Ganzes Heft zum Download (Pdf) - Medien ...
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M&K 50. Jg. 2002/2<br />
HANS-BREDOW-INSTITUT<br />
E 20039 F<br />
<strong>Medien</strong><br />
Kommunikationswissenschaft<br />
&<br />
Wolfgang Hoffmann-Riem<br />
<strong>Medien</strong>regulierung als objektiv-rechtlicher Grundrechtsauftrag<br />
Axel Schmidt<br />
Aggressiver Humor in den <strong>Medien</strong> – am Beispiel der Fernseh-<br />
Comedy-Show „TV total“<br />
Holger Schramm / Sven Petersen / Karoline Rütter /<br />
Peter Vorderer<br />
Wie kommt die Musik ins Radio? Stand und Stellenwert der<br />
Musikforschung bei deutschen Radiosendern<br />
Edmund Lauf<br />
Freiheit für die Daten! Sekundäranalysen und Datenbestände<br />
in der deutschen <strong>Medien</strong>- und Kommunikationswissenschaft<br />
Reihe<br />
„Klassiker der Kommunikations- und <strong>Medien</strong>wissenschaft heute“<br />
Hans W. Giessen<br />
Harold A. Innis: „Kommunikation“ als Schlüsselbegriff <strong>zum</strong><br />
Verständnis der Menschheitsgeschichte?<br />
Nomos Verlagsgesellschaft<br />
Baden-Baden<br />
Die neue Rundfunk und Fernsehen
Anzeige<br />
2. Umschlagseite<br />
II
M&K 50. Jg. 2002/2<br />
HANS-BREDOW-INSTITUT<br />
<strong>Medien</strong><br />
Kommunikationswissenschaft<br />
&<br />
Redaktion:<br />
Joan Kristin Bleicher, Hardy Dreier, Uwe Hasebrink, Anja Herzog,<br />
Uwe Jürgens, Christiane Matzen, Hermann-Dieter Schröder,<br />
Wolfgang Schulz, Jutta Simon, Ralph Weiß<br />
Nomos Verlagsgesellschaft<br />
Baden-Baden
M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />
Call for Papers<br />
Health Communication hat sich in der nordamerikanischen Kommunikationswissenschaft<br />
bereits in den 70er Jahren etabliert und zu einem vielfältig bearbeiteten<br />
Forschungsfeld entwickelt. In der deutschsprachigen Kommunikationswissenschaft<br />
wird dem Thema – hier häufig als „Gesundheitskommunikation“ bezeichnet<br />
– jedoch bislang vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Die Redaktion<br />
von „<strong>Medien</strong> & Kommunikationswissenschaft“ möchte darum diesem Fragenkomplex<br />
ein Themenheft widmen:<br />
Gesundheit in den <strong>Medien</strong><br />
Erwünscht sind Beiträge aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Perspektiven<br />
und mit verschiedenen Herangehensweisen, z. B. kommunikations-, medien- und<br />
filmwissenschaftliche Texte, die sich aus Produzenten-, Angebots- und Nutzungsperspektive<br />
mit der Gestaltung und den Funktionen von Gesundheitsangeboten befassen.<br />
Dazu können analytisch-reflektierende Aufsätze ebenso gehören wie Berichte<br />
über die Ergebnisse empirischer Forschung, Überblicksartikel oder eine Bibliographie.<br />
Denkbare Themen sind beispielsweise:<br />
• theoretische Grundlagen zur Gesundheitskommunikation<br />
• das Thema Gesundheit in Informationsangeboten: Welche Informationsangebote<br />
finden sich in Fernsehen, Radio, Internet etc.?<br />
• Gesundheit in Unterhaltungsangeboten: Welches Bild wird in den Krankenhausserien<br />
vermittelt, welche Ratgeberfunktionen sind in Langzeitserien enthalten,<br />
welche Rolle spielt das Thema Gesundheit im Internet und in Computerspielen?<br />
• Rezeption und Wirkung von <strong>Medien</strong>angeboten, die sich mit gesundheitlichen<br />
Fragen im weitesten Sinne beschäftigen: Wer nutzt informative und unterhaltende<br />
Angebote auf welche Weise, welche Bedeutung und Funktion haben die<br />
Angebote für die Nutzer?<br />
• Themenplacement: Welche Möglichkeiten der gesundheitlichen Aufklärung und<br />
PR bieten sich durch die gezielte Platzierung von Gesundheitsthemen in verschiedenen<br />
<strong>Medien</strong>angeboten?<br />
• Gesundheitskommunikation im internationalen Vergleich<br />
• Medizingeschichte in Film oder Fernsehen<br />
Kolleginnen und Kollegen, die einen Beitrag zu diesem Themenheft beisteuern<br />
möchten, werden gebeten, ein Abstract (ca. 10 Zeilen) ihres Manuskriptangebots<br />
bis <strong>zum</strong> 30. Juni 2002 an die Redaktion zu senden. Auf dieser Basis wird die Redaktion<br />
ein Konzept erstellen und die Autorinnen und Autoren entsprechend einladen,<br />
bis <strong>zum</strong> 30. November 2002 ein Manuskript anzubieten. Über die Annahme der<br />
Manuskripte wird nach dem üblichen Begutachtungsverfahren von M&K entschieden.<br />
<strong>Medien</strong> & Kommunikationswissenschaft, Christiane Matzen, Hans-Bredow-Institut,<br />
Heimhuder Str. 21, 20148 Hamburg, c.matzen@hans-bredow-institut.de
INHALTSVERZEICHNIS<br />
AUFSÄTZE<br />
Wolfgang Hoffmann-Riem<br />
Axel Schmidt<br />
<strong>Medien</strong>regulierung als objektiv-rechtlicher Grundrechtsauftrag<br />
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175<br />
Aggressiver Humor in den <strong>Medien</strong> – am Beispiel der<br />
Fernseh-Comedy-Show „TV total“ . . . . . . . . . . . . . 195<br />
BERICHTE<br />
Holger Schramm / Sven Petersen /<br />
Karoline Rütter / Peter Vorderer<br />
Edmund Lauf<br />
Wie kommt die Musik ins Radio? Stand und Stellenwert<br />
der Musikforschung bei deutschen Radiosendern<br />
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227<br />
Freiheit für die Daten! Sekundäranalysen und Datenbestände<br />
in der deutschen <strong>Medien</strong>- und Kommunikationswissenschaft<br />
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247<br />
LITERATUR<br />
Aufsatz<br />
Hans W. Giessen<br />
Reihe „Klassiker der Kommunikations- und<br />
<strong>Medien</strong>wissenschaft heute“<br />
Harold A. Innis: „Kommunikation“ als Schlüsselbegriff<br />
<strong>zum</strong> Verständnis der Menschheitsgeschichte? 261<br />
Besprechungen<br />
Ben Bachmair<br />
Barbara Berkel<br />
Joan Kristin Bleicher<br />
Matthias Kohring<br />
Hans-Dieter Kübler<br />
David Buckingham: After the Death of Childhood.<br />
Growing Up in the Age of Electronic Media, Cambridge<br />
2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274<br />
Daniel Rölle / Petra Müller / Ulrich W. Steinbach:<br />
Politik und Fernsehen. Inhaltsanalytische Untersuchungen,<br />
Wiesbaden 2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275<br />
Jürg Häusermann (Hrsg.): Inszeniertes Charisma.<br />
<strong>Medien</strong> und Persönlichkeit, Tübingen 2001. . . . . . . 276<br />
Martin K. W. Schweer (Hrsg.): Der Einfluss der <strong>Medien</strong>.<br />
Vertrauen und soziale Verantwortung, Opladen<br />
2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279<br />
Christian Grüninger / Frank Lindemann: Vorschulkinder<br />
und <strong>Medien</strong>. Eine Untersuchung <strong>zum</strong> <strong>Medien</strong>konsum<br />
von drei- bis sechsjährigen Kindern unter<br />
besonderer Berücksichtigung des Fernsehens,<br />
Opladen 2000 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280<br />
173
M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />
Rossen Milev<br />
Marion G. Müller<br />
Christoph Neuberger<br />
Wolfram Peiser<br />
Juliana Raupp<br />
Martin Stock<br />
Claudia Wegener<br />
Klaus Werner Wirtz<br />
Jürgen Wilke: Grundzüge der <strong>Medien</strong>- und Kommunikationsgeschichte.<br />
Von den Anfängen bis ins<br />
20. Jahrhundert, Köln/Weimar/Wien 2000 . . . . . . . 282<br />
Christina Holtz-Bacha: Wahlwerbung als politische<br />
Kultur, Parteienspots im Fernsehen 1957 – 1998,<br />
Wiesbaden 2000 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283<br />
Hans-Jürgen Bucher/Ulrich Püschel (Hg.): Die Zeitung<br />
zwischen Print und Digitalisierung, Wiesbaden<br />
2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285<br />
Michael Meyen: <strong>Medien</strong>nutzung. Mediaforschung,<br />
<strong>Medien</strong>funktionen, Nutzungsmuster, Konstanz<br />
2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286<br />
Annette Rinck: Interdependenzen zwischen PR und<br />
Journalismus. Eine empirische Untersuchung der<br />
PR-Wirkungen am Beispiel einer dialogorientierten<br />
PR-Strategie von BMW, Wiesbaden 2001 . . . . . . . . 288<br />
Bernd Holznagel/Andreas Grünwald: Meinungsvielfalt<br />
im kommerziellen Fernsehen. <strong>Medien</strong>spezifische<br />
Konzentrationskontrolle in Deutschland,<br />
Großbritannien, Frankreich, Italien, den USA und<br />
auf der Ebene von Europarat und Europäischer Gemeinschaft,<br />
Berlin 2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290<br />
Friederike Herrmann/Margret Lünenborg (Hrsg.):<br />
Tabubruch als Programm. Privates und Intimes in<br />
den <strong>Medien</strong>, Opladen 2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294<br />
Werner Susallek: Führungsinformationssysteme für<br />
öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten, Lohmar/<br />
Köln 2000 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296<br />
Zeitschriftenlese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298<br />
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317<br />
English abstracts and keywords . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321<br />
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />
dieses <strong>Heft</strong>es . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324<br />
Hinweise für Autorinnen<br />
und Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326<br />
174
AUFSÄTZE<br />
<strong>Medien</strong>regulierung als objektiv-rechtlicher<br />
Grundrechtsauftrag *<br />
Wolfgang Hoffmann-Riem<br />
Die Kommunikationsfreiheit enthält nicht nur subjektive Rechte des Einzelnen gegen<br />
den Staat, sondern auch einen objektiv-rechtlichen Auftrag an den Staat, durch die<br />
Rechtsordnung darauf hinzuwirken, dass dieses Grundrecht als Freiheit individueller<br />
und kollektiver kommunikativer Entfaltung und politischer Teilhabe durch alle real<br />
nutzbar ist. Die strukturellen Veränderungen im Übergang zur Informationsgesellschaft<br />
zeigen, dass die bisherige Verankerung subjektiver Rechte nicht ausreicht, um dieses Ziel<br />
zu verwirklichen. Deshalb ist eine Rückbesinnung auf den objektiv-rechtlichen Grundrechtsauftrag<br />
wichtig, der schon am Beginn der Grundrechtsentwicklung stand. Den<br />
Schutz des Rechts benötigen vor allem Machtschwache.<br />
Keywords: Kommunikationsfreiheit, <strong>Medien</strong>regulierung, Konvergenz, objektiv-rechtlicher<br />
Grundrechtsauftrag, regulierte Selbstregulierung, Zensur<br />
Der freiheitliche und demokratische Rechtsstaat der Gegenwart ist ohne Kommunikationsfreiheiten<br />
nicht denkbar. Meinungs- und <strong>Medien</strong>freiheit (Art. 5 Abs. 1, 2 GG) sind<br />
rechtliche Garantien für eine Gesellschaft, die auf der Idee der Handlungsautonomie<br />
und Willensbildungsfreiheit ihrer Mitglieder aufbaut. Zugleich wird staatliches Handeln<br />
dadurch legitimiert, dass die Ausübung staatlicher Kompetenzen öffentlich zugänglich<br />
ist und damit durch Zustimmung und Kritik begleitet und beeinflusst werden kann.<br />
Aber auch der nichtstaatliche Bereich gesellschaftlichen Handelns der Bürgerinnen und<br />
Bürger ist durch Interaktion und damit Kommunikation geprägt, für die das Recht einen<br />
Rahmen bereitstellt, der in einer Demokratie ebenfalls auf Freiheitlichkeit der kommunikativen<br />
Selbstverwirklichung ausgerichtet sein muss.<br />
A. Konzeptionelles zur Kommunikationsfreiheit als Grundrecht<br />
I. Die Freiheitsidee<br />
Die Kommunikationsfreiheiten beruhen auf der gleichen Idee wie die anderen liberalrechtsstaatlichen<br />
Freiheiten des Grundgesetzes. Es ist die Idee der Freiheit für alle. Die<br />
Freiheit wird also kombiniert mit Gleichheit. Freiheit soll das Leben aller prägen, nicht<br />
etwa nur – historisch – dem bevorrechtigten Adelsstand oder sonstigen Ständen oder –<br />
aktuell – einzelnen Bevölkerungsgruppen oder einflussreichen Unternehmen dienen.<br />
Erkämpft wurde diese Freiheit im Zuge der so genannten Aufklärung, also in der<br />
Neuzeit, beginnend mit dem 18. Jahrhundert 1 . Letztlich verwirklicht wurde sie erst im<br />
20. Jahrhundert.<br />
* Bei diesem Artikel handelt es sich um eine gekürzte und überarbeitete Fassung des Beitrages<br />
„Herausforderungen der Kommunikationsfreiheit an das Recht“ aus: Hoffmann-Riem, Kommunikationsfreiheiten,<br />
2002.<br />
1 Zur historischen Entwicklung der Grundrechtsidee s. statt vieler Grimm, Deutsche Verfassungsgeschichte,<br />
1776-1866, 1988; Wahl, Rechtliche Wirkungen und Funktionen der Grund-<br />
175
M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />
Die Umsetzung der neuen Idee der Freiheit für alle war im 18. und 19. Jahrhundert<br />
mit dem Kampf um eine vollständige Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse<br />
verbunden. Zum Aufbau der neuen Ordnung mussten die überkommenen Machtstellungen,<br />
insbesondere die der Fürsten und der Kirchen, gebrochen werden, die Schichtung<br />
der Bevölkerung in verschiedene Stände musste aufgehoben werden und dies alles<br />
musste parallel zu erheblichen sozialen und technologischen sowie wirtschaftlichen<br />
Umbrüchen geschehen. Die revolutionären Bemühungen zielten auf eine neue Struktur<br />
der Gesellschaft sowie eine Neuordnung des Verhältnisses zwischen dem Bereich des<br />
Staates einerseits und dem der gesellschaftlichen Freiheit andererseits. 2 Die Freiheitsrechte<br />
waren ein Mittel dazu.<br />
Der Freiheitsgebrauch des Einen führt leicht zur Freiheitsminderung des Anderen.<br />
Wenn also Freiheit für alle gelten soll, muss es sich um eine geordnete Freiheit handeln.<br />
Ein wichtiges Mittel dieser Ordnung ist das Gesetz. Neben der Aufgabe, die Macht der<br />
Regierung und Verwaltung zu begrenzen, soll Recht dazu beitragen, die Freiheit vieler<br />
miteinander vereinbar zu machen. Herzustellen ist eine Balance zwischen der Macht des<br />
Staates als Ordnungskraft einerseits und der Freiheit der Gesellschaft andererseits, aber<br />
auch eine Balance zwischen der Freiheitsausübung der verschiedenen Mitglieder der Gesellschaft.<br />
In diesem Sinne sind die Freiheitsrechte von Anfang ihrer historischen Entwicklung<br />
an ein Auftrag an den Gesetzgeber, eine freiheitliche Ordnung zu schaffen. In moderner<br />
Terminologie lässt sich dies so formulieren, dass die Freiheitsrechte nicht nur subjektive<br />
Rechte der Träger der Freiheit vermitteln sollten, sondern zugleich einen objektiv-rechtlichen<br />
Auftrag zur Gestaltung der Lebensverhältnisse durch Recht enthielten. 3<br />
Das ist auch heute noch so. Die folgenden Überlegungen sollen verdeutlichen, dass in<br />
der aktuellen Phase des Übergangs zur Informationsgesellschaft die Rückbesinnung auf<br />
den objektiv-rechtlichen Grundrechtsauftrag besonders wichtig ist.<br />
II. Subjektive Rechte und der objektiv-rechtliche Auftrag der Grundrechtsnormen<br />
1. Zum Verhältnis subjektiv- und objektiv-rechtlicher Verbürgungen<br />
Die heute bei der Berufung auf Grundrechte übliche Konzentration des Blicks auf subjektive<br />
Rechte darf nicht diese zweite Dimension der Freiheitsrechte vergessen lassen,<br />
nämlich die Zuordnung von Staat und Gesellschaft und die Ordnung der Verhältnisse<br />
innerhalb der Gesellschaft nach dem Prinzip größtmöglicher gesellschaftlicher und<br />
individueller Freiheit. An dem historischen Anfang der Umsetzung der Idee der Freiheit<br />
stand in Deutschland nicht das subjektive Recht, sondern das Programm zur Ver-<br />
rechte im deutschen Konstitutionalismus des 19. Jahrhunderts, in: Böckenförde, Moderne Verfassungsgeschichte,<br />
1981, 346 ff.; W. Schmidt, Grundrechtstheorie im Wandel der Verfassungsgeschichte,<br />
Jura 1983, 169 ff.; Pieroth, Geschichte der Grundrechte, Jura 1984, 568 ff.; Hufen,<br />
Entstehung und Entwicklung der Grundrechte, NJW 1999, 1504 ff.<br />
2 Zur historischen Entwicklung und ihre Analyse s. Grimm, Die Zukunft der Verfassung, 2. Aufl.<br />
1994, 71 ff.<br />
3 Grundsätzlich dazu Dreier, Dimensionen der Grundrechte. Von der Wertordnungsjudikatur<br />
zu den objektiv-rechtlichen Grundrechtsgehalten, 1993. Zur Darstellung des Verhältnisses subjektiv-<br />
und objektiv-rechtlicher Grundrechtsdimensionen s. statt vieler Jarass, Die Grundrechte:<br />
Abwehrrechte und objektive Grundsatznormen, in: Badura/Dreier (Hrsg.), Festschrift 50<br />
Jahre Bundesverfassungsgericht, Bd. 1, 2001, 35 ff.<br />
176
Hoffmann-Riem · <strong>Medien</strong>regulierung<br />
wirklichung von Freiheit, also die objektiv-rechtliche Dimension. 4 Dass wir dies heute<br />
weitgehend außer Acht lassen und uns auf das subjektive Recht konzentrieren können,<br />
ist ein Beleg dafür, dass das objektiv-rechtliche Programm unter den bisherigen Rahmenbedingungen<br />
weitgehend erfüllt ist, der Gesetzgeber also den Auftrag zur Schaffung<br />
einer freiheitlichen Ordnung verwirklicht hat. Im Kontext dieser Ordnung gibt es subjektive<br />
Rechte und in der Folge scheint die objektiv-rechtliche Grundlage nicht mehr so<br />
wichtig zu sein. Ist die Freiheitsordnung eingerichtet und haben die einzelnen Bürger<br />
subjektive Rechte, dann genügt es für die juristische Freiheitsverwirklichung, solche<br />
subjektiven Rechte zu verfolgen. Wenn sich die Verhältnisse aber – wie gegenwärtig –<br />
grundlegend ändern, erhält die Einsicht in die ebenfalls mit dem Grundrecht verbundene<br />
andere Dimension eine neue Bedeutung. Diese objektiv-rechtliche Dimension und<br />
ihr Zusammenspiel mit der subjektiv-rechtlichen Komponente des Freiheitsschutzes hat<br />
das Bundesverfassungsgericht schon früh herausgearbeitet und vorrangig anhand der<br />
Meinungs- und <strong>Medien</strong>freiheit entwickelt.<br />
Das ist schon an der Basisentscheidung <strong>zum</strong> Verhältnis der Kommunikationsfreiheit<br />
und der privatrechtlich geschützten Entfaltungsfreiheiten anderer ablesbar, dem Lüth-<br />
Urteil. 5 Es ging um einen Boykottaufruf, der nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts<br />
durch die Kommunikationsfreiheit geschützt war, obwohl Grundrechte anderer<br />
– die des Regisseurs und der Verleihfirma des boykottierten Films – beeinträchtigt<br />
wurden. Die Kommunikationsfreiheit wurde vom BVerfG nicht nur als subjektives<br />
Recht zur Abwehr von staatlichen Eingriffen in die Freiheit verstanden. Sie strahlte vielmehr<br />
wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung als objektiv-rechtliche Position auch in<br />
andere Regelungen, insbesondere in den Bereich zivilrechtlicher Beziehungen, hinein,<br />
und musste deshalb bei der Ausfüllung der unbestimmten Rechts-(Wert-)Begriffe des<br />
BGB berücksichtigt werden. Das Gesetz (hier das BGB) wurde als Mittel der Umsetzung<br />
objektiv-rechtlicher Vorgaben in subjektive Rechte verstanden, hier allerdings<br />
nicht im Zuge neuer Rechtsetzung, sondern der Auslegung und Anwendung vorhandenen<br />
Rechts. Inhaltlich wurde als entscheidend für die Lösung des konkreten Konflikts<br />
angesehen, dass Lüth eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse verfolgte, also nicht<br />
aus Eigennutz handelte, insbesondere nicht von einem Gewinninteresse getrieben war.<br />
Lüth forderte nämlich nicht <strong>zum</strong> Boykott eines Films auf, weil er ein Konkurrent des<br />
benachteiligten Regisseurs Veith Harlan oder dessen Vertriebsfirma war und etwa den<br />
Vertrieb eines eigenen Filmes fördern wollte. Es ging ihm lediglich darum, das öffentliche<br />
Gewissen anzusprechen und das öffentliche Bewusstsein auf eine Gefahr für die<br />
Freiheit (das Wiederaufkommen nationalsozialistischen Gedankenguts) zu richten. Diese<br />
Motivlage hat das Gericht akzeptiert und für die Abwägung bei der Zuordnung kollidierender<br />
Rechte entschieden, der Rechtsstreit zwischen den Bürgern müsse unter<br />
Rückgriff auf die objektiv-rechtliche Ordnung der Grundrechte bewältigt werden.<br />
Dies bedeutet nicht, dass die Meinungsfreiheit nun alle anderen Aspekte überwiegt.<br />
Wohl aber muss das Grundrecht der Meinungsfreiheit bei einem Konflikt mit anderen<br />
Grundrechten – etwa der Film- und Kunstfreiheit oder der ökonomischen Entfaltungsfreiheit<br />
– hinreichend berücksichtigt werden. In dem erforderlichen Abwägungsprozess<br />
ist nach einem Weg des angemessenen Ausgleichs zu suchen, der den verschiedenen Freiheitsrechten<br />
möglichst große Wirksamkeit verleiht, dabei aber auch ihre Bedeutung für<br />
4 Dreier (Fn. 3), 27 ff.<br />
5 BVerfGE 7, 198 ff.<br />
177
M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />
die Verwirklichung von Verfassungsprinzipien wie dem der Demokratie gerecht<br />
wird.<br />
Auf die gleiche argumentative Basis, die objektiv-rechtliche Grundlegung der Grundrechte,<br />
hat das BVerfG auch seine Rechtsprechung zur <strong>Medien</strong>freiheit, insbesondere zur<br />
Sicherung der Funktionsfähigkeit der Rundfunkordnung, gestützt. Mehrere Rundfunkurteile<br />
geben davon Rechenschaft, beispielhaft das FRAG-Urteil und das Niedersachsen-Urteil.<br />
6 Gegenstand verfassungsrechtlicher Prüfung waren hier nicht Kollisionen<br />
unterschiedlicher Rechtsgüter, sondern gesetzliche Regelungen, die darauf zielten,<br />
die Ordnung der Massenkommunikation, insbesondere des Rundfunks, an dem für einen<br />
demokratischen Rechtsstaat wichtigen Ziel der Vielfaltsicherung auszurichten und<br />
eine auf dieses Ziel bezogene Funktionsfähigkeit der <strong>Medien</strong>ordnung gesetzlich abzusichern.<br />
In rechtsdogmatischer Hinsicht verweist dies auf die so genannten Ausgestaltungsgesetze,<br />
die das Gericht von den eine Kollision unterschiedlicher Rechtspositionen bewältigenden<br />
Schrankengesetzen unterscheidet. 7 Die Besonderheit von Ausgestaltungsgesetzen<br />
wird darin gesehen, dass mit ihrer Hilfe die Art der Kommunikationsversorgung<br />
der Gesellschaft insgesamt und die Möglichkeit für alle am Kommunikationsprozess<br />
Interessierten, sich kommunikativ zu entfalten, gesichert werden soll. Zur<br />
Verwirklichung dieses Ziels können subjektive Rechte der Kommunikatoren und Rezipienten<br />
beitragen; ihre Einrichtung allein reicht aber nicht zur Freiheitssicherung.<br />
Vielmehr muss durch eine „positive Ordnung“ die Vielfalt der Kommunikation sichergestellt<br />
werden. 8 Die <strong>Medien</strong> sollen in die Lage versetzt werden, einerseits bei der Vermittlung<br />
der in der Gesellschaft gebildeten Fakten und Werte an die Öffentlichkeit<br />
mitzuwirken (also „Medium“ zu sein), daneben aber auch eine aktive, durchaus eigenständig<br />
wertende und beeinflussende Funktion im Meinungsbildungsprozess wahrzunehmen<br />
(also „Faktor“ der Meinungsbildung zu sein).<br />
In solchen Ausführungen und den zugrunde gelegten grundrechtsdogmatischen Konstruktionen<br />
wird maßgebend, dass Kommunikationsfreiheit eine über den Schutz individueller<br />
Entfaltung hinausgehende Bedeutung hat. Kommunikation ist ein Lebensnerv<br />
einer Demokratie und eines Rechtsstaats, die Kommunikationsfreiheit Voraussetzung<br />
ihrer Funktionsfähigkeit.<br />
Das liberale Konzept der Kommunikationsfreiheit versprach sich aus dem freien Austausch<br />
von Tatsachen und Meinungen die Fähigkeit zur Meinungsbildung und zur kommunikativen<br />
Orientierung und dabei auch zur Erkenntnis des „Richtigen“ und sah diese<br />
Funktion als notwendige Grundbedingung einer Gesellschaft, die ihre Angelegenheiten<br />
in Eigenverantwortung regelt. Heute sind Zweifel angebracht, ob und wieweit diese<br />
Konzeption noch trägt, und es muss nach einem neuen Konzept gesucht werden, das<br />
sich weniger an der Vorstellung der Wahrheitsfindung durch Diskurs oder gar an dem<br />
Bild des „Marktplatzes der Meinungen“ orientiert, sondern stattdessen die große Bandbreite<br />
unterschiedlicher Verwendungszusammenhänge von Kommunikation, die Vernetzungen<br />
unterschiedlicher Kommunikationswelten und die besonderen Bedingungen<br />
6 S. BVerfGE 57, 295 ff.; 73, 118 ff.<br />
7 Zum Unterschied von Ausgestaltungs- und Schrankengesetzen s. BVerfGE 73, 118, 166; 90, 145,<br />
172; Ruck, Zur Unterscheidung von Ausgestaltungs- und Schrankengesetzen im Bereich der<br />
Rundfunkfreiheit, AöR 117 (1992), 543 ff.; Rossen, Freie Meinungsbildung durch den Rundfunk,<br />
1988, 285 ff., 307 ff.<br />
8 BVerfGE 57, 295, 320.<br />
178
Hoffmann-Riem · <strong>Medien</strong>regulierung<br />
einer durch Fragmentierung und Pluralisierung geprägten Gesellschaft verarbeitet. 9 Ungeachtet<br />
des Auftrags, das Konzept der Kommunikationsfreiheit auf die jeweiligen Rahmenbedingungen<br />
der Gesellschaft abzustimmen, kann jedoch festgestellt werden, dass<br />
kommunikative Entfaltung weiterhin als konstitutiv für den gesellschaftlichen und politischen<br />
Prozess angesehen wird. Allerdings galt es im bürgerlich-liberalen Verfassungsstaat<br />
als hinreichend, im Rahmen des rechtlich Regelbaren die Möglichkeiten subjektiver<br />
kommunikativer Entfaltung abzusichern, also auf die Selbstregulierungskraft<br />
kommunikativer Prozesse zu vertrauen. Im 20. und beginnenden 21. Jahrhundert ist dieses<br />
Vertrauen keineswegs ungebrochen. Einsichten in die Manipulierbarkeit kommunikativer<br />
Prozesse, in die Herausbildung von immensen Machtpositionen in einer marktgesteuerten<br />
Gesellschaft und in die Potenziale des Machtmissbrauchs auch durch gesellschaftliche<br />
Machtträger haben dazu geführt, dem Recht eine weitaus größere Rolle<br />
zuzuschreiben. Zugleich aber gibt es Anhaltspunkte, dass das Recht in der globalen und<br />
vielfältig vernetzten Kommunikationswelt der Gegenwart allenfalls begrenzt geeignet<br />
ist, entsprechende Gefährdungen einzudämmen oder auszuschließen (s. auch u. B I-VI).<br />
Die im liberalen Modell erhoffte Möglichkeit zur individuellen und sozialen Entfaltung<br />
lässt sich durch Grundrechte, wenn sie als bloße Abwehrrechte gegen den Staat zu<br />
verstehen sind, schon allein deshalb nicht hinreichend sichern, weil die Kommunikationsfreiheiten<br />
in der Ordnung des Grundgesetzes in ein System von verschiedenen verfassungsrechtlichen<br />
Zielwerten und Verbürgungen eingeordnet sind, die der Staat in ihrer<br />
Funktionsweise ebenfalls gewährleisten muss. Unter Berücksichtigung der Staatszielbestimmungen<br />
Rechtsstaat, Demokratie und Sozialstaat, die auch auf die Ordnung<br />
der Gesellschaft zurückwirken, wird Kommunikation (auch) mit dem Blick auf die Entwicklung<br />
von Staat und Gesellschaft geschützt. Soweit die Funktionsfähigkeit einer Demokratie<br />
auf die Leistungsfähigkeit von Kommunikationsprozessen und die eines<br />
Rechtsstaats auf die rechtliche – und zwar rechtlich angemessene – Ordnung von Lebensverhältnissen<br />
angewiesen ist, fordert auch der programmatische Gehalt des Grundgesetzes<br />
entsprechende rechtliche Vorgaben zur Sicherung der Idee der Freiheit als einer<br />
real wirksamen Freiheit unter den Bedingungen der Gegenwart.<br />
Dies bedeutet allerdings nicht, dass Kommunikation nur in solchen Kontexten, etwa<br />
im Rahmen demokratischer Prozesse oder gar politischer Entscheidungen, geschützt<br />
wäre. Kommunikationsfreiheiten sichern kommunikative Entfaltung schlechthin, also<br />
mit dem Blick auf die Bedeutung von Kommunikation in allen Lebensbereichen, die auf<br />
Interaktion angewiesen sind, so in der Berufswelt, der Freizeit oder der Privatsphäre. 10<br />
Der Bezug auf den Prozess demokratischer Willensbildung und die damit verbundene<br />
Notwendigkeit zur Absicherung der Meinungsbildungsfreiheit aller kann allerdings besondere<br />
rechtliche Ausgestaltungen erfordern. Die <strong>Medien</strong>gesetzgebung ist ein Beispiel<br />
9 Zu dieser Problematik s. Hoffmann-Riem, Sozialwissenschaften in der Rechtsanwendung – am<br />
Beispiel der Nutzung der <strong>Medien</strong>forschung in der Rechtsprechung <strong>zum</strong> <strong>Medien</strong>recht, Zeitschrift<br />
für Rechtssoziologie, 2001, 3 ff. sowie mit grundsätzlicher Kritik (statt vieler) Vesting,<br />
Zur Zukunft und Konstruktion des <strong>Medien</strong>- und Telekommunikationsrechts in den hybriden<br />
Beziehungsnetzwerken der „Informationsgesellschaft“, in: Rossen-Stadtfeld/Wieland (Hrsg.),<br />
Steuerung medienvermittelter Kommunikation, 2001, 83 ff.; ders., Soziale Geltungsansprüche<br />
in fragmentierten Öffentlichkeiten, AöR 122 (1997), 337 ff.; Ladeur, Meinungsfreiheit, Ehrenschutz<br />
und die Veränderung der Öffentlichkeit in der Massendemokratie, AfP 1993, 531 ff.<br />
S. auch BVerGE 103, 44, 67.<br />
10 Eine entsprechende Reichweite betont das BVerfG beispielsweise in BVerfGE 101, 361, 389 f.<br />
179
M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />
dafür, wenn sie Vielfalt, Manipulationsfreiheit u. ä. abzusichern sucht. Insofern dient sie<br />
der Erfüllung des objektiv-rechtlichen Gestaltungsauftrags der Grundrechte in Verbindung<br />
mit den Verfassungsprinzipien, zielt aber gleichwohl auf die Absicherung subjektiver<br />
kommunikativer Entfaltung. In diesen Kontext gehört die Formulierung des Bundesverfassungsgerichts,<br />
dass der objektiv-rechtliche Grundrechtsgehalt dem subjektiven<br />
Grundrechtsschutz diene. 11<br />
2. Risiken staatlicher Aufgabenwahrnehmung<br />
Eine solche Rechtsprechung ist von einem großen Vertrauen in die Funktionsfähigkeit<br />
von Rechtsstaat und Demokratie geprägt, denn sie gilt nicht vorrangig der Abwehr staatlichen<br />
Machtmissbrauchs – dazu sind die Grundrechte allerdings weiterhin einsetzbar –,<br />
sondern versteht den Staat auch als Garanten des Schutzes vor privat-gesellschaftlichem<br />
Machteinsatz, insbesondere Machtmissbrauch. Dieses verfassungsrechtlich vorausgesetzte<br />
Vertrauen in den Staat und seine Organe setzt nicht nur hinreichende verfahrensmäßige<br />
Sicherungen der Bändigung staatlicher Machtausübung (rechtsstaatliche<br />
Verfahren, öffentliche Kritik, Unabhängigkeit der zur Kontrolle befugten Gerichte<br />
u. ä.) voraus, sondern auch materiellrechtliche Gebote, so das staatlicher Inhaltsneutralität.<br />
12<br />
Das Neutralitätsgebot gilt bei der Ausgestaltung der <strong>Medien</strong>ordnung ebenso wie bei<br />
der Bewältigung konkreter Kollisionslagen im Rahmen von Schrankengesetzen. So darf<br />
der Staat nicht bestimmte Inhalte als erwünscht und andere als unerwünscht definieren.<br />
Allerdings bedeutet der weit gezogene Schutzbereich des Art. 5 GG nicht, dass Art und<br />
Weise des Schutzes vollständig von dem Kontext abstrahieren, in dem eine Kommunikation<br />
erfolgt, soweit sie zugleich Rechte anderer beeinträchtigt. Ob ein kommunikatives<br />
Verhalten in den Schutzbereich des Grundrechts fällt, ist zwar von ihrem Inhalt unabhängig.<br />
Ob und wieweit sie aber in Kollisionslagen <strong>zum</strong> Schutz anderer Rechtsgüter<br />
zurückzutreten hat, hängt demgegenüber von weiteren Feststellungen ab. Rechtsdogmatischer<br />
Anknüpfungspunkt ist insbesondere die bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit<br />
einer Beschränkung erfolgende Klärung der Angemessenheit einer Zuordnung<br />
von Mittel und Zweck (Verhältnismäßigkeit i.e.S.). Bei der Prüfung der Angemessenheit<br />
wird aus der – in der Literatur allerdings umstrittenen 13 – Sicht des Bundesverfassungsgerichts<br />
z. B. bedeutsam, ob die beanstandete Kommunikation „in der Sorge um<br />
politische, wirtschaftliche und soziale oder kulturelle Angelegenheiten der Allgemeinheit“<br />
erfolgt bzw. „der Einwirkung auf die öffentliche Meinung“ dient. 14 Dann ist sie<br />
stärker geschützt als wenn mit ihr nur gewerbliche oder sonst wie persönliche Interessen<br />
verfolgt werden. Auch darf, etwa bei der Abwägung mit kollidierenden Persönlichkeitsrechten,<br />
berücksichtigt werden, „ob Fragen, die die Öffentlichkeit wesentlich an-<br />
11 BVerfGE 57, 295, 320. Dort hebt das Gericht das Wort „dienende“ Freiheit ausdrücklich hervor.<br />
12 Es ist verknüpft mit dem Gebot der Staatsfreiheit der <strong>Medien</strong>. Dazu vgl. Ossenbühl, Rundfunk<br />
zwischen Staat und Gesellschaft, 1975; Jarass, Die Freiheit der Massenmedien, 1978, 198 ff.;<br />
Gersdorf, Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung der Bundesrepublik<br />
Deutschland, 1991, 89 ff.<br />
13 S. dazu statt vieler Lerche, in Festschrift für G. Müller 1970, 197 ff.; Schmitt Glaeser NJW 1996,<br />
873, 874 ff.; Neben, Triviale Personenberichterstattung als Rechtsproblem, 2001.<br />
14 BVerfGE 62, 230, 244; 85, 1, 16.<br />
180
Hoffmann-Riem · <strong>Medien</strong>regulierung<br />
gehen, ernsthaft und sachbezogen erörtert oder lediglich private Angelegenheiten, die<br />
nur die Neugier befriedigen, ausgebreitet werden“. 15 Hier versucht das Gericht eine<br />
Antwort auf neuartige Erscheinungen und damit verbundene Gefährdungen, wie die<br />
Kommerzialisierung vieler Lebensbereiche und die damit einhergehende Tendenz der<br />
<strong>Medien</strong> zur massiven Personalisierung und Skandalisierung 16 , die insbesondere im Rahmen<br />
einer vorrangigen Orientierung an Unterhaltungsinteressen der Konsumenten beobachtbar<br />
ist. Am Beispiel des Persönlichkeitsrechts lassen sich problematische Folgen<br />
dieser Kommerzialisierung gut beobachten, sei es bei Verletzungen von Persönlichkeitsrechten<br />
mit dem Ziel privatwirtschaftlicher Gewinnerzielung – etwa in der Boulevardpresse<br />
–, aber auch bei der Vermarktung der eigenen Persönlichkeitsrechte Prominenter.<br />
17 Das Recht ist in einer vorrangig marktwirtschaftlichen, also vorrangig kommerziell<br />
geprägten Gesellschaftsordnung zwar nicht als Mittel einsetzbar, die Kommerzialisierung<br />
zu verhindern, wohl aber kann es dazu dienen, in Kollisionsfällen<br />
gegenläufigen Interessen Verwirklichungschancen zu belassen. Dies setzt regelmäßig<br />
eine Güterabwägung und Zuordnung der kollidierenden Güter in einer Weise voraus,<br />
die allen betroffenen Interessen optimale Verwirklichungsmöglichkeiten belässt. Der<br />
entsprechende Vorgang wird – in Anlehnung an Konrad Hesse 18 – als Herstellung<br />
„praktischer Konkordanz“ bezeichnet.<br />
Abwägungen zwischen verschiedenen kollidierenden Rechtsgütern können allerdings<br />
eine Einbruchstelle subjektiver Bewertungen oder gar missbräuchlicher Zuordnungen<br />
sein. Weil die Machtausübung durch den Staat, anders als meist der Machtgebrauch<br />
durch private Unternehmen, seinerseits einer Vielzahl von Kontrollen unterliegt und<br />
weil die letztlich entscheidenden staatlichen Gerichte aufgrund ihres besonderen Status’<br />
der Unabhängigkeit vergleichsweise gute (wenn auch nicht absolut sichere) Voraussetzungen<br />
für die Vermeidung von Machtmissbrauch bieten, gilt das mit jeder Abwägung<br />
verbundene Risiko als hinnehmbar. Die Alternative, der Verzicht auf die wertende Zuordnung<br />
der miteinander kollidierenden Rechtsgüter, liefe Gefahr, denjenigen Schutz zu<br />
verweigern, die ihn ohne Hilfe des (ausgleichenden) Rechts nicht erreichen könnten. Die<br />
Sicherung realer Grundrechtsverwirklichung zugunsten aller von Beeinträchtigungen<br />
durch andere Rechtsträger Betroffenen lässt sich unter den komplexen, vielfach vernetzten<br />
Lebensverhältnissen der Gegenwart nicht ohne Vertrauen in eine Instanz erreichen,<br />
die gegebenenfalls auch als Gegenmacht gegen gesellschaftliche Machtträger zu<br />
wirken vermag.<br />
War dies früher der mit Hoheitsgewalt ausgestattete Nationalstaat, so werden es<br />
zukünftig vermehrt auch die mit Hoheitsgewalt ausgestatteten Träger des supranationalen<br />
Verbunds der Europäischen Gemeinschaft sein. Derartige Hoheitsträger sind als<br />
Garanten der Freiheit weiterhin unverzichtbar. Dies bedeutet nicht, dass Hoheitsträger<br />
nicht weiterhin auch als Gefährder von Freiheit auftreten können. Die Abwehr hoheit-<br />
15 BVerfGE 101, 361, 391. Diese schon mehrfach vom BVerfG benutzte Formulierung ist nicht<br />
voll geglückt, da sie Fragen des Informationsgegenstandes (öffentliche/private Angelegenheiten)<br />
mit denen der Art der Darstellungsweise bzw. dem Darstellungsinteresse (ernsthaft, sachbezogen<br />
oder nicht) vermengt und damit nicht zu einer tragfähigen Gegensatzbildung kommt.<br />
16 Zu solchen Erscheinungen vgl. Weiß, Fern-Sehen im Alltag, 2001; Groebel u. a., Bericht zur<br />
Lage des Fernsehens für den Präsidenten der Bundesrepublik Deutschland, 1995.<br />
17 S. dazu BVerfGE 101, 361, 385.<br />
18 S. Hesse, Grundfragen des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1995/<br />
2000, Rn. 317 ff.<br />
181
M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />
lichen Machtmissbrauchs bleibt eine wichtige Aufgabe des Rechts. Die Abwehrfunktion<br />
ist in der Rechtsordnung und -anwendung sowie der Wissenschaft allerdings ausgiebig<br />
ausgearbeitet worden. Hier gibt es weniger Unsicherheiten als bei der Verwirklichung<br />
der im Folgenden weiter zu betrachtenden Gewährleistungsfunktion.<br />
B. Aktuelle Herausforderungen<br />
Kommunikationsfreiheit als Freiheit individueller und kollektiver kommunikativer<br />
Entfaltung und als Freiheit politischer Teilhabe ist auf Rahmenbedingungen angewiesen,<br />
die möglichst allen die Chance der realen Ausübung dieser Freiheitsrechte einräumen.<br />
Dies erfordert auch die Vorsorge dafür, dass die gesellschaftlichen Machtverhältnisse<br />
sich nicht als Verhinderung folgenreicher Kommunikationsteilhabe der Machtschwachen<br />
auswirken. Soweit die Funktionsfähigkeit der Kommunikationsordnung auf<br />
rechtliche Vorkehrungen angewiesen ist, kann der objektiv-rechtliche programmatische<br />
Auftrag an den Staat – jetzt auch an die Organe der EG 19 – zur Sicherung dieser Funktionsbedingungen<br />
eine darauf gerichtete Normenordnung fordern. Auch insoweit<br />
behält der objektiv-rechtliche Auftrag die erwähnte dienende Funktion gegenüber subjektiven<br />
Rechten der Kommunikationsteilhabe.<br />
Das auf Vielfaltsicherung gerichtete <strong>Medien</strong>-, insbesondere Rundfunkrecht ist ein<br />
prominentes Beispiel des Versuchs der Funktionssicherung (s. u. II). Weil das staatliche<br />
Recht Machtbegrenzungsrecht ist, kann es nicht überraschen, dass die Setzung von besonderem<br />
<strong>Medien</strong>recht umstritten ist und besonders umstritten in den achtziger Jahren<br />
war, als sich die aktuellen Umbrüche der <strong>Medien</strong>landschaft zu verwirklichen begannen.<br />
20 Auf die Fragen des Regelungsbedarfs und der Regelungsmöglichkeit sei daher ein<br />
besonderes Augenmerk gerichtet.<br />
I. Entwicklungen in der Informationsgesellschaft<br />
Die aktuellen Herausforderungen der Meinungs- und <strong>Medien</strong>freiheit beruhen insbesondere<br />
auf den Neuerungen der Informationsgesellschaft. Derartige Neuerungen zeigen<br />
sich insbesondere in den Informationstechnologien und der Computertechnik – insbesondere<br />
der Digitalisierung und der Möglichkeit der Datenkompression und -dekompression<br />
–, dem Aufbau neuer Netzinfrastrukturen, der Entwicklung neuer Endgeräte<br />
und, verbunden mit diesen Änderungen, der Entstehung neuer technischer und<br />
inhaltlicher Kommunikationsdienste. Dies revolutioniert die gesamte Kommunikationsordnung,<br />
und zwar nicht nur in der Individual-, sondern auch in der Massenkommunikation.<br />
Erweiterte publizistische und ökonomische Entfaltungschancen sind mit neuen<br />
Pfaden der Verbreitung von Individual- und Massenkommunikation (etwa über das Internet)<br />
und neuen Inhalten (Programmen/Diensten) und neuen Vermarktungsformen<br />
verbunden. Dies wirkt auf die Rezeptionsmöglichkeiten und -gewohnheiten zurück.<br />
19 Auch die europarechtlich verankerten Grundrechte enthalten objektiv-rechtliche Elemente, s.<br />
dazu Kühling, Die Kommunikationsfreiheit als europäisches Gemeinschaftsgrundrecht, 1999<br />
sowie ders., Grundrechtskontrolle durch EuGH, EuGRZ 1997, 296 ff.<br />
20 Zur Entwicklung s. Eifert/Hoffmann-Riem, Die Entstehung und Ausgestaltung des dualen<br />
