln klar auf den Cultural<br />
Studies, was Ruddock seinen Lesern schon im<br />
ersten Satz klar macht: „This is a book about<br />
audiences and how to study them – from a<br />
cultural studies perspective.“ (S. 1)<br />
Eine Darstellung der Publikumsforschung<br />
von Berelsons „What missing the newspaper<br />
means“ bis heute: Dies geht auf insgesamt<br />
knapp 200 Seiten natürlich nicht ohne inhaltliche<br />
Verluste und konzeptionelle Einbußen.<br />
Ruddock hat ja dankenswerterweise keine enzyklopädische<br />
Abhandlung geschrieben, in der<br />
er uns seine Kenntnis der „audience research“<br />
allumfassend bis hin zum letzten bibliographischen<br />
Nachweis ausbreitet. Das Buch kommt<br />
ohne eine einzige Fußnote aus und ist deswe-<br />
LITERATUR<br />
gen, und weil es viel mit Beispielen arbeitet,<br />
mehr als nur gut lesbar. Daher kann man Ruddock<br />
kaum vorrechnen, wen er alles nicht zitiert<br />
oder berücksichtigt hat. Mit wörtlichen<br />
Zitaten geht Ruddock ohnehin sparsam um,<br />
der Stil ist eher essayistisch. Im Großen und<br />
Ganzen ist Ruddock eine ansprechende und<br />
übersichtliche Darstellung gelungen. Dennoch<br />
ist seine notwendig selektive Darstellung in<br />
manchen Punkten sehr selektiv, etwa wenn im<br />
Kapitel zu den Cultural Studies ausgerechnet<br />
Marie Gillespies beeindruckende Untersuchung<br />
„Television, Ethnicity and Cultural<br />
Change“ fehlt. Zu kurz geraten nach meiner<br />
Wahrnehmung vor allem aber jene interpretativen<br />
Ansätze der Rezeptionsforschung, die<br />
selbst nicht den Cultural Studies zuzurechnen<br />
sind. Sie werden teils schlicht den Cultural Studies<br />
zugeschlagen (zum Beispiel die Arbeiten<br />
von James Lull), auch wenn sie da nicht wirklich<br />
hingehören, oder gar nicht erst erwähnt,<br />
etwa die einflussreichen ethnographischen Untersuchungen<br />
von Thomas Lindlof. Oder sie<br />
werden anderweitig eingelagert, etwa der Usesand-Gratifications-Approach,<br />
der auf zwei Seiten<br />
zusammengestaucht wird und, man staunt<br />
nicht schlecht, den Wirkungsstudien (Kapitel<br />
2) zugeordnet wird. In diesem Zusammenhang<br />
ist dann auch nicht ganz verständlich, warum<br />
ausgerechnet Gerbners Kultivierungsthese im<br />
Gegenzug ein eigenständiges Kapitel erhält,<br />
und dies, obwohl er explizit (S. 103) dem Wirkungsansatz<br />
(also Kapitel 2) zuzuordnen ist.<br />
Hier sind – bei aller Eloquenz in Darstellung<br />
und Duktus – im Aufbau des Buches handfeste<br />
Fehler unterlaufen, was für einen Text, der einführenden<br />
Charakter beansprucht und mit<br />
Übungen vorgeht, nicht unbedenklich ist.<br />
Generell geraten bei der Darstellung des<br />
Kultivierungsansatzes die Dinge etwas aus den<br />
Angeln. Während sonst in jedem Kapitel souverän<br />
zunächst der Ansatz in seinem Selbstanspruch<br />
und seinem Hintergrund dargestellt<br />
wird, anschließend exemplarisch methodische<br />
und inhaltliche Kritiken sachlich angeführt<br />
werden, um schließlich den jeweiligen Ansatz<br />
wiederum zu rehabilitieren, werden in Kapitel<br />
4 die Kritiken eher pauschal angeführt und<br />
schließlich als „misplaced“ (S. 110) beschrieben.<br />
Den Kultivierungsansatz als kompatibel<br />
mit Kritischer Theorie und verwandt mit den<br />
Cultural Studies zu bezeichnen (S. 107, 109 u.<br />
114), ehrt zwar Ruddocks Ansinnen, mehr Verbindendes<br />
als Trennendes zwischen dem alten<br />
295
M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />
und dem neuen Paradigma zu finden, ist aber<br />
schon ein wenig überzogen. Warum ausgerechnet<br />
der in der Scientific Community so heftig<br />
umstrittene Kultivierungsansatz solch eine<br />
Adelung erfährt, erschließt sich nicht weiter.<br />
Denn (fast) alle anderen Kapitel sind ausgesprochen<br />
souverän in der Darstellung, ja elegant<br />
im Stil, und präsentieren die jeweiligen<br />
Ansätze auch <strong>wissenschaft</strong>shistorisch als Antworten<br />
auf die historischen Umstände und<br />
drängenden Fragen der Zeit. Glanzvoll in diesem<br />
Punkt ist zum Beispiel Kapitel 2 über die<br />
Wirkungsforschung, deren Entstehung in den<br />
frühen 40er Jahren Ruddock als Zwangsaushebung<br />
beschreibt: „This marriage of scholarship<br />
and nationalism did not end on VJ day [Victory<br />
over Japan; RA]. (…) And so, a decade after<br />
conscription into the war effort, the emerging<br />
discipline of mass communication has yet to be<br />
demobbed.“ (S. 48)<br />
Das Buch hat eine entscheidende inhaltliche<br />
Schwäche. Der im Untertitel angekündigte Tenor<br />
des Buches und im ersten Kapitel mittels<br />
der Überschrift „Questions of Theory and Method“<br />
gespannte Rahmen wird nicht ausgefüllt.<br />
Zwar werden in den vorderen Kapiteln – und<br />
dies macht das Buch so anschaulich – jeweils<br />
einzelne empirische Untersuchungen exemplarisch<br />
genauer diskutiert und in ihrer Methode<br />
kritisch erläutert. Auf den Seiten 48-61, im Kapitel<br />
zur Wirkungsforschung, werden die Logik<br />
des quantitativen Procederes ausführlich<br />
erläutert, Probleme des Sampling beschrieben<br />
und speziell die in der Wirkungsforschung üblichen<br />
Experimente und Surveys als Einzelmethoden<br />
diskutiert. In Kapitel 5, das die Cultural<br />
Studies behandelt, wird auf den Seiten 128–141<br />
als Gegenstück analog die qualitative Forschungsstrategie<br />
erläutert. Wenn man sich nur<br />
ein wenig in qualitativen Methoden auskennt,<br />
kann man diese Darstellung allenfalls als bescheiden<br />
bezeichnen, insbesondere wegen der<br />
Gleichsetzung von ethnographischen Methoden<br />
mit qualitativen Untersuchungen jeglicher<br />
methodischer Provenienz. In der entsprechenden<br />
Passage bei Ruddock werden insbesondere<br />
Interviews, Gruppendiskussionen und sogar<br />
schriftliche Befragungen mit ethnographischen<br />
Verfahren in eins gesetzt. In den Cultural Studies<br />
ist das üblich, und man kann sich mit diesem<br />
Sprachspiel notgedrungen abfinden, auch<br />
wenn man es für eine entbehrliche Verwässerung<br />
des Begriffs Ethnographie in der Tradition<br />
Malinowskis halten mag, der eine ganz ein-<br />
296<br />
deutige Ansicht vertrat über die „armchair ethnography“<br />
seiner Zeit, zu der die Ethnologen,<br />
am Ende noch mit einem Whiskyglas bewaffnet,<br />
die „natives“ zum Interview auf die Veranda<br />
der Kolonialverwaltungen bestellten. Aber<br />
Ruddock bezeichnet ausgerechnet das Datenmaterial,<br />
das in Interviews und Gruppendiskussionen<br />
entsteht, als „naturally occurring<br />
data“ (S. 134). „Naturally occurring“, das<br />
klingt irgendwie nach Beobachtung von Rotwild<br />
in freier Wildbahn und als sei das Interview<br />
schon irgendwo dort draußen. Aber noch<br />
kein Interview ist bislang von selbst entstanden.<br />
Im Gegenteil ist es eine ausgesprochen artifizielle<br />
soziale Situation, die es ohne den Interviewer<br />
und seinen Leitfaden erst gar nicht<br />
gäbe, und es ist vor allem alles andere als eine<br />
„everyday practice“, auf deren Analyse die<br />
Cultural Studies, zumindest theoretisch, sonst<br />
so großen Wert legen. Es ist mehr mit der Methode<br />
des Survey verwandt als mit irgendeiner<br />
anderen qualitativen Methode. Die von Morley<br />
in „The Nationwide Audience“ eingesetzten<br />
Gruppendiskussionen haben zu Teilen selbst<br />
experimentelle Züge. Aber Ruddock gerät angesichts<br />
dieser Methoden und ihrer Daten fast<br />
ins Schwärmen ob ihrer Authentizität: „Such<br />
situations represent the closest thing that audience<br />
research can get to natural viewing situations.“<br />
(S. 136) – als gäbe es keine Untersuchungen,<br />
die mit Aufzeichnungen und/oder (teilnehmender)<br />
Beobachtung von natürlichen Rezeptionssituationen,<br />
i.e. nicht vom Forscher<br />
evozierten Daten, arbeiten. Sie stammen, Ironie<br />
der Geschichte, neben den explizit ethnographischen<br />
Arbeiten von Lindlof und Lull, mit<br />
den Studien z. B. von Gillespie und Jenkins<br />
auch aus den Cultural Studies. In diesem Punkt<br />
gibt das Buch echte Rätsel auf, weil es sowohl<br />
die qualitativen Methoden wie auch die empirischen<br />
Untersuchungen aus den Cultural Studies<br />
unter Wert präsentiert. Ansonsten ist die<br />
Lektüre ein Genuss, vor allem auch, weil Ruddock<br />
die mitunter in den Cultural Studies üblichen<br />
binären Polarisierungen (the power block,<br />
the people) meidet und sehr differenziert argumentiert.<br />
Ruth Ayaß
Irina O. Rajewsky<br />
Intermedialität<br />
Tübingen: Francke, 2002. – 216 S.<br />
ISBN 3-7720-2976-0<br />
Das Theater kopiert Fernsehformate oder arbeitet<br />
mit der Großaufnahme, die Literatur<br />
transponiert die Struktur von Videoclips, der<br />
Film adaptiert literarische Narrationsmodi, die<br />
selbst wiederum durch Bildformen des Kinos<br />
angeregt sind. Die Vielfalt intermedialer Phänomene<br />
ist ebenso eindrucksvoll wie die begriffliche<br />
(Des-)Orientierung: Multi- und Polymedialität,<br />
Trans- und Metamedialität – das<br />
sind längst nicht alle gängigen Begriffe. Ursache<br />
für die terminologische Verwirrung, so die<br />
These der Autorin, ist das Fehlen einer medienübergreifenden<br />
allgemeinen Theorie und<br />
Systematik der Intermedialität; statt eines eigenen<br />
Forschungsfeldes gibt es diverse Untersuchungen<br />
zu intermedialen Phänomenen, deren<br />
Fachtermini jeweils von der Spezifik der involvierten<br />
<strong>Medien</strong> geprägt sind. Dem will die Studie<br />
begegnen, indem sie im doppelten Sinn einführt:<br />
Mit dem Einblick in die Forschungsgeschichte<br />
wird der Leser zugleich zu methodischen<br />
und terminologischen Differenzierungen<br />
geführt, die, sukzessive aufgebaut und jeweils<br />
in einem Schema festgehalten, am Ende ein begriffliches<br />
Gerüst zur „Intermedialität“ ergeben.<br />
Über weite Strecken kann man diesem<br />
Gerüst folgen, das allerdings in seiner literaturzentrierten<br />
Systematik schließlich erneut die<br />
fachspezifische Problematik jeder Intermedialitätsforschung<br />
deutlich werden lässt.<br />
Gleichwohl ist die Studie als Einführung in<br />
den Gegenstandsbereich bestens geeignet, hat<br />
das beschriebene Verfahren, das den historischen<br />
Überblick verbindet mit einer begrifflichen<br />
Systematisierung, doch den Vorteil, dass<br />
Begriffe nicht willkürlich definitorisch verabreicht<br />
werden, sondern sich begründen in<br />
ihrem Anknüpfen an die bisherige Forschung.<br />
Terminologische Entscheidungen bleiben auf<br />
diese Weise transparent, selbst wenn man sie<br />
nicht übernehmen möchte.<br />
Um das Forschungsfeld Intermedialität insgesamt<br />
von genetischer Einflussforschung, von<br />
Quellenkunde und Stoffgeschichte abzugrenzen,<br />
plädiert Rajewsky zunächst für einen weiten<br />
Begriff der Intermedialität, der alle Phänomene<br />
betrifft, die <strong>Medien</strong>grenzen überschreiten<br />
und zwischen (inter) distinkten <strong>Medien</strong><br />
angesiedelt sind, während Intramedialität<br />
Literatur · Besprechungen<br />
Relationen innerhalb desselben Mediums<br />
meint und Transmedialität den Rekurs auf Motive<br />
oder Genres, die nicht (mehr) an eine mediale<br />
Präsentationsform gebunden sind.<br />
Dieser weite Begriff von Intermedialität<br />
wird im Folgenden eingegrenzt. Auf dem<br />
Hintergrund der maßgeblichen Forschungsstränge,<br />
der traditionellen komparatistischen<br />
Erforschung der „Wechselwirkungen der<br />
Künste“einerseits, der Film- und <strong>Medien</strong><strong>wissenschaft</strong><br />
andererseits, die seit den 70er Jahren<br />
das Verhältnis von Literatur und Film untersucht<br />
haben, unternimmt Rajewsky eine markante<br />
Grenzziehung, indem sie drei Bereiche<br />
des Intermedialen unterscheidet, die üblicherweise<br />
vermischt werden: <strong>Medien</strong>kombination,<br />
<strong>Medien</strong>wechsel und intermediale Bezüge.<br />
Die Begründung: Das Intermediale habe hier<br />
jeweils unterschiedliche Qualitäten, was entsprechend<br />
verschiedene Forschungsinteressen<br />
bedinge.<br />
Bei der <strong>Medien</strong>kombination betrifft das Intermediale<br />
das Produkt, zwei- oder mehrere<br />
mediale Systeme treten in Kombination – wie<br />
z. Β. bei den per se plurimedialen Künsten Film<br />
und Oper –; aber es findet kein Bezug eines <strong>Medien</strong>produkts<br />
auf ein anderes statt. Das Forschungsinteresse<br />
richtet sich auf die Auswirkungen<br />
und ästhetischen Effekte des Zusammenspiels<br />
unterschiedlicher medialer Systeme.<br />
Beim <strong>Medien</strong>wechsel – dazu gehören Literaturverfilmungen,<br />
Literaturopern, Adaptionen,<br />
Inszenierungen dramatischer Texte – betrifft<br />
das Intermediale den Produktionsprozess: die<br />
Transformation eines medienspezifischen Produkts<br />
in ein anderes. Die Erforschung gilt hier<br />
den Veränderungen, die sich infolge des Transfers<br />
in ein anderes semiotisches System ergeben.<br />
Der dritte Bereich der intermedialen Bezüge<br />
– zumeist mit Intermedialität gleichgesetzt<br />
(oder als Intermedialität im engeren Sinn<br />
bezeichnet) – betrifft den Bezug z. B. eines literarischen<br />
Textes, Filmes oder Gemäldes auf<br />
ein anderes Medium bzw. auf ein anderes semiotisches<br />
System. Das Intermediale berührt<br />
hier das Verfahren der Bedeutungskonstitution,<br />
die Art und Weise, wie ein mediales Produkt<br />
mit den eigenen Mitteln jeweils Elemente,<br />
Strukturen und Verfahren eines anderen Mediums<br />
thematisiert. Auf diesen Bereich „intermedialer<br />
Bezüge“ konzentrieren sich die weiteren<br />
Ausführungen, in denen die Autorin aus einer<br />
– wie sie sagt – „literaturzentrierten Perspektive“<br />
den literarischen Rekurs auf audiovisuelle<br />
297
M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />
<strong>Medien</strong>, das Fernsehen und den Film begrifflich<br />
zu differenzieren versucht.<br />
Diese Unterteilung intermedialer Forschungsfelder<br />
erscheint erst einmal klärend, ermöglicht<br />
sie doch eine Präzisierung der jeweiligen<br />
Erkenntnisinteressen. Im Verlauf der Ausführungen<br />
wird jedoch deutlich, dass sich die<br />
Eingrenzungen motivieren durch die Konzentration<br />
auf den literatur<strong>wissenschaft</strong>lichen Gegenstand.<br />
Sie ermöglicht der Autorin allerdings,<br />
die Probleme literatur<strong>wissenschaft</strong>licher<br />
Intermedialitätsforschung sehr nachdrücklich<br />
zu stellen.<br />
Aus den spezifischen Konditionen des Mediums<br />
–Literatur ist „monomedial“und verbalsprachlich<br />
– folgt, dass der Bezug auf ein anderes<br />
Medium immer nur „simuliert“, „thematisiert“,<br />
„imitiert“ oder „evoziert“ werden kann.<br />
Da es keine Kopräsenz unterschiedlicher <strong>Medien</strong><br />
gibt, hat die Bezugnahme hier immer Als-<br />
Ob-Charakter (H. B. Heller). Dieser Als-Ob-<br />
Charakter wird jedoch, so die Verfasserin,<br />
durch Beschreibungen geleugnet, die in einer<br />
Anleihe an die Fachterminologie des Films –<br />
mit Begriffen wie „montieren“, „zoomen“,<br />
„schneiden“ etc. – eine materielle Präsenz des<br />
anderen Mediums suggerieren und damit die<br />
theoretischen Schwierigkeiten, eine Bezugnahme<br />
auf audiovisuelle <strong>Medien</strong> im Medium der<br />
Sprache sowohl nachzuweisen wie zu beschreiben,<br />
verstellen.<br />
Diesem Problem, der eigentlichen Unmöglichkeit,<br />
dass ein Text mit seinen eigenen Mitteln<br />
medienspezifische Komponenten eines<br />
fremdmedialen Bezugssystems nicht reproduzieren<br />
kann, geht Rajewsky ausführlich nach.<br />
Sie begegnet ihm durch den Entwurf eines begrifflichen<br />
Konzepts, das anschließt an die Diskussion<br />
der 90er Jahre, als man begann, die Intermedialität<br />
aus dem Bereich der Intertextualität<br />
abzuleiten (v. a. W. Wolf). Aufgenommen<br />
aus der Intertextualitätsforschung werden die<br />
Unterscheidung von Einzelreferenz und Systemreferenz<br />
(K. W. Hempfer) sowie die Kategorien<br />
„Systemerwähnung“ und „Systemaktualisierung“<br />
(F. Penzenstadler), die von der<br />
Verfasserin für die Analyse intermedialer Bezüge<br />
adaptiert werden. In der Analyse von Texten<br />
der italienischen und englischen Literatur<br />
der 90er Jahre wird das verfeinerte terminologische<br />
Instrumentarium eingesetzt und erprobt.<br />
Hier allerdings verschiebt sich die Relation<br />
von begrifflicher Differenzierung und<br />
Erkenntnisgewinn, insofern sich die Katego-<br />
298<br />
rienbildung tendenziell gegenüber dem literarischen<br />
Gegenstand verselbstständigt. Nur im<br />
Ausblick geht es um die Erörterung der ästhetischen<br />
Potenziale, der Frage, wie intermediale<br />
Bezüge die Möglichkeiten literarischen Erzählens<br />
modifizieren, erweitern und transformieren.<br />
Ob die entwickelten Kategorien übertragbar<br />
sind, wenn es nicht allein um intermediale Bezüge<br />
im Verhältnis Literatur/Film geht, erscheint<br />
aus zwei Gründen fraglich: Die fokussierten<br />
Probleme betreffen v. a. das „monomediale“<br />
Medium Literatur; dass auch die „multioder<br />
plurimedialen“ <strong>Medien</strong> gleichzeitig intermediale<br />
Bezüge herstellen, wird kursorisch<br />
thematisiert, jedoch anhand von formal wenig<br />
komplexen Beispielen. Auffällig ist in diesem<br />
Zusammenhang, dass eine Kunstform, die als<br />
„<strong>Medien</strong>kombination“ eine sehr lange Tradition<br />
hat, kaum Erwähnung findet; als „plurimediale“<br />
Formen werden immer wieder Oper,<br />
Film und Klangkunst genannt – nicht aber das<br />
Theater. Beiläufig wird es am Ende – in eher<br />
sonderbarer Terminologie – angesprochen als<br />
„Bühnendrama“. Zum anderen ist die Beschreibung<br />
des „kontaktgebenden“ Mediums –<br />
hier des Films – oft unspezifisch und filmtheoretisch<br />
unausgewiesen; die Frage der notwendigen<br />
fach<strong>wissenschaft</strong>lichen Kompetenz – hier<br />
der film<strong>wissenschaft</strong>lichen – bei der Erforschung<br />
intermedialer Bezüge wird an keiner<br />
Stelle erörtert.<br />
Gleichwohl: Das Buch ermöglicht, erleichtert<br />
durch ein Glossar und eine immer transparente<br />
Argumentation, eine Einführung und<br />
systematisch Orientierung im weiten Feld der<br />
Intermedialität, indem es vor allem die methodischen<br />
und theoretischen Probleme der bisherigen<br />
Forschung verdeutlicht.<br />
Theresia Birkenhauer
Michael Haller (Hrsg.)<br />
Die Kultur der <strong>Medien</strong><br />
Untersuchungen zum Rollen- und Funktionswandel<br />
des Kulturjournalismus in der<br />
<strong>Medien</strong>gesellschaft<br />
Münster: LIT Verl., 2002. – 234 S.<br />
(Reihe <strong>Medien</strong>: Forschung und<br />
Wissenschaft; 1)<br />
ISBN 3-8258-5907-X<br />
Nicht nur in der Politik, sondern auch im <strong>Medien</strong>bereich<br />
scheint zu gelten: In Zeiten wachsender<br />
Bedeutung der Wirtschaft gerät die Kultur<br />
in die Krise. In einer Zeit der steigenden<br />
Konzentrationsbildung von <strong>Medien</strong>unternehmen<br />
verändert sich auch die etablierte Zielrichtung<br />
des Kulturjournalismus weg von der Einflussnahme<br />
auf Kulturschaffende hin zur<br />
Orientierung an Leserinteressen.<br />
In seiner Einleitung zum <strong>Medien</strong>wandel im<br />
Kulturprozess beschreibt Michael Haller die<br />
historische Entwicklung des Feuilletons als<br />
Grundlage zeitbezogener Zielsetzungen. Seine<br />
Festschrift für Siegfried Schmidt wählt zwei<br />
unterschiedliche Perspektiven: „Die eine ist auf<br />
das <strong>Medien</strong>system gerichtet und thematisiert<br />
die mediale Kommunikation als Kultur. Die<br />
andere gilt dem Journalismus, der Kultur als<br />
Gegenstandsbereich aufgreift, über Ereignisse<br />
berichtet, Kulturgeschehen beschreibt und darüber<br />
räsoniert.“ (11) Beide Perspektiven werden<br />
aus dem Blickwinkel von Praktikern und<br />
Wissenschaftlern behandelt. Dieser Dialog<br />
führt zu vielfältigen Blickwinkeln auf unterschiedliche<br />
Aspekte des Themas Kultur. An einigen<br />
Stellen leidet allerdings etwas die editorische<br />
Sorgfalt. So finden sich in der Bibliographie<br />
einige Doppelnennungen unmittelbar<br />
nacheinander und auch der Siegener <strong>Medien</strong><strong>wissenschaft</strong>ler<br />
Helmut Kreuzer wird nicht mit<br />
tz geschrieben.<br />
Die Beiträge des Bandes gliedern sich in die<br />
Teilbereiche: 1. <strong>Medien</strong>produktion: Das Thema<br />
Kultur, 2. Kulturproduktion: Die <strong>Medien</strong><br />
als Kultur, Wandel der Wahrnehmungskulturen<br />
und 3. Transformationen: Perspektiven der<br />
<strong>Medien</strong><strong>wissenschaft</strong>en.<br />
Der Fernsehredakteur Manfred Eichel<br />
(ZDF) beschreibt im ersten Teilbereich Veränderungen<br />
des Kulturbegriffs im Bereich von<br />
Magazinsendungen des Fernsehens, die den<br />
Anspruch erheben, „einen relevanten Kulturbegriff<br />
vor Augen zu haben und ihn in allen sei-<br />
Literatur · Besprechungen<br />
nen Facetten zu bespielen.“ (21) Nach einer<br />
Phase der politisch motivierten Ausweitung<br />
des Kulturbegriffs in den siebziger Jahren diagnostiziert<br />
Eichel eine stärkere Unterhaltungsorientierung<br />
unter dem wachsenden Quotendruck<br />
der achtziger Jahre. Das aktuelle Erscheinungsbild<br />
von Kultur im Fernsehen ist<br />
von einer Mischung beider Entwicklungen geprägt.<br />
Kulturmagazine, so Eichel, „sind trotz<br />
aller programmatischen Unterhaltsamkeit wieder<br />
kulturiger geworden und sie sind von Fall<br />
zu Fall politisch geblieben.“ (25)<br />
Für den Bereich der Printmedien beschreibt<br />
Zeit-Ressortleiter Jens Jessen die fortschreitende<br />
Politisierung des Feuilletons an aktuellen<br />
Beispielen, etwa der FAZ. Das politisierende<br />
Feuilleton verdanke sich „keinem genuinen Interesse<br />
an der Politik, sondern einem Deutungsinteresse,<br />
dem zwangsläufig auch politische<br />
Themen vor die Flinte kamen.“ (31) Jessen<br />
versteht das Feuilleton als theoretischen Überbau<br />
aller Ressorts. Dennoch sei das Feuilleton<br />
„ein Ressort mit sinkender Akzeptanz (bei Lesern<br />
und Verlegern) und höchst unsicheren Zukunftsaussichten.“<br />
(29) Die Politisierung des<br />
Feuilletons versteht Jessen auch als Teil der<br />
Überlebensstrategie des Ressorts. Ein politisches<br />
Feuilleton könne mehr Spektakel machen<br />
als eine noch so glänzende Theaterkritik. (34)<br />
Hier scheint sich eine resignative Grundhaltung<br />
ihre Konzepte des Rückzugs aus einem in<br />
der Konkurrenz der Printmedien wenig gefragten<br />
Themenkomplex zu suchen.<br />
Die Beiträge von Lothar Mikos und Rüdiger<br />
Steinmetz fallen durch ihre Ansätze in unterschiedliche<br />
Richtungen aus dem Rahmen der<br />
Gesamtkonzeption des Bandes. Mikos zeigt<br />
medientheoretisch eher abstrakt die gesellschaftliche<br />
Funktion des Fernsehens als kulturelles<br />
Forum und seine Bedeutung im Alltag<br />
der Menschen. Steinmetz wählt die umgekehrte<br />
Argumentationslinie vom Besonderen hin<br />
zum Allgemeinen und zeigt am Beispiel von<br />
„Big Brother“ den Wandel vom Fernsehen als<br />
Kulturgut zum Fernsehen als Wirtschaftsgut.<br />
Seiner Analyse des Formats, die weitgehend<br />
ohne Verweise zu anderen Untersuchungen<br />
bleibt, folgt eine Kette von Thesen, die man lieber<br />
im eigentlichen Text gelesen hätte.<br />
Im Abschnitt zu den Wahrnehmungskulturen<br />
befasst sich Elisabeth Fiedler mit dem Einfluss<br />
des journalistischen Sprachgebrauchs auf<br />
die Ausprägung eines kulturellen Sprachverhaltens.<br />
Merkwürdig mutet hier ihre konserva-<br />
299
M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />
tive Kritik an der Verwendung von Anglizismen<br />
an, zumal die von ihr konstatierte Bedeutungsgleichheit<br />
von trashig und kitschig leider<br />
nicht ganz zutrifft. Schön hingegen ihre Wortschöpfung<br />
eines „Potcom-Startup“ (118) anstelle<br />
der Dotcom-Unternehmen.<br />
Thomas Knieper verweist auf das Paradox,<br />
dass die westliche <strong>Medien</strong>kultur visuell orientiert<br />
ist, gleichzeitig aber eine kulturhistorische<br />
Tradition der Bildkritik besteht. Er stellt verschiedene<br />
Fragestellungen und Forschungsansätze<br />
der visuellen Kommunikation vor.<br />
Während Knieper das Fernsehen ins Zentrum<br />
seines Beitrags stellt, befasst sich Hans-Jürgen<br />
Bucher außer mit der Entwicklung von Visualisierung<br />
in den Printmedien auch mit Möglichkeiten<br />
und Problemen der Bildgestaltung. Er<br />
zeigt aber Gewinn bringend auf, wie Grundzüge<br />
des Zeitungsdesigns auch das aktuelle Webdesign<br />
beeinflussen. Jochen Schlevoigt zeigt,<br />
leider an anderer Stelle das Bandes, obwohl beide<br />
Beiträge sich gut ergänzen, anhand eines<br />
materialreichen historischen Überblicks die<br />
Bedeutung der Kulturtechnik Design für die<br />
Zeitungen.<br />
Der Schlussteil von Sammelbänden ist – wie<br />
so häufig – dem Ausblick auf künftige Entwicklungen<br />
des Journalismus‘ und seiner <strong>wissenschaft</strong>lichen<br />
Erforschung vorbehalten. Margret<br />
Lünenborg widmet sich Veränderungen<br />
auf der Angebotsebene. Sie befasst sich mit der<br />
bislang wenig beachteten Orientierungsfunktion<br />
fiktionaler Vermittlungselemente im Journalismus.<br />
Es zeigt sich, dass die klassische<br />
Dichotomie von Fakten und Fiktionen in der<br />
<strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong> differenzierteren<br />
Kategoriebildungen weichen sollte. Mit<br />
diesem Zugriff verändert sich auch die Auffassung<br />
von der Aufgabenstellung des Journalismus.<br />
Margret Lünenborg sieht neben der Informationsvermittlung<br />
auch die Aufgabe „der<br />
Herstellung eines gemeinsamen kulturellen<br />
Selbstverständnisses innerhalb der Gesellschaft.“<br />
(177) Christoph Neuberger konstatiert<br />
einen von den neuen <strong>Medien</strong> ausgehenden<br />
grundlegenden Wandel der journalistischen<br />
Berufskultur. Im Internet drohe der Journalismus<br />
als kulturelle Form zu verschwinden, „da<br />
er mit vielen neuen Kommunikatoren konkurriert.“<br />
(200)<br />
Michael Haller wählt in seinem Schlussbeitrag<br />
einen umfassenden Ausblick auf die Probleme<br />
der <strong>Medien</strong>kommunikation in einer globalisierten<br />
Universalkultur. Was so global und<br />
300<br />
allgemein beginnt, endet jedoch in erfahrbarer<br />
Nähe: „Wenn westliche Kulturexpansion nicht<br />
zur Weltgesellschaft, eher zu sich verschärfenden<br />
Konflikten führt, dann liegt der Funktionszweck<br />
interkultureller <strong>Medien</strong>kommunikation<br />
eher in der Regionalisierung globaler<br />
Wertkonflikte“. William Faulkner hat es kürzer<br />
formuliert: „The local is the universe.“<br />
Joan Kristin Bleicher<br />
Siegbert Messmer<br />
Digitales Fernsehen in Deutschland<br />
Eine industrieökonomische Analyse des<br />
wirtschaftspolitischen Handlungsbedarfs<br />
Frankfurt am Main u.a.: Peter Lang 2002. –<br />
352 S.<br />
ISBN 3-631-38888-8<br />
Siegbert Messmer untersucht in seiner Dissertation,<br />
inwieweit die Digitalisierung des Fernsehens<br />
durch die Vervielfachung der Übertragungskapazitäten<br />
zu einer Wettbewerbsintensivierung<br />
im deutschen Fernsehen führen wird.<br />
Auf Grundlage des industrieökonomischen<br />
Analyserahmens untersucht er die verschiedenen<br />
Wertschöpfungsstufen des digitalen Fernsehens<br />
in Deutschland hinsichtlich möglicher<br />
Marktunvollkommenheiten und leitet wirtschaftspolitische<br />
Maßnahmen ab.<br />
Nach einer Einführung erläutert der Autor<br />
im zweiten Kapitel die technischen Rahmenbedingungen<br />
des digitalen Fernsehens, insbesondere<br />
die Übertragungstechnik und Nutzungsmöglichkeiten<br />
der verschiedenen Übertragungswege.<br />
Dies geschieht sehr ausführlich<br />
und liefert eine hilfreiche Grundlage für die<br />
weitere Analyse. Der Leser erfährt viele technische<br />
Details, die auch für die ökonomische Beurteilung<br />