Rundfunksystems, in: Schwarzkopf (Hrsg.), Rundfunkpolitik in Deutschland, Bd. 1, 1999,<br />
50 ff.<br />
182
Hoffmann-Riem · <strong>Medien</strong>regulierung<br />
Unter dem Schlagwort „Konvergenz“ 21 wird das zunehmende wechselseitige Durchdringen<br />
der Informationstechnologie –, Telekommunikations- und <strong>Medien</strong>märkte sowie<br />
der Geräte, Netzinfrastrukturen und technischen sowie inhaltlichen Dienste thematisiert.<br />
Neue Anbieter treten auf und alte wie neue Akteure versuchen, in den verschiedenen<br />
Segmenten der Multimedia-Märkte erfolgreich zu sein. Die Rede ist von<br />
Multimedia-Wertschöpfungsketten oder – um die Dynamik besser <strong>zum</strong> Ausdruck zu<br />
bringen – von Multimedia-Wertschöpfungsnetzwerken. 22<br />
Mit solchen Prozessen ist die Umstrukturierung bisheriger Tätigkeiten verbunden,<br />
deutlich sichtbar nicht nur bei neuen <strong>Medien</strong>- und Telediensten, sondern selbst bei dem<br />
klassischen Rundfunk. War die Veranstaltung von Rundfunk – verstanden als die Produktion<br />
von Programmen, deren redaktionelle Zusammenstellung und die Verbreitung<br />
an die Rezipienten – früher ein relativ einheitlicher Vorgang, hat seit langem ein Prozess<br />
starker Ausgliederung einzelner Elemente begonnen. Tätigkeiten, die früher zur Rundfunkveranstaltung<br />
gezählt wurden, werden in vor-, neben- und nachgelagerte Bereiche<br />
ausgelagert. 23 Zugleich wird versucht, durch Beteiligungen, Allianzen oder sonstige<br />
Verträge Verbindungen zwischen den einzelnen Elementen herzustellen. Parallel dazu<br />
werden neue Dienste entwickelt, die neue Inhalte entstehen lassen bzw. neue Wege der<br />
Verbreitung und Vermarktung eröffnen. In der Folge ist die alte Rundfunkordnung<br />
nunmehr nur noch ein Teil einer weit ausgefächerten Kommunikations- und Informationsordnung,<br />
die eine Vielzahl der direkt an die Rezipienten gerichteten neuen Dienste,<br />
aber auch einen bunten Strauß unterschiedlicher Dienste für andere Unternehmen<br />
umfasst. Der Entwicklungsstand dieser „dienstespezifisch diversifizierten Informationsordnung“<br />
24 wirkt auf die Möglichkeiten der Veranstaltung von Rundfunk und in der<br />
Folge der rechtlichen Ausgestaltung der Rundfunkordnung zurück und wirft die Frage<br />
auf, ob es erforderlich oder möglich ist, auch die anderen Marktsegmente in eine solche<br />
Gesetzgebung einzubeziehen.<br />
Früher war Rundfunkregulierung fast ausschließlich Veranstalterregulierung und<br />
konnte dies auch sein, weil auf diese Weise alle vom Veranstalter selbst durchgeführten,<br />
jetzt aber der Veranstaltung i.e.S. vor- und nachgelagerten Tätigkeiten umfasst wurden.<br />
Würden nunmehr Grundsteine für Funktionsdefizite der <strong>Medien</strong>ordnung in den von<br />
der Rundfunkveranstaltung abgelösten vor-, neben- und nachgelagerten Bereichen gelegt,<br />
so könnte dies Konsequenzen für die Funktionstauglichkeit der <strong>Medien</strong>ordnung<br />
haben. Weitere Probleme werden an der Beobachtung sichtbar, dass die neuen Dienste<br />
<strong>zum</strong> Teil traditionellen Rundfunk substituieren oder doch substituieren können, so dass<br />
möglicherweise Gefährdungen der Kommunikationsversorgung und Risiken der<br />
machtmissbräuchlichen Einwirkung auf die öffentliche Meinungsbildung auch von solchen<br />
Diensten ausgehen können.<br />
Sollen die traditionell mit Art. 5 GG verbundenen Ziele und der Auftrag zur Sicherung<br />
einer funktionsfähigen Kommunikationsordnung weiterhin gültig sein – das<br />
21 Dazu s. das „Grünbuch zur Konvergenz der Branchen Telekommunikation, <strong>Medien</strong>- und Informationstechnologie<br />
und ihren ordnungspolitischen Auswirkungen“ der EG-Kommission,<br />
KOM (97) 623; Hoffmann-Riem/Schulz/Held, Konvergenz und Regulierung, 2000.<br />
22 Dazu s. Zerdick u. a., Die Internet-Ökonomie, 1999.<br />
23 Dazu vgl. H. D. Schröder (Hrsg.), Entwicklung und Perspektiven der Programmindustrie, 1999<br />
m.w.Hinw.<br />
24 So der Titel der von Kops/Schulz/Held herausgegebenen Publikation: Von der dualen Rundfunkordnung<br />
zu einer dienstespezifisch diversifizierten Informationsordnung, 2001.<br />
183
M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />
Grundgesetz stellt dies nicht in Frage –, dann gehört die bisherige Ausgestaltung der<br />
Kommunikationsordnung im Interesse des Freiheitsschutzes auf den Prüfstand. Dies<br />
aber wirft nicht nur neue Fragen der rechtstechnischen Umsetzung der verfassungsrechtlichen<br />
Anforderungen auf, sondern führt zu einigen Grundsatzfragen, wie insbesondere<br />
der, ob rechtliche Regulierung angesichts der Vervielfältigung der Dienste und<br />
infrastrukturellen Rahmenbedingungen überhaupt noch nötig ist und – falls dies<br />
grundsätzlich bejaht wird – in hinreichender Weise erfolgreich sein kann. Damit stellt<br />
sich im Kommunikationsbereich die Frage nach der Steuerungskompetenz von Hoheitsträgern<br />
neu. Angesichts der Internationalisierung und Globalisierung sowie der<br />
Ökonomisierung der Lebensverhältnisse und der vielfältigen Vernetzungen unterschiedlicher<br />
Tätigkeiten gibt es vielfältige neue Möglichkeiten des Ausweichens vor hoheitlicher<br />
Regulierung. Es wird aber auch grundsätzlich bestritten, dass Regulierung<br />
sinnvoll ist, und dann angenommen, der Markt sei im Vergleich <strong>zum</strong> Staat der bessere<br />
Regulator.<br />
II. Rechtfertigung hoheitlicher <strong>Medien</strong>regulierung<br />
Die vom Bundesverfassungsgericht betonten und ebenfalls – wenn auch in abgeschwächter<br />
Weise – von der EG anerkannten Ziele einer an Gemeinwohlzwecken orientierten<br />
<strong>Medien</strong>gesetzgebung, insbesondere an der Sicherung von Vielfalt, bestehen<br />
fort. 25 Vielfalt ist in einer pluralen und fragmentierten, auf das Demokratieprinzip verpflichteten<br />
Gesellschaft ein wichtiger verfassungsrechtlicher Zielwert. Hoheitliche Regulierung<br />
ist allerdings nur gerechtfertigt, wenn ein Risiko der Zielverfehlung besteht<br />
und die Regulierung dazu beitragen kann, die Zielerreichung zu fördern.<br />
Die rundfunkrechtliche Regulierung ist historisch als Technikregulierung entstanden.<br />
26 Es ging darum, das Risiko eines „Chaos im Äther“ durch unbegrenzte und nicht<br />
abgestimmte Nutzung von Übertragungsfrequenzen zu vermeiden und Interferenzen<br />
auszuschließen. Die Möglichkeit zur staatlichen Zuteilung knapper Ressourcen wurde<br />
aber zugleich zur Entwicklung eines politisch und später publizistisch geprägten Zuteilungskriteriums<br />
genutzt. Die knappe Übertragungsressource sollte bevorzugt denen zugute<br />
kommen, die Inhalte (Programme) über die Netzinfrastrukturen verbreiteten, die<br />
nicht nur auf optimale Gewinnerzielung oder die Verfolgung eigener politischer Ziele<br />
gerichtet waren, sondern auch der Allgemeinheit nutzten, sich insbesondere publizistischen<br />
Belangen widmeten.<br />
Heute ist die Knappheit der Übertragungsmöglichkeiten beseitigt oder – so gegenwärtig<br />
bei terrestrischer Übertragung – <strong>zum</strong>indest vermindert, so dass der Knappheitsbefund<br />
keineswegs ausreicht, um Regulierung zu rechtfertigen. Knappheit war allerdings<br />
niemals die Rechtfertigung, sondern vielmehr nur der Anknüpfungspunkt staatlicher<br />
Regulierung gewesen. Risiken der Verfehlung der Vielfaltsvorgaben sind jedoch<br />
auch jenseits von Knappheit <strong>zum</strong>indest plausibel, so dass es eine nicht an die Knappheit<br />
anknüpfende Rechtfertigung von Regulierung geben kann. Die in der Wirtschaftswis-<br />
25 Zur Vielfaltsicherung s. BVerfGE 57, 295, 319 ff. Im Europarecht wird das Vielfaltsziel auch als<br />
Bestandteil des öffentlichen Interesses anerkannt, das Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit<br />
rechtfertigen kann, s. EuGH, Slg. 1991, I – 4007 sowie I – 4009.<br />
26 Vgl. Binz, Geschichte der deutschen Frequenzverwaltung, ArchPF 1989, 232 ff.; Scherer, Frequenzverwaltung<br />
zwischen Bund und Ländern, 1987; Eifert, Grundversorgung mit Telekommunikationsleistungen<br />
im Gewährleistungsstaat, 1998.<br />
184
Hoffmann-Riem · <strong>Medien</strong>regulierung<br />
senschaft entwickelten Theorien meritorischer Güter 27 , die Auseinandersetzung mit externen<br />
Effekten 28 sowie Einsichten der Informationsökonomie 29 bieten Erklärungen für<br />
Marktdefizite und signalisieren dementsprechend einen Bedarf zur Vermeidung oder<br />
Kompensation solcher Defizite durch Regulierung. 30 Gegenwärtig konzentriert der Regulierungsbedarf<br />
sich auf die vielfältigen Zugangsengpässe und -filterungen, die trotz<br />
Überwindung der Knappheitslagen bei den Verbreitungstechnologien die Kommunikationsordnung<br />
prägen und das Konzept der gleichen Freiheit für alle gefährden. Beobachtbar<br />
sind technikbezogene, marktmachtbezogene, angebotsbezogene und rezipientenbezogene<br />
Zugangsprobleme. Freiheitsschutz wird notwendig <strong>zum</strong> Zugangsschutz. 31<br />
Gegenwärtig konzentriert sich die Aufmerksamkeit exemplarisch auf Zugangshürden<br />
im Bereich des digitalen Fernsehens. Dort sind solche Hürden mit einer Reihe so genannter<br />
Hilfsdienste verknüpft. Sie beziehen sich insbesondere auf den so genannten<br />
conditional access (die Setzung von Konditionen für den Zugang zur Verbreitung von<br />
Kommunikationsdiensten, etwa bei Pay-TV), aber auch auf das Multiplexing, die Programmpaketvermarktung<br />
(packaging) und insbesondere auf Navigationssysteme, die<br />
zur Orientierung und zur Steuerung des Informationsabrufs eingesetzt werden. 32 Zugangsprobleme<br />
kann es <strong>zum</strong> einen für Kommunikatoren (Veranstalter, Anbieter) geben,<br />
etwa bei dem Zugang zu Produktionsfaktoren, zu Programmrechten, zu Verbreitungsund<br />
Vermarktungsmöglichkeiten; für die Nutzer können die Zugänglichkeit der Netzinfrastruktur<br />
und die Verfügbarkeit nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ auf<br />
ihre Bedürfnisse abgestimmter Inhaltsangebote problematisch sein; auch bestehen Risiken<br />
manipulativen Zugriffs auf ihre Rezeptionsbereitschaft und auf die Nutzung ihrer<br />
kommunikativen Kompetenz. Damit sind nur Problemzonen benannt, ohne dass sich<br />
schon bestimmte Wege der Problembewältigung anbieten. Diese besteht in der Aufnahme<br />
des objektiv-rechtlichen Grundrechtsauftrags zur Gestaltung der <strong>Medien</strong>- und<br />
Informationsordnung der Gegenwart nach dem Prinzip der gleichen Freiheit für alle.<br />
27 Dazu siehe Zerdick (Fn. 22); McKnight/Bailey (eds.), Internet Economics, 1997; Shapiro/Varian,<br />
Information Rules: A Strategic Guide to the Network Economy, 1998.<br />
28 Eine aktuelle Auswertung der verschiedenen medienökonomischen Ansätze findet sich bei<br />
Kops, Von der dualen Rundfunkordnung zur dienstespezifisch diversifizierten Informationsordnung?,<br />
in: Kops/Schulz/Held (Fn. 24); Hoffmann-Riem, Regulierung der dualen Rundfunkordnung,<br />
2000, 120 ff.<br />
29 Zu diesem Maßstab siehe BVerfGE 100, 313, 373. Die für Grundrechtseingriffe entwickelte Formel<br />
zur Eignung rechtlicher Regelungen zur Zielerreichung passt im Kern auch für Ausgestaltungsgesetze,<br />
deren Rechtmäßigkeit daran gemessen wird, dass sie der Sicherung der Funktionsfähigkeit<br />
der <strong>Medien</strong>ordnung dienen und „deshalb geeignet sind zu bewirken, was Art. 5<br />
Abs. 1 GG gewährleisten will“ (BVerfGE 57, 295, 320).<br />
30 S. ferner die Darstellungen von Heinrich, <strong>Medien</strong>ökonomie, Bd. 1, 1994, Bd. 2, 1999; Gundlach,<br />
Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkunternehmen, 1998; Kruse, Ordnungspolitik im Rundfunk,<br />
in: Schenk/Donnerstag, <strong>Medien</strong>ökonomie, 1989, 77, 89 f.; Brinkmann, Probleme der<br />
Marktregulierung des Rundfunks in der dualen Ordnung, in: Assmann u. a. (Hrsg.), Festgabe<br />
für Friedrich Kübler, 1997, 153 ff.<br />
31 S. dazu Hoffmann-Riem (Fn. 28), 136 ff.<br />
32 Zu solchen Hilfsdiensten und den damit verbundenen rechtlichen Problemen s. Gersdorf,<br />
Chancengleicher Zugang <strong>zum</strong> digitalen Fernsehen, 1998; Schulz/Held, Regulierung von Teleund<br />
<strong>Medien</strong>diensten, 1997; Schulz/Seufert/Holznagel, Digitales Fernsehen, 1999; Thierfelder,<br />
Zugangsfragen digitaler Fernsehverbreitung, 1999; Leopoldt, Navigatoren – Zugangsregulierung<br />
bei elektronischen Programmführern im digitalen Fernsehen, 2002.<br />
185
M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />
Selbstverständlich sind nur Regulierungen gerechtfertigt, die zur Problemlösung geeignet,<br />
erforderlich und angemessen sind.<br />
III. Regulierte Selbstregulierung als Prototyp der <strong>Medien</strong>regulierung<br />
<strong>Medien</strong>-, insbesondere Rundfunkregulierung hebt sich zwar durch ihren besonderen<br />
Gegenstandsbereich von anderen staatlichen Regulierungen ab, ist aber hoheitliche Regulierung<br />
und kann daher auf die im Kern gleichen Regulierungskonzepte und -instrumente<br />
zugreifen, die auch in anderen Gegenstandsbereichen einsetzbar sind. Allerdings<br />
nötigt die besondere Sensibilität der Kommunikationsordnung gegenüber staatlichen<br />
Eingriffen – insbesondere der Grundsatz der Staatsfreiheit 33 – zu besonderer Zurückhaltung.<br />
Gegenwärtig ist in vielen Bereichen eine Abnahme der Intensität staatlicher Regulierung<br />
und insbesondere eine Zurücknahme des Einsatzes hoheitlich-imperativer Instrumente<br />
zu verzeichnen. Solche Instrumente waren allerdings für den <strong>Medien</strong>bereich<br />
in der rechtsstaatlichen Demokratie ohnehin ohne besondere Relevanz. Für den <strong>Medien</strong>bereich<br />
ist vielmehr seit langem ein vorrangiges Vertrauen auf Selbstregulierung<br />
prägend, das allerdings durch eine regulative Umhegung dieser Selbstregulierung ergänzt<br />
wird. 34 Selbstregulierung setzt das freiheitsbezogene Autonomieprinzip um; die<br />
regulatorische Umhegung solcher Selbstregulierung soll den Gemeinwohlbezug und das<br />
Prinzip der Rücksichtnahme auf andere sichern.<br />
<strong>Medien</strong>regulierung ist ein Prototyp der hoheitlichen Regulierung gesellschaftlicher<br />
Selbstregulierung, geprägt insbesondere durch Rahmensetzung sowie Strukturvorgaben<br />
(„Kontextsteuerung“) und Verhaltenspflichten, die auf die Beachtung eines rechtlich gesetzten<br />
Rahmens zielen (so auch z. B. Werberestriktionen, jugendschutzbezogene Bindungen<br />
sowie inhaltliche Programmvorgaben zur Vielfaltsicherung, nicht für konkrete<br />
Inhalte). 35<br />
Ein besonders wichtiger Modus der Selbstregulierung ist der ökonomische Markt.<br />
Der auf ihm maßgebende ökonomische Wettbewerb soll in einer privatwirtschaftlichen<br />
<strong>Medien</strong>ordnung als Motor auch der kommunikativen Vielfalt wirken. Der Erfolgsmaßstab<br />
des ökonomischen Wettbewerbs ist in Geld ausgedrückt, zeigt sich also z. B. am<br />
Gewinn, an Marktanteilen, am Umsatz. 36 Die Frage, ob ein solcher ökonomischer Wettbewerb<br />
ein hinreichender Garant auch eines publizistischen Wettbewerbs ist, bleibt umstritten.<br />
37 Das Bundesverfassungsgericht geht jedenfalls davon aus, dass im Bereich des<br />
Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG nicht der ökonomische, sondern der publizistische Wettbewerb<br />
33 S. o. Fn. 12.<br />
34 Dazu s. Holznagel, Regulierte Selbstregulierung im <strong>Medien</strong>recht, Die Verwaltung Beiheft 4,<br />
2001, 81 ff.<br />
35 Derartige Regulierungskonzepte lassen sich weltweit beobachten, s. dazu Hoffmann-Riem, Regulating<br />
Media, 1996.<br />
36 Vgl. die Definition bei Heinrich, <strong>Medien</strong>ökonomie, Bd. 1, 1994, 95.<br />
37 Bejahend Hoppmann, Meinungswettbewerb als Entdeckungsverfahren, in: Mestmäcker<br />
(Hrsg.), Offene Rundfunkordnung, 1998, 1163, 177 ff.; Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium<br />
für Wirtschaft und Technologie, Gutachten über eine „offene <strong>Medien</strong>ordnung“,<br />
November 1999, Nr. 23 ff. Verneinend Stock, Rundfunkrecht und Wettbewerbsrecht im<br />
dualen Rundfunksystem, in: Hoffmann-Riem (Hrsg.), Rundfunk im Wettbewerbsrecht, 1988,<br />
35 ff.; Rossen, Freie Meinungsbildung durch den Rundfunk, 1988, 35 ff.; Hoffmann-Riem,<br />
Rundfunkrecht neben Wirtschaftsrecht, 1991, 71 ff.<br />
186
Hoffmann-Riem · <strong>Medien</strong>regulierung<br />
maßgebend ist und dass letzterer aufgrund von Funktionsdefiziten des ökonomischen<br />
Marktes durch diesen allein nicht gesichert werden kann. 38 Erfolgsmaßstab des verfassungsrechtlich<br />
bei Art. 5 GG maßgebenden Wettbewerbs sind publizistische Kategorien<br />
wie Meinungsvielfalt, kommunikative Entfaltung, plurale Ausgewogenheit u. ä.<br />
Ökonomischer Wettbewerb reicht nach dieser Konzeption als Grundlage der Funktionsfähigkeit<br />
der <strong>Medien</strong>ordnung nur, wenn er auch zu einem funktionsfähigen publizistischen<br />
Wettbewerb führt, und zwar funktionsfähig auf dem durch die Verfassung vorgegebenen<br />
normativen Niveau. Rundfunkfreiheit ist der Auftrag und Rundfunkrecht ist<br />
der Versuch, die Maßgeblichkeit publizistischen Wettbewerbs auch gegen die Imperative<br />
ökonomischen Wettbewerbs – natürlich auch weiterhin gegen sonstige Begehrlichkeiten<br />
und Einwirkungsversuche staatlicher und nichtstaatlicher Machtträger – zu behaupten.<br />
39<br />
Nicht zuletzt wegen des Grundsatzes der Staatsfreiheit kann und darf der Staat allerdings<br />
keine Verantwortung für bestimmte kommunikative Ergebnisse übernehmen (Erfüllungsverantwortung),<br />
sondern nur dafür, dass möglichst optimale Voraussetzungen<br />
der Kommunikationsversorgung aller (möglichst vieler) in einem Bereich bestehen, der<br />
vorrangig auf Eigenverantwortung der Akteure setzt. 40 Anders formuliert: Kommunikationsinhalte<br />
(Programme) mit hinreichender Pluralität und auf einem den Möglichkeiten<br />
der Informations- und Wissensgesellschaft angepassten Qualitätsniveau lassen<br />
sich nicht staatlicherseits gebieten, sondern allenfalls ermöglichen. <strong>Medien</strong>recht zielt auf<br />
solche „ermöglichenden“ Strukturen. Zur Sicherung von Kommunikationsfreiheit für<br />
alle (s. o. A I) gehört es, den Einsatz einseitiger ökonomischer und/oder publizistischer<br />
Macht zu verhindern, Manipulationsrisiken für die Rezipienten zu bannen und Zugangshürden<br />
zu überwinden, die kommunikative Entfaltungsmöglichkeiten unangemessen<br />
behindern. In diesem Kontext lassen sich auch hoheitlich-imperative Instrumente<br />
unterstützend einsetzen, etwa Manipulationsverbote oder Öffnungsgebote<br />
(must-carry-rules, open access-Verpflichtungen u. ä.). 41 Allerdings sind sie regelmäßig<br />
mit besonderen Implementationsschwierigkeiten verkoppelt.<br />
Entlastend für die rundfunkrechtliche Regulierung kann die übrige Rechtsordnung<br />
wirken, die in ihrem privatrechtlichen Teil auch auf Selbstregulierung (Privatautonomie)<br />
baut. Neben dem Rückgriff auf Zivil-, Wirtschafts- und Urheberrecht 42 kommt aber<br />
auch das hoheitliche Telekommunikationsrecht 43 <strong>zum</strong> Zuge. Die allgemeine Rechtsordnung<br />
und das besondere <strong>Medien</strong>recht können als wechselseitig nutzbare Teil-Auffang-<br />
38 Vgl. BVerfGE 74, 297, 332; siehe auch 73, 118, 174.<br />
39 Dass dieser Auftrag im Zuge der Kommerzialisierung der <strong>Medien</strong>ordnung sich ändern und die<br />
Kommunikationsfreiheit grundlegend ihren Charakter wandeln kann, hat Tabbara eindrucksvoll<br />
an der Entwicklung der Kommunikationsfreiheit in den USA gezeigt, s. Tabbara, Kommunikations-<br />
und <strong>Medien</strong>freiheit in den USA: Zwischen demokratischen Aspirationen und<br />
kommerzieller Mobilisierung, Diss. iur. Hamburg 2002.<br />
40 Zu den unterschiedlichen Dimensionen staatlicher Verantwortungsübernahme siehe Schuppert,<br />
Die öffentliche Verwaltung im Kooperationsspektrum staatlicher und privater Aufgabenerfüllung:<br />
Zum Denken in Verantwortungsstufen, Die Verwaltung 31 (1998), 415 ff.<br />
41 Ansätze dazu finden sich in dem § 52, 53 RStV. S. dazu etwa die Kommentierungen in Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner,<br />
Rundfunkstaatsvertrag, Stand Mai 2001.<br />
42 Dazu s. statt vieler Paschke, <strong>Medien</strong>recht, 2. Aufl. 2001, 197 ff., 279 ff.<br />
43 Aus der reichhaltigen Literatur s. statt vieler Trute/Spoerr/Bosch, TKG, 2001; Beck’scher-TKG-<br />
Kommentar, 2. Aufl. 2000.<br />
187
M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />
ordnungen verstanden werden. 44 Allerdings ist bei dem Vertrauen auf dieses Zusammenspiel<br />
in Rechnung zu stellen, dass die rechtlichen Teilordnungen je eigenen Zielen<br />
folgen – so ist die allgemeine Rechtsordnung nicht speziell auf die Sicherung der Funktionsfähigkeit<br />
der Rundfunkordnung ausgerichtet – und entsprechend durch je eigene<br />
Rationalitäten geprägt sind und jeweils nur spezifische (also begrenzte) Leistungen<br />
erbringen können. Soweit aber die allgemeine Rechtsordnung auch zur Unterstützung<br />
der Funktionsfähigkeit der Rundfunkordnung beiträgt, ist sie ein wichtiges Hilfsmittel.<br />
IV. Steuerung unter Respektierung der Eigenrationalitäten der Adressaten<br />
Staatliche Regulierung zur Ausgestaltung der <strong>Medien</strong>ordnung soll das Verhalten der<br />
Akteure so beeinflussen, dass die rechtserheblichen Zielwerte möglichst in deren autonomer<br />
Verantwortung erreicht werden. Rundfunkrecht will erwünschte Wirkungen unterstützen<br />
und unerwünschte möglichst vermeiden. Insofern ist es ein Mittel hoheitlicher<br />
„Steuerung“. 45 Eine solche Steuerung im medienrechtlichen Sinne sind die Tätigkeiten<br />
des Staates, die auf die Erfüllung des Gewährleistungsauftrags aus Art. 5 Abs. 1<br />
Satz 2 GG ausgerichtet sind, also der Konkretisierung und Ausgestaltung des Grundrechtes<br />
dienen. Untersuchungen über die Steuerungskraft von Recht – insbesondere aus<br />
dem Bereich der akteurszentrierten Handlungstheorie, der Institutionenökonomik und<br />
der Systemtheorie 46 – verdeutlichen allerdings, dass die Fähigkeit des Rechts zur Erreichung<br />
erwünschter Ziele maßgebend durch die Handlungsrationalitäten (Eigenlogiken)<br />
in dem betreffenden Regelungsfeld bestimmt wird. Rechtliche Vorgaben werden am<br />
ehesten befolgt, wenn sie die Interessenvielfalt der Akteure durch Bereitstellung unterschiedlicher<br />
Optionen respektieren, sich dabei aber auf Optionen konzentrieren, die<br />
(auch) Gemeinwohlzwecke respektieren und die zugleich ein Verhalten der Akteure erlauben,<br />
das mit deren Eigeninteressen kompatibel ist oder das ihnen sogar kurz- oder<br />
langfristig Vorteile verspricht. Negativ formuliert: Eine rechtliche Steuerung gegen die<br />
Interessen der Betroffenen führt zu Ausweichreaktionen und Widerstand. Die Implementationschancen<br />
sind dann gering und können auch nur begrenzt durch repressive<br />
Mittel verbessert werden. Jedenfalls ist Repression in einer auf Selbstregulierung aufbauenden<br />
Ordnung ein Fremdkörper.<br />
Es ist daher kein Zufall, dass die zur Implementation des <strong>Medien</strong>rechts im privatwirtschaftlichen<br />
Sektor eingesetzten Aufsichtsinstanzen – bei privatem Rundfunk etwa<br />
die Landesmedienanstalten 47 – sehr zurückhaltend mit repressiven Sanktionen sind.<br />
Stattdessen sind sie um Kooperation bemüht, vertrauen auf informelle Problemlösun-<br />
44 Zu diesem Konzept siehe die Beiträge in Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Öffentliches<br />
Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, 1996.<br />
45 Zur gegenwärtigen Steuerungsdiskussion siehe König/Dose, Klassifizierungsansätze staatlicher<br />
Handlungsformen, 1989; Schuppert, Verwaltungsrechtswissenschaft als Steuerungswissenschaft,<br />
in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Schuppert (Hrsg.), Reform des Allgemeinen<br />
Verwaltungsrechts, 1993, 65 ff.; Benz, Kooperative Verwaltung, 1994; J.-P. Schneider, Kooperative<br />
Verwaltungsverfahren, Verwaltungsarchiv 1996, 38 ff. sowie – als systemtheoretische Perspektive<br />
– Willke, Supervision des Staates, 1997.<br />
46 Zusammenfassende Darstellung dazu bei Hoffmann-Riem, Regulierung (Fn. 28), 158 ff.<br />
47 Zu deren Aufsichtstätigkeit s. statt vieler Bumke, Die öffentliche Aufgabe der Landesmedienanstalten,<br />
1995.<br />
188
Hoffmann-Riem · <strong>Medien</strong>regulierung<br />
gen und nutzen möglichst weitgehend „weiche“ Steuerungsinstrumente wie Beratung,<br />
Hinweise, gegebenenfalls die Inaussichtstellung sanktionierender Maßnahmen. 48 Dies<br />
ist ein weltweit beobachtbarer Trend. 49 Die Nutzung dieser weichen Steuerungshilfen<br />
ist insofern problematisch, als es <strong>zum</strong> einen keine Garantien des Erfolgs gibt, andererseits<br />
aber erhebliche Risiken der Zielverfehlung. So führt die kooperative Nähe zu den<br />
Regulierten zu dem Risiko der Übernahme ihrer einseitigen Perspektiven oder gar der<br />
Verstrickung in deren Handlungsimperative (capture). Andererseits bestehen gerade in<br />
der Kooperation Möglichkeiten der genaueren Erfassung der Interessen der Regulierten<br />
und damit zur Auswahl von Optionen, die sowohl die Befriedigung ihrer Interessen als<br />
auch die der Gemeinwohlinteressen erlauben.<br />
V. Herausforderungen an steuerndes Recht in der ausdifferenzierten <strong>Medien</strong>ordnung<br />
Es ist seit langem bekannt, dass die <strong>Medien</strong>regulierung nur begrenzt erfolgreich ist, und<br />
zwar auch für traditionellen Rundfunk. 50 Da aber auch ein begrenzter Erfolg besser ist<br />
als der Verzicht auf den Versuch einer Koppelung der <strong>Medien</strong>ordnung mit Anforderungen<br />
an eine auch an Verfassungsprinzipien orientierte Funktionsfähigkeit folgt daraus<br />
nicht das Gebot eines Verzichts auf <strong>Medien</strong>regulierung. Allerdings muss versucht<br />
werden, sie jeweils unter Beachtung der aktuellen Rahmenbedingungen zu optimieren.<br />
Angesichts der Ausweitung und Ausdifferenzierung der <strong>Medien</strong>ordnung stellen sich gegenwärtig<br />
viele neue Probleme, die veränderte Überlegungen zu ihrer rechtlichen Bewältigung<br />
nahe legen. Solche Problemfelder seien im Folgenden auswahlhaft benannt.<br />
Aus der Sicht effektiven Grundrechtsschutzes sind heute vor allem Zugangssicherungen<br />
bedeutsam (s. schon o. II), so beispielsweise für die Kommunikatoren die der Zugänglichkeit<br />
von Produktionsstätten, von bestimmten Ereignissen – etwa massenattraktiven<br />
Sportveranstaltungen 51 – oder des Zugangs zu wichtigen Programminhalten – etwa<br />
zu populären Kinofilmen. 52 Wer die Zugänglichkeit steuert, kann die Wettbewerbsbedingungen<br />
und auch die publizistischen Wirkungschancen beeinflussen. Führt dies zu<br />
Machtasymmetrien, wird die regulatorische Verantwortung des grundrechtssichernden<br />
Gesetzgebers aktiviert.<br />
Gleiches gilt für Einflussnahmen auf einen Zugang der Kommunikationsangebote zu<br />
Rezipienten. Technisch vermittelte und marktwirtschaftlich angebotene Kommunikation<br />
kennt unweigerlich Zugangshürden. Der objektiv-rechtliche Grundrechtsauftrag<br />
zielt darauf, diese so zu gestalten, dass die Freiheitlichkeit der Kommunikation für die<br />
Rezipienten nicht leidet. Besondere Aufmerksamkeit verdienen insofern Manipulationsmöglichkeiten.<br />
In der modernen Zeit der Informationsgesellschaft ermöglichen es die <strong>Medien</strong>technologien<br />
und die vielschichtigen <strong>Medien</strong>infrastrukturen, auf subtile, <strong>zum</strong> Teil aber auch<br />
48 Siehe dazu Arbeitsgemeinschaft der Landesmedienanstalten in der Bundesrepublik Deutschland,<br />
<strong>Medien</strong>regulierung im Wandel – <strong>zum</strong> Rang und zur Rolle der Landesmedienanstalten. Ein<br />
Positionspapier der ALM vom 23. März 1999; Baars, Kooperation und Kommunikation durch<br />
Landesmedienanstalten. Eine Analyse ihres Aufgaben- und Funktionsbereichs, 1999.<br />
49 Siehe dazu die Beobachtungen in Hoffmann-Riem (Fn. 35), 1996.<br />
50 Nähere Belege – mit weltweitem Anschauungsmaterial – bei Hoffmann-Riem (Fn. 35).<br />
51 Dazu siehe BVerfGE 97, 228 ff.<br />
52 S. dazu Ladeur, Rundfunk und Fernsehen 1998, 5 ff.<br />
189
M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />
auf nichtsubtile Art zu manipulieren. Es ist ein Irrglaube zu meinen, dass allein der Wettbewerb<br />
der <strong>Medien</strong> untereinander die Rezipienten vor Manipulation schützt. Es gibt zu<br />
viele Anreize manipulativen Vorgehens. So sehen sich die <strong>Medien</strong>unternehmen in einem<br />
Wettbewerb um eine knappe Ressource: die Aufmerksamkeit der Rezipienten/Konsumenten<br />
53 und sind bemüht, diese Aufmerksamkeit zu erhalten, und gegebenenfalls versucht,<br />
dafür auch manipulativ-suggestive Techniken einzusetzen.<br />
Besondere Möglichkeiten dazu bieten die so genannten Navigatoren. Angesichts der<br />
mit der Digitalisierung und der Datenreduktion möglichen Vervielfachung von Übertragungskapazität<br />
und entsprechender Angebote erhält die Orientierung des Rezipienten<br />
über das Programmangebot und die „Ansteuerung“ der Angebote eine bedeutende<br />
Aufgabe, die durch dafür konzipierte Dienste, insbesondere Navigatoren, bewältigt<br />
werden kann. 54<br />
Navigatoren übernehmen wie eine „elektronische Programmzeitschrift“, aber viel<br />
stärker mit der realen Nutzung verknüpft, die Benutzerführung und ermöglichen die<br />
Orientierung sowie den Zugriff zu Programmen und anderen Anwendungen. Damit besteht<br />
ein Risiko der Diskriminierung bestimmter Dienste, etwa durch ungünstige Platzierung,<br />
Gestaltung, Verzeichnisbildung oder die Art der Verknüpfungsmöglichkeiten.<br />
Wenn Navigationsdienste Nutzer auf bestimmte Kommunikationswege verweisen,<br />
Kommunikationsangebote in bestimmter Reihenfolge aufrufen u. ä., dann sind damit<br />
auch Möglichkeiten verknüpft, den Nutzer gezielt zu lenken und bestimmten Kommunikationsangeboten<br />
Vorteile vor anderen zu verschaffen. So ist es beispielsweise für die<br />
Chancen, als Fernsehsender erfolgreich zu sein, wichtig, wie der Nutzer auf dessen Programm<br />
zugreifen kann. Es macht für die Erfolgschancen einen Unterschied, ob beim<br />
Einschalten des Navigationssystems zunächst auf dieses Programm – oder nur auf andere<br />
Programme anderer kommerzieller oder nur die öffentlicher Veranstalter – verwiesen<br />
wird. Auch macht es einen Unterschied, ob Fernsehprogramme direkt angewählt<br />
werden können oder ob dies nur über mehrere Schritte möglich ist.<br />
Werden Navigationssysteme und Suchportale zudem dazu genutzt, die im Abrufvorgang<br />
ablesbaren Interessen der individuellen Nutzer aufzunehmen und zu speichern,<br />
Datenmuster zu analysieren und Nutzerprofile zu erstellen („collaborative filtering“),<br />
dann kann dies z. B. als Grundlage eingesetzt werden, die zukünftig vermittelten Angebote<br />
speziell auf die individuellen Nutzerinteressen auszurichten – Fußballfreunden also<br />
zunächst Fußballprogramme anzubieten, Krimifreunden Krimis und zugleich Werbebotschaften<br />
und Verkaufsaufforderungen (E-Commerce) auf die Interessen der je individuellen<br />
Konsumenten auszurichten. Diese werden häufig sogar damit einverstanden<br />
sein. Dennoch ist unübersehbar, dass hier erhebliche Beeinflussungsmöglichkeiten bestehen.<br />
Die modernen Technologien schaffen nicht nur Macht zur Lenkung des Kommunikationsflusses,<br />
sondern auch zur Datenerhebung, -verarbeitung und -weiternutzung.<br />
Regelmäßig wissen Nutzer nicht, welche Software in einem Navigationssystem<br />
verwendet wird oder auf dem Computer installiert ist und wieweit sie dazu genutzt<br />
wird, Schritte der Kommunikationsnutzung zu speichern, Datenmuster zu erfassen, die<br />
53 Vgl. dazu Franck, Ökonomie der Aufmerksamkeit, 1998; Rötzer, Aufmerksamkeit als Medium<br />
der Öffentlichkeit, in: Maresch/Werber (Hrsg.), Kommunikation, <strong>Medien</strong>, Macht, 1999, 35 ff.;<br />
Schmidt, Kalte Faszination: <strong>Medien</strong>, Kultur, Wissenschaft in der <strong>Medien</strong>gesellschaft, 2000,<br />
234 ff.<br />
54 S. dazu Gersdorf (Fn. 32), 69 ff.; Schulz/Seufert/Holznagel (Fn. 32), 81, 102 ff.; Thierfelder<br />
(Fn. 32), 144 f., 147 ff., 160 f.<br />
190
Hoffmann-Riem · <strong>Medien</strong>regulierung<br />
entsprechenden Informationen an Dritte weiterzugeben und für zukünftige Steuerungsakte<br />
zu nutzen.<br />
Dies illustriert, dass neue Technologien auch neue Macht – hier Lenkungs- und Filtermacht<br />
– vermitteln können. Liegen die entsprechenden Navigationssysteme in den<br />
Händen von Wirtschaftsunternehmen, die zugleich Inhalte von <strong>Medien</strong>, also Programme,<br />
bereitstellen, dann gibt die Möglichkeit der Kombination dieser Aktivitäten zusätzliche<br />
Marktchancen. Die Versuchung liegt nahe, die Navigationssysteme so auszugestalten,<br />
dass die von dem Unternehmen selbst stammenden Programme bevorzugt rezipiert<br />
werden. Kommerzielle Interessen von Werbeunternehmen können ferner die<br />
Versuchung bedingen, die Angebots- und Auswahlmacht zu nutzen, um solchen Programmen<br />
bevorzugte Rezeptionschancen zukommen zu lassen, die auch der Werbewirtschaft<br />
zusagen, etwa weil sie ein für den Absatz der beworbenen Produkte günstiges<br />
Programmumfeld bereitstellen. Auf der Verlustseite kann die <strong>Medien</strong>vielfalt zu verbuchen<br />
sein.<br />
Eine weitere, insbesondere bei Pay-TV-Programmen beobachtbare Erscheinung ist<br />
die Bündelung von Programmen zu Programmpaketen, die den Rezipienten angeboten<br />
werden (packaging) und die sie häufig auch nicht aufgeteilt (entbündelt) beziehen können.<br />
Durch Programmpaketbildung wird eine besondere Vermarktungsform geschaffen.<br />
Neben Pay-TV-Programmen können auch Free-TV-Programme, <strong>Medien</strong>-, Teleoder<br />
Sprachtelefondienste in ein Bouquet aufgenommen werden. Dadurch können z. B.<br />
marktbeherrschende Anbieter aus dem Teledienste- bzw. Sprachtelefondienstemarkt<br />
Einfluss auf den Rundfunksektor gewinnen. Insofern ist <strong>zum</strong>indest eine Vorkehrung<br />
dafür wichtig, dass ein Anbieter, der bei der Bündelung und Vermarktung von Programmen<br />
eine marktbeherrschende Stellung innehat, Anbieter, die einen solchen Dienst<br />
nachfragen, weder unmittelbar noch mittelbar unbillig behindert oder gegenüber gleichartigen<br />
Anbietern ohne sachlich gerechtfertigten Grund unmittelbar und mittelbar unterschiedlich<br />
behandelt.<br />
Solche Beispiele illustrieren, dass Strukturen und Verhaltensweisen auch in den der<br />
<strong>Medien</strong>veranstaltung vor-, neben- und nachgelagerten Bereichen mit dem Blick auf Art.<br />
5 Abs. 1 Satz 2 GG bedeutsam sind. Dass der Geltungsbereich dieser Grundrechtsnorm<br />
sich auf diese Bereiche erstreckt, hat das Bundesverfassungsgericht bisher zwar noch<br />
nicht umfassend, wohl aber für verschiedene Beispielsfelder bejaht (Stichworte: Pressegrosso,<br />
Kurzberichterstattung u. a.). 55 Der Gesetzgeber beginnt, das Problem zu erkennen,<br />
also seinen objektiv-rechtlichen Grundrechtsauftrag zur Ausgestaltung der Freiheitlichkeit<br />
der Kommunikation wahrzunehmen. Vorkehrungen zur Sicherung eines<br />
chancengleichen, angemessenen und nicht diskriminierenden Zugangs zu einigen Diensten<br />
enthält z. B. § 53 RfStV, wenn auch noch in unzureichender Weise. 56<br />
In den im Aufbau befindlichen Multimedia-Netzwerken haben sich neue Strukturen<br />
herausgebildet, die mit den geschilderten Vermachtungs- und Missbrauchsrisiken verbunden<br />
sind. Dem Gewährleistungsgesetzgeber des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG dürfen die<br />
Entwicklungen in diesen Sektoren nicht gleichgültig sein. Die Regulierung aber ist<br />
schwierig, wenn sie nicht mit dem Risiko verbunden sein soll, neue Entwicklungen zu<br />
unterbinden oder zwar in Deutschland Restriktionen vorzusehen, diese aber aufgrund<br />
55 Vgl. BVerfGE 77, 346, 354; 83, 238, 312 ff.; 97, 228, 267.<br />
56 Zu den mit § 53 RfStV verbundenen Problemen s. Schulz/Kühlers, Konzepte der Zugangsregulierung<br />
für das digitale Fernsehen, 2000; Schulz, K & R 2000, 9 ff.; Thierfelder, Zugangsfragen<br />
digitaler Fernsehverbreitung, 1999; Leopoldt (Fn. 32).<br />
191
M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />
der globalen Aktivitäten auswärtiger Veranstalter und Diensteanbieter nicht oder nur<br />
begrenzt durchsetzen zu können.<br />
Wichtig dürfte insbesondere die Sorge dafür sein, dass die verfügbaren Angebote nicht<br />
nur nach kommerziellen Imperativen gestaltet sind. Insofern erhält die ältere Frage neue<br />
Bedeutung, ob die mit dem dualen Rundfunksystem verbundene Idee struktureller Diversifikation<br />
57 auch bei anderen als traditionellen Rundfunkdiensten nutzbar gemacht<br />
werden kann. Dies würde beispielsweise dazu führen können, die Bereitstellung solcher<br />
Dienste auch gemeinwirtschaftlichen Veranstaltern, darunter auch den öffentlich-rechtlichen<br />
Rundfunkanstalten, zu gestatten. 58 Angesichts der Dynamik der Märkte, der Unvorhersehbarkeit<br />
neuer technologischer Entwicklungen und der Variabilität von Nutzerinteressen<br />
und -gewohnheiten muss die <strong>Medien</strong>ordnung jedenfalls auf ein hohes Maß<br />
an Lernfähigkeit, zugleich auch Revisionsoffenheit, ausgerichtet sein. Das Konstruktionsprinzip<br />
der dualen Rundfunkordnung ist zwar nicht als einzig mögliches verfassungsrechtlich<br />
vorgegeben, entspricht aber in besonderer Weise einer Konzeption, die<br />
weitestgehend Privatwirtschaftlichkeit zulässt und nutzt, aber die Pflicht zur Vorsorge<br />
dafür einlösen muss und über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk einzulösen versucht,<br />
dass die mit Privatwirtschaftlichkeit als alleiniger Wirtschaftsform verbundenen Defizite<br />
ausgeglichen werden. Ändern sich die Realbedingungen und damit auch die Gefährdungen,<br />
gibt es Anpassungsbedarf bei den zur Verwirklichung der unverändert fortbestehenden<br />
Ziele der Kommunikationsordnung vorgesehenen Instrumenten. Der objektiv-rechtliche<br />
Auftrag zur Sicherung der Funktionsfähigkeit der <strong>Medien</strong>ordnung – also<br />
<strong>zum</strong> Erhalt der Freiheitschance für alle – wandert mit, wenn sich die Gefahrenursachen,<br />
also auch die Regelungsprobleme, in neue Bereiche der Kommunikation und der entsprechenden<br />
Netzwerke verlagern.<br />
VI. Umgang mit Risiken der „Zensur“ beim Informationszugang<br />
Der Kampf um die Freiheit hatte – wie eingangs schon dargestellt – immer etwas mit<br />
dem Kampf gegen Macht zu tun. Freiheitsrechte zielen auf die Bereitstellung von Mitteln<br />
gegen Machteinsatz, vor allem gegen Machtmissbrauch. Wenn das Risiko des<br />
Machtmissbrauchs von privaten Unternehmen ausgeht, dann setzt eine freiheitliche<br />
Ordnung Schutz auch vor ihm voraus. Deshalb ist wichtig, dass Grundrechte nicht nur<br />
Abwehrrechte gegen den Staat, sondern auch objektiv-rechtliche Schutzaufträge an ihn<br />
enthalten. Dies gilt auch für das Zensurverbot (Art. 5 Abs. 1 Satz 3 GG), gewissermaßen<br />
den Prototyp eines klassischen Abwehrrechts.<br />
Historisch gesehen ist das Zensurverbot als Mittel gegen staatliche und kirchliche<br />
Zensur entstanden. 59 Die Zensurfreiheit war im 19. Jahrhundert der wesentliche Kern<br />
der Pressefreiheit. Als Gefährder der Freiheit erschien in erster Linie der Staat. Das Zensurverbot<br />
schafft daher ein Abwehrrecht des Einzelnen gegen den Staat. Heute aber gibt<br />
es weitere Gefahrenträger. Dies sei abschließend am Beispiel des Internet illustriert.<br />
Das Internet ermöglicht den Zugang zu vielfältigen Informationen aller Art und un-<br />
57 Dazu s. Hoffmann-Riem, Erosionen des Rundfunkrechts, 1990, 38 f.; ders., Staatswissenschaften<br />
und Staatspraxis 1991, 412 f.; ders., Regulierung (Fn. 28), 67 ff., 292 ff.<br />
58 Ob dies schon gegenwärtig zulässig ist, ist in der Literatur umstritten, siehe dazu Hoffmann-<br />
Riem, Regulierung (Fn. 28), 234 ff. m.w.Hinw.<br />
59 Zur Geschichte des Zensurverbots s. Fiedler, Die formale Seite der Äußerungsfreiheiten, 1999;<br />
Rohde, Die Nachzensur in Art. 5 Abs. 1 Satz 3 GG, 1997.<br />
192
Hoffmann-Riem · <strong>Medien</strong>regulierung<br />
terschiedlicher Herkunft. Eine Begleiterscheinung ist, dass es Inhalte gibt, die gesellschaftlich<br />
als unerwünscht gelten, wie z. B. Pornografie, rechtsextremistische Propaganda<br />
oder Anleitungen <strong>zum</strong> Bombenbau. Es darf daher nicht überraschen, dass eine intensive<br />
Diskussion darüber entstanden ist, wie solche unerwünschten Inhalte aus dem<br />
Internet herausgehalten werden können 60 . Es gibt in Europa einen weiten gesellschaftlichen<br />
Konsens, dass z. B. Jugendschutz legitim ist, dass Terrorismus bekämpft werden<br />
muss und dass es ein legitimes Anliegen demokratischer Staatsordnungen ist, politisch<br />
extremistische Inhalte abzuwehren.<br />
Das Internet wird nicht vom Staat verwaltet. In der Selbstverwaltung des Internet haben<br />
große Unternehmen starken Einfluss, beispielsweise die so genannten Provider wie<br />
America Online (AOL). Das Internet ist so organisiert, dass es aufgrund seiner spezifischen<br />
Netzstruktur nur begrenzt einer Kontrolle unterzogen werden kann. 61 Jedenfalls<br />
ist der Nationalstaat als Kontrolleur weitgehend ohnmächtig. Selbst wenn der Staat versuchen<br />
wollte, die Inhalte zu kontrollieren, so wäre er nur begrenzt als Träger von Zensur<br />
erfolgreich. In diese Lücke sind <strong>zum</strong> Teil private Unternehmen, insbesondere die<br />
Provider, gerückt, die angefangen haben, das Internet auf unerwünschte Inhalte zu<br />
durchkämmen oder durchkämmen zu lassen und z. B. aufgefundene Pornografie oder<br />
politisch extremistische Inhalte zu sperren. Nach deutschem Recht verlangt der Gesetzgeber<br />
die Sperrung von Inhalten durch Provider, soweit sie von rechtswidrigen bzw.<br />
strafbaren Inhalten Kenntnis haben (vgl. §§ 5 TDG, MDStV).<br />
Blickt man auf den traditionellen Gehalt des Zensurverbots, dann haben systematische<br />
Inhaltskontrollen und Filterungen der Verbreitung von Inhalten durch private Provider<br />
nichts mit Zensur i. S. des Art. 5 Abs. 1 Satz 3 GG zu tun. Es geht ja nicht um Zensurmaßnahmen<br />
des Staates. Wird der übergreifende Sinn des Verbots der Zensur aber in<br />
der Verhinderung einer Lähmung des Geisteslebens und des manipulativ-steuernden<br />
Zugriffs auf Kommunikationsinhalte gesehen 62 , dann liegt die Wertung nahe, auch in der<br />
Tätigkeit von privaten Filterinstanzen eine ähnliche Gefahr für die Freiheitlichkeit der<br />
Kommunikation zu sehen, wie sie früher vom Staat ausging. Heute ist der Staat demokratisch<br />
organisiert und rechtsstaatlich vielfältig kontrolliert. Über entsprechende verantwortungssichernde<br />
Strukturen und demokratische Kontrollvorkehrungen verfügen<br />
Privatunternehmen, auch die Provider im Internet, nicht. Es ist daher nicht ausgeschlossen,<br />
dass die private Steuerungs- und Filtermacht aufgrund der geringen Kontrollmöglichkeiten<br />
gefährlicher für die Freiheitlichkeit der Kommunikation ist als eine<br />
entsprechende Kontrolle durch den Staat.<br />
Werden Kontrollmaßnahmen in systematischer Weise durchgeführt – dazu gibt es<br />
schon vielfältige Möglichkeiten 63 –, dann besteht das Risiko, dass bestimmte Inhalte<br />
ganz aus dem Internet verschwinden, jedenfalls soweit nicht auf andere Provider ausgewichen<br />
werden kann. Nun wird vermutlich kaum jemand etwas dagegen einwenden,<br />
wenn strafbare Inhalte verhindert werden. Wer aber garantiert, dass die Filterung von<br />
Kommunikationsinhalten sich darauf beschränkt – ganz abgesehen davon, dass es häu-<br />
60 S. statt vieler Hornig, Möglichkeiten des Ordnungsrechts bei der Bekämpfung rechtsextremistischer<br />
Inhalte im Internet, ZUM 2001, 846 ff. m. w. Hinw.<br />
61 Zur Funktionsweise des Internet s. statt vieler Beck/Prinz, Ökonomie des Internet, 1999. Zu<br />
den Rechtsfragen der Haftung s. statt vieler Freytag, Haftung im Netz, 1999.<br />
62 I.d.S. Hoffmann-Riem in AK-GG, 3. Aufl. 2001, Rn. 89 ff. zu Art. 5 Abs. 1, 2 GG.<br />
63 Als knapper Überblick über unterschiedliche technische Sperr- und Filtersysteme s. Vielhaber,<br />
Neuer Schutz vor neuen Gefahren? Jugendschutz im Internet, MMR Beilage 2001/9, 16, 18 f.<br />
193
M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />
fig auch schwierig ist, die Grenze des Strafbaren zu bestimmen? Die – gegenwärtig immer<br />
weiter ausgebaute – Klassifizierung von Angebotsinhalten als Grundlage der Filterung<br />
oder als Entscheidungshilfe für die Nutzer setzt Wertungen voraus. Diese können<br />
in weltanschauliche Fragebereiche hineinwirken oder sonst wie folgenreiche Vorentscheidungen<br />
fordern. Wer garantiert, dass nicht auch Inhalte ausgefiltert werden, die den<br />
Providern politisch unerwünscht sind oder die z. B. Kritik an wirtschaftlichen Vorgängen<br />
oder an der wirtschaftlichen Macht des Providers üben? Jedenfalls scheint eine Garantie<br />
vor Machtmissbrauch nicht gegeben zu sein, wenn nicht auch hier die ordnende<br />
Kraft des Rechts wirksam wird. Insoweit ist es eine wichtige Frage der Gegenwart und<br />
Zukunft, ob das als Verbot staatlicher Zensur entstandene Zensurverbot unter den veränderten<br />
Rahmenbedingungen umgedacht und zur Sicherung werden muss, Schutz auch<br />
vor zensurähnlichen Akten durch private Wirtschaftsunternehmen zu gewähren. Schutz<br />
mit Hilfe staatlichen Rechts aber setzt voraus, das Zensurverbot des Art. 5 Abs. 1 Satz<br />
3 GG auch als objektiv-rechtlichen Grundrechtsauftrag an den Staat zu verstehen, Vorkehrungen<br />
gegen den Aufbau privater Zensurmacht zu schaffen, etwa Transparenz- und<br />
Kontrollvorkehrungen bei zensurähnlichem Verhalten von Providern vorzusehen.<br />
C. Fazit<br />
Die Zukunft der Freiheitsrechte wird auch davon abhängen, dass bei neuen Erscheinungen<br />
immer wieder gefragt wird, ob die schon erfolgte rechtliche Gestaltung des Freiheitsbereiches<br />
ausreicht, um unter heutigen Bedingungen Ziele zu verwirklichen, die<br />
auch schon gestern wichtig waren. Der rasante Umbruch auf dem Weg zur Informationsgesellschaft<br />
legt Antworten auf diese Frage dringend nahe. Die Ziele des Freiheitsschutzes<br />
sind in der Neuzeit weitgehend gleich geblieben, die Wege zur Zielerreichung<br />
aber müssen immer wieder auf die je aktuellen Verwirklichungsbedingungen abgestimmt<br />
werden. Daher bleibt der objektiv-rechtliche Gehalt der kommunikationsbezogenen<br />
Grundrechte auch in der Gegenwart und Zukunft wichtig, und zwar zur Gewährleistung<br />
subjektiven Freiheitsschutzes für möglichst alle. Den Schutz des Rechts<br />
benötigen vor allem Machtschwache.<br />
194
Aggressiver Humor in den <strong>Medien</strong> – am Beispiel<br />
der Fernseh-Comedy-Show „TV total“*<br />
Axel Schmidt<br />
Stefan Raabs Comedy-Show „TV total“ gilt als prototypisches Beispiel neuerer Entwicklungen<br />
in der deutschen Fernsehunterhaltung. Die Sendung avancierte <strong>zum</strong> Sinnbild respektloser<br />
Provokationen und einzigartiger Konfrontationen zwischen dem Moderator<br />
und seinen Gästen. Während sie Kritiker als niveaulosen, zotigen und krampfhaft um<br />
Komik bemühten Klamauk abtun, loben Befürworter ihren tabulosen Umgang mit der<br />
Fernsehrealität und deren Protagonisten. Der vorliegende Beitrag versucht auf der Basis<br />
einer analytischen Betrachtung einzelner Sendungselemente, typische Merkmale herauszuarbeiten,<br />
um das spezifische Format der Sendung zu bestimmen. In einer folgenden<br />
mikroanalytisch-gesprächslinguistischen Analyse des Umgangs Raabs mit seinen<br />
Gästen werden zentrale Strategien der Generierung von Komik aufgezeigt. Es wird argumentiert,<br />
dass die Sendung „TV total“ vor allem auf die künstliche Erzeugung unfreiwilliger<br />
Komik als Attraktionsstrategie setzt.<br />
Keywords: Humor, TV-Comedy, Fernsehunterhaltung, Scherzkommunikation, qualitative<br />
<strong>Medien</strong>forschung, Interaktionsforschung, Gesprächsanalyse, TV total, Genreanalyse<br />
1. Einleitung<br />
Obwohl Unterhaltungssendungen den größten Programmanteil ausmachen und zu den<br />
am häufigsten und längsten rezipierten Formaten des Fernsehens gehören (vgl. Gerhards<br />
et al. 2000, Paukens 2000), erfuhr das Phänomen erst seit den 1990er Jahren eine systematische<br />
wissenschaftliche Betrachtung (vgl. Bosshart/Hoffmann-Riem 1994; Roters et<br />
al. 2000). Versuche, sich dem Unterhaltungsphänomen empirisch-analytisch zu nähern,<br />
betonen, dass Unterhaltung <strong>zum</strong>indest als zweiseitiges Phänomen begriffen werden<br />
muss (vgl. etwa Kübler 2000). Unterschieden werden Studien, die<br />
• nach dem Produkt (Form und Inhalt von Unterhaltungssendungen) bzw.<br />
• nach Nutzung und Rezeption (hier v. a. medienpsychologische Studien zur Unterhaltsamkeit<br />
aus Rezipientensicht; vgl. Gleich 1997; Kepplinger/Tullius 1995; zsf.<br />
s. Winterhoff-Spurk 2000 und Vorderer 1996) fragen.<br />
Rezeptionsorientierte Studien kranken häufig daran, dass sie lediglich auf Genreniveau<br />
messen. Berghaus/Staab (1995) geben mit Recht zu bedenken, dass die Beurteilung der<br />
Unterhaltsamkeit einer gesamten Sendung schwierig ist, und fordern: „Was tatsächlich<br />
favorisiert wird bzw. unterhält, sollte daher inhaltlich genauer beschrieben werden“<br />
(ibid., 106). Sollen qualitative Veränderungen innerhalb einzelner Genres festgestellt<br />
werden, so „könnten allein akribische inhaltsanalytische Vergleiche von früheren und<br />
heutigen <strong>Medien</strong>inhalten diese Vermutungen empirisch verifizieren“ (Kübler 2000, 5).<br />
* Der Autor dankt Denise Haddad, Evangelia Rademacher, Stefanie Wehr, Eva Wittenmeier sowie<br />
Steffen Zwiener für ihre Mitwirkung an Durchführung und Auswertung dieser Untersuchung<br />
sowie Prof. Dr. Klaus Neumann-Braun und Dr. Arnulf Deppermann für wertvolle Hinweise.<br />
195
M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />
Humorsendungen sind Genres, deren Ziel darin besteht, den Rezipienten vornehmlich<br />
mit Hilfe von Humor zu unterhalten. Vielerorts wird ein Boom von Comedy-Sendungen<br />
(vgl. Hillenbach 1996; Kübler 2000; Lambernd 1998, 81 ff.; Pätzold/Röper 1999;<br />
Strasser/Graf 2000) und eine verstärkte Verwendung humoristischer Elemente in anderen<br />
medialen Genres (in der Werbung: Erbeldinger/Kochhan 1998; im Film: Goldstein<br />
1994) konstatiert. Qualitativ wird bemerkt, dass Humorkommunikation penetranter,<br />
aggressiver und respektloser geworden sei: „Kaum ein Tabu bleibt unverschont, sei es<br />
religiöser, politischer, moralischer oder erotischer Natur. Eben dieser Tabubruch hat<br />
sich gewissermaßen zu einem Kriterium entwickelt, durch das sich die aktuelle Comedy<br />
<strong>zum</strong> Beispiel vom Kabarett abgrenzt“ (Schumacher/Hammer 2000, 562; s. a. Albert<br />
et al. 1998; Kübler 2000) 1 . Einen besonderen Aufschwung verzeichneten Formate, die<br />
aggressive, unfreiwillige Komik mit „echten“ Menschen in nicht gescripteten Kommunikationssituationen<br />
zu erzeugen versuchen. Prominentestes Beispiel hierfür ist die im<br />
vorliegenden Beitrag näher zu betrachtende Comedy-Show „TV total“.<br />
Obwohl vielfach festgehalten wird, dass Humor ein klassischer und zunehmender Bestandteil<br />
von Unterhaltungssendungen ist, liegen kaum detaillierte Untersuchungen von<br />
Fernsehhumor vor. Existierende Untersuchungen widmen sich vornehmlich den sozialen<br />
Funktionen und Gütekriterien von Humorsendungen aus Zuschauersicht (Gehrau<br />
1996; Grabosch 1996; Lambernd 1998; Schumacher/Hammer 2000; zu sitcoms: Holzer<br />
1994), fragen auf der Basis medienpsychologisch-experimenteller Studien nach Rezeptionsmotivationen<br />
(zur amerikanischen Unterhaltungs- und Humorforschung: Goldstein<br />
1994; Zillmann 1994) oder legen mesotheoretisch ausgerichtete Formatanalysen<br />
(vgl. Neale/Krutnik 1990; Lambernd 1998) vor. Detaillierte (text-)linguistische und<br />
konstitutionslogische Analysen komischer Strategien und Genres sowie insbesondere<br />
Untersuchungen von nicht-fiktionaler, live vor einem Publikum dargebotener, dialogischer<br />
Komik im Fernsehen sind jedoch bisher nicht durchgeführt worden. 2<br />
Diesem Desiderat versucht sich der vorliegende Beitrag, am Beispiel der Comedy-<br />
Show „TV total“ exemplarisch zu widmen. Der Moderator der Sendung, Stefan Raab,<br />
und seine Show „TV total“ können als einschlägigstes Beispiel der oben skizzierten Entwicklungen<br />
der deutschen TV-Comedy gelten: Nicht nur die hohe Zuschauerresonanz<br />
in der begehrten Zielgruppe der 14- bis 29-Jährigen 3 , sondern das Erringen des deutschen<br />
TV-Comedy-Preises sowie die große Beachtung im einschlägigen Feuilleton (vgl.<br />
bspw. Brinkbäumer/Rabsch 2000) sind Indizien für den wegweisenden und kontrovers<br />
diskutierten Charakter der Sendung. Anknüpfend an das oben formulierte Erkenntnisinteresse,<br />
eine gerade wegen ihrer spezifischen Verwendung von Komik umstrittene<br />
Sendung konstitutionsanalytisch zu betrachten, sollen im Folgenden zentrale Strategien<br />
der Humorgenerierung zunächst auf Formatebene herausgearbeitet werden.<br />
Hierzu wurden auf der Basis eines Samples von ca. 30 „TV-total“-Sendungen des Jah-<br />
1 Dass auch Hass als humorgenerierendes Verfahren eingesetzt wird, konnte Neumann-Braun<br />
(i. Dr.) an so genannten Hatepages im Internet zeigen.<br />
2 Fernsehgenres, die den Anspruch erheben, echtes, authentisches Leben zu zeigen, erfuhren im<br />
Zuge der Etablierung so genannter real-people-Formate (vgl. Keppler 1994, 1995; Müller 1995)<br />
wachsende wissenschaftliche Behandlung (vgl. Bente/Fromm 1997 zu Talkshows; Holly/<br />
Schwitalla 1995 zu confrontation-shows; Müller 1999 zu Beziehungsshows; Reichertz 2000 zu<br />
Heiratsshows; Wegener 1994 zu Reality-TV-Formaten; Mikos et al. 2000 und Neumann-<br />
Braun/Schmidt 2000 zu „Big Brother“). Entsprechende Untersuchungen stehen für Comedy-<br />
Formate noch aus.<br />
3 Insgesamt durchschnittlich 3,2 Mio. Zuschauer im Jahr 2000 (vgl. Schumacher/Hammer 2000).<br />
196
Schmidt · Aggressiver Humor in den <strong>Medien</strong><br />
res 2000 charakteristische Elemente der Sendung und ihre typische Abfolge bestimmt<br />
(Kap. 2).<br />
Die sich anschließenden mikroanalytischen Betrachtungen (Kap. 3) basieren auf einem<br />
integrativen Konzept von Gesprächsanalyse (vgl. Deppermann 1999). Innerhalb gesprächslinguistischer<br />
Ansätze wird Humor als interaktives und konversationell hervorgebrachtes<br />
Phänomen begriffen. Im Zentrum stehen damit Rekonstruktionen konversationeller<br />
Strategien der Humorgenerierung, in denen Konzepte wie Beteiligungskonstellation,<br />
Rahmung sowie Beziehungs- und Identitätsaushandlung eine tragende Rolle<br />
spielen (vgl. Kotthoff 1996, 1998; Schütte 1987). Auf der Basis funktionaler Ausdeutungen<br />
der Analyseergebnisse soll darüber hinaus exemplarisch gezeigt werden, dass und<br />
wie in der Sendung „TV total“ aggressiver Humor sowohl gegenüber abwesenden als<br />
auch vor allem gegenüber anwesenden Personen <strong>zum</strong> tragenden Konzept der Sendung<br />
wird.<br />
Als Grundlage für die Charakterisierung von Humor als Aggression kann das Face-<br />
Konzept 4 gelten. Demzufolge greift ein Aggressor das Image (das Face) eines Opfers dadurch<br />
an, dass er diese Person vor anderen (Zeugen) lächerlich macht 5 . Konstitutiv für<br />
das „Lächerlich-Machen“ ist dabei eine durch den Akt des Aggressors exponierte Diskrepanz<br />
zwischen der angestrebten und der tatsächlichen Selbstdarstellung des Opfers,<br />
wobei letztere prinzipiell negativ, d. h. gesichtsverletzende bzw. imagezerstörende Züge<br />
trägt, also Imageaspekte situationell offenbart, die das Opfer zu verdecken trachtete.<br />
Entgegen einer für den Alltag charakteristischen Normalform, nämlich dass Interaktanten<br />
zunächst davon ausgehen, dass das Image des Gegenübers sowie das eigene geschützt<br />
bzw. die rituelle Ordnung gemeinsam aufrechterhalten wird, erscheinen aggressive Formen<br />
des Humors als Abweichung 6 . Ihnen wohnt demzufolge prinzipiell das Potenzial<br />
inne, die Geordnetheit und Erwartbarkeit sozialer Situationen zu irritieren, ohne indes<br />
vollends „auf Konfrontationskurs zu gehen“. Wie dies geschieht und im Rahmen der<br />
Comedy-Show „TV total“ systematisch zur Generierung von Humor eingesetzt wird,<br />
soll im Folgenden an empirischem Material aufgezeigt werden.<br />
4 Goffman betrachtete Interaktionen v.a. hinsichtlich identitärer Aushandlungsprozesse und der<br />
Aufeinanderbezogenheit von Selbstpräsentationen. Das Face kann dabei wie folgt verstanden<br />
werden: „Von einer Person wird gesagt, sie habe ein ,Gesicht‘, wenn ihre Verhaltensstrategie<br />
(,line‘) den Interaktionspartnern ein konsistentes Bild vermittelt“ (Lenz 1991, S. 46 f.) (vgl. weiterführend<br />
Goffman 1971; Holly 1979).<br />
5 Ein am Face-Konzept orientiertes Komik-Modell legt bspw. Brock (1998) seinen Analysen von<br />
Fernsehkomödien zugrunde.<br />
6 Erving Goffman zeigte in seinen Alltagsbeobachtungen an mikroskopischen Details, wie Interaktanten<br />
fortwährend bemüht sind, sich bei der Aufrechterhaltung der jeweiligen Selbstpräsentationen<br />
(„face work“) wechselseitig zu unterstützen, um peinliche Situationen zu vermeiden.<br />
Solche Situationen werden durch in Interaktionen eingebaute Vorsichts- und Vermeidungsmaßnahmen<br />
minimiert (vgl. Goffman 1971, S. 21 ff.) oder – wenn sich ein Regelverstoß nicht<br />
mehr vermeiden oder ignorieren lässt – durch die Einleitung eines „korrektiven Austauschs“<br />
„geheilt“ (vgl. Goffman 1974, S. 138 ff.). An so genannten „Response Cries“ (insbes. „Spill Cries“<br />
wie „hoppla“, vgl. Goffmann 1981, S. 101 ff.) zeigt Goffman, dass das Face bereits bei kleinen<br />
Missgeschicken (etwa Stolpern) Schaden nehmen kann und dass für solche Fälle konventionalisierte<br />
Mittel zur Verfügung stehen (etwa „hoppla“ zu äußern), um die personale Integrität wieder<br />
herzustellen (d. h. Beobachtern zu verdeutlichen, dass es tatsächlich nur ein Missgeschick<br />
war und nicht etwa mangelnde Kompetenz o. ä.). Das Ausbeuten solcher „Sensibilitäten“ und<br />
das Spielen mit Interaktionsregeln und Kommunikationsidealisierungen dienen der hier zu untersuchenden<br />
Fernsehkomik als ständige Quelle des Humors.<br />
197
M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />
2. Die Sendung „TV total“: Rahmen, Ablauf und Charakteristika<br />
2.1 Rahmen der Sendung<br />
Seit März 1999 präsentiert der Sänger, Komponist und TV-Produzent Stefan Raab mit<br />
„TV total“ eine neue Comedy-Show auf Pro Sieben. Gesendet wurde zu diesem Zeitpunkt<br />
einmal wöchentlich montags von 22.15 Uhr bis 23.15 Uhr 7 . Abzüglich der Werbepausen<br />
beläuft sich die Netto-Sendezeit auf ca. 30 Minuten. Die Sendung „TV total“<br />
wurde anfangs von der Brainpool TV AG produziert und spielte der Firma allein im Jahr<br />
2000 zehn Millionen DM Umsatz ein. Hinzu kommen zusätzliche Umsätze durch Merchandising-Artikel<br />
(etwa Tonträger, Videospiele, Bücher und eine eigene „TV total“-<br />
Zeitschrift) und durch die Website 8 in Millionenhöhe. Heute wird die Sendung durch<br />
die Raab TV GmbH getragen, einem Joint Venture zwischen Stefan Raab und Brainpool<br />
(jeweils hälftige Anteilseigner), die einen Vertrag mit dem Fernsehsender Pro Sieben bis<br />
2004 hält. Das Fundament der Raabschen „Gag-Fabrik“ bilden ca. 15 Studenten, die für<br />
15 DM die Stunde Mitschnitte aus dem alltäglichen Fernsehalltag sichten und abstruse<br />
Ausschnitte auf Videokassetten festhalten, sowie Techniker und Texter, die dieses<br />
„Fernseh-Rohmaterial“ selektieren und zu präsentablen Gags weiterverarbeiten.<br />
Bei „TV total“ handelt es sich um einen Genre-Mix, d.h. die Sendung kann nicht eindeutig<br />
einem konkreten Humor- oder Show-Genre zugeordnet werden. Die verschiedenen<br />
Genres und deren Elemente, die die Show verbinden, sollen im Weiteren aufgezeigt<br />
werden. Aufhänger und damit roter Faden der Sendung ist die Präsentation von<br />
„Pannen“ aus der aktuellen Fernsehwoche. Darüber hinaus präsentiert Stefan Raab<br />
Außenreportagen, lädt Gäste ins Studio ein und verleiht einen speziellen Fernsehpreis,<br />
den so genannten „Raab der Woche“. Seine Gäste sind i. d. R. durch ihr Verhalten im<br />
Fernsehen in irgendeiner Weise besonders aufgefallen: Jemand war in einer Talkshow<br />
besonders hitzig, gab die dümmste Antwort bei einer Gameshow oder spielte einen besonders<br />
lächerlichen Part in einem Werbespot. Wer von den eingeladenen Gästen den<br />
„Raab der Woche“ mit nach Hause nimmt, entscheidet das Studiopublikum. Die Show<br />
hat einen halb- und quasi-live Charakter, d.h. die Talks mit den Gästen finden live vor<br />
einem Studiopublikum statt, daneben gibt es jedoch auch vorproduzierte Teile, die<br />
während der Sendung eingespielt werden (MAZ-Aufzeichnungen). Darüber hinaus wird<br />
die Sendung am frühen Abend aufgezeichnet und abends gesendet. Die Kulisse der Show<br />
ist immer die Gleiche: Gesendet und aufgezeichnet wird im Kölner Studio, das aus einem<br />
Zuschauerraum (Platz für ca. 120 Personen), einer kleinen bühnenartigen Freifläche<br />
und einer Sitzecke mit Moderations-Tisch und Zweisitzercouch für die Gäste besteht.<br />
Das Publikum hat einen Abstand von ca. vier Metern <strong>zum</strong> Sitzplatz des Moderators 9 .<br />
7 Seit Januar 2001 wird die Sendung – aufgrund ihres großen Erfolgs – viermal wöchentlich ausgestrahlt.<br />
Der Charakter der Sendung änderte sich seit dieser Umstellung (etwa werden nun<br />
auch häufiger Prominente in affirmativer Intention eingeladen (etwa Popstars wie „Pink“ oder<br />
Viva-Moderatoren und -moderatorinnen), was die Sendung in die Nähe zu Light-Night-Talks<br />
rückt; darüber hinaus wurde die Show um einige Elemente erweitert, etwa eine Live-Kapelle,<br />
Showpraktikant „Elton“ u.v.m.). Auf diese Phase der Entwicklung wird im vorliegenden Artikel<br />
jedoch nicht eingegangen.<br />
8 Die „TV total-Website“ mit der URL www.tvtotal.de wurde preisgekrönt und konnte im Jahr<br />
2000 im Monat durchschnittlich 12 Millionen „Page Impressions“ vorweisen.<br />
9 Die Informationen zu den Produktionsbedingungen der Sendung stammen vornehmlich aus<br />
198
Schmidt · Aggressiver Humor in den <strong>Medien</strong><br />
• Moderator der Sendung: Stefan Raab moderiert die Sendung „TV total“ seit dem<br />
8. März 1999. Er hat die Sendung selbst konzipiert. Bekannt ist er als Musiker, Entertainer,<br />
Produzent, Komponist und Komiker. Vor „TV total“ moderierte er die Sendung<br />
„Vivasion“, in der er launige Straßenumfragen machte und „schräge“ Interviews<br />
gab. Nach Beginn der Sendung „TV total“ steigerte er seinen Bekanntheitsgrad<br />
durch „Blödelsongs“ wie „Ö la Palöma“ und „Maschendrahtzaun“, die er im Rahmen<br />
seiner Sendung entwickelte. Im Jahr 2000 nahm er am Grand Prix d’Eurovision<br />
de la Chanson mit seinem Song „Wadde hadde dudde da?“ teil.<br />
• Titel der Sendung: Der Titel der Sendung („TV total“) korrespondiert mit Stil und<br />
Inhalt des Formats: Im Zentrum stehen TV-Ereignisse und ihre Protagonisten, mit<br />
denen Raab suggeriert, sich „total“ i. S. v. vollständig, restlos und gänzlich, aber auch<br />
i. S. v.„aufklärerisch“ 10 und respektlos zu beschäftigen.<br />
• Sponsorentrailer: Die Firma Diebels (Biermarke) ist Sponsor der Sendung. Zu Beginn<br />
von „TV total“ wird ein Trailer gezeigt, in dem eine volle Kneipe biertrinkender Menschen<br />
zu sehen ist. Nach der Einblendung des Fernsehgerätes, das dort an der Decke<br />
angebracht ist und dem Erscheinen des „TV total“-Logos, bricht die rege Unterhaltung<br />
der Gäste abrupt ab und die nun beginnende Comedy-Show „TV total“ steht<br />
im Zentrum des Interesses. Damit wird auf die Zielgruppe der Sendung sowie auf eine<br />
– aus medienökonomischer Perspektive – ideale Rezeptionssituation verwiesen: Junge<br />
und erfolgreiche Menschen in geselliger, aufgelockerter Runde, die zu einer festgelegten<br />
Zeit „TV total“ als gemeinsamen Aufmerksamkeitsfokus etablieren. Darüber<br />
hinaus lässt sich in einer solchen Selbstpräsentation der Sendung als Interessensmittelpunkt<br />
unter jungen Leuten bereits eine Inszenierung als Kultsendung erahnen.<br />
• Titel-Vorspann: Der Titeltrailer ermöglicht es, die Show zu identifizieren. Es werden<br />
zwei sich drehende Fernseher (computeranimierte Zeichnung) gezeigt, auf denen das<br />
Testbild verkleinert senkrecht und horizontal laufend erscheint. Im Hintergrund der<br />
ganzen Bildschirmgröße ist der lachende Moderator Stefan Raab erst in blauem Farbton,<br />
dann in gelb als Abgrenzung erkennbar. Währenddessen wird der Schriftzug:<br />
„TV total“, verschiedene Schriftgrößen durchlaufend, in der Mitte des Bildschirms<br />
eingeblendet. Es folgt nun die Großeinblendung eines Fernsehgerätes, aus dessen beiden<br />
oberen Ecken zwei Hörner wachsen und in dessen Bildschirm das „TV total“-<br />
folgenden Quellen: Brors 2001, Brinkbäumer/Rabsch 2000, Genrich 2000, Lüke 2000, Niggemeier<br />
2001.<br />
10 Der Gestus, in denen Raab seine Ausschnitte präsentiert, erfolgt häufig in Formeln von aufklärerischem<br />
oder kulturkritischem Journalismus. Mit Einleitungen wie „Meine Damen und Herren,<br />
schauen sie sich das bitte mal an“ im Verein mit dem Aufruf zur kollektiven Beurteilung<br />
(etwa durch die „Pfui-Kelle“; s.u.) inszeniert er sich spielerisch als Sitten- und <strong>Medien</strong>wächter<br />
(s. auch unten seine Einleitung im Gesprächsausschnitt „Bettina Stark“). Insgesamt versucht er<br />
dadurch, augenzwinkernd den Eindruck zu erwecken, er und seine Sendung seien bemüht,<br />
Qualitätsstandards im Fernsehen zu kontrollieren (besonders deutlich wird dies an der Auswahl<br />
der Ausschnitte: Häufig sind es Szenen aus den Billigproduktionen des Privatfernsehens (etwa<br />
Daily-Talks oder Real-People-Formate wie „Girlscamp“), die als niveaulos und schlecht moderiert<br />
verunglimpft werden, oder aber Ausschnitte aus den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten,<br />
die wegen ihres biederen und hausbackenen Daherkommens lächerlich gemacht werden).<br />
Humor entsteht nicht zuletzt auch durch die erzeugte Inkongruenz – sprich durch die Vorstellung,<br />
dass gerade der „Blödelbarde“ Stefan Raab und seine „Klamauk-Sendung“ „TV total“ moralische<br />
und qualitative Ansprüche formulieren, wo es doch offensichtlich lediglich darum geht,<br />
etwas oder jemanden auszulachen.<br />
199
M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />
Logo erscheint. Im Hintergrund ist eine computeranimierte Stimme zu hören, die<br />
einleitend „Herzlich Willkommen zu ,TV total‘“ sagt. Eine weitere Stimme verweist<br />
auf das Kommende: „Und hier ist wieder ihr Gastgeber Stefan Raab“. Durch das<br />
„wieder“ wird die Sendung als seriell ausgewiesen. Das Sinnbild der „gehörnten“<br />
Fernseher verweist nicht nur auf den satirischen Inhalt, sondern auch auf das Objekt<br />
der Satire: das Fernsehen. Diese Zentrierung auf das Medium Fernsehen steigert sich<br />
noch dadurch, dass nahezu alle zentralen Symbole dem Bedeutungsraum der Fernsehunterhaltung<br />
entlehnt sind (etwa das Testbild, ,TV‘ im Titel der Sendung, der lachende<br />
Moderator, der Bildschirm als Pars pro toto etc.).<br />
• Eröffnung: In genretypischer Manier eröffnet der Moderator die Show meist mit einem<br />
Running-Gag, etwa mit einem Purzelbaum oder einer ritualisierten Wendung<br />
wie: „Meine Damen und Herren, wir haben doch keine Zeit“, womit Kontinuität und<br />
ein Wiedererkennungseffekt hergestellt und der Einstieg in das Format der Comedy-<br />
Show geleistet wird. Im Anschluss leitet er <strong>zum</strong> zentralen Thema der Show über, indem<br />
er i. d. R. auf die letzte Fernsehwoche verweist, in der „wie immer viel passiert<br />
ist“.<br />
2.2 Klassischer Show-Teil 11<br />
• Stand-Up-Comedy 12 : Es folgt der Stand-up-Comedy-Teil der Show, in dem Stefan<br />
Raab Ausschnitte aus der letzten Fernsehwoche zeigt und kommentiert. Inhaltlich<br />
handelt es sich um peinliche Ereignisse aus anderen Sendungen, die jedoch häufig erst<br />
durch Fokussierungen, Wiederholungen und Dekontextualisierungen komisches Potenzial<br />
entfalten. Raab verwendet an dieser Stelle eine Fülle von Strategien zur Erzeugung<br />
von Spektakulärem, so u. a. Äußerungen wie: „Wir wären nicht ,TV total‘,<br />
wenn wir Ihnen das vorenthalten würden“ u. v. m. Mit solchen und ähnlichen Äußerungen<br />
und Rahmungsstrategien gibt sich Raab bzw. seiner Sendung spielerisch den<br />
Anstrich einer um Aufklärung und Aufdeckung von Skandalen bemühten Instanz.<br />
Dadurch verweist er immer wieder auf das Image der Sendung, alles, sei es noch so<br />
abstrus, peinlich und eklig, zu präsentieren (vorzuführen). Raab arbeitet damit an der<br />
Etablierung eines Markenzeichens: einem tabu- und respektlosen Umgang mit dem<br />
Medium Fernsehen und seinen Protagonisten 13 .<br />
• Performance am Schreibtisch: Nach dem Stand-up-Comedy-Teil folgt die Performance<br />
am Schreibtisch. Hier referiert Raab das Wochengeschehen auf breiterer Ba-<br />
11 Beide Teile erinnern formal an die Late-Night-Shows nach US-amerikanischem Vorbild (etwa<br />
Letterman, adaptiert durch Harald Schmidt in Deutschland; vgl. Neale/Krutnik 1990).<br />
12 Hierunter ist eine in den frühen 1990er Jahren entstandene Form der live- oder Bühnen-Comedy<br />
zu verstehen, in der ein Alleinunterhalter (Stand-up-Comedian) scheinbar aus dem Stegreif<br />
und ohne Hilfsmittel über die Thematisierung alltäglicher Belange Komik erzeugt. Diese<br />
Form der Comedy erlebte in den 1990er Jahren einen Boom, wohl auch wegen ihrer Fernsehgängigkeit<br />
und dem rasanten, z. T. tabulosen und vulgären Stil. Typische Vertreter sind etwa<br />
Michael Mittermeier oder Ingo Appelt.<br />
13 Prototypisch für diese Strategie sind die z. T. Wochen andauernden Versuche, traditionelle<br />
Fernsehgrößen wie Heiner Bremer, Karl Moik oder Rudi Carell live vor die Kamera oder sogar<br />
in die Sendung zu bekommen. Vorläufer dieser intensiven Beschäftigung mit dem Fernsehgeschehen<br />
waren Sendungen wie „Kalkofes Mattscheibe“ oder „RTL Samstag Nacht“, in denen<br />
die persiflierten Personen jedoch nie live in die Sendung eingeladen wurden und damit eine direkte<br />
Konfrontation mit den diskreditierten Opfern ausblieb.<br />
200
Schmidt · Aggressiver Humor in den <strong>Medien</strong><br />
sis (d. h. er bezieht sich nicht nur auf TV-Ereignisse). Es werden wie zuvor Patzer,<br />
Pannen und Abstruses vorgestellt, allerdings verwendet Raab hier sowohl vorproduzierte<br />
MAZ-Einblendungen als auch andere <strong>Medien</strong> (etwa Zeitschriften). Der<br />
Schreibtisch bietet vielfältige Möglichkeiten: Einblendungen laufen über einen im<br />
Schreibtisch integrierten Monitor (mit dem Raab auf vielfältige Weise „interagiert“),<br />
und fertige Kommentare können mit Hilfe von Knöpfen und Kellen (s. u.) erzeugt<br />
werden. Zwischendurch überrascht Raab durch das plötzliche Einbringen neuer Elemente,<br />
etwa „Stefan beantwortet Kinderfragen“ oder „Randgruppenwitze – an der<br />
Randgruppe selbst getestet“.<br />
2.3 Feste Rubriken<br />
• Raab in Gefahr: Nach Einspielung des Trailers von „Raab in Gefahr“, in dem Flugzeuge<br />
abstürzen und andere Katastrophen gezeigt werden, untermalt von reißerischer<br />
Musik, erscheint der Moderator, der Außenreportagen durchführt und dadurch<br />
in vermeintliche Gefahren gerät. Er wagt sich z. B. in einen traditionellen Damenkegelclub,<br />
besucht eine Pudelausstellung oder spielt den Drive-In-Kunden bei McDonalds<br />
einen Streich. Die Funktion und Quelle der Komik ist, dass Leute im Alltag mit<br />
ungewöhnlichen Situationen konfrontiert werden.<br />
• Schocker der Woche: Die Schocker der Woche bewegen sich meist im Referenzbereich<br />
von Tabu und Sexualität. Die Ausschnitte werden jeweils nach einem gesonderten<br />
Trailer (grüne, gallertartige Masse läuft den Bildschirm herunter, man hört<br />
eine Frau in thrillertypischer Manier aufschreien) auf dem Monitor am Schreibtisch<br />
eingeblendet. Es handelt sich auch hierbei um Einspielungen meist anderer TV-Sender.<br />
Die Reaktion des Moderators Raab und des Publikums erfolgt <strong>zum</strong> Teil über<br />
Kellen (s. u.). Die humoristische Qualität dieses Sendungselements liegt <strong>zum</strong> einen in<br />
der Abseitigkeit und dem Ekel hervorrufenden Inhalt der gezeigten Ausschnitte, womit<br />
<strong>zum</strong> anderen durch die Re-De-Kontextualisierung im Rahmen einer Comedy-<br />
Show ein absurdisierender Effekt erzielt wird. Spaß entsteht sowohl durch den Tabubruch<br />
als auch durch wohliges Schaudern und das Weiden am Elend anderer, was<br />
durch die jeweiligen Ausschnitte evoziert wird 14 .<br />
2.4 Besondere Kommunikationsformen<br />
• Knöpfe: Bei den Knöpfen handelt es sich um insgesamt zwei rote und acht weiße<br />
Knöpfe, die in den Tisch, an dem Stefan Raab die meiste Zeit der Sendung sitzt, integriert<br />
sind. Durch Drücken der einzelnen Knöpfe erfolgen kurze Einspielungen, die<br />
der Moderator zu einem vorherigen Zeitpunkt eingeführt hat. Meist handelt es sich<br />
um kurze Statements prominenter Personen, die auf eine bestimmte Art komisch<br />
wirken (häufig handelt es sich um Fehltritte Prominenter in der Öffentlichkeit, um<br />
Versprecher und Formulierungsunsicherheiten oder um unlogisch bis skurrile Aussagen).<br />
Die Einspielungen werden die ganze Sendung über als Running Gags und zur<br />
Kommentierung verschiedenster Kommunikationssituationen vom Moderator ge-<br />
14 Als typische Ausschnitte der Kategorie „Schocker der Woche“ fungieren bspw. explizite<br />
und/oder abweichende Darstellungen von Sexualität, Operationen und Körperfunktionen bei<br />
Menschen und Tieren, drastische Unfälle und Verletzungen sowie alle Arten von mangelnder<br />
Körperkontrolle und Hygiene.<br />
201
M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />
nutzt. Sie dienen damit auch als formelhaftes Gag-Repertoire in der Interaktion zwischen<br />
Moderator und Studiopublikum bzw. zwischen ihm und seinen Gästen. Komik<br />
entsteht vor allem durch den kreativen Einsatz dieser immer wieder gleichen<br />
Versatzstücke in verschiedenen Situationen.<br />
• Kellen: Die Kellen sind ebenfalls in den Tisch des Moderators eingebaut und können<br />
per Hebelfunktion betätigt werden. Auf der grünen Kelle steht „Respekt“ mit den<br />
möglichen Erweiterungen „Mein Lieber“ und „Herr Gesangsverein“. Es gibt eine<br />
weitere gelbe Kelle mit der Aufschrift „Pfui“ und den möglichen Erweiterungen „Extra“<br />
und „Gold“. Mit jeder Steigerung verkleinert sich der Durchmesser der Kellen.<br />
Die Kellen dienen vornehmlich der Kommentierung und Beurteilung gezeigter<br />
MAZ-Einspielungen und werden auch vom Publikum mit in die Sendung gebracht.<br />
Auf diese Weise hat sich eine „TV total“-typische Form der Kommentierung entwickelt.<br />
Der Erfolg des Vertriebs der aufblasbaren Kellen als Merchandisingprodukte<br />
zeigt sich bei den Publikumseinblendungen. Neben dem Aspekt der Publikumsbeteiligung<br />
trägt v. a. die Form der ironischen Bewertung („Respekt“ für besonders<br />
drastische Fehltritte) bzw. die augenzwinkernd moralisch-infantile Bewertung<br />
(„Pfui“) zur Erzeugung von Humor bei.<br />
• Pulleralarm: Der Pulleralarm fällt unter die Rubrik der Knöpfe, hat jedoch einen gesonderten<br />
Platz auf Stefan Raabs Tisch und fällt durch seine Größe auf. Bei Betätigung<br />
ertönt ein Alarmsignal, eine drehende rote Leuchte geht in Betrieb und das Studiolicht<br />
verdunkelt und erhellt sich abwechselnd. Die Wirkung wird durch anhaltendes<br />
Stampfen, Schreien und lautes Applaudieren des Publikums verstärkt. Der<br />
Pulleralarm wird i. d. R. als Reaktion auf sexuell ausgerichtete Bilder oder Äußerungen<br />
in den Einspielungen, Stefan Raabs aber auch der Gäste verwendet.<br />
2.5 Raab der Woche<br />
• Hintergrund des Raabschen TV-Preises: Beim „Raab der Woche“ handelt es sich um<br />
einen Fernsehpreis, vom Moderator auch als Sympathiepreis bezeichnet, der für besondere<br />
Leistungen im TV vergeben wird. Es handelt sich um einen goldfarbenen Pokal,<br />
der einen nackten, knienden Athleten, welcher einen Fernseher auf den Schultern<br />
trägt, zeigt. Er wird an einen der drei eingeladenen Studiogäste für den auffälligsten<br />
und komischsten Auftritt der Fernsehwoche verliehen. Der Gewinner des Preises<br />
wird vom Publikum per Knopfdruck ausgewählt.<br />
• „Raab der Woche“-MAZ: Die „Raab der Woche“-Gäste werden eingeführt durch<br />
eine MAZ, in der der Nominierungsgrund gezeigt und erläutert wird. Der Moderator<br />
verwendet zur Einführung der Nominierungen meist hyperbolische Äußerungen<br />
wie: „Im Super-Nachrichtensender N24 gesehen“ oder „Spektakulärste Gesangsnummer,<br />
nie da gewesen“ etc. Hierbei zeigt sich, dass Raab durch die Verwendung<br />
eines hyperbolischen Stils mehrdeutige und ambivalente Bewertungen evoziert. Bei<br />
den Ausschnitten handelt es sich meist um Nichtigkeiten, die durch die Rahmung des<br />
Moderators als sehenswert und komisch im Sinne einer Blamage aufgewertet werden.<br />
Insofern kann der „Raab der Woche“ auch als Negativ- oder Anti-Preis bezeichnet<br />
werden. Raab betreibt hier eine spielerische Umdeutung eigentlicher Preisverleihungszeremonien.<br />
• Gäste-Talk: In die Sendung werden i. d. R. drei Personen eingeladen, die vom Moderator<br />
in der jeweiligen Sendung für den „Raab der Woche“ nominiert werden. Es<br />
handelt sich hierbei entweder um prominente Personen aus dem Fernsehen oder um<br />
Personen aus dem Alltag, die beispielsweise in einer Talkshow aufgefallen sind, da sie<br />
202
Schmidt · Aggressiver Humor in den <strong>Medien</strong><br />
vom „Normalen“ oder Erwartbaren abwichen. Sie müssen keine besondere Leistung<br />
etwa sportlicher oder künstlerischer Art vollbracht haben, sondern als Protagonisten<br />
einer unfreiwillig komischen Szene im Fernsehen aufgefallen sein. Raab stilisiert die<br />
Auftritte seiner Gäste i. d. R. als etwas Spektakuläres. Er präsentiert sie zunächst im<br />
ursprünglichen Kontext (meist eine andere Fernsehsendung), bevor er sie live ins Studio<br />
bittet. Durch die Duplikation des Auftritts wird die Blamage und damit der Vorführcharakter<br />
intensiviert. Während der Unterhaltung, die nun folgt, stellen die Gäste<br />
entweder ihr „Können“ nochmals unter Beweis oder arbeiten sich an ihrem fokussierten<br />
Fehlverhalten mit dem Versuch ab, sich nicht noch lächerlicher zu machen.<br />
Häufig handelt es sich um Milieupersiflagen bzw. Realsatiren: Die Gäste werden in<br />
der Hoffnung eingeladen, sich aufgrund ihrer Verschrobenheit, Unerfahrenheit etc.<br />
selbst zu diskreditieren. Der Unterschied zwischen Prominenten- und „Alltags“-<br />
Gästen liegt in deren Wissen, wie mit einer solchen Situation umzugehen ist (s. Abschnitt<br />
3.2.4).<br />
2.6 Publikum<br />
Im Studio des Theaters am Rudolfplatz in Köln ist Platz für insgesamt 120 Studiogäste.<br />