von Bedeutung sind. Messmer greift<br />
Begriffsbestimmungen anderer Autoren für digitales<br />
Fernsehen auf und kommt zu einer wenig<br />
überraschenden, aber zweckmäßigen Definition,<br />
indem er digitales Fernsehen definiert<br />
als „Angebote … die in Form digitaler Daten<br />
… transportiert … keine reinen ‚One-toone‘-<strong>Kommunikations</strong>dienste<br />
darstellen, …<br />
und zu deren Empfang eine Settop-Box verwendet<br />
werden muß, …“ (S. 63).<br />
Im darauf folgenden Kapitel erläutert Messmer<br />
die rechtlichen Grundlagen für die Konzentrationskontrolle<br />
des digitalen Fernsehens
in Deutschland und vergleicht Rundfunkrecht<br />
und Kartellrecht. Dieses Kapitel fällt sehr<br />
knapp und oberflächlich aus. Der Autor entwirft<br />
eine „systemadäquate Konzentrationskontrolle<br />
im Bereich digitalen Fernsehens“<br />
(S. 75f). Diese Ausführungen sind aber nicht<br />
nur deplatziert, da sie schon vor der Analyse<br />
der ökonomischen Tatbestände erfolgen, sondern<br />
fallen mit einem Umfang von nur einer<br />
einzigen Seite indiskutabel knapp aus.<br />
Der Hauptteil der Arbeit folgt im vierten<br />
Kapitel, in dem Messmer Marktunvollkommenheiten<br />
im digitalen Fernsehen in Deutschland<br />
analysiert. Er stellt zunächst fest, dass digitales<br />
Fernsehen den Öffentlichen-Guts-Charakter<br />
der Nicht-Rivalität besitzt, im Vergleich<br />
zum analogen Fernsehen aber die Ausschließbarkeit<br />
vom Konsum einfacher zu bewerkstelligen<br />
ist. Die Auswirkungen dieser Eigenschaften<br />
werden detailliert analysiert. Nach einer<br />
Darstellung der Wertschöpfungskette des digitalen<br />
Fernsehens untersucht er anschließend<br />
die Programm- und die Distributionsebene auf<br />
das Vorliegen von Markteintrittsbarrieren in<br />
Form von Größen- und Verbundvorteilen sowie<br />
von versunkenen Kosten. Die vorangestellten<br />
Marktabgrenzungen sind leider oberflächlich<br />
und wenig hilfreich für die folgende<br />
Analyse, zumal der Autor hierfür das Industriekonzept<br />
verwendet und nicht das Bedarfsmarktkonzept,<br />
was angemessener erscheint.<br />
Für die Programmebene kommt Messmer<br />
zu dem Ergebnis, dass die Größenvorteile<br />
hier sehr groß sind, so dass die Tendenz zu<br />
einem natürlichen Monopol besteht. Andererseits<br />
zeigt die Empirie, dass es verschiedene<br />
Programmanbieter gibt und die Marktanteile<br />
der großen Fernsehveranstalter abgenommen<br />
haben, was Messmer zu Recht mit der Heterogenität<br />
der Konsumentenpräferenzen erklärt.<br />
Messmer erwartet für das digitale Fernsehen<br />
eine Zunahme des Wettbewerbs, da neue Anbieter<br />
wegen der erhöhten Anzahl an Distributionskanälen<br />
auf den Markt eintreten können.<br />
Im Bereich der Distribution des digitalen Fernsehens<br />
konstatiert Messmer eine im Vergleich<br />
zur Programmebene deutlich größere Konzentrationstendenz<br />
infolge von Größen- und Verbundvorteilen<br />
in Verbindung mit hohen versunkenen<br />
Kosten. Dies gilt insbesondere für<br />
die Kabelnetze und die spezifischen Distributionsdienstleistungen<br />
(Zugangskontrollsystem,<br />
Packaging, Navigationssysteme). Da Messmer<br />
die Marktunvollkommenheiten aufgrund der<br />
Literatur · Besprechungen<br />
Kostensituation für am bedeutendsten hält,<br />
streift er weitere Ursachen (asymmetrische Informationen<br />
und anderes) nur am Rande.<br />
In Kapitel fünf gibt Messmer einen kurzen<br />
Überblick über die Wettbewerbsverhältnisse<br />
im deutschen Digitalfernsehen und hebt besonders<br />
die Gefahr vertikaler Konzentration hervor.<br />
Zur besseren Einordnung gibt er einen<br />
hilfreichen Einblick in den Entwicklungsstand<br />
des digitalen Fernsehens in anderen Ländern.<br />
Auf Grundlage der vorangegangenen Untersuchungen<br />
entwickelt Messmer in Kapitel<br />
sechs wirtschaftspolitische Instrumente für das<br />
digitale Fernsehen. Er konzentriert sich dabei<br />
auf die Distributionsebene, das Lizenzierungsverfahren<br />
sowie die Preisgestaltung für das<br />
digitale Fernsehen. Aufgrund der Gatekeeper-<br />
Position der digitalen Netzbetreiber und der<br />
damit verbundenen Missbrauchsmöglichkeiten<br />
fordert der Autor zunächst eine vertikale Desintegration<br />
von Infrastrukturbetreibern und<br />
Diensteanbietern. Darüber hinaus skizziert er<br />
Regelungen, die einen diskriminierungsfreien<br />
Zugang zu den digitalen Dienstleistungen wie<br />
das Multiplexing ermöglichen sollen. Er greift<br />
dabei auf in der Literatur bekannte Vorschläge<br />
zurück. Außerdem fordert er eine Auktion der<br />
Übertragungslizenzen und umreißt einige Anforderungen<br />
an ein derartiges System. Das Kapitel<br />
schließt mit der Feststellung, dass infolge<br />
der Digitalisierung Pay-TV einfacher einzusetzen<br />
ist, was den Vorteil mit sich bringt, dass die<br />
Präferenzen der Zuschauer besser erkannt und<br />
bedient werden können.<br />
Das Buch endet mit einer Zusammenfassung<br />
der Ergebnisse, in der der Autor hervorhebt,<br />
dass das digitale Fernsehen die Voraussetzung<br />
dafür schafft, Meinungsvielfalt aus dem Marktgeschehen<br />
heraus realisieren zu können, weil<br />
eine große Anzahl von unabhängigen Programmveranstaltern<br />
Fernsehprogramme anbieten<br />
kann. Daher ist der Forderung, grundsätzlich<br />
das Instrumentarium des Kartellrechts<br />
anzuwenden, zuzustimmen.<br />
Als Fazit bleibt festzuhalten, dass Messmer<br />
mit seiner Arbeit eine detaillierte und hilfreiche<br />
Analyse des digitalen Fernsehens vorgelegt hat,<br />
die viele Literaturquellen verarbeitet und einen<br />
detaillierten Überblick bietet, wenn auch wenig<br />
neue oder überraschende Erkenntnisse geboten<br />
werden.<br />
Marco Czygan<br />
301
M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />
Andreas Hepp / Martin Löffelholz (Hrsg.)<br />
Grundlagentexte zur transkulturellen<br />
Kommunikation<br />
Konstanz: UVK 2002. – 897 S.<br />
(Reihe UTB; 2371)<br />
ISBN 3-8252-2371-X<br />
Die mit der Globalisierung im Zusammenhang<br />
stehenden Prozesse haben in beinahe alle Wissenschaften<br />
zu theoretischen und damit verbundenen<br />
begrifflichen Anstrengungen geführt,<br />
mit denen die gesellschafts- und kulturverändernde<br />
Kraft einzufangen versucht wird.<br />
Dazu gehören insbesondere Fragen des Kontakts<br />
und Austausches über nationalkulturelle<br />
Grenzen und geographische Räume hinweg.<br />
Neben bereits eingeführten Begriffen wie Interkulturalität<br />
und Internationalität treten jüngere<br />
Begriffe wie Transnationalität, kulturelle<br />
Hybridität oder kultureller Synkretismus, denen<br />
mitunter der Begriff des Kulturimperialismus<br />
gegenübersteht. An der Nahtstelle all dieser<br />
Prozesse scheint die <strong>Medien</strong>- und <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong><br />
in besonderer Weise<br />
herausgefordert, die unterschiedlichen Aspekte<br />
des globalen Austauschs und des internationalen<br />
und interkulturellen Kulturkontakts, die<br />
mit Kommunikation über geographische aber<br />
vor allem nationalsprachliche Grenzen hinweg<br />
verbunden sind, zu sondieren. Die Vielfalt der<br />
entstehenden kommunikativen Formen des<br />
Austauschs, des Kulturkontakts und der kulturellen<br />
Veränderungen hat im letzten Jahrzehnt<br />
gerade in dieser Disziplin weitere theoretische<br />
Ansätze hervorgebracht, die das bestehende –<br />
erstmals von Maletzke beschriebene – Analysespektrum<br />
internationaler und interkultureller<br />
Kommunikation, das unzweifelhaft schon hier<br />
als interdisziplinäres Feld ausgewiesen ist, um<br />
Begriffe und Konzepte wie Deterritorialisierung,<br />
Transkulturalität und Translokalität erweitert.<br />
Übersicht über die bestehende theoretische<br />
und konzeptionelle Vielfalt zu ermöglichen,<br />
darf als vorrangige Absicht des angesichts seines<br />
Umfangs von knapp 900 Seiten weit über<br />
ein Kompendium zur internationalen <strong>Kommunikations</strong>forschung<br />
hinaus gehenden Buches<br />
bezeichnet werden, mit dem „Grundlagentexte<br />
zur transkulturellen Kommunikation“ vorgelegt<br />
werden.<br />
Als ein willkommenes Ergebnis liefert der<br />
Band mehrere, erstmals in deutschsprachiger<br />
302<br />
Übersetzung erscheinende Texte von bereits<br />
anderswo publizierten Artikeln sowie Originalbeiträge<br />
von mit der Thematik verbundenen<br />
Autoren, darunter u. a. Rosengren, Silverstone,<br />
Tomlinson, Hall, Morley, Gillespie sowie<br />
Liebes und Katz. Angesichts der Vielzahl<br />
an Beiträgen – inkl. der Einleitung der beiden<br />
Herausgeber handelt es sich um 36 Artikel –<br />
wäre jedoch neben einer gemeinsamen Bibliographie<br />
für alle Beiträge auch ein Register hilfreich<br />
gewesen, um das Buch abzurunden und<br />
vor allem um die zur Anwendung kommenden<br />
theoretischen Positionen und Schlagworte vergleichend<br />
leichter erschließen zu können. Angesichts<br />
der unternommenen editorischen Anstrengungen<br />
ist dies besonders schade.<br />
In einer Reihe von Beiträgen werden aber<br />
nicht nur die begrifflichen Grenzmarken neu<br />
vermessen, sondern gerade die mit den Begriffen<br />
belegten kulturellen Veränderungen und<br />
Verschränkungen analysiert und deren Auswirkungen<br />
auf die <strong>Medien</strong>kultur und Kommunikation<br />
im nationalen und internationalen<br />
bzw. globalen Maßstab beschrieben und bewertet.<br />
Ergebnis der Zusammenschau der Leistung<br />
aller Beiträge ist ein jüngerer, zugleich<br />
auch als Buchtitel geführter Begriff der „transkulturellen<br />
Kommunikation“, der nun selbst in<br />
dem Lichtkegel betrachtet werden muss, den<br />
das Buch wirft: die <strong>wissenschaft</strong>liche Einordnung<br />
all dieser begrifflichen und theoretischen<br />
Anstrengungen.<br />
Die von den Herausgebern vorgelegte<br />
Sammlung der unterschiedlichen Beiträge,<br />
Themen und Perspektiven soll verdeutlichen,<br />
dass „Kulturen […] mediatisiert, multiethnisch<br />
und stark differenziert nach Milieu, Lebensform<br />
und Lebensstilen“ begriffen werden müssen,<br />
„[…] die über Lokalitäten hinweg bestehen“<br />
(S. 17). Der Ansicht der Herausgeber nach<br />
erlaubt das – u. a. in Rekurs auf eine Definition<br />
von W. Welsch aber auch von K. Luger – die<br />
Einbindung der transkulturellen Perspektive in<br />
die internationale <strong>Kommunikations</strong>forschung.<br />
Der Gewinn des Buches liegt somit zuallererst<br />
darin, die Bewegungsrichtung zu einer aus<br />
den kulturellen Veränderungen des letzten<br />
Jahrzehnts entstehenden neuen Qualität kommunikativen<br />
Austauschs erkennbar werden zu<br />
lassen. Mit der fünfteiligen Untergliederung<br />
wird diese nochmals auf unterschiedlichen Feldern<br />
der internationalen <strong>Kommunikations</strong>forschung<br />
nachvollzogen. Im vorliegenden Rahmen<br />
wird es unmöglich sein, alle Beiträge zu
würdigen. Im Vordergrund stehen daher Fragen<br />
zum Aufbau des Bandes, also der Anordnung<br />
der Beiträge, sowie abschließend die<br />
theoretischen und begrifflichen Leistungen<br />
und Klärungen.<br />
Die thematische, auf kulturelle Fragen bezogene<br />
Eingrenzung wird unter der Überschrift<br />
„Bezugspunkte transkultureller Kommunikation“<br />
mit Beiträgen von Rosengren, Hess-Lüttich,<br />
Hall, Sklair, Tomlinson, Mohammadi und<br />
Löffelholz eingeleitet. Zentrale Probleme der<br />
Auseinandersetzung bilden neben dem Kulturbegriff<br />
die Auswirkungen internationaler und<br />
interkultureller Kommunikation (Rosengren)<br />
auf den Gebieten des globalen Kulturaustauschs<br />
(Sklair), in Situationen der Kulturkonflikts<br />
(Hess-Lüttich), unter Bedingungen des<br />
Kulturimperialismus (Tomlinson) oder in der<br />
Krisenkommunikation (Löffelholz). Dominant<br />
sind Fragen der Internationalität sowie Interkulturalität.<br />
Explizit wird auf „transkulturelle<br />
Kommunikation“ in diesem Kapitel allein<br />
in dem Beitrag von Löffelholz verwiesen.<br />
Das Verhältnis von <strong>Medien</strong>politik und den<br />
globalen bzw. international agierenden Institutionen<br />
der Kulturproduktion thematisieren die<br />
Beiträge von Donges, Kunczik und Zipfel, Negus,<br />
C. Winter, Meckel, F. Esser sowie Kleinsteuber<br />
im zweiten Kapitel. Die Herausforderung<br />
der <strong>Medien</strong>politik ist angesichts ihrer „lediglich“<br />
auf nationalkulturelle Prozesse bezogenen<br />
Steuerungsmöglichkeiten derzeit wohl<br />
am stärksten. Folgerichtig stehen die Auswirkungen<br />
der Globalisierung auf nationale <strong>Kommunikations</strong>räume<br />
und transnational wirksame<br />
Management- und Steuerungsmöglichkeiten<br />
im Mittelpunkt der Beiträge. Neben den<br />
politischen Reaktionen auf die Globalisierung<br />
bei Donges geht es um praxisrelevante Herausforderungen<br />
(Meckel) eines transkulturellen<br />
<strong>Medien</strong>- und Redaktionsmanagements sowie<br />
um die <strong>wissenschaft</strong>lichen Herausforderungen<br />
einer transnationalen Journalismusforschung<br />
(F. Esser).<br />
Der Frage des Öffentlichkeitswandels unter<br />
dem Einfluss transkulturell Verbreitung findender<br />
<strong>Medien</strong>produkte widmen sich – angefangen<br />
von Fragen der Programmressourcen<br />
des Fernsehens über die Veränderung der Presse<br />
bis hin zur globalen Rolle des Internets –<br />
Beiträge von Ch. Barker, Prokop, Hallenberger,<br />
Mikos, Müller, Renger und H. J. Bucher.<br />
Die Veränderung des europäischen Programmmarktes<br />
wird im Beitrag von Hallenberger zu<br />
Literatur · Besprechungen<br />
dem Eurofiction-Forschungsverbund betrachtet,<br />
während in den Beiträgen von Mikos, Renger<br />
und Müller der Wandel der Unterhaltungskommunikation<br />
mit seinen transnationalen<br />
Hintergründen Beachtung findet. In den bisherigen<br />
Beiträgen lässt sich dabei ein unterschiedlicher,<br />
kein einheitlicher Aufgriff des Konzepts<br />
Transkulturalität ausmachen. Oftmals wird<br />
Transkulturatät auch bloß schlagwortartig zur<br />
Markierung eines Unterschieds eingesetzt.<br />
Den deutlichsten Bogen zum ersten Kapitel<br />
schlagen dann jene Beiträge, die den Auswirkungen<br />
der international Verbreitung findenden<br />
<strong>Medien</strong>angebote in der <strong>Medien</strong>aneignung<br />
auf die kulturelle Identitätsbildung nachgehen.<br />
Die Begriffe der Transnationalität und Transkulturalität<br />
erfahren dabei eine auf den kulturellen<br />
Erfahrungszusammenhang des Publikums<br />
bezogene Anwendung. Eine der Konsequenzen<br />
liegt in dem deutlichen Plädoyer für<br />
eine vergleichende Rezeptionsforschung, deren<br />
Konturen in dem Beitrag von Krotz grundlegend<br />
behandelt werden.<br />
Der in diesen Beiträgen aufgenommene Faden<br />
wird dann in dem nachfolgenden Kapitel,<br />
das auf Herausforderungen der kulturellen<br />
Veränderungen insbesondere des letzten Jahrzehnts<br />
eingeht, weiter verfolgt. Das mit „Perspektiven<br />
transkultureller Kommunikation“<br />
überschriebene Kapitel versammelt in den<br />
Beiträgen von Silverstone, Lull, Birowo und<br />
Hanitzsch, Bromley, Volkmer, Karmasin sowie<br />
Hepp unterschiedliche kultur<strong>wissenschaft</strong>liche<br />
Reflektionen, mit denen auch die Rolle<br />
und schließlich die Notwendigkeit des Begriffs<br />
„transkulturelle Kommunikation“ abgerundet<br />
werden sollen. Diesem Kapitel darf mithin<br />
auch die stärkste Begründungslast der eingangs<br />
genannten Intention einer <strong>wissenschaft</strong>lichen<br />
Überprüfung der vorliegenden Begriffe und<br />
Konzeptionen zugeschrieben bzw. abgeschaut<br />
werden. Dabei ist es, wie die ausführliche, auf<br />
den Kulturbegriff in den verschiedenen Beiträgen<br />
des Bandes bezogene Diskussion veranschaulicht,<br />
durchaus unstrittig, dass die Formen<br />
des kommunikativen Austauschs sowie<br />
der Kontakt mit verschiedenen kulturellen und<br />
symbolischen Ausdrucksweisen und Praktiken<br />
auch die bestehenden Kulturen verändert hat.<br />
Deren auf nationalkulturelle Momente bezogene<br />
Selbstdefinition, die sich vom Europa des 18.<br />
Jahrhunderts u. a. durch den Kolonialismus<br />
auch auf andere Weltregionen erstreckte, ist in<br />
qualitativer Veränderung begriffen. Die For-<br />
303
M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />
men des Kulturkontakts haben sich verändert,<br />
als deren Folge die kulturelle Differenzierung<br />
fortschreitet: Sie geht nun quer durch nationalkulturelle<br />
Beziehungskontexte, was nach Andreas<br />
Hepps Auffassung die auf Lokalität und<br />
Geographie bezogene nationalkulturelle Komponente<br />
aufheben würde, womit Transkulturalität<br />
und translokale Prozesse als Herausforderung<br />
der Theoriebildung und Empirie ins Spiel<br />
kommen.<br />
Die für nationalkulturelle Prozesse entscheidende<br />
Frage der Sprache bzw. der Nationalsprachlichkeit<br />
findet hier – wie auch in anderen<br />
Beiträgen – allerdings keine grundsätzliche Beachtung,<br />
was bei einer kommunikations<strong>wissenschaft</strong>lichen<br />
Betrachtung durchaus verwundert.<br />
Denn es ist gerade die Sprache im Zusammenhang<br />
mit dem territorialen Raum, die den<br />
Bezugspunkt nationalkultureller Identitätsbildung<br />
darstellt. Und dieser Verbindungspunkt<br />
wird trotz möglicher Auflösungstendenzen<br />
traditionaler Kontexte auch über Grenzen hinweg<br />
Bezugspunkt bleiben und es rechtfertigen,<br />
neben der Beobachtung von Neuem die Transnationalität<br />
als dominantes Thema der Forschung<br />
beizubehalten. Wie demgegenüber<br />
Transkulturalität die neuen kommunikativen<br />
Qualitäten bestimmt, kann der Band sowohl<br />
wegen der uneinheitlichen Verwendung des<br />
Begriffs als auch angesichts der Vielzahl an<br />
Beiträgen, die weiterhin mit einer interkulturellen<br />
oder transnationalen Perspektive arbeiten,<br />
nicht abschließend beantworten. Dies ist angesichts<br />
der das Feld prägenden Theorien auch<br />
nicht die alles entscheidende Leistung des Bandes.<br />
Diese besteht darin, auf qualitative Veränderungsprozesse,<br />
die zu neuen Abhängigkeiten<br />
und zur Ausbildung neuer kultureller Formen<br />
führen, zu verweisen und Anstöße für weiter<br />
führende Forschungen zu liefern. Die Herausgeber<br />
haben in dieser Hinsicht eine Übersicht<br />
über die Diskussionen im letzten Jahrzehnt<br />
vorgelegt, und in diesem Sinne wird der Band<br />
sicherlich willkommene Aufnahme und Verwendung<br />
finden.<br />
Udo Göttlich<br />
304<br />
Werner Wirth / Edmund Lauf (Hrsg.)<br />
Inhaltsanalyse<br />
Perspektiven, Probleme, Potentiale<br />
Köln: Halem Verl., 2001. – 379 S.<br />
ISBN 3-931606-40-6<br />
Die ersten Erfahrungen mit quantitativer Inhaltsanalyse<br />
habe ich Mitte der sechziger Jahre<br />
im Seminar von Elisabeth Noelle-Neumann<br />
gemacht. Die Mehrheit der Teilnehmer lehnte<br />
die Methode ab. Wenige Jahre zuvor waren<br />
Hans Magnus Enzensbergers sprachkritische<br />
Essays über die FAZ und den Spiegel erschienen.<br />
Sie waren unser Vorbild. Trotzdem konnte<br />
von einer sachlichen Methodenkritik kaum<br />
die Rede sein. Alle Kritiker hatten nur rudimentäre<br />
Vorstellungen von der Methode, und<br />
keiner hätte eine quantitative Inhaltsanalyse<br />
durchführen können. Das ist heute vielfach<br />
nichts anders. Aber es gibt wichtige Ausnahmen.<br />
Dazu gehört der hier vorgestellte Sammelband.<br />
Vernachlässigt man einige definitorische und<br />
typologische Ansätze, die kaum in die Zukunft<br />
weisen, sowie einige umetikettierte Neuerungen,<br />
die bereits Mitte der achtziger Jahre publiziert<br />
wurden, lassen sich die meisten Beiträge<br />
drei Themenkomplexen zuordnen: der Technik<br />
der Anlage und Durchführung von Inhaltsanalysen;<br />
der Reliabilität und Validität der Codierungen<br />
sowie der Frage, ob es sich bei der quantitativen<br />
Inhaltsanalyse um eine reaktive oder<br />
non-reaktive Methode handelt. Weil der Band<br />
eine Vielzahl substanzieller Beiträge enthält,<br />
die hier nicht gewürdigt werden können, soll<br />
nur jeweils ein Beispiel vorgestellt werden.<br />
Charakteristisch für die Diskussion technischer<br />
Probleme ist der Beitrag von Hans-Jürgen<br />
Weiß und Joachim Trebbe. Ihr Gegenstand<br />
ist die Entwicklung eines Kategoriensystems<br />
zur Identifikation des Informationsangebotes<br />
der Fernsehsender, das sowohl dem Themenspektrum<br />
der Sendungen als auch ihren unterschiedlichen<br />
Formaten gerecht wird. Seine<br />
Grundlage ist eine einfache Typologie auf der<br />
Grundlage der Unterscheidung von öffentlich<br />
und privat relevanten Informationen sowie<br />
zwischen Meinungsbildung, Bildung, Beratung<br />
und Information. Ersteres betrifft offenkundig<br />
den Ort, letzteres die Funktion der Nutzung.<br />
Die Umsetzung dieses Ansatzes führt zu einem<br />
relativ hohen Anteil stark differenzierter Informationen.<br />
Dies ist medienpolitisch bedeutsam,
vor allem aber <strong>wissenschaft</strong>lich fruchtbar, weil<br />
es neue Möglichkeiten der Nutzungsforschung<br />
erschließt.<br />
Charakteristisch für die Diskussion der Reliabilität<br />
und Validität quantitativer Inhaltsanalysen<br />
ist der Beitrag von Evelyn Engesser und<br />
Carsten Reinemann über die (partiellen) Unterschiede<br />
zwischen der Einstufung der Gesamttendenz<br />
von Beiträgen über Politiker und<br />
ihrer Berechnung anhand von Aussagen über<br />
einzelne Eigenschaften. Die Autoren stellen<br />
verschiedene Datengrundlagen und Berechnungsmodi<br />
vor und diskutieren mehrere sozialpsychologische<br />
Theorien, die die Verbindung<br />
zwischen den <strong>Medien</strong>inhalten und ihrer<br />
Nutzung, bzw. Wirkung schlagen.<br />
Charakteristisch für die Diskussion der Ansichten<br />
darüber, ob es sich bei der quantitativen<br />
Inhaltsanalyse um eine non-reaktive oder um<br />
eine reaktive Methode handelt, ist der Beitrag<br />
von Eva Baumann. Ihn sollten vor allem die<br />
entschiedenen Anhänger qualitativer Verfahren<br />
am Anfang lesen, weil hier die unterschiedlichen<br />
Sichtweisen von Werner Früh und Klaus<br />
Merten gut verständlich nachgezeichnet und<br />
sachliche Anknüpfungspunkte für eine Fach<br />
übergreifende Diskussion bereit gestellt werden.<br />
Empfehlenswert ist der vorliegende Band<br />
vor allem, weil fast alle Autoren ihre methodischen<br />
Überlegungen anhand von konkreten<br />
Untersuchungen entwickeln. Sie wissen im<br />
Unterschied zu manchen älteren und vielen<br />
neueren Methodenkritikern, worüber sie<br />
schreiben. In seiner Gesamtheit dokumentiert<br />
der Band den hohen Stand, den die hiesige Diskussion<br />
um die Möglichkeiten und Grenzen<br />
von quantitativen Inhaltsanalysen erreicht hat.<br />
Dies gilt für die erkenntnistheoretischen Voraussetzungen<br />
der Methode, ihre handwerkliche<br />
Umsetzung und ihre praktischen Konsequenzen.<br />
Hans Mathias Kepplinger<br />
Claudia Mast<br />
Unternehmenskommunikation<br />
Ein Leitfaden<br />
Stuttgart: Lucius und Lucius, 2002. – 451 S.<br />
ISBN 3-8252-2308-6<br />
Eine Reihe von PR-Lehrbüchern und <strong>wissenschaft</strong>lichen<br />
Überblickswerken sind in den<br />
letzten Jahren angekündigt worden, erschienen<br />
Literatur · Besprechungen<br />
sind bislang allerdings die wenigsten der geplanten<br />
Titel. Eine positive Ausnahme stellt<br />
hier das Buch von Claudia Mast dar.<br />
Die Defizite der PR-Forschung und der PR-<br />
Literatur sind bekannt und sie verringern sich<br />
nur sehr langsam: Nach wie vor ist die <strong>wissenschaft</strong>liche<br />
Fachliteratur quantitativ und qualitativ<br />
sehr begrenzt, PR-Lehrbücher im eigentlichen<br />
Sinne liegen nicht vor. Vielmehr ist ein<br />
deutlicher Überschuss an Praktiker- und Howto-do-Literatur<br />
zu konstatieren. Wissenschaftliche<br />
Überblickswerke sind also gefordert und<br />
werden dringend benötigt. Ob allerdings der<br />
vorliegende „Leitfaden für die Unternehmenskommunikation“<br />
(S. 1) geeignet ist, die Lücken<br />
im Bereich der <strong>wissenschaft</strong>lichen Literatur zu<br />
verringern, ist fraglich. Denn das Buch ist ein<br />
Grenzgänger: Weder ist es ein rein <strong>wissenschaft</strong>liches<br />
Einführungswerk, das einen systematischen<br />
und weitgehend vollständigen<br />
Überblick über vorliegende theoretische Ansätze<br />
zum Forschungsfeld PR/Unternehmenskommunikation<br />
liefert und entsprechend in der<br />
universitären Lehre eingesetzt werden kann,<br />
noch ist es konkretes How-to-do. Dies spiegelt<br />
sich letztlich auch in den Zielgruppen des Bandes<br />
wider, der sich an Studierende, die in das<br />
Berufsfeld PR streben, und an PR-Praktiker<br />
richtet.<br />
Das Buch ist in vier Hauptblöcke unterteilt:<br />
„Theoretische Ansätze und Modelle“, „Planung<br />
und Optimierung“, „Umsetzung in der<br />
Praxis“ und „Herausforderung und Perspektiven“.<br />
Die Gliederung spricht dafür, dass wir es<br />
überwiegend mit einem praxisnahen Ratgeber<br />
zu tun haben – behandeln doch gemäß der<br />
Überschriften drei von vier Blöcken vor allem<br />
praxisnahe Problemstellungen, während<br />
„Theoretische Ansätze und Modelle“ nur einen<br />
sehr kleinen Teil des Buches ausmachen. Dieser<br />
Eindruck trügt jedoch, denn die von Claudia<br />
Mast gewählten Überschriften leiten ein wenig<br />
in die Irre – so werden beispielsweise unter der<br />
Überschrift „Planung und Optimierung“ theoretische<br />
Ansätze bzw. Modelle wie der Stakeholder<br />
Approach oder die situative Theorie der<br />
Teilöffentlichkeiten vorgestellt. Unklarheiten<br />
in der Gliederung, thematische Überschneidungen<br />
bzw. unpräzise Überschriften finden<br />
sich auch an zahlreichen anderen Stellen – etwa<br />
wenn unter der Überschrift „Wirtschafts- und<br />
kommunikations<strong>wissenschaft</strong>liche Perspektiven“<br />
allgemeine Makrotrends („Glokalisierung“,<br />
Werte als Orientierungen etc.) und<br />
305
M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />
deren Konsequenzen für die Unternehmenskommunikation<br />
beschrieben, nicht aber die<br />
unterschiedlichen Theorie- und Begriffsverständnisse<br />
und die unterschiedlichen Erklärungsziele<br />
kommunikations- und wirtschafts<strong>wissenschaft</strong>licher<br />
PR-Forschung erörtert werden.<br />
Unter dem Stichwort „Theoretische Ansätze<br />
und Modelle“ liefert die Autorin neben der<br />
kaum zu umgehenden Definitionsproblematik<br />
einen knappen Überblick über die bekannten<br />
Klassiker zur Unternehmenskommunikation<br />
auf der Meso-Ebene: Grunig und Hunt und deren<br />
vier Grundmodelle der PR dürfen da ebenso<br />
wenig fehlen wie eine Darstellung der<br />
Beiträge von Bruhn oder Zerfass. Neuere und<br />
weniger bekannte Modelle finden hier leider<br />
keine Berücksichtigung. Insbesondere im Hinblick<br />
auf einen Einsatz in der universitären<br />
Lehre wäre zudem eine über die deskriptive<br />
Darstellung hinausreichende kritische Diskussion<br />
der verschiedenen Ansätze wünschenswert:<br />
Dies gilt beispielsweise für die vier<br />
Grundmodelle der PR, die als nicht empirisch<br />
gebildete und zudem nicht theoretisch begründete<br />
Modelle aus <strong>wissenschaft</strong>licher Perspektive<br />
von eingeschränktem Wert sind. Das Buch<br />
spiegelt an dieser und an anderen Stellen leider<br />
die für weite Teile der PR-Forschung typische,<br />
eher unkritische Adaption von Praxis-Ansätzen<br />
wider.<br />
Im Mittelpunkt des zweiten thematischen<br />
Blocks „Planung und Optimierung“ stehen<br />
zum einen unterschiedliche Ansätze der Umfeldanalyse,<br />
zum anderen werden konkrete<br />
Planungs- und Umsetzungsschritte im Rahmen<br />
des <strong>Kommunikations</strong>managements – von der<br />
Situationsanalyse bis zur Evaluation – vorgestellt.<br />
Dies schließt auch die detaillierte Beschreibung<br />
unterschiedlicher <strong>Medien</strong> und<br />
<strong>Kommunikations</strong>wege der Unternehmenskommunikation<br />
ein; die stark praxisorientierte<br />
Auflistung reicht von Videokonferenzen über<br />
Fax und CD-Rom bis hin zu „organisierten Essen“<br />
(S. 180). Analytisch gehaltvoller sind demgegenüber<br />
die Ausführungen zur Netzwerkkommunikation<br />
im Kontext von Organisationen,<br />
wobei die zentrale Frage, welche Relevanz<br />
<strong>Kommunikations</strong>netzwerke für die Unternehmenskommunikation<br />
heute und in Zukunft<br />
entfalten, leider nur am Rande behandelt wird.<br />
Von informellen <strong>Kommunikations</strong>netzwerken<br />
ist der Weg nicht weit zum Gerücht. Die Bedeutung<br />
dieser <strong>Kommunikations</strong>form für die<br />
306<br />
Unternehmenskommunikation beleuchtet<br />
Gerhard Maletzke in einem eigenen Kapitel.<br />
Das Thema ist interessant und wird ohne Zweifel<br />
von der PR bzw. Unternehmenskommunikation<br />
vernachlässigt – im Gesamtzusammenhang<br />
des Buches wirken die Ausführungen zur<br />
Gerüchtekommunikation allerdings etwas zufällig<br />
und zu stark gewichtet.<br />
Systematisiert anhand der vier Zielgruppen<br />
Mitarbeiter, Kunden, Multiplikatoren und Kapitalgeber<br />
wird im dritten inhaltlichen Hauptblock<br />
schließlich die konkrete „Umsetzung in<br />
der Praxis“ vorgestellt. Im Mittelpunkt stehen<br />
konsequenterweise nicht theoretische Zugänge<br />
– der Forschungsstand zum Thema PR und<br />
Journalismus wird auf drei Seiten zusammengefasst<br />
–, sondern praxisnahe Fragestellungen.<br />
Als zentrale „Herausforderungen und Perspektiven“<br />
(Teil IV) werden die Internationalisierung<br />
der Unternehmenskommunikation<br />
(Beitrag von Simone Huck), die Markenkommunikation<br />
(Beitrag von Monika Stöckl) und<br />
Change Communication betrachtet. Die Ausführungen<br />
sind interessant, leider wird jedoch<br />
nicht ganz klar, warum gerade die genannten<br />
und nicht andere Aspekte als zentrale Herausforderungen<br />
und Perspektiven der Unternehmenskommunikation<br />
angesehen werden.<br />
Das typische und letztlich nicht lösbare Dilemma<br />
von Überblickswerken – in welchem<br />
Verhältnis sollen Tiefe und Breite der inhaltlichen<br />
Darlegungen zueinander stehen? – wurde<br />
im vorliegenden Fall zu Gunsten der Breite beantwortet:<br />
Die Palette der aufgearbeiteten<br />
Aspekte und aktuellen Trends des <strong>Kommunikations</strong>managements<br />
ist beachtlich, leider werden<br />
aber viele Themenaspekte nur sehr oberflächlich<br />
behandelt – ein Abschnitt zum Thema<br />
Benchmarking in der PR, einer zur SWOT-<br />
Analyse und eine Seite zur Balanced Scorecard.<br />
Ähnlich steht es um die eher sparsam verwendeten<br />
Abbildungen und Tabellen, die aufgrund<br />
fehlender Beschreibung und Erläuterung im<br />
Fließtext oftmals unverständlich bleiben.<br />
Kurze Themenblöcke, hohe Verständlichkeit<br />
und ein einfacher Zugriff sind kennzeichnend<br />
für das Buch. Die möglichen Barrieren für<br />
eine Lektüre wurden – und dies ist mit Blick auf<br />
Studienanfänger positiv gemeint – bewusst<br />
niedrig angelegt. Problematisch ist mit Blick<br />
auf diese Gruppe eher, dass einzelne Begriffe<br />
zum Teil unpräzise verwendet oder nicht erläutert<br />
werden – etwa wenn PR zugleich als „eine<br />
Art Interface zwischen dem Organisationssys-
tem und der Umwelt“, als „boundary spanner“<br />
und „PR-System“ (S. 40) bezeichnet wird.<br />
Zur verfolgten Strategie der niedrigen Barrieren<br />
passt auch die Entscheidung, in der das<br />
Buch abschließenden Bibliographie vor allem<br />
auf gut zugängliche Werke der letzten zehn bis<br />
zwölf Jahre zurückzugreifen und nicht nur ältere<br />
Bücher, sondern auch Zeitschriftenaufsätze<br />
überwiegend nicht zu berücksichtigen, „da<br />
sie insbesondere für Berufstätige nur mit<br />
großem Aufwand zu beschaffen sind“ (S. 2).<br />
Vor allem der Verzicht auf Zeitschriftenaufsätze<br />
ist bedauerlich (und würde in jeder studentischen<br />
Abschlussarbeit als erheblicher Mangel<br />
kritisiert), da neuere theoretische Überlegungen<br />
und empirische Befunde – lange bevor sie<br />
in Monographien und Sammelbänden zu finden<br />
sind – in <strong>wissenschaft</strong>lichen Fachzeitschriften<br />
veröffentlicht werden.<br />
Eine gute Servicefunktion erfüllen die kommentierten<br />
Literaturtipps, die am Ende jeden<br />
Literatur · Besprechungen<br />
Kapitels aufgeführt sind. Die Qualität dieser<br />
Empfehlungen leidet jedoch – ebenso wie die<br />
der umfangreichen Literaturliste am Schluss<br />
des Buches – unter der undifferenzierten Verwendung<br />
von Praktikerliteratur und <strong>wissenschaft</strong>licher<br />
Literatur. Insbesondere mit Blick<br />
auf die Zielgruppe Studierende ist es notwendig,<br />
die unterschiedlichen Literaturtypen und<br />
die damit jeweils verbundenen Erkenntnissinteressen<br />
und Zielsetzungen klar auszuweisen.<br />
Nicht Fisch, nicht Fleisch – es bleibt am<br />
Schluss ein ambivalentes Bild. Das Buch läuft<br />
Gefahr, beiden möglichen Verwendungszwecken<br />
– universitäre Lehre einerseits und<br />
praxisnahe Einführung in ein Berufsfeld bzw.<br />
einen Tätigkeitsbereich andererseits – nicht gerecht<br />
zu werden. Eine klare Entscheidung für<br />
die eine oder andere Seite hätte ihm sicher gut<br />
getan.<br />
Ulrike Röttger<br />
307
M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />
Zeitschriftenlese<br />
AfP<br />
Jg 33 (2002) Nr 6<br />
Callies, Christian: Inhalt, Dogmatik und Grenzen<br />
der Selbstregulierung im <strong>Medien</strong>recht. –<br />
S. 465 – 474<br />
Stolzenburg-Wiemer, Sandra; Häußer, Tanja:<br />
Widerrufsmöglichkeiten einer Sendelizenz<br />
nach §§ 8,9 Landesmediengesetz NW. – S. 475<br />
– 479<br />
Jg 33 (2002) Nr 6, Beilage<br />
Berger, Christian; Degenhart, Christoph:<br />
Rechtsfragen Elektronischer Pressespiegel:<br />
verfassungsrechtliche und urheberrechtliche<br />
Aspekte. – S. 557 – 583<br />
Jg 34 (2003) Nr 1<br />
Schack, Haimo: Dürfen öffentliche Einrichtungen<br />
elektronische Archive anlegen?: zur geplanten<br />
Neufassung des § 53 Abs. 2 UrhG im<br />
Lichte des Drei-Stufen-Tests. – S. 1 – 8<br />
Rath-Glawatz, Michael: Die Selbstbindung öffentlich-rechtlicher<br />
Rundfunkanstalten bei der<br />
Veranstaltung von Online-Angeboten. – S. 9 –<br />
13<br />
Im Zuge der Diskussionen um die Veranstaltung von<br />
Online-Angeboten durch öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten,<br />
wurde in Bezugnahme auf die bisher<br />
ergangene Rechtsprechung oftmals darauf abgestellt,<br />
dass diese nur dann publizistische Angebote neben<br />
den Rundfunkprogrammen produzieren dürfen, solange<br />
sie einen vorwiegend programmbezogenen Inhalt<br />
haben und dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich<br />
ist. Der Beitrag untersucht vor diesem Hintergrund<br />
die Grundsätze zum Programmbezug bei<br />
Online-Angeboten und deren Umsetzung. Am Beispiel<br />
ausgewählter Dienste wird die Reichweite der<br />
Zulässigkeit von öffentlich-rechtlichen Online-Angeboten<br />
dargestellt. Als eine gangbare Lösung zur Auflösung<br />
der Diskussion um die Reichweite von Online-<br />
Angeboten, fordert der Autor eine Selbstverpflichtung<br />
der Rundfunkanstalten zur Programmbindung,<br />
und stellt mögliche Inhalte einer solchen Selbstverpflichtung<br />
dar.<br />
Kupsch, Christoph von: Das neue LandesmedienG<br />
NW – Deregulierung oder Überregulierung?:<br />
die Neuregelung der Verteilung von<br />
Übertragungskapazitäten an Rundfunkveranstalter<br />
und <strong>Medien</strong>dienste. – S. 14 – 21<br />
Durch das In-Kraft-Treten des neuen Landesmediengesetzes<br />
Nordrhein-Westfalen (L<strong>Medien</strong>G NW) am<br />
1.7.2002 ist das ehemalige LRG ersetzt und aus kon-<br />
308<br />
zeptioneller Sicht in einigen Punkten entscheidend<br />
verändert worden. Der Artikel stellt die tiefgreifendsten<br />
Neuansätze des nordrhein-westfälischen Gesetzgebers<br />
dar und gliedert sie in medienrechtliche Problematiken<br />
ein. Neben dem „Führerscheinprinzip“,<br />
d.h. der Entkopplung von Zulassungs- und Zuweisungsentscheidung,<br />
setzt sich der Beitrag mit der Vorrangentscheidung<br />
und der Einbeziehung von <strong>Medien</strong>diensten<br />
in diese Entscheidung sowie der Konzentrationsklausel<br />
bei Ballungsraumfernsehen auseinander.<br />
Der Autor kommt zu dem Ergebnis, dass das Gesetz<br />
praktisch handhabbar in handwerklicher Hinsicht<br />
aber weitgehend missglückt ist.<br />
Kilic, Memet: Verantwortung der öffentlichrechtlichen<br />
Öffentlichkeitanstalten bei der Integration<br />
von Migranten. – S. 22 – 23<br />
Communicatio Socialis<br />
Jg 35 (2002) Nr 4<br />
Rolfes, Helmuth: Katholische Kirche und <strong>Medien</strong>ethik:<br />
Überlegungen zu einer Standortbestimmung.<br />
– S. 381 – 393<br />
Karmasin, Matthias: Zum Verhältnis von <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong><br />
und <strong>Medien</strong>ethik. –<br />
S. 394 – 409<br />
Pörksen, Bernhard: Konturen digitaler <strong>Kommunikations</strong>welten:<br />
Leitunterscheidungen eines<br />
interdisziplinären Forschungsfeldes: eine<br />
Einführung. – S. 410 – 438<br />
Bolz, Norbert: In einer Welt der Simulation<br />
wird das Reale zur Obsession: Wissenschaftsinterview<br />
Bernhard Pörksen mit Norbert Bolz.<br />
– S. 439 – 458<br />
Hillebrecht, Steffen W.; Schilling, Oliver;<br />
Schlaus, Antonia: Herausforderungen kirchlicher<br />
Öffentlichkeitsarbeit: Ergebnisse einer<br />
qualitativen Befragung. – S. 459 – 471<br />
Verst, Ludger: Ein Klassiker der <strong>Medien</strong>ausbildung:<br />
25 Jahre Theologenkurse des ifp. –<br />
S. 472 – 478<br />
Foley, John P.: A pioneer in church communication.<br />
– S. 479<br />
Das Heft enthält diverse Artikel zum 70. Geburtstag<br />
von Franz-Josef Eilers.<br />
Jg 36 (2003) Nr 1<br />
Hömberg, Walter; Schatz, Eva: Orientierung<br />
gesucht: Ratgeberjournalismus in der Bistumspresse.<br />
– S. 6 – 22
Avenarius, Horst: Hunzinger und die Folgen:<br />
zur Moral in der Öffentlichkeitsarbeit. – S. 23 –<br />
42<br />
Als zwei führende Politiker wegen ihrer zweifelhaften<br />
Beziehungen zum PR-Manager Hunzinger zurücktreten<br />
mussten, wurden auch moralische Fragen der<br />
Öffentlichkeitsarbeit aufgeworfen. Der Autor, Präsident<br />
des Deutschen Rates für Public Relations, diskutiert<br />
diesen Fall anhand von vier Fragen: Was macht<br />
diesen Fall für die politische Öffentlichkeit bedeutsam?<br />
Wie bewältigte die PR-Zunft den Fall? Wie halten<br />
PR-Leute es generell mit der Moral? Welche<br />
grundlegenden moralischen Prinzipien gelten für die<br />
PR-Arbeit?<br />
Rademacher, Lars: Zwischen Wahrhaftigkeit,<br />
Legitimation und Loyalität: Thesen zur Ethik<br />
der Öffentlichkeitsarbeit. – S. 43 – 50<br />
Vor dem Hintergrund des „Falles Hunzinger“ präsentiert<br />
der Beitrag Thesen zur Ethik der Öffentlichkeitsarbeit:<br />
„Es wird dafür plädiert, PR-Arbeit aus<br />
ihrem sozialen Zusammenhang zu bewerten und nicht<br />
anhand moralischer Assoziationen, die die Regeln<br />
hoch komplexer Sozialgefüge außer Acht lassen. Stattdessen<br />
wird PR-Arbeit in einer mehrwertigen Logik<br />
rekonstruiert, die sowohl individueller als auch kollektiver<br />
Verantwortung Raum läßt.“<br />
Ostermann, Friedrich: Der Wahrheit verpflichtet:<br />
für ein neues Verantwortungsbewusstsein<br />
in einer komplexen Welt. – S. 51 – 55<br />
Communication Research<br />
Jg 30 (2003) Nr 1<br />
Knobloch, Silvia et al: Imagery effects on the<br />
selective reading of Internet newsmagazines. –<br />
S. 3 – 29<br />
Sundar, S. Shyam; Kalyanaraman, Sriram;<br />
Brown, Justin: Explicating web site interactivity:<br />
impression formation effects in political<br />
campaign sites. – S. 30 – 59<br />
McDonald, Daniel; Dimmick, John: The conceptualization<br />
and measurement of diversity. –<br />
S. 60 – 79<br />
In dem Beitrag wird ein Vergleich von 13 verschiedenen<br />
Messverfahren für „Vielfalt“ durchgeführt. Ausgegangen<br />
wird von dem „dualen Konzept“ von „Vielfalt“<br />
von Junge, der zwei Dimensionen festhält: Kategorien<br />
zur Klassifikation und die Verteilung der Elemente<br />
innerhalb dieser Kategorien. Nach einer kurzen<br />
theoretischen Einordnung und Darstellung der verschiedenen<br />
Messmethoden, die dieses Konzept nutzen,<br />
wird ein Vergleich der Methoden anhand einer<br />
Analyse von Radioprogrammen über einen Zeitraum<br />
von 30 Jahren durchgeführt. Im Ergebnis zeigte sich,<br />
dass für viele Fragestellungen die meisten Methoden<br />
keine wesentlichen Unterschiede aufwiesen. Für manche<br />
Fragestellungen zeigten sich allerdings einige Methoden<br />
als geeigneter als andere, z. B. wenn besonders<br />
genau die Veränderungen in der Anzahl der Kategorien<br />
bestimmt werden soll.<br />
Literatur · Zeitschriftenlese<br />
Kang, Naewon; Kwak, Nojin: A multilevel<br />
approach to civic participation: individual<br />
length of residence, neighborhood residential<br />
stability, and their interactive effects with media<br />
use. – S. 80 – 106<br />
Der Artikel stellt eine Studie vor, die die Bedeutung<br />
der Länge des Wohnens an einem Ort und die Stabilität<br />
der nachbarschaftlichen Beziehungen sowie die<br />
<strong>Medien</strong>nutzung als Faktoren der Partizipation der<br />
Bürger untersuchte. Damit wurden zwei bis dahin<br />
einzeln untersuchte Bereiche kombiniert. Der positive<br />
Einfluss von stabilen Nachbarschaftsbeziehungen<br />
auf die Beteiligung in sozialen Fragen sowie das<br />
höhere Interesse an lokalen Informationen wurde bereits<br />
nachgewiesen; der Einfluss der <strong>Medien</strong>nutzung<br />
auf die Partizipation wurde in verschiedenen Untersuchungen<br />
in Bezug auf die Länge der Nutzung als<br />
negativ bestimmt – die „time displacement hypothesis“<br />
und die Hypothese des „mean world effect“ sind<br />
breit diskutierte Ergebnisse hiervon. Die Ergebnisse<br />
der hier vorgestellten Studie (auf Grundlage einer Telefon-Befragung<br />
von 830 Bürgern in Wisconsin) ergab,<br />
dass es eine signifikante Beziehung zwischen<br />
den Wohnort-Variablen und der <strong>Medien</strong>nutzung mit<br />
der sozialen Orientierung der Bürger gibt: Längere<br />
Aufenthalte an einem Wohnort führten zu größerem<br />
Interesse an lokalen Nachrichten und höherer Partizipation<br />
in gesellschaftlichen Fragen, kürzere Aufenthalte<br />
gingen einher mit geringerem Interesse an<br />
Partizipation und längerer allgemeiner Fernsehnutzung.<br />
Communication Theory<br />
Jg 12 (2002) Nr 4<br />
Barge, J. Kevin; Little, Martin: Dialogical wisdom,<br />
communicative practice, and organizational<br />
life. – S. 375 – 397<br />
Burkhalter, Stephanie; Gastil, John; Kelshaw,<br />
Todd: A conceptual definition and theoretical<br />
model of public deliberation in small face-toface<br />
groups. – S. 398 – 422<br />
Lynch, Owen H.: Humorous communication:<br />
finding a place for humor in communication research.<br />
– S. 423 – 445<br />
Squires, Catherine R.: Rethinking the black –<br />
public sphere: an alternative vocabulary for<br />
multiple public spheres. – S. 446-468<br />
Jg 13 (2003) Nr 1<br />
Ashcraft, Karen Lee; Allen, Brenda J.: The racial<br />
foundation of organizational communication.<br />
– S. 5 – 38<br />
Shome, Raka: Space matters: the power and<br />
practice of space. – S. 39 – 56<br />
Houston, Renée; Jackson, Michele H.: Technology<br />
and context within research on internatio-<br />
309
M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />
nal development programs: positioning an integrationist<br />
perspective. – S. 57 – 77<br />
Planalp, Sally: The unacknowledged role of<br />
emotion in theories of close relationships: how<br />
do theories feel?. – S. 78 – 99<br />
Communications<br />
Jg 27 (2002) Nr 4<br />
Adoni, Hanna; Cohen, Akiba A.; Caspi, Dan:<br />
The consumer’s choice: language, media consumption<br />
and hybrid identities of minorities. –<br />
S. 411 – 436<br />
Vandebosch, Heidi; Eggermont, Steven: Elderly<br />
people’s media use: at the crossroads of personal<br />
and societal developments. – S. 437 – 456<br />
Furnham, Adrian; Spencer-Bowdage, Sarah: Sex<br />
role stereotyping in television advertisements: a<br />
content analysis of advertisements from South<br />
Africa and Great Britain. – S. 457 – 484<br />
Rathmann, Tim A.: Supplement or substitution?:<br />
the relationship between reading a local<br />
print newspaper and the use of its online version.<br />
– S. 485 – 498<br />
Hansen, Anders: Discourses of nature in advertising.<br />
– S. 499 – 512<br />
Jg 28 (2003) Nr 1<br />
Rijt, Gerrit van der; d’Haenens, Leen; Straten,<br />
Pascalle van: Subcultural grounding of teenage<br />
smoking, drinking and use of drugs. – S. 1 – 16<br />
Huysmans, Frank: The foundation of communication<br />
and action in consciousness: confronting<br />
action theory with systems theoretical<br />
arguments. – S. 17 – 32<br />
Nikken, Peter: Twelve years of Dutch children’s<br />
television: efforts of public and commercial<br />
TV channels for children up to twelve years<br />
old. – S. 33 – 52<br />
Computer und Recht<br />
Jg 18 (2002) Nr 12<br />
Kloos, Bernhard; Wagner, Axel-Michael: Vom<br />
Eigentum zur Verfügbarkeit: nutzungsorientierte<br />
Geschäftskonzepte im IT-Sektor aus vertragsrechtlicher<br />
Sicht. – S. 865 – 872<br />
Welker, Ann Marie; Schmidt, Petra: Kündigung<br />
von Softwarepflegeverträgen durch sog.<br />
End-of-Life-Schreiben. – S. 873 – 875<br />
310<br />
Röhrborn, Jens; Katko, Peter: Rechtliche Anforderungen<br />
an Wireless LAN: eine Untersuchung<br />
nach deutschem und europäischem<br />
<strong>Kommunikations</strong>recht. – S. 882 – 889<br />
Deckers, Stefan: Allgemeine Geschäftsbedingungen<br />
im Web-Design-Vertrag: Zulässigkeit<br />
üblicher Klauseln und vertragliche Gestaltungsmöglichkeiten<br />
für Besteller einer Web-<br />
Site. – S. 900 – 906<br />
Jg 19 (2003) Nr 1<br />
Schneider, Jochen: Neues zu Vorlage und Herausgabe<br />
des Quellcodes?: kritische Überlegungen<br />
zur Dissonanz zwischen vertraglicher und<br />
prozessualer Beurteilung des Quellcodes durch<br />
den BGH. – S. 1 – 58<br />
Deike, Thies: Open Source Software: IPR-Fragen<br />
und Einordnung ins deutsche Rechtssystem.<br />
– S. 9 – 17<br />
Splittgerber, Andreas: Die elektronische Form<br />
von bestimmenden Schriftsätzen. – S. 23 – 27<br />
In die ZPO sind durch das Formvorschriftenänderungsgesetz<br />
Regelungen eingeführt worden, welche<br />
die elektronische Form von Schriftsätzen zulassen.<br />
Die Einreichung von (bestimmenden) Schriftsätzen<br />
bei Gericht ist damit grundsätzlich mit den modernen<br />
<strong>Kommunikations</strong>medien (Fax, Computerfax, E-Mail)<br />
zulässig. Der Beitrag untersucht die Rechtssprechung<br />
des BGH und des BVerfG zum Schriftformerfordernis<br />
bei bestimmenden Schriftsätzen und trägt zur<br />
Klärung der Frage bei, ob beispielsweise auch Computerfaxe<br />
mit nur eingetipptem Namenszusatz oder<br />
E-Mails mit oder ohne digitale Signatur die erforderliche<br />
Form wahren.<br />
Mankowski, Peter: Für einen Augenscheinsbeweis<br />
hinsichtlich der Identität des Erklärenden<br />
bei E-mails: zugl. Anmerkung zu OLG Köln v.<br />
6.9.2002 – 19 U 16/02. – S. 44 – 49<br />
Der Autor untersucht in diesem Beitrag die für die<br />
Rechtsverbindlichkeit einer E-Mail bedeutende Frage,<br />
in welchem Umfang man sich rechtlich darauf verlassen<br />
darf, dass eine unter einer bestimmten E-Mail-<br />
Adresse abgegebene E-Mail vom Inhaber dieser<br />
Adresse stammt. Der Autor bejaht in diesem Zusammenhang<br />
aus tatsächlichen, ökonomischen und normativen<br />
Gründen einen Anscheinsbeweis und entkräftet<br />
die dagegen vorgebrachten Einwände.<br />
Jg 19 (2003) Nr 2<br />
Spindler, Gerald; Klöhn, Lars: Neue Qualifikationsprobleme<br />
im E-Commerce: Verträge über<br />
die Verschaffung digitalisierter Informationen<br />
als Kaufvertrag, Werkvertrag, Verbrauchsgüterkauf?.<br />
– S. 81 – 86<br />
Die Schuldrechtsreform im BGB hat auch im Bereich
des E-Commerce Rechtsunsicherheit geschaffen. Dieser<br />
Beitrag geht der Frage nach, wie Verträge über die<br />
Herstellung und Verschaffung digitalisierter Informationen<br />
(Software, digitalisierte Musik, Filme, E-Books<br />
etc.) in die jetzt vom BGB geregelten Vertragstypen<br />
einzuordnen sind. Auch wird in diesem Zusammenhang<br />
auf die Einführung des Verbraucherschutzrechts<br />
in das BGB sowie auf die Einordnungsprobleme bei<br />
der unentgeltlichen Informationsverschaffung hingewiesen.<br />
Wuermeling, Ulrich; Deike, Thies: Open<br />
Source Software: eine juristische Risikoanalyse.<br />
– S. 87 – 90<br />
Piepenbrock, Hermann-Josef; Rühmer, Thomas;<br />
Ruhle, Ernst-Olav: Netzbetreiberauswahl<br />
im Ortsnetz: § 43 Abs. 6 TKG n.F. und die Folgen<br />
für TK-Unternehmen. – S. 97 – 102<br />
Jg 19 (2003) Nr 3<br />
Feil, Thomas; Leitzen, Werner: EVB-IT Pflege<br />
S: der neue IT-Beschaffungsvertrag für die<br />
Pflege von Standardsoftware. – S. 161 – 164<br />
Heide, Nils: Softwarepatente im Verletzungsprozess:<br />
prozessuale Strategien bei der Durchsetzung<br />
von Softwarepatenten. – S. 165 – 171<br />
Müller, Felix: Was ist ortsnahe Zuführung?: die<br />
Auslegung des neuen § 43 Abs. 6 Satz 3 TKG<br />
im Spannungsfeld zwischen Bundestagsentschließung<br />
und EU-Vertragsverletzungsverfahren.<br />
– S. 176 – 181<br />
Koenig, Christian; Neumann, Andreas: Telekommunikationsrechtliche<br />
Regulierung von<br />
Domainnamen. – S. 182 – 186<br />
Härting, Niko: Informationspflichten der Anbieter<br />
von Mehrwertdiensten: 0190-Nummern<br />
im Fernabsatzrecht. – S. 204 – 208<br />
Der Autor kommt in diesem Beitrag zu dem Ergebnis,<br />
dass das Fernabsatzrecht und die entsprechenden<br />
Vorschriften des BGB auf Mehrwertdienste weitgehend<br />
anwendbar sind. Jedoch stellt die praktische<br />
Umsetzung dieser sich daraus ergebenden Pflichten<br />
den Diensteanbieter vor erhebliche und zum Teil<br />
kaum lösbare Schwierigkeiten. Solange die Möglichkeiten<br />
des Fernabsatzrechts zur Bekämpfung von<br />
Missbrauchsfällen nicht genutzt werden, besteht kein<br />
Anlass für die Erwartung, dass neue gesetzliche Informationspflichten<br />
eine wirksame Handhabe gegen unseriöse<br />
Anbieter von Mehrwertdiensten sein werden.<br />
Jg 19 (2003) Nr 4<br />
Paulus, Christoph G.: Insolvenzverfahren, Sanierungsplan:<br />
Risiken und Vermeidungsstrategien:<br />
dargestellt unter besonderer Berücksichtigung<br />
des Escrow-Agent. – S. 237 – 243<br />
Literatur · Zeitschriftenlese<br />
Stögmüller, Thomas: Fakturierung und Inkasso<br />
von Mehrwertdiensten: eine Untersuchung<br />
der gegenwärtigen und zukünftigen Rechtslage.<br />
– S. 251 – 257<br />
Raabe, Oliver: Abgrenzungsprobleme bei der<br />
rechtlichen Einordnung von Anonymisierungsdiensten<br />
im Internet: wie können die Regelungsbereiche<br />
des Telediensterechts zum Telekommunikationsrecht<br />
horizontal voneinander<br />
abgegrenzt werden?. – S. 268 – 273<br />
Nach wie vor ist die horizontale Abgrenzung des Telediensterechts<br />
zum Telekommunikationsrechts umstritten.<br />
Diese Problematik spielt auch für die Einordnung<br />
von Anonymisierungsdiensten eine entscheidende<br />
Rolle. In diesem Zusammenhang stellt sich insbesondere<br />
die Frage, ob die in der Diskussion<br />
befindliche Abgrenzung der Regelungsbereiche von<br />
Teledienste- zum Telekommunikationsrecht nach<br />
technischen Referenzmodellen sachgerecht ist und<br />
zudem der gesetzlichen Intention entspricht.<br />
Mayer, Christoph: Die Privatkopie nach Umsetzung<br />
des Regierungsentwurfs zur Regelung<br />
des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft:<br />
verkommt der Begriff „Recht zur<br />
Privatkopie“ zum bloßen Euphemismus?. –<br />
S. 274 – 280<br />
In diesem Beitrag wird die Behandlung der Privatkopie<br />
sowohl nach geltendem als auch nach zukünftigem,<br />
durch eine EU-Richtline geprägtem Recht näher<br />
betrachtet. Der Autor kommt zu dem Schluss, dass<br />
dem deutschen Gesetzgeber bei der Umsetzung der<br />
Richtlinie in nationales Recht nahezu kein Vorwurf<br />
gemacht werden kann.<br />
Computer und Recht international<br />
Jg 3 (2002) Nr 6<br />
Allitsch, Rainer: Data retention on the Internet:<br />
a measure with one foot offside?. – S. 161 – 168<br />
Beardwood, John: Tea leaves and goat entrails:<br />
a review of the privacy commisioner’s significant<br />
findings under new Canadian privacy legislation.<br />
– S. 169 – 176<br />
Jg 4 (2003) Nr 1<br />
Ruiz, Blanca Rodriguez: After Napster: cyberspace<br />
and the future of copyright. – S. 1 – 5<br />
Kabel, Jan: Spam: a terminal threat to ISPs?: the<br />
legal position of ISPs concerning their Anti-<br />
Spam policies in the EU after the privacy &<br />
telecom directive. – S. 6 – 10<br />
Westkamp, Guido: Towards access control in<br />
UK copyright law?: some remarks on the<br />
proposed implementation of the EU copyright<br />
directive. – S. 11 – 16<br />
311
M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />
Jg 4 (2003) Nr 2<br />
Dreyfuss, Rochelle C.; Ginsburg, Jane C.: Principles<br />
governing jurisdiction, choice of law, and<br />
judgements in transnational disputes: aim, scope<br />
and approach of the American Law Institute<br />
project on intellectual property. – S. 33 – 39<br />
Fallenböck, Markus; Weitzer, Johann: Digital<br />
rights management: a new approach to information<br />
and content management?. – S. 40 – 45<br />
Beardwood, John: Making all sales final: meeting<br />
the requirements for On-Line Consumer<br />
transactions in Canada. – S. 46 – 49<br />
Convergence<br />
Jg 8 (2002) Nr 4<br />
Gaudreault, André; Marion, Philippe: The<br />
cinema as a model for the genealogy of media.<br />
– S. 12 – 18<br />
Couchot, Edmond: Digital hybridisation: a<br />
technique, an aesthetic. – S. 19 – 28<br />
Szczepanik, Petr: Intermediality and<br />
(Inter)media reflexivity in contemporary cinema.<br />
– S. 29 – 36<br />
Ramsgard Thomsen, Mette: Positioning intermedia:<br />
intermedia and mixed reality. – S. 37 – 45<br />
Swalwell, Melanie: New/Inter/Media. – S. 46 –<br />
58<br />
Higgins, Hannah: Intermedial perception; or,<br />
fluxing across the sensory. – S. 59 – 76<br />
Bolter, Jay David: Formal analysis and cultural<br />
critique in digital media theory. – S. 77 – 88<br />
Fornäs, Johan: Passages across threshold: into<br />
the borderlands of mediation. – S. 89 – 108<br />
European Journal of Communication<br />
Jg 17 (2002) Nr 4<br />
Jansson, André: The mediatization of tourism<br />
experience. – S. 429 – 444<br />
Vyncke, Patrick: Lifestyle segmentation: from<br />
attitudes, interests and opinions, to values, aesthetic<br />
styles, life visions and media preferences.<br />
– S. 445 – 464<br />
Boni, Federico: Framing media masculinities:<br />
men’s lifestyle magazines and the biopolitics of<br />
the male body. – S. 465 – 478<br />
Taylor, Lisa: From ways of life to lifestyle: the<br />
ordinari-ization of British gardening lifestyle<br />
television. – S. 479 – 494<br />
312<br />
Kilicbay, Baris; Binark, Mutlu: Consumer culture,<br />
Islam and the politics of lifestyle: fashion<br />
for veiling in contemporary Turkey. – S. 495 –<br />
512<br />
Jg 18 (2003) Nr 1<br />
Lavie, Aliza; Lehmann-Wilzig, Sam: Whose<br />
news?: does gender determine the editorial product?.<br />
– S. 5 – 30<br />
„The study reported in this article is a survey of 16 female<br />
and 25 male editors in seven Israeli newspapers<br />
to examine how gender affects professional news selection.<br />
It rated the newsworthiness of 16 different general<br />
subject areas, 17 journalism selection criteria,<br />
and 14 ,concrete’ headlines as simulation. Several editors<br />
were also interviewed in-depth. Ninety students<br />
of mass communications were surveyed as a control<br />
group. The findings indicate an absence of significant<br />
,otherness’ between female and male editors, both in<br />
newsworthiness criteria and actual practice – similar<br />