Die Zeitschrift „TV Movie“ hat nach Umfragen festgestellt, dass „TV total“ die teuersten<br />
Kartenpreise verlangt und die längsten Wartezeiten hat. Das Studiopublikum ist <strong>zum</strong><br />
Teil sehr stark an der Sendung beteiligt. Während der Gespräche mit den Gästen reagiert<br />
das Publikum auffallend häufig mit Applaus und greift durch Zwischenrufe und -reaktionen<br />
unkonventionell in die Kommunikation zwischen den Gästen und dem Moderator<br />
ein. Auch der Moderator wird <strong>zum</strong> Teil durch Einzelne im Publikum direkt angesprochen<br />
oder zu etwas aufgefordert. Die Herstellung von „Sehenswertem“ wird so<br />
auch durch ein interaktives Publikum begünstigt.<br />
2.7 Zwischenfazit: Charakteristika der Sendung „TV total“<br />
Im Gegensatz zu anderen Comedy-Formaten 15 fällt auf, dass innerhalb der Sendung<br />
„TV total“ eine enorme Vielfalt an humoristischen Kommunikaten offeriert wird: Neben<br />
klassischen Stand-up-Comedy-Teilen gehören sketchartige Kurzreportagen, Gewinnspiele<br />
mit Zuschauern, an „Pleiten, Pech und Pannen“ angelehnte Einspielungen,<br />
scherzhafte Außenreportagen mit Live-Charakter und Prominenten gewidmete Ständchen<br />
(das „Rabigramm“) ebenso <strong>zum</strong> Repertoire der Sendung wie Live-Auftritte des<br />
Moderators oder seiner Gäste, Gespräche mit seinen Gästen sowie unzählige Specials<br />
(erinnert sei hier an Events wie den Boxkampf gegen Regina Halmich). Formal kann<br />
„TV total“ damit als hybrides Show-Format bezeichnet werden, das unterschiedlichste<br />
erfolgreiche Formen von TV-Unterhaltung und -Humor miteinander verbindet. Inhaltlich<br />
und stilistisch knüpft „TV total“ an Formate an, die den respektlosen Umgang<br />
mit dem Medium „Fernsehen“ in den Mittelpunkt der Sendung stellten. Während sich<br />
solche Sendungen (etwa „Kalkofes Mattscheibe“/Premiere oder „Switch“/Pro Sieben,<br />
z. T. auch „RTL-Samstag Nacht“/RTL sowie „Die Wochenshow“/Sat.1) bezüglich der<br />
15 Zu nennen wären hier v.a. die rein fiktionalen sitcoms (etwa „Die Camper“), Sketch-, Stand-upund<br />
Kabarett-Formate mit Live-Charakter (etwa „7 Tage, 7 Köpfe“, „Quatsch-Comedy-Club“<br />
oder „Scheibenwischer“), vorproduzierte Sketch-Paraden (etwa „Switch“) sowie Comedy-<br />
Talk-Shows (etwa „Die Harald Schmidt Show“).<br />
203
M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />
Thematisierungen des Fernsehens in Parodien erschöpften 16 , geht „TV total“ dahingehend<br />
über solche Formate hinaus, dass <strong>zum</strong> einen sehr heterogene Elemente in die Sendung<br />
integriert sind (s. o.) und <strong>zum</strong> anderen der Moderator sich live mit den Objekten<br />
seines Spotts konfrontiert. Insgesamt versteht es „TV total“, sich in einer unverwechselbaren<br />
Art und Weise zu präsentieren: schnell, bunt, überraschend und respektlos.<br />
Symptomatisch hierfür ist, dass ein Großteil der Sendung aus ankündigenden Trailern<br />
besteht, in denen der Zuschauer mit immer neuen und spektakulären Ereignissen in folgenden<br />
Sendungen konfrontiert wird. Die so betriebene Event-Inszenierung und das intensive<br />
Marketing, das Raab dadurch betreibt, haben einen doppelten synergetischen Effekt:<br />
Produkte und Sendung bewerben sich gegenseitig. Das Produkt wird in der Sendung<br />
eingeführt und der „Hype“ um das Produkt animiert, die Sendung einzuschalten 17 .<br />
Nicht zuletzt wegen Produkten wie „Maschendrahtzaun“, „Wadde hadde dudde da?“<br />
„Hol mer noch ne Flasche Bier“ oder „Wir kiffen“ 18 avancierte die Sendung <strong>zum</strong> „Kultformat“<br />
(s. Resümee).<br />
Dem intendierten Charakter der Sendung entsprechend, steht das Gespräch mit seinen<br />
Gästen im Mittelpunkt, bei dem es sich um nicht vorproduzierte und damit nicht<br />
fiktionale, in diesem Sinne also echte und kontingente Interaktionssituationen handelt.<br />
Wie solche auf nicht kalkulierbaren Reaktionen basierende und damit zukunftsoffene<br />
Situationen durch den Moderator ausgenutzt werden, um „TV total“-typische Komik<br />
zu erzeugen, soll im Folgenden anhand zweier Gesprächsausschnitte aus einer „TV total“-Sendung<br />
nachgezeichnet werden.<br />
3. Analyse zweier Gesprächspassagen<br />
Bearbeitet werden zwei Ausschnitte aus einer „TV total“-Sendung vom Herbst 2000.<br />
Die Personen, die in dieser Sendung als Nominierte eingeladen wurden, traten in folgender<br />
Reihenfolge auf: Bettina Stark, Ali, Zlatko. Die folgende Betrachtung beschränkt<br />
sich auf die beiden ersten Gäste, wobei mit Ali begonnen wird. Der Materialselektion<br />
lagen dabei folgende Überlegungen zugrunde: Der umfangreiche Datenpool von „TV<br />
total“-Sendungen bzw. die dort regelmäßig stattfindenden Gästetalks wurden zunächst<br />
grob gesichtet. Auf der Basis dieser Sichtung wurden Arbeitshypothesen zur Art und<br />
Weise des verwendeten Humors gebildet, woraufhin die Sendungen erneut durchgeschaut<br />
wurden. Eine zentrale These, die sich heraus zu kristallisieren begann, nämlich<br />
dass Raab vornehmlich auf das „Lächerlich-Machen“ seiner Gäste als Prinzip der Humorerzeugung<br />
setzt, gab schließlich den Ausschlag für die endgültige Selektionsentscheidung:<br />
Die Ausschnitte „Bettina Stark“ und „Ali“ repräsentieren in prototypischer<br />
Weise die basale Humorkonzeption der Sendung und v.a. den Umgang mit den eingeladenen<br />
Gästen 19 . Hinzu kommt, dass Raabs Strategien insbesondere bei medienuner-<br />
16 „Kalkofes Mattscheibe“ und „Switch“ sind inhaltlich reine TV-Parodien, wogegen „RTL-<br />
Samstag Nacht“ und „Die Wochenshow“ als Sketch-Paraden mit Stand-up-Comedy-Anteilen<br />
sowie einem hohen Anteil an TV-Parodien (erinnert sei an Anke Engelke’s Ricky-Parodien<br />
(„Rickys Pop-Sofa“) oder Esther Schweins’ Verona Feldbusch-Parodien) gelten können.<br />
17 Dieser Kreislauf ließe sich an der Vermarktung des Produktes „Maschendrahtzaun“ gut verdeutlichen.<br />
18 Allesamt CD-Produktionen, die Stefan Raab selbst produzierte und erfolgreich vertrieb.<br />
19 Der Einstieg in mikroanalytisches Arbeiten bringt es immer mit sich, Selektionsentscheidungen<br />
auf der Basis einer nur groben Kenntnis des Materials zu treffen. Da sich die vorliegende Arbeit<br />
in den Anfängen befindet, wurden Passagen ausgewählt, die in direktem Bezug zu den primären<br />
204
Schmidt · Aggressiver Humor in den <strong>Medien</strong><br />
fahrenen Gästen <strong>zum</strong> Tragen kommen (s. 3.2.4) und dort gewissermaßen in „Reinform“<br />
erfasst werden können. Der Umgang mit <strong>Medien</strong>profis und solchen, die sich auf dem<br />
Wege dorthin befinden (wie zu diesem Zeitpunkt etwa Zlatko), muss als abgeleitete und<br />
komplexere Strategie begriffen werden, weswegen solche Fälle zunächst ausgeblendet<br />
blieben 20 .<br />
3.1 „Ali“<br />
Der zweite Gast in der gewählten Sendung ist ein türkischer Junge namens Ali (ca. 15<br />
Jahre alt). Der Rahmung von „TV total“ zufolge ist Ali „Titelverteidiger“ des Raabschen<br />
Preises der Vorwoche; er ist also bereits <strong>zum</strong> zweiten Mal Gast in der Sendung. Der<br />
Grund für Alis Nominierung in der letzten Sendung war sein Auftritt in der Nachmittags-Talkshow<br />
„Vera am Mittag“. Er wurde nominiert, weil er in dieser Talkshow der<br />
Moderatorin „Vera“ ein Liebeslied sang. Aufgrund der Publikumsreaktionen bei der<br />
Ankündigung Alis (frenetischer Applaus, Johlen, Lachen) ist davon auszugehen, dass er<br />
in der letzten Sendung einen bleibenden Eindruck hinterließ bzw. sein Auftritt besonders<br />
unterhaltend war.<br />
3.1.1 Formen der Humoretablierung/-initiierung<br />
• Ankündigung des Gastes, Beispiel 1: „Herzlich willkommen Ali!“ 21<br />
1 SR: DESwegen ist Ali auch HEUte WIEDER bei uns um seinen<br />
2 titel gegen HARte konkurrenz zu verteidigen; meine<br />
3 damen und herren-(.)ALI-<br />
4 XP: ((schreit, klatscht, jemand hält Al(d)i-Tüte hoch))<br />
5 SR: HALLO ALI(—)herzlich willkommen-<br />
6 XP: <br />
7 SR: nimm platz;<br />
Einleitend erinnert der Moderator an den Gewinner des „Raabs der Woche“ der vorigen<br />
Sendung („letzte Woche hier sensationell gewonnen“) und weist mit ironischer Geste<br />
auf den Verdienst des Angekündigten hin („mit seinem perfekten Auftritt“). Das Publikum<br />
applaudiert und lacht, einige brüllen: „Ali“. Man weiß also bereits, was kommen<br />
wird.<br />
Untersuchungsfragen standen (aggressiver Humor) bzw. besonders klare Fälle für das fokussierte<br />
Phänomen zu sein schienen (vgl. Deppermann 1999, S. 36). Auf der Basis der Auswahl<br />
und Analyse (vermeintlich) typischer Fälle sollten dann im Laufe der fortschreitenden Forschung<br />
weitere, v.a. kontrastive Fallbetrachtungen erfolgen, die die ersten Erkenntnisse modifizieren<br />
und differenzieren (vgl. Deppermann 1999, S. 94 ff.).<br />
20 Die These, die sich dahinter verbirgt, lässt sich auf die Formel bringen: Je mediengewandter und<br />
der anvisierten Zielgruppe näher stehender die eingeladene Person ist, desto aufwändiger gestaltet<br />
es sich für den Moderator, mittels des „Lächerlich-Machens“ der Person, Humor zu erzeugen<br />
und desto komplexer und subtiler müssen die (Gesprächs-)Strategien sein, dieses Ziel zu<br />
erreichen.<br />
21 Die Kürzel in den Transkripten sind wie folgt zu lesen: SR: Stefan Raab, XP: unbestimmte Menge<br />
an Personen im Publikum, XM/W: eine männliche oder weibliche Person im Publikum, AL:<br />
Ali, BS: Bettina Stark.<br />
205
M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />
Marktschreierisch kündigt Raab an, dass Ali auch an diesem Abend wieder in der Sendung<br />
(„bei uns“; Z1) ist, um den Titel gegen „harte Konkurrenz“ (Z2) zu verteidigen. Er<br />
spricht vom „Raab der Woche“ als handele es sich um einen schwer zu erringenden<br />
Sportpreis, den es gegen ernst zu nehmende Gegner zu verteidigen gelte. Insgesamt bewegt<br />
er sich durch solch übertrieben positive Bewertungen in einer unernsten, ironischen<br />
Modalität.<br />
• Auftritt des Gastes, Beispiel 2: „Was ist nach der letzten Sendung bei dir passiert?“<br />
8 SR: Ou da hast du ja auch schon einen eeh einen<br />
9 GROßen haufen von fans,<br />
10 AL: ganz genau,<br />
11 SR: was ist [nach der sen was ist nach der letzten]<br />
12 XP: [ahahahahaha huhuhhahaha]<br />
13 SR: [sendung nach der letzten sendung]<br />
14 XP: [hahaha hahahahahahahahahahahaha]<br />
15 SR: bei dir passiert? viele briefe bekommen?<br />
16 AL: viele tele em ANrufer ham angerufen-<br />
17 XP: []<br />
18 SR: [ja:]<br />
Bereits das Betreten der Bühne durch Ali quittiert das Publikum mit ungewöhnlich expressiven<br />
Reaktionen. Der angekündigte Gast „Ali“ geriert sich als Star: Er läuft beschwingt<br />
und lachend herein, winkt, dreht sich mehrmals <strong>zum</strong> Publikum um, verbeugt<br />
sich zwei Mal mit ausgebreiteten Armen und wirft dabei Kusshände ins Publikum. Die<br />
Handküsse und Verbeugungen erinnern an Zirkus- oder Varietekünstler und sind als<br />
Gesten des Dankes und der Ehrerbietung an ein ihn verehrendes Publikum interpretierbar.<br />
In seiner Situation offensichtlich unangebracht, was das Publikum <strong>zum</strong> Anlass<br />
nimmt, sich noch mehr über Ali zu erheitern. Einzelne Leute im Publikum werden eingeblendet,<br />
die Aldi-Tüten hochhalten, auf denen das „d“ fehlt („Ali-Tüten“).<br />
Raab ruft in seiner ersten Äußerung, die eine offene Feststellung ist und eine Antwort<br />
erfordert, die klassische Star-Fan-Beziehung auf: „ou, da hast du ja schon einen großen<br />
Haufen von Fans“(Z8/9). Man könnte erwarten, dass sich Ali angesichts der <strong>zum</strong>indest<br />
ambivalenten Situation bescheiden gibt und sein ihm angetragenes Star-Dasein abwiegelt.<br />
Stattdessen reagiert Ali tabubrecherisch mit einem Selbstlob: „ganz genau“ (Z10).<br />
Ali bestätigt diese Feststellung wie selbstverständlich. Diese „Starallüren“ behält Ali<br />
während des Gesprächs bei, was Raab über die gesamte Unterhaltung hinweg als ständige<br />
Quelle von Komik auszunutzen weiß.<br />
Während das Publikum Alis Reaktion in Z10 mit lautem Lachen quittiert, setzt Raab<br />
zu seiner nächsten Frage an: „Was ist nach der letzten Sendung bei dir passiert? Viele<br />
Briefe bekommen?“(Z11/13/15). Die Frage ist relativ offen und lässt damit viele Antwortmöglichkeiten<br />
zu. Alis Reaktion ist auf der rein formalsprachlichen Ebene in zweierlei<br />
Hinsicht unfreiwillig komisch. Zunächst verspricht er sich: „viele tele em anrufer<br />
haben angerufen“ (Z16); er verbessert sich zwar im Folgenden, aber auch die verbesserte<br />
Version („anrufer haben angerufen“; Z16) klingt unbeholfen und trägt zur Komik der<br />
Situation bei. Bereits an dieser Stelle wird deutlich, dass Ali keine Bühnenerfahrung hat,<br />
sich schlecht artikulieren und infolgedessen wenig schlagfertig auf Raabs Fragen reagieren<br />
kann. Das Publikum lacht erneut (Z17) und es wird deutlich, dass das Publikum<br />
nicht Alis vermeintliche Fähigkeiten als Sänger oder Entertainer goutiert, sondern seine<br />
206
Schmidt · Aggressiver Humor in den <strong>Medien</strong><br />
unbeholfenen Anstalten, sich als Star zu gerieren. Quelle des Humors ist also die unfreiwillige<br />
Komik, die Ali unintentional durch sein Ausdrucksverhalten (mit)produziert.<br />
Ali grinst auf die erneut Begeisterung heuchelnde Reaktion des Publikums verschämt<br />
mit vorsichtigem Seitenblick ins Publikum und lacht dann lautlos und verhalten<br />
mit. Die Stimmung im Publikum bleibt ausgelassen und beeinflusst das folgende Gespräch<br />
maßgeblich.<br />
3.1.2 Zentrale Strategien der Raabschen Gesprächsführung<br />
Bereits beim Einstieg ins Gespräch wird Raabs Strategie deutlich: Er behandelt Ali, als<br />
sei dieser ein (angehender) Star und erzeugt dadurch eine ambivalente, komische Situation.<br />
Des Weiteren versucht Raab, seinem Gast Selbstinszenierungen zu entlocken, in<br />
denen er sich selbstständig als Star geriert. Von Beginn an ist nichts anderes als der „Starrummel“<br />
um Ali Thema des Gesprächs.<br />
Zentral für Raabs Gesprächstechnik sind die folgenden vier Strategien, die jeweils an<br />
typischen Beispielstellen im Ausschnitt verdeutlicht werden sollen.<br />
• Permanentes Insistieren auf und Ausbau von peinlichkeits- und humorträchtigen<br />
Themen, Beispiel 3: „Fanpost“<br />
Durch das Insistieren auf bestimmten Themen fokussiert Raab Peinlichkeiten und<br />
Schwächen des Gastes. In diesem Fall v. a. die Starallüren Alis sowie dessen Formulierungsunsicherheiten.<br />
Im folgenden Abschnitt beharrt er auf dem Thema Fanpost.<br />
12 SR: was ist [nach der sen was ist nach der letzten]<br />
13 XP: [ahahahahaha huhuhhahaha]<br />
14 SR: [sendung nach der letzten sendung]<br />
15 XP: [hahaha hahahahahahahahahahahaha]<br />
16 SR: bei dir passiert? viele briefe bekommen?<br />
17 AL: viele tele em ANrufer ham angerufen-<br />
18 XP: []<br />
19 SR: [ja:]<br />
20 SR: was war was war da dabei? freunde oder auch leute<br />
21 die gesacht haben- (.)<br />
22 AL: sagen wir mal welche die ich überhaupt nicht kannte,<br />
23 SR: ja,<br />
24 AL: und [eh die warn (-)] die warn alle? [((japst)) die]<br />
25 XP: [heheahahahahaha] [hahahahahahah]<br />
26 AL: [war]<br />
27 XP: [UAH]<br />
28 SR: besoffen?<br />
29 AL: [((japst nach luft))]<br />
30 XP: [hahahahahahahahhahahaha]<br />
31 AL: ja die warn also alle sehr überrascht die ham das<br />
32 nicht geglaubt dass=isch bei Stefan Raab bin weil das<br />
33 ist was ganz besonderes mal hautnah neben Stefan<br />
34 Raan=zu (.) [neben Stefan Raab zu (-) sein]<br />
35 SR: [hautnah? moment- hahahaha]<br />
36 XP: [((schreit, johlt, lacht))]<br />
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37 AL: <br />
38 SR: hautnah?<br />
39 AL: also NEBEN dir. (.) also gast bei ihm zu sein;<br />
40 SR: hast=du=denn äh hast=du=denn ääh auch auch von damen<br />
41 zuneigung bekomm,<br />
42 (1.5)<br />
43 SR: briefe haste briefe bekomm,<br />
44 AL: briefe bis jetzt noch nIscht; aa[bah-]<br />
45 SR: [ja,]<br />
46 SR: keine briefe,<br />
47 AL: man kann sisch ja mal überraschn; [(........)]<br />
48 XP: [ooooooohhh]<br />
49 AL: nein(.)[noch nIscht ]<br />
50 XP: [oooooooohhhh]<br />
51 AL: vielleicht sind sie auf dem weg wegn der post<br />
52 XP: <br />
53 SR: ja das kann sein<br />
54 (1,5)<br />
55 SR: versaute briefe so kleine du weißt so mädls die dann<br />
56 sagen Ali<br />
57 AL: [nein.]<br />
58 XP: sau fick mit [mir.]<br />
59 XP: <br />
60 SR: nichts gekommen,<br />
Zunächst stellt Raab eine Doppelfrage: „Was ist nach der letzten Sendung bei dir passiert?<br />
Viele Briefe bekommen?“(Z12/14/16). Die Frage ist offen, wenig konkret und lässt<br />
damit mehrere Antwortmöglichkeiten zu. Ali ist dadurch gezwungen, offen und ausgebauter<br />
zu antworten, zudem muss er sich entscheiden, auf welche Frage er eingeht.<br />
Die Situation scheint ihn zu überfordern, er verhaspelt sich und wird vom Publikum<br />
ausgelacht. Raab macht in der Folge den Versuch, die Art der Fan-Briefe von Ali spezifizieren<br />
zu lassen (Z20ff.), was in der Frage nach Briefen von „Damen“ (Z40/41;43) kulminiert.<br />
Raab imitiert hier Alis Versuche, in hochsprachlichem Register zu sprechen.<br />
Diese Frage hat mehrere Funktionen: Zum einen versucht Raab mit dieser Frage abermals<br />
Alis Selbstüberschätzung vorzuführen. Er spekuliert auf Alis Unerfahrenheit im<br />
Umgang mit Publikumszuspruch. Alis Antwort „briefe bis jetzt noch nicht“ (Z44) löst<br />
diese Erwartung ein. Zum anderen zielt sie darauf ab, Ali verlegen zu machen, da er ihn<br />
direkt auf Briefe von weiblichen Fans und deren Zuneigung anspricht. Alis lang gezogene<br />
Antwort klingt entsprechend verlegen: „Briefe bis jetzt noch nicht, aber man kann<br />
sich ja mal überraschen“ (Z44/47). Die Auslassung des Wortes „lassen“ am Ende seines<br />
Beitrags zeugt wiederholt von Alis Formulierungsunsicherheiten, die abermals für Komik<br />
sorgen. Raab insistiert weiter: Er fragt mit bedauerndem Tonfall nach: „keine Briefe?“<br />
(Z46). Ali verneint abermals und grinst verlegen ins Publikum: „Nein, noch nicht,<br />
vielleicht sind sie ja unterwegs, wegen der Post“ (Z51). Alis Äußerungen erzeugen sowohl<br />
inhaltlich (er scheint der Überzeugung, dass er bestimmt noch Briefe bekommt),<br />
als auch formal (Versprecher, syntaktisch falsche Sätze) und stilistisch (die Begründung<br />
mit Bezug auf die Post wirkt ebenso unbeholfen wie altklug, kindlich und naiv) komische<br />
Effekte. Deutlich wird, dass Raab kaum etwas zu sagen braucht, da seine Andeutungen<br />
und kurzen Nachfragen genügen, um Ali die nötigen Äußerungen zu entlocken.<br />
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Schmidt · Aggressiver Humor in den <strong>Medien</strong><br />
Dieser scheint das „Forum“, das Raab ihm bietet, dankend anzunehmen: Er hat einen<br />
großen Redeanteil und lässt keine Möglichkeit ungenutzt sich zu präsentieren. Raabs<br />
Reaktionen bleiben ambivalent: Auf der wörtlichen Ebene scheinen sie affirmativ (z. B.<br />
„Ja, das kann sein“ in Z53). Zieht man die Gesamtsituation allerdings in Betracht, wirken<br />
sie ironisch. Obwohl Ali eindeutig klargestellt hat, dass er keine Briefe erhalten hat,<br />
reizt Raab das Thema noch weiter aus. Er fragt wiederholt nach, indem er die Art der<br />
Briefe weiter spezifiziert wissen möchte („versaut“) und damit noch weiter in einen sexualisierten<br />
Tabubereich eindringt: „Versaute Briefe, so weißt du, so Mädels die dann<br />
sagen: ,ali‘…“ (Z55/56). Diese erneute Frage nach Fanpost hat offensichtlich bloß noch<br />
provokative Funktion, da die grundsätzliche Frage nach Fanpost bereits beantwortet ist:<br />
Komik entsteht v. a. durch die Penetranz der Raabschen Gesprächsführung sowie durch<br />
die Darstellung Alis als Objekt heimlicher Verehrerinnen oder Groupies – angesichts<br />
seines Auftretens eine lächerliche Vorstellung. Raab versteht es in dieser Situation, Alis<br />
Starallüren gegen ihn zu wenden: Er nimmt ihn spielerisch ernst und unterstellt ihm Erlebnisse,<br />
die man sonst nur mit weltbekannten Superstars (etwa Madonna oder Michael<br />
Jackson) in Verbindung bringen würde. Das Publikum reagiert überschwänglich auf<br />
diese Face-Verletzung 22 und greift seinerseits – Ali noch stärker diskreditierend – in das<br />
Geschehen ein („Sau fick mit mir“; Z58). Die zurückhaltende Reaktion Alis (ein leises<br />
„Nein“; Z57) scheint Raab dazu zu bewegen, das Thema – da ausgereizt – fallen zu lassen.<br />
• Die Rede des Gastes wird systematisch gegen ihn verwendet, Beispiel 4: „hautnah“,<br />
Beispiel 5: „Pokale“<br />
Ein zweites Mittel Raabs zur Erzeugung von Komik ist das Aufdecken von Inkonsistenzen.<br />
Er verwendet Äußerungen seiner Gäste gegen sie, indem er sie absichtlich missversteht<br />
bzw. fehlinterpretiert oder verdreht. Häufig stellt er sexuelle Zweideutigkeiten<br />
– wie auch in Alis Fall (s. u.) – her.<br />
In Beispiel 4 betont Ali, dass es für ihn eine große Ehre sei, bei Raab als Gast auftreten<br />
zu können. Hierzu verwendet er die metaphorische Formulierung „hautnah“ (siehe<br />
Beispiel 3 Zeilen 31–39): Er zeigt mit einer gönnerhaften Geste auf Raab und sagt im Stil<br />
eines Reporters, der live vor Ort ist, dass es schon etwas Besonderes sei, einmal „hautnah“<br />
neben Stefan Raab zu sitzen (Z31–33). Raab wendet diese Aussage gegen ihn, indem<br />
er die körperliche Semantik des Ausdrucks ausnutzt, um sie als sexualisierte Offerte<br />
auszulegen (Z35). Damit diskreditiert er Ali, da er ihm sexuelle Ambitionen unterstellt.<br />
Ali bemerkt die Anzüglichkeit seiner Äußerung anfangs nicht, da er noch damit<br />
beschäftigt ist, den Namen von Raab richtig auszusprechen (Z34). Noch während seines<br />
Ringens um eine korrekte Formulierung bricht das Publikum in schallendes Gelächter<br />
aus (Z36). Ali bleibt nur noch die Möglichkeit mitzulachen und seine Formulierung<br />
im Nachhinein zu korrigieren, um die ungewollte Wendung seiner Äußerung zu „heilen“<br />
(Z37; 39). Auch während der unbeholfenen Versuche Alis, die Fehlinterpretationen<br />
seiner Formulierung richtig zu stellen, fokussiert Raab ein weiteres Mal das anstoßerregende<br />
Element („hautnah?“; Z38).<br />
Ein weiteres Beispiel, in dem Raab Äußerungen Alis gegen ihn verwendet, ist die folgende<br />
Passage, in der Ali über seine bisherigen Erfolge spricht (Beispiele 5 „Pokale“):<br />
22 Vgl. Goffman 1971.<br />
209
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65 AL: weil derm der raab der woche is was gans<br />
66 besondres [der hat sogar(.)bei mir den]<br />
67 SR: <br />
68 XP: <br />
69 AL: <br />
70 SR: [ham=ich=schon=gesacht] ja(.)<br />
71 XP: [hahahahehehe ]<br />
72 SR: neben den andern preisn-<br />
73 AL: <br />
74 XP: [hahah]ahaha<br />
75 AL: aber deiner is bis jets der gans (.)besondere;<br />
76 SR: hach=du=has=noch tatsächlich noch andre<br />
77 andre preise,> [wes]<br />
78 AL: ja pokale [von]<br />
79 klein auftritn in alssdorf<br />
80 SR: <br />
83 AL: jah(.) (.) unt äh da warn einen wunderschön<br />
85 XP: ((Gelächter im Publikum))<br />
86 AL: auftritt.(.) (unt]<br />
87 SR: [unt]<br />
Raab nimmt Alis Äußerung in Z66/67;70 („Der ,Raab der Woche‘ ist was ganz besonderes,<br />
der hat sogar bei mir den Ehrenplatz bekommen“) <strong>zum</strong> Anlass, das Mitgemeinte,<br />
nämlich dass Ali noch andere Preise besitzt, zu explizieren („neben den anderen Preisen“<br />
(Z73)). Wiederum schafft es Raab, seinen Gast als Aufschneider/Angeber darzustellen,<br />
indem er genau jene Präsupposition offen legt, die eine solche Inferenz nährt. Ob<br />
Ali diese ihm zur Ratifikation angebotene Feststellung nun berichtigt oder rechtfertigend<br />
erklärt, spielt für seine Gesichtswahrung schon fast keine Rolle mehr. Im einen Fall<br />
zeugt es erneut von seiner Unfähigkeit, sich zu artikulieren, im anderen Fall strickt er<br />
weiter mit am Aufbau seines Negativ-Images als „Möchte-Gern-Star“ (was er im Folgenden<br />
auch tut; Z76ff.).<br />
Ähnliches gilt für die Passage in Z81/83, wo Raab gespielt verwundert nachfragt, ob<br />
es für Auftritte Pokale gibt. Auch hier fokussiert Raab durch seine ironische Nachfrage<br />
exakt den Schwachpunkt in Alis Beitrag, nämlich die Wahl des falschen Registers (Pokale<br />
werden für sportliche und nicht für künstlerische Leistungen verliehen). Damit fokussiert<br />
er nicht nur wiederholt Alis Schwäche sich auszudrücken, sondern auch seine<br />
unbeholfenen Bemühungen, sich als erfahrener Sänger, der schon einige Erfolge vorzuweisen<br />
hat, zu präsentieren.<br />
Raab attackiert Ali in dieser Sequenz nicht offen oder überführt ihn mit „journalistischen“<br />
Mitteln der Aufschneiderei, indem er ihn <strong>zum</strong> Beispiel offen fragen würde, was<br />
er denn noch für Preise habe, bzw. Einwände bringt, die Alis Glaubwürdigkeit bezüglich<br />
seiner bisherigen Karriere als Sänger untergraben würden. Vielmehr expliziert und<br />
fokussiert er die Inferenzen, die in Alis Beiträgen implizit angelegt sind, was den so<br />
„Entlarvten“ der Lächerlichkeit preis gibt und beim Publikum Schadenfreude erzeugt.<br />
210
Schmidt · Aggressiver Humor in den <strong>Medien</strong><br />
• Falscher Ernst, Beispiel 6: „tatsächlich noch andere Preise“ (s. Beispiel 5, Zeilen 76–80)<br />
Eine dritte Komikquelle, auf die Raab häufig zurückgreift, ist das Heucheln von Ernsthaftigkeit<br />
und echtem Interesse an der Person und ihren Geschichten. Trotz durchgehendem<br />
Lachen und Johlen des Publikums – also einer eindeutig unernsten Modalität –<br />
bleibt Raab streckenweise – wie bspw. in der obigen Passage – bezüglich Alis Äußerungen<br />
ernst, fragt interessiert nach oder gibt bestätigende Rückmeldungen. Auch im Beispiel<br />
„Pokale“ fragt er scheinbar interessiert nach: „Ach, du hast tatsächlich noch andere<br />
Preise?“ (Z77/78). Mit diesem „So-Tun-Als-Ob“ konstituiert Raab eine doppelbödige<br />
Kommunikationssituation: Auf einer ersten Ebene findet ein Star-Interview mit den<br />
üblichen Fragen rund um den Star statt; auf einer zweiten Ebene jedoch entsteht Komik<br />
dadurch, dass es sich bei dem Interviewten um gar keinen Star handelt, sondern um einen<br />
15-jährigen Jungen, der sich für einen solchen hält bzw. die Kommunikationsstrategie<br />
Raabs, ihn genau durch diese Festlegung auf ein Starimage lächerlich zu machen,<br />
nicht durchschaut. Konstitutiv für diese Art des Humors ist eine Form der komplizenhaften<br />
Interaktion, in der Raab und das Publikum kooperieren und der Gast – aufgrund<br />
medialer Unerfahrenheit – nicht eingeweiht wird.<br />
• Ausschlachten unfreiwilliger Komik<br />
In der gesamten Passage ist ersichtlich, dass Raab die unfreiwillige Komik, die sich aus<br />
Alis Bemühungen ergeben, sich selbst darstellen, zur Belustigung seines Publikums ausschlachtet.<br />
Unfreiwillig komisch sind besonders die Stellen, an denen Ali nicht bemerkt,<br />
dass er Opfer seiner eigenen Selbstinszenierungsaktivitäten wird. Durch Andeutungskommunikation,<br />
z.B. unklare und nicht abgeschlossene Fragen wie in Z20/21 („Was war<br />
da dabei? Freunde oder auch Leute die gesagt haben …“) gibt Raab Ali Vorlagen und<br />
spekuliert auf Alis „Fähigkeit“, sich ohne Zutun seinerseits lächerlich zu machen. Raab<br />
zeigt in seinen Sendungen ein Gespür für solche Situationen: Sobald ein Gast durch seine<br />
Art aufzutreten (Sprache, Stimme, Bewegungen etc.) oder durch das, was er sagt, aus<br />
sich heraus komisches Potenzial zu entfalten verspricht, beschränkt sich Raab auf Rahmungs-<br />
und Elizierungsaktivitäten. Ihm geht es weniger um die wörtliche Ebene des Gesagten,<br />
als vielmehr um das Mitgemeinte und die unintentional produzierten Ausdrucksinformationen.<br />
Dass er den Fokus auf solche unabsichtlich hervorgebrachten<br />
Phänomene legt, zeigt, dass sein Ziel i. d. R. darin besteht, seine Gäste als ganze Personen<br />
der Lächerlichkeit preis zu geben.<br />
3.1.3 Rolle des Publikums<br />
Das Publikum nimmt während Alis Auftritt eine besondere Rolle ein. Es fungiert nicht<br />
nur als Zeugenschaft, sondern beteiligt sich aktiv am Gespräch, woraus sich eine kommunikative<br />
Dreierkonstellation ergibt. Deutlich wird dies daran, dass das Publikum<br />
weit über die Reaktionen eines „normalen“ Fernsehpublikums, das lediglich Beiträge<br />
durch Klatschen/Lachen (bzw. dessen Ausbleiben) bewertet, hinausgeht. Bereits zu Anfang<br />
der Szene zeigt das Publikum ungewöhnliche Ausgelassenheit: Es wird laut und expressiv<br />
gelacht und Einzelne schreien oder johlen. Die Kamera schwenkt, während Ali<br />
hereinläuft, ins Publikum und zeigt einzelne Zuschauer, die stehend „Ali, Ali“ skandieren<br />
und „Ali-Tüten“ hochhalten. Darüber hinaus rufen während des Gesprächs zwischen<br />
Raab und Ali einzelne Zuschauer etwas dazwischen, worauf Raab bzw. Ali explizit<br />
eingehen. In Z29 reagiert Ali auf den Kommentar eines Zuschauers und ruft ins Pu-<br />
211
M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />
blikum („Das find ich gut“). Raab wendet sich ebenfalls während des Gesprächs mit Ali<br />
explizit an das Publikum und bezieht seine Äußerung auf das Geschehen im Publikum<br />
(„besoffen?“ in Z28). Während des gesamten Gesprächs mit Ali lacht bzw. reagiert das<br />
Publikum. Kaum eine Äußerung Alis bleibt unkommentiert (vgl. Z4/13/15/18/25 etc.)<br />
Ali interagiert ständig sowohl mit Raab als auch mit dem Publikum: Er schaut fortwährend<br />
ins Publikum, lacht mit dem Publikum oder vollführt beschwichtigende Gesten<br />
in Richtung Publikum. Am Schluss der Passage richtet er sich mit seinem Beitrag<br />
direkt an die Zuschauer (Z89ff.). Gerade in dieser Schwierigkeit, wer wann zu adressieren<br />
ist bzw. auf wen man wann reagieren sollte, offenbart sich Alis mediale Unerfahrenheit<br />
– ein wesentlicher Aspekt der in dieser Situation entstehenden Komik.<br />
Darüber hinaus ist gerade die von Raab spielerisch betriebene Star-Inszenierung Alis<br />
prädestiniert für überschwängliche Publikumsreaktionen: Der Star entsteht und wird<br />
bestätigt durch ein Publikum; in diesem Falle spielen die Zuschauer das von Raab forcierte<br />
und Ali mitgetragene Spiel mit, sie füllen ihre Rolle – z. T. äußerst expressiv – aus.<br />
3.1.4 Fazit: Vorführ-Humor – Raabs Konzept geht auf, Beispiel 7: „es macht sehr<br />
Spaß, die Leute <strong>zum</strong> Lachen zu bringen“<br />
Die Analyse konnte zeigen, dass Raabs Konzept, seinen Gast vorzuführen, griff. Er<br />
nutzte dessen Tendenz, sich als Star zu inszenieren, dergestalt aus, dass er ihn in seinen<br />
Bemühungen scheinbar unterstützte, ihn jedoch gleichzeitig durch kurze, z.T. ironische<br />
Nachfragen in Verlegenheit und Erklärungsschwierigkeiten brachte. Ali ist weder der<br />
einen noch der anderen Strategie gewachsen, denn er ist weder schlagfertig genug, um<br />
sich gegen Raabs versteckte Frotzeleien zu wehren, noch mediengewandt genug, um den<br />
umwertenden Rahmen des Anti-Preises, den er errang, in der aktuellen Interaktion in<br />
Rechnung zu stellen. Letzteres ist sicherlich konstitutiv für die Art des Humors, die<br />
Raab und das Publikum in dieser Passage herstellen. Dass Raab und das Publikum auf<br />
einer zweiten Ebene konspirieren – wie oben argumentiert wurde –, und diese Konspiration<br />
darin besteht, dass sie nicht mit, sondern über Ali lachen, wird besonders an folgender<br />
Stelle deutlich:<br />
89 AL: ähm und es macht sehr spass ähn<br />
90 SR: jahehehehaha ha<br />
91 AL: die leute <strong>zum</strong> lachen zu briNGen<br />
92 SR: hehehaha<br />
93 XP: huuuuuuh huuu ((Johlen und Applaus im Publikum))<br />
94 AL: weil-<br />
95 (2,0)<br />
96 AL: weil ein sängA, oder stA, ist ohne publikum<br />
97 eine flasche;<br />
98 XP: hahahahahahahahah<br />
99 XP: huuuuhhuuuu<br />
100 AL: uhnd ein mEEnsch; wenn er berühmt<br />
101 werden möchte geht das nur mit Nettn zuschauern;<br />
102 XP: oooohhhhh<br />
103 SR: <br />
104 XP: ooooaaaahh<br />
105 ((Applaus))<br />
106 SR: odah,<br />
212
Schmidt · Aggressiver Humor in den <strong>Medien</strong><br />
107 (1,5)<br />
108 SR: das=is mahn wort (.) Alih, viel glück heute noch<br />
109 XP: buuuihhhh<br />
110 SR: mah(.)meine=dam=un=herrn(.)Alih<br />
111 ((Pfiffe und Applaus aus dem Publikum)<br />
Dass Raabs Konzept darauf angelegt ist, Skurriles im Verhalten seiner Gäste zur Belustigung<br />
des Publikums hervorzulocken und er das durch die Etablierung einer doppelbödigen<br />
Kommunikationssituation im Verein mit dem Publikum zu erreichen versucht,<br />
wird selten so deutlich, wie an dieser Passage aus dem Gespräch mit Ali: Während Ali<br />
sich weiterhin als Star und Entertainer geriert und seine Einschätzung der Situation unverblümt<br />
expliziert (Z89/91), nehmen Raab und sein Publikum exakt diese Haltung Alis<br />
<strong>zum</strong> Anlass, ihn auszulachen. Der wesentliche Beitrag zur Komik in dieser Situation besteht<br />
in Alis Naivität, den Tatbestand seiner Blamage auch noch selbst zu benennen und<br />
damit allen vor Augen zu führen, dass er einer eklatanten Fehleinschätzung der Situation<br />
aufsitzt und nicht in der Lage ist, die Selbst- und Fremdperspektiven auf seine Person<br />
abzugleichen. Raab kommentiert Alis selbstdiskreditierende Selbstoffenbarung mit<br />
einem schadenfrohen, meckernden und lachenden „Ja“ (Z90/92), wodurch er ihn erneut<br />
in ambivalenter Weise bestätigt und gleichzeitig die konspirative Kooperation mit seinem<br />
Publikum fortsetzt, das die Komik der etablierten Situation in expressiver Weise<br />
goutiert (Z93). Alis folgende Ausführungen über die Abhängigkeit eines Stars von seinem<br />
Publikum tun ihr übriges (Z87ff.).<br />
3.2 „Bettina Stark“<br />
Bettina Stark ist der erste Gast in dieser „TV total“-Folge. Es handelt sich in ihrem Fall<br />
um die erste Nominierung für den „Raab der Woche“. Bettina Stark ist eine sehr korpulente<br />
Alleinunterhalterin, die in der Lage ist, singend und Posaune spielend einen Spagat<br />
zu vollführen. Stefan Raab leitet die Ankündigung ihres Auftritts mit der üblichen<br />
Floskel „Ich hab was Tolles gesehen …“(Z1) ein und nennt auch den Sender, der<br />
Bettinas Auftritt gezeigt hat (Z5). Er spielt den Anfang der MAZ ein und bricht vor<br />
dem Höhepunkt ab, um mit Hilfe dieses Cliffhangers Spannung zu erzeugen. Auch an<br />
diesem Beispiel wird deutlich, dass Raab seine Gäste wie Stars ankündigt, auch oder<br />
gerade wenn die Nominierten keine Prominenten sind. Bettina Stark versucht dieser<br />
Starankündigung gerecht zu werden und tritt selbstbewusst und sicher auf. Beide begrüßen<br />
sich wie zwei alte Bekannte: Raab geht ihr entgegen, lacht freudig und schüttelt<br />
ihr überschwänglich die Hand. Solche Inszenierungen von Nähe und Vertrautheit unterstreichen<br />
den informellen, lockeren und potenziell übergriffigen (s. u.) Stil der Sendung.<br />
Komische Phänomene können künstlich hergestellt werden oder ohne Beeinflussung<br />
einfach geschehen (natürliche Komik, „Realsatire“). Künstliche Komik kann durch verschiedene<br />
Instrumente wie Ironie, Parodie und Satire erzeugt werden. Komik ist somit<br />
das Resultat einer Handlung eines mehr oder weniger professionellen Komikers. Raab<br />
jedoch versucht – wie das Beispiel Ali gezeigt hat (s.o.) – natürliche Komik künstlich zu<br />
erzeugen. Ob und wie ihm das auch im Falle Bettina Starks gelingt, soll im Folgenden<br />
an ausgewählten Gesprächspassagen aufgezeigt werden.<br />
213
M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />
3.2.1 Formen der Humoretablierung/-initiierung<br />
• Einführung des Gastes, Beispiel 8: „was tolles gesehen“<br />
Stefan Raab interagiert häufig mit den Zuschauern, indem er sie direkt und in betont<br />
mündlichsprachlicher Diktion anspricht. Sein flapsiger Stil schafft Nähe und lässt häufig<br />
den Eindruck entstehen, Raab interagiere in alltäglichen, informellen Face-to-Face-<br />
Beziehungen. Dies verstärkt sich noch durch die häufige Metakommunikation und damit<br />
Brechung des <strong>Medien</strong>rahmens (hier beispielsweise durch das Reden mit dem Kameramann<br />
in Zeile 2/3).<br />
01 SR: ich hab was tolles geseh:n äh:::m sender hab ich<br />
02 schon wieder vergessen(.)wo war das denn(.)weiß<br />
03 es einer,<br />
04 XM: we=de=er-><br />
05 SR: we de er we de er wEst deutscher rundfunk dafür<br />
06 zahlen sie gebührn meine damen und herren(.)ähm(.)<br />
07 schauen sie sich mal kurz diesen ausschnitt an;<br />
Die erste Zeile erinnert stilistisch an Alltagsgespräche mit Freunden, da Raab auf ein Alltagserlebnis<br />
referiert, das es in der Realität nie gab (Z1-3: „Ich hab was tolles gesehen.<br />
…) 23 . Er sorgt auf diese Art für einen Spannungsaufbau und durch die Nähekommunikation<br />
entsteht ein kumpelhaftes Verhältnis <strong>zum</strong> Publikum. Die Kritik am Sender<br />
WDR (Zeile 5/6) kokettiert <strong>zum</strong> einen mit dem selbstgesetzten Anspruch, aufklärerisch<br />
tätig zu sein („Wir wären nicht ‚TV total’, wenn wir nicht …“). Zum anderen nimmt die<br />
ironische Anspielung auf ein Preis-Leistungs-Verhältnis (Gebühren – Sehenswertes)<br />
eine Bewertung des Kommenden vor. Indem er mittels eines Kontextualisierungshinweises<br />
das Kommende in einen komischen Zusammenhang stellt („… dafür zahlen sie<br />
Gebühren …“) 24 , etabliert er bei den Zuschauern eine bestimmte Erwartungshaltung.<br />
Die nun eingespielte MAZ zeigt Bettina Stark während einer ihrer Auftritte, bei dem<br />
sie singend und eine Posaune in der Hand haltend zu einem Spagat ansetzt. Der Zuschauer<br />
wird im Unsicheren gelassen, ob Bettina den Spagat vollendet, da Raab den Ausschnitt<br />
genau an dieser Stelle unterbricht und ein Standbild auf dem Monitor stehen<br />
bleibt. Er schafft mit diesem Cliffhanger eine ideale Situation, seinen Gast vorzustellen.<br />
Indem er den Ausschnitt abbricht, verlagert er den eigentlichen Höhepunkt von Bettinas<br />
Auftritt in die laufende Sendung. Ob die sehr korpulente Frau den Spagat tatsächlich<br />
23 Natürlich hat er den Ausschnitt weder original (also im program-flow des Fernsehens) gesehen<br />
noch selektiert. Durch diese Gesprächstechnik wird jedoch eine jedem Zuschauer vertraute Alltagssituation<br />
evoziert (postmediale Kommunikation) sowie dadurch eine private und symmetrische<br />
Kommunikationssituation suggeriert.<br />
24 Für den unbedarften Zuschauer entsteht an dieser Stelle eine Diskrepanz: Ein TV-Auftritt wird<br />
durch den Moderator in seiner eigenen Sendung angekündigt und gleichzeitig vorgreifend diskreditiert.<br />
Warum tut er das? Einen Sinn bekommt das Handeln Raabs an dieser Stelle, wenn<br />
man den spezifischen Genre-Rahmen (Comedy) und die besondere Ausrichtung der Sendung<br />
in Rechnung stellt: Der „Raab der Woche“ ist ein Anti-Preis und die Personen, die ihn bekommen,<br />
werden eingeladen, weil sie auf irgendeine Weise komisch oder abweichend sind bzw. sich<br />
so verhalten haben.<br />
214
Schmidt · Aggressiver Humor in den <strong>Medien</strong><br />
schafft, soll live – vor einem gespannten Studiopublikum – aufgelöst werden. Dadurch<br />
wird eine Doppelung der Vorführung vermieden bzw. erscheint der Live-Auftritt als<br />
Fortführung der Einspielung.<br />
• Begrüßung und Vorstellung des Gastes, Beispiel 9: Parallelsprechen<br />
Ein weiteres Mittel von Raab zur Erzeugung von Komik ist das Parallelsprechen. Er<br />
„plappert“ minimal versetzt die Worte der Gesprächspartner/innen mit. Zusätzlich<br />
gestikuliert er in der gleichen Weise wie sein Gegenüber. Er versucht seine Gäste auf<br />
diese Weise zu verunsichern, um sie zu Fehlern zu provozieren. Eigentlich deutet<br />
gemeinsames/chorisches Sprechen auf Bestätigung hin 25 . Die übertriebene Form jedoch,<br />
in der es Raab betreibt, lässt es degradierend wirken und es weist eine gewisse Nähe <strong>zum</strong><br />
Nachäffen auf. Man hat den Eindruck, dass er seine Gäste, in diesem Fall Bettina Stark,<br />
nicht ernst nimmt. Das Oszillieren zwischen Bestätigung, Zuspruch und Ermunterung<br />
auf der einen und Nachäffen, Degradierung und Respektlosigkeit auf der anderen<br />
Seite erzeugt Komik, gerade auch weil der Gast nun unter Handlungsdruck gerät,<br />
eine angemessene Form des Umgangs mit einer solch ambivalenten Situation zu entwickeln.<br />
29 SR: sie sind(.)ähm(.)ja was sacht man,<br />
30 (2.0)<br />
31 BS: pauerfrau-<br />
32 SR: bidde,<br />
33 BS: pauerfrau-<br />
34 SR: =sie sind pauerfrau richtich(.)genau;<br />
35 (-)allEInunterhalterin,<br />
36 BS: richtig-<br />
37 SR: und pOsaunistin;<br />
38 BS: n=unter anderm ich spiel über zehn blasinschtrumende;<br />
39 SR: =sie spieln über zEhn blAs[ins]trumente<br />
40 BS: [ja]<br />
41 SR: welche gibtsn da noch, trompete; posaune-<br />
42 BS: =posaune; tub[a-]<br />
43 SR: [tu]ba-<br />
44 BS: öh melaf[on-]<br />
45 SR: [öh] melafon-<br />
46 BS: tenor[horn bariton-]<br />
47 SR: [enorhorn bari]ton-<br />
48 BS: pan[flöte und] viele viele an[dre inschtrumende];<br />
49 SR: [puanflöte] [und viele andere]mehr;<br />
50 ((während dieser Aufzählung imitiert Raab Frau Starks<br />
51 auffälliges Gestikulieren mit der rechten Hand))<br />
52 SR: sie sIngen auch dazu,<br />
53 BS: ja ich sing [auch](.)und ich pfeif auch;<br />
54 SR: [und-]<br />
25 Vgl. Schwitalla 1992.<br />
215
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55 und sie pfeifen auch[da]zu wau;<br />
56 BS: [ja]<br />
57 BS: soll ich dir maln marsch blasen(.)eh pfeifen,<br />
58 SR: <br />
59 ((beide lachen))<br />
60 SR: olala(—)olala<br />
61 XP: ((klatschen, lachen johlen))<br />
In den Zeilen 29–60 wird deutlich, wie Stefan Raab durch Parallelsprechen versucht, Komik<br />
zu erzeugen. Er spricht nicht nur gleichzeitig mit seinem Gast dessen Äußerungen<br />
mit, sondern gestikuliert wie Bettina mit der rechten Hand und verstärkt so den Effekt<br />
des verbalen Nachahmens. Nach dem Parallelsprechen geht Raab erneut auf Bettinas<br />
Fähigkeiten ein und forciert so den vermeintlichen Sensationscharakter der Situation. Er<br />
fragt Bettina, ob sie während ihres Auftritts auch singt, diese bejaht, woraufhin Raab<br />
Anerkennung zeigt, die zwischen Ernst und Ironie changiert (Z52–56). Syntaktisch<br />
ähneln diese Zeilen der vorangegangenen Aufzählung der Blasinstrumente (Z41ff.) und<br />
wirken durch die Übernahme bzw. Fortsetzung dieses Konstruktionsformates komisch.<br />
In Z55 lässt sich eine weitere Strategie Raabs zur Erzeugung von Komik erkennen: Das<br />
Heucheln von Begeisterung („wau“) wird häufig eingesetzt, um Gäste vorzuführen.<br />
Doch Bettina lässt sich auf Raabs Versuche, sie in eine doppelbödige Kommunikationssituation<br />
hineinzuziehen (wie ihm das etwa bei Ali gelang), nicht ein und sichert sich mit<br />
dem Wortspiel „Marsch blasen” (Z57) die Lacher des Publikums. Sie „schlägt“ zurück<br />
und versucht ihrerseits intentional komisch zu sein, wodurch sie einen Schlagabtausch<br />
mit dem Moderator initiiert.<br />
3.2.2 Auftritt des Gastes, Beispiel 10: „Machen sie bitte noch mal diesen Spagat“<br />
Stefan Raab stellt immer wieder durch bestimmte Aufforderungen wie „Achtung“ und<br />
„passen Sie auf“ Aufmerksamkeit her und versucht mit dieser Fokussierungstechnik<br />
Spektakuläres und Komisches herzustellen – so auch mehrfach im Falle von Frau Stark<br />
(u.a. in Z1, 14, 65 etc.). Die darin enthaltene Bewertung bleibt jedoch – wie mehrfach betont<br />
– ambivalent. Dies zeigt sich auf der Mikroebene v.a. dadurch, dass er seinen Gästen<br />
nicht nur ständig ins Wort fällt, sondern auch ihre zuvor als sehenswerte Einmaligkeiten<br />
gewürdigte Vorführungen abrupt unterbricht (Z86/87). Er zeigt auf diese Weise<br />
Dominanz und sorgt durch solche Respektlosigkeiten für den einen oder anderen Lacher.<br />
Umgekehrt vermittelt er seinen Gästen damit implizit, wo sie ,hingehören‘: Sie sind<br />
keine großen Stars, sondern Lachnummern, die man jederzeit unterbrechen bzw. herumdirigieren<br />
kann (s. etwa Z91;93).<br />
80 SR: meine damen und herrn(.)bettina stAk(-)seien sie<br />
81 gefasst(-)auf was spEktakuläres(.)passen sie auf<br />
82 (- - -)achtung,<br />
83((Fr. Stark führt ihr Kunststück vor: sie bläst Posaune und<br />
84 geht anschließend singend in einen Spagat; Dauer: 1 Min.))<br />
85 ((Publikum und Raab klatschen mit, pfeifen und johlen))<br />
86 SR: <br />
88 BS: ((führt weiter vor))<br />
89 SR: also(-)wie,<br />
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90 BS: <br />
91 SR: wie machen(- -)könn sie das nochmal zeigen;<br />
92 BS: soll ichs nochma zeigen,<br />
93 SR: machen sie bitte nochmal diesen spa[gat-]<br />
94 BS: [oka]y hier,<br />
95 SR: [acht]ung-<br />
96 BS: [komm-]<br />
97 ((wiederholt Spagat))<br />
98 SR: uuahh<br />
99 BS: okay,<br />
100 ((Publikum tobt, Bettina lacht))<br />
101 (2.0)<br />
102 BS: okay;<br />
103 SR: soll ich ihn helfen,<br />
104 BS: nee-<br />
105 ((Raab versucht Bettina beim Aufstehen zu helfen))<br />
106 SR: arrg<br />
107 (2.0)<br />
108 SR: ah<br />
109 (2.0)<br />
110 SR: sUpa-<br />
111 BS: pass auf(.)is überhaupt kein [pro]blem(.)machen mer<br />
112 SR: [ja]<br />
113 BS: das so;<br />
114 ((Bettina hebt Raab hoch, Publikum tobt, alle<br />
115 lachen))<br />
Raabs Unhöflichkeiten sorgen immer wieder für Komik. Er wirkt über weite Strecken<br />
des Gesprächs unkonzentriert, hört z. T. nicht zu bzw. „plappert“ dazwischen und benimmt<br />
sich streckenweise infantil, indem er etwa in gespielt kindlicher Freude, etwas<br />
kaum glauben kann („wie machen-[sie das]“; Z91) und noch mal sehen möchte („können<br />
sie das noch mal zeigen“; Z91), um dann in expressiver Weise mit paraverbalen Lauten<br />
sein Erstaunen kund zu tun (etwa „uuaah“ in Z98). Der Zuschauer hat das Gefühl,<br />
es käme etwas ganz Besonderes, da Raab das Gefühl vermittelt, als könne auch er es gar<br />
nicht mehr abwarten, Bettinas Vorführung zu sehen. Die Taktlosigkeit und implizite<br />
Geringschätzung des Gastes und seines Auftritts zeigt sich insbesondere am Schluss:<br />
Raab leitet noch während Frau Starks Vorführung in die Abmoderation ein (Zeile 86/87)<br />
und beginnt sie etwas zu fragen (Z89), noch bevor sie ihre Vorführung beenden und sich<br />
beim Publikum bedanken konnte (Z90).<br />
Nachdem Bettina auf Nachfrage von Raab und zur Freude aller den Spagat wiederholt<br />
hat (Z97), bietet Raab ihr Hilfe beim Aufstehen an (Z103). Obwohl sie ablehnt<br />
(Z104), greift er ihr unter die Arme und versucht sie unter lautem Stöhnen hochzuheben<br />
(Z105ff.). Die Face-Verletzung, die in Raabs nonverbalen Anspielungen auf Bettina<br />
Starks Körperfülle besteht, stellen eine komische Situation her: Dem Publikum wird<br />
nochmals vor Augen geführt, wie korpulent und schwer jene Frau ist, die ihnen gerade<br />
noch einen Spagat vorführte (Zeile 103-108). Bettina Stark sorgt ihrerseits für Komik,<br />
indem sie Raab zeitweise versucht „die Show zu stehlen“. Ein Beispiel hierfür ist der<br />
Moment, indem sie Stefan Raab hochhebt (ab Z111) und sich auf diese Weise für die vorangegangene<br />
Face-Verletzung revanchiert. Dadurch, dass sie „den Spieß umdreht“, si-<br />
217
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chert sie sich die Kontrolle, lässt das Publikum über Raab lachen und nimmt die Herausforderung<br />
<strong>zum</strong> Schlagabtausch ein zweites Mal an. Diese gegenseitigen Face-Verletzungen<br />
sorgen für Unterhaltung 26 (s. Resümee).<br />
3.2.3 Fazit: Geht Stefan Raabs Konzept immer auf? Beispiel 11: „Marsch blasen“,<br />
Beispiel 12: Hochheben<br />
Stefan Raabs Konzept beruht auf der Rahmung eigentlich unspektakulärer Personen/Situationen/Ereignisse<br />
als etwas extrem Außergewöhnlichem. I. d. R. verfügen die eingeladenen<br />
Personen über keine besonderen Fertig- und Fähigkeiten in einem kulturell anerkannten<br />
Sinne. Sie werden trotzdem bzw. gerade deswegen eingeladen. Immer spekuliert<br />
Raab auch darauf, dass seine Gäste die Einladung <strong>zum</strong> Anlass nehmen, sich und ihr<br />
vermeintliches Können in ernsthafter Absicht zu präsentieren. Die verschiedenen Rahmungen<br />
der gleichen Situation entfalten natürliche Komik und führen idealiter dazu,<br />
dass sich Raabs Gäste freiwillig und ohne sein Zutun selbst diskreditieren (s. insbes. den<br />
Ausschnitt „Ali“).<br />
Die Situation im besprochenen Ausschnitt hat einen von Anfang an festgelegten Rahmen:<br />
Bettina Stark ist eingeladen, weil sowohl ihre Vorführung als auch ihre Erscheinung<br />
abstrus und damit komisch wirken (sollen). Darüber hinaus besteht bei ihr die<br />
Chance, dass sie ihre Nominierung ernst nimmt und sich selbst darstellen möchte. Dies<br />
böte die Möglichkeit, sie dazu zu animieren, sich selbst vorzuführen und ihre Bemühungen<br />
dann zu karikieren. Die im Ausschnitt nominierte Person „Bettina Stark“ ist Alleinunterhalterin<br />
und bezeichnet sich selbst als Powerfrau (Z31–35). Sie ist den Umgang<br />
mit Publikum gewöhnt und tritt deshalb sehr selbstbewusst und sicher auf. Dadurch fällt<br />
es Raab schwer, sie vorzuführen. Bettina schafft es immer wieder, seinen Blamage-<br />
Attacken auszuweichen und das Publikum auf ihre Seite zu ziehen, indem sie ihrerseits<br />
Stefan Raab <strong>zum</strong> Objekt der Komik macht. Dies zeigt sich besonders an den Passagen<br />
„Marsch blasen“ und „Hochheben“ (Bsp. 12):<br />
Nachdem Raab vergeblich versucht hat, Bettina durch sein Nachäffen aus dem Konzept<br />
zu bringen, um so für durch Blamage entstehende Unterhaltung zu sorgen, geht<br />
Bettina ihrerseits in die Offensive. Sie attackiert den Moderator mit einer kessen Bemerkung,<br />
woraufhin dieser zunächst eine Verlegenheitsäußerung von sich gibt (Z58)<br />
und erst einen Moment später die Situation mit „olala“ (Z60) wieder in den Griff zu bekommen<br />
versucht. Im zweiten Fall revanchiert sich die Alleinunterhalterin für Stefan<br />
Raabs Unhöflichkeit, sie hochzuheben, obwohl sie dies abgelehnt hatte, indem sie ihn<br />
ihrerseits zur Freude der Zuschauer hochhebt. Diese Dreistigkeit wird vom Publikum<br />
durch tobenden Applaus goutiert.<br />
Abschließend lässt sich feststellen, dass Raabs Konzept im Falle von Bettina Stark<br />
nicht in der gleichen Weise aufgeht, wie das etwa bei Ali (s. o.) der Fall war, d. h. der<br />
Gast ist schlagfertiger, wehrt sich und begeht nicht den Fehler, die Nominierung bloß<br />
als Selbstbestätigung der eigenen Person und Leistung zu begreifen (wie das Ali tut), und<br />
infolgedessen „wackelt“ Raabs Konzept der Selbstdiskreditierung. Zu Beginn des Auftritts<br />
schien es zu funktionieren: Das Publikum freute sich auf eine enorm korpulente<br />
Frau, die <strong>zum</strong> Erstaunen – und <strong>zum</strong> Ekel! – aller einen Spagat vorführt. Doch im Ver-<br />
26 Hier sind Übereinstimmungen mit Gesprächsphänomenen, -stilen und -strukturen in der Peer-<br />
Group-Kommunikation zu konstatieren (vgl. Neumann-Braun/Deppermann/Schmidt i.Dr.;<br />
Deppermann/Schmidt 2001).<br />
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Schmidt · Aggressiver Humor in den <strong>Medien</strong><br />
lauf des Gastauftritts gewinnt Bettina durch ihre Schlagfertigkeit und Ruhe die Sympathie<br />
der Zuschauer und mindert so den Blamage-Effekt, jedoch nicht den Grad der Unterhaltsamkeit.<br />
Festzuhalten bleibt, dass die Unterhaltsamkeit solcher Szenen nicht unbedingt<br />
an die Selbstdiskreditierung des Gastes geknüpft ist, sondern auch an den<br />
Schlagabtausch zwischen Raab und seinen Gästen, wobei es der Unterhaltsamkeit nicht<br />
abträglich ist, wenn auch Raab mal „etwas abbekommt“.<br />
3.2.4 <strong>Medien</strong>gewandtheit der Gäste<br />
Relevant ist weiterhin die Frage, ob mediengewandte Leute „TV total“ besser einschätzen<br />
können und wissen, was sie erwartet bzw. wie sie sich am Besten „aus der Affäre zu<br />
ziehen haben“. Im Fall von Bettina Stark lässt sich vermuten, dass sie wusste, was auf sie<br />
zukommt, und sich deshalb Entsprechendes zurechtlegte. Ihre Tätigkeit als Alleinunterhalterin<br />
befähigt sie, mit Menschen umzugehen, und auch das Agieren vor einem Publikum<br />
bzw. der Umgang mit Moderatoren fällt ihr deshalb leichter als Raabs sonstigen<br />
Gästen. Wer sich hingegen vor seinem Gastauftritt bei „TV total“ nicht mit dem Format<br />
der Sendung befasst hat und sich des Nominierungsrahmens nicht bewusst ist, wird mit<br />
der Art, wie der Moderator mit seinen Gästen umgeht, nicht zurechtkommen. Raab<br />
kann bei diesen Personen sein oben vorgestelltes Konzept voll ausspielen und das Image<br />
seiner Sendung schärfen und ausbauen.<br />
Grob lassen sich vier Arten von Gästen nach dem Kriterium der <strong>Medien</strong>gewandtheit<br />
unterscheiden:<br />
1. professionelle Komiker (etwa Ingolf Lück),<br />
2. sonstige <strong>Medien</strong>-Profis (etwa Karl Moik),<br />
3. Personen aus dem amateurhaften Unterhaltungsbereich (etwa Bettina Stark),<br />
4. Personen aus dem Alltag, die keinerlei Erfahrung mit <strong>Medien</strong>- und Bühnenauftritten<br />
haben (etwa Ali).<br />
Ein weiteres, quer dazu liegendes Kriterium ist die Milieu- oder Zielgruppenspezifik der<br />
eingeladenen Personen. Da die Sendung „TV total“ ein bestimmtes Publikum anspricht,<br />
sind die Gäste bzw. ihre Aktivitäten in den <strong>Medien</strong> mehr oder weniger weit vom Geschmack<br />
des durchschnittlichen Raab-Publikums entfernt. So ist es bspw. ein Unterschied,<br />
ob der Comedy-Star Bastian Pastewka aus der stilistisch ähnlichen Wochenshow<br />
oder etwa Rudi Carell, ein für das „TV total“-Publikum abgehalfterter Possenreißer, auf<br />
Raabs Couch Platz nehmen. Diese Einordnung lässt sich prinzipiell auf alle Bereiche<br />
übertragen (etwa im musikalischen Bereich: Karl Moik im Gegensatz zu Fettes Brot).<br />
Dass Stefan Raab Gäste aus allen stilistischen Bereichen einlädt, gerade auch – aus der<br />
Perspektive der „TV total“-Anhänger – eher negativ zu bewertende Personen, zeigt, wie<br />
bedeutsam die Herstellung von Erwartungshaltungen beim Publikum für die Erzeugung<br />
komischer Situationen ist. Gleichzeitig scheint die stilistische Grundausrichtung<br />
der Gäste den Stil des anschließenden Talks in der Tendenz vorauszubestimmen (so begegnet<br />
Raab Comedy-Stars wie Lück eher affirmativ, nutzt also ihre Fähigkeiten als professionelle<br />
Komiker komisch zu sein, ohne ironische Brechungen, während er eher negativ<br />
bewertete Personen wie Carell oder Moik zu provozieren und Komik dadurch zu<br />
erzeugen versucht, dass diese sich durch ihr unangemessenes Verhalten selbst diskreditieren<br />
bzw. sich auf einen unterhaltsamen Schlagabtausch mit Raab einlassen). Generell<br />
wird Spannung und damit Unterhaltsamkeit durch die latente Aggressivität, die solchen<br />
Situationen inhärent ist, erzeugt. Studio- und Fernsehpublikum sind gespannt, wie sich<br />
Gäste, die Raab zuvor – z. T. schwerstens – diskreditiert hatte, in seiner Sendung „schlagen“.<br />
Raab setzt somit auf die Unterhaltsamkeit von wechselseitigen Face-Verletzungen<br />
219
M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />
sowie Identitätswettkämpfen und arbeitet ganz gezielt auf solche Situationen hin 27 , indem<br />
er von den vermeintlichen Vorlieben seines Publikums besonders abweichende<br />
Personen (wie etwa Patrick Lindner oder Ingo Dubinski) Wochen vorher, z. T. unterstützt<br />
durch allein zu diesem Zweck produzierte Trailer, ankündigt. Im Zentrum des Interesses<br />
steht dann nicht die eingeladene Person, ihre Biografie oder momentanen Pläne<br />
(wie das in anderen Talk-Runden vornehmlich der Fall ist), sondern einzig und allein die<br />
Frage, wie sie auf Stefan Raab reagieren und sich in der Sendung behaupten wird.<br />
4. Resümee<br />
Abschließend lassen sich folgende allgemeine Merkmale des Formats „TV total“ sowie<br />
der Gesprächsstrategie Raabs bezüglich seiner Gäste festhalten:<br />
• „Jahrmarktsprinzip“ 28 : Selektionskriterium für <strong>Medien</strong>zitate und Gäste (Nominierungen)<br />
ist die Abweichung von Gewohntem oder Erwartetem. Eingang in die Sendung<br />
finden Ereignisse, die in irgendeiner Hinsicht abstrus, skurril oder lächerlich<br />
sind.<br />
• Umdeutungen und -wertungen: Raab kündigt in seinen Sendungen ständig etwas<br />
„Tolles“, „Spektakuläres“ oder „Sensationelles“ an. Die Einlösung solcher Ankündigungen<br />
erfolgt <strong>zum</strong>eist in Form von TV-Ausschnitten, die einer an traditionellen<br />
Maßstäben gemessenen positiven Bewertung widersprechen. Raab verwendet durchgehend<br />
hyperbolische Wendungen, die dann in scharfen Kontrast <strong>zum</strong> Gezeigten treten,<br />
so dass seine Lobeshymnen ironisch interpretierbar werden. Gleichzeitig etabliert<br />
und prozessiert er damit sein Sendekonzept: „Toll“ ist nicht das, was andere intentional<br />
als sehenswert hervorbrachten, sondern eben gerade das, was sie an unangemessenem<br />
Verhalten nebenbei, unintentional (mit)produzierten. Fokussiert und systematisch<br />
gesucht werden Situationen, in denen Menschen sich blamieren, Dinge tun,<br />
27 Mit „solchen Situationen“ sind offene und kontingente Face-to-Face-Interaktionen gemeint,<br />
die durch Raabs Verhalten in der Vergangenheit stark vorbelastet sind, gewissermaßen also von<br />
einer öffentlichen Interaktionsgeschichte begleitet werden. Die Tatsache, dass sich Raab über<br />
jemanden lustig macht oder schlecht über jemanden redet, ist nicht entscheidend (das wird in<br />
fast jeder Comedy-Serie/-Show getan). Der ausschlaggebende Unterschied – gerade auch für die<br />
Unterhaltsamkeit solcher Angriffe – besteht darin, dass Raab erklärte Gegner einlädt bzw. solchen<br />
Personen seine schlechte Meinung über sie „direkt ins Gesicht sagt“. Dieses „Hahnenkampfprinzip“<br />
als Attraktionsstrategie verwenden im übrigen Daily Talks ebenso wie herkömmliche<br />
Talkshows (etwa konnte „Die Johannes B. Kerner-Show“ (ZDF) selten so hohe<br />
Einschaltquoten verzeichnen, wie in der Sendung, in der Alice Schwarzer und Verona Feldbusch<br />
„gegeneinander antraten“).<br />
28 Dem Vergleich mit einem Jahrmarkt liegt folgende Überlegung zu Grunde: Ähnlich wie auf einem<br />
Jahrmarkt preist Stefan Raab (gewissermaßen als Marktschreier) ohne Unterlass Sensationen<br />
an (der Ausspruch: „sensationell“ avancierte zu einem Markenzeichen der Raabschen Moderation).<br />
Konstitutiv für solche Sensationen ist ein Hang <strong>zum</strong> Abseitigen gepaart mit der<br />
Schaulust des Publikums (hierin den typischen Jahrmarkts-Sensationen, etwa „Der stärkste<br />
Mann der Welt“ oder „Die Frau ohne Unterleib“, ähnlich). So hat alles, was in irgendeiner Form<br />
vom Normalen abweicht, eine Chance, Eingang in die Sendung zu finden: Menschen mit deformierten<br />
Körperteilen, Sprachfehlern und sonstigen Defekten, Personen, die unsinnige und<br />
abstruse Erfindungen präsentieren, sich in penetranter Weise selbst darstellen oder denen drastische<br />
Missgeschicke wiederfuhren. Von der aus heutiger Sicht oft tragischen Komik von Jahrmarktssensationen<br />
weit entfernt präsentiert Raab seine Sensationen im Minutentakt und wohlwissend,<br />
dass darüber eher gelacht als gestaunt wird.<br />
220
Schmidt · Aggressiver Humor in den <strong>Medien</strong><br />
über die andere lachen, ohne dass sie selbst es darauf angelegt hätten, andere auf diese<br />
Weise <strong>zum</strong> Lachen zu bringen – kurz: zentrale Quelle von Humor ist unfreiwillige<br />
Komik (dieses Prinzip setzt sich im Gäste-Talk in radikalisierter Form fort; s. u.).<br />
• Aggression, Tabubrüche und Diskreditierungen: Wesentliches Merkmal der Sendung<br />
ist es, dass Tabuthemen aufgegriffen und andere Personen/Sendungen/Institutionen<br />
mit Face-Angriffen bedacht oder direkt konfrontiert werden. Quelle des Humors ist<br />
zunächst die Aggression als solche und weiterhin die Reaktionen angegriffener Personen<br />
(s.u.). In dieses Schema passen auch die Außenreportagen im Stile von Krisenexperimenten.<br />
• Live-Publikum: Die Form der Unterhaltung in „TV total“ offenbart sich u. a. auch<br />
am Verhalten und der Einbeziehung des Studio-Publikums: Zunächst ist das Publikum<br />
der primäre Ansprechpartner des Moderators in der Sendung. Die Präsentation<br />
von Fundstücken, pseudoaufklärerischen Berichten und sensationellen Ereignissen<br />
ist unmittelbar an die Präsenz und die direkte Reaktion eines Publikums gebunden.<br />
Auch die Kommunikation mit <strong>Medien</strong>versatzstücken und sonstigen fest etablierten<br />
kommunikativen Elementen (Knöpfe, Kellen, Pulleralarm) ist auf die Interaktion mit<br />
einem Studiopublikum angewiesen. Darüber hinaus fungiert das Publikum als Zeugenschaft<br />
und Resonanzkörper für die anvisierten Face-Verletzungen, teilweise konspiriert<br />
es mit dem Moderator bei der Herstellung spielerischer Als-Ob-Situationen<br />
(vgl. die Analyse „Ali“).<br />
• Kontextmanagement: Raab verwendet eine Fülle von <strong>Medien</strong>zitaten in dekontextualisierender<br />
Weise. Besonders absurde Ausschnitte aus der Fernsehrealität werden<br />
zunächst erläuternd eingeführt, durch die Knöpfe technisch reproduzierbar gemacht,<br />
durch häufiges Verwenden etabliert, damit aus ihrem ursprünglichen Zusammenhang<br />
herausgelöst und in der Folge in kreativer Weise in verschiedensten Situationen wiederverwendet.<br />
Mit dieser Technik erzeugt Raab Running Gags und schafft sich somit<br />
die Möglichkeit, auf Publikums- und Gäste(re)aktionen spontan und witzig zu<br />
reagieren. Eine ähnliche Funktion haben die Respekt- und Pfui-Kellen.<br />
• Generierung von Komik durch Neurahmung und Redundanz: Ein Großteil der Sendung<br />
besteht aus dem Aufgreifen bereits gesendeter TV-Szenen, deren komisches Potenzial<br />
<strong>zum</strong>indest zweifelhaft ist. Erst durch den Eingang in die Comedy-Show „TV<br />
total“ erhalten solche Szenen eine komische Rahmung, vor allem durch eine klare Rezeptionssteuerung<br />
von Seiten des Moderators („Ich hab was Tolles gesehen …“,<br />
„Gucken Sie sich das bitte mal an“ etc.). Häufig werden Ausschnitte mehrmals gezeigt,<br />
durch den Moderator aufwändig erklärt und gerahmt und z. T. am Monitor<br />
durch den Moderator akribisch „zerpflückt“ (mit Techniken wie Standbild, Vor- und<br />
Zurück-Laufen-Lassen, Slow-Motion etc.). Typisch für „TV total“ ist es, dass der Begriff<br />
des Komischen sehr weit auslegt wird, <strong>zum</strong> Teil so weit, dass die Komik darin<br />
besteht, dass etwas als komisch gerahmt wird, was im Original alles andere als komisch<br />
ist, und durch den Moderator solange darauf beharrt wird, dass es komisch ist<br />
(Redundanz), bis die penetranten Versuche und die absurde Situation, die durch solch<br />
iteratives Versuchen entsteht, das eigentlich Komische ist 29 .<br />
29 Prototypische Beispiele wären hier der verschossene Elfmeter von Uli Hoeneß bei der Weltmeisterschaft<br />
1974 oder der kurze Auftritt von Berti Vogts in einer Tatortfolge. Beide TV-Ausschnitte<br />
erzeugten bei einmaligen Zeigen in der Sendung nur wenig Erheiterung beim Publikum.<br />
Erst durch das penetrante Wiederholen, die infantile Freude des Moderators und die ständigen<br />
Neu-Rahmungen des Gezeigten konnten die Ausschnitte Komik hervorbringen.<br />
221
M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />
• Prinzip der Albernheit und Lieblosigkeit: Typisches Element Raabscher Komik ist<br />
darüber hinaus ein alberner bis respekt- bzw. liebloser Kommunikations- und Moderationsstil,<br />
wodurch <strong>zum</strong> einen eine durchgehend unernste Modalität etabliert<br />
wird und <strong>zum</strong> anderen die auf diese Weise eingeführten und behandelten Objekte<br />
(Personen, Ereignisse) per se eine Abwertung erfahren. Typisch hierfür sind die<br />
schnoddrigen, z. T. vulgärsprachlich gehaltenen „Reportagen“ über aktuelle Themen<br />
(MAZ-Einblendungen) oder die Gewinn-Spiele, in denen lieblos vorgestellte Personen<br />
ein Treppengeländer möglichst schnell herunterrutschen müssen oder „Schnick-<br />
Schnack-Schnuck“ um hohe Geldsummen spielen.<br />
• Die Herstellung von „Kultigem“ am Fließband: Wenn etwas <strong>zum</strong> Kult geworden ist,<br />
so sind das üblicherweise Objekte, die im Laufe der Zeit durch Rezeptionsprozesse<br />
einen Status in der populären Kultur erlangt haben, den sie intentional oder auch in<br />
ihrer Zeit nie erreicht hätten (bes. augenfällig an Revivals). Raab versteht es, Objekten<br />
in kürzester Zeit einen solchen Status zu verleihen, indem er seine Sendung dazu<br />
verwendet, solche Objekte„aufzubauen“. Sie werden dort eingeführt, es entstehen<br />
Songs, Gerüchte, Web-Pages und eine „Story“, die kontinuierlich gepflegt wird (herausragendstes<br />
Beispiel: „Maschendrahtzaun“).<br />
• Vorab-Diskreditierung der Gäste durch Anti-Preis-Rahmung: In der TV-total-Rhetorik<br />
sind Gäste eingeladen, weil sie für einen Fernsehpreis, den „Raab der Woche“<br />
nominiert wurden. Ihnen wird auf diese Weise eine besondere Leistung bescheinigt,<br />
die eine Würdigung durch einen Preis verdient. Aber aufgrund des für die Sendung<br />
konstitutiven Rahmens des Unernsts handelt es sich eben um einen Anti-Preis. Honoriert<br />
wird demzufolge – augenzwinkernd – ein ungemessenes oder lächerliches<br />
Verhalten, das – spielerisch – mit einem Preis ausgezeichnet wird. Wer für einen<br />
„Raab der Woche“ nominiert ist, weiß in der Regel, dass andere über unfreiwillig komische<br />
Aspekte seiner Person gelacht haben und durch seinen neuerlichen Auftritt<br />
im Fernsehen, der eben durch diesen Fauxpas motiviert ist, erneut lachen werden<br />
bzw. sollen.<br />
• Natürliche Komik und Vorführ-Humor: Wer unter solchen Vorzeichen in eine Sendung<br />
eingeladen wird, soll der Lächerlichkeit preisgegeben werden – das wissen <strong>zum</strong>indest<br />
die Zuschauer und Raab, aber auch ein Großteil seiner Gäste. Nicht besondere<br />
Fertig- oder Fähigkeiten des Gastes, sondern unintentional hervorgebrachte,<br />
komische Aspekte der Person stehen im Vordergrund, die in der Sendung – womöglich<br />
– reinszeniert werden sollen. Aus diesen Voreinstellungen bezüglich des Gastauftritts<br />
resultiert eine besondere Kommunikationssituation, die sich dadurch auszeichnet,<br />
dass der Gast von vornherein unter immensem Handlungs- und Selbstdarstellungsdruck<br />
steht: Spannung und Rezeptionsvergnügen entsteht durch den auf<br />
diese Weise unweigerlich entstehenden Versuch des Gastes, sein Gesicht zu wahren.<br />
Wie geht er mit dieser gesichtsverletzenden Situation um, wie zieht er sich aus der Affäre<br />
und hat er Raab etwas entgegenzusetzen? Das sind die Fragen, die in der Raabschen<br />
Sendung im Vordergrund stehen und als Markenzeichen der Sendung gelten.<br />
• Spielen mit kommunikativen Regeln und Höflichkeitsstandards 30 : Die Hauptquelle<br />
der Komikgenerierung während des Gästetalks liegt demzufolge auch in der Kontingenz/Offenheit<br />
der initiierten Kommunikationssituation als identitärer Wettbewerb:<br />
In den Analysen konnte gezeigt werden, dass Stefan Raab seine Gäste systematisch<br />
durch das Brechen kommunikativer Idealisierungen zu verunsichern ver-<br />
30 Vgl. Brown/Levinson 1987.<br />
222
Schmidt · Aggressiver Humor in den <strong>Medien</strong><br />
sucht. Dies zeigt sich darin, dass er seine Gäste absichtlich missversteht, Interesse<br />
ironisch gebrochen heuchelt, nebensächliche Details penetrant fokussiert und ständig<br />
versucht, Inkonsistenzen und Fehlerhaftes in der Rede seines Gegenübers aufzudecken,<br />
um ihn auf diesem Wege zu diskreditieren. Er bricht darüber hinaus ständig<br />
die in Alltagsgesprächen gebräuchlichen Höflichkeitsstandards und konversationellen<br />
Regeln: Er fällt dem Gast fortwährend ins Wort, hört demonstrativ nicht zu, steht<br />
unvermittelt auf, fasst seinen Gast plötzlich an, produziert offensichtlich unwahre,<br />
inkohärente und irrelevante (Themen-) Beiträge, befiehlt unverblümt etwas oder<br />
beendet die Unterhaltung oder die Vorführung des Gastes in barscher Art und Weise.<br />
Durch solches als Respektlosigkeit und Face-Verletzung zu interpretierendes<br />
Kommunikationsverhalten entstehen häufig verbale Duelle. Raab bewegt sich damit<br />
ständig auf der Kippe zwischen kumpelhaftem Humor und verletzender Provokation.<br />
Gerade diese Gradwanderung und die Spannung, wie sich eine Situation entwickelt,<br />
bringen jene Unterhaltsamkeit hervor, die typisch für „TV total“ geworden<br />
ist.<br />
Abschließend bleibt festzuhalten, dass die immanente Veränderung unterhaltender TV-<br />
Genres format- und detailanalytischer Betrachtungen bedarf, die darüber hinaus die Generierung<br />
von Humor nicht an schematischen Produktionsprinzipien (wie etwa Inkongruenz)<br />
festmachen, sondern kontextsensitive Konzepte wie Beteiligungskonstellation,<br />
Rahmung und Face-Work stärker mit einbeziehen. 31<br />
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31 Zu einem solchen Versuch vgl. Brock 1998.<br />
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[ ] Parallel gesprochene Passagen mehrerer Sprecher<br />
(.) Mikropause<br />
(-) kurze Pause<br />
(—) Pause bis eine Sekunde<br />
(1,0) Pause in Sekunden<br />
un=äh Kontraktion innerhalb/zwischen Einheiten, schneller Anschluss<br />
: Dehnung<br />
akZENT Hauptakzent<br />
225
M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />
<br />
Intonationssprung nach oben<br />
<br />
Intonationssprung nach unten<br />
? hoch steigende Intonation am Einheitenende<br />
, mittel steigende Intonation am Einheitenende<br />
- gleich bleibende Intonation am Einheitenende<br />
; mittel fallende Intonation am Einheitenende<br />
. tief fallende Intonation am Einheitenende<br />
(solche) vermuteter Wortlaut<br />
Kommentar zu einer Redepassage<br />
forte, laut<br />
piano, leise<br />
((lacht)) Beschreibung nonverbaler Aktivitäten<br />
226
BERICHTE<br />
Wie kommt die Musik ins Radio?<br />
Stand und Stellenwert der Musikforschung bei deutschen Radiosendern<br />
Holger Schramm / Sven Petersen / Karoline Rütter / Peter Vorderer<br />
Seit Einführung des dualen Rundfunksystems in Deutschland ist eine zunehmende Formatierung<br />
von Hörfunksendern zu verzeichnen. Insbesondere die Musik als zentraler<br />
Programminhalt definiert das Format eines Senders und bestimmt seine Hörerschaft. Um<br />
ein optimal auf die Zielgruppe abgestimmtes Musikprogramm zu gewährleisten, wird<br />
immer weniger auf das Bauchgefühl der Musikredakteure und immer mehr auf Zahlen<br />
aus der Musikforschung vertraut. Der Beitrag beschreibt den defizitären Forschungsstand<br />
dieses Themas und gibt einen Überblick über gebräuchliche Musiktests, die in der<br />
kommerziellen Radioforschung eingesetzt werden. Er zitiert Zahlen <strong>zum</strong> Stand und<br />
Stellenwert der Musikforschung deutscher Radiosender zu Beginn der 90er-Jahre und<br />
dokumentiert zwei sich ergänzende Studien, die den Stand im Jahre 2001 wiedergeben.<br />
Abschließend werden die Ergebnisse im Hinblick auf die Entwicklung der Musikforschung<br />
in den letzten zehn Jahren interpretiert und die Frage beantwortet, ob die<br />
Musikforschung oder aber das Bauchgefühl der Musikredakteure als wichtiger für die<br />
Gestaltung von Musikprogrammen erachtet wird.<br />
Keywords: Radioforschung, Musikforschung, Musikprogramm, Musikformat, Musikredaktion<br />
1. Fragestellung und Stand der Forschung<br />
Jeder mag sich schon einmal beim Hören eines Radiosenders gefragt haben, warum nur<br />
ganz bestimmte Musiktitel gespielt werden, warum diese Musiktitel sogar mehrmals täglich<br />
und andere Titel gar nicht gespielt werden, warum man oft so wenig von der eigenen<br />
Lieblingsmusik hört und warum man immer mehr den Eindruck gewinnt, die<br />
Musiktitel unterscheiden sich kaum voneinander und „verkommen“ zu einem einheitlichen<br />
„Musikklangteppich“. Welche Faktoren und Auswahlprozesse also darüber entscheiden,<br />
welche Musik wie oft und über welchen Zeitraum im Radio gespielt wird. Diese<br />
Frage birgt eine hohe Alltagsrelevanz für alle Radionutzer. Denn für sie dürfte es<br />
weniger bedeutend sein, seit wann es <strong>zum</strong> Beispiel das Radio gibt, wie die technische<br />
Übermittlung der Funksignale funktioniert, welche Regulierungs- und Lizenzierungsinstanzen<br />
über die Radioprogramme bestimmen, welche Rechtsquellen den Rundfunk<br />
regeln und wie viele Bundesbürger täglich wie lange und zu welchen Zeitpunkten Radio<br />
hören. Wichtiger ist wohl, ob sie einen Radiosender finden, der ihrem Musikgeschmack<br />
entspricht, wenn sie auf dem Weg zur Arbeit (oder gar bei der Arbeit) täglich immer wieder<br />
die gleiche Musik hören, sowie die Zusammenstellung und die Abfolge der Musik<br />
und die Frage, ob diese ihren Hörgewohnheiten und -erwartungen entspricht.<br />
Trotz der Tatsache, dass das Radio im Vergleich zu anderen Massenmedien (und mittlerweile<br />
selbst <strong>zum</strong> Internet) unterforscht ist, verwundert es, dass derartige Fragen allenfalls<br />
von Insidern beziehungsweise den Radioschaffenden, jedoch nicht von der medienwissenschaftlichen<br />
Literatur angemessen bearbeitet werden. Gleich (1995) stellt in<br />
seinem Überblick über Methoden, Defizite und Perspektiven der Hörfunkforschung in<br />
Deutschland einen Mangel an Studien über die spezifische Wirkung von Musik im Radio<br />
sowie eine Vernachlässigung rezipientenorientierter Ansätze fest. Dass eine eigene<br />
227
M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />
Musikforschung der Radiosender beziehungsweise ihrer Beratungsinstitute existiert<br />
und dies ein interessanter und relevanter Forschungsbereich ist, erfährt man indes nicht;<br />
auch nicht in dem von Bucher, Klingler und Schröter (1995) herausgegebenen Band, der<br />
immerhin den Anspruch erhebt, aktuelle Forschungsfragen mit besonderer Bedeutung<br />
für den Hörfunk der 90er-Jahre zu behandeln und eine Standortbestimmung zu markieren.<br />
Dieser Band bietet einen separaten Abschnitt mit sechs Beiträgen über Nachrichtenkonzepte,<br />
aber nicht einen einzigen Beitrag über Musikkonzepte, obwohl Musik<br />
im Vergleich zu den Wortbeiträgen den Großteil der meisten Radioprogramme ausmacht<br />
und kommerzielle Musikforschung selbst bei deutschen Radiosendern Mitte der<br />
90er-Jahre bereits seit ca. zehn Jahren etabliert war. Amerikanische Quellen bieten hier<br />
mehr: So kann man im Überblick (vgl. Balon, 1990) und sogar im Detail (vgl. Fletcher,<br />
1987) nachlesen, welche Musiktests wie und warum durchgeführt werden. Bei MacFarland<br />
(1997) erfährt man weniger über die spezifischen Musiktests als vielmehr über den<br />
Zusammenhang von Stimmungen der Hörer und Musikeigenschaften sowie über die<br />
Implikationen für die Programmierung von Musik im Radio. Quellen über den Stand<br />
und Stellenwert der Musikforschung in den USA sowie über den Einfluss diverser Faktoren<br />
auf das Musikprogramm der Radiosender sind jedoch insgesamt Mangelware.<br />
Welche Faktoren bestimmen die Musikzusammenstellung eines Radioprogramms?<br />
Einige von ihnen liegen auf der Hand oder sind bereits erforscht und sollen daher nicht<br />
im Fokus dieses Artikels stehen. So erklärt es sich von selbst, dass gerade aufgrund umkämpfter<br />
Hörermärkte und der damit einhergehenden Formatierung von Radioprogrammen<br />
die Musik <strong>zum</strong> Radioformat und der anvisierten Zielgruppe passen muss. Ein<br />
Oldie-Sender kann nicht „die Hits der 80er und 90er und das Beste von heute“ spielen,<br />
da er seine Kernkompetenz und sein Image im Bereich der Oldies aufbauen muss, um<br />
Stammhörer, die diese Musik mögen, möglichst auf Dauer zu gewinnen. Ein weiterer<br />
wichtiger Einflussfaktor sind die Musikkonzerne, die mit immer aufwändigeren Promotionpaketen<br />
die Radiosender bemustern und sie dazu bewegen wollen, ihre Musikprodukte<br />
zu spielen. Dass solche Aktionen die Airplay-Einsätze von Musiktiteln und<br />
damit ihren Erfolg begünstigen, ist mittlerweile unbestritten (vgl. von Zitzewitz, 1996).<br />
So hat in den USA die Verflechtung von Musikindustrie und Radiosendern mittlerweile<br />
ein alarmierendes Ausmaß angenommen (vgl. Deul, 9. April 2001).<br />
Letzte Instanz für die Entscheidung über das Spielen oder Nichtspielen von Musiktiteln<br />
ist jedoch in der Regel die Musikredaktion eines Senders. Sie begutachtet die von<br />
den Musikkonzernen beworbene Musik nach ihrer Tauglichkeit für das eigene Programm,<br />
sie verfolgt die Entwicklung von Musiktiteln anhand internationaler und nationaler<br />
Charts, sie informiert sich via MTV und VIVA über Neuerscheinungen, die im<br />
Fernsehen meist eher laufen als im Radio, sie verschafft sich in Diskos und Musikclubs<br />
einen eigenen Eindruck über die Wirkung von spezieller Musik auf ihre Hörer und entscheidet<br />
schließlich größtenteils unreflektiert, welche Musik gespielt werden soll und<br />
welche nicht (vgl. Haas, Frigge & Zimmer, 1991).<br />
Diesem subjektiven und qualitativen Auswahlprozess steht die standardisierte Musikforschung<br />
in Form von Musiktests mit <strong>zum</strong> Teil sogar repräsentativen Stichproben<br />
gegenüber. Mit Beginn des dualen Rundfunksystems in Deutschland beziehungsweise<br />
mit Beginn des kommerziellen Wettstreits um Radiohörer und Marktanteile wurden sowohl<br />
die bereits mehrere Jahrzehnte bewährten Radioformate als auch die Musikforschung<br />
aus den USA adaptiert (vgl. Hofmann, 1993; Neuwöhner, 1998). So verwundert<br />
es auch nicht, dass Coleman Research, der Marktführer der kommerziellen Radioforschung<br />
in den USA, mittlerweile auch in Europa präsent ist und in Deutschland die Musikforschung<br />
für Radiosender maßgeblich mit prägt (vgl. Abschnitt 3: Ergebnisse). Be-<br />
228
Schramm / Petersen / Rütter / Vorderer · Musikforschung<br />
obachtet man die Radioszene und spricht man mit Insidern, so erhält man Hinweise,<br />
dass im vergangenen Jahrzehnt neben das unreflektierte Gefühl der Musikredakteure<br />
mehr und mehr die Zahlen und Ergebnisse der Musikforschung als Planungsgrundlage<br />
für die Musikprogramme getreten sind. Die einschlägige Literatur kann dies nur unzureichend<br />
belegen (vgl. <strong>zum</strong> Beispiel: Haas, Frigge & Zimmer, 1991; Neuwöhner, 1998,<br />
Gushurst, 2000). Die einzige uns bekannte Studie, die diesem Aspekt Rechnung trägt,<br />
ist eine Diplomarbeit von Hofmann (1993), und die ist schon einige Jahre alt und kann<br />
deshalb keine verlässlichen Zahlen für den aktuellen Stand der Musikforschung liefern.<br />
Nichtsdestotrotz war sie ein Ausgangspunkt für unsere eigenen Studien und diente als<br />
Vorlage für ein modifiziertes Erhebungsinstrument. Um den Wissensstand vor Durchführung<br />
unserer Studien zu dokumentieren, werden im Folgenden kurz die gängigsten<br />
Musiktests, ihre Testkriterien und Durchführungsmodalitäten sowie ihr Stellenwert –<br />
entsprechend der Studie von Hofmann – dargestellt.<br />
Danach bestimmen zwei Arten von Musiktests das Feld der kommerziellen Musikforschung:<br />
Telefonbefragungen beziehungsweise Call-Outs und Auditorium-Tests. Telefonbefragungen<br />
sind schneller und günstiger durchzuführen und werden daher von<br />
den meisten Radiosendern präferiert. Dabei werden wöchentlich oder <strong>zum</strong>indest alle<br />
zwei Wochen zehn bis 30 Musiktitel in Form von Hooks (markanter Ausschnitt eines<br />