to the control group. The article goes on to address<br />
possible reasons for the small number of Israeli women<br />
in editorial positions as well as the lack of gender<br />
distinctions regarding news values; personal, social<br />
economic and news consumption factors, rather than<br />
gender-related obstacles or organisational ethos, are<br />
implicated.“<br />
Papatheodorou, Fotini; Machin, David: The<br />
umbilical cord that was never cut: the post-dictatorial<br />
intimacy between the political elite and<br />
the mass medias in Greece and Spain. – S. 31 –<br />
54<br />
„Market dynamics has led to a dramatic transformation<br />
of the Spanish and Greek media systems since the<br />
late 1980s, bringing them in line with West European<br />
patterns. The current media landscape is, thus, a far<br />
cry from the introvert, parochial press and broadcasting<br />
systems present in the two countries in the first<br />
15 years of democratic government, when the partisan<br />
political control of radio and television and the overpolitisation<br />
of the press were dominant features of<br />
their media systems. The aim of this article is to analyse<br />
the key developments in the media industries of<br />
these two Southern European countries and identify<br />
the elements of continuity and change through an examination<br />
of the interplay between the state, the market<br />
and the media. Despite the multiplication of media<br />
outlets, it is argued, state policy in the media is determined<br />
as ever by the persistent culture of political expediency,<br />
typical of the European south, as political<br />
elites still seek desperately to influence the content of<br />
political coverage.“<br />
Spencer, Graham: Pushing for peace: the Irish<br />
government, television news and the Northern<br />
Ireland peace process. – S. 55 – 80<br />
„Although much has been written about the role of<br />
the news media within conflict situation, far less is<br />
known about the part played by reporting during a<br />
period of developing peace. This article approaches<br />
this question by looking at how the Irish government<br />
dealt with television news during the initial phases of<br />
the Northern Ireland peace process. In drawing from
interviews carried out with key government representatives,<br />
it presents a picture of diverse strategies applied<br />
by the Irish in their efforts to push for peace and<br />
indicates how different communicative priorities<br />
came into play to meet varying problems and opportunities<br />
afforded by television news coverage.“<br />
Gulyas, Agnes: Print media in post-communist<br />
East Central Europe. – S. 81 – 106<br />
Federal Communications Law Journal<br />
Jg 55 (2002) Nr 1<br />
Lavey, Warren G.: Making and keeping regulatory<br />
promises. – S. 1 – 60<br />
Der Beitrag diskutiert anhand unterschiedlicher Fälle<br />
aus dem Bereich der Telekommunikation, welche Bedeutung<br />
die Gewissheit im Hinblick auf zukünftige<br />
regulatorische Entscheidungen für die Industrie besitzt.<br />
Er kommt zu dem Ergebnis, dass klare Pläne für<br />
die Änderung der Regulierung für die Wirtschaft vorteilhaft<br />
sind. Gesetzgeber sollten daher die Regelungen<br />
nur in im Voraus bestimmten Intervallen ändern<br />
und die Regulierungsinstanzen auffordern, selbst Pläne<br />
für die Entwicklung regulatorischer Ansätze zu<br />
entwickeln. Unsicherheit kann dem Verfasser zufolge<br />
auch dadurch beseitigt werden, dass Industrie aber<br />
auch Konsumentengruppen gemeinsam mit dem Regulierer<br />
Vereinbarungen mit mehrjähriger Laufzeit<br />
über Veränderungen oder auch Konstanz der Regulierungsansätze<br />
schließen.<br />
Galperin, Hernan; Bar, François: The regulation<br />
of interactive television in the United<br />
States and the European Union. – S. 61 – 84<br />
Der Beitrag geht von der Beobachtung aus, dass interaktives<br />
Fernsehen an Bedeutung gewinnt und die Frage<br />
zu klären ist, wie unter diesen veränderten Bedingungen<br />
Politikziele wie Förderung von Wettbewerb,<br />
Innovation und Zugang zu vielfältigen Informationsquellen<br />
verfolgt werden können. Das Risiko, dass<br />
marktstarke Anbieter von Übertragungsplattformen<br />
ihre Marktmacht auf die Angebote interaktiven Fernsehens<br />
übertragen und damit Wettbewerb, Innovation<br />
und Vielfalt beschränken, wird von den Verfassern als<br />
hoch angesehen. Den neuen Problemen könne nur<br />
sehr begrenzt mit must-carry rules, ownership rules<br />
oder anderen Instrumenten struktureller Regulierung<br />
begegnet werden. Erforderlich sei vielmehr eine Zugangsregulierung,<br />
die bereits greift, bevor die technische<br />
Entwicklung Fakten schafft.<br />
Mota, Sue Ann: The U.S. Supreme Court<br />
addresses the child pornography prevention act<br />
and child online protection act in Ashcroft v.<br />
Free Spech coalition and Ashcroft v. American<br />
Civil Liberties Union. – S. 85 – 98<br />
Seit Jahren wird in den USA versucht, eine Jugendschutzregulierung<br />
für Internetdienste zu etablieren,<br />
die den strengen Anforderungen des First Amendment,<br />
dem amerikanischen Grundrecht der Meinungsfreiheit,<br />
genügt. Der Beitrag stellt zwei Entscheidungen<br />
des U.S. Supreme Court vor. In der einen<br />
wurden große Teile des Child Pornography Prevention<br />
Acts als verfassungswidrig eingestuft, weil sie die<br />
vom First Amendment geschützte Meinungsfreiheit<br />
Literatur · Zeitschriftenlese<br />
übermäßig einschränken. Dagegen ließ dem Beitrag<br />
zufolge der Supreme Court einen von ihm zu prüfenden<br />
Teil des Child Online Protection Acts als verfassungsgemäß<br />
passieren, da der Kongress offenbar die<br />
Leitlinien vorheriger Entscheidungen bei der Abfassung<br />
des Acts beachtet hat. Der Beitrag schließt mit<br />
dem Appell, vor dem Hintergrund dieser Entscheidungen<br />
die Regulierung weiter zu optimieren, um zu<br />
einem effektiven, aber auch verfassungskonformen<br />
Jugendschutz zu gelangen.<br />
Journal of Communication<br />
Jg 52 (2002) Nr 4<br />
Holladay, Sherry J.: „Have fun while you can“,<br />
„You’re only as old as you feel“, and „Don’t<br />
ever get old!“: an examination of memorable<br />
messages about aging. – S. 681 – 697<br />
Hajek, Christopher; Giles, Howard: The old<br />
man out: an intergroup analysis of intergenerational<br />
communication among gay men. – S. 698<br />
– 714<br />
Pecchioni, Loretta L.; Croghan, Jon M.: Young<br />
adults’ stereotypes of older adults with their<br />
grandparents as the targets. – S. 715 – 730<br />
Gilboa, Eytan: Global communication and foreign<br />
policy. – S. 731 – 748<br />
Clayman, Steven E.; Heritage, John: Questioning<br />
presidents: journalistic deference and adversarialness<br />
in the press conferences of U.S.<br />
Presidents Eisenhower and Reagan. – S. 749 –<br />
775<br />
Appiah, Osei: Black and White viewers’ perception<br />
and recall of occupational characters on<br />
television. – S. 776 – 793<br />
Schofield Clark, Lynn: U.S. adolescent religious<br />
identity, the media, and the „Funky“ side<br />
of Religion. – S. 794 – 811<br />
Greene, Kathryn et al: Elaboration in processing<br />
adolescent health messages: the impact of<br />
egocentrism and sensation seeking on message<br />
processing. – S. 812 – 831<br />
Parameswaran, Radhika: Reading fictions of<br />
romance: gender, sexuality, and nationalism in<br />
postcolonial India. – S. 832 – 851<br />
Hecht, Michael L. et al: Looking through Northern<br />
Exposure at Jewish American Identity<br />
and the communication theory of identity. –<br />
S. 852 – 869<br />
D’Angelo, Paul: News framing as a multiparadigmatic<br />
research program: a response to Entman.<br />
– S. 870 – 888<br />
Pratt, Cornelius B.; Ha, Louisa; Pratt, Charlot-<br />
313
M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />
te A.: Setting the public health agenda on major<br />
diseases in Sub-Saharan Africa: African popular<br />
magazines and medical journals, 1981-1997.<br />
– S. 889 – 904<br />
Nathanson, Amy I. et al: Counteracting the effects<br />
of female stereotypes on television via active<br />
mediation. – S. 922 – 937<br />
Leone, Ron: Contemplating ratings: an examination<br />
of what the MPAA considers „Too far<br />
for R“ and why. – S. 938 – 954<br />
Ex, Carine T. G. M.: Young females’ images of<br />
motherhood in relation to television viewing. –<br />
S. 955 – 971<br />
Kepplinger, Hans Mathias: Mediatization of<br />
politics: theory and data. – S. 972 – 986<br />
Massey, Brian L.; Chang, Li-ing Arthur: Locating<br />
Asian values in Asian journalism: a content<br />
analysis of web newspapers. – S. 987 – 1003<br />
Jg 53 (2003) Nr 1<br />
Gallois, Cindy: 2002 ICA presidential address:<br />
reconciliation through communication in intercultural<br />
encounters: potential or peril?. –<br />
S. 5 – 15<br />
Bishop, Ronald: The world’s nicest grown-up:<br />
a fantasy theme analysis of news media coverage<br />
of Fred Rogers. – S. 16 – 31<br />
Marvin, Carolyn: Portrayals of violence and<br />
group difference in newspaper photographs:<br />
nationalism and media. – S. 32 – 44<br />
Holbert, R. Lance; Shah, Dhavan V.; Kwak,<br />
Nojin: Political implications of prime-time<br />
drama and sitcom use: genres of representation<br />
and opinions concerning women’s rights. –<br />
S. 45 – 60<br />
Lowry, Dennis T. et al: Setting the public fear<br />
agenda: a longitudinal analysis of network TV<br />
crime reporting, public perceptions of crime,<br />
and FBI crime statistics. – S. 61 – 73<br />
Public perceptions of crime as the most important<br />
problem (MIP) facing the country jumped tenfold,<br />
from 5% in March of 1992 to an unprecedented 52%<br />
in August of 1994. This study analyzed the effects of<br />
three network television news predictor variables and<br />
two FBI predictor variables to determine what statistically<br />
accounted for the „big scare“. Based upon data<br />
from 1978 through 1998, results suggest that the 1994<br />
„bis scare“ was more a network TV news scare that a<br />
scare based upon the real world of crime. The television<br />
news variables alone accounted for almost four times<br />
more variance in public perceptions of crime as<br />
the MIP than did actual crime rates.<br />
314<br />
Pool, Marina M.; Koolstra, Cees M.; Voort,<br />
Tom H. A. van der: The impact of background<br />
radio and television on high school students’<br />
homework performance. – S. 74 – 87<br />
Romer, Daniel; Hall Jamieson, Kathleen; Aday,<br />
Sean: Television news and the cultivation of<br />
fear of crime. – S. 88 – 104<br />
Die Ergebnisse von drei Einzelstudien zum Einfluss<br />
von Lokalfernsehen auf die Verbrechensangst der Bevölkerung<br />
bestätigen die Annahmen der Kultivierungshypothese.<br />
Datenbasis waren Längs- und Querschnittdaten<br />
aus nationalen Umfragen sowie eine lokal<br />
begrenzte Befragung. Belege für andere Erklärungen<br />
duch konkurrierende Hypothesen fanden sich<br />
nicht. Die Nutzung lokaler Fernsehnachrichten führt<br />
demnach unabhängig von den tatsächlichen Verbrechensraten<br />
und unabhängig von Personenmerkmalen,<br />
die eine besondere Ansprechbarkeit für Verbrechensangst<br />
erwarten lassen, zu einer höheren Angst vor<br />
Verbrechen.<br />
Slater, Michael D.: Alienation, aggression, and<br />
sensation seeking as predictors of adolescent<br />
use of violent film, computer, and website content.<br />
– S. 105 – 121<br />
Sotirovic, Mira: How individuals explain social<br />
problems: the influence of media use. – S. 122 –<br />
137<br />
This study examined the role of media use in individuals’<br />
explanations of crime and welfare. Attribution<br />
theory and the information-processing approach to<br />
media effects provided a theoretical framework for<br />
this research. Media effects on explanations of social<br />
problems are enhanced by individuals´ patterns of information<br />
processing. Specifically, active processing<br />
of national television public affairs content increased<br />
while active processing of newspaper public affairs<br />
contect decreased the likelihood of individualistic explanations.<br />
The study also showed that individualistic<br />
explanations of crime and welfare are related to support<br />
for the death penalty and to opposition toward<br />
welfare programs.<br />
Hart, Roderick P.; Jennings, William P.; Dixson,<br />
Mary J.: Imagining the American people:<br />
strategies for building political community. –<br />
S. 138 – 154<br />
McDevitt, Michael: In Defense of autonomy:<br />
a critique of the public journalism critique. –<br />
S. 155 – 164<br />
Weispfenning, John: Cultural functions of reruns:<br />
time, memory, and television. – S. 165 –<br />
176<br />
Journal of Media Economics<br />
Jg 16 (2003) Nr 1<br />
Chan-Olmsted, Sylvia M.; Kang, Jae-Won:<br />
Theorizing the strategic architecture of a<br />
broadband television industry. – S. 3 – 22
„The emerging broadband environment is pushing<br />
forward a new phase of development for the television<br />
medium. Just as the introduction of cable television<br />
added the multichannel, narrow-casting capability to<br />
broadcast television, the arrival of the Internet and the<br />
broadband infrastructure brought more enhanced<br />
functions such as interactivity and personalization to<br />
cable television. This article introduces a strategic architecture<br />
that depicts the roles of various channel<br />
members and the interrelationships between them in<br />
the emerging broadband television industry by incorporating<br />
the concepts of value chain and complementary<br />
convergence. Contrary to the belief that the<br />
broadband industry would present a truly converged<br />
system in which firms from the multichannel television<br />
and telephone sectors compete in one another’s<br />
market with bundled services, this article anticipates a<br />
broadband market that continues to offer telecommunications<br />
and video programming products under two<br />
separate interfacing devices and different distribution<br />
infrastructures because of the importance of preserving<br />
the unique characteristics of each product.“<br />
Parsons, Patrick R.: Horizontal integration in<br />
the cable television industry: history and context.<br />
– S. 23 – 40<br />
„This article offers an historical review and analysis of<br />
horizontal integration in the cable television industry.<br />
It traces ownership patterns from the inception of the<br />
earliest multiple system operators (MSOs) to the formation<br />
of today’s industry behemoths. It is a business<br />
history that provides a panoramic view of the slow but<br />
steady concentration of holdings in the industry and<br />
looks at the contemporaneous forces that either accelerated<br />
or retarded such formation at given points in its<br />
development.“<br />
Chambers, Todd: Structural changes in small<br />
media markets. – S. 41 – 60<br />
»This article addresses the structural changes in the local<br />
broadcast television, radio, and daily newspaper<br />
industries in small media markets. Specifically, the<br />
study explores the consequences of shifting from a<br />
managed structure of regulation to an open-market<br />
structure of deregulation in markets with a population<br />
of 125,000 or less. Overall, the statistical analysis suggests<br />
a limited impact on the number of local owners<br />
when considering the gradual change from regulation<br />
to deregulation. However, the analysis suggests that<br />
there has been a negative impact on ownership diversity<br />
in some local media industries in the small markets<br />
since the Telecommunications Ac t of 1996.“<br />
Journal of Communication Inquiry<br />
Jg 27 (2003) Nr 1<br />
Marcellus, Jane: My grandmother’s black market<br />
birth control: „subjugated knowledges“ in<br />
the history of contraceptive discourse. – S. 9 –<br />
28<br />
Mellinger, Gwyneth: Counting color: ambivalence<br />
and contradiction in the American society<br />
of newspaper editiors’ discourse of diversity. –<br />
S. 129 – 151<br />
Literatur · Zeitschriftenlese<br />
Guzman, Isabel Molina: Contesting the borders<br />
of the imagined nation: the frame of religious<br />
marginalization in grassroots socially<br />
conservative discourses about sexuality in public<br />
education. – S. 29 – 48<br />
Rajgopal, Shoba S.: The politics of location:<br />
ethnic identity and cultural conflict in the cinema<br />
of the South Asian Diaspora. – S. 49 – 66<br />
Consalvo, Mia: Cyber-Slaying media fans:<br />
code, digital poaching and corporate control of<br />
the Internet. – S. 67 – 86<br />
Rauch, Jennifer: Rooted in nations, blossoming<br />
in globalization?: a cultural perspective on the<br />
content of a „Northern“ mainstream and a<br />
„Southern“ alternative news agency. – S. 87 –<br />
103<br />
Die Studie vergleicht die Berichterstattung zweier<br />
Nachrichtenagenturen: einer dem „Mainstream“ zugerechneten<br />
(Associated Press) und einer „alternativen“<br />
(Inter Press Service). Der Vergleich erfolgt nicht<br />
auf der Ebene der Nachrichtenauswahl, sondern auf<br />
der konkreten Textebene in Bezug auf Ereignisse,<br />
über die beide Agenturen berichten. Die qualitative<br />
Analyse der Angebote über den Gipfel der „Group of<br />
77“, der 2000 auf Kuba stattfand, zeigt, dass IPS in seinen<br />
Texten die Zusammenarbeit, die Errungenschaften<br />
und die Ziele der südlichen Länder betont,<br />
während AP Aspekte der Uneinigkeit und der Kontroverse<br />
in den Vordergrund stellt. In der Schlussfolgerung<br />
resümiert die Autorin, dass das Angebot von<br />
AP durch die hegemonialen Interessen und Vorannahmen<br />
der USA geprägt wird, wodurch sich bestätige,<br />
dass es vielfältigerer Informationsquellen bedürfe,<br />
um der Öffentlichkeit einen angemessenen Zugang zu<br />
relevanten Geschehnissen zu eröffnen.<br />
Journalism & Mass Communication<br />
Quarterly<br />
Jg 79 (2002) Nr 4<br />
Peter, Jochen; Lauf, Edmund: Reliability in<br />
cross-national content analysis. – S. 815 – 832<br />
Husselbee, L. Paul; Elliott, Larry: Loking beyond<br />
hate: how national and regional newspapers<br />
framed hate crimes in Jasper, Texas, and<br />
Laramie Wyoming. – S. 833 – 852<br />
Warren, Ron: Preaching to the choir?: parent’s<br />
use of TV ratings to mediate children’s viewing.<br />
– S. 867 – 886<br />
Len-Rios, Maria E.: The Bush and Gore Presidential<br />
campaign web sites: identifying with<br />
Hispanic voters during the 2000 Iowa Caucuses<br />
and New Hampshire Primary. – S. 887 – 904<br />
315
M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />
Deshpande, Sameer; Hitchcon, Jacqueline C.:<br />
Cause-related marketing ads in the light of negative<br />
news. – S. 905 – 926<br />
Min, Young: Intertwining of campaign news<br />
and advertising: the content and electoral effects<br />
of newspaper ad watches. – S. 927 – 944<br />
Lee, Moon J.; Ferguson, Mary Ann: Effects of<br />
Anti-Tobacco Advertisements based on risktalking<br />
tendencies: realistic fear vs. vulgar humor.<br />
– S. 945 – 963<br />
Shah, Dhavan et al: Nonrecursive models of internet<br />
use and community engagement: questioning<br />
whether time spent online erodes social<br />
capital. – S. 964 – 987<br />
Thomsen, Steven R.: Health and Beauty magazine<br />
reading and body shape concerns among a<br />
group of college women. – S. 988 – 1008<br />
Kommunikation und Recht<br />
Jg 5 (2002) Nr 12<br />
Koos, Stefan: Ausgewählte Aspekte des rechtlichen<br />
Schutzes gegen ungewollte Netzeinwahlen<br />
durch Dialer. – S. 617 – 625<br />
Tillmann, Michael: Telearbeit nach der Novellierung<br />
des BetrVG: die Geburt des doppelten<br />
Betriebsbegriffs. – S. 629 – 632<br />
Klimek, Oliver A.: Zugangsbeschränkungen im<br />
Rahmen des Application Service Providing: typische<br />
Klauseln und Inhaltskontrolle. – S. 633 –<br />
641<br />
Engels, Stefan: Liberalisierung des Telefonmarketings.<br />
– S. 642 – 643<br />
Strömer, Tobias H.: Der externe Jugendschutzbeauftragte.<br />
– S. 643 – 647<br />
Jg 6 (2003) Nr 1<br />
Großfeld, Bernhard; Hoeltzenbein, Josef: Global<br />
powers: international aspects of cyberspace<br />
patents. – S. 1 – 7<br />
Koenig, Christian; Loetz, Sascha; Neumann,<br />
Andreas: Sektorspezifische Regulierung im<br />
neuen Telekommunikationsrecht: Umsetzungsspielräume,<br />
verfassungsrechtliche Vorgaben<br />
und Verfahrensgestaltung. – S. 1 – 30<br />
Koenig, Christian; Loetz, Sascha; Neumann,<br />
Andreas: Der Begriff des funktionsfähigen<br />
Wettbewerbs im deutschen Telekommunikationsrecht.<br />
– S. 8 – 15<br />
316<br />
„Gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 TKG ist die Sicherstellung<br />
eines chancengleichen und funktionsfähigen Wettbewerbs<br />
Ziel der telekommunikationsrechtlichen Regulierung.<br />
Zugleich weist § 81 Abs. 3 TKG dem Begriff<br />
des funktionsfähigen Wettbewerbs bei der Beurteilung<br />
der Möglichkeit einer Optimierung oder Zurückführung<br />
der sektorspezifischen Regulierung eine<br />
zentrale Rolle zu. Dennoch fehlt es bislang an einer<br />
genaueren Bestimmung des telekommunikationsrechtlichen<br />
Begriffs „funktionsfähiger Wettbewerb“.<br />
Eine solche war unmittelbar nach der endgültigen Liberalisierung<br />
der deutschen Telekommunikationsmärkte<br />
weitgehend entbehrlich, da es damals unzweifelhaft<br />
war, dass in den regulierten Telekommunikationsmärkten<br />
kein funktionsfähiger Wettbewerb<br />
herrschte. Die mittlerweile erfolgte Intensivierung des<br />
Wettbewerbs macht es jedoch notwendig, das Konzept<br />
des funktionsfähigen Wettbewerbs schärfer zu<br />
konturieren. Eine solche Konturierung aus juristischer<br />
und ökonomischer Perspektive zu leisten ist<br />
Anliegen des [...] Beitrags.“<br />
Berlinger, Daniela: Resale im Mobilfunk. –<br />
S. 16 – 20<br />
Geis, Ivo: Elektronische Kommunikation mit<br />
der öffentlichen Verwaltung. – S. 21 – 27<br />
Jg 6 (2003) Nr 2<br />
Gounalakis, Georgios: Das TK-Sonderkartellrecht<br />
und die Regelungen zur Belegung von<br />
Übertragungskapazitäten auf dem Prüfstand. –<br />
S. 49 – 52<br />
Der Beitrag greift die Thematik auf, ob es sinnvoll ist,<br />
das Sonderkartellrecht im Telekommunikationsrecht<br />
abzuschaffen und die Regelungen über die Belegung<br />
von Übertragungskapazitäten beizubehalten. Er konstatiert,<br />
dass das materielle <strong>Medien</strong>recht in den Bereich<br />
zu straffen und zu harmonisieren ist, in denen es<br />
derzeit zu behebbaren Anwendungs- und Kompetenzkonflikten<br />
kommt. Dies gilt zum einen für das<br />
Verhältnis zwischen sektorspezifischem Kartellrecht<br />
im TKG und GWB, zum anderen besteht eine Harmonisierungsbedarf<br />
zwischen den telekommunikations-<br />
und medienrechtlichen Vorschriften, welche die<br />
Belegung von Übertragungswegen regeln.<br />
Wissmann, Martin; Klümper, Mathias: Effizienter<br />
Rechtsschutz und Rechtsweg im künftigen<br />
<strong>Kommunikations</strong>recht. – S. 52 – 58<br />
Durch die Umsetzung des EU-Richtlinienpakets für<br />
die elektronische Kommunikation kommt dem<br />
Rechtsschutz eine besondere Bedeutung zu. Nach einer<br />
kurzen Darstellung des gegenwärtigen Rechtsschutzes<br />
im TK-Sektor zeigen die Autoren die<br />
zukünftigen Anforderungen an den Rechtsschutz<br />
nach dem neuen europäischen Rechtsrahmen sowie<br />
sich daraus ergebende Anpassungs- und Änderungsbedarfe<br />
im Hinblick auf behördliche Streitbeilegungsverfahren<br />
und gerichtlichen Rechtsschutz auf.<br />
Viefhues, Wolfram; Volesky, Karl-Heinz:<br />
Elektronischer Rechtsverkehr – wird die Chance<br />
genutzt?. – S. 59 – 63
Gitter, Rotraud; Roßnagel, Alexander: Rechtsfragen<br />
mobiler Agentensysteme im E-Commerce.<br />
– S. 64 – 71<br />
Eriksen, Lars H.: Die Bilanzierung von Software<br />
nach deutschem Recht. – S. 72 – 74<br />
Jg 6 (2003) Nr 3<br />
Heckmann, Dirk: E-Vergabe als Motor für E-<br />
Government?. – S. 97 – 104<br />
Stichtenoth, Joans: Softwareüberlassungsverträge<br />
nach dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz.<br />
– S. 105 – 109<br />
Capito, Ralf; Elspaß, Mathias: Die Auswahl des<br />
Betreibers und der neue Rechtsrahmen der Europäischen<br />
Gemeinschaft für die Märkte der<br />
elektronischen Kommunikation. – S. 110 – 117<br />
Der Beitrag beleuchtet kurz die derzeitigen gemeinschaftsrechtlichen<br />
und nationalen Vorgaben zur Betreiberauswahl<br />
und erläutert die relevanten Vorschriften<br />
des neuen europäischen <strong>Kommunikations</strong>rechtsrahmens.<br />
Im Anschluss wird untersucht, inwieweit<br />
die Änderungen des TKG mit den Vorgaben des Gemeinschaftsrechts<br />
übereinstimmen und welche Umsetzungsbedarfe<br />
entstehen. Am Beispiel der regulatorischen<br />
Vorgaben zur Betreiberauswahl werden dabei<br />
zugleich grundlegenden Rechtsfragen und die Funktionsweise<br />
des neuen Rechtsrahmens der Gemeinschaft<br />
erörtert.<br />
Obergfell, Eva Ines: Deutscher Urheberschutz<br />
auf internationalem Kollisionskurs. – S. 118 –<br />
125<br />
Reinhard, Tim; Lober, Andreas: The show<br />
must go on: Lizenzverträge in der Insolvenz. –<br />
S. 126 – 129<br />
Jg 6 (2003) Nr 4<br />
Ladeur, Karl-Heinz: Das europäische Telekommunikationsrecht<br />
im Jahr 2002. – S. 153 –<br />
159<br />
„Der Beitrag gibt einen Überblick über die Entwicklung<br />
des Telekommunikationsrechts, insbesondere<br />
die Vollendung des Richtlinienpakets und der Ansätze<br />
zu seiner Umsetzung in die Rechtspraxis der Mitgliedstaaten<br />
und die Entscheidungspraxis von Kommission<br />
und europäischen Gerichten zum Wettbewerbsrecht,<br />
soweit sie für die Telekommunikationsmärkte<br />
von Bedeutung ist.“<br />
Gerpott, Torsten J.: Regulierung der Qualitätsberichterstattung<br />
für Telekommunikationsdienste.<br />
– S. 160 – 167<br />
„In etlichen Industriestaaten werden zum Teil bereits<br />
seit längerer Zeit von Marktaufsichtsbehörden für den<br />
Telekommunikationssektor Qualitätsdaten von TK-<br />
Diensten regelmäßig erhoben und veröffentlicht. In<br />
Deutschland hingegen wurden nach der vollständigen<br />
Literatur · Zeitschriftenlese<br />
Öffnung der TK-Dienstemärkte für Wettbewerb im<br />
Januar 1998 erst einmal im Juli 2002 entsprechende<br />
Qualitätsinformationen für den festnetzbasierten<br />
Sprachtelefondienst von der zuständigen Behörde in<br />
deren Amtsblatt publiziert. Der [...]Artikel analysiert<br />
zunächst konzeptionell die Vorteilspotentiale und -<br />
voraussetzungen einer regulierten Qualitätsberichterstattung<br />
für TK-Dienste aus der Perspektive verschiedener<br />
Marktparteien. Dann vergleicht er diese Berichterstattung<br />
für den festnetzbasierten Sprachtelefondienst<br />
in Deutschland mit derjenigen in den USA,<br />
Großbritannien und Australien. Aus den konzeptionellen<br />
und ländervergleichenden Analysen werden<br />
Vorschläge zur Weiterentwicklung der Inhalte sowie<br />
des Verfahrens der regulierten Qualitätsberichterstattung<br />
für Telekommunikationsdienste in Deutschland<br />
abgeleitet.“<br />
Hilgendorf, Eric; Hong, Seung-Hee: Cyberstalking.<br />
– S. 168 – 172<br />
Lubitz, Markus: Internetvertrieb und Kfz-<br />
GVO Nr. 1400/2002. – S. 173 – 176<br />
Bousonville, Ruth Maria: Rat und Auskunft am<br />
Telefon – Anwalts-Hotline. – S. 177 – 180<br />
Mass Communication & Society<br />
Jg 5 (2002) Nr 4<br />
Alexander, Alison et al: Quality standards in<br />
children’s programming: an independent observation<br />
of industry claims. – S. 383 – 394<br />
Shen, Fuyuan; Wu, H. Denis: Effects of Soft-<br />
Money issue advertisements on candidate evaluation<br />
and voting preference: an exploration. –<br />
S. 395 – 410<br />
Lowrey, Wilson: Word people vs. picture people:<br />
normative differences and strategies for<br />
control over work among newsroom subgroups.<br />
– S. 411 – 432<br />
Bullock, Cathy F. et al: Group affiliations, opinion<br />
polarization, and global organizations:<br />
views of the world trade organization before<br />
and after Seattle. – S. 433 – 450<br />
Media, culture & society<br />
Jg 24 (2002) Nr 6<br />
Watson, Iarfhlaith: Irish-language broadcasting:<br />
history, ideology and identity. – S. 739<br />
– 758<br />
Yteberg, Espen: Ideal types in public service television:<br />
paternalists and bureaucrats, charismatics,<br />
and avant-gardists. – S. 759 – 774<br />
Silk, Michael: „Bangsa Malaysia“: global sport,<br />
the city of the mediated refurbishment of local<br />
identities. – S. 775 – 794<br />
317
M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />
Winseck, Dwayne: Netscapes of power: convergence,<br />
consolidation and power in the Canadian<br />
mediascape. – S. 795 – 820<br />
Sonwalkar, Prasun: „Murdochization“ of the<br />
Indian press: from by-line to bottom-line. –<br />
S. 821 – 834<br />
Jg 25 (2003) Nr 1<br />
Hoskins, Andrew: Signs of the Holocaust:<br />
exhibiting memory in a mediated age. – S. 7 –<br />
22<br />
Diese Ausgabe der Zeitschrift ist dem Thema „Soziales<br />
Gedächtnis und <strong>Medien</strong>“ gewidmet. Die Beiträge<br />
befassen sich mit einer Reihe unterschiedlicher Formen<br />
von kollektiver Erinnerung mittels unterschiedlicher<br />
<strong>Medien</strong> und in verschiedenen Ländern bzw. Regionen<br />
(Holocaust-Erinnerungen, Genozid in Kambodscha,<br />
Apartheid in Südafrika und der DDR). Beschrieben<br />
werden verschiedene Formen des sozialen<br />
Gedächtnisses (öffentlich, kulturell, national, familiär<br />
usw.), Erinnerungen als Formen sozialen Handelns<br />
und gesellschaftlicher Strukturen und die Rolle von<br />
<strong>Medien</strong> wie elektronische <strong>Medien</strong>, Fotos oder interaktive<br />
<strong>Medien</strong> in Museen.<br />
Hughes, Rachel: The abject artefacts of memory:<br />
photographs from Cambodia’s genocide.<br />
– S. 23 – 45<br />
Andrews, Molly: Grand national narratives and<br />
the project of truth commissions: a comparative<br />
analysis. – S. 45 – 67<br />
Reading, Anna: Digital interactivity in public<br />
memory institutions: the uses of new technologies<br />
in Holocaust museums. – S. 67 – 86<br />
Hassan, Robert: The MIT media lab: techno<br />
dream factory or alienation as a way of life?. –<br />
S. 87 – 106<br />
Jg 25 (2003) Nr 2<br />
Kraidy, Marwan M.; Goeddertz, Tamara:<br />
Transnational advertising and international relations:<br />
US press discourses on the Benetton<br />
„We on death row“ campaign. – S. 147 – 166<br />
Oren, Tasha G.: The belly dancer strategy: Israeli<br />
edeucational television and its alternatives.<br />
– S. 167 – 186<br />
Connell, Liam: The Scottishness of the Scottish<br />
press: 1918-1939. – S. 187 – 208<br />
Deacon, David: Holism, communion and conversion:<br />
integrating media consumption and<br />
production research. – S. 209 – 232<br />
Ward, David: State aid or band aid?: did the Eu-<br />
318<br />
ropean Commission really destroy the European<br />
model of public service broadcasting?. –<br />
S. 232 – 250<br />
Der Artikel untersucht die Haltung der Europäischen<br />
Kommission in Bezug auf die staatliche Unterstützung<br />
im Rundfunksektor und insbesondere die Finanzierung<br />
des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.<br />
Gegen die Kritik von verschiedener Seite die Kommission<br />
gefährde mit ihrer Politik die Existenz des öffentlich-rechtlichen<br />
Rundfunks argumentiert der Autor<br />
die Kommission verfolge eine durchdachte Strategie,<br />
die die Existenz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks<br />
längerfristig stärke.<br />
Pietikäinen, Sari; Hujanen, Jaana: At the crossroads<br />
of ethnicity, place and identity: representations<br />
of northern people and regions in Finnish<br />
news discourse. – S. 251 – 268<br />
Ausgehend von der Bedeutung der öffentlichen Kommunikation<br />
für die Bildung von Identitäten untersuchte<br />
die in diesem Beitrag vorgestellte Studie diskursanalytisch<br />
die Repräsentationen des finnischen<br />
Nordens und seiner Bevölkerung insbesondere der<br />
Samen und der Finnen in Nachrichten. Untersucht<br />
wurden regionale und nationale Zeitungen in der Zeit<br />
von 1985 bis 1994. Ein Zusammenhang zeigte sich<br />
zwischen der Dominanz von offiziellen Akteuren in<br />
der Presse-Berichterstattung und der Repräsentation<br />
von Bewohnern des Nordens als marginale Zuschauer<br />
und Gegenstand der Handlungen der Mehrheit im<br />
Süden des Landes.<br />
Media Perspektiven<br />
(2002) Nr 12<br />
Zubayr, Camille; Gerhard, Heinz: Berichterstattung<br />
zur Bundestagswahl aus Sicht der Zuschauer:<br />
Ergebnisse einer Repräsentativbefragung<br />
und der GfK-Fernsehforschung. – S. 586<br />
– 599<br />
„Basierend auf zwei Datenquellen, der regelmäßigen<br />
Zuschauerforschung der GfK und dem ARD/ZDF-<br />
Wahltrend, einer zweistufigen Repräsentativumfrage<br />
unter insgesamt 2500 Wahlberechtigten, bilanzieren<br />
die Autoren die Nutzung und Bewertung der Fernsehberichterstattung<br />
zur Bundestagswahl am 22. September<br />
2002. Über die Hälfte der Befragten gab an,<br />
dass das Fernsehen im Wahlkampf die wichtigste Informationsquelle<br />
für sie war. 51,7 Millionen Bundesbürger<br />
sahen sich zumindest eine Wahlsondersendung<br />
im Ersten, bei ZDF, RTL oder SAT.1 an. Damit fand<br />
die Vorwahlberichterstattung des Fernsehens eine<br />
ähnliche Resonanz beim Publikum wie bei der Bundestagswahl<br />
vier Jahre zuvor. ...“<br />
Dehm, Ursula: Fernsehduelle im Urteil der Zuschauer:<br />
eine Befragung des ZDF zu einem<br />
neuen Sendungsformat bei der Bundestagswahl<br />
2002. – S. 600 – 609<br />
„Schlagworte wie <strong>Medien</strong>wahlkampf und Amerikanisierung<br />
prägten (wieder einmal) die öffentliche Debatte<br />
um den Bundestagswahlkampf 2002. Im Zentrum<br />
des Interesses standen dieses Mal die erstmals ausgetragenen<br />
„Fernsehduelle“ zwischen Bundeskanzler
Gerhard Schröder und seinem Herausforderer Edmund<br />
Stoiber. Die beiden von ARD/ZDF bzw.<br />
RTL/SAT.1 übertragenen Debatten erreichten jeweils<br />
mehr Zuschauer als jede andere Sendung zur Bundestagswahl.<br />
... Spekulationen über eine möglicherweise<br />
wahlentscheidende Bedeutung der Fernsehduelle geben<br />
die Befragungsergebnisse wenig Nahrung: je nach<br />
(vor den Sendungen geäußerter) Präferenz für einen<br />
der beiden Kandidaten sahen die meisten Zuschauer<br />
auch die Fernsehduelle unterschiedlich. ... Die Meinungen<br />
zu den Kandidaten haben sich bei deren Anhängern<br />
durch die Fernsehduelle nur sehr geringfügig<br />
verändert.“<br />
Krüger, Udo Michael; Zapf-Schramm, Thomas:<br />
Wahlberichterstattung im öffentlichrechtlichen<br />
und privaten Fernsehen: Ergebnisse<br />
des ARD/ZDF-Wahlmonitors 2002. –<br />
S. 610 – 622<br />
Müller, Dieter K.: ARD und ZDF als Werbeträger<br />
nach 20.00 Uhr: Wahlwerbung im Fernsehen.<br />
– S. 623 – 628<br />
Müller, Marion G.: Parteienwerbung im Bundestagswahlkampf<br />
2002: eine qualitative Analyse<br />
politischer Werbung und PR. – S. 629 – 638<br />
(2003) Nr 1<br />
Kuchenbuch, Katharina: Die Fernsehnutzung<br />
von Kindern aus verschiedenen Herkunftsmilieus:<br />
eine Analyse anhand des Sinus-Milieu-<br />
Modells. – S. 2 – 11<br />
Fritz, Irina; Klingler, Walter: Zeitbudgets und<br />
Tagesablaufverhalten in Deutschland: die Position<br />
der Massenmedien: Ergebnisse auf Basis<br />
der ARD/ZDF-Studie Massenkommunikation<br />
2000. – S. 12 – 23<br />
Pätzold, Ulrich; Röper, Horst: Fernsehproduktionsvolumen<br />
1998 bis 2000: Fortschreibung<br />
der Formatt-Studie über Konzentration<br />
und regionale Schwerpunkte der Auftragsproduktionsbranche.<br />
– S. 24 – 34<br />
Adlbrecht, Jo: Internetverbreitung und Onlinenutzung<br />
in Österreich: ORF ist führendes<br />
<strong>Medien</strong>angebot im Internet. – S. 35 – 43<br />
(2003) Nr 2<br />
Breunig, Christian: Onlineangebote für Jugendliche:<br />
Jugend-Websites sind ideale Ergänzung<br />
zu den klassischen <strong>Medien</strong>. – S. 50 – 66<br />
„... In der hier erstmals vorliegenden Übersicht werden<br />
die Onlineangebote für Jugendliche systematisiert,<br />
einzelne Angebote vorgestellt, der Nutzen der<br />
Angebote für die Jugendlichen umschrieben, die Betreiber<br />
der Websites benannt und deren Ziele dargelegt.<br />
...“<br />
Literatur · Zeitschriftenlese<br />
Eimeren, Birgit van: Internetnutzung Jugendlicher:<br />
Erlebniswert des Internets beruht wesentlich<br />
auf Kommunikation und Unterhaltung.<br />
– S. 67 – 75<br />
Turecek, Oliver; Grajczyk, Andreas; Roters,<br />
Gunar: Video- und DVD-Markt im Aufwind:<br />
2001 und 2002 erfolgreiche Jahre für die Videobranche.<br />
– S. 76 – 85<br />
Gaßner, Hans-Peter: Werbeerfolgskontrolle<br />
mit der Spot-Analyse Radio: die Wirkung von<br />
Radiospots messen. – S. 86 – 92<br />
Krüger, Udo Michael; Zapf-Schramm, Thomas:<br />
Wandel der Unterhaltungsformate im<br />
Fernsehen bei robuster Spartenstruktur: Programmanalyse<br />
2002/I. – S. 102 – 114<br />
Gerhards, Maria; Klingler, Walter: <strong>Medien</strong>nutzung<br />
in der Zukunft: eine Prognose auf der Basis<br />
aktueller Daten. – S. 115 – 130<br />
Neuberger, Christoph: Onlinejournalismus:<br />
Veränderungen – Glaubwürdigkeit – Technisierung:<br />
eine Sekundäranalyse bisheriger Forschungsergebnisse<br />
und <strong>wissenschaft</strong>licher<br />
Analysen. – S. 131 – 138<br />
„Ein Kennzeichen für den Onlinejournalismus ist,<br />
dass die frühere Knappheit an Vermittlungskapazität<br />
abgelöst wird durch Knappheit an Aufmerksamkeit<br />
und Kompetenz aufseiten der Nutzer. Zudem entwickeln<br />
sich im Internet neue Angebotsformen, die im<br />
weiteren Sinn journalistische Leistungen erbringen<br />
(z.B. Weblogs, peer-to-peer-Angebote). ... Onlinenutzer<br />
orientieren sich, wie Befragungen in den USA<br />
gezeigt haben, bei der Bewertung von Angeboten<br />
zwar stärker als Journalisten und Experten an Gestaltungsmerkmalen.<br />
Dennoch hat die Einhaltung journalistischer<br />
Berufsnormen für sie eine große Bedeutung.<br />
Nutzer erwarten Transparenz über Anbieter<br />
und Quellen sowie eine klare Trennung zwischen redaktionellem<br />
Teil und Werbung. Journalistische und<br />
kommerzielle Inhalte lassen sich nach ihrer Einschätzung<br />
im Internet oft nur schwer unterscheiden, und<br />
auch Transparenz ist nicht ausreichend gegeben. In<br />
den USA ist den Ergebnissen einer jährlichen repräsentativen<br />
Befragung zufolge das Zutrauen in die Zuverlässigkeit<br />
von Internetinformatoinen tendenziell<br />
rückläufig. ...“<br />
Gleich, Uli: Qualität im Journalismus am Beispiel<br />
der Kriegsberichterstattung: Forschungsbeiträge<br />
zur Qualitätsdebatte. – S. 139 – 148<br />
Media psychology<br />
Jg 4 (2002) Nr 4<br />
Raney, Arthur A.: Moral judgement as a predictor<br />
of enjoyment of crime drama. – S. 305 –<br />
322<br />
319
M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />
Haridakis, Paul M.: Viewer characteristics, exposure<br />
to television violence, and aggression. –<br />
S. 323 – 352<br />
Eveland, William P.; Seo, Mihye; Marton,<br />
Krisztina: Learning from the news in campaign<br />
2000: an experimental comparison of TV news,<br />
newspapers, and online-news. – S. 353 – 378<br />
Jg 5 (2003) Nr 1<br />
Cantor, Joanne; Mares, Marie-Louise; Hyde,<br />
Janet S.: Autobiographical memories of exposure<br />
to sexual media content. – S. 1 – 32<br />
Gegenstand der vorgestellten Inhaltsanalyse waren<br />
Beschreibungen von Erinnerungen an Kontakte mit<br />
sexuellen <strong>Medien</strong>inhalten, die bei 196 Undergraduate<br />
Students erhoben worden waren. Die Berichte waren<br />
emotional sowohl positiv als auch negativ gefärbt, wobei<br />
sich signifikante Unterschiede nach Alter zum<br />
Zeitpunkt des <strong>Medien</strong>kontakts (5 bis 12 Jahre versus<br />
13 Jahre und älter) und Geschlecht zeigten. Bericht<br />
über frühe Kontakte bezogen sich mehr auf oberflächliche<br />
Merkmale (z.B. Nacktheit) sowie auf Empfindungen<br />
von Schuld oder Verwirrung, während sich<br />
Berichte über spätere Kontakte auf Elemente der Geschichte<br />
(z.B. Vergewaltigung) bezogen und eher mit<br />
Wut, Ekel und Trauer verbunden waren. Die Berichte<br />
von Männern bezogen sich stärker auf physische<br />
Aspekte und waren in der Regel positiver als die von<br />
Frauen, die sich stärker auf die Beziehungsaspekte von<br />
„depictions“ bezogen. Die erinnerten <strong>Medien</strong>inhalte<br />
stammten weit überwiegend aus Filmen, die mindestens<br />
mit der Kategorie R klassifiziert worden waren;<br />
diese Filme wurden zu Hause, in Abwesenheit der Eltern<br />
gesehen. Abschließend werden Möglichkeiten<br />
diskutiert, wie die Aufmerksamkeit der Eltern sowie<br />
ihr medienbezogenes Erziehungsverhalten gefördert<br />
werden können.<br />
Bolls, Paul D.; Lang, Annie: I saw it on the radio:<br />
the allocation of attention to high-imagery<br />
radio advertisements. – S. 33 – 56<br />
In dieser Studie wurde untersucht, wie sich der Grad<br />
an bildlichen Vorstellungen in Radio-Werbespots die<br />
Allokation kognitiver Ressourcen bei der Speicherung<br />
der Botschaft des Spots im Gedächtnis auswirkt. In einem<br />
Experiment hörten sich die Teilnehmer 24 ca. 60sekündige<br />
Radiospots an, die zuvor danach klassifiziert<br />
worden waren, inwieweit sie bildliche Vorstellungen<br />
enthielten. Bei der Hälfte der Spots wurden<br />
Zusatzaufgaben gestellt und die Reaktionszeiten bei<br />
der Lösung dieser Aufgaben gemessen. Nach jedem<br />
Spot wurde außerdem das selbst wahrgenommene Involvement<br />
erfragt. Die Reaktionszeiten für die Sekundäraufgabe<br />
waren kürzer bei den Spots, die mit bildlichen<br />
Vorstellungen arbeiteten; bei diesen Spots war<br />
auch das von den Teilnehmern wahrgenommene Involvement<br />
stärker. Die Ergebnisse sprechen dafür,<br />
dass Radiohörer mehr kognitive Ressourcen in die<br />
Verarbeitung von sehr bildhaften Radiospots investieren,<br />
als dies für die eigentliche Botschaft notwendig<br />
wäre.<br />
Salwen, Michael B.; Dupagne, Michael: News<br />
of Y2K and experiencing Y2K: exploring the<br />
320<br />
relationship between the third-person-effect<br />
and optimistic bias. – S. 57 – 82<br />
Die Studie befasst sich mit den Erwartungen der Amerikaner<br />
Ende des Jahres 1999 hinsichtlich der für das<br />
Jahr 2000 vorhergesagten Probleme. Theoretisch geht<br />
es um das Verhältnis zwischen Third-Person-Effekt<br />
und der sozialpsychologischen Theorie des ,optimistic<br />
bias’. Der Third-Person-Effekt sagt voraus, dass<br />
sich Menschen selbst für weniger von <strong>Medien</strong> beeinflussbar<br />
halten als andere Menschen. Um diesen Effekt<br />
zu erklären, berufen sich einige Forscher auf den<br />
„optimistic bias“, der darin besteht, dass Menschen<br />
davon ausgehen, dass sie mit geringerer Wahrscheinlichkeit<br />
als andere Menschen Opfer negativer Ereignisse<br />
werden. Bisher allerdings gibt es zu dieser These<br />
kaum empirische Evidenz. Wie erwartet, bezeichneten<br />
sich die Befragten selbst als weniger von der massiven<br />
<strong>Medien</strong>berichterstattung zur Jahrtausendwende<br />
beeinflusst als andere Menschen. Außerdem erwarteten<br />
sie für sich persönlich geringere negative Auswirkungen<br />
der mit dem Jahreswechsel verbundenen Probleme.<br />
Allerdings zeigte sich keinerlei Zusammenhang<br />
zwischen diesen beiden Urteilstendenzen; diese<br />
wurden offensichtlich auch von unterschiedlichen<br />
Prädiktoren beeinflusst. Die Befunde zeigen, dass der<br />
Third-Person-Effekt nicht lediglich ein medienbezogener<br />
Sonderfall eines „optimistic bias“ ist, sondern<br />
dass die Menschen unterschiedliche Kriterien heranziehen,<br />
wenn es um die Wahrscheinlichkeit bestimmter<br />
Ereignisse und um die möglichen Wirkungen der<br />
<strong>Medien</strong>berichterstattung über diese Ereignisse geht.<br />
Nowak, Kristine L.: Sex categorization in<br />
Computer mediated communication (CMC):<br />
exploring the utopian promise. – S. 83 – 104<br />
Ausgangspunkt sind zwei widersprüchliche Thesen<br />
im Hinblick auf die Rolle der Geschlechterkategorisierung<br />
in der computervermittelten Kommunikation.<br />
Während eine Seite betont, durch die fehlenden Hinweise<br />
auf die Geschlechtszugehörigkeit könne die<br />
Kommunikation gleichberechtigter verlaufen, verweist<br />
die andere Seite darauf, dass die entsprechenden<br />
Hinweise die Verbindlichkeit und Zuverlässigkeit der<br />
Kommunikation erhöhten. In einer Untersuchung<br />
unter 42 Studierenden wurden diese nach Bearbeitung<br />
einer computergestützen Problemlöseaufgabe, die in<br />
Kooperation mit Anderen zu bearbeiten war, befragt:<br />
Mehr als ein Drittel der Befragten ordneten ihren<br />
Partner keiner Geschlechtskategorie zu. Die Mehrheit<br />
derer, die eine solche Zuordnung vornahmen, lagen<br />
dabei falsch. Die Teilnehmer ohne Zuordnung empfanden<br />
die Zusammenarbeit als unmittelbarer und<br />
glaubwürdiger. Frauen berichteten, diese Art der<br />
Kommunikation ermögliche ihnen höhere soziale<br />
Präsenz. Diese Befunde werden im Sinne der These interpretiert,<br />
dass computergestützte <strong>Kommunikations</strong>systeme,<br />
die keine Hinweise auf soziodemographische<br />
Merkmale beinhalten, eine gleichberechtigtere<br />
Kommunikation fördern können.<br />
medien + erziehung<br />
Jg 47 (2003) Nr 1<br />
Fritz, Jürgen: Action, Lebenswelten und<br />
Transfer. – S. 7 – 21<br />
Brinkmann, Dieter: Alles action – oder was?:
Erlebniswelten als informelle Lernorte. – S. 22<br />
– 27<br />
Paus-Hasebrink, Ingrid; Lampert, Claudia:<br />
Dragonball und DragonballZ: Action, Abenteuer,<br />
Anime. – S. 28 – 31<br />
Warkus, Hartmut; Jacob, Thomas: Von LANs<br />
und Clans: Gespräche am Rande der Games<br />
Convention in Leipzig. – S. 32 – 34<br />
Masuch, Maic; Fromme, Johannes: Computerspiele<br />
in der universitären Ausbildung. – S. 35 –<br />
40<br />
Blömeke, Sigrid: Portfolio als Instrument zur<br />
Stärkung der medienpädagogischen Anteile in<br />
der Lehrerausbildung. – S. 47 – 51<br />
Hüther, Jürgen: Wegbereiter der <strong>Medien</strong>pädagogik<br />
(9): Alfons Otto Schorb (1921 –<br />
1983). – S. 53 – 56<br />
Jg 47 (2003) Nr 2<br />
Hrachovec, Herbert: Die Welt des Datenverkehrs:<br />
Schauplatz und Regelsystem. – S. 77 – 81<br />
Demmler, Kathrin; Anfang, Günther: Jugend<br />
im pädagogischen Netz. – S. 82 – 86<br />
Feibel, Thomas: Alleine auf dem größten Spielplatz<br />
der Welt. – S. 87 – 89<br />
Peschke, Rudi: Schulen sind am Netz – und was<br />
passiert – nicht?. – S. 90 – 96<br />
Hüther, Jürgen: Wegbereiter der <strong>Medien</strong>pädagogik<br />
(10); Die Arbeiterradiobewegung<br />
(1923-1933). – S. 113 – 116<br />
<strong>Medien</strong> Journal<br />
Jg 26 (2002) Nr 3<br />
Lievrouw, Leah A.: Theorizing new media: a<br />
meta-theoretical approach. – S. 4 – 13<br />
Maier-Rabler, Ursula: Cultural aspects and digital<br />
divide in Europe. – S. 14 – 32<br />
Winkler, Roman: Deliberation on the Internet:<br />
talkboard discussions on the UK Parliament<br />
elections 2001. – S. 33 – 49<br />
Franz, Vera: Democratic potential and limitation<br />
of the Internet in an authoritarian system: a<br />
case study on B92 in Serbia. – S. 50 – 63<br />
Dimitrova, Daniela V.: Internet adoption in the<br />
Post-Communist countries. – S. 64 – 71<br />
Literatur · Zeitschriftenlese<br />
<strong>Medien</strong> & Zeit<br />
Jg 17 (2002) Nr 5<br />
Brecht, Christoph: Anfang und Ende der Geschichte<br />
im Kino: der vergessene Sinn des<br />
historischen Monumentalfilms. – S. 4 – 21<br />
Geser, Guntram; Loacker, Armin: Die österreichische<br />
Filmwirtschaft der Stummfilm-Ära<br />
1918 – 1927. – S. 22 – 45<br />
Reichert, Ramón: Der Arbeitsstudienfilm: eine<br />
verborgene Geschichte des Stummfilms. – S. 46<br />
– 57<br />
Deutsch, Gustav: The medium is the weapon. –<br />
S. 58 – 62<br />
Jg 18 (2003) Nr 1<br />
Steiner, Ines; Liebrand, Claudia: Der mit dem<br />
Dolch tanzt: Ausdrucksbewegung und gestische<br />
Semantik in Robert Wienes „Orlacs Hände“<br />
(1924). – S. 4 – 22<br />
Tode, Thomas: Ein Film kann einen anderen<br />
verdecken: zu den verschiedenen Fasungen des<br />
„Panzerkreuzer Potemkin“ und Meisels wieder<br />
gefundener Musikvertonung. – S. 23 – 40<br />
Sarkisova, Oksana: „Life as it should be?“:<br />
early non-fiction cinema in Russia: from Kulturfilm<br />
to documentary. – S. 41 – 61<br />
<strong>Medien</strong> praktisch<br />
Jg 27 (2003) Nr 1<br />
Thema; Gewalt und <strong>Medien</strong>, Teil 3. – S. 4 – 42<br />
Das Themenheft veröfentlicht diverse Artikel<br />
zum Thema „Gewalt und <strong>Medien</strong>“.<br />
Bachmair, Ben: Pisa-Studie und <strong>Medien</strong>pädagogik:<br />
kulturelle Ressourcen, Teil 2: beim<br />
Optimismus der Sesame Street anknüpfen. – S.<br />
56 – 60<br />
Büsch, Andreas; Hermsen, Thomas: Daily<br />
Talkshows – Faszination des Privaten im Öffentlichen,:<br />
Teil 1: Formate, Themen, Typen. –<br />
S. 61 – 64<br />
Schill, Wolfgang; Wagner, Wolf-Rüdiger: <strong>Medien</strong>-Lese-Kompetenz<br />
vermitteln, Teil 2: Anschlusskommunikation<br />
als Teilbereich der <strong>Medien</strong>-Lese-Kompetenz.<br />
– S. 65 – 69<br />
321
M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />
Multimedia und Recht<br />
Jg 5 (2002) Nr 12<br />
Scheuer, Alexander; Strothmann, Peter: Europäisches<br />
<strong>Medien</strong>recht: Entwicklungen 2001/<br />
2002. – S. 771 – 780<br />
Leier, Klaus-Peter: Elektronischer Handel in<br />
der Welthandelsorganisation (WTO). – S. 781 –<br />
787<br />
Schreiter, Eva-Maria; Kind, Benedikt: Lehren<br />
aus den ersten Liberalisierungsjahren in der Telekommunikation?:<br />
Positionsbestimmung im<br />
Vorfeld des parlamentarischen Gesetzgebungsprozesses<br />
für ein neues TKG. – S. 788 – 793<br />
Racine, Jérôme; Winkler, Klaus: Konfliktlösungsansätze<br />
im TK-Markt: Hilft das ADR-<br />
Grünbuch der EU weiter?. – S. 794 – 797<br />
Yonemaru, Tsuneharu; Roßnagel, Alexander:<br />
Japanische Signaturgesetzgebung: auf dem Weg<br />
zu „e-Japan“. – S. 798 – 805<br />
Möller, Jan; Florax, Björn-Christoph: Kreditwirtschaftliche<br />
Scoring-Verfahren: Verbot automatisierter<br />
Einzelentscheidungen gem. § 6a<br />
BDSG. – S. 806 – 810<br />
Jg 6 (2003) Nr 1<br />
Hilty, Reto M.: Der Softwarevertrag – ein Blick<br />
in die Zukunft: Konsequenzen der trägerlosen<br />
Nutzung und des patentrechtlichen Schutzes<br />
von Software. – S. 3 – 15<br />
Hertin, Paul W.: Urhebervertragsnovelle 2002:<br />
up-date von Urheberrechtsverträgen. – S. 16 –<br />
22<br />
Schwarz, Günter Christian: Neue <strong>Medien</strong> im<br />
Gesellschaftsrecht: von der Präsenz- zur virtuellen<br />
Mitgliederversammlung. – S. 23 – 28<br />
„Dem Gesellschaftsrecht liegt die Vorstellung zu<br />
Grunde, dass die Mitglieder eines Verbands an Mitgliederversammlungen<br />
physisch präsent teilnehmen<br />
müssen, um ihre versammlungsgebundenen Rechte<br />
ausüben zu können. Diese Vorstellung ist durch die<br />
,Neuen <strong>Medien</strong>’ überholt. Die versammlungsgebundenen<br />
Rechte können mittels neuer <strong>Kommunikations</strong>medien<br />
auch von ortsabwesenden Mitgliedern versammlungsgleich<br />
ausgeübt werden. Dies macht eine<br />
den modernen technischen Verhältnissen angepasste<br />
Auslegung und Anwendung des Gesellschaftsrecht<br />
erforderlich. Auch die Satzungsgeber werden ihre Regelwerke<br />
den veränderten <strong>Kommunikations</strong>formen<br />
anpassen müssen, um mit der Informationstechnologie<br />
Schritt zu halten und Rechtsklarheit zu schaffen.“<br />
Kruse, Jörn: Verbindungsnetzbetreiberauswahl<br />
im Mobilfunk. – S. 29 – 34<br />
Der Beitrag untersucht die Folgen einer möglichen<br />
Verbindungsnetzbetreiberauswahl im Mobilfunk-<br />
322<br />
markt, über die seit längerem diskutiert wird. Der<br />
Schwerpunkt liegt dabei vor allem auf der ökonomischen<br />
Analyse der dadurch zu Stande kommenden<br />
Marktveränderungen und Regelungsbedarfe. Im Ergebnis<br />
lehnt der Autor aus ökonomischen Gesichtspunkten<br />
eine Verbindungsnetzbetreiberauswahl in<br />
diesem Sektor ab, insbesondere aufgrund der Annahme,<br />
dass sich der bisher weitgehend unregulierte und<br />
dadurch wettbewerbsoffene Markt durch dann entstehende<br />
Regelungsbedarfe in einen hochregulierten<br />
Markt überführt werden könnte, ohne dass die RegTP<br />
adäquate Maßstäbe zur Verfügung hätte.<br />
Viefhus, Wolfram; Hoffmann, Helmut: ERVG:<br />
Gesetz zur Verhinderung des elektronischen<br />
Rechtsverkehrs?: praktische Auswirkungen<br />
des Diskussionsentwurfs und Anpassungsbedarf<br />
an die Regelungen bei den Gerichten der<br />
Europäischen Gemeinschaften. – S. 71 – 76<br />
Jg 6 (2003) Nr 2<br />
Mand, Elmar: E-Commerce mit Arzneimitteln:<br />
Auswirkungen des Herkunftslandprinzips auf<br />
das internationale Wettbewerbsrecht. – S. 77 –<br />
81<br />
Ohlenburg, Anna: Die neue EU-Datenschutzrichtlinie<br />
2002/58/EG: Asuwirkungen und<br />
Neuerungen für elektronische Kommunikation.<br />
– S. 82 – 86<br />
Die am 12.7.2002 in Kraft getretene Richtlinie<br />
2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des<br />
Rates über die Verarbeitung personenbezogener Daten<br />
und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen<br />
Kommunikation (EK-DSRL) sieht eine Umsetzung<br />
in nationales Recht bis zum 31.10.2003 vor. Der<br />
Beitrag stellt die einzelnen Artikel der Richtlinie vor<br />
und ermittelt den Umsetzungsbedarf in deutsches<br />
Recht. Die Autorin kommt zu dem Ergebnis, dass der<br />
Umsetzungsbedarf überschaubar ist.<br />
Rau, Stephan: Insolvenzschutz bei Kabelfasernutzungsverträgen.<br />
– S. 87 – 90<br />
Ellinghaus, Ulrich: Der Stand der Telekommunikationsgesetzgebung.<br />
– S. 91 – 94<br />
Nach einer Anzahl geringfügiger Änderungen und einer<br />
„kleinen TKG-Novelle“, aber noch vor dem Hinauskommen<br />
einer gesamten TKG-Reformierung über<br />
das Entwurfsstadium, stellt der Autor diese Änderungen<br />
überblicksartig und mit ihren wesentlichen Einflüssen<br />
auf den Regulierungsrahmen nach dem TKG<br />
dar. Der Beitrag analysiert dabei auch, inwieweit die<br />
Änderungen den Zielen des TKG, insb. der Schaffung<br />
eines offenen Wettbewerbs, dienlich sein können.<br />
Anastasyadis, Sofia: Reformen im griechischen<br />
Telekommunikationsrecht. – S. 95 – 102<br />
Jg 6 (2003) Nr 3<br />
Husch, Gertrud; Kemmler, Anne; Ohlenburg,<br />
Anna: Die Umsetzung des EU-Rechtsrahmens
für elektronische Kommunikation: ein erster<br />
Überblick. – S. 139 – 147<br />
Nach dem In-Kraft-Treten eines neuen europäischen<br />
Rechtsrahmens für elektronische Kommunikation im<br />
Jahr 2002, der eine Vereinfachung und Harmonisierung<br />
der sektorspezifischen Regulierung im Bereich<br />
der elektronischen Kommunikation herbeiführen soll,<br />
sind die Mitgliedstaaten aufgefordert, die Vorgaben<br />
der fünf Richtlinien bis zum 24.7. bzw. 31.10.2003<br />
umzusetzen. Der Beitrag will einige wesentliche<br />
Aspekte der Rahmenrichtlinie, der Universaldienstrichtlinie,<br />
der Zugangsrichtlinie, der Datenschutzrichtlinie<br />
sowie der Frequenzentscheidung hervorheben<br />
und erörtern und Überlegungen zu deren Umsetzung<br />
in deutsches Recht anstellen.<br />
Gottschalk, Eckart: Das Ende von „fair use“?:<br />
technische Schutzmaßnahmen im Urheberrecht<br />
der USA. – S. 148 – 155<br />
Liesching, Marc: Pornografieverbote in Staaten<br />
der Europäischen Union. – S. 156 – 163<br />
„Der Beitrag stellt die strafrechtlichen Distributionsverbote<br />
bezüglich pornografischer <strong>Medien</strong> in den<br />
größten neun nicht-deutschsprachigen Mitgliedstaaten<br />
der EU dar. Dabei werden i. d. R. anschließenden<br />
rechtsvergleichenden Untersuchung teils erhebliche<br />
Divergenzen deutlich, die angesichts des vordergründig<br />
anzunehmenden internationalen Konsenses – etwa<br />
bei der Bekämpfung von Kinderpornografie – überraschen.“<br />