Titels mit einer Länge von ca. acht bis zwölf Sekunden und mit dem vermeintlich höchsten<br />
Wiedererkennungswert, meist aus dem Refrain) ca. 100 bis 120 zufällig ausgewählten<br />
Befragten über das Telefon vorgespielt. Jeder Titel wird von diesen Teilnehmern auf<br />
mehrere Kriterien hin beurteilt. In der Regel handelt es sich um drei Aspekte: Bekanntheit<br />
(„Haben Sie diesen Titel schon einmal gehört?“), Gefallen („Wie gefällt Ihnen dieser<br />
Titel?“) und Sättigung („Würden Sie diesen Musiktitel in Ihrem meistgehörten Radioprogramm<br />
gerne häufiger hören?“). Über die Sättigung (auch Burn Out genannt) wird<br />
primär ermittelt, ob sich die Hörer an dementsprechenden Titeln überhört haben. Bei<br />
den Telefonbefragungen werden insbesondere solche Titel getestet, die sehr häufig im<br />
Radio gespielt werden, sich also in einer hohen Rotation befinden und bei denen Sättigungstendenzen<br />
wahrscheinlicher sind. Als Vorteile der Telefonbefragungen nennen<br />
Haas, Frigge und Zimmer (1991, S. 323) unter anderem die schnelle Reaktion auf Stimmungsschwankungen<br />
der Hörer und die kontinuierliche und in kurzen Abständen durchgeführte<br />
Beobachtung von Musiktitelentwicklungen. Titel können so bei bestimmten<br />
Kennwerten zeitnah in die Playlist aufgenommen oder ausgeschlossen werden. Hin und<br />
wieder werden zu den bereits genannten drei Kriterien zusätzliche Fragen, <strong>zum</strong> Beispiel<br />
nach der Senderaffinität, nach dem emotionalen Ausdruck der Musik oder nach der gewünschten<br />
Tageszeit, zu der ein Titel gespielt werden soll, geschaltet. Die Ergebnisse der<br />
drei Kriterien Bekanntheit, Gefallen und Sättigung werden anschließend zu einem so genannten<br />
Power-Score verdichtet und durch die Kombination mit Soziodemographieund<br />
<strong>Medien</strong>nutzungsdaten in zielgruppenspezifische Titelindizes überführt, aus denen<br />
leicht abzulesen ist, welcher Titel bei welchen Hörern gut oder weniger gut abschneidet.<br />
Angereichert mit Zusatzinformationen über diverse Musikparameter wie Musikgenre,<br />
Tempo, Instrumentierung, Geschlecht des Interpreten, Vorlaufzeit bis <strong>zum</strong> Beginn des<br />
Gesangs, Titellänge, Art des Titelendes (Cold = abruptes Ende, Cold Fade/Quick =<br />
schnelles Ausblenden, Fade = langsames Ausblenden) und gewünschter Rotation werden<br />
die Titel in Datenbänke eingespeist, auf deren Grundlage spezielle Computerprogramme,<br />
wie <strong>zum</strong> Beispiel Selector, auf die Hörerzielgruppe abgestimmte Musikprogrammabläufe<br />
errechnen (vgl. Linnenbach, 1987; Münch, 1998). Diese müssen von einem<br />
Musikredakteur nur noch dergestalt nachbearbeitet werden, dass ein harmonischer<br />
und der Senderphilosophie entsprechender Musikablauf gewährleistet ist.<br />
229
M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />
Die Auditorium-Tests hingegen sind um einiges aufwändiger und werden auch deshalb<br />
nur ein- bis zweimal pro Jahr von den Radiosendern finanziert. Eine Gruppe von<br />
bis zu 300 Personen wird nach bestimmten Quoten – meist entsprechend der soziodemographischen<br />
Zusammensetzung der Zielgruppe – rekrutiert und in ein Hotel, einen<br />
Kino- oder Hörsaal eingeladen. Dort bekommen sie bis zu 300 Musiktitel am<br />
Stück in Form von Hooks vorgespielt und müssen Bewertungen anhand der oben genannten<br />
Kriterien vornehmen. Die Gruppe hört die Titel entweder gemeinsam über<br />
eine Stereoanlage, wobei gegenseitige Ablenkung und mögliches Gruppenverhalten die<br />
Validität der Daten einschränken, oder bekommt die Titel in einer individuellen, randomisierten<br />
Reihenfolge per Kopfhörer vorgespielt. Beim ersten Fall werden Reihenfolgeeffekte<br />
dadurch neutralisiert, dass man einer zweiten gleich großen Gruppe die Titel<br />
in genau umgekehrter Abfolge (Spiegelbild-Methode) vorgibt. Die Auditorium-<br />
Tests eignen sich <strong>zum</strong> Testen großer Teile der Playlist, also auch derjenigen Titel, die<br />
sich nicht in der höchsten Rotationsstufe befinden. Laut Haas, Frigge und Zimmer<br />
(1991, S. 323 – 324) haben sie überdies die Vorteile, eine sehr große Datenmenge innerhalb<br />
kürzester Zeit zu generieren und die Klangqualität der Hooks im Vergleich zu den<br />
Telefoninterviews zu verbessern beziehungsweise im Fall von Kopfhörereinsatz sogar<br />
zu optimieren.<br />
Neben diesen beiden Hauptmethoden kommen bei einzelnen Sendern hin und wieder<br />
auch alternative Musiktests <strong>zum</strong> Einsatz (vgl. Hofmann, 1993). Zu nennen sind hier<br />
qualitative Methoden (z. B. Gruppendiskussionen mit Fokusgruppen), der Call-In<br />
(Hörer können per Anruf beim Sender ein Band mit Hooks abhören und diese bewerten),<br />
die schriftliche Befragung (Hörern werden Fragebögen zugesandt, auf denen die<br />
zu bewertenden Titel mit Interpreten gelistet sind. Der Hörer muss den Titel also auch<br />
ohne unmittelbaren Höreindruck zuordnen und bewerten können) und der Walkman-<br />
Test (Hörer werden wie beim Auditorium-Test eingeladen und können sich eine Kassette<br />
mit ca. 20 Hooks über einen Walkman wiederholt anhören, bevor sie die Titel bewerten).<br />
Neuwöhner (1998) weist bezüglich der Unterschiede zwischen privaten und<br />
öffentlich-rechtlichen Sendern darauf hin, dass beide zwar ähnliche Methoden einsetzen,<br />
dass sich die privaten Sender aber auf die so genannte „Akzeptanzforschung“ beschränken<br />
können, während der öffentlich-rechtliche Hörfunk auch eine Abbildung<br />
anderer Bewertungsdimensionen sicher stellen muss. Um Programmverantwortlichen<br />
von Kultur- oder Informationssendern angemessene Entscheidungshilfen an die Hand<br />
zu geben, ist ein breiteres und qualitativeres Methodenspektrum gefragt.<br />
Ein spezieller Fall von Musiktest ist die Mapping-Studie, die meist bei Neugründung<br />
oder Neupositionierung eines Radiosenders vorgeschaltet wird: Nach Aussage einer<br />
von uns befragten Musikexpertin werden bis zu 45 Musikstilrichtungen getestet und<br />
jeweils durch drei Titel beziehungsweise Hooks repräsentiert. Ziel der Studie sei es,<br />
Aussagen treffen zu können, wie viele potenzielle Hörer welche Musik mögen, welche<br />
Musikpräferenzen sich überschneiden beziehungsweise ausschließen und welche Art<br />
von Musik bei welchem Sender vermutet wird, um somit eine Marktlücke bezüglich der<br />
Hörer und der Senderimages zu finden. Selbst von Sendern, die keinen Relaunch vollziehen<br />
wollen, würden Mapping-Studien zwecks Beobachtung des sich schnell wandelnden<br />
Marktes etwa alle drei Jahre in Auftrag gegeben.<br />
Repräsentative Aussagen über die Musikforschung bei Radiosendern lassen sich kaum<br />
formulieren, da die Sender ihre Informationen nur selten und äußerst ungern preisgeben.<br />
Sie betrachten ihre Musikforschung häufig als „Erfolgsgeheimnis“, obwohl den<br />
meisten Radioschaffenden der hohe Standardisierungsgrad der Musiktests bekannt ist.<br />
So hat Hofmann (1993) auch „nur“ 80 auskunftsbereite Sender gefunden, die er befra-<br />
230
Schramm / Petersen / Rütter / Vorderer · Musikforschung<br />
gen konnte. 50 Prozent davon gaben an, Musikforschung zu betreiben. Unter den öffentlich-rechtlichen<br />
Sendern war der Anteil mit 58 Prozent höher als bei den privaten<br />
Sendern mit 46 Prozent. Von den 40 Sendern mit Musikforschung nutzten 22 Sender<br />
ihre eigenen Methoden, 18 Sender beauftragten ein Institut, und zwei Sender forschten<br />
sowohl intern wie auch extern. Telefonumfragen waren dabei die beliebteste Methode:<br />
25 Sender testeten ihre Hooks über das Telefon, 14 Sender ließen Auditorium-Tests<br />
durchführen, und zwölf Sender nutzten andere Musiktests. Sender, die keine Musikforschung<br />
betrieben, gaben als Gründe die hohen Kosten, mangelndes Vertrauen in Methoden<br />
und Ergebnisse und die fehlende Konkurrenzsituation im eigenen Hörermarkt<br />
an. Der Stellenwert der Musikforschung war ungeachtet der Kontra-Argumente jedoch<br />
schon zu Anfang der neunziger Jahre verhältnismäßig hoch: „Gefragt nach der wichtigsten<br />
Informationsquelle für ihre Entscheidungen, nannten 36 Prozent der Sender die<br />
Einschätzung beziehungsweise das Gefühl der Musikredaktion. An zweiter Stelle steht<br />
die Musikforschung mit 18 Prozent“ (Hofmann, 1993, S. 54). Beschränkt man die Aussage<br />
auf die Sender, die Musiktests durchführen und von daher auch auf „harte“ Zahlen<br />
bauen können, geben bereits 35 Prozent die Musikforschung und nur noch 28 Prozent<br />
ihr eigenes Gefühl als wichtigste Informationsquelle an (S. 55).<br />
Die Ergebnisse Hofmanns dürften mittlerweile überholt sein. Die geringe Auskunftsbereitschaft<br />
der Sender und das fehlende Interesse der <strong>Medien</strong>- und Kommunikationswissenschaft<br />
an diesem Bereich der Forschung haben aber dazu beigetragen, dass<br />
auf keine aktuelleren Informationen <strong>zum</strong> Stand und Stellenwert der Musikforschung bei<br />
deutschen Radiosendern und zu deren Akzeptanz und Bewertung von Musiktests<br />
zurückgegriffen werden kann. Ein erneutes, systematisches Erforschen dieses Bereiches<br />
war also geboten und wurde von uns in Form von zwei Teilstudien umgesetzt. Folgende<br />
Forschungsfragen standen dabei im Vordergrund:<br />
1. In welchem Umfang und in welcher Konstellation (extern/intern) betreiben deutsche<br />
Radiosender Musikforschung? Welche Musiktests werden dabei wie häufig eingesetzt?<br />
2. Wie werden die Methoden und Ergebnisse bewertet? Welche Gründe sprechen gegen<br />
Musikforschung?<br />
3. In welchem Ausmaß beeinflusst die Musikforschung die Programmgestaltung der<br />
Sender?<br />
4. Auf welche Weise gelangen neue, unbekannte Musiktitel in die Playlist?<br />
5. Gibt es Unterschiede bezüglich Art, Umfang, Stellenwert und Bewertung der Musikforschung<br />
zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern sowie zwischen<br />
Sendern mit großer und kleiner Musikredaktion?<br />
2. Methodisches Vorgehen<br />
Um einerseits vertiefende Einblicke hinsichtlich Stand und Stellenwert der Musikforschung<br />
in Deutschland zu gewinnen, andererseits aber auch repräsentative Ergebnisse<br />
zu diesen Fragestellungen ermitteln zu können, entschieden wir uns für die Kombination<br />
zweier Teilstudien.<br />
2.1 Teilstudie 1: Standardisierte Befragung<br />
Die Zielsetzung der standardisierten quantitativen Befragung, welche sich an die Programmdirektionen<br />
aller Radiosender wendete, lag in der Generierung einer repräsentativen<br />
Wissensgrundlage im Hinblick auf Stand und Stellenwert der Musikforschung in<br />
231
M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />
Deutschland. Anknüpfend an die Studie von Hofmann (1993) lag das Erkenntnisinteresse<br />
darin, einen Überblick über die Einsatzbreite und Gestaltung von Musikforschung<br />
in den verschiedenen Sendertypen zu gewinnen.<br />
Operationalisierung<br />
Die Dimensionen des Fragebogens basieren hauptsächlich auf den Erkenntnissen aus<br />
der Studie von Hofmann (1993) sowie verschiedenen Gesprächen mit Expert(inn)en aus<br />
der Praxis:<br />
• Sender-Kennzahlen: Größe der Musikredaktion, Umfang der Playlist, Zeitpunkt der<br />
Etablierung von Musikforschung;<br />
• interne vs. externe Forschung;<br />
• eingesetzte Methoden und Instrumente;<br />
• erhobene Kriterien (Bekanntheit, Beliebtheit und Sättigung der Titel);<br />
• Relevanz einzelner Quellen für die Titelauswahl – sowohl für die Musiktests als auch<br />
für das tägliche Musikprogramm;<br />
• allgemeine Bewertung von Musikforschung aus Sicht des jeweiligen Senders;<br />
• Gründe gegen Musikforschung, sofern ein Sender keine Forschung betreibt.<br />
Aufgrund der zu erwartenden Expertise und Involviertheit der Befragten konnten die<br />
Fragen kurz und im entsprechenden Branchenjargon gehalten werden. Als Skalierung<br />
wurden für Fragen bezüglich der Relevanz und der allgemeinen Bewertung der Musikforschung<br />
sechsfach gestufte Items gewählt (vgl. Fragebogen im Anhang). Der Erhebung<br />
ging ein Pretest mit zwei Experten aus der Radiobranche voraus, welcher zufrieden<br />
stellend verlief.<br />
Stichprobe und Datenerhebung<br />
Um Aussagen mit Gültigkeit für die gesamte deutsche Radiolandschaft treffen zu können,<br />
wurde eine Vollerhebung der deutschen Radiosender durchgeführt. Insgesamt<br />
wurden 254 Sender angeschrieben: 177 kommerzielle private Radiosender, 49 öffentlichrechtliche<br />
Radiosender sowie 28 nicht-kommerzielle Lokalradios (wie NKLs, Bürgerradios,<br />
freie Radios, Offene Kanäle: im Folgenden unter NKLs subsumiert). Unberücksichtigt<br />
blieben die Regionalstudios der Sender.<br />
Die Datenerhebung erfolgte in zwei Wellen mit jeweils einer Nachfassaktion zwischen<br />
dem 1.12.2000 und dem 7.3.2001. In der ersten Welle wurden die NKLs und die<br />
privaten Sender angeschrieben, in der zweiten Welle erfolgte dann die Befragung der öffentlich-rechtlichen<br />
Sender. Die Fragebögen sind mit einer Identifikationsnummer versehen<br />
worden, anhand derer sich später nachvollziehen ließ, ob es sich um einen öffentlich-rechtlichen,<br />
einen privaten Radiosender oder ein NKL handelte. Die Rücklaufquote<br />
betrug mit 118 von 254 angeschriebenen Sendern insgesamt 47 Prozent: Im Einzelnen<br />
antworteten 82 von 177 privaten kommerziellen Sendern (46 %), 19 von 48 öffentlichrechtlichen<br />
Sendern (40 %), und 17 der 28 NKLs (61 %). Die Datenbereinigung bezog<br />
sich überwiegend auf die Antworten der NKLs, da deren Verständnis von Musikforschung<br />
offensichtlich von der üblichen Definition abwich.<br />
2.2 Teilstudie 2: Qualitative Leitfadeninterviews<br />
Ziel der nicht-repräsentativen qualitativen Leitfadeninterviews war es, von Expert(inn)en<br />
tiefer greifende Informationen über Musiktests in der Radiopraxis zu erhalten (vgl.<br />
232
Schramm / Petersen / Rütter / Vorderer · Musikforschung<br />
Meuser & Nagel, 1991). Vor allem sollten Aussagen zu den gängigen Musiktests und<br />
möglichen Verbesserungsvorschlägen generiert werden, um die standardisierten Antworten<br />
aus der ersten Studie zu illustrieren und zu ergänzen. Um möglichst flexibel auf<br />
die Expert(inn)en eingehen zu können, bot sich eine offene Vorgehensweise an, weshalb<br />
wir uns für die qualitative Befragung anhand eines strukturierten Leitfadens entschieden<br />
(vgl. Lamnek, 1995).<br />
Operationalisierung<br />
In Analogie zu der Vorgehensweise bei der Operationalisierung der standardisierten<br />
Befragung stützte sich die Erarbeitung der Dimensionen auch hier überwiegend auf<br />
die Informationen von Expert(inn)en sowie auf gemeinsam entwickelte Diskussionspunkte,<br />
da in diesem Forschungsgebiet bislang kaum theoretische Grundlagen vorliegen.<br />
Der Leitfaden umfasste folgende Themenbereiche:<br />
• Art und Umfang der Musikforschung;<br />
• Stellenwert beziehungsweise Relevanz der Musiktests;<br />
• Bewertung der derzeitigen Verfahren;<br />
• mögliche Verbesserung der derzeitigen Verfahren.<br />
Vor der Durchführung der qualitativen Leitfadeninterviews wurde ein Pretest mit zwei<br />
Fachleuten aus der Radiobranche durchgeführt. Der getestete Leitfaden ging daraus als<br />
einsatzbereit hervor.<br />
Stichprobe und Datenerhebung<br />
Verantwortlich für Musikforschung zeichnen in den forschenden Sendern <strong>zum</strong> überwiegenden<br />
Teil die Programmdirektor(inn)en beziehungsweise Musikdirektor(inn)en,<br />
die als Expert(inn)en in der qualitativen Studie befragt wurden. Aus forschungsökonomischen<br />
Gründen wurden ausschließlich Expert(inn)en aus dem norddeutschen Raum<br />
rekrutiert (n = 13). Die Durchführung der Interviews nahm in Abhängigkeit von Erfahrungshintergrund<br />
und Auskunftsbereitschaft der Expert(inn)en zwischen 20 und 60 Minuten<br />
in Anspruch. Bis auf eine Ausnahme konnten alle Interviews zur Erleichterung<br />
der Auswertung auf Tonband mitgeschnitten werden.<br />
Auswertungsverfahren<br />
Nach der Transkription der Interviews erfolgte die Auswertung anhand eines Kriterienkataloges,<br />
welcher auf den Dimensionen des Leitfadens basierte. Die Verdichtung der<br />
Interviews wurde anhand dieses Kriterienkataloges durch Auswahl der prägnantesten<br />
und aussagekräftigsten Textstellen vorgenommen. Diese wurden jeweils mit Kommentar<br />
und Bewertung versehen. Ergebnis dieser Einzelanalysen war ein Steckbrief pro Interview.<br />
In einem zweiten Schritt schloss sich die generalisierende Analyse an, welche<br />
<strong>zum</strong> Ziel hatte, über das einzelne Interview hinaus verallgemeinerbare Erkenntnisse zu<br />
ermitteln (Lamnek, 1995, S. 109). Im Folgenden werden die Ergebnisse beider Teilstudien<br />
in Parallele dargestellt.<br />
233
M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />
3. Ergebnisse<br />
Vorbemerkungen zur Playlist, zur Größe der Musikredaktionen und zur Rolle der NKLs<br />
Freilich haben viele Sender nicht alle Fragen beantwortet. Insbesondere wurden Angaben<br />
zur Größe der Playlist verweigert. Nur 64 Sender antworteten auf diese Frage, wobei<br />
der Terminus Playlist wohl unterschiedlich interpretiert wurde. Dies wird durch<br />
Angaben jenseits der 5.000 Titel deutlich (ein Sender gab die Größe seiner Playlist sogar<br />
mit 75.000 Titeln an), bei denen eher das gesamte Musikrepertoire als die tatsächlich gespielten<br />
Titel gemeint sein dürften. Auch Angaben wie 20 oder 30 Titel erscheinen selbst<br />
für den Fall, dass es sich um eine Top-40-Station handelt, unwahrscheinlich.<br />
79 der antwortenden Sender beschäftigen eine eigene Musikredaktion, die durchschnittlich<br />
3,4 Musikredakteure (SD = 4,5) umfasst. Die Angaben streuen zwischen einer<br />
halben Stelle für einen Musikredakteur bis hin zu 30 Musikredakteuren bei einem<br />
NKL. Mehr als 50 Prozent der Sender haben jedoch einen, zwei oder drei Musikredakteure.<br />
An dieser Stelle sei schon darauf hingewiesen, dass die Größe der Musikredaktion<br />
keine systematischen Unterschiede in der Art, dem Umfang, dem Stellenwert und der<br />
Bewertung der Musikforschung mit sich bringt. Jedoch sind vereinzelt Unterschiede<br />
zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern zu verzeichnen, die im Folgenden<br />
an entsprechender Stelle dokumentiert werden.<br />
In der standardisierten Befragung wurden auch NKLs über ihre Einstellung zu den<br />
Musiktests befragt. Diese Formen des Hörfunks zeichnen sich durch eine Sonderposition<br />
in der deutschen <strong>Medien</strong>landschaft aus. So wird in Niedersachsen durch das Landesrundfunkgesetz<br />
festgelegt, dass sich das Programm der Lokalradios „inhaltlich/<br />
thematisch und formal von den Programmen etablierter kommerzieller und öffentlichrechtlicher<br />
Hörfunkanbieter deutlich unterscheiden“ muss (Volpers, Schnier & Salwiczek,<br />
2000, S. 15). Sie sollen eine lokale publizistische Ergänzung für das Verbreitungsgebiet<br />
liefern und den Bürgern die Möglichkeit zur Partizipation bieten. Zumal<br />
sich die NKLs <strong>zum</strong> großen Teil nicht selbst finanzieren, das heißt nicht kommerziell<br />
agieren, ist eine Ausrichtung auf den Markt nicht im Sinne der Sender. Musikforschung<br />
dürfte bei den Bürgerradios daher keine Rolle spielen. Von den 17 NKLs, die an der Befragung<br />
teilgenommen haben, gibt demnach auch nur ein einziges an, Musikforschung<br />
zu betreiben. Diese Musikforschung kann im oben definierten Sinne nicht als professionelle<br />
Musikforschung bezeichnet werden; die Titel werden intern unter den Mitgliedern<br />
der Redaktion diskutiert und nicht an Hörern getestet. Für die folgenden Ergebnisse<br />
wurden daher nur die Sender des öffentlich-rechtlichen und des privaten Hörfunks<br />
berücksichtigt.<br />
Umfang der Musikforschung<br />
Von den 101 öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern geben 46 Prozent (n = 46) an,<br />
Musikforschung zu betreiben. Darunter befinden sich 35 private Stationen (43 % aller<br />
privaten Sender) und elf öffentlich-rechtliche Hörfunksender (58 % aller öffentlichrechtlichen<br />
Sender). Dies scheint auf den ersten Blick darauf hinzudeuten, dass Musikforschung<br />
weniger verbreitet ist als bisher angenommen. Man sollte jedoch bei der Betrachtung<br />
dieser Ergebnisse bedenken, dass viele Stationen (n = 24) angeben, in einer Kooperation<br />
mit einem größeren Sender zu stehen, dessen Musikanteil von ihnen als Mantel<br />
übernommen wird. Als Beispiel für diese Vorgehensweise sind die Lokalsender in<br />
Nordrhein-Westfalen zu nennen, die ihre Musik von Radio NRW beziehen. Auch wenn<br />
234
Schramm / Petersen / Rütter / Vorderer · Musikforschung<br />
diese Sender selbst keine Titel testen, beruht ihr Programm über Umwege doch auf Forschungsergebnissen<br />
des Zuliefer-Senders, sofern dieser forscht. Ob dies den Sendern<br />
auch bewusst ist, ist eine andere Frage. Sie können jedoch nicht ohne weiteres als Sender<br />
angesehen werden, bei denen das Programm ohne Musikforschung gestaltet wird.<br />
Auch wenn nicht gesagt werden kann, für welchen Anteil der nicht-forschenden Sender<br />
dies zutrifft, sollte davon ausgegangen werden, dass die Musikforschung weiter verbreitet<br />
ist, als es die Zahlen vermuten lassen.<br />
Entwicklung der Musikforschung<br />
Noch bevor es private Anbieter auf dem Hörfunkmarkt gab, setzten öffentlich-rechtliche<br />
Stationen Musikforschung ein. Dies zeigen sowohl die standardisierte Befragung als<br />
auch die Expert(inn)eninterviews. Nach ihrer Lizenzierung haben sich die privaten Sender<br />
jedoch relativ schnell die Methoden der Musiktests zu Eigen gemacht und diese optimiert,<br />
wodurch die Musikforschung für die privaten Sender ein wichtiges Gestaltungselement<br />
des Programms wurde und ihren Erfolg begründete. Aus den Daten der<br />
Befragung ist geradezu ein „Boom“ der Musikforschung zu erkennen: Der Großteil der<br />
Sender (66 %) hat in den Jahren zwischen 1994 und 1998 mit der Musikforschung begonnen.<br />
Mittlerweile, so die befragten Expert(inn)en, seien auch die öffentlich-rechtlichen<br />
Sender auf einem hohen Standard angelangt; auch sie nutzen die Mittel der empirischen<br />
Musikforschung in hohem Maße: „Musik Research hat mit öffentlich-rechtlich<br />
und nicht-öffentlich-rechtlich nichts zu tun. Das ist ein Instrumentarium, das ist ein<br />
Handwerkszeug, entweder man macht’s oder man macht’s nicht.“<br />
Die Rolle der Institute<br />
Während die Forschung in den Anfangsjahren noch von den Sendern selbst durchgeführt<br />
wurde, wird heute zunehmend auf Institute oder Beratungsfirmen zurückgegriffen.<br />
Lediglich elf Prozent der forschenden Sender führen ihre Forschung selbstständig<br />
durch; alle anderen greifen im Bedarf auf externe Institute zurück, wobei der Anteil der<br />
Sender, die ausschließlich beziehungsweise überwiegend extern forschen lassen, sogar<br />
bei 67 Prozent liegt.<br />
Dementsprechend sei durch den wachsenden Musikforschungsmarkt auch eine steigende<br />
Zahl von Musikforschungsinstituten zu beobachten gewesen, die neben den Erhebungen<br />
auch Beratungen durchführen. Insgesamt wurden 13 Institute genannt. Als<br />
führende Anbieter auf dem Markt gelten Coleman Research, C.M.R. und Research<br />
Group. Die beiden zuerst genannten Firmen werden ausschließlich von Privatsendern<br />
konsultiert und versorgen zusammen 43 Prozent der befragten und musikforschenden<br />
Privatsender mit Ergebnissen. Wie in den Interviews deutlich wird, wählen öffentlichrechtliche<br />
Stationen eher kleinere Beraterfirmen. In der Branche sei es üblich, dass sich<br />
insbesondere ehemalige Musikchefs als Berater selbstständig machen. Auch wenn jedem<br />
Institut sein Spezialgebiet bescheinigt wird, ist dennoch folgende Tendenz erkennbar:<br />
Die Mehrzahl der Stationen (89 %) konsultiert nur ein einziges Institut und<br />
bezieht alle Ergebnisse aus einer Hand. Dies wird in den Tiefeninterviews mit den geringeren<br />
Kosten begründet, die sich durch gewisse „Paketangebote“ der Institute ergeben.<br />
Die Entscheidung für ein Institut wird jedoch nicht ausschließlich vom Preis abhängig<br />
gemacht. Gründe für die Wahl seien zusätzliche Beratungsleistungen oder auch<br />
die Ehrlichkeit beziehungsweise Transparenz eines Anbieters in Bezug auf die verwendeten<br />
Methoden.<br />
235
M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />
Methoden der Musikforschung<br />
Die Telefonbefragung beziehungsweise der Call-Out erweist sich als die am weitesten<br />
verbreitete Methode der Musikforschung. Von den forschenden Sendern (n = 46) testen<br />
82 Prozent ihre Musiktitel per Telefon. Unter dem Begriff Call-Out vereinen sich jedoch<br />
Telefonumfragen mit den unterschiedlichsten Durchführungsmerkmalen. Es zeigen<br />
sich hierbei vor allem Unterschiede zwischen öffentlich-rechtlichem Hörfunk und<br />
Privatsendern. Die Privaten testen durchschnittlich 51 Titel (SD = 49; Min = 20; Max =<br />
220) an 390 Personen (SD = 506; Min = 50, Max = 2.000). Selbst wenn man den „Ausreißer“<br />
von angeblich 2.000 getesteten Personen unberücksichtigt lässt, sind es bei einem<br />
Maximalwert von 800 immer noch durchschnittlich 275 Personen (SD = 248). Bei den<br />
öffentlich-rechtlichen Stationen werden durchschnittlich nur 21 Titel (SD = 11; Min =<br />
2; Max = 36) an durchschnittlich 162 Personen (SD = 54; Min = 120; Max = 250) getestet.<br />
Durchgeführt werden Telefonbefragungen im Schnitt alle ein bis zwei Wochen und<br />
<strong>zum</strong> größten Teil (86 %) extern. Die Mehrheit der Sender testet bei dieser Methode<br />
Hooks. Ganze Titel werden auch vorgespielt, kommen aber – ebenso wie das Vorspielen<br />
von Soundcollagen (<strong>zum</strong> Erfassen ganzer Musikgenres) – eher seltener vor.<br />
Als zweite wichtige Methode der Musikforschung erweist sich wie erwartet der Auditorium-Tests.<br />
Ca. 40 Prozent der Sender setzen diese aufwändige Methode für die Musiktests<br />
ein. Auditorium-Tests finden als Mittel der strategischen Planung höchstens<br />
zweimal im Jahr statt. Hier nehmen sich manche Sender die Zeit, ihren gesamten Back-<br />
Katalog zu testen. Zum Teil werden bis zu 1.500 Titel am Stück getestet, im Durchschnitt<br />
sind es ca. 850 Titel (M = 844; SD = 455). Je nach Größe der angemieteten Halle<br />
werden 150 bis 300 Probanden rekrutiert. Bei den Auditorium-Tests kommen nur<br />
Hooks <strong>zum</strong> Einsatz. Durchgeführt werden Auditorium-Tests ausschließlich von Instituten,<br />
wobei aber auch unterschiedlich vorgegangen wird. In den Interviews wird beschrieben,<br />
dass die Titel von den Probanden in der Regel anhand von Rating-Skalen auf<br />
Papierfragebögen bewertet werden. Als technische Neuerung wird in manchen Tests das<br />
Potentiometer eingesetzt, bei dem die Befragten mit Hilfe eines Drehreglers ähnlich einer<br />
Lautstärkeregelung stufenlos zwischen Missfallen beziehungsweise Gefallen entscheiden<br />
können.<br />
Weitere Methoden werden nur vereinzelt eingesetzt. Dazu gehören beispielsweise der<br />
Walkman-Test mit Mini-Disc, die Fokus-Gruppen oder auch die On-Air-Befragung als<br />
direkte Ansprache der Hörer.<br />
Getestete Kriterien<br />
Kernkriterien der Musikforschung sind zweifelsohne die Beliebtheit, die Bekanntheit<br />
und der Burn-Out. Die Beliebtheit ist das am häufigsten genannte Kriterium (98 %) gefolgt<br />
von der Bekanntheit (91 %). Der Burn-Out wird mit 84 Prozent zwar von weniger<br />
Stationen erhoben, wird jedoch in den Interviews von den Expert(inn)en als das<br />
wichtigste Kriterium bezeichnet. Im Gegensatz zu den beiden anderen Kriterien sage er<br />
etwas darüber aus, wie riskant es ist, einen Titel weiterhin auf der Playlist zu haben, beziehungsweise<br />
wie hoch sein Erfolgspotenzial bei den angezielten Hörern ist. „Der<br />
Burn-Out-Faktor ist für aktuelle Formate einfach die Kernfrage“, so einer der Befragten.<br />
Ein zusätzliches Kriterium, das von 59 Prozent der Sender getestet wird, ist die<br />
vermutete Senderzugehörigkeit eines Titels. Einen Titel zu spielen, der von der Mehrzahl<br />
der Befragten generell bei einem anderen Sender vermutet wird, verschaffe dem<br />
236
Schramm / Petersen / Rütter / Vorderer · Musikforschung<br />
Sender keinen markanten Sound, der ihn von der Konkurrenz abhebe. Durch diese Frage<br />
würde also untersucht, welches Image der Sender unter den Befragten genieße und<br />
welche Musikfarbe ihm zugeordnet werde. Eine Befragte äußert jedoch Bedenken, ob<br />
diese Images valide seien, da im Zweifel jeder den Sender angebe, den er auch tatsächlich<br />
höre.<br />
Weitere Kriterien finden in der Praxis selten Anwendung. Hierzu gehören unter anderem<br />
die Frage danach, ob ein Titel passend zu einer bestimmten Tages- oder Jahreszeit<br />
empfunden wird. Dieses Kriterium kann jedoch nicht als Standardkriterium der<br />
Musikforschung bezeichnet werden; es wird von lediglich fünf Prozent der Sender abgefragt.<br />
Stellenwert der Musikredaktion für die Auswahl der Titel für Musiktests<br />
Um bei den Musiktests gut abzuschneiden, muss ein Musiktitel zwangsläufig erst einmal<br />
für diese Tests ausgewählt werden. Da nicht jeder Titel getestet werden kann, sollen<br />
bestimmte Quellen die Entscheidung für oder gegen einen Titel erleichtern. In der<br />
Regel liefern die Musikredaktionen den Instituten die zu testenden Titel bereits in geschnittener<br />
Form. Welche Titel in die Tests gegeben werden, hängt damit <strong>zum</strong> großen<br />
Teil von der Einschätzung der Musikredaktion ab. Auf einer Skala von 1 bis 6 (1 = überhaupt<br />
nicht wichtig; 6 = sehr wichtig) kommt dem Sachverstand der Musikredakteure<br />
dementsprechend auch in der standardisierten Befragung der größte Einfluss zu. Erst<br />
dahinter folgen die Charts oder das Musikfernsehen:<br />
Tabelle 1: Stellenwert verschiedener Quellen für Auswahl von Titeln für Musiktests<br />
Rang Quelle M SD<br />
1 Einschätzung der Musikredaktion 4,98 1,16<br />
2 Deutsche Single-Charts 3,35 1,69<br />
3 Airplay-Charts 3,35 1,40<br />
4 Internationale Charts 3,23 1,64<br />
5 Media-Control-Listen 3,02 1,45<br />
6 Musikfernsehen 2,29 1,24<br />
7 Plattenfirmen-Promotion 2,16 1,40<br />
In den Interviews geben einige Sender außerdem an, dass das Institut sie bei der Auswahl<br />
berät oder sie auf die Playlist ähnlich positionierter Sender schauen. Es zeigt sich<br />
jedoch, dass nicht jeder erfolgreiche Titel „blind“ in die Tests gegeben wird. Wenn ein<br />
Titel nicht in die gesetzte Klangfarbe des Senders passt, wird er auch dann nicht getestet,<br />
wenn er Nummer 1 der aktuellen Hitparade ist.<br />
Die Einschätzung, dass neue und damit unbekannte Titel stets schlechter bewertet<br />
werden als bekannte Stücke, wird von den befragten Expert(inn)en bestätigt: „Das ist<br />
ein generelles Problem, dass ein Großteil der Menschheit etwas Neues nicht so gerne annimmt<br />
und erst mal negativ bewertet.“ Vor dieses Problem sehen sich vor allem Sender<br />
gestellt, die aufgrund ihres Formates auf aktuelle Titel in ihrem Programm angewiesen<br />
sind, wie <strong>zum</strong> Beispiel Hot-AC-Stationen. Unter den Befragten herrscht Konsens, dass<br />
sich wegen des geschilderten Phänomens neue und alte Titel nicht gleichzeitig testen lassen.<br />
„Du kannst keinen Titel testen, der nicht irgendwo bekannt ist“ – so beschreibt eine<br />
Befragte die Situation. Ein Musiktitel ist nach Einschätzung der Musikredakteure erst<br />
237
M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />
für einen Test geeignet, nachdem er etwa einhundertmal auf dem Sender gelaufen ist.<br />
Viele Sender umgehen das Risiko und testen Titel, die bereits auf Konkurrenzsendern<br />
zu hören sind. „Wenn die den schon spielen und wir uns unsicher waren, dann kann ich<br />
den schon mal testen und sehen, wie es geht.“<br />
Den Sendern, die neue Titel ins Programm nehmen, kommt daher eine Pionierrolle<br />
zu; sie bringen neue Titel ins Radio und „spielen sie bekannt“. Ein Sender gibt an, neue<br />
Titel in Szene-Clubs zu testen und aus diesen Befragungen kommende Hits zu erkennen.<br />
Als Pionier-Sender fungieren meist Spartensender. Durch ihre spezielle Ausrichtung,<br />
so ein Befragter, sei das Publikum neuen Titeln gegenüber eher aufgeschlossen,<br />
und „wenn ein Song kommt, bei dem wir glauben, er hätte Hit-Potenzial, können wir<br />
den ohne Gefahr auch deutlich früher als andere Stationen ins Programm nehmen“.<br />
Obwohl man sich des Problems neuer Titel bewusst ist, zeigt die standardisierte<br />
Befragung, dass mit 59 Prozent mehr als die Hälfte der forschenden Sender auch neue<br />
Titel testet. Der Anteil an allen getesteten Titeln liegt dabei im Schnitt bei 26 Prozent<br />
(SD = 23). Bei öffentlich-rechtlichen Stationen liegt der Anteil neuer Titel mit 41 Prozent<br />
(SD = 29) im Durchschnitt höher als bei privaten Programmen mit 18 Prozent<br />
(SD = 14). Neue Titel werden außerdem vorrangig in Telefonbefragungen getestet.<br />
Stellenwert der Musikforschung und Auswahl der Titel für das tägliche Programm<br />
„Manche bilden sich ja ein, sie könnten aus dem Bauch entscheiden. Ich sage: Nur aus<br />
dem Bauch heraus kann niemand heute ein 100-prozentiges Programm machen.“ Mit<br />
diesen Worten begründet ein Befragter den Einsatz der Musikforschung in seinem Sender.<br />
Auch in den anderen Interviews bestätigt sich die Annahme, dass Musikforschung<br />
in den vergangenen zehn Jahren immer wichtiger geworden und bei manchen Sendern<br />
nicht mehr wegzudenken ist. Um das Musikprogramm optimal zu gestalten, ist für viele<br />
Stationen Musikforschung inzwischen das „A und O von Formatradios“. Die Befürworter<br />
der Forschung führen daher auch die in den MA-Zahlen dokumentierte Reichweitenentwicklung<br />
ihrer Sender maßgeblich auf den konsequenten Einsatz von Musikforschung<br />
zurück. Um Programmentscheidungen treffen zu können, die auch in umkämpften<br />
Märkten auf Zuspruch treffen, ist – so die inzwischen weit verbreitete<br />
Annahme – neben intuitiven Eingebungen mehr und mehr auch eine empirische Untermauerung<br />
gefragt. Dabei wird häufig erwähnt, dass Musikforschung für die Sender unterschiedlich<br />
wichtig werden kann. So sei eine öffentlich-rechtliche Drei-Länder-Anstalt<br />
eher auf Musikforschung angewiesen als ein Sender, der nur in einem Bundesland<br />
zu empfangen ist.<br />
Das Maß, in welchem die aus der Musikforschung gewonnenen Ergebnisse in das Programm<br />
einfließen, variiert freilich von Sender zu Sender. Bei einigen Sendern wird nach<br />
der Devise „Musik-Research ist das Programm“ verfahren: „Also dann nehme ich eine<br />
Auswahl vor, und dann nehme ich dort die bestgetesteten Ergebnisse, und das ist dann<br />
unsere Rotation.“ Andere Sender beziehen sich nach wie vor auf die Expertise der Musikredaktion<br />
und messen den Ergebnissen weniger direkten Einfluss bei – sie dienen lediglich<br />
als Orientierung.<br />
In der standardisierten Befragung zeigt sich auf die Frage, wie wichtig gewisse Quellen<br />
für das Programm sind, dass auf einer sechsfach abgestuften Skala (1 = überhaupt<br />
nicht wichtig; 6 = sehr wichtig) den Ergebnissen der Musikforschung insgesamt dennoch<br />
die größte Rolle zukommt (vgl. Tabelle 2).<br />
Nach Sendertypen aufgeschlüsselt zeigt sich, dass für die Privatsender die Musikforschung<br />
die Hauptquelle für die Programmgestaltung darstellt (M = 5,44; SD = 0,82),<br />
238
Schramm / Petersen / Rütter / Vorderer · Musikforschung<br />
Tabelle 2: Stellenwert verschiedener Quellen für die Musikprogrammgestaltung<br />
Rang Quelle M SD<br />
1 Ergebnisse der Musikforschung 5,22 1,01<br />
2 Einschätzung der Musikredaktion 4,73 1,32<br />
3 Hörerwünsche 3,38 1,53<br />
4 Airplay-Charts 3,11 1,49<br />
5 Deutsche Single-Charts 3,07 1,59<br />
6 Internationale Charts 2,76 1,45<br />
7 Media-Control-Listen 2,70 1,21<br />
8 Musikfernsehen 2,36 1,19<br />
9 Plattenfirmen-Promotion 2,29 1,41<br />
während für die öffentlich-rechtlichen Stationen die Einschätzung der Musikredaktion<br />
das wichtigste Kriterium ist (M = 4,83; SD = 1,53).<br />
Auf die Frage, wie mit den Ergebnissen in der Musikredaktion im Alltag umgegangen<br />
wird, bestätigen die Expert(inn)en, dass beide Quellen bei den meisten Sendern in der<br />
Praxis eine gleichwertige Rolle spielen. Die Daten dienen als Grundlage, auf der die Musikredakteure<br />
das Programm aufbauen. Ein Befragter benennt es wie folgt: „Wo ich einfach<br />
die nackten Ergebnisse habe, fängt meine qualifizierte Arbeit an.“ So unterscheiden<br />
sich Sender, die auf Musikforschung zurückgreifen, auch nicht in der Größe ihrer Musikredaktion<br />
von den restlichen Sendern. Man kann also nicht davon sprechen, dass<br />
Fachkenntnis durch den Einsatz der Forschung überflüssig wird: Eher umgekehrt sind<br />
Fachkräfte gefragt, die mit den Ergebnissen auch umgehen können: „Mängel entstehen<br />
nicht aus der Musikforschung, sondern aus Unsicherheiten und Unerfahrenheit der Programmplaner,<br />
die mit den Ergebnissen entweder nicht umgehen können oder sich zu<br />
sehr von ihnen leiten lassen statt von ihrer Erfahrung.“<br />
Beide Studien zeigen, dass sich ein erfolgreiches Musikprogramm nur dann gestalten<br />
lässt, wenn eine kompetente Musikredaktion die Ergebnisse der empirischen Forschung<br />
zu deuten und zu bewerten weiß. Die Devise bei der Musikauswahl scheint der „größte<br />
gemeinsame Nenner“ des Publikums zu sein: „Da habe ich doch lieber einen Titel, bei<br />
dem 90 Prozent sagen: Na ja, das ist nicht mein Lieblingslied, aber es geht“. „Wenn ein<br />
Titel o.k. ist, dann schaltet keiner um, aber wenn ich einen Titel spiele, bei dem 50 Prozent<br />
sagen ,Hey, geiler Titel‘ und die andere Hälfte schaltet weg, dann habe ich nicht<br />
wirklich viel gewonnen.“<br />
Bewertung der Musikforschung und Kritik an den Verfahren<br />
Bei der Bewertung der Arbeit der genannten Institute und der Glaubwürdigkeit ihrer<br />
Forschungsergebnisse findet sich unter den Befragten sowohl blindes Vertrauen als auch<br />
ausgeprägtes Misstrauen. Viele Musikredakteure haben offenkundig wenig Kenntnis davon,<br />
wie die Tests genau durchgeführt werden und verstehen sich schlicht und einfach<br />
als Auftraggeber: „Wir kriegen die Ergebnisbände und haben mit der praktischen<br />
Durchführung nichts zu tun.“ Als Laie habe man keine andere Chance, als sich auf die<br />
Ergebnisse, die das Institut liefert, zu verlassen.<br />
Andere – meist erfahrenere – Musikredakteure sind mitunter misstrauisch und kontrollieren<br />
die beauftragten Institute, indem sie beispielsweise heimlich an Auditorium-<br />
239
M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />
Tests teilnehmen: „Das mache ich eigentlich bei jeder Firma, die ich noch nicht kenne.“<br />
Als Hauptkritikpunkt wird hierbei die Stichprobenziehung genannt. Vielfach glauben<br />
die Expert(inn)en nicht, dass vom Sender geforderte Quotierungsmerkmale eingehalten<br />
werden beziehungsweise dass überhaupt genug Personen für die Tests rekrutiert wurden.<br />
„Ich glaube eher, dass vielfach im Freundeskreis herumtelefoniert wird.“ Dementsprechend<br />
werden die Ergebnisse auch misstrauisch betrachtet. Schließlich sei auch der<br />
beste Musiktest „nur eine Umfrage“ und kein getreues Abbild der Hörerwünsche.<br />
Insgesamt scheinen die Sender jedoch mit der Musikforschung zufrieden zu sein. In<br />
der schriftlichen Befragung wurden die vorgegebenen Aussagen zur Musikforschung<br />
auf einer Skala von 1 bis 6 (1 = stimme überhaupt nicht zu; 6 = stimme voll und ganz zu)<br />
vorwiegend positiv beurteilt. Alle drei Aussagen wurden dabei von den Sendern des öffentlich-rechtlichen<br />
Rundfunks negativer bewertet:<br />
Tabelle 3: Bewertung der Musikforschung<br />
Aussagen zur alle Sender private Sender ö.-r. Sender<br />
Musikforschung M SD M SD M SD<br />
„Musikforschung bringt nützliche und<br />
zuverlässige Ergebnisse“ 5,00 1,04 5,20 0,87 4,45 1,37<br />
„Methoden sind geeignet, um Titel zu testen“ 4,94 1,03 5,17 0,92 4,27 1,10<br />
„Musikforschung ist ihr Geld wert“ 4,69 1,28 4,91 1,16 4,00 1,49<br />
Verbesserungsvorschläge<br />
Die bestehenden Verfahren zu verbessern, erweist sich laut Expert(inn)enmeinung als<br />
ein schwieriges Unterfangen. Man wünscht sich perfektere und komplexere Verfahren,<br />
sieht aber gleichzeitig ein, dass diese nur sehr schwer und für viel Geld umsetzbar sind:<br />
„Du kannst dir sehr vieles wünschen, die Frage ist: Ist es bezahlbar?“ Als mögliche Verbesserungen<br />
werden <strong>zum</strong> Beispiel der Einbezug der spezifischen Hörsituation in die Bewertung,<br />
eine genauere Bewertung durch ausgiebige Einzelgespräche oder große, repräsentative<br />
Stichproben, die auch ein größeres Sendegebiet erschließen, von den Befragten<br />
genannt. Vor dem Hintergrund der Machbarkeit seien die angewendeten Verfahren<br />
momentan aber das Beste, was möglich sei. Bei der Frage nach weiteren Kriterien<br />
wird erkennbar: Musikforschung muss vor allem funktional sein. Aufgrund der Schnelllebigkeit<br />
des Geschäfts müssten auch Entscheidungen schnell getroffen werden. Zusätzliche<br />
Kriterien beziehungsweise komplexe Auswertungen würden noch höhere<br />
Kosten und keinen praktischen Zusatznutzen bringen: „Wenn du mehr abfragst, kostet<br />
es Zeit – und Zeit kostet Geld.“<br />
Auf der anderen Seite werden vielfach kleine Mängel an den Tests angemerkt,<br />
die durch gewissenhaftere Arbeit leicht vermeidbar wären. Besonders bei den Auditorium-Tests<br />
werde dahin gehend zu wenig Sorgfalt geübt, dass beispielsweise nicht ausreichend<br />
Stifte auslägen oder die Fragebögen zu eng bedruckt seien, so dass man bei der<br />
Bewertung leicht in der Zeile verrutsche. Die Qualität der vorgespielten Hooks sei teilweise<br />
zu niedrig oder die Veranstalter achteten nicht ausreichend auf Ruhe während der<br />
Tests.<br />
240
Schramm / Petersen / Rütter / Vorderer · Musikforschung<br />
Gründe gegen den Einsatz von Musikforschung<br />
46 Prozent der nicht forschenden Sender geben an, ein Mantelprogramm zu beziehen.<br />
Eine eigene Musikforschung sei daher nicht notwendig. Neben diesem eher pragmatischen<br />
Kontra-Argument scheint jedoch der Preis nach wie vor den Ausschlag für oder<br />
gegen Musikforschung zu geben: 40 Prozent der nicht forschenden Sender nennen die<br />
teilweise unverhältnismäßig hohen Kosten der Musiktests als Hauptverweigerungsgrund:<br />
„Das Geld können wir uns auch sparen.“ Das mangelnde Vertrauen ist mit einem<br />
Anteil von acht Prozent unter den Nennungen ein eher zweitrangiger Grund.<br />
Es gibt auch Sender, die bewusst darauf verzichten, Musikforschung einzusetzen.<br />
Dies sind häufig Spartensender. Aufgrund ihrer speziellen Ausrichtung orientieren sie<br />
sich nicht am Massengeschmack und treffen die Auswahl eher anhand musik-immanenter<br />
Kriterien. Im Interview wird betont, dass diesen Sendern das direkte Hörer-Feedback<br />
beziehungsweise die Qualifikation der Moderatoren mehr nütze als ein groß angelegter<br />
Musiktest. „Wenn ich jetzt einen Research mache, weiß ich, was möglicherweise<br />
der breite Geschmack ist, aber das hat nichts mit Qualität zu tun.“<br />
4. Interpretation und Fazit<br />
Der Rücklauf der Fragebögen ist bei der standardisierten Befragung mit 47 Prozent<br />
zwar zufrieden stellend ausgefallen, jedoch nicht in dem Maße, wie man es sich für eine<br />
repräsentative Darstellung der Musikforschung deutscher Radiosender gewünscht hätte.<br />
Vor allem die öffentlich-rechtlichen Sender waren nicht besonders auskunftsfreudig<br />
und antworteten lediglich zu 40 Prozent. Vergleicht man den Rücklauf mit dem aus<br />
der Studie Hofmanns (60 %), so gewinnt man den Eindruck, dass die deutschen Radiosender<br />
sich bezüglich ihrer Musikforschungsaktivitäten noch bedeckter halten als<br />
vor ein paar Jahren. Der verstärkte Konkurrenzkampf um Reichweiten und Marktanteile<br />
mag hierfür ein Grund sein. Diese Haltung wurde auch dadurch deutlich, dass<br />
selbst so eine banale Information wie die Größe der Playlist oft verweigert wurde, obwohl<br />
man aus der Kenntnis über die Anzahl der Titel in der Playlist (und ohne Kenntnis<br />
über Art und Rotation der Titel) überhaupt keine Programmstrategie ableiten<br />
kann.<br />
Der Anteil der Sender, die Musikforschung betreiben, hat sich seit 1993 nicht erhöht.<br />
Im Gegenteil: 1993 nutzten noch 50 Prozent, 2001 nur noch 46 Prozent der Sender die<br />
Musikforschung für ihre Programmgestaltung. Aus diesen Zahlen einen Abfall der Musikforschung<br />
generell abzuleiten, würde aber zu weit führen, denn stichprobenbedingte<br />
Eigenarten können zu dieser Verzerrung geführt haben. 65 Prozent der Sender gaben<br />
an, zwischen 1994 und 1998 mit Musikforschung begonnen zu haben. Dies ist verwunderlich,<br />
da ja schon 50 Prozent der von Hofmann im Jahr 1993 befragten Sender Musiktests<br />
durchführten. Es ist daher zu vermuten, dass einige der von uns befragten Sender<br />
den Beginn ihrer Musikforschung zu spät datierten.<br />
Institute, die von den Radiosendern mit Musikforschung beauftragt werden, spielen<br />
2001 eine größere Rolle als zu Beginn der 90er-Jahre. Damals forschten noch ca. 50 Prozent<br />
ausschließlich intern, mittlerweile lassen 89 Prozent entweder ausschließlich oder<br />
<strong>zum</strong>indest zu einem Teil extern forschen.<br />
Die Gewichtung der eingesetzten Methoden hat sich über die Jahre hinweg kaum verändert.<br />
Noch immer rangieren die Telefonbefragungen vor den Auditorium-Tests.<br />
Neue Methoden wurden in den vergangenen Jahren ganz offensichtlich nicht entwickelt,<br />
<strong>zum</strong>indest erhalten wir von den Sendern keine Informationen dazu. Es sieht so<br />
241
M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />
aus, als vertrauten die Radiosender nach wie vor auf die Musiktests, die Mitte der Achtziger<br />
eingeführt wurden. Das belegen auch die Ergebnisse aus den Leitfadeninterviews:<br />
Die meisten Programm- und Musikchefs stellen die Zahlen der Musikforschung nicht in<br />
Frage. Methodische Detailkenntnisse oder gar Verbesserungsvorschläge werden kaum<br />
geäußert. Warum sollten die beauftragten Institute also etwas ändern an ihren Musiktests?<br />
Dementsprechend sind die Eckdaten bezüglich Umfang der Stichproben, Anzahl<br />
der getesteten Hooks und Anzahl und Art der abgefragten Kriterien ebenfalls unverändert.<br />
Lediglich bei den Auditorium-Tests dürfte sich mit einer durchschnittlichen Zahl<br />
von ca. 850 Hooks pro Test der Umfang noch erhöht haben.<br />
Welche Faktoren begünstigen nun die Aufnahme eines Titels in die Playlist? Die Ergebnisse<br />
erscheinen gegenüber denen von Hofmann zuerst einmal unverändert: Unter<br />
den Sendern, die Musikforschung betreiben, hat sie den höchsten Stellenwert als Quelle<br />
für die Musikprogrammgestaltung. Die Einschätzung der Musikredaktion hat zwar<br />
auch eine große Bedeutung, rangiert aber hinter der Musikforschung. Die Musikredaktion<br />
nimmt jedoch aus einem weiteren Grund eine Schlüsselposition ein: Sie ist mit Abstand<br />
der wichtigste Faktor für die Auswahl von Titeln für die Musiktests und nimmt<br />
eine Art Gatekeeperfunktion wahr, indem sie letztendlich darüber entscheidet, welche<br />
Titel überhaupt die Chance haben, im Musiktest gut abzuschneiden. Insofern ist sie<br />
trotz Musikforschung insgesamt der einflussreichste Faktor.<br />
Charts und Hitparaden spielen sowohl für die Titelzusammenstellung in den Musiktests<br />
als auch im letztendlichen Musikprogramm eine untergeordnete Rolle. Interessant<br />
ist, dass die Promotionsaktivitäten der Musikkonzerne als unbedeutend erachtet werden.<br />
Dies ist <strong>zum</strong> einen ein erfreuliches Ergebnis, da ein unabhängiges Arbeiten der Radiosender<br />
von den Musikkonzernen sicherlich wünschenswert ist; <strong>zum</strong> anderen muss<br />
aber auch vermutet werden, dass dieses Ergebnis <strong>zum</strong> Teil auf sozial erwünschtes Antwortverhalten<br />
der Programm- und Musikchefs zurückzuführen sein könnte: Wer gibt<br />
schon gerne zu, sich hin und wieder von den Plattenpromotern umwerben zu lassen?<br />
Erfreulich ist weiterhin, dass die Hörerwünsche bei der Zusammenstellung des Musikprogramms<br />
ebenfalls eine gewichtige Rolle spielen. Das Radioprogramm ist also nach<br />
wie vor etwas „Organisches“, das nicht nur auf der Basis von Musikforschung und<br />
Computerprogrammen generiert wird, sondern in das auch der Musikgeschmack der<br />
Musikredakteure und der Hörer mit einfließt.<br />
Ein zentraler Aspekt für die Programmgestaltung ist die Frage nach dem Anteil<br />
neuer, unbekannter Titel. Soll der Musikredakteur das Risiko eingehen, einen Titel in<br />
die Playlist aufzunehmen, der in den Musiktests aufgrund seiner geringen Bekanntheit<br />
nur schlecht abschneiden konnte beziehungsweise der gar nicht getestet wurde? Nach<br />
unseren Erfahrungen aus den Leitfadeninterviews wird dieses Risiko derzeit noch eingegangen,<br />
jedoch in geringerem Maße als zu Beginn des dualen Rundfunksystems. Der<br />
Konkurrenzkampf speziell der privaten Sender hinterlässt auch hier seine Spuren. Erstaunlicherweise<br />
werden mit einem Anteil von ca. 26 Prozent noch relativ viele neue<br />
Titel in die Musiktests aufgenommen. Handelt es sich bei diesen Titeln tatsächlich um<br />
unbekannte Titel oder doch um Titel, die erst kurze Zeit bekannt sind? Wir können<br />
nicht ermessen, wie die entsprechende Frage von den Befragten interpretiert wurde.<br />
Der unerwartet hohe Anteil und die Abweichung zu den Aussagen aus den Leitfadeninterviews<br />
weisen jedoch darauf hin, dass viele auch die neuen, bekannten und<br />
nicht nur die neuen, unbekannten Titel in ihre Schätzung einbezogen haben. Nichtsdestotrotz<br />
ist ein Anteil von ca. 26 Prozent erstaunlich, da den Programmverantwortlichen<br />
in der Regel bekannt ist, dass neue Titel in den Musiktests stets schlecht abschneiden.<br />
In welchem Maße diese Titel trotz ihres schlechten Ergebnisses dann in die<br />
242
Schramm / Petersen / Rütter / Vorderer · Musikforschung<br />
Playlist aufgenommen werden, ist aus unseren Studien nicht abzuleiten. Festzuhalten<br />
bleibt, dass das gleichzeitige Testen von bekannten und unbekannten Titeln wenig Sinn<br />
macht, wenn eines der abgefragten Kriterien die Bekanntheit ist und dieses Kriterium<br />
in ein Gesamttestergebnis beziehungsweise Power-Score eingeht. Hier müsste über<br />
alternative Musiktests oder ein getrenntes Testen von alten und neuen Titeln nachgedacht<br />
werden.<br />
Generell lässt sich konzedieren, dass Musiktests durchaus noch Entwicklungspotenzial<br />
aufweisen. Zwar sind insbesondere die privaten Sender, die bereits Musikforschung<br />
durchführen (lassen), in hohem Maße mit den bestehenden Musiktests zufrieden und<br />
finden sogar den Preis für Musikforschung angemessen, jedoch wird auch hier vereinzelt<br />
Misstrauen und Kritik an Stichprobenrekrutierung, Methodendurchführung und<br />
Ergebnissen geäußert. Weiterhin betreibt die Mehrzahl der Sender noch keine Musikforschung<br />
und nennt als Gründe unter anderem den hohen Preis und das mangelnde<br />
Vertrauen in die Methoden und Ergebnisse der Musikforschung.<br />
Was lässt sich nun als Fazit in Bezug auf die Ausgangsfrage formulieren? Die Musik<br />
muss einige ,Hürden‘ und Entscheidungsinstanzen überwinden, bevor das Publikum sie<br />
über das Radio hören kann. Zurzeit spielen das Gefühl und die Expertise der Musikredakteure<br />
dabei noch eine vergleichbar größere Rolle als die Musikforschung. Und dies<br />
muss man begrüßen, solange die Musiktests keine Ergebnisse produzieren, die ein optimal<br />
auf die Hörerbedürfnisse abgestimmtes Musikprogramm gewährleisten. Grundlagenforschung<br />
wie auch kommerzielle Musikforschungsinstitute sollten an einer Weiterentwicklung<br />
und Verbesserung der Musiktests interessiert sein. Erstere, um unter anderem<br />
den Prozess des alltäglichen Musikhörens über das Radio und die Bewertung von<br />
Musik besser zu verstehen; Letztgenannte, um validere Testergebnisse zu generieren, die<br />
eine optimalere Beratung der Radiosender ermöglichen und den hohen Preis für Musikforschung<br />
rechtfertigen. Ungeachtet dieser methodischen Weiterentwicklung sollten<br />
auch in Zukunft Studien den Stand und Stellenwert der Musikforschung bei deutschen<br />
Radiosendern dokumentieren, um die Entwicklung, die Mitte der Achtziger begonnen<br />
hat, im Längsschnitt festzuhalten. Es ist daher beabsichtigt, in ca. fünf Jahren die nächste<br />
Erhebungswelle durchzuführen.<br />
Literatur<br />
Balon, R. E. (1990). Radio in the ‘90s. Audience, promotion and marketing strategies. Washington,<br />
DC: National Association of Broadcasters.<br />
Bucher, H.-J., Klingler, W. & Schröter, C. (Hrsg.) (1995). Radiotrends. Formate, Konzepte und<br />
Analysen. Baden-Baden: Nomos.<br />
Deul, D. (2001, 9. April). Die Bestechlichen. In Amerika bezahlt die Musikindustrie für das, was<br />
im Radio zu hören ist und ein Hit wird – ein ganz legales Geschäft. Süddeutsche Zeitung,<br />
57(83), S. 20.<br />
Fletcher, J. E. (1987). Music and program research. Washington, DC: National Association of<br />
Broadcasters.<br />
Gleich, U. (1995). Hörfunkforschung in der Bundesrepublik. Methodischer Überblick, Defizite<br />
und Perspektiven. Media Perspektiven, o. Jg.(11), 554 – 561.<br />
Gushurst, W. (2000). Popmusik im Radio. Musik-Programmgestaltung und Analysen des Tagesprogramms<br />
der deutschen Servicewellen 1975–1995. Baden-Baden: Nomos.<br />
Haas, M. H., Frigge, U. & Zimmer, G. (1991). Radio Management. Ein Handbuch für Radio-Journalisten.<br />
München: Ölschläger.<br />
Hofmann, R. (1993). Streng geheim: Musikforschung. Radiomacher entdecken den Musikgeschmack<br />
ihrer Hörer. Diplomarbeit am Institut für Journalistik und Kommunikationsforschung,<br />
Hochschule für Musik und Theater Hannover.<br />
243
M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />
Lamnek, S. (1995). Qualitative Sozialforschung. Band 2: Methoden und Techniken (3., korrigierte<br />
Aufl.). Weinheim: Beltz, Psychologie Verlags Union.<br />
Linnenbach, E. (1987). Computergestützte Musikauswahl im Hörfunk. Diplomarbeit am Institut<br />
für Journalistik und Kommunikationsforschung, Hochschule für Musik und Theater Hannover.<br />
MacFarland, D. T. (1997). Future radio programming strategies: Cultivating listenership in the<br />
digital age. Mahwah, NJ: Lawrence Erlbaum Associates.<br />
Meuser, M. & Nagel, U. (1991). Experteninterviews – vielfach geprobt, wenig bedacht. In Garz, D.<br />
& Kraimer, K. (Hrsg.), Qualitativ-empirische Sozialforschung: Konzepte, Methoden, Analyse<br />
(S. 441 – 471). Opladen: Westdeutscher Verlag.<br />
Münch, T. (1998). 24 Stunden in 3 Minuten? Computergestützte Musikprogrammerstellung im Radio<br />
der 90er Jahre. In B. Enders & N. Knolle (Hrsg.), Neue Musiktechnologien III (S. 399 –<br />
414). Mainz: Schott.<br />
Neuwöhner, U. (1998). Musikstudie oder Titeltest: Methoden der Musikforschung. In C. Lindner-<br />
Braun (Hrsg.), Radioforschung: Konzepte, Instrumente und Ergebnisse aus der Praxis. (S. 153<br />
– 174). Opladen: Westdeutscher Verlag.<br />
Volpers, H., Schnier, D. & Salwiczek, C. (2000). Programme der nichtkommerziellen Lokalradios<br />
in Niedersachsen. Eine Programm- und Akzeptanzanalyse. Berlin: Vistas.<br />
von Zitzewitz, M. (1996). Mit Marketing in die Charts. Die Bedeutung der Kommunikationspolitik<br />
für den Erfolg von Tonträgern. Diplomarbeit am Institut für Journalistik und Kommunikationsforschung,<br />
Hochschule für Musik und Theater Hannover.<br />
244
Schramm / Petersen / Rütter / Vorderer · Musikforschung<br />
Fragebogen zur Bedeutung von Musiktests<br />
für deutsche Radiosender<br />
Bitte faxen Sie den ausgefüllten Fragebogen<br />
an 0511-3100 400. Vielen Dank für Ihre Mitarbeit !<br />
Hochschule für Musik und Theater Hannover<br />
Institut für Journalistik und Kommunikationsforschung<br />
1 Beschäftigt Ihr Sender eine eigene Musikredaktion?<br />
❐ Ja, mit ________ festen Redakteuren<br />
❐ Nein<br />
2 Nutzen Sie Musikforschung zur Gestaltung Ihres Programms?<br />
❐ Ja, seit ________ (Jahreszahl, z.B. 1995) ❐ Nein<br />
➜ Bei „Nein“, füllen Sie den Fragebogen ab Frage 10 weiter aus.<br />
3 Wenn Sie Musikforschung einsetzen, forschen Sie selbst (intern) oder haben Sie ein Institut beauftragt (extern)?<br />
❐ Ausschließlich intern ❐ Überwiegend intern ❐ Etwa zu gleichen Teilen intern und extern<br />
❐ Überwiegend extern ❐ Ausschließlich extern<br />
Falls Sie auch extern forschen, welches Institut/welche Institute haben Sie beauftragt?<br />
❐ Coleman ❐ Research Group ❐ GfK ❐ Anderes Institut: ________________________________________<br />
4 Mit welchen Methoden und Instrumenten testen Sie bzw. das von Ihnen beauftragte Institut?<br />
(Mehrfachnennungen möglich)<br />
❐ Telefonbefragungen Wir testen ________ Titel, mit ________ Personen, alle ________ Wochen.<br />
Die Telefonbefragungen werden überwiegend ❐ extern ❐ intern durchgeführt.<br />
Bei den Telefonbefragungen werden getestet:<br />
❐ Vollständige Titel ❐ Hooks ❐ Ganze Musikkategorien (anhand „typischer“ Titel)<br />
❐ Auditorium-Tests Wir testen ________ Titel, mit ________ Personen, alle ________ Wochen.<br />
Die Auditorium-Tests werden überwiegend ❐ extern ❐ intern durchgeführt.<br />
Bei den Auditorium-Tests werden getestet:<br />
❐ Vollständige Titel ❐ Hooks ❐ Ganze Musikkategorien (anhand „typischer“ Titel)<br />
❐ Sonstige Methoden: ________________________________________________________________________________<br />
____________________________________________________________________________________________________<br />
5 Worauf werden die Titel getestet? (Mehrfachnennungen möglich)<br />
❐ Bekanntheit ❐ Beliebtheit ❐ Sättigung (Burn-Out-Effekte)<br />
❐ Ob als passend zu bestimmten Tages- oder Jahreszeiten empfunden ❐ Ob als „Sender-typisch“ empfunden<br />
❐ Sonstiges: ________________________________________________________________________________<br />
____________________________________________________________________________________________________<br />
6 Wie wichtig sind die folgenden Quellen für die Auswahl der Titel für die Musiktests?<br />
Kreuzen Sie das Kästchen ganz links an, wenn Ihnen die jeweilige Quelle überhaupt nicht wichtig ist, und ganz rechts,<br />
wenn Ihnen die Quelle sehr wichtig ist. Mit den Kästchen dazwischen können Sie Ihre Meinung abstufen.<br />
Überhaupt nicht wichtig<br />
Sehr wichtig<br />
Deutsche Single-Charts ❐ ❐ ❐ ❐ ❐ ❐<br />
Internationale Charts ❐ ❐ ❐ ❐ ❐ ❐<br />
Media Control-Listen ❐ ❐ ❐ ❐ ❐ ❐<br />
Airplay-Charts ❐ ❐ ❐ ❐ ❐ ❐<br />
Eigene Einschätzungen der Musikredaktion ❐ ❐ ❐ ❐ ❐ ❐<br />
Plattenfirmen-Promotion ❐ ❐ ❐ ❐ ❐ ❐<br />
Musikfernsehen ❐ ❐ ❐ ❐ ❐ ❐<br />
Sonstige: ❐ ❐ ❐ ❐ ❐ ❐<br />
____________________________________<br />
245
M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />
7 Werden auch Neuerscheinungen getestet?<br />
❐ Ja, der Anteil der Neuerscheinungen an den getesteten Titeln liegt bei schätzungsweise ________ %.<br />
❐ Nein<br />
8 Wie wichtig sind die folgenden Quellen für die Auswahl der Musik für Ihr tägliches Programm?<br />
Überhaupt nicht wichtig<br />
Sehr wichtig<br />
Musikforschung ❐ ❐ ❐ ❐ ❐ ❐<br />
Deutsche Single-Charts ❐ ❐ ❐ ❐ ❐ ❐<br />
Internationale Charts ❐ ❐ ❐ ❐ ❐ ❐<br />
Media Control-Listen ❐ ❐ ❐ ❐ ❐ ❐<br />
Airplay-Charts ❐ ❐ ❐ ❐ ❐ ❐<br />
Hörerwünsche ❐ ❐ ❐ ❐ ❐ ❐<br />
Eigene Einschätzungen der Musikredaktion ❐ ❐ ❐ ❐ ❐ ❐<br />
Plattenfirmen-Promotion ❐ ❐ ❐ ❐ ❐ ❐<br />
Musikfernsehen ❐ ❐ ❐ ❐ ❐ ❐<br />
Sonstige: ❐ ❐ ❐ ❐ ❐ ❐<br />
____________________________________<br />
9 Wie bewerten Sie Ihre bzw. die von Ihnen in Auftrag gegebene Musikforschung allgemein?<br />
Sie sehen hier einige Aussagen über Musikforschung. Kreuzen Sie das Kästchen ganz links an, wenn Sie der jeweiligen Aussage<br />
überhaupt nicht zustimmen, und ganz rechts, wenn Sie voll und ganz zustimmen. Mit den Kästchen dazwischen können<br />
Sie Ihre Meinung abstufen.<br />
Stimme überhaupt<br />
nicht zu<br />
Stimme voll<br />
und ganz zu<br />
„Die Musikforschung bringt nützliche und<br />
zuverlässige Ergebnisse.“ ❐ ❐ ❐ ❐ ❐ ❐<br />
„Die Methoden der Musikforschung sind<br />
geeignet, um Titel zu testen.“ ❐ ❐ ❐ ❐ ❐ ❐<br />
„Die Musikforschung ist ihr Geld wert.“ ❐ ❐ ❐ ❐ ❐ ❐<br />
➜ Wenn Sie mit dem Ausfüllen des Fragebogens hier angekommen sind, überspringen Sie bitte die folgende Frage und füllen<br />
Sie den Fragebogen ab Frage 11 weiter aus!<br />
10 Wenn Sie keine Musikforschung einsetzen, warum nicht? (Mehrfachnennungen möglich)<br />
❐ Wir haben keinen Musikanteil in unserem Programm.<br />
❐ Wir übernehmen ein Mantelprogramm.<br />
❐ Musikforschung ist zu teuer.<br />
❐ Wir haben kein Vertrauen in die Ergebnisse der Musikforschung.<br />
❐ Sonstiges: _________________________________________________________________________________________<br />
____________________________________________________________________________________________________<br />
11 Wie viele Titel umfasst die Playlist Ihres Senders?<br />
❐ __________________ Titel ❐ Wir haben keinen Musikanteil in unserem Programm.<br />
❐ Keine Angabe<br />
Wir bedanken uns ganz herzlich, dass Sie sich die Zeit für die Beantwortung der Fragen genommen haben!<br />
Bitte faxen Sie den ausgefüllten Fragebogen an 0511 - 3100 400.<br />
[ID-Nr.]<br />
246
Freiheit für die Daten!<br />
Sekundäranalysen und Datenbestände in der deutschen <strong>Medien</strong>- und<br />
Kommunikationswissenschaft<br />
Edmund Lauf<br />
Sekundäranalysen können auch in der <strong>Medien</strong>- und Kommunikationswissenschaft weit<br />
mehr sein als eine Analyse zweiter Klasse, mehr als kostengünstige Resteverwertung.<br />
Dies trifft vor allem auf die Analyse vergleichbarer Datenbestände aus verschiedenen<br />
Ländern (räumlich) oder aus verschiedenen Jahren (zeitlich) zu. Notwendige Voraussetzung<br />
für eine sekundäranalytische Nutzung sind verfügbare Datenbestände. Eine Analyse<br />
des medien- und kommunikationswissenschaftlichen Datenbestandes am Zentralarchiv<br />
für empirische Sozialforschung in Köln (ZA) zeigte, dass die <strong>Medien</strong>- und Kommunikationswissenschaft<br />
vergleichsweise stiefmütterlich behandelt wird. Verantwortlich<br />
sind dafür nicht zuletzt die Mitarbeiter an medien- und kommunikationswissenschaftlichen<br />
Hochschulinstituten: Eine Befragung ergab, dass sie das Angebot des ZA nur unzureichend<br />
nutzten und die Bereitschaft zur Bereitstellung eigener Daten sehr gering ist.<br />
Der Archivierung zentraler medien- und kommunikationswissenschaftlicher Datenbestände<br />
sollte angesichts bereits eingetretener und zu befürchtender Verluste von Datensätzen<br />
mehr Aufmerksamkeit in unserem Fach gewidmet werden.<br />
Keywords: Sekundäranalysen, kommunikationswissenschaftliche Datenbestände, Datenarchive,<br />
Zentralarchiv für Empirische Sozialforschung<br />
Viele medien- und kommunikationswissenschaftlich relevante Datensätze in Deutschland<br />
teilen bis heute noch ein gemeinsames Schicksal: Nach arbeits- und kostenintensiver<br />
Erhebung werden die Daten mehr oder weniger umfassend hinsichtlich einer konkreten<br />
primären Fragestellung ausgewertet und anschließend von ihren Erzeugern in Sicherheitsverwahrung<br />
genommen. Hier erleiden sie über kurz oder lang den Tod aller<br />
Magnetisierung, erblicken nie wieder das Licht der Analyse und können daher keine<br />
Antworten auf Fragen geben, die ihnen nie gestellt wurden. Potenziale von Datensätzen<br />
werden nie völlig, selten zu großen Teilen ausgeschöpft, eine häufig nicht unerhebliche<br />
Restgröße bleibt meist ungenutzt.<br />
Datensätze, die auf veralteten Speichermedien wie Lochkarten oder Magnetbändern<br />
gespeichert wurden sind schon für die Primärforscher heute kaum noch zugänglich. Angesichts<br />
der anstehenden Emeritierungswelle, ist zu befürchten, dass Datenbestände, die<br />
in den letzten fünfzig Jahren erhoben wurden, der medien- und kommunikationswissenschaftlichen<br />
Forschung für immer verloren gehen.<br />
Die Fragen,<br />
• welche Bedeutung Sekundäranalysen in unserem Fach besitzen,<br />
• welche Datenbestände für Sekundäranalysen bereits heute zur Verfügung stehen,<br />
• in welchem Umfang diese Daten genutzt werden und<br />
• ob Primärforscher überhaupt bereit sind, ihre Daten zur Verfügung zu stellen,<br />
sollen daher im Folgenden beantwortet werden.<br />
247
M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />
1. <strong>Medien</strong>- und kommunikationswissenschaftliche Sekundäranalysen in<br />
Deutschland<br />
Empirische Studien folgen dem klassischen Ablaufplan vom Entdeckungszusammenhang<br />
über den Begründungszusammenhang bis hin <strong>zum</strong> Verwertungszusammenhang.<br />
Für Primäranalysen gilt es, eine Fragestellung zu entwickeln, Hypothesen aufzustellen,<br />
eine Entscheidung für eine bestimmte Erhebungsmethode zu treffen, das Erhebungsinstrument<br />
zu entwickeln, die Stichprobe festzulegen, Pretests durchzuführen, die Daten<br />
zu erheben, aufzubereiten und zu analysieren. Diese Form der medien- und kommunikationswissenschaftlichen<br />
Primäranalyse hat eine lange Tradition und lässt angesichts<br />
zunehmender Bedeutung der <strong>Medien</strong>- und Kommunikationsforschung auch<br />
einen wachsenden Bestand an Primäruntersuchungen und damit an Datensätzen erwarten.<br />
Sekundäranalysen versuchen, diesen Bestand zu nutzen. Von Sekundäranalysen<br />
kann dann gesprochen werden, wenn die für eine spezifische Fragestellung erhobenen<br />
Daten mit einer neuen, anderen Fragestellung genutzt werden. Der Nachteil von Sekundäranalysen<br />
liegt auf der Hand (Hyman 1972, Kiecolt/Nathan 1985): Alle Entscheidungen,<br />
die vor der Analyse der Daten im Forschungsprozess getroffen wurden, sind<br />
unveränderlich. Nicht nur, dass eigene Fragestellungen damit teilweise nur bedingt beantwortet<br />
werden können, Sekundäranalysen beinhalten vor allem auch alle Fehler der<br />
Primärerhebung. Wenn jedoch die Primärerhebung und deren Probleme gut dokumentiert<br />
sind und die für eine Sekundäranalyse relevanten Fragenkomplexe erhoben wurden,<br />
dann kommen die Vorteile einer Sekundäranalyse <strong>zum</strong> Tragen: Zunächst sind<br />
Sekundäranalysen kostengünstig, da ja keine Erhebung durchgeführt werden muss.<br />
Außerdem bieten Sekundäranalysen Analysemöglichkeiten, die sich durch Primäranalysen<br />
nur bedingt oder gar nicht realisieren lassen.<br />
In welcher Breite bereits heute Sekundäranalysen in der deutschen <strong>Medien</strong>- und<br />
Kommunikationswissenschaft durchgeführt werden, soll an einigen Beispielen belegt<br />
werden. 1 Vor allem die Langzeitstudie Massenkommunikation (u. a. Kiefer 1996) wurde<br />
häufig für Sekundäranalysen genutzt, keine andere Studie zur <strong>Medien</strong>nutzung in<br />
Deutschland bietet so umfangreiche und unterschiedliche Nutzungs- und Einstellungsdaten,<br />
die zudem als Trenddaten analysierbar sind. Schon die Kontrolle der Validität der<br />
Daten selbst ist eine Sekundäranalyse, die ihren eigenen Wert hat: Sowohl die Rekonstruktion<br />
der publizierten Ergebnisse (Lauf/Peiser 1999, Peiser/Lauf 1999) als auch die<br />
Ergänzung einer Sekundäranalyse durch ein Experiment (Schmid/Schweiger 1999) fördern<br />
den wissenschaftlichen Fortschritt dadurch, dass sie die Primäranalyse bestätigen<br />
oder in Frage stellen.<br />
Im Allgemeinen dienen Sekundäranalysen jedoch weniger der Prüfung publizierter<br />
Ergebnisse, sondern gehen eigenen, neuen Fragen nach (z. B. Schulz 1997, 1999). Das eigentliche<br />
Potenzial liegt dabei in der Möglichkeit der komparativen Analyse. Vor allem<br />
für einen zeitlichen Vergleich von Befragungsdaten sind vorhandene Datenbestände eine<br />
conditio sine qua non: So ist es beispielsweise nicht möglich, zu einem aktuellen Zeitpunkt<br />
Daten über die <strong>Medien</strong>nutzung in einer längst vergangenen Zeit valide zu erhe-<br />
1 Es soll lediglich ein Einblick in die Nutzung bestehender Daten gegeben werden und kein auf<br />
Vollständigkeit angelegter Überblick. Das ist auch nur bedingt möglich, denn das Etikett „Sekundäranalyse“<br />
wird vor allem dann vergeben, wenn Wissenschaftler nicht als Forscher an der<br />
Primäranalyse beteiligt waren und/oder kommerzielle Studien sekundäranalytisch genutzt werden.<br />
248
Lauf · Freiheit für die Daten!<br />
ben. Da die Langzeitstudie Massenkommunikation ursprünglich nur als Single-source-<br />
Studie geplant war, ist bereits die vergleichende Analyse mindestens zweier Folgestudien<br />
(1974, 1980, 1985, 1990 und 1995) durch die Primärforscher selbst im strengen Sinne<br />
als Sekundäranalyse zu werten. Über diese Auswertungen der Langzeitstudie (z. B. Kiefer<br />
1996) hinaus finden sich eine Reihe von Trend- und Kohortenanalysen auf der Basis<br />
dieser Daten (Berens/Kiefer/Meder 1997, Peiser 1996, 1999a, 1999b, 1999c). Und auch<br />
für einen internationalen Vergleich sind die Datenbestände der Langzeitstudie Massenkommunikation<br />
genutzt worden, indem adäquate Datensätze mit vergleichbarer Anlage<br />
zusammengeführt wurden (Schönbach/Lauf 1998, Peiser 2000). Anhand der Daten<br />
der Langzeitstudie Massenkommunikation konnte desweiteren aufgezeigt werden, dass<br />
die Reanalyse von Daten neben grundsätzlichen auch spezifische Probleme aufwirft, die<br />
nicht selten auf eine unzureichende Dokumentation zurückzuführen sind (Peiser 1996,<br />
190ff.).<br />
Die Langzeitstudie Massenkommunikation ist aber nur ein – wenn auch sehr gutes –<br />
Beispiel für die Möglichkeiten der sekundäranalytischen Nutzung von medien- und<br />
kommunikationswissenschaftlich relevanten Daten in Deutschland. Vor allem im Bereich<br />
der <strong>Medien</strong>nutzung finden sich weitere Beispiele: Sekundäranalysen der Media-<br />
Analyse (Kubitschke/Trebbe 1992, Weiß/Hasebrink 1995, Weiß/Hasebrink 1997,<br />
Schönbach/Lauf/Stürzebecher/Peiser 1997), der AWA (Schönbach/Lauf/Peiser 1999),<br />
der GFK-Meter-Daten (Krotz/Hasebrink 1998), von Studien der Sendeanstalten (Kliment<br />
1997, Ehlers 1989) sowie der <strong>Medien</strong>nutzungsdaten der DDR-Fernsehforschung<br />
(Stiehler 1998). Zur Beantwortung der Frage nach der <strong>Medien</strong>nutzung unter sich ändernden<br />
Systembedingungen wurde ebenfalls auf bestehende Daten zurückgegriffen<br />
(z. B. Kaase 1989, Feldinger 1990). Reanalysiert wurden auch <strong>Medien</strong>wirkungsstudien,<br />
z. B. Studien zur Agenda Setting-Hypothese (Hügel/Degenhardt/Weiß 1992).<br />
Datensätze müssen zudem nicht notwendig direktes Resultat medien- und kommunikationswissenschaftlicher<br />
Forschung sein: Die Eurobarometer-Studien, in denen<br />
kontinuierlich die Nutzung der Tageszeitung, des Fernsehens und des Hörfunks zur Information<br />
über aktuelle Politik erhoben werden, sind ebenfalls mehrfach Gegenstand<br />
von Sekundäranalysen gewesen (Scherer 1995, Holtz-Bacha/Norris 2001, Lauf 2001).<br />
Zur Analyse der Wissenskluft (Horstmann 1991) und der Videomalaise (Holtz-Bacha<br />
1989) wurden Wahlstudien genutzt und für den Zusammenhang von Wertorientierung<br />
und <strong>Medien</strong>präferenz Jugendlicher die Shell-Jugendstudie (Hagenmaier 1987).<br />
Im Vergleich mit Befragungsdaten steckt die sekundäranalytische Nutzung von Inhaltsanalysen<br />
noch in den Kinderschuhen. Wenn Inhaltsanalysen reanalysiert werden,<br />
dann ist <strong>zum</strong>eist einer der Primärforscher beteiligt (Goertz 1997, Holtz-Bacha/Lessinger/Hettesheimer<br />
1999, Schönbach/de Ridder/Lauf 2001) oder <strong>zum</strong>indest existiert ein<br />
guter Kontakt zu einem der Primärforscher (z. B. Gaßner 1992). Häufig wird aber gar<br />
nicht erst erwähnt, dass es sich um eine Sekundäranalyse handelt. Es gibt einige Gründe,<br />
warum dies so ist: Inhaltsanalysen werden selten von kommerziellen Instituten<br />
durchgeführt und sind, solange das zu analysierende Material beschafft werden kann,<br />
mit eigenem Design wiederholbar. Darüber hinaus können Reliabilitäten nur innerhalb<br />
der einzelnen Studien ermittelt werden, sind also nicht zwischen den Studien vergleichbar.<br />
2 Und schließlich haben sich im Gegensatz zu Befragtendaten keine Standards der<br />
Erhebung zentraler Konstrukte herausgeschält (vgl. hierzu Hüning 2001).<br />
2 Der vorliegende Beitrag bezieht sich lediglich auf die Nutzung von Datenbeständen, zunächst<br />
einmal unabhängig von der Erhebungsmethode. Zusätzlich könnte in Zukunft auch über eine<br />
249
M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />
Während für Primärstudien gilt, dass nach der Formulierung der Hypothesen ein Erhebungskonzept<br />
entwickelt werden muss, folgt bei Sekundäranalysen die Suche nach<br />
geeigneten Datensätzen. Bevor also überhaupt Probleme der Vergleichbarkeit – wie<br />
zeitliche oder internationale Komparabilität – entstehen können, müssen geeignete Datenbestände<br />
gefunden werden, die verfügbar sind. Das einzige öffentlich zugängliche<br />
Archiv für Daten der Sozialforschung in der Bundesrepublik Deutschland ist das<br />
Zentralarchiv für empirische Sozialforschung in Köln (ZA). Insgesamt stehen dort fast<br />
3.000 maschinenlesbare Originaldatensätze für Sekundäranalysen zur Verfügung. Das<br />
ZA versteht sich als Service-Einrichtung für die quantitative Sozialforschung. Zu seinen<br />
zentralen Dienstleistungen gehören die Archivierung und die Bereitstellung aller für<br />
Sekundäranalysen erforderlichen Materialien. Archiviert werden Studienbeschreibungen,<br />
Fragebögen, Codepläne und die maschinenlesbaren Daten (<strong>zum</strong>eist als portable<br />
SPSS-Dateien). Der Datenbestandskatalog (DBK) des ZA enthält alle archivierten Datensätze:<br />
Hier können relevante Datensätze nach Titel der Studie, Namen der Primärforscher,<br />
Erhebungsjahr, Erhebungsgebiet oder vorgegebenen Kategorien gesucht werden<br />
(http://www.gesis.org/Datenservice/Suche/Daten/index.htm). Auch gibt es die<br />
Möglichkeit, die Abstracts der Studien nach Stichworten zu durchsuchen. Einen Datensatz<br />
gefunden zu haben, bedeutet allerdings noch nicht, ihn auch analysieren zu können.<br />
Ob und für wen die Daten zugänglich sind, ergibt sich aus den Zugangsklassen. 3<br />
Diese Zugangsbarrieren bieten auch Vorteile: Die Daten können bereits für spätere Sekundäranalysen<br />
bereitgestellt werden, sobald der Datengeber über alle notwendigen<br />
methodischen Dokumentationen verfügt, auch wenn er noch selbst mit der Analyse befasst<br />
ist. Verfügbare Datenbestände werden auf Diskette, CD oder im Internet bereitgestellt.<br />
Dem ZA vergleichbare Datenarchive gibt es in zahlreichen Ländern (siehe u. a.<br />
CESSDA Integrated Data Catalogue: http://dasun3.essex.ac.uk/Cessda/IDC). Damit<br />
ist das Spektrum allgemein zugänglicher sozialwissenschaftlicher Datenbestände abgesteckt.<br />
Darüber hinaus können Daten auch direkt von den Auftraggebern oder durchführenden<br />
Instituten bereitgestellt werden. Hier – <strong>zum</strong>eist handelt es sich um die<br />
Schnittstelle zwischen kommerzieller und akademischer Forschung – gilt jedoch <strong>zum</strong>eist,<br />
dass der Zugang zu den Daten selektiv gewährt wird. Dies schränkt sowohl die<br />
wissenschaftliche Freiheit als auch den potenziellen Nutzerkreis ein. Auch die Daten<br />
vieler, beispielsweise durch DFG-Gelder finanzierter Erhebungen an medien- und<br />
kommunikationswissenschaftlichen Instituten werden – wenn überhaupt – ausschließ-<br />
Archivierung des codierten Materials (z.B. Nachrichtensendungen, Textdaten), der eingesetzten<br />
Messinstrumente (Kategoriensysteme, Dictionaries und ggf. Daten der Reliabilitätstests)<br />
diskutiert werden, die beispielsweise für die Replikationen von Inhaltsanalysen notwendig sind.<br />
Mit KIS (Konventionelle Inhaltsanalysen-Sammlung) wurde ein bisher wenig erfolgreicher<br />
Versuch unternommen, inhaltsanalytische Instrumente zu sammeln und der wissenschaftlichen<br />
Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. (http://www.gesis.org/Methodenberatung/Vercodung/KIS/kis.htm)<br />
3 Es werden vier Zugangsklassen unterschieden: Die Kategorie 0 ist für jedermann freigegeben,<br />
die Kategorie A nur für wissenschaftliche Forschung und Lehre an den Hochschulen sowie<br />
sonstige öffentlich finanzierte Institute/Projekte, die Kategorie B ist nur für wissenschaftliche<br />
Forschung und Lehre an den Hochschulen freigegeben, wenn die Ergebnisse nicht veröffentlicht<br />
werden bzw. die Veröffentlichung durch den Datengeber genehmigt wird. Daten der Kategorie<br />
C sind für wissenschaftliche Forschung und Lehre nur nach Genehmigung des Datengebers<br />
zugänglich.<br />
250
Lauf · Freiheit für die Daten!<br />
lich über private Netze weitergegeben. Zu begrüßen wäre es, wenn Primärforscher aus<br />
kommerziellen und akademischen Institutionen ihre Daten für Forschungsinteressen<br />
freigäben, die ihnen selbst fern liegen.<br />
2. <strong>Medien</strong>- und kommunikationswissenschaftlicher Datenbestand am ZA<br />
Ende 1995 ließ das ZA eine Telefonumfrage unter 591 zufällig ausgewählten Lesern der<br />
ZA-Informationen und der ZUMA-Nachrichten durchführen (Gräf 1996). Von den Befragten,<br />
die institutionell zugeordnet werden konnten, lag der Anteil der Mitarbeiter aus<br />
medien- und kommunikationswissenschaftlichen Instituten bei sechs Prozent. Mit 52<br />
Prozent suchten diese Mitarbeiter etwa so häufig wie Politikwissenschaftler (54%) und<br />
Soziologen (52%) nach Datensätzen, sie entschlossen sich aber seltener <strong>zum</strong> Bezug von<br />
Daten (Kommunikationswissenschaftler 30%, Politologen 47% und Soziologen 40%,<br />
Gräf 1996: 84). Mit anderen Worten: Die Suche von Politikwissenschaftlern endete in<br />
87 Prozent, die der Soziologen in 77 Prozent der Fälle mit einem Erfolg, während die<br />
Quote bei Kommunikationswissenschaftlern nur 57 Prozent betrug.<br />
Das ZA bietet also Nutzungsmöglichkeiten, von denen auch in der <strong>Medien</strong>- und Kommunikationswissenschaft<br />
Gebrauch gemacht wird. Es scheint jedoch so, dass der Kreis<br />
der Nutzer in unserem Fach begrenzt ist. Mehrere Gründe könnten dafür verantwortlich<br />
sein: Vielleicht sind <strong>Medien</strong>- und Kommunikationswissenschaftler nicht über die<br />
Möglichkeiten der Datensatzsuche und -bestellung informiert und ziehen daher die Methode<br />
der Sekundäranalyse nicht in Betracht. Die Nutzerbefragung des ZA legt allerdings<br />
auch nahe, dass geeignete Daten im ZA für <strong>Medien</strong>- und Kommunikationswissenschaftler<br />
in weit geringerem Umfang zur Verfügung stehen als für andere Disziplinen. Es ist nicht<br />
auszuschließen, dass deswegen viele Wissenschaftler auf Sekundäranalysen ganz verzichten<br />
oder persönliche Kontakte/Netzwerke nutzen, um an geeignete Datensätze zu<br />
gelangen. Angesichts der wachsenden Bedeutung von medien- und kommunikationswissenschaftlichen<br />
Datenbeständen wird deshalb der öffentlich zugängliche medien- und<br />
kommunikationswissenschaftliche Datenbestand am ZA untersucht.<br />
Die Analyse basiert auf den 2.849 Einheiten des elektronischen Datenbestandskatalogs<br />