Roßnagel, Alexander: Die fortgeschrittene<br />
elektronische Signatur. – S. 164 – 169<br />
Weizsäcker, C. Christian von: Ex-ante-Regulierung<br />
von Terminierungsentgelten?. – S. 170 –<br />
175<br />
Jg 6 (2003) Nr 4<br />
Holznagel, Bernd: Domainnamen- und IP-<br />
Nummern-Vergabe: eine Aufgabe der Regulierungsbehörde.<br />
– S. 219 – 222<br />
„Gegenwärtig gibt es Bestrebungen, die Vergabe von<br />
Domainnamen und IP-Nummern dem Regime des<br />
TK-Rechts zu unterwerfen. Dann wäre zukünftig die<br />
Regulierungsbehörde für Telekommunikation und<br />
Post (RegTP) hierfür verantwortlich. In dem Beitrag<br />
wird nachgewiesen, dass Domainnamen schon nicht<br />
als Nummern i.S.d. § 3 Nr. 10 TKG einzustufen sind.<br />
Zudem wird argumentiert, dass eine hoheitliche Verteilung<br />
von IP-Nummern nicht durch § 43 Abs. 1 gedeckt<br />
wäre.“<br />
Weiler, Frank: Spamming: Wandel des europäischen<br />
Rechtsrahmens. – S. 223 – 229<br />
„Die unverlangte Zusendung von E-Mails (Spamming)<br />
ist ein viel diskutiertes Problem; die h.M. hält<br />
diese Werbemethode wegen eines Verstoßes gegen § 1<br />
UWG bzw. § 823 Abs. 1 BGB für unzulässig (Opt-in-<br />
Lösung). Die Auseinandersetzung wurde durch die<br />
Fernabsatz-Richtlinie (FARL) verstärkt, weil dort<br />
vorgesehen ist, dass die Zusendung von E-Mails auch<br />
ohne vorherige Zustimmung des Verbrauchers erlaubt<br />
ist, soweit dieser nicht ausdrücklich widersprochen<br />
Literatur · Zeitschriftenlese<br />
hat (Opt-out-Lösung). Der Diskussion um die mögliche<br />
Richtlinienwidrigkeit des deutschen Rechts hat<br />
der europäische Gesetzgeber indessen mit zwei kürzlich<br />
in Kraft getretenen Richtlinien den Boden entzogen.<br />
[...] Die Richtlinie über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen<br />
räumt den Mitgliedstaaten die<br />
Möglichkeit ein, zwischen Opt-in- und Opt-out-Lösung<br />
zu wählen. – ein Weg, der auch in anderen Richtlinien<br />
beschritten wurde. Zugleich aber macht die Datenschutzrichtlinie<br />
für die elektronische Kommunikation<br />
(EK-DSRL) die Zusendung von Werbe-E-Mails<br />
von der vorherigen Zustimmung des Empfängers abhängig<br />
– das europäische Recht verlangt nunmehr in<br />
allen Mitgliedstaaten eine Opt-in-Lösung.“<br />
Spies, Axel: Zeitweise Überlassung von Frequenzen:<br />
Anforderungen an den Rechtsrahmen.<br />
– S. 230 – 234<br />
Der Artikel untersucht die Anforderungen, die an einen<br />
Rechtrahmen für die zeitweilige Überlassung von<br />
Frequenzen zu stellen sind. Zu diesem Zweck stellt<br />
der Autor zunächst die Situation in den USA dar, wo<br />
die Diskussion um das sog. Spectrum Trading bereits<br />
seit einiger Zeit geführt wird, und gibt dann einen<br />
Überblick über EU-Initiativen und deren Umsetzung<br />
in den Mitgliedstaaten. Dann wird geprüft, ob eine<br />
Frequenzüberlassung derzeit nach deutschem Recht<br />
zulässig wäre und wie Frequenzüberlassungsverträge<br />
rechtlich eingeordnet werden können.<br />
Nolte, Norbert; Schreier, Torsten: Anspruch<br />
von Telekommunikationsunternehmen auf Erstattung<br />
von Lizenzgebühren. – S. 235 – 240<br />
Multimedia und Recht, Beilage<br />
Jg 6 (2003) Nr 1<br />
Groebel, Annegret: Mobilfunk – Festnetz:<br />
Partnerschaft oder angespannte Konkurrenz?:<br />
Forumsveranstaltung der RegTP am 22. Oktober<br />
2002 in Bonn. – S. 1 – 44<br />
Wettbewerb im Internetzugangsmarkt: Workshop<br />
der Regulierungsbehörde für Telekommunikation<br />
und Post am 12.11.2002 im Gästehaus<br />
Petersberg. – S. 1 – 52<br />
Jg 6 (2003) Nr 2<br />
Spindler, Gerald: Die Einspeisung von Rundfunkprogrammen<br />
in Kabelnetze: Rechtsfragen<br />
der urheberrechtlichen Vergütung und vertragsrechtlichen<br />
Gestaltung. – S. 1 – 27<br />
„Die Entwicklung der Kabelnetze und die Einspeisung<br />
von Programmen in Kabelnetze haben in jüngster<br />
Zeit zu Kontroversen um die urheberrechtliche<br />
Vergütung für die eingespeisten Inhalte geführt, vor<br />
allem hinsichtlich des bestehenden Kontrahierungszwangs.<br />
Der Beitrag untersucht den zentralen Begriff<br />
der wirtschaftlichen Angemessenheit für die Kabelweitersendung<br />
von Rundfunkprogrammen im Lichte<br />
der EG-Satelliten- und Kabelrichtlinie und allgemeiner<br />
urheberrechtlicher Prinzipien. Dabei wird gezeigt,<br />
323
M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />
dass ein Bouquet an Faktoren Eingang in die Abwägung<br />
finden muss. [...] Gerade im Rahmen der Urhebervertragsrechtsreform<br />
können solche Überlegungen<br />
ihren größeren Anwendungsbereich finden.<br />
Schließlich werden sog. Freistellungsklauseln, die die<br />
Verantwortung für den Ausgleich urheberechtlicher<br />
Vergütungsansprüche im Rahmen von Programmeinspeisungsverträgen<br />
den Sendeunternehmen zuweisen,<br />
näher beleuchtet.“<br />
Jg 6 (2003) Nr 4<br />
Engel, Christoph: Die Internet-Service-Provider<br />
als Geiseln deutscher Ordnungsbehörden:<br />
eine Kritik an den Verfügungen der Bezirksregierung<br />
Düsseldorf. – S. 1 – 36<br />
Der Autor setzt sich kritisch mit den Sperrungsverfügungen<br />
des Düsseldorfer Regierungspräsidenten auseinander.<br />
Bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der<br />
Verfügungen kommt der Autor an verschiedenen Stellen<br />
zu dem Ergebnis, dass diese unzulässig seien. Insbesondere<br />
im Hinblick auf die Staatsferne, der Bund-<br />
Länder-Kompetenzverteilung, der Anwendbarkeit<br />
deutschen Rechts auf Auslandssachverhalte, völkerrechtliche<br />
Grenzen sowie der Anwendbarkeit des materiellen<br />
Rechts vor dem Hintergrund der Störerauswahl,<br />
den Grenzen der Inanspruchnahme von Nichtstörern<br />
der entgegenstehenden Informationsfreiheit<br />
der Nutzer und den allgemeine Verhältnismäßigkeitsanforderungen<br />
hegt der Autor große Zweifel an der<br />
Rechtmäßigkeit der Verwaltungsakte.<br />
New media & society<br />
Jg 4 (2002) Nr 4<br />
Weber, Ian; Evans, Vanessa: Constructing the<br />
meaning of digital television in Britain, the<br />
United States and Australia. – S. 435 – 456<br />
Much has been written about digital television. Mainstream<br />
reports range from a vague televisual utopia<br />
where one need never unplug oneself from the TV<br />
ever again to the social realities and practicalities of a<br />
consumer driven market. This study examines how<br />
the media constructs the meaning of digital television<br />
in Britain, the United States and Australia. Rogers’<br />
(1983, 1995) diffusion of innovation theory to assess<br />
the rate of diffusion the role that media communication<br />
(language) plays in this process. It uses a content<br />
analysis methodology to examine 1836 digital television<br />
articles, drawn from mainstream newspaper publications<br />
from 1996 to January 2002. Results from the<br />
analysis show a correlation between the extent of media<br />
coverage; the media’s strategic, flexible and timed<br />
use of technological determinism-social construction<br />
language structures; and the degree and success of the<br />
diffusion of digital television in these research settings.<br />
Tang, Pui See; Ang, Peng Hwa: The diffusion<br />
of information technology in Singapore<br />
schools: a process framework. – S. 457 – 478<br />
Mitra, Ananda; Watts, Eric: Theorizing cyberspace:<br />
the idea of voice applied to the internet<br />
discourse. – S. 479 – 498<br />
324<br />
Kluver, Alan R.: The logic of new media in international<br />
affairs. – S. 499 – 517<br />
Kim, Sung Tae; Weaver, David: Communication<br />
research about the internet: a thematic metaanalysis.<br />
– S. 518 – 539<br />
Kujundzic, Neboojsa; Dorrell, Matthew: Instantaneous<br />
representation and the pig itself. –<br />
S. 540 – 549<br />
Howard, Philip N.: Network ethnography and<br />
the hypermedia organization: new media, new<br />
organizations, new methods. – S. 550 – 574<br />
Jg 5 (2003) Nr 1<br />
White, Michele: Too close to see: men, women,<br />
and webcams. – S. 7 – 28<br />
Fernback, Jan: Legends on the net: an examination<br />
of computer-mediated communication as a<br />
locus or oral culture. – S. 29 – 46<br />
Steinberg, Philip E.; McDowell, Stephen: Mutiny<br />
on the bandwidth: the semiotics of statehood<br />
in the Internet domain name registries of<br />
Pitcairn Island and Niue. – S. 47 – 68<br />
O’Sullivan, Patrick; Flanagan, Andrew J.: Reconceptualizing<br />
„flaming“ and other problematic<br />
messages. – S. 69 – 94<br />
Schofield Clark, Lynn: Challenges of social<br />
good in the world of „Grand theft auto“ and<br />
„Barbie“: a case study of a community computer<br />
center for youth. – S. 95 – 116<br />
Bergman, Alvan; Haythornwaite, Caroline:<br />
Radicals of presentation: visibility, relation and<br />
co-presence in persistent conversation. – S. 117<br />
– 140<br />
Political Communication<br />
Jg 20 (2003) Nr 1<br />
Barnhurst, Kevin G.: The makers of meaning:<br />
national public radio and the new long journalism,<br />
1980-2000. – S. 1 – 22<br />
McGraw, Kathleen; Ling, Cristina: Media<br />
priming of presidential and group evaluations.<br />
– S. 23 – 40<br />
Schaffner, Brian F.; Sellers, Patrick J.: The<br />
structural determinants of local congressional<br />
news coverage. – S. 41 – 58<br />
Brynin, Malcolm; Newton, Kenneth: The national<br />
press and voting turnout: British general<br />
elections of 1992 and 1997. – S. 59 – 78
Anhand von Umfragedaten untersuchen die Autoren<br />
den Einfluss nationaler Tageszeitungen auf das Wahlergebnis<br />
der britischen Wahlen 1992 und 1997.<br />
Während für die Tageszeitungslektüre ingesamt weder<br />
Mobilisierungseffekte für die Teilnahme an der<br />
Wahl noch eine Zunahme politischer Apathie festgestellt<br />
werden konnte, konnte gezeigt werden, dass die<br />
Zeitungsleser, die ein Blatt lesen, das ihre eigenen politischen<br />
Präferenzen bestärkt, eher zur Wahl gehen<br />
als diejenigen, deren eigene Meinung durch ihre Zeitungslektüre<br />
unter Gegendruck gerät. Der Effekt<br />
zeigte sich stärker in der knappen 1992er Wahl als bei<br />
dem eindeutigen Sieg von Labour 1997. Außerdem<br />
betrifft er stärker die Labour-Anhänger als die Konservativen.<br />
Das zeige, dass die Dominanz konservativer<br />
Blätter in Groß Britannien bis 1992 die Wahlerfolge<br />
der Konservativen möglicherweise begünstigt hat.<br />
Public Opinion Quarterly<br />
Jg 66 (2002) Nr 4<br />
Murray, Shoon Kathleen; Howard, Peter: Variation<br />
in White House polling operations:<br />
Carter to Clinton. – S. 527 – 558<br />
Schaffner, Brian F.; Streb, Matthew J.: The partisan<br />
heuristic in low-information elections. –<br />
S. 559 – 581<br />
Martin, Elizabeth: The effects of questionnaire<br />
design on reporting of detailed Hispanic origin<br />
in census 2000 mail questionnaires. – S. 582 –<br />
593<br />
Losch, Mary E. et al: The effect of time of year<br />
of data collection on sample effiviency: an analysis<br />
of behavioral risk factor surveillance survey<br />
data. – S. 594 – 607<br />
Goldstein, Kenneth M.; Jennings, M. Kent: The<br />
effect of advance letters on cooperation in a list<br />
sample telephone survey. – S. 608 – 617<br />
Torres-Reyna, Keneth; Shapiro, Robert Y.:<br />
Women and sexual orientation in the military.<br />
– S. 618 – 632<br />
Publizistik<br />
Jg 47 (2002) Nr 4<br />
Donsbach, Wolfgang; Wenzel, Arnd: Aktivität<br />
und Passivität von Journalisten gegenüber parlamentarischer<br />
Pressearbeit: Inhaltsanalyse von<br />
Pressemitteilungen und Presseberichterstattung<br />
am Beispiel der Fraktionen des Sächsischen<br />
Landtags. – S. 373 – 387<br />
„Auf der Grundlage des Intereffikations-Modells<br />
wurde die Beziehung zwischen PR und Journalisten<br />
am Beispiel der Pressemitteilungen der Fraktionen im<br />
Sächsischen Landtag sowie der Berichterstattung über<br />
diese Fraktionen in sächsischen Tageszeitungen untersucht.<br />
Die Basis bilden 486 Pressemitteilungen und<br />
Literatur · Zeitschriftenlese<br />
823 Zeitungsbeiträge von Februar 2000, die jeweils<br />
unabhängig voneinander sowie abgleichend codiert<br />
wurden. Auf dieser Grundlage lassen sich sowohl Adaptionsleistungen<br />
des Journalismus an die PR wie<br />
auch umgekehrt der PR an den Journalismus ermittlen.<br />
.... Das Intereffikations-Modell erwies sich insgesamt<br />
als brauchbare Heuristik für die Beziehung zwischen<br />
PR und Journalismus.“<br />
Schmerl, Christiane: „Tais-toi et sois belle!“: 20<br />
Jahre Geschlechterinszenierung in fünf westdeutschen<br />
Printmedien. – S. 388 – 411<br />
Klein, Markus; Ohr, Dieter; Heinrich, Stefanie:<br />
Spitzenkandidaten im Wahlkampf: die Veränderbarkeit<br />
von Kandidatenimages durch Wahlkampf<br />
und <strong>Medien</strong>, untersucht am Beispiel der<br />
nordrhein-westfälischen Landtagswahl vom<br />
14. Mai 2000. – S. 412 – 435<br />
Schramm, Holger; Hartmann, Tilo; Klimmt,<br />
Christoph: Desiderata und Perspektiven der<br />
Forschung über parasoziale Interaktionen und<br />
Beziehungen zu <strong>Medien</strong>figuren. – S. 436 – 459<br />
„Obschon parasoziale Interaktionen und Beziehungen<br />
als eines der wichtigsten Konzepte innerhalb der<br />
<strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong> gelten, weisen sie eine<br />
Reihe von Desiderata und Unklarheiten auf, welche<br />
den Informationsgehalt und die Anknüpfbarkeit des<br />
Konzeptes verringern. Der vorliegende Artikel thematisiert<br />
nicht nur diese Desiderata, sondern unterbreitet<br />
darüber hinaus auch erste Lösungsvorschläge.<br />
Zunächst werden Unschärfen der Definition zentraler<br />
Elemente wie des Interaktionsbeghriffs, des Beziehungsbegriffs<br />
und des Personabegriffs diskutiert.<br />
Darauf folgend werden Anknüpfungspunkte an andere<br />
kommunikations<strong>wissenschaft</strong>liche und psychologische<br />
Theorien und Konzepte vorgeschlagen. Abschließend<br />
werden grundlegende methodische Probleme<br />
der Erhebung parasozialer Phänomene erörtert<br />
und das gängige Erhebungsinstrument, die Parasocial-<br />
Interaction-Scale, kritisch betrachtet. Ziel der Darlegung<br />
ist es, Wege aufzuzeigen, die zu einem präziseren<br />
Verständnis parasozialer Phänomene führen und<br />
die Integration unterschiedlicher Konzepte und<br />
Theorien der Rezeptionsforschung vorantreiben können.“<br />
Jg 48 (2003) Nr 1<br />
Quiring, Oliver: Die Fernsehberichterstattung<br />
über die Arbeitslosigkeit und ihr Einfluss auf<br />
wahlrelevante Vorstellungen der Bevölkerung<br />
– eine Zeitreihenanalyse. – S. 1 – 24<br />
„Sowohl wahlsoziologisch als auch politik<strong>wissenschaft</strong>lich<br />
und politökonomische Modelle und Analysen<br />
legen einen Einfluss der Wirtschaftslage auf die<br />
Wahlpräferenzen der Bevölkerung nahe, kommen<br />
aber im Einzelnen zu sehr verschiedenen Einschätzungen<br />
hinsichtlich der Stärke und Richtung dieses<br />
Einflusses. Dieser Beitrag unterzieht die Annahme,<br />
dass die Darstellung der Arbeitslosigkeit in den Fernsehnachrichten<br />
eine entscheidende intervenierende<br />
Variable zwischen realer Entwicklung und den Wahlpräferenzen<br />
darstellt, einer eingehenderen Analyse.<br />
325
M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />
Anhand einer Zeitreihenanalyse (August 1994 bis September<br />
1998) wird gezeigt, dass die Berichterstattung<br />
der Fernsehnachrichten stark von den negativen<br />
Aspekten der Arbeitslosigkeit geprägt war. Obwohl<br />
sich keine direkten Effekte der Berichterstattung auf<br />
die Wahlpräferenzen für Volks- und Protestparteien<br />
feststellen lassen, übt die Darstellung des Arbeitsmarktes<br />
in den <strong>Medien</strong> direkte, über weitere wahlrelevante<br />
Vorstellungen der Bevölkerung vermittelte<br />
Einflüsse auf die Wahlpräferenzen aus.“<br />
Döring, Nicola: Politiker-Homepages zwischen<br />
Politik-PR und Bürgerpartizipation. –<br />
S. 25 – 46<br />
Schraewer, Claudia: Skandale und Missstände –<br />
zur Bedeutung der Sprache für die Realitätsdarstellung.<br />
– S. 47 – 62<br />
Arnold, Klaus: Propaganda als ideologische<br />
Kommunikation. – S. 63 – 82<br />
„Der Begriff Propaganda wird angesichts der vielen<br />
Konflikte und kriegerischen Auseinandersetzungen<br />
sowohl in der <strong>Medien</strong>berichterstattung als auch in der<br />
Wissenschaft häufig verwendet. Was unter Propaganda<br />
jedoch genau verstanden und inwieweit diese <strong>Kommunikations</strong>form<br />
von ähnlichen Formen wie Public<br />
Relations oder Werbung abgegrenzt werden kann, ist<br />
weitgehend unklar. Ausgehend von der Durchsicht<br />
bisheriger Ansätze zur Propaganda und der Einbeziehung<br />
des Totalitarismus-Ansatzes wird in dem vorliegenden<br />
Beitrag argumentiert, dass Propaganda sinnvollerweise<br />
nur als ein <strong>Kommunikations</strong>prozess gefasst<br />
werden kann, bei dem umfassende Ansprüche<br />
dargestellt werden, die durch die Verwendung eines<br />
ideologischen Systems durchgesetzt werden sollen …“<br />
TKMR<br />
Jg 54 (2002) Nr 6<br />
Schalast, Christoph; Schmidt, Matthias; Schalast,<br />
Clemens: Einführung in das deutsche und<br />
europäische Recht der Breitbandkabelkommunikation:<br />
Regulierung, Kartellrecht und Vertragsgestaltung.<br />
– S. 429 – 440<br />
Gersdorf, Hubertus: Einspeisung von CNBC<br />
als Bestandteil des Programmbouquets<br />
„ZDF.vision“ in digitale Kabelnetze der PrimaCom<br />
Ag. – S. 441 – 448<br />
Wüstenberg, Dirk: Die Erstellung und Überprüfung<br />
von Rechnungen aufgrund von Telefonkundenverträgen.<br />
– S. 449 – 456<br />
Koenig, Christian; Koch, Alexander: (0)190er-<br />
Nummern im Visier des Rechts: zur Störer-<br />
Verantwortlichkeit von Service Carriern nach<br />
altem und neuem Recht. – S. 457 – 461<br />
326<br />
Jg 55 (2003) Nr 1<br />
Wüstenberg, Dirk: Die Strafbarkeit wegen des<br />
Versendens und Empfangens pornografischer<br />
E-mails am Arbeitsplatz. – S. 4 – 10<br />
Stender-Vorwachs, Jutta: Anbieterhaftung und<br />
neues Multimediarecht. – S. 11 – 18<br />
Ranke, Johanes: Standortdaten des Mobilfunks<br />
nach US-amerikanischem Recht. – S. 19 – 26<br />
Tolley’s Communications Law<br />
Jg 7 (2002) Nr 6<br />
Morel, Fraser; Jones, Richard: De-mystifying<br />
electronic signatures and electronic signatures<br />
law from a European Union perspective. –<br />
S. 174 – 178<br />
Griffiths, Margaret: „0% Finance“: too good to<br />
be true?. – S. 179 – 180<br />
Harrison, Jackie: e-Public Services and interactive<br />
television: re-evaluating the remit and scope<br />
of public service broadcasting (PSB) in the<br />
digital age. – S. 181 – 187<br />
Prince, Sue: Televising Courtroom proceedings<br />
in Canada: Relevant considerations for the UK.<br />
– S. 188 – 194<br />
Jg 8 (2003) Nr 1<br />
Manolopoulos, Andreas: A legal framework<br />
for the protection of software „behaviour“. –<br />
S. 210 – 215<br />
Schwab, Karin F.: Value-added services provided<br />
by mobile telecommunications service providers:<br />
data protection issues. – S. 216 – 222<br />
Palomba, Marina: The use of celebrities in advertising<br />
– how the position has changed. –<br />
S. 223 – 224<br />
Harran, Claude: Assessing the effectiveness of<br />
the Australian antisiphoning provisions. –<br />
S. 225 – 230<br />
Trends in Communication<br />
(2002) Nr 10<br />
McKnight, Lee W.; Vongpivat, Pratana; Selian,<br />
Audrey: Mobile regions: enterpreneurship in<br />
information and communication technologies<br />
in national innovations system models. – S. 9 –<br />
34<br />
Oort, Frank van; Atzema, Oedzge: Agglomeration<br />
economies and the location of new in-
formation and communication technology:<br />
(ICT) firms in the Netherlands. – S. 35 – 64<br />
Vinig, Tsvi: Creating a successful technology<br />
sector: a causal model of the development of the<br />
high-tech sector in Israel in the 1990s. – S. 65 –<br />
88<br />
Green, Roy et al: Innovation in the Irish sector:<br />
economy, culture, and communication. – S. 89<br />
– 114<br />
Leisink, Peter: Multimedia clusters: do regional<br />
policies have a critical edge?. – S. 115 – 128<br />
Avvari, Mohan V.; Isshamuddin, Ismail: Factors<br />
facilitating the information of an ICT-cluster:<br />
the case of Malaysia’s Multimedia Super<br />
Corridor. – S. 129 – 152<br />
Zeitschrift für <strong>Medien</strong>psychologie<br />
Jg 15 (2003) Nr 1<br />
Herrmann, Thomas; Kienle, Andrea; Reiband,<br />
Natalja: Metawissen als Voraussetzung für den<br />
Wisssensaustausch und die Kooperation beim<br />
Wissensmanagement. – S. 3 – 12<br />
„Metawissen ist als eine Form der kognitiven Steuerung<br />
und Kontrolle ein förderlicher Faktor des Wissensmanagements.<br />
Diese Annahme wurde anhand der<br />
empirischen Daten einer explorativen Untersuchung<br />
(47 halbstrukturierte Interviews) in fünf Unternehmen<br />
deutlich, bei denen technische Systeme als Medium<br />
des Wissensaustauschs eingesetzt wurden. Es ergibt<br />
sich eine Differenzierung zwischen verschiedenen<br />
Aspekten des Metawissens der Akteure: Inhalte,<br />
Teilnehmer, Nutzungsverlauf, Selbstwirksamkeit,<br />
Kooperation, Strukturierung. Metawissen ergänzt die<br />
bekannten Erfolgskriterien oder Barrieren des Wissensmanagements<br />
und es kann helfen, die Beteiligung<br />
am Wissensaustausch zu steigern und die Qualität der<br />
kooperativ aufgebauten Wissensstrukturen zu sichern.“<br />
Baeßler, Berit et al: E-Learning-Systeme: theoriegeleitete<br />
Konzeption, Qualitätsmanagement,<br />
Implementierung. – S. 13 – 23<br />
„Der Beitrag entwickelt auf der Basis von pädagogischen<br />
Überlegungen und lernpsychologischen Forschungsergebnissen<br />
zur computergestützten Wissensvermittlung<br />
eine Konzeptualisierung von E-Learning-Systemen<br />
und deren von konsequentem Qualitätsmanagement<br />
begleitete Umsetzung. Die<br />
Vorgehensweise wird anhand der Entwicklung und<br />
Realisierung internetgestützten Lernsystems „CLIC<br />
– Computer-based Learning: Introduction to Communications“<br />
veranschaulicht, das an der Universität<br />
Erfurt erarbeitet wird. Es geht um die Koordination<br />
auf der Ebene der Produktion (Didaktik, Inhalt, Technik)<br />
und auf der Ebene der Rezeption (Lern- und<br />
<strong>Kommunikations</strong>formen, Lernorganisation). Die explorativ<br />
angelegte Evaluation des ersten Einsatzes von<br />
CLIC belegt ein weitgehend gelungenes Konzept und<br />
Qualitätsmanagement. Vorgestellt werden ausgewählte<br />
Evaluationsergebnisse zur Koordination und<br />
Literatur · Zeitschriftenlese<br />
Organisation der Wissensvermittlung sowie des sozialen<br />
Kontakts zwischen Studierenden und Dozierenden.<br />
Anhand von drei in der Evaluation empirisch<br />
ermittelten E-Learning-Typen werden Probleme und<br />
Potenziale beim E-Learning aufgezeigt und Schlussfolgerungen<br />
für die koordinierende Gestaltung von E-<br />
Learning-Systemen gezogen.“<br />
Müller, Katrin; Troitzsch, Heide; Renkl, Alexander:<br />
Der Einfluss nonverbaler Signale auf den<br />
<strong>Kommunikations</strong>prozess in einer kollaborativen<br />
virtuellen Umgebung. – S. 24 – 33<br />
„Die vorliegende Untersuchung widmet sich der Bedeutung<br />
nonverbaler Signale in kollaborativen virtuellen<br />
Umgebungen. In der audio- und textbasierten<br />
computervermittelten Kommunikation werden nonverbale<br />
Signale nicht oder nur begrenzt übertragen,<br />
wodurch sich Einschränkungen im <strong>Kommunikations</strong>prozess<br />
ergeben. In einer experimentellen Untersuchung<br />
wird überprüft, welchen Einfluss das Vorhandensein<br />
eines Repertoires nonverbaler Signale auf den<br />
computervermittelten <strong>Kommunikations</strong>prozess und<br />
auf die Performanzkriterien hat und inwieweit die Bewertung<br />
der Umgebung und des <strong>Kommunikations</strong>prozesses<br />
beeinflusst wird. Die Ergebnisse zeigen,<br />
dass sich die Bedingung, in der das Repertoire zur<br />
Verfügung steht, hinsichtlich objektiver Prozessvariablen,<br />
wie verbaler Unterbrechungen, nicht signifikant<br />
von der Bedingung ohne Repertoire unterscheidet. In<br />
der Bedingung mit nonverbalem Repertoire konnte<br />
jedoch eine erhöhte Motivation der Teilnehmer festgestellt<br />
werden, und der <strong>Kommunikations</strong>prozess<br />
wurde als flüssiger beurteilt. Darüber hinaus legen die<br />
Ergebnisse die Annahme nahe, dass eine moderate<br />
Nutzung der nonverbalen Signale zu einer besseren<br />
Lösungsqualität führt. Nach den vorliegenden Befunden<br />
ist es vor allem für die Motivation der Nutzer und<br />
die Akzeptanz von virtuellen <strong>Kommunikations</strong>umgebungen<br />
wichtig, nonverbale Signale zur Verfügung zu<br />
stellen.“<br />
Schweizer, Karin: <strong>Medien</strong>psychologische Methoden:<br />
ein Vergleich ausgewählter Methoden<br />
zur Analyse von <strong>Kommunikations</strong>daten aus<br />
der netzbasierten Kleingruppenforschung. – S.<br />
34 – 37<br />
„Die Analyse der Kommunikation in der Kleingruppenforschung<br />
wird häufig mit Hilfe von Verfahren<br />
durchgeführt, die auf der IPA bzw. dem SYMLOG-<br />
Verfahren (Bales 1976; Bales&Cohen 1982) beruhen.<br />
Diese Verfahren fokussieren die Betrachtung der Aktionen<br />
und Reaktionen der <strong>Kommunikations</strong>teilnehmer<br />
in Bezug auf aufgabenorientierte oder sozio-emotionale<br />
Äußerungen. Eine Anwendung dieser Verfahren<br />
auf die Analyse von <strong>Kommunikations</strong>daten zur<br />
netzbasierten Wissenskommunikation bestätigt einmal<br />
mehr, dass in netzbasierten Settings aufgabenbezogener,<br />
aber weniger vertrauensvoll und offen kommuniziert<br />
wird. Durch das Hinzunehmen weiterer<br />
Variablen wie der Betrachtung der Sprecherwechsel<br />
selbst, der Anzahl von Redebeiträgen oder des nonverbalen<br />
Verhaltens werden diese Ergebnisse jedoch<br />
in Frage gestellt.“<br />
327
M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />
Zeitschrift für Urheber- und <strong>Medien</strong>recht<br />
Jg 46 (2002) Nr 12<br />
Kreile, Johannes; Diesbach, Martin: Der neue<br />
Jugendmedienschutz-Staatsvertrag: was ändert<br />
sich für den Rundfunk?. – S. 849 – 858<br />
Ladeur, Karl-Heinz: „Regulierte Selbstregulierung“<br />
im Jugendmedienschutzrecht: zugleich<br />
Anmerkungen zum Urteil des Verwaltungsgerichts<br />
Berlin zum Fall „Der Soldat James<br />
Ryan“. – S. 859 – 867<br />
Liesching, Marc: Zur Gesetzgebungskompetenz<br />
der Bundesländer für den Bereich „Jugendschutz<br />
in Rundfunk und Telemedien“. –<br />
S. 868 – 874<br />
Palzer, Carmen: Co-Regulierung als Steuerungsform<br />
für den Jugendschutz in den audiovisuellen<br />
<strong>Medien</strong>: eine europäische Perspektive.<br />
– S. 875 – 885<br />
Walter, Ute: Der zivilrechtliche Schutz vor<br />
Nachstellungen: was der Gesetzgeber über den<br />
Unterschied zwischen Paparazzo und Papagallo<br />
nicht zu sagen wagte. – S. 886 – 898<br />
Jg 47 (2003) Nr 1<br />
Ficsor, Mihály: Collective management of<br />
copyright in the international environment. – S.<br />
3 – 14<br />
Schwarze, Jürgen: Urheberrechte und deren<br />
Verwaltung im Lichte des europäischen Wettbewerbsrechts.<br />
– S. 15 – 26<br />
Reinbothe, Jörg: Rechtliche Perspektiven für<br />
Verwertungsgesellschaften im Europäischen<br />
Binnenmarkt. – S. 27 – 33<br />
Der Autor beschreibt die bisherige Behandlung der<br />
kollektiven Wahrnehmung in der EU, untersucht die<br />
gegenwärtige Ausgangslage und nennt Orientierungen<br />
für einen Regelungsrahmen in der EU. Auch wird<br />
eine diesbezügliche Mitteilung der Europäischen<br />
Kommission in die Überlegungen einbezogen.<br />
Lerche, Peter: Verwertungsgesellschaften als<br />
Unternehmen „sui generis“. – S. 34 – 37<br />
Gerhardt, Andreas: Die Verwertungsgesellschaften<br />
im Europäischen Binnenmarkt: Diskussionsbericht<br />
zum gleichnamigen Symposion<br />
des Instituts für Urheber- und <strong>Medien</strong>recht<br />
vom 18. Oktober 2002 im Rahmen der <strong>Medien</strong>tage<br />
München. – S. 38 – 40<br />
328<br />
Jg 47 (2003) Nr 2<br />