am ZA 4 . Um die medien- und kommunikationswissenschaftlichen Datensätze zu<br />
identifizieren, wurden alle 120 Bestände der ZA-Kategorie 62 (Kommunikation, öffentliche<br />
Meinung) als medien- und kommunikationswissenschaftliche Datenbestände<br />
codiert. Nach einer Suche im Titel aller verbleibenden Studien nach den Stichwörtern<br />
„Journal*“, „<strong>Medien</strong>*“, „Kommunikation*“ und „Massen*“ konnten 39 zusätzliche<br />
medien- und kommunikationswissenschaftliche Datenbestände identifiziert werden.<br />
Anschließend wurden die Studienbeschreibungen der medien- und kommunikationswissenschaftlichen<br />
Datenbestände detaillierter analysiert. Im Einzelnen wurde erhoben,<br />
ob ein Mitarbeiter eines medien- oder kommunikationswissenschaftlichen Instituts als<br />
Primärforscher beteiligt war und ob die Daten einem Studienkomplex (z. B. der Langzeitanalyse<br />
Massenkommunikation) zugeordnet werden können. Zusätzlich wurden<br />
der Inhalt der Studie, die Zugänglichkeit der Daten, das Untersuchungsgebiet, das Untersuchungsjahr<br />
(Beginn der Erhebung), die Anzahl der Fälle und die Bestandsart (kumulierte<br />
Datensätze) erfasst.<br />
4 Die Version vom 15.5.2000 wurde am 1.3.2001 (100500dbv_en.zip) aus dem Internet heruntergeladen.<br />
251
M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />
Orientiert man sich an der – nicht ganz unproblematischen – thematischen Klassifikation<br />
der Datenbestände durch das ZA, so zeigt sich ein durchaus erfreuliches Ergebnis:<br />
Mehr Datensätze als zur Kategorie „Kommunikation, öffentliche Meinung“ (120)<br />
finden sich lediglich zu „Familie“ (168), „Internationale Institutionen, Beziehungen,<br />
Verhältnisse“ (211), „Gesellschaft, Kultur“ (255) und zu „Politische Einstellungen und<br />
Verhaltensweisen“ (647). Werden die weiteren 39 originär medien- und kommunikationswissenschaftlichen<br />
Datenbestände hinzugerechnet, dann steigt der Anteil dieser<br />
Datenbestände sogar von vier auf sechs Prozent und verteilt sich über die Jahrzehnte seit<br />
1950 etwa gleich.<br />
<strong>Medien</strong>- und kommunikationswissenschaftliche Daten sind jedoch vergleichsweise<br />
schwer zugänglich: Für fast die Hälfte aller Datensätze muss eine zusätzliche Nutzungsgenehmigung<br />
durch den Datengeber erfolgen, was einen separaten Antrag und<br />
eine eben nicht zwangsläufige Bereitstellung der Daten zur Folge hat (Tabelle 1).<br />
Tabelle 1: Zugänglichkeit medien- und kommunikationswissenschaftlicher Datenbestände<br />
am ZA (in Prozent)<br />
Freigabebegrenzungen Andere Bestände MW- und KW- Bestände<br />
Keine, unbeschränkt (0) 2 14<br />
Wissenschaft unbeschränkt (A) 52 32<br />
Veröffentlichung ist zu genehmigen (B) 13 7<br />
Nutzungsgenehmigung (C) 33 47<br />
N 2.690 159<br />
Wichtiger als formale Hürden sind letztlich die Inhalte der medien- und kommunikationswissenschaftlichen<br />
Studien. Da lediglich drei inhaltsanalytisch gewonnene Datensätze<br />
am ZA vorliegen, konzentriert sich die folgende Darstellung auf Befragungen.<br />
Insgesamt lassen sich die meisten Datensätze konkreten Studienkomplexen zuordnen,<br />
Einzelstudien sind selten (Tabelle 2). Die impressive Zahl von fast 1,4 Millionen Befragten<br />
schrumpft um 75 Prozent, die der Datensätze um mehr als ein Drittel, wenn allein<br />
die Datensätze der Leseranalyse (LA) und Media-Analyse (MA) herausgerechnet<br />
werden. So interessant dieser Bestand für Langzeitanalysen ist – immerhin reicht er zurzeit<br />
von 1954 bis 1995 – er deckt nur ein recht enges thematisches Feld ab. Dies gilt verstärkt<br />
für alle 16 Datensätze des Revue-Copy-Tests, die nur 1964 erhoben wurden. Die<br />
Datensätze zur BTX-Begleitforschung erfassen ebenfalls ein spezifisches Schwerpunktthema<br />
und wurden nur in der Region Düsseldorf/Neuss von 1979 bis 1983 erhoben. Die<br />
Datensätze „Typologie der Wünsche“ sind ähnlich wie die MA zu bewerten, liegen jedoch<br />
erst seit 1979 vor. Die Langzeitstudie Massenkommunikation wurde bereits oben<br />
diskutiert. Die Datensätze des Zentralinstituts für Jugendforschung umfassen vor allem<br />
sehr spezifische Studien zur <strong>Medien</strong>nutzung Jugendlicher in Ostdeutschland vor und<br />
während der Umbruchphase und dürften daher auch nur für einen begrenzten Kreis von<br />
Sekundäranalysen nutzbar sein. Der Vollständigkeit halber seien auch noch die anderen<br />
Komplexe genannt, die thematisch ebenfalls eng gefasst sind: Panelstudien zur Akzeptanz<br />
und Wirkung des Kabelfernsehens und <strong>zum</strong> Einfluss des Fernsehens in ländlichen<br />
Gemeinden Tunesiens, zwei Studien zu Massenmedien und politischer Meinungsbildung<br />
und eine Studie zur Rechtschreibfähigkeit.<br />
Was darüber hinaus noch verbleibt, sind die Einzelstudien. Sie sind vergleichsweise<br />
alt, die aktuellste Studie stammt aus dem Jahr 1990. Ohne den Wert der Einzelstudien<br />
252
Lauf · Freiheit für die Daten!<br />
Tabelle 2: Verteilung der medien- und kommunikationswissenschaftlichen<br />
Befragungsdaten am ZA nach Studienkomplexen (absolut)<br />
Anzahl Befragte Befragte<br />
Datensätze (Mittel) (Summe)<br />
Einzelstudie 27 1.913 51.652<br />
Media-Analyse (MA & LA) 52 19.837 1.031.509<br />
Revue-Copy-Test 16 157 2.516<br />
Typologie der Wünsche 11 8.392 92.309<br />
BTX Begleitforschung 7 937 6.556<br />
Langzeitstudie Massenkommunikation 4 5.023 20.093<br />
Studien am Zentralinstitut für Jugendforschung 19 919 17.465<br />
Andere 17 8.410 142.966<br />
N 153 8.922 1.365.066<br />
schmälern zu wollen – sie sind sehr heterogen und teilweise hoch spezifisch: Sie reichen<br />
von einer Leseranalyse der Mannesmann-Werkszeitschrift, über eine Befragung von<br />
DDR-Besuchern der Grünen Woche bis hin zu Studien zur Nutzung von Massenmedien<br />
1955. Jeweils eine Journalistenstudie liegt zu Journalisten der Unterhaltungspresse<br />
1971 und zur Beschäftigungssituation von Journalisten 1971 vor. Jede der genannten Studien<br />
kann für wissenschaftliche Fragestellungen wichtig sein, doch dürften jedem Leser<br />
auf Anhieb einige Studien einfallen, die hier nicht angesprochen wurden. Der Bestand<br />
von lediglich drei Inhaltsanalysen am ZA (zur „Berufstätigen Frau in illustrierten Zeitschriften<br />
1973“, „<strong>Medien</strong>berichterstattung vor der Bundestagswahl 1990“ und der „Beiträge<br />
zu Ausländerfragen 1972–1983“) dürfte allein schon erklären, warum <strong>Medien</strong>- und<br />
Kommunikationswissenschaftler hier so selten geeignete Datenbestände finden. Nimmt<br />
man hinzu, dass nur in 17 Prozent der Datensatzbeschreibungen Namen von Wissenschaftlern<br />
an medien- und kommunikationswissenschaftlichen Instituten genannt werden<br />
und deren absolute Häufigkeit bei den Einzelstudien nur drei beträgt, sind die Ursachen<br />
für die bescheidene Repräsentanz fachrelevanter Studien am ZA leicht ausgemacht:<br />
Es sind die <strong>Medien</strong>- und Kommunikationswissenschaftler höchst selbst, nicht etwa die<br />
kommerziellen Institute, die ihre Daten offensichtlich nicht zur Verfügung stellen.<br />
Dass fast 60 Prozent der suchenden <strong>Medien</strong>- und Kommunikationswissenschaftler<br />
fündig geworden sind, ist aus dieser Perspektive eine wirkliche Erfolgsquote und verweist<br />
darauf, dass nicht nur die im engeren Sinne medien- und kommunikationswissenschaftlichen<br />
Studien für Sekundäranalysen in unserem Fach in Betracht kommen:<br />
Beispielsweise enthält die Allgemeine Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften<br />
1998 (ALLBUS) einige Fragen zur Nutzung und Glaubwürdigkeit einzelner <strong>Medien</strong>.<br />
Eine Abfrage aller Studieninhalte zeigt, dass zu den Stichworten „Zeitung“, „Rundfunk“,<br />
„Fernsehen“, „<strong>Medien</strong>“ und „Kommunikation“ jeweils 122 bis 261 Einträge zu finden<br />
sind, Datenpotenziale für medien- und kommunikationswissenschaftliche Sekundäranalysen<br />
am ZA also schon jetzt größer sind, als es eine enge Definition vermuten lässt.<br />
3. <strong>Medien</strong>- und Kommunikationswissenschaftler als Nutzer und Geber von Daten<br />
Wie gezeigt wurde, werden auch in unserem Fach Sekundäranalysen durchgeführt. Unbekannt<br />
ist jedoch, ob dies lediglich einzelne <strong>Medien</strong>- und Kommunikationswissenschaftler<br />
tun, mit welchen Methoden die reanalysierten Daten erhoben wurden und wer<br />
253
M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />
Tabelle 3: Datengeber, Primärforscher, Erhebungsmethoden und Ausmaß der<br />
Nutzung von Datenbeständen für Sekundäranalysen durch <strong>Medien</strong>- und<br />
Kommunikationswissenschaftler (in Prozent und absolut)<br />
Anteil N<br />
Befragte Forscher an MW- oder KW-Instituten 100% 134<br />
Anteil Professoren 27% 36<br />
Befragte, die bereits quantitative Daten erhoben bzw. analysiert haben 86% 115<br />
Davon: Sekundäranalysen für nichtkommerzielle Zwecke (N = 115) 49% 56<br />
Davon: Ursprung der Daten (N = 56)<br />
Ausschließlich Daten, an deren Erhebung der Forscher beteiligt war 9% 5<br />
Ausschließlich Daten, die von anderen Forschern erhoben und analysiert waren 30% 17<br />
Daten, an deren Erhebung der Forscher beteiligt war und Daten, die von<br />
anderen Forschern erhoben und analysiert waren 61% 34<br />
Datengeber (N = 51, Mehrfachantworten)<br />
Mitarbeiter/Kollegen nicht-kommerzieller Institute 57% 29<br />
ZA 43% 22<br />
Mitarbeiter kommerzieller Institute (auch Sendeanstalten) 41% 21<br />
Erhebungsmethode (N = 56, Mehrfachantworten)<br />
Befragung 88% 49<br />
Inhaltsanalyse 46% 26<br />
Beobachtung 14% 8<br />
Anderes (Telemetrische Daten, Census Daten etc.) 7% 4<br />
die Datengeber waren. Auch stellt sich die Frage, ob <strong>Medien</strong>- und Kommunikationswissenschaftler<br />
über die Angebote des ZA überhaupt informiert sind und ob sie diese<br />
Angebote nutzen. Nicht zuletzt gilt es, die Gretchenfrage zu beantworten: Sind <strong>Medien</strong>-<br />
und Kommunikationswissenschaftler bereit, eigene Daten zur Verfügung zu stellen?<br />
Um Antworten auf diese Fragen von möglichst vielen Wissenschaftlern zu bekommen,<br />
wurde eine schriftliche E-Mail-Befragung der Mitarbeiter deutscher medien- und<br />
kommunikationswissenschaftlicher Institute mit sehr wenigen Fragen durchgeführt.<br />
Den Homepages medien- und kommunikationswissenschaftlicher Hochschulinstitute<br />
und angeschlossener Einrichtungen 5 wurden die E-Mail-Adressen der Mitarbeiter (wissenschaftliche<br />
Hilfskräfte, Mitarbeiter, Assistenten und Professoren) entnommen und<br />
ggf. durch die Adressen im Mitgliederverzeichnis der „Deutschen Gesellschaft für<br />
Publizistik und Kommunikationswissenschaft“ (DGPuK) ergänzt. Von den insgesamt<br />
277 auf den Homepages der Institute angegebenen wissenschaftlichen Mitarbeitern und<br />
Mitarbeiterinnen waren 27 ohne (gültige) E-Mail-Adresse bzw. nicht mehr am Institut<br />
tätig. An die verbleibenden 250 Adressen wurde im Mai 2001 ein kurzer Fragebogen<br />
5 Im Einzelnen handelt es sich um die Institute in Augsburg, Bamberg, Bochum, Berlin (FU),<br />
Dortmund, Dresden, Düsseldorf, Eichstätt, Erfurt, Gießen, Göttingen, Hamburg (Institut f.<br />
Journalistik und Hans-Bredow-Institut), Hannover, Ilmenau, Jena, Stuttgart-Hohenheim, Koblenz-Landau,<br />
Leipzig, Lüneburg, Mainz, Mannheim, München, Münster, Nürnberg-Erlangen<br />
und Trier.<br />
254
Lauf · Freiheit für die Daten!<br />
verschickt. Gefragt wurde u. a. nach durchgeführten Sekundäranalysen für nichtkommerzielle<br />
wissenschaftliche Zwecke (Datengeber, Erhebungsmethoden), der Kenntnis<br />
und Nutzung des ZA und der Bereitschaft Daten an Dritte weiterzugeben. Der Rücklauf<br />
dieser Nettostichprobe (n = 250) betrug 54 Prozent (n = 134) und schwankt zwischen<br />
den Instituten nur gering. Tendenziell sind medienwissenschaftlich und journalistisch<br />
ausgerichtete Institute etwas unterrepräsentiert, Hannover ist als quantitativ ausgerichtetes<br />
Institut überrepräsentiert: Befragte aus den Instituten in Leipzig, Berlin,<br />
Hannover, München, Mainz und Göttingen bilden insgesamt etwa die Hälfte der Stichprobe.<br />
6<br />
86 Prozent aller Befragten geben an, bereits Daten mit dem Ziel einer statistischen<br />
Analyse erhoben oder Daten statistisch analysiert zu haben. Von den Befragten hat etwa<br />
jeder Zweite (Tabelle 3) Daten bereits sekundäranalytisch ausgewertet. Die Sekundäranalyse<br />
ist damit als bedeutende Analysevariante zu werten. Analysen ausschließlich<br />
von Daten, an deren Erhebung oder Primäranalyse ein Forscher bereits beteiligt war,<br />
sind eher selten: Über 90 Prozent sagen, sie würden fremde Daten reanalysieren, fast jeder<br />
Dritte sogar ausschließlich Daten, die von anderen Forschern erhoben und bereits<br />
analysiert worden sind.<br />
Mehr als fünfzig Prozent aller Sekundäranalysen basieren auf Daten, die von Kollegen/Mitarbeitern<br />
an medien- und kommunikationswissenschaftlichen Instituten erhoben<br />
worden sind. Das personale Netzwerk scheint dabei immer noch von entscheidender<br />
Bedeutung zu sein. Daten werden aber auch in nicht unerheblichem Umfang<br />
vom ZA bezogen sowie von Mitarbeitern kommerzieller Institute und Sendeanstalten.<br />
Während die Inhaltsanalyse als Erhebungsmethode in der medien- und kommunikationswissenschaftlichen<br />
Lehre und Forschung mindestens gleich bedeutend mit der Befragung<br />
ist, werden inhaltsanalytische Datenbestände seltener für Sekundäranalysen genutzt<br />
als Befragungsdaten. Häufig haben Forscher sowohl Befragungs- als auch Inhaltsanalysedaten<br />
reanalysiert: 81 Prozent aller Nutzer von Inhaltsanalysedaten haben<br />
auch schon mit Befragungsdaten gearbeitet, umgekehrt sind es nur 48 Prozent (ohne Tabelle).<br />
Die Frage, warum dies so ist, lässt sich mit den vorliegenden Daten nur unzureichend<br />
beantworten. Nahe liegend ist der Schluss, dass das Angebot die Nachfrage bedingt.<br />
Inhaltsanalysedaten werden – dies wundert nach der Analyse des ZA-Bestandskatalogs<br />
wenig – offensichtlich vor allem von Kollegen an nicht-kommerziellen Instituten<br />
bereitgestellt, Gleiches gilt auch für Beobachtungsdaten (Tabelle 4).<br />
Tabelle 4: <strong>Medien</strong>- und kommunikationswissenschaftliche Sekundäranalysen: Datengeber<br />
und Erhebungsmethoden (Mehrfachantworten in Prozent)<br />
Datengeber Befragung Inhaltsanalyse Beobachtung Alle<br />
ZA 48 39 0 43<br />
Andere Archive/Institutionen 22 26 13 20<br />
Nicht-kommerzielle Institute 54 78 63 57<br />
Kommerzielle Institute 44 44 25 41<br />
N 46 23 8 51<br />
6 An dieser Stelle möchte ich allen Teilnehmern der Befragung sehr herzlich danken.<br />
255
M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />
Da das ZA als Datengeber im Sektor medien- und kommunikationswissenschaftliche<br />
Studien allgemein und Inhaltsanalysen im Besonderen deutliche Defizite aufweist, stellt<br />
sich hier die Frage nach der Bekanntheit des ZA. Wird dessen – teilweise mangelhaftes<br />
– Angebot überhaupt wahrgenommen?<br />
Die Bekanntheit des ZA ist durchaus hoch: Gut neun von zehn Wissenschaftlern, die<br />
<strong>zum</strong>indest geringfügige Erfahrung mit der Datenerhebung oder Analyse besitzen, kennen<br />
das ZA (Tabelle 5). Erstaunlich selten wird allerdings der Datenbestandskatalog benutzt.<br />
Selbst unter denjenigen, die Sekundäranalysen durchführen, haben bisher nur<br />
zwei Drittel das Angebot <strong>zum</strong>indest in Form einer Suche nach Datenbeständen genutzt.<br />
Die Erfolgsquote sollte dabei nicht überschätzt werden, denn sie sagt lediglich aus, dass<br />
52 Prozent von ihnen mindestens einmal fündig wurden, unabhängig von der Anzahl<br />
der Anfragen. 7 Umgekehrt gilt, dass wer nicht sucht, nicht finden kann.<br />
Tabelle 5: Bekanntheit und Nutzung des ZA unter denjenigen <strong>Medien</strong>- und Kommunikationswissenschaftlern,<br />
die bereits Daten erhoben oder analysiert haben<br />
(in Prozent)<br />
Befragte Sekundäranalysen durchgeführt Alle<br />
nein<br />
ja<br />
ZA Kenne ich nicht 15 5 10<br />
ZA kenne ich, habe:<br />
Noch nie nach Daten gesucht 77 29 53<br />
Keine entsprechenden Daten gefunden 5 14 10<br />
Daten gefunden, nicht genutzt 3 7 5<br />
Daten gefunden und genutzt 0 45 22<br />
N 59 56 115<br />
Das ZA ist also als Institution durchaus bekannt, das Angebot, Daten zu suchen und zu<br />
beziehen, wird aber nur bedingt genutzt. Die <strong>Medien</strong>- und Kommunikationswissenschaft<br />
könnte sich dadurch, dass sie das Angebot des ZA, Daten zu archivieren, zu Nutze<br />
macht, ihre eigenen Daten dauerhaft sichern. Bedenkt man, wie viel Arbeit und Geld<br />
in die Datenerhebung fließt, dann stellt sich die Frage, wie Forscher in unserem Fach mit<br />
erhobenen Daten umgehen: 60 Prozent derjenigen, die über die Weitergabe an Dritte frei<br />
entscheiden können, haben noch nie Daten zur Verfügung gestellt und sind dazu offensichtlich<br />
auch nicht bereit (Tabelle 6). 32 Prozent sind nach eigenen Angaben bereit, Daten<br />
auf Anfrage der Wissenschaft für Analysen frei zu geben. Hier ist <strong>zum</strong>indest ein Potenzial<br />
für zukünftige Sekundäranalysen erkennbar.<br />
7 Dass die Zahl derer, die angeben, Daten beim ZA gefunden und diese Daten auch genutzt zu<br />
haben, etwas höher ausfällt als die Anzahl derer, die das ZA als konkreten Datengeber nennen,<br />
verweist auf das Problem, dass Datensätze, die Kollegen bereits angefordert haben, leichter und<br />
kostengünstiger von ihnen zu beziehen sind als vom ZA. Diese „wilde“ Weitergabe ohne Nutzungserlaubnis<br />
und Rückmeldung an das ZA führt jedoch dazu, dass die Legitimation des ZA<br />
beeinträchtigt wird, weil diese Nutzer nicht in den Statistiken auftauchen und kann dazu führen,<br />
dass modifizierte Daten in Umlauf kommen.<br />
256
Lauf · Freiheit für die Daten!<br />
Tabelle 6: Bereitschaft zur Bereitstellung von Daten durch <strong>Medien</strong>- und Kommunikationswissenschaftler,<br />
die eigenständig über die Weitergabe von Daten entscheiden<br />
können (Mehrfachantworten in Prozent und absolut)<br />
Anteil<br />
N<br />
Noch nie Daten bereitgestellt 60 43<br />
Nur auf Anfrage 32 23<br />
Beim ZA archivieren lassen 11 8<br />
Anderswo archivieren lassen 1 1<br />
N 72<br />
Von den elf Befragten, die bereits Daten über das ZA bezogen haben, geben immerhin<br />
sechs an, dem ZA auch Daten zur Verfügung gestellt zu haben (ohne Tabelle). Dies<br />
könnte bedeuten, dass eine erfolgreiche Suche und die Bereitschaft zur Bereitstellung fatal<br />
verknüpft sind: Solange vor allem Forscher, die fündig werden, Daten auch bereitstellen,<br />
bleibt der Input gering.<br />
4. Fazit<br />
Sekundäranalysen werden in der deutschen <strong>Medien</strong>- und Kommunikationswissenschaft<br />
in beachtlichem Umfang unternommen, noch basieren sie aber vor allem auf Daten von<br />
Kollegen an wissenschaftlichen Hochschulinstituten und weniger auf dem Bestand des<br />
ZA. Das liegt <strong>zum</strong> einen daran, dass das ZA nur über ein begrenztes Angebot an einschlägigen<br />
Datensätzen verfügt. Die Datensätze des ZA werden vor allem von kommerziellen<br />
Instituten für die wissenschaftliche Forschung bereitgestellt, und selbst hier<br />
sind noch längst nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft – man denke etwa an die AWA,<br />
Studien von Sendeanstalten etc.<br />
Seitens der <strong>Medien</strong>- und Kommunikationswissenschaft ist der Input jedoch noch bescheidener:<br />
Dies zeigt sich besonders drastisch an den gerade einmal drei archivierten<br />
Inhaltsanalysen. Viele <strong>Medien</strong>- und Kommunikationswissenschaftler scheinen über die<br />
Möglichkeit oder den Nutzen der Freigabe eigener Daten für wissenschaftliche Sekundäranalysen<br />
nur unzureichend informiert zu sein, auch wenn sie das ZA als Institution<br />
kennen. Häufig geäußerte Vorbehalte erweisen sich als nicht zutreffend:<br />
1. Das eigene methodische Vorgehen ist nur mangelhaft dokumentiert, es wäre zu arbeitsintensiv,<br />
eine methodische Beschreibung zu liefern, die andere Forscher in die<br />
Lage versetzt, mit den Daten zu arbeiten. Eine ausreichende Dokumentation sollte<br />
jedoch im eigenen Interesse immer erfolgen, unabhängig davon, ob die Daten freigegeben<br />
werden.<br />
2. Man ist unsicher, ob die eigenen Daten angemessen analysiert wurden, besorgt, dass<br />
eine Reanalyse zu abweichenden Ergebnissen führt oder methodische Mängel zu Tage<br />
treten. Selbst wenn dies so sein sollte, diskreditiert es nicht notwendig den Primärforscher,<br />
sondern ist aus Sicht des wissenschaftlichen Fortschritts wünschenswert<br />
und notwendig. Zudem führt eine Analyse unter einer neuen Fragestellung fast immer<br />
zu leicht abweichenden Ergebnissen.<br />
3. Die Daten werden von anderen analysiert und zentrale Ergebnisse publiziert, noch<br />
bevor eigene Publikationen erscheinen. Da immer die Möglichkeit besteht, Daten lediglich<br />
zu archivieren und erst später freizugeben, greift dieses Argument grundsätzlich<br />
nicht.<br />
257
M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />
Ein erster Schritt zur Verbesserung der Archivbestands könnte dahin gehen, Forscher,<br />
deren Projekte mit öffentlichen Geldern gefördert werden (Stiftungen, DFG u. ä.) dazu<br />
zu verpflichten, ihr methodisches Vorgehen umfassend zu dokumentieren (Stichprobenziehung,<br />
Erhebung, Fragebogen bzw. Codebuch, Mitarbeiter etc.) und die<br />
Datensätze am ZA in Köln zu archivieren. Ob und unter welchen Bedingungen die<br />
Daten wann freigegeben werden, das sollte selbstverständlich den Datengebern überlassen<br />
bleiben. Wichtig erscheint zunächst, dass Datensätze überhaupt gesichert werden.<br />
Bevor <strong>Medien</strong>- und Kommunikationswissenschaftler voreilig als Datenbesitzständler<br />
gescholten werden, sollte auch das ZA in die Pflicht genommen werden: Bis heute<br />
scheint das ZA unser Fach weitgehend zu ignorieren und sich auf soziologische und politologische<br />
Befragungsdaten zu konzentrieren. Sicher, Relevanzkriterien sind notwendig<br />
und nicht jeder Datensatz muss archiviert werden. Inhaltsanalysen werden aber vom<br />
ZA per se weitgehend ausgeschlossen und offensichtlich als Erhebung zweiter Klasse<br />
bewertet, da sie zwangsläufig keine „Aussagen über die deutsche Bevölkerung oder<br />
Teile von ihr“ erlauben. Lediglich wenn eine Inhaltsanalyse „ganz allgemein für<br />
sozialwissenschaftliche Benutzer von Interesse sein könnte“ (http://193.175.239.210/<br />
Datenservice/Archivierung/index.htm) kann sie in den Bestand aufgenommen werden.<br />
Zur Erweiterung des Bestandes an kommerziellen medien- und kommunikationswissenschaftlich<br />
relevanten Studien am ZA wären gemeinsame Bemühungen von Wissenschaftlern<br />
unseres Faches und des ZA wünschenswert: Beispielsweise in Form einer Recherche<br />
zentraler Studien und einer anschließenden Befragung zu den Möglichkeiten<br />
der Archivierung der Datensätze am ZA.<br />
Gefordert ist also eine erhöhte Aufmerksamkeit der Infrastruktureinrichtung ZA gegenüber<br />
medien- und kommunikationswissenschaftlichen Datenbeständen sowie eine<br />
Reflexion aller <strong>Medien</strong>- und Kommunikationswissenschaftler über erhaltenswerte deutsche<br />
Datenbestände und ihre Archivierung.<br />
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Jg. 47, Nr. 2, S. 231 – 242.<br />
Meyen, Michael (2000): Die Quelle Meinungsforschung: Historische Datenanalyse als Weg zu<br />
einer Geschichte der <strong>Medien</strong>nutzung. In: ZA-Information, o. Jg. , Nr. 46, S. 39-57.<br />
Peiser, Wolfram (1996): Die Fernsehgeneration. Eine empirische Untersuchung ihrer <strong>Medien</strong>nutzung<br />
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Peiser, Wolfram (1999a): The television generation’s relation to the mass media in Germany: Accounting<br />
for the impact of private television. In: Journal of Broadcasting and Electronic Media,<br />
Jg. 43, Nr. 3, S. 364 – 385.<br />
Peiser, Wolfram (1999b): Die Verbreitung von <strong>Medien</strong> in der Gesellschaft: Langfristiger Wandel<br />
durch Kohortensukzession. In: Rundfunk und Fernsehen, Jg. 47, Nr. 4, S. 485 – 498.<br />
Peiser, Wolfram (1999c): Zum Einfluß des Fernsehens auf das politische Interesse der Bevölkerung<br />
259
M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />
in der Bundesrepublik Deutschland. In: Jürgen Wilke (Hrsg.): Massenmedien und Zeitgeschichte<br />
(= Schriftenreihe der Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft,<br />
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Schmid, Ingrid/Schweiger, Wolfgang (1999): Fragen und Antworten in der Langzeitstudie Massenkommunikation.<br />
Ein Methodenexperiment zu Mängeln des Messinstruments. In: Rundfunk<br />
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in den USA und in Westdeutschland, 1974-96: Distinktion und Integration? In:<br />
Christina Holtz-Bacha/Helmut Scherer/Norbert Waldmann (Hrsg.): Wie die <strong>Medien</strong> die Welt<br />
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Schönbach, Klaus/Lauf, Edmund/Peiser, Wolfram (1999): Wer liest wirklich die Zeitung? Eine explorative<br />
Untersuchung. Publizistik, Jg. 44, Nr. 2, S. 131 – 148.<br />
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In: Klaus Schönbach, (Hrsg.): Zeitungen in den Neunzigern: Faktoren ihres Erfolgs.<br />
350 Tageszeitungen auf dem Prüfstand. Bonn, S. 61 – 112.<br />
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Schulz, Winfried (1999): Fernsehen und sozialer Wandel. Untersuchungen zur Integrations- und<br />
Fragmentierungsthese. In: Jürgen Wilke (Hrsg.): Massenmedien und Zeitgeschichte (= Schriftenreihe<br />
der Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft,<br />
Bd. 26). Konstanz, S. 90 – 105.<br />
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Weiß, Ralph/Hasebrink, Uwe (1997): Hörertypen und ihr <strong>Medien</strong>alltag. Plädoyer für eine hörerzentrierte<br />
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260
LITERATUR<br />
Reihe „Klassiker der Kommunikations- und <strong>Medien</strong>wissenschaft<br />
heute“<br />
Mit der Entwicklung der <strong>Medien</strong> und ihrer sozialen, kulturellen und persönlichen Bedeutung<br />
verändern sich auch die Fragestellung und Forschungsfelder der <strong>Medien</strong>- und<br />
Kommunikationswissenschaft. Es stellt sich somit auch die Frage nach der Gültigkeit und<br />
Brauchbarkeit ihrer Paradigmen und danach, was denn zu ihren gesicherten Beständen<br />
gehört. Adorno und Benjamin, Lippmann und McLuhan – was haben sie und andere<br />
„Klassiker“ der <strong>Medien</strong>- und Kommunikationswissenschaft heute noch zu sagen? Mit<br />
diesen Fragen beschäftigt sich in unregelmäßigen Abständen die Reihe „Klassiker der<br />
Kommunikations- und <strong>Medien</strong>wissenschaft heute“, die von Gastherausgeber Friedrich<br />
Krotz betreut wird. Wenn diese Beiträge dafür hilfreich sind, dass sich die <strong>Medien</strong>- und<br />
Kommunikationswissenschaft mit ihren Grundlagen erneut und auf kritische Weise befasst,<br />
so hat die Reihe ihren Zweck erfüllt. Abweichende Meinungen und begründete<br />
Stellungnahmen sind ebenso erwünscht wie Vorschläge dazu, welche AutorInnen denn<br />
heute überhaupt als „Klassiker“ angesehen werden können.<br />
Harold A. Innis: „Kommunikation“ als Schlüsselbegriff<br />
<strong>zum</strong> Verständnis der Menschheitsgeschichte?<br />
Hans W. Giessen<br />
Der Kanadier Harold A. Innis wird in Kontinentaleuropa erst seit den neunziger Jahren<br />
in spürbarem Umfang als eigenständiger Autor – und nicht nur als Ideengeber für Herbert<br />
Marshall McLuhan – zur Kenntnis genommen. Der Beitrag beginnt mit einer intellektuellen<br />
Lebensskizze und stellt in groben Zügen die wichtigsten theoretischen Aussagen<br />
von Innis vor. In der Folge wird erläutert, dass und warum die Beschäftigung mit<br />
dem Innis’schen Werk gerade heute, <strong>zum</strong> von vielen Autoren prognostizierten Beginn<br />
der „Informationsgesellschaft“ (<strong>zum</strong>indest: <strong>zum</strong> Zeitpunkt, ab dem „Neue <strong>Medien</strong>“ die<br />
existierenden älteren als Leitmedien abzulösen scheinen) von besonderem Interesse sein<br />
könnte: Eine Fortführung seiner Thesen deutet eine interessante neue Interpretation unserer<br />
gesellschaftlichen Realität an. Es soll auch deutlich werden, dass das langjährige<br />
Ignorieren des Innis’schen Werks namentlich in Deutschland und Frankreich angesichts<br />
einer deutlichen Nähe zu weitdiskutierten Theorieansätzen in beiden Ländern durchaus<br />
überraschend ist – Innis ist demnach kein Solitär aus einer mehr oder weniger marginalisierten<br />
Peripherie, sondern stellt eine spezifisch kanadische Variante eines übergreifenden<br />
gesellschaftstheoretischen Interpretationsansatzes seiner Zeit dar. Der Beitrag diskutiert<br />
schließlich mögliche Gründe für die Rezeptionsprobleme, denen sich das<br />
Innis’sche Werk nicht nur in Kontinentaleuropa, sondern grundsätzlich gegenübersieht.<br />
Keywords: Geschichtsphilosophie, Innis, Kommunikation: Kanada, Kommunikationswege,<br />
McLuhan, <strong>Medien</strong>theorie, <strong>Medien</strong>wirkungen<br />
261
M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />
1. Leben und Werk<br />
Kann man Harold A. Innis heute noch lesen, ohne dass sofort der Name Herbert Marshall<br />
McLuhans im Hinterkopf auftaucht? Roberto Simanowski nennt Innis denn auch<br />
den „Namen vor dem Namen“ (Simanowski 2000). Diese gedankliche Verbindung wird<br />
häufig ausgedrückt. Bezüglich McLuhans, des Jüngeren, der <strong>zum</strong> Lehrkörper der University<br />
of Toronto gestoßen ist und der von Innis offenbar stark profitiert hat, existiert<br />
diese Gedankenverbindung sicherlich auch zu Recht, denn dessen Schriften fußen stark<br />
auf der Vorarbeit von Innis (Krotz 2001). Der aber wird durch diesen gedanklichen Automatismus<br />
in eine Ecke gedrängt, die sicher auch nicht ganz falsch ist, die aber die<br />
Wahrnehmung <strong>zum</strong>indest verengt.<br />
Harold A. Innis war Kanadier; er wurde im Jahr 1894 auf einem Bauernhof bei<br />
Otterville im südwestlichen Ontario geboren. Er studierte Volkswirtschaftslehre (Economics)<br />
an der McMaster University, der University of Toronto und – nach einem Einsatz<br />
in Frankreich während des ersten Weltkriegs, der zu einer Kriegsverletzung geführt<br />
hat – an der University of Chicago. Dort waren seine wichtigsten Impulsgeber offenbar<br />
die Soziologen George Herbert Mead und John Dewey. 1920, direkt nach seiner Promotion,<br />
erhielt er seine erste Stelle als lecturer in Toronto, und dieser Ort blieb das Zentrum<br />
seiner akademischen Laufbahn. 31 Jahre lang lehrte und publizierte Innis in verschiedenen<br />
Positionen – zuletzt als Dekan – an der University of Toronto. Für einen Autor,<br />
der in seinen Aufsätzen und Büchern innerhalb weniger Seiten vom Ägypten des<br />
fünften vorchristlichen Jahrtausends <strong>zum</strong> englischen Weltreich des achtzehnten nachchristlichen<br />
Jahrhunderts und dann weiter in die kanadische Gegenwart (Mitte des<br />
zwanzigsten Jahrhunderts) sprang, ist dieses Leben <strong>zum</strong>indest äußerlich erstaunlich bodenständig.<br />
Immerhin ist es Ausdruck der Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten<br />
(bereits) zu Innis’ Lebenszeiten – und ist mithin selbst Ausdruck dessen, worauf<br />
sich seine Theorien beziehen.<br />
An der University of Toronto arbeitete Innis als Wirtschaftshistoriker am Political<br />
Economy Department. Er befasste sich in der Tat auch ausschließlich mit wirtschaftshistorischen<br />
und soziologischen Fragestellungen. Sein Hauptaugenmerk lag auf Handelsstraßen<br />
und mithin – in einem sehr weitverstandenen Sinn – auf Kommunikationswegen.<br />
Bereits die Doktorarbeit aus Chicago, die 1923 als Buch erschien, beschrieb die<br />
Geschichte der Canadian Pacific Railway. Weitere Studien befassten sich mit der Geschichte<br />
des kanadischen Pelzhandels (1930) oder, ein Jahrzehnt später, mit der Geschichte<br />
der kanadischen Kabeljaufischerei (1940). Wer in diesen Arbeiten blättert, wird<br />
aber feststellen, dass sie nicht in der wirtschaftsgeschichtlichen Darstellung stehen bleiben,<br />
sondern die Auswirkungen des jeweiligen Industriezweigs auf das kulturelle Selbstverständnis<br />
und die sozialen Strukturen Kanadas mitberücksichtigen – und sich immer<br />
auch auf Handels- und Kommunikationswege als seine Voraussetzung und Determinante<br />
beziehen. Zumindest durch diesen stets die gesamte Gesellschaft reflektierenden<br />
Blick zeigt sich der Einfluss der soziologischen Kontakte aus Chicago.<br />
Es wird oft darauf hingewiesen, dass die Werke, die für die Kommunikationswissenschaft<br />
von Bedeutung sind – „Empire and Communications“, „The Bias of Communication“<br />
sowie „Changing Concepts of Time“ – erst ein weiteres Jahrzehnt danach erschienen<br />
sind, in der letzten Lebensphase von Innis (1950, 1951 und 1952 – im Jahr 1952<br />
starb Harold A. Innis im Alter von 59 Jahren an Krebs). Dies ist bezüglich seiner selbstständigen<br />
Werke richtig, bedeutet aber nicht, dass Innis sich nicht zuvor bereits mit<br />
Kommunikationsmedien im engeren Sinn befasst hätte. „The Bias of Communication“<br />
(1951) ist beispielsweise ein Sammelband verschiedener Aufsätze, die teilweise bereits in<br />
262
Giessen · Harold A. Innis<br />
den frühen vierziger Jahren entstanden sind. Dennoch ist die Beobachtung richtig, dass<br />
kommunikationswissenschaftliche Themen im engeren Sinn in der Tat erst in Innis’ letzter<br />
Lebensphase dominiert haben. Sicherlich ist es demnach unangebracht, Innis als<br />
„Kommunikationswissenschaftler“ zu begreifen. Die Probleme im Umfeld des Begriffes<br />
„Kommunikation“ betrachtete er ausschließlich im Hinblick auf den theoretischen<br />
Überbau, den er auch und zuerst für die anderen wirtschaftsgeschichtlichen Darstellungen<br />
angewandt hatte. Innis kann daher als Autor charakterisiert werden, dessen Theoriegebäude<br />
bereits früh „fertig“ war und sich aus traditionellen Formen der Sozial- und<br />
Wirtschaftsanthropologie und -geschichte entwickelt hat. Lediglich das Anwendungsfeld<br />
wandelte sich – von Eisenbahnlinien über den Pelzhandel und das Fischereiwesen<br />
hin zu allgemeinen Wirtschaftsvorgängen und schließlich zu Kommunikationsprozessen<br />
und damit verknüpften Fragen gesellschaftlicher Macht.<br />
In Kanada wird Innis heute von Volkswirtschaftlern, Kulturwissenschaftlern, Politologen<br />
oder Geographen ebenso gewürdigt und rezipiert wie von Kommunikationswissenschaftlern<br />
(Kleinsteuber 1992, Acland/Buxton 1999). Es handelt sich also um einen<br />
Sozialwissenschaftler mit ähnlich breitem Horizont und ähnlich vielfältiger Wirkungsgeschichte<br />
wie in Deutschland beispielsweise Max Weber. Allein von daher ist die Reduktion<br />
auf McLuhan sicherlich eine Verkürzung, die allenfalls bezüglich der engen<br />
kommunikationswissenschaftlichen Wirkungsgeschichte zutreffend sein kann. Wie<br />
deutlich werden wird, wäre dies aber auch hier eine unzulässige Vereinfachung.<br />
2. Die kommunikationstheoretischen Aussagen von Harold A. Innis<br />
2.1 Überblick<br />
Ein wesentlicher Faktor, der die Geschichte prägt – vielleicht vergleichbar mit der Bedeutung,<br />
die Weber den Religionen und dem jeweils von ihnen bestimmten Ethos zubilligt<br />
–, ist für Harold A. Innis in der Tat die „Kommunikation“. Sie präge bereits die<br />
Frühphase der Menschheitsgeschichte. Wie schon erwähnt, arbeitet Innis dabei mit einem<br />
sozusagen „erweiterten Kommunikationsbegriff“. Da die Kommunikation jeweils<br />
von den sie ermöglichenden „<strong>Medien</strong>“ oder Transportmöglichkeiten abhängt, sind beispielsweise<br />
Handelsstraßen oder noch allgemeiner „Kanäle der Güterbewegung“ wie<br />
Flüsse oder Eisenbahnstrecken seiner Definition zufolge (auch) entscheidende Kommunikationsstränge;<br />
„Kommunikation“ ist demnach ein immaterielles Gut und von daher<br />
zunächst nur bedingt von anderen, materiellen Gütern zu unterscheiden.<br />
Tatsächlich ist nun die Struktur der Kommunikationswege Innis zufolge das Entscheidende<br />
nicht nur für die konkrete Übermittlung von Information und Wissen, sondern<br />
gar für die Struktur der Gesellschaft, für ihre Machtzentren und die Art, wie sie<br />
wirken (können), mithin für ihre „Reiche“ („Empires“), deren Wohlstand oder auch deren<br />
Niedergang. Wenn neue Kommunikationswege die alten ablösen, ändert sich auch<br />
der gesellschaftliche Körper. (Natürlich bleiben die „alten“ Kommunikationswege oft<br />
noch lange bestehen. Innis spricht davon, dass es wichtig sei, zu untersuchen, welches<br />
Medium in einer Gesellschaft „dominant“ sei. Dies erkenne man <strong>zum</strong> Beispiel daran,<br />
dass es von den jeweiligen Machtzentren genutzt werde, beziehungsweise dass deren<br />
Macht gerade auf der Nutzung des entsprechenden Mediums gründe. Innis deutet mithin<br />
in seiner Analyse von Wissensmonopolen an, dass Kommunikationsmedien ein entscheidender,<br />
wenn nicht der entscheidende Faktor für historischen und gesellschaftlichen<br />
Wandel seien.)<br />
Die folgende Darstellung bezieht sich nun auf die Innis’sche Analyse der Kommuni-<br />
263
M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />
kationsmedien im engeren Sinn, mithin auf die in den letzten Hauptwerken des Autors<br />
diskutierten <strong>Medien</strong> und ihre immateriellen Güter, nämlich Informationen (Innis 1950,<br />
1951, 1952). Innis beschreibt die Kommunikationsmedien im Rahmen eines Kontinuums,<br />
das durch zwei Haupt-„Tendenzen“ charakterisiert werden könne.<br />
1. Einerseits gebe es Kommunikationswege oder -medien, die den Transport (sowohl<br />
von Gütern, als auch von Informationen und Wissen) über größere Distanzen kaum<br />
möglich machten, weil er mit ihnen zu schwer sei, weil dieser Typus von <strong>Medien</strong> zu<br />
unflexibel sei – der von Innis genannte Extremfall: Steintafeln, auf die wichtige Texte<br />
eingraviert worden sind.<br />
2. Auf der anderen Seite gebe es Kommunikations- und Transportwege oder -medien,<br />
die schnell, dynamisch und deshalb raumfüllend seien – hier war zu Innis’ Lebzeiten<br />
die Kurzwelle das ausgeprägteste Medium.<br />
Innis vermutet nun, dass die Art und Weise, wie Kommunikationswege angelegt sind<br />
und welche Form des Transports sie ermöglichen, entscheidend dafür sei, welche Information<br />
beziehungsweise welche Form des Wissens überhaupt übermittelt werde (beziehungsweise<br />
übermittelt worden sei) und welche Konsequenzen dies habe. Dauerhafte<br />
(„harte“) <strong>Medien</strong> benötigten bereits bei der Produktion viel Zeit und überdauerten<br />
andererseits auch lange Zeiträume, sind deswegen in ihrer Wirksamkeit in der Regel<br />
räumlich begrenzt.<br />
Die Steintafel, um bei diesem Beispiel zu bleiben, lässt sich schwer transportieren. Die<br />
Inhalte, die zu diesem „Medium“ passen, sind beispielsweise religiöse Gebote und Gesetze;<br />
sie sind auf Dauerhaftigkeit und demnach auf Traditionserhalt ausgerichtet. Eine<br />
Veränderung (etwa als Folge eines gesellschaftlichen Diskurses) ist ja gerade nicht möglich.<br />
Mithin habe das Medium „Steintafel“ beispielsweise eine sehr statische Rechtsordnung<br />
erzwungen; eine andere Rechtsform wäre im Kontext des Mediums unpraktikabel<br />
gewesen. Gesellschaften, die nur oder überwiegend „dauerhafte“ <strong>Medien</strong> kennen