Engel, Christoph: Reihen aus Kinofilmen: die<br />
Regeln des Rundfunkstaatsvertrags über die<br />
Unterbrechung zur Ausstrahlung von Werbung.<br />
– S. 85 – 93<br />
Der Autor prüft anhand der Vorgaben der EU-Fernsehrichtlinie<br />
die Auslegung des § 44 Abs. 4 S. 1 Rundfunkstaatsvertrag,<br />
der die Unterbrechung zur Ausstrahlung<br />
von Werbung für Kino- und Fernsehfilme<br />
regelt. Angeführt wird dazu das vorhandene Meinungsspektrum<br />
und anhand der juristischen Auslegungsmethodik<br />
wird die Vorschrift nach Wortlaut,<br />
Entstehungsgeschichte, Systematik und Zweck beleuchtet.<br />
Frentz, Wolfgang Raitz von; Marrder, Larissa:<br />
Filmrechtehandel mit Unternehmen in der Krise:<br />
Risiken und Lösungen. – S. 94 – 108<br />
Renck-Laufke, Martha: Sechster Rundfunkänderungsstaatsvertrag<br />
und <strong>Medien</strong>konzentration.<br />
– S. 109 – 111<br />
Hepach, Stefan: Der Kompetenzrahmen der<br />
KEK nach dem Sechsten Rundfunkänderungsstaatsvertrag.<br />
– S. 112 – 121<br />
Der Beitrag zeigt, dass der Kompetenzrahmen der<br />
KEK durch den Sechsten Rundfunkänderungsstaatsvertrag<br />
jedenfalls nicht substanziell erweitert wurde.<br />
Divergenzen zwischen der gesetzlichen Regelung und<br />
den Deutungsversuchen der KEK sind durch den Gesetzgeber<br />
zu beheben.<br />
Krüger, Christof: Kritische Bemerkungen zum<br />
Regierungsentwurf für ein Gesetz zur Regelung<br />
des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft.<br />
– S. 122 – 127<br />
Jg 47 (2003) Nr 3<br />
Berger, Christian: Zum Anspruch auf angemessene<br />
Vergütung (§ 32 UrhG) und weitere Beteiligung<br />
(§ 32 a UrhG) bei Arbeitnehmer-Urhebern.<br />
– S. 173 – 179<br />
Gounalakis, Georgios: Regulierung von Presse,<br />
Rundfunk und elektronischen Diensten in der<br />
künftigen <strong>Medien</strong>ordnung. – S. 180 – 191<br />
Der Autor geht in diesem Beitrag der Frage nach, ob<br />
die Sonderrolle der Presse beibehalten werden soll.<br />
Weiterhin wird die inhaltlich-publizistische Regulierung<br />
von Rundfunk, <strong>Medien</strong>- und Telediensten untersucht.<br />
Gleichbehandlung und unterschiedliche Regulierung<br />
von Rundfunk unf elektronischen Diensten<br />
werden erläutert. Letztlich werden zusammenfassend<br />
Thesen für den gegenwärtigen und zukünftigen Regulierungsrahmen<br />
aufgestellt.<br />
Flechsig, Norbert P.: Europäische Satellitenverbreitung<br />
im Lichte nationaler Koproduktion:<br />
zum Inhalt der Übertragungsregelung des<br />
§ 137 h UrhG bei gemeinschaftlicher Filmherstellung.<br />
– S. 192 – 199
Braun, Stefan: Die Änderung der Telekommunikations-Kundenschutzordnung:<br />
besserer<br />
Schutz vor Betrügereien mit 0190-Nummern. –<br />
S. 200 – 203<br />
Vorliegend werden Ausgangslage und Zielsetzung der<br />
Verordnung sowie deren neue Regelungen im Einzelnen<br />
dargestellt, ferner auch die diesbezüglich geübte<br />
Kritik. Die Änderung der TKV reicht aber nach Ansicht<br />
des Autors bei weitem noch nicht aus, um z.B. im<br />
Bereich der 0190-Nummern und darauf basierenden<br />
Dialern einen wirksamen Verbraucherschutz zu gewährleisten.<br />
Tolkmitt, Jan: Die Regulierung des Zugangs zu<br />
Programmrechten im US-amerikanischen<br />
Recht. – S. 204 – 224<br />
Jg 47 (2003) Nr 4<br />
Bethge, Herbert: Das Duell der Kanzlerkandidaten<br />
im Spannungsfeld zwischen Rundfunkfreiheit<br />
und Parteiengleichheit. – S. 253 – 260<br />
Dieser Beitrag geht der Frage nach, ob der Vorsitzende<br />
der FDP bzw. die FDP selbst einen Anspruch auf<br />
Teilnahme am Kandidaten-Duell hat. Zuvor werden<br />
die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Grundlagen<br />
herausgestellt. Der Streitfall wirft komplexe Fragen<br />
des Verhältnissen von Rundfunkfreiheit und Parteiengleichheit<br />
auf, die zwar auch das einfache Gesetzesrecht<br />
betreffen, aber abschließend nur vor dem Hintergrund<br />
des Verfassungsrechts zu beantworten sind.<br />
Beuthien, Volker: Postmortaler Persönlichkeitsschutz<br />
auf dem Weg ins Vermögensrecht.<br />
– S. 261 – 262<br />
Literatur · Zeitschriftenlese<br />
Westerholt, Margot Gräfin von; Joppich, Brigitte:<br />
Insolvenz des Lizenzsnehmers bei Filmund<br />
Fernsehlizenzen: was passiert mit den<br />
Ansprüchen, insbesondere Vergütungsansprüchen<br />
des Lizenzgebers im Falle der Eröffnung<br />
des Insolvenzverfahrens (bzw der Ausübung<br />
des Wahlrechts nach § 103 InsO). – S. 262 – 269<br />
Reinhard, Tim; Distelkötter, Julia: Die Haftung<br />
des Dritten bei Bestsellerwerken nach §<br />
32a Abs 2 UrhG. – S. 269 – 275<br />
Seiler, David; Alig, Olivia: Kopierabgaben in<br />
Unternehmensbibliotheken und Verjährung. –<br />
S. 276 – 284<br />
Die Autoren prüfen anhand der Problemstellung,<br />
nach der gemäß einem Urteil des BGH für Fotokopien<br />
in Forschungs- und Bildungseinrichtungen sowie<br />
Bibliotheken von Unternehmen der gewerblichen<br />
Wirtschaft Abgaben an die VG Wort zu zahlen sind,<br />
ob Unternehmen zur rückwirkenden Zahlung der<br />
Kopierabgaben für Unternehmensbibliotheken verpflichtet<br />
sind. Ferner werden die Verjährung und Verwirkung<br />
solcher Ansprüche angesprochen.<br />
Thoms, Frank: Kopierabgaben in Unternehmensbibliotheken<br />
und Verjährung – eine Entgegnung.<br />
– S. 285 – 286<br />
Knies, Bernhard: DeCSS – oder: Spiel mir das<br />
Lied vom Code. – S. 286 – 291<br />
Obergfell, Eva Inés: Zur Auswertungspflicht<br />
des Filmverleihers: Anmerkung zum Urteil des<br />
Bundesgerichtshofs vom 10. Oktober 2002 – I<br />
ZR 193/00. – S. 292 – 296<br />
329
M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />
Literaturverzeichnis<br />
11 Bibliographien. Lexika<br />
12 Jahrbücher. Geschäftsberichte<br />
21 <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong> und -forschung<br />
22 Journalismus. <strong>Medien</strong>berufe<br />
23 Publizistische Persönlichkeiten<br />
24 <strong>Medien</strong>institute<br />
31 Kommunikation<br />
32 <strong>Kommunikations</strong>politik<br />
33 Lokalkommunikation. Bundesländer<br />
41 Massenkommunikation Politik<br />
42 Massenkommunikation Gesellschaft<br />
43 Massenkommunikation Kultur<br />
12 Jahrbücher. Geschäftsberichte<br />
Geschäftsbericht 2001. – Hamburg: NDR,<br />
2002. – 130 S.<br />
Haushaltsplan 2003/ Hessischer Rundfunk<br />
(Hrsg.). – Frankfurt: HR, 2002. – getr. S.<br />
Jahrbuch 2002, Bd 2; Audiovisuelle Ausstattung<br />
der Haushalte – Übertragungswege –<br />
Fernsehreichweiten. – Baden-Baden: Nomos,<br />
2003. – 109 S.<br />
Jahrbuch 2002, Bd 4; Multimedia und neue<br />
Technologien. – Baden-Baden: Nomos, 2003. –<br />
112 S.<br />
Jahrbuch 2002, Bd 5; Fernsehsender – Programmproduktionen<br />
und -handel. – Baden-Baden:<br />
Nomos, 2003. – 127 S.<br />
Tätigkeitsbericht des Instituts für Rundfunkökonomie<br />
für die Jahre 2001 und 2002. – Köln:<br />
Institut für Rundfunkökonomie, 2003. – 66 S.<br />
(Arbeitspapiere des Instituts für Rundfunkökonomie<br />
an der Universität zu Köln; 162)<br />
Wirtschaftsplan 2003/Radio Bremen, RB<br />
(Hrsg.). – Bremen: RB, 2002. – getr. S.<br />
21 <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong> und<br />
-forschung<br />
Kommunikation – <strong>Medien</strong> – Gesellschaft: eine<br />
Bestandsaufnahme deutscher und französischer<br />
Wissenschaftler/Hrsg.: Viallon, Philippe;<br />
Weiland, Ute. – Berlin: Avinus, 2002. – 416 S.<br />
Machin, David: Ethnographic research for media<br />
studies. – London: Arnold, 2002. – 181 S.<br />
<strong>Medien</strong><strong>wissenschaft</strong>: ein Handbuch zur Entwicklung<br />
der <strong>Medien</strong> und <strong>Kommunikations</strong>formen:<br />
Teilband 3/Hrsg.: Leonhard, Joachim-<br />
330<br />
51 Telekommunikation. Informationsgesellschaft<br />
52 Neue Technologien. Multimedia<br />
61 Internationale Kommunikation<br />
62 Europa Kommunikation<br />
71 Massenmedien, allgemein<br />
72 <strong>Medien</strong> Bildung<br />
73 <strong>Medien</strong> Ökonomie<br />
74 <strong>Medien</strong> Recht<br />
75 Rundfunk<br />
76 Werbung<br />
81 Publikum. <strong>Medien</strong>nutzung<br />
82 Rezeptionsforschung<br />
83 Kinder Jugendliche <strong>Medien</strong><br />
91 Literatur zu einzelnen Ländern<br />
Felix. – Berlin: Walter de Gruyter GmbH &<br />
Co. KG, 2002. – 2971 S. (Handbücher zur<br />
Sprach- und <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>;<br />
15/3)<br />
Öffentliche Kommunikation: Handbuch<br />
<strong>Kommunikations</strong>- und <strong>Medien</strong><strong>wissenschaft</strong>/<br />
Hrsg.: Bentele, Günter; Brosius, Hans-Bernd;<br />
Jarren, Otfried. – Wiesbaden: Westdt. Verl.,<br />
2003. – 607 S.<br />
Schonlau, Matthias; Fricker, Ronald; Elliott,<br />
Marc N.: Conducting research surveys via<br />
e-mail and the web. – Santa Monica: Rand,<br />
2002. – 117 S.<br />
22 Journalismus. <strong>Medien</strong>berufe<br />
Giordano, Giuseppina: <strong>Medien</strong>präsenz durch<br />
Prominenz?: Selektionskriterien von Lokaljournalisten<br />
bei kommunalen Pressemitteilungen;<br />
eine Fallstudie. – Münster: Lit., 2002. – 142<br />
S. (Beiträge zur <strong>Kommunikations</strong>theorie; 20)<br />
Janssen, Maike; Paukens, Hans: Weiterbildungsbedarf<br />
der Content-Wirtschaft: Studie<br />
für ein Aus- und Weiterbildungsangebot. –<br />
München: R. Fischer, 2003. – 108 S.<br />
Knieper, Thomas: Die politische Karikatur:<br />
eine journalistische Darstellungsform und deren<br />
Produzenten. – Köln: Halem, 2002. – 346 S.<br />
Ludwig, Johannes: Investigativer Journalismus:<br />
Recherchestrategien – Quellen – Informanten.<br />
– Konstanz: UVK, 2002. – 398 S.<br />
(Praktischer Journalismus; 48)<br />
Sachsse, Rolf: Bildjournalismus heute: Beruf,<br />
Ausbildung, Praxis. – München: List Verl.,<br />
2003. – 304 S.
Seib, Phillip M.: Going live: getting the news<br />
right in a realtime, online world. – Lanham:<br />
Rowman & Littlefield, 2001. – 197 S.<br />
Wyss, Vinzenz: Redaktionelles Qualitätsmanagement:<br />
Ziele, Normen, Ressourcen. – Konstanz:<br />
UVK, 2002. – 430 S. (Forschungsfeld<br />
Kommunikation; 15)<br />
23 Publizistische Persönlichkeiten<br />
Friedrich-Wilhelm Frhr. von Sell: Bibliographie.<br />
– Köln: WDR, 2002. – 47 S.<br />
Wagner, Hans: Journalismus mit beschränkter<br />
Haftung?: Gesammelte Beiträge zur Journalismus-<br />
und <strong>Medien</strong>kritik; Festschrift Heinz Starkulla.<br />
– München: R. Fischer, 2003. – 335 S.<br />
31 Kommunikation<br />
Mayer-Uellner, Robert: Das Schweigen der<br />
Lurker: Politische Partizipation und soziale<br />
Kontrolle in Online-Diskussionsforen. – München:<br />
R. Fischer, 2003. – 247 S. (Internet Research;<br />
8)<br />
<strong>Medien</strong>philosophie: Beiträge zur Klärung eines<br />
Begriffs/Hrsg.: Münker, Stefan; Roesler, Alexander;<br />
Sandbothe, Mike. – Frankfurt: Fischer<br />
TB., 2003. – 224 S.<br />
Mobile Kommunikation: Wertschöpfung,<br />
Technologien, neue Dienste/Hrsg.: Reichwald,<br />
Ralf. – Wiesbaden: Gabler, 2002. – 563 S.<br />
Unternehmenskommunikation offline/online:<br />
Wandelprozesse interner und externer Kommunikation<br />
durch neue <strong>Medien</strong>/Hrsg.: Thimm,<br />
Caja. – Frankfurt: Lang, 2002. – 313 S. (Bonner<br />
Beiträge zur <strong>Medien</strong><strong>wissenschaft</strong>; 1)<br />
33 Lokalkommunikation. Bundesländer<br />
Ossenbühl, Fritz: Rechtsfragen des Teilnehmerentgelts<br />
nach bayerischem <strong>Medien</strong>recht. –<br />
München: R. Fischer, 2003. – 114 S. (BLM-<br />
Schriftenreihe; 73)<br />
SAEK Sächsische Ausbildungs- und Erprobungskanäle:<br />
auf dem Weg zur <strong>Medien</strong>kompetenz.<br />
– Berlin: Vistas, 2003. – 213 S. (Schriftenreihe<br />
der SLM; 11)<br />
Volpers, Helmut; Salwiczek, Christian;<br />
Schnier, Detlef: Hörfunklandschaft Niedersachsen<br />
2001: eine vergleichende Analyse des<br />
privaten Hörfunks. – Berlin: Vistas, 2003. – 259<br />
S. (Schriftenreihe der NLM; 15)<br />
Literatur · Literaturverzeichnis<br />
41 Massenkommunikation Politik<br />
Aus Politik und Zeitgeschichte: Beilage zur<br />
Wochenzeitung Das Parlament; Bundestagswahlen<br />
2002. – Bonn: Bundeszentrale für politische<br />
Bildung, 2002. – 54 S. (B 49-50; 2002)<br />
Chomsky, Noam: Media Control: wie die <strong>Medien</strong><br />
uns manipulieren. – Hamburg: Europa<br />
Verl., 2003. – 254 S.<br />
Meng, Richard: Der <strong>Medien</strong>kanzler: was bleibt<br />
vom System Schröder. – Frankfurt: Suhrkamp,<br />
2002. – 247 S.<br />
Tönnies, Ferndinand: Kritik der öffentlichen<br />
Meinung; 1922/Hrsg.: Deichsel, Alexander;<br />
Fechner, Rolf; Waßner, Rainer. – Berlin: de<br />
Gruyter, 2002. – 805 S. (Gesamtausgabe/TG;<br />
14)<br />
42 Massenkommunikation Gesellschaft<br />
Gesellschaftstheorie und <strong>Medien</strong>system: Interdisziplinäre<br />
Zugänge zur Beziehung von <strong>Medien</strong>,<br />
Journalismus und Gesellschaft/Hrsg.:<br />
Eurich, Claus. – Münster: Lit., 2002. – 140 S.<br />
(<strong>Medien</strong>; 2)<br />
Integration durch Politik und <strong>Medien</strong>?: 7. <strong>Medien</strong>forum<br />
Migranten bei uns/Hrsg.: Meier-<br />
Braun, Karl; Kilgus, Martin A.. – Baden-Baden:<br />
Nomos, 2003. – 190 S. (SWR Schriftenreihe,<br />
Grundlagen; 3)<br />
Kümmel, Gerhard; Klein, Paul; Kozielski, Peter<br />
Michael: Die gewalttätige Gesellschaft: Erscheinungsformen<br />
und Ursachen von Gewalt –<br />
Handlungsmöglichkeiten für die Bundeswehr.<br />
– Strausberg: Sozialwiss. Institut der Bundeswehr,<br />
2002. – 404 S.<br />
Media in transition: from totalitarianism to democracy/Hrsg.:<br />
Manaev, Oleg; Pryliuk, Yuri. –<br />
Kyiv: Abris, 1993. – 291 S.<br />
Die Sicht des Anderen: 10 Jahre Deutsch-Türkischer<br />
Dialog/Körber-Stiftung (Hrsg.). –<br />
Hamburg: Braun & Behrmann, 2002. – 24 S.<br />
43 Massenkommunikation Kultur<br />
<strong>Medien</strong>kultur im digitalen Wandel: Prozesse,<br />
Potentiale, Perspektiven/Hrsg.: Spoun, Sascha;<br />
Wunderlich, Werner. – Bern: Haupt, 2002. –<br />
319 S. (Facetten der <strong>Medien</strong>kultur; 2)<br />
Populäre Kultur als repräsentative Kultur: die<br />
Herausforderung der Cultural Studies/Hrsg.:<br />
Göttlich, Udo; Albrecht, Clemens; Gebhardt,<br />
331
M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />
Winfried. – Köln: Halem, 2002. – 308 S. (Fiktion<br />
und Fiktionalisierung; 6)<br />
51 Telekommunikation. Informationsgesellschaft<br />
Castells, Manuel: Der Aufstieg der Netzwerkgesellschaft;<br />
Das Informationszeitalter, Teil 1<br />
der Trilogie. – Opladen: Leske + Budrich, 2003.<br />
– 600 S.<br />
Castells, Manuel: Die Macht der Identität; Das<br />
Informationszeitalter, Teil 2 der Trilogie. –<br />
Opladen: Leske + Budrich, 2002. – 449 S.<br />
Latzer, Michael; Schmitz, Stefan: Die Ökonomie<br />
des E-Commerce: new economy, digitale<br />
Ökonomie und real<strong>wissenschaft</strong>liche Auswirkungen.<br />
– Marburg: Metropolis Verl., 2002. –<br />
210 S.<br />
Lindstädt, Hagen: Die Versteigerung der deutschen<br />
UMTS-Lizenzen: eine ökonomische<br />
Analyse des Bieterverhaltens. – Leipzig, 2001. –<br />
24 S. (HHL-Arbeispapiere; 42)<br />
Nett, Lorenz; Stumpf, Ulrich: Eckpunkte zur<br />
Ausgestaltung eines möglichen Handels mit<br />
Frequenzen. – Bad Honnef: WIK, 2003. – 96 S.<br />
(Diskussionsbeiträge; 241)<br />
52 neue Technologien. Multimedia<br />
Gourd, Andrea: Öffentlichkeit und digitales<br />
Fernsehen. – Wiesbaden: Westdeutscher Verl.,<br />
2002. – 320 S.<br />
Innovationsmanagement in <strong>Medien</strong>unternehmen:<br />
Theoretische Grundlagen und Praxiserfahrungen/Hrsg.:<br />
Habann, Frank. – Wiesbaden:<br />
Gabler, 2003. – 299 S.<br />
Jürgens, Hans W.: Zur Handhabbarkeit von<br />
Zugangseinrichtungen und Verfahren zur Nutzung<br />
digitaler <strong>Medien</strong>angebote. – Kiel: ULR,<br />
2002. – 70 S. (ULR-Schriftenreihe; 19)<br />
Kröger, Claudia: Strategisches Marketing von<br />
Online-<strong>Medien</strong>produkten: Marktattraktivität<br />
und Wettbewerbspositionen. – Wiesbaden:<br />
DUV, 2002. – 499 S. (Betriebswirtschaftliche<br />
Forschung zur Unternehmensführung; 44)<br />
61 internationale Kommunikation<br />
Schröer, Norbert: Verfehlte Verständigung:<br />
<strong>Kommunikations</strong>soziologische Fallstudie zur<br />
interkulturellen Kommunikation. – Konstanz:<br />
UVK, 2002. – 170 S.<br />
332<br />
62 Europa Kommunikation<br />
Communication research and media science in<br />
Europe: perspectives for research and academic<br />
training in Europe’s changing media<br />
reality/Hrsg.: Schorr, Angela; Campbell, William;<br />
Schenk, Michael. – Berlin: de Gruyter,<br />
2002. – 656 S.<br />
Krebber, Daniel: Europeanisation of regulatory<br />
television policy: the decision-making<br />
process of the television without frontiers directives<br />
from 1989 & 1997. – Baden-Baden:<br />
Nomos, 2003. – 221 S. (Integration Europas<br />
und Ordnung der Weltwirtschaft; 24)<br />
Transnationale Öffentlichkeiten und Identitäten<br />
im 20. Jahrhundert/Hrsg.: Kaelble, Hartmut;<br />
Kirsch, Martin; Schmidt-Gernig, Alexander.<br />
– 2002: Campus, 2002. – 448 S.<br />
71 Massenmedien, allgemein<br />
Altendorfer, Otto: Das <strong>Medien</strong>system der<br />
Bundesrepublik Deutschland: Bd 1. – Wiesbaden:<br />
Westdeutscher, 2001. – 344 S.<br />
Augstein, Jakob: Sieben Schüsse in Glienicke:<br />
Gerichtsreportagen aus Berlin. – München:<br />
Hanser, 1998. – 131 S.<br />
Aus Politik und Zeitgeschichte: Beilage zur<br />
Wochenzeitung Das Parlament; Genderforschung.<br />
– Bonn: Bundeszentrale für politische<br />
Bildung, 2002. – 46 S. (B 33-34; 2002)<br />
Brookes, Rod: Representing sport. – London:<br />
Arnold, 2002. – 172 S.<br />
Daten zur <strong>Medien</strong>situation in Deutschland;<br />
Basisdaten 2002. – Frankfurt: Media Perspektiven,<br />
2002. – 88 S.<br />
Deutschland – einig <strong>Medien</strong>land?: Erfahrungen<br />
und Analysen/Hrsg.: Hömberg, Walter. –<br />
Münster: Lit, 2002. – 122 S.<br />
Feinstein, Joshua: The triumph of the ordinary:<br />
depictions of daily life in the East German cinema,<br />
1949-1989. – London: Univ. of North<br />
Carolina Pr., 2002. – 331 S.<br />
Gentechnologie in der öffentlichen Kontroverse/Hrsg.:<br />
Bonfadelli, Heinz; Dahinden, Urs. –<br />
Zürich: Seismo, 2002. – 208 S.<br />
Jahresschriften; Wissenschaft, Politik und Politikberatung:<br />
Erkundungen zu einem schwierigen<br />
Verhältnis. – Strausberg: Sozial<strong>wissenschaft</strong>liches<br />
Institut der Bundeswehr, 2002. –<br />
222 S.
Krajewski, Sabine: Life goes on, and sometimes<br />
it doesn’t: a comparative study of medical drama<br />
in the US, Great Britain and Germany. –<br />
Frankfurt: Lang, 2002. – 220 S. (Europäische<br />
Hochschulschriften, Reihe 30; 85)<br />
Liebert, Wolf-Andreas: Wissenstransformationen:<br />
handlungssemantische Analysen von Wissenschafts-<br />
und Vermittlungstexten. – Berlin:<br />
de Gruyter, 2002. – 493 S. (Studia linguistica<br />
Germanica; 63)<br />
<strong>Medien</strong> und Terrorismus: Reaktionen auf den<br />
11. September 2001/Hrsg.: Schicha, Christian;<br />
Brosda, Carsten. – Münster: Lit., 2002. – 201 S.<br />
(Ikö-Publikationen; 4)<br />
Nur Krisen, Kriege, Katastrophen?: Auslandsberichterstattung<br />
im deutschen Fernsehen; Dokumentation<br />
der 21. Tutzinger <strong>Medien</strong>tage/<br />
Hrsg.: Cappitelli, Claudia; Schwanebeck, Axel.<br />
– München: R. Fischer, 2003. – 198 S.<br />
Sport-goes-media.de: zur Medialisierung des<br />
Sports; Festschrift für Herbert Haag/Hrsg.:<br />
Strauss, Bernd; Kolb, Michael; Lames, Martin.<br />
– Schondorf: Hofmann, 2002. – 187 S.<br />
72 <strong>Medien</strong> Bildung<br />
Barsch, Achim; Erlinger, Hans Dieter: <strong>Medien</strong>pädagogik:<br />
eine Einführung. – Stuttgart: Klett-<br />
Cotta, 2002. – 220 S.<br />
Bickelmann, Karin; Sosalla, Werner: <strong>Medien</strong>kompetenz:<br />
Voraussetzungen, Förderung,<br />
Handlungsschritte. – Berlin: Vistas, 2002. – 114<br />
S. (Schriften der LMS; 9)<br />
Tulodziecki, Gerhard; Herzig, Bardo: Computer<br />
und Internet im Unterricht: medienpädagogische<br />
Grundlagen und Beispiele. – Berlin:<br />
Cornelsen Scriptor, 2002. – 207 S.<br />
73 <strong>Medien</strong> Ökonomie<br />
Beck, Hanno: <strong>Medien</strong>ökonomie: Print, Fernsehen<br />
und Multimedia. – Heidelberg: Springer,<br />
2002. – 348 S.<br />
Dimmick, John W.: Media competition and coexistence:<br />
the theory of the niche. – London:<br />
LEA, 2003. – 145 S.<br />
Hass, Berthold H.: Geschäftsmodelle von <strong>Medien</strong>unternehmen:<br />
Ökonomische Grundlagen<br />
und Veränderungen durch neue Informationsund<br />
<strong>Kommunikations</strong>technik. – Wiesbaden:<br />
DUV, 2002. – 193 S.<br />
Hermann, Michael: Vom Broadcast zum Personalcast:<br />
Ökonomische Potenziale der Indivi-<br />
Literatur · Literaturverzeichnis<br />
dualisierung audiovisueller <strong>Medien</strong>produkte. –<br />
Wiesbaden: DUV, 2002. – 236 S.<br />
Internet und die Zukunft der Printmedien:<br />
<strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>liche und medienökonomische<br />
Aspekte/Hrsg.: Theis-Berglmair,<br />
Anna M.. – Münster: Lit, 2002. – 258 S.<br />
(Beiträge zur <strong>Medien</strong>ökonomie; 4)<br />
Kürble, Peter: Spielfilme im Netz multimedialer<br />
Entwicklungen: Wettbewerbsanalyse und<br />
Markteintrittsmöglichkeiten am Beispiel von<br />
Netzbetreibern; Eine theoretische Untersuchung<br />
mit Hilfe des Konzeptes der fünf Wettbewerbskräfte<br />
und des Transaktionskostenansatzes.<br />
– Berlin, 1999. – 339 S.<br />
Sjurts, Insa: Strategien in der <strong>Medien</strong>branche:<br />
Grundlagen und Fallbeispiele. – Wiesbaden:<br />
Gabler, 2002. – 438 S.<br />
Wer beherrscht die <strong>Medien</strong>?: die 50 größten<br />
<strong>Medien</strong>konzerne der Welt; Jahrbuch 2003/<br />
Hrsg.: Hachmeister, Lutz; Rager, Günther. –<br />
München: Beck, 2003. – 431 S.<br />
74 <strong>Medien</strong> Recht<br />
Beck’scher Kommentar zum Rundfunkrecht/<br />
Hrsg.: Hahn, Werner; Vesting, Thomas. –<br />
München: Beck, 2003. – 1543 S.<br />
Bruns, Marco: Diskursive Zugänge zum<br />
Rechtssystem: zur Verrechtlichung des <strong>Kommunikations</strong>schutzes<br />
im Datenschutz und zur<br />
Institutionalisierung des Datenschutzes in der<br />
Öffentlichkeit. – Baden-Baden: Nomos, 2000.<br />
– 328 S. (Frankfurter Studien zum Datenschutz;<br />
14)<br />
Dörr, Dieter; Schiedermair, Stephanie: Rundfunk<br />
und Datenschutz: die Stellung des Datenschutzbeauftragten<br />
des Norddeutschen Rundfunks;<br />
Eine Untersuchung unter besonderer<br />
Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen<br />
und europarechtlichen Vorgaben. – Frankfurt:<br />
Lang, 2002. – 96 S. (Studien zum deutschen und<br />
europäischen <strong>Medien</strong>recht; 13)<br />
Gets, Martina: Meinungsäußerungs- und Informationsfreiheit<br />
im Internet aus Sicht des<br />
Völkerrechts. – Berlin: Berlin Verl. Spitz, 2002.<br />
– 200 S.<br />
Hasselblatt, Fabian; Urs, Dieter: Die Vergleichende<br />
Werbung in der Europäischen Gemeinschaft<br />
für die Zeit nach Maastricht und Amsterdam<br />
– unter besonderer Berücksichtigung<br />
der Errichtung des europäischen Binnenmarktes.<br />
– Köln: Heymann, 2002. – 400 S. (Schriftenreihe<br />
zum gewerblichen Rechtsschutz; 117)<br />
333
M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />
Heyms, Sybille; Prieß, Christiane: Werbung<br />
online: eine Betrachtung aus rechtlicher Sicht. –<br />
Berlin: Schmidt Verl., 2001. – 266 S. (Electronic<br />
commerce und Recht; 4)<br />
Jugendschutz: Sonderdruck aus Hartstein/<br />
Ring/Kreile/Dörr/Stettner; Jugendmedienschutz-Staatsvertrag;<br />
Jugendschutzgesetz; <strong>Medien</strong>dienste-Staatsvertrag;<br />
Teledienstegesetz:<br />
Textausgabe. – München: Rehm, 2003. – 167 S.<br />
Moos, Flemming: Die Bindung der Telekommunikationsregulierung<br />
durch das GATS-Abkommen.<br />
– Baden-Baden: Nomos, 2003. – 362<br />
S. (Law and economics of international Telecommunications;<br />
50)<br />
Moosmann, Oliver: Exklusivstories: zur rechtlichen<br />
Problematik der Exklusivvermarktung<br />
von Lebensgeschichten und anderen persönlichkeitsrechtlich<br />
geschützten Informationen. –<br />
Frankfurt: Lang, 2002. – 222 S.<br />
Nationaler Rundfunk und Europäisches Gemeinschaftsrecht<br />
zwischen <strong>Kommunikations</strong>freiheit<br />
und Regulierung: Vortragsveranstaltung.<br />
– München: Beck, 2003. – 110 S. (Schriftenreihe<br />
des Instituts für Rundfunkrecht an der<br />
Universität zu Köln; 86)<br />
Neun, Andreas: Öffentlich-rechtlicher Rundfunk:<br />
Grenzen des Wachstums: Programmund<br />
Angebotsdiversifizierung der Rundfunkanstalten<br />
der Bundesrepublik Deutschland. –<br />
Berlin: Duncker & Humblot, 2002. – 482 S.<br />
(Beiträge zum Informationsrecht; 2)<br />
Ory, Stephan; Schmittmann, Jens M.: Freie<br />
Mitarbeiter in den <strong>Medien</strong>: Einordnung im Arbeits-,<br />
Sozial- und Steuerrecht. – München:<br />
Beck, 2002. – 257 S.<br />
Paschke, Marian: <strong>Medien</strong>recht. – Berlin: Springer-Verlag,<br />
2001. – 2. Aufl. – 452 S.<br />
Petry, Friedrich: Reform der Rundfunkordnung<br />
im Lichte der Rundfunkveranstalterfreiheit.<br />
– Berlin: Dissertation Verl., 2002. – 148 S.<br />
Rundfunk über Gebühr?: die Finanzierung des<br />
öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Zeitalter<br />
der technischen Konvergenz; 3. Mainzer <strong>Medien</strong>gespräch/Hrsg.:<br />
Dörr, Dieter. – Frankfurt:<br />
Lang, 2003. – 73 S. (Studien zum deutschen und<br />
europäischen <strong>Medien</strong>recht; 14)<br />
Schlottfeld, Christian: Die Verwertung rechtswidrig<br />
beschaffter Informationen durch Presse<br />
und Rundfunk. – Baden-Baden: Nomos, 2002.<br />
– 333 S.<br />
334<br />
Spinello, Richard A.: Regulating cyberspace:<br />
the policies and technologies of control. – London:<br />
Quorum Books, 2002. – 246 S.<br />
Staatliche Kontrolle und selbstregulative Steuerung:<br />
Demokratische Willensbildung am Beispiel<br />
des Jugendmedienschutzes/Hrsg.: Büttner,<br />
Christian; Gottberg, Joachim von. –<br />
Frankfurt: Campus, 2002. – 216 S.<br />
Tschon, Michaela S.: Cross Ownership und publizistische<br />
Gewaltenteilung: rechtstatsächliche<br />
Grundlagen und rechtliche Zulässigkeit der<br />
marktführenden Eigentumskonzentration in<br />
den <strong>Medien</strong>; zugleich ein Beitrag zur Dogmatik<br />
der Cross Ownership Beschränkung unter besonderer<br />
Berücksichtigung des § 26 Abs. 2 Satz<br />
2 RStV. – Berlin: Duncker & Humblot, 2002. –<br />
608 S. (Schriften zu <strong>Kommunikations</strong>fragen;<br />
34)<br />
Will, Martin: Internetwahlen: verfassungsrechtliche<br />
Möglichkeiten und Grenzen. – Stuttgart:<br />
Boorberg, 2002. – 197 S. (Recht und Neue<br />
<strong>Medien</strong>; 2)<br />
75 Rundfunk<br />
Berger-Klein, Andrea: Mikropolitik im Rundfunk:<br />
Programm- und Strukturreformen bei<br />
NDR 90,3 (Hamburg-Welle). – Hamburg: Lit.,<br />
2002 (<strong>Medien</strong> und Politik; 17)<br />
Breyer-Mayländer, Thomas; Werner, Andreas:<br />
Handbuch der <strong>Medien</strong>betriebslehre. – München:<br />
R. Oldenburg, 2003. – 405 S.<br />
Cross-Media Management: Content-Strategien<br />
erfolgreich umsetzen/Hrsg.: Müller-Kalthoff,<br />
Björn. – Berlin: Springer, 2002. – 232 S.<br />
Grätz, Reinhard: Gremien in öffentlich-rechtlichen<br />
Rundfunkanstalten. Entscheidungsträger<br />
oder Erfüllungshilfen?. – Köln: Institut für<br />
Rundfunkökonomie, 2002. – 7 S. (Arbeitspapiere<br />
des Instituts für Rundfunkökonomie an<br />
der Universität zu Köln; 161)<br />
Hurth, Elisabeth: Zwischen Religion und Unterhaltung:<br />
zur Bedeutung der religiösen Dimension<br />
in den <strong>Medien</strong>. – Mainz: Grünewald<br />
Verl., 2001. – 152 S.<br />
Ivanyi, Nathalie; Reichertz, Jo: Liebe (wie) im<br />
Fernsehen: eine wissenssoziologische Analyse.<br />
– Opladen: Leske + Budrich, 2002. – 308 S. (Erlebniswelten;<br />
5)<br />
Jaedicke, Horst: Tatort Tagesschau: eine Institution<br />
wird 50. – München: Alliteraverlag,<br />
2002. – 234 S.
Krug, Hans-Jürgen: Radiolandschaften: Beiträge<br />
zur Geschichte und Entwicklung des Hörfunks.<br />
– Frankfurt: Lang, 2002. – 186 S. (Hamburger<br />
Beiträge zur Germanistik; 37)<br />
Maier, Michaela: Zur Konvergenz des Fernsehens<br />
in Deutschland: Ergebnisse qualitativer<br />
und repräsentativer Zuschauerbefragungen. –<br />
Konstanz: UVK, 2002. – 387 S. (<strong>Medien</strong> und<br />
Märkte; 11)<br />
Rundfunkregulierung: Leitbilder, Modelle und<br />
Erfahrungen im internationalen Vergleich; eine<br />
sozial-und rechts<strong>wissenschaft</strong>liche Analyse. –<br />
Zürich: Seismo, 2002. – 409 S.<br />
Schrader, Stephanie: Von der Deutschen Stunde<br />
in Bayern zum Reichssender München: der<br />
Zugriff der Nationalsozialisten auf den Rundfunk.<br />
– Frankfurt: Lang, 2002. – 100 S. (Studien<br />
zur Geschichte des Bayerischen Rundfunks; 1)<br />
Stellung & Finanzierung des deutschen Auslandsrundfunks:<br />
Dokumentation DW-Symposium<br />
März 2000. – Berlin: Vistas, 2000. – 98 S.<br />
(DW-Schriftenreihe; 2)<br />
Trimborn, Jürgen: Fernsehen der Neunziger:<br />
die deutsche Fernsehlandschaft seit der Einführung<br />
des Privatfernsehens. – Köln: Leppin,<br />
1999. – 228 S. (Fernseh<strong>wissenschaft</strong>; 2)<br />
Wolff, Franca: Glasnost erst kurz vor Sendeschluss:<br />
die letzten Jahre des DDR-Fernsehens<br />
(1985-1989/90). – Köln: Böhlau, 2002. – 324 S.<br />
(<strong>Medien</strong> in Geschichte und Gegenwart; 18)<br />
76 Werbung<br />
Bongard, Joachim: Werbewirkungsforschung:<br />
Grundlagen – Probleme – Ansätze. – Münster:<br />
Lit, 2002. – 434 S. (Publizistik; 7)<br />
Fischer, Heinz-Dietrich; Westermann, Arne:<br />
Knappe Geschichte der Hörfunk- und Fernsehwerbung<br />
in Deutschland: Leitfaden durch<br />
medienpolitische Stationen eines <strong>Kommunikations</strong>phänomens.<br />
– Hagen: ISL Verl., 2001. –<br />
151 S.<br />
Die Gesellschaft der Werbung: Kontexte und<br />
Texte, Produktionen und Rezeptionen, Entwicklungen<br />
und Perspektiven/Hrsg.: Willems,<br />
Herbert. – Wiesbaden: Westdt. Verl., 2002. –<br />
1006 S.<br />
Jahrbuch Deutscher Werberat 2003/Deutscher<br />
Werberat (Hrsg.). – Bonn: edition ZAW, 2003.<br />
– 74 S.<br />
Literatur · Literaturverzeichnis<br />
81 Publikum. <strong>Medien</strong>nutzung<br />
Fernsehsender im Urteil der Zuschauer: Image-<br />
Bewertung 2002. – Mainz: ZDF, 2002. – 26 S.<br />
MA 2001 Internet-Nutzung: Basis: MA 2001<br />
Radio II/Arbeitsgemeinschaft Media Analyse<br />
e.V. (Hrsg.). – Frankfurt am Main, 2001. – 36 S.<br />
Massenkommunikation VI: eine Langzeitstudie<br />
zur <strong>Medien</strong>nutzung und <strong>Medien</strong>bewertung<br />
1964-2000/Hrsg.: Berg, Klaus; Ridder, Christa-<br />
Maria. – Baden-Baden: Nomos, 2002. – 256 S.<br />
(Schriftenreihe Media Perspektiven; 16)<br />
Oehmichen, Ekkehardt; Ridder, Christa-Maria:<br />
Die <strong>Medien</strong>NutzerTypologie: ein neuer<br />
Ansatz der Publikumsanalyse. – Baden-Baden:<br />
Nomos, 2003. – 320 S. (Schriftenreihe Media<br />
Perspektiven; 17)<br />
82 Rezeptionsforschung<br />
Früh, Werner: Unterhaltung durch das Fernsehen:<br />
eine molare Theorie. – Konstanz: UVK,<br />
2002. – 253 S.<br />
Gunter, Barrie; Harrison, Jackie; Wykes, Maggie:<br />
Violence on television: distribution, form,<br />
context, and themes. – London: LEA Inc, 2002.<br />
– 307 S.<br />
Peters, Lars: Von Welle zu Welle: Umschalten<br />
beim Radiohören. – Berlin: Vistas, 2003. – 277<br />
S. (Schriftenreihe der NLM; 16)<br />
83 Kinder Jugendliche <strong>Medien</strong><br />
Bergmann, Wolfgang: Digitalkids: Kindheit in<br />
der <strong>Medien</strong>maschine. – München: Beust, 2003.<br />
– 232 S.<br />
Broadcast television effects in a remote community/Hrsg.:<br />
Charlton, Tony; Gunter, Barrie;<br />
Hannan, Andrew. – Mahwah: Erlbaum, 2002. –<br />
169 S.<br />
Children in the digital age: influences of electronic<br />
media on development/Hrsg.: Calvert,<br />
Sandra L.; Jordan, Amy B.; Cocking, Rodney<br />
R. – London: Praeger Publ., 2002. – 260 S.<br />
Netkids und Theater: Studien zum Verhältnis<br />
von Jugend, Theater und neuen <strong>Medien</strong>/Hrsg.:<br />
Richard, Jürg. – Frankfurt: Lang, 2002. – 259 S.<br />
(Kinder- und Jugendkultur, -literatur und -medien;<br />
19)<br />
335
M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />
91 Literatur zu einzelnen Ländern<br />
Baldauf, Manuela: Wahlkampf im Web: eine<br />
Untersuchung der offiziellen Webseiten von<br />
George W. Bush und Al Gore im US-Präsidentschaftswahlkampf<br />
2000. – Wiesbaden:<br />
DUV, 2002. – 159 S.<br />
Beyond boundaries: cyberspace in Africa/<br />
Hrsg.: Robins, Melinda B.; Hilliard, Robert L..<br />
– Portsmouth: Heinemann, 2002. – 188 S.<br />
Broadcasting in Japan: the twentieth Century<br />
journey from Radio to Multimedia. – Tokyo:<br />
NHK, 2002. – 365 S.<br />
Brooks, Dwight E.; Rada, James A.: Constructing<br />
race in black and whiteness: media coverage<br />
of public support for President Clinton. –<br />
Columbia: AEJMC, 2002. – 156 S. (Journalism<br />
and communication monographs; 2002/3)<br />
Chermak, Steven M.: Searching for a demon:<br />
the media construction of the militia movement.<br />
– Boston: Northeastern Univ., Pr., 2002.<br />
– 272 S.<br />
Chinese communication studies: contexts and<br />
comparisons/Hrsg.: Lu, Xing; Jia, Wenshan;<br />
Heisey, D. Ray. – London: Ablex Publ., 2002.<br />
– 278 S.<br />
Durham, Frank D.: Anti-Communism, race,<br />
and structuration: Newspaper coverage of the<br />
labor and desegregation movements in the<br />
South, 1932–40 and 1953–61. – Columbia: AE-<br />
JMC, 2002. – 107 S. (Journalism and communication<br />
monographs; 2002/2)<br />
Elsäßer, Ulrike; Evermann, Jovan; Thiel, Michael:<br />
Dallas, Denver & Co.; Das Große Lexikon<br />
der amerikanischen Soaps: alles über die amerikanischen<br />
Daily-Soaps im deutschen Fernsehen.<br />
– Berlin: Lexikon Imprint Verl., 2002. –<br />
431 S.<br />
336<br />
Ibelema, Minabere: The Nigerian press and<br />
June 12: pressure and performance during a political<br />
crisis. – Columbia: AEJMC, 2003. – 209<br />
S. (Journalism and communication monographs;<br />
2003/4)<br />
Keller, Alexander: Radio Veritas: ein kirchliches<br />
Entwicklungshilfeprojekt in Asien (1958-<br />
1986). – Köln: Eigenverlag, 2001. – 479 S.<br />
Klee, Hans Dieter: Afrikas <strong>Medien</strong> im Griff der<br />
Global Player und der eigenen Machthaber. –<br />
Köln: Institut für Rundfunkökonomie, 2002. –<br />
14 S. (Arbeitspapiere des Instituts für Rundfunkökonomie<br />
an der Universität zu Köln;<br />
160)<br />
Mebane, Felicia E.: Medicare politics: exploring<br />
the roles of media coverage, political information,<br />
and political participation. – New York:<br />
Garland, 2001. – 181 S.<br />
Oswell, David: Television, childhood, and the<br />
home: a history of the child television audience<br />
in Britain. – Oxford: Clarendon, 2002. – 179 S.<br />
Taiwan; Public television service foundation<br />
annual report 2001. – Taipei: PTS, 2001. – 37 S.<br />
Vittinghoff, Natascha: Die Anfänge des Journalismus<br />
in China: (1860-1911). – Wiesbaden:<br />
Harrassowitz, 2002. – 507 S. (Opera Sinologica;<br />
9)<br />
Widmer, Michael: Das Verhältnis zwischen<br />
<strong>Medien</strong>recht und <strong>Medien</strong>ethik: Unter besonderer<br />
Berücksichtigung der „Erklärung der Rechte<br />
und Pflichten der Journalistinnen und Journalisten“<br />
und des Schweizer Presserats. – Bern:<br />
Stämpfli, 2003. – 147 S. (Schriften zum <strong>Medien</strong>und<br />
Immaterialgüterrecht; 68)<br />
Zum Fernseh’n drängt, am Fernseh’n hängt<br />
doch alles...; 50 Jahre Schweizer Fernsehen. –<br />
Baden: Hier und Jetzt Verl., 2003. – 463 S.
English Abstracts<br />
Elisabeth Klaus / Stephanie Lücke: Reality TV – Definition and criteria of a successful<br />
genre family with exemplary reference to reality soap and docu soap (Reality TV<br />
– Definition und Merkmale einer erfolgreichen Genrefamilie am Beispiel von Reality<br />
Soap und Docu Soap), pp. 195 – 212<br />
Dream ratings for “Deutschland sucht den Superstar” (screened on channel RTL, rough<br />
equivalent of “Idols”), the Grimme Prize for “Schwarzwaldhaus 1902” (SWR), the<br />
launch of the fourth series of “Big Brother” (RTL II): everyday persons and everyday<br />
themes are extremely popular on television. With reference to earlier studies, the article<br />
defines reality TV as a highly active genre family, which combines numerous genres,<br />
including “court TV”, “daily talks”, “personal help shows” and the current “casting<br />
shows”. Taking the hybrid genre reality soap and docu soap as examples, which had a<br />
particularly strong influence on German reality TV at the transition to the 21st century,<br />
the most important criteria of the genre family are outlined. These can be characterised<br />
in terms of content by their deliberate overstepping of limits, such as the mixture of<br />
fictional and non-fictional elements, of authenticity and staging, of everyday and exotic<br />
life, and of information and entertainment. Formally, they are shaped by the same<br />
staging strategies, these being personalisation, emotionalisation, intimisation, stereotypification<br />
and dramatisation. The article views itself as an interim assessment of a genre<br />
family that has become a taken-for-granted part of the German television landscape and<br />
has unbroken development potential.<br />
Keywords: genres, reality TV, docu soap, casting show, reality soap, court TV, daily<br />
talks, personal help show, staging strategies<br />
Volker Gehrau: (Film) Genres and the reduction of uncertainty ((Film-) Genres und<br />
die Reduktion von Unsicherheit), pp. 213 – 231<br />
The study examines the connection between the use of genre designations and the<br />
reduction of uncertainty. In the first section of the article, four theoretical modellings<br />
are presented in this context: in cultural modelling, the reduction of uncertainty results<br />
from the follow-through capability between a specific offering and the offerings as a<br />
whole. Economic modelling concentrates on the capability to follow through from an<br />
individual offering to the offerings already marketed and audience desires. In psychological<br />
modelling, genre classifications provide the capability to follow through the cognitive<br />
and emotional experiences that have already been made. In social modelling, genre<br />
designations serve to reduce the uncertainty of common media actions, in particular of<br />
communication about media offerings, by means of ensuring follow-through capability.<br />
The reflections in the second section of the study focus on the audience: accordingly,<br />
the audience would have to make increasing use of genre designations in communication<br />
about media offerings if the situation is uncertain. Within the same situation, the<br />
individual sense of certainty would have to increase if it is possible to fall back upon<br />
genre designations. The available data from an oral survey and from a number of<br />
recipience experiments confirm the suppositions.<br />
Keywords: film and television research, recipience research, genre, uncertainty, control<br />
function, survey, recipience experiment<br />
337
M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />
Barbara Pfetsch: Symbolic noises via the others – The public sphere via media policy<br />
in press commentaries (Symbolische Geräusche über die Anderen – Die Öffentlichkeit<br />
über <strong>Medien</strong>politik in Pressekommentaren), pp. 232 – 249<br />
The article discusses the structures and processes of the policy field of media policy and,<br />
against this background, attempts to analyse the media public through media policy.<br />
After taking stock of the internal structures and negotiation processes and of the norms<br />
and governing principles of media policy decisions, the role of the public sphere in systems<br />
of media policy decision-making is discussed. Insofar as the opinion is shared that<br />
a broadly based public discussion about media and media criticism is a prerequisite for<br />
the redirection of the German media policy from control by state jurisdiction towards<br />
“regulated self-regulation”, the empirical question arises regarding the specific nature of<br />
this public discourse about media policy. On the basis of a content analysis of 240 commentaries<br />
about media policy in national quality newspapers between 1994 and 1998,<br />
the study describes the media discourse on media policy and interprets this against the<br />
background of the assumption that the persistence of the structural and functional<br />
deficits of the current media policy is possibly attributable to the fact that the media<br />
policy public is a peripheral factor, which at most reproduces the symbolic noises of the<br />
media policy dispute.<br />
Keywords: media policy, media criticism, public sphere, commentaries, content analysis<br />
Christiane Eilders / Katrin Voltmer: Between Germany and Europe. An empirical<br />
investigation of the degree of Europeanisation and support for Europe of the leading<br />
opinion-making Germany daily newspapers (Zwischen Deutschland und Europa.<br />
Eine empirische Untersuchung zum Grad von Europäisierung und Europa-<br />
Unterstützung der meinungsführenden deutschen Tageszeitungen), pp. 250 – 270<br />
This paper investigates the role of the media in the construction of a European public<br />
sphere. The discussion of different models of a European public sphere shows that the<br />
Europeanisation of the national public sphere complies with normative claims of extensive<br />
inclusion and deliberation better than the models of a pan-European public sphere<br />
and publics with segmented transnational issues. A content analysis of the discourse on<br />
European politics in German quality newspaper commentaries from 1994 to 1998 shows<br />
a degree of Europeanisation of the public sphere that markedly lags behind the increasing<br />
Europeanisation of politics. EU actors and EU issues are hardly addressed. Even if<br />
the media do address European issues, they predominantly address them in terms of national<br />
politics. At the same time, the media unanimously support the idea of European<br />
integration.<br />
Keywords: public, Europe, Europeanisation, commentaries, content analysis, press reporting,<br />
quality newspapers<br />
Wolfgang Schweiger / Hans-Bernd Brosius: Eurovision Song Contest – do news factors<br />
influence the voting of the viewers? (Eurovision Song Contest – beeinflussen<br />
Nachrichtenfaktoren die Punktvergabe durch das Publikum?) pp. 271 – 294<br />
Since 1998, the points at the Eurovision Song Contest (Grand Prix Eurovision, ESC)<br />
have been cast over the phone by TV viewers. The assumption is that the quality of a<br />
song is the central explanatory factor for its success. The remaining variance is interest-<br />
338
English Abstracts and Keywords<br />
ing, however, from a communication sciences angle. It can be explained with reference<br />
to at least three factor groups: (1) Characteristics of the voting country, (2) Relations<br />
between the voting country and the country for which the vote is cast and (3) Formal<br />
characteristics of the song and its singer. The first three factor groups point to variables,<br />
which are known as news factors from news value theory. Whereas the concept has been<br />
solely applied up to now to explain the journalistic selection of news and the selection<br />
of news by recipients, the authors of this article refer to news factors to explain the voting<br />
at the ESC – and thus the behaviour of the audience. Three hypotheses result, which<br />
the article examines with respect to the contests of the years 1998 to 2002. H1: The higher<br />
the political, economic and cultural status of a contestant country, the more points its<br />
entry receives. H2: The closer the contestant countries are in political, economic,<br />
cultural and geographical terms, the more points the viewers give one another. H3: Entries<br />
by so-called next-door giants receive fewer points from their (smaller) neighbours<br />
than they should have received on merit of their status. As shown by the data collected,<br />
all three hypotheses can be clearly confirmed to varying degrees.<br />
Keywords: news values research, Eurovision Song Contest, televoting, decision-making<br />
theory, schema theory, heuristics, international communication, Europe, European<br />
Broadcasting Union, music<br />
339
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieses Heftes<br />
Dr. Ruth Ayaß, Fakultät für Soziologie, Universität Bielefeld, Postfach 100131,<br />
33501 Bielefeld, ruth.ayass@uni-bielefeld.de<br />
Prof. Dr. Theresia Birkenhauer, Institut für Germanistik II, Universität Hamburg,<br />
Von-Melle-Park 6, 20146 Hamburg, theresiabirkenhauer@web.de<br />
Prof. Dr. Joan Kristin Bleicher, Institut für Germanistik II, Universität Hamburg,<br />
Von-Melle-Park 6, 20146 Hamburg, joan.bleicher@uni-hamburg.de<br />
Dr. Marco Czygan, Weihrachstr. 3, 98693 Ilmenau, marco@czygan.de<br />
Prof. Dr. Hans-Bernd Brosius, Institut für <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong> und<br />
<strong>Medien</strong>forschung, Ludwig-Maximilians Universität München, Oettingenstr. 67, 80538<br />
München, brosius@ifkw.uni-muenchen.de<br />
Dr. Christiane Eilders, Hans-Bredow-Institut, Heimhuder Str. 21, 20148 Hamburg,<br />
c.eilders@hans-bredow-institut.de<br />
Dr. Volker Gehrau, Journalisten-Kolleg, Freie Universität Berlin, Otto-von-Simson-<br />
Str. 3, 14195 Berlin, vgehrau@zedat.fu-berlin.de<br />
Dr. Udo Göttlich, Zentrum für Angewandte Kultur<strong>wissenschaft</strong> ZAK, Universität<br />
Karlsruhe (TH), Kaiserstraße 12, 76128 Karlsruhe, goettlich@uni-duisburg.de<br />
Prof. Dr. Hans Mathias Kepplinger, Institut für Publizistik, Johannes Gutenberg-<br />
Universität, Colonel-Kleinmann-Weg 2, 55099 Mainz, kepplinger@uni-mainz.de<br />
Prof. Dr. Elisabeth Klaus, Zentrum für interdisziplinäre <strong>Medien</strong><strong>wissenschaft</strong> (ZiM),<br />
Universität Göttingen, Humboldtallee 32, 37073 Göttingen, eklaus@uni-goettingen.de<br />
Dipl. Sozw. Stephanie Lücke, Studienrichtung <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>, Universität<br />
Erfurt, Nordhäuser Straße 63 , 99089 Erfurt, stephanie.luecke@uni-erfurt.de<br />
Prof. Dr. Barbara Pfetsch, Universität Hohenheim, Institut für Sozial<strong>wissenschaft</strong>en<br />
540 E, Fruwirthstrasse 47, 70599 Stuttgart, pfetsch@uni-hohenheim.de<br />
Dr. Ulrike Röttger, Institut für <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong> der Westfälischen<br />
Wilhelms-Universität Münster, Bispinghof 9-14, 48143 Münster, ulrike.roettger@unimuenster.de<br />
Dr. Wolfgang Schweiger, Institut für <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong> und <strong>Medien</strong>forschung,<br />
Ludwig-Maximilians Universität München, Oettingenstr. 67, 80538 München,<br />
mail@wolfgang-schweiger.de<br />
Dr. Katrin Voltmer, Institute of Communications Studies, University of Leeds, Roger<br />
Stevens Building, Leeds LS2 9JT, Großbritannien, icskv@leeds.ac.uk<br />
340
Hinweise für Autorinnen und Autoren<br />
Die <strong>wissenschaft</strong>liche Vierteljahreszeitschrift „<strong>Medien</strong> & <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>“<br />
(bis Ende 1999 „Rundfunk und Fernsehen – Zeitschrift für <strong>Medien</strong>- und <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>“)<br />
wird seit 1953 vom Hans-Bredow-Institut herausgegeben und redaktionell<br />
betreut. Die Zeitschrift ist ein interdisziplinäres Forum für theoretische und<br />
empirische Beiträge aus der gesamten <strong>Medien</strong>- und <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>.<br />
Für die Publikation in „<strong>Medien</strong> & <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>“ kommen folgende<br />
Textsorten in Betracht:<br />
• Aufsätze sollen ein Moment originärer theoretischer Leistung beinhalten bzw. einen<br />
theoretisch weiterführenden Argumentationsgang bieten;<br />
• Berichte sollen Befunde zu einem ausgewiesenen Problem von theoretischer oder<br />
medienpraktischer Relevanz darstellen;<br />
• Unter der Rubrik Diskussion sollen Beiträge erscheinen, die innerhalb eines <strong>wissenschaft</strong>lichen<br />
Diskurses Position beziehen und die Diskussion voranbringen können.<br />
Dabei können auch spekulative Betrachtungen fruchtbar sein.<br />
• Literaturberichte/-aufsätze sollen Literatur bzw. ausgewählte Literatur zu bestimmten<br />
Problemstellungen systematisch und vergleichend zusammenfassen und<br />
eine Übersicht über den Stand der Theorie und/oder Empirie geben.<br />
Die Redaktion bietet außerdem die Möglichkeit zur Stellungnahme und Erwiderung zu<br />
publizierten Beiträgen der oben genannten Kategorien. Stellungnahmen und Erwiderungen,<br />
die den in „<strong>Medien</strong> & <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>“ üblichen inhaltlichen und<br />
formalen Standards entsprechen und geeignet sind, die <strong>wissenschaft</strong>liche Diskussion zu<br />
fördern, werden im nächstmöglichen Heft publiziert. Die Redaktion räumt dabei dem<br />
Autor bzw. der Autorin des Beitrages, auf den sich die Stellungnahme bezieht, die Möglichkeit<br />
einer Erwiderung ein.<br />
Manuskripte, die zur Publikation in „<strong>Medien</strong> & <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>“ eingereicht<br />
werden, dürfen nicht anderweitig veröffentlicht sein und bis Abschluss des Begutachtungsverfahrens<br />
nicht anderen Stellen zur Veröffentlichung angeboten werden.<br />
Im Sinne der Förderung des <strong>wissenschaft</strong>lichen Diskurses und der kumulativen Forschung<br />
sowie der Qualitätssicherung legt die Redaktion bei der Begutachtung von Beiträgen<br />
besonderen Wert darauf, dass größtmögliche Transparenz hinsichtlich der verwendeten<br />
Daten hergestellt wird. Autorinnen und Autoren empirischer Beiträge verpflichten<br />
sich mit der Einreichung des Manuskripts, dass sie die Art und Weise der Datenerhebung<br />
bzw. den Zugang zu Datenbeständen, die von Dritten (z. B. Datenbanken) zur<br />
Verfügung gestellt worden sind, ausreichend dokumentieren, um so die Voraussetzungen<br />
für Sekundäranalysen und Replikationen zu schaffen. Zugleich erklären sie sich bereit,<br />
die verwendeten Daten bei <strong>wissenschaft</strong>lich begründeten Anfragen im Rahmen der jeweils<br />
gegebenen Möglichkeiten für weitere Analysen zur Verfügung zu stellen.<br />
Formalien:<br />
• Manuskripte sind der Redaktion in dreifacher Ausfertigung oder per E-Mail zuzuschicken.<br />
• Da die eingereichten Manuskripte anonymisiert begutachtet werden, sind zwei Titelblätter<br />
erforderlich: eines mit Angabe des Titels und der Namen und Anschriften<br />
der Autorinnen und Autoren, eines ohne Anführung der Namen und Adressen. Das<br />
Manuskript selbst darf keine Hinweise auf die Autorinnen und Autoren enthalten.<br />
341
M&K 51. Jahrgang 2/2003<br />
• Beizufügen ist eine kurze Zusammenfassung des Beitrags (max. 15 Zeilen), die dem<br />
Leser als selbständiger Text einen hinreichenden Eindruck vom Inhalt des jeweiligen<br />
Beitrags vermittelt.<br />
• Der Umfang der Beiträge soll 20 Manuskriptseiten (55.000 Zeichen) nicht überschreiten.<br />
• Die Manuskriptseiten müssen im DIN A4-Format (einseitig), anderthalbzeilig beschrieben<br />
und mit ausreichendem Rand versehen sein.<br />
• Gliederung des Textes: Jedes Kapitel und Unterkapitel sollte mit einer Überschrift<br />
(in Dezimalzählung) versehen sein.<br />
• Hervorhebungen im Text sind kursiv oder fett zu kennzeichnen.<br />
• Für Hinweise und Literaturbelege bestehen wahlweise zwei Möglichkeiten:<br />
a) durch Angabe von Autor, Erscheinungsjahr und Seitenziffer im fortlaufenden<br />
Text – z. B.: . . . (Müller, 1990: 37 – 40) . . . –, wobei der vollständige bibliographische<br />
Nachweis über ein Literaturverzeichnis im Anschluss an den Beitrag erfolgt;<br />
b) über durchnumerierte Anmerkungsziffern, wobei der Text der Anmerkung auf<br />
der entsprechenden Seite aufgeführt wird.<br />
Über eine Annahme des Manuskripts und den Zeitpunkt der Veröffentlichung entscheidet<br />
die Redaktion auf der Grundlage redaktionsinterner und externer Gutachten.<br />
Dem/der Autor/in wird die Redaktionsentscheidung schriftlich mitgeteilt. Im Falle einer<br />
Entscheidung für Überarbeitung, Neueinreichung oder Ablehnung legt die Redaktion<br />
die Gründe für ihre Entscheidung offen. Dazu werden die anonymisierten Gutachten,<br />
evtl. auch nur in Auszügen, zugesandt. Das Begutachtungsverfahren ist in der<br />
Regel sechs Wochen nach Eingang des Manuskripts abgeschlossen; falls die Begutachtung<br />
längere Zeit erfordert, werden die Autor/inn/en benachrichtigt.<br />
Von jedem Originalbeitrag werden 20 Sonderdrucke kostenlos zur Verfügung gestellt.<br />
Weitere Sonderdrucke können bei Rückgabe der Fahnenkorrektur an die Redaktion<br />
schriftlich gegen Rechnung bestellt werden.<br />
Verlag und Redaktion haften nicht für Manuskripte, die unverlangt eingereicht werden.<br />
Mit der Annahme eines Manuskripts erwirbt der Verlag von den Autorinnen und Autoren<br />
alle Rechte, insbesondere auch das Recht der weiteren Vervielfältigung zu gewerblichen<br />
Zwecken im Wege des fotomechanischen oder eines anderen Verfahrens.<br />
Anschrift der Redaktion: Hans-Bredow-Institut<br />
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<strong>Medien</strong> & <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong><br />
Herausgegeben vom Hans-Bredow-Institut für <strong>Medien</strong>forschung an der Universität Hamburg<br />
ISSN 1615-634X<br />
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Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden, 2003. Printed in Germany.<br />
Bezugsbedingungen: Die Zeitschrift erscheint vierteljährlich (4 Hefte jährlich), Jahresabonnement 68,–, Jahresabonnement<br />
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M&K 2003/2 <strong>Medien</strong> & <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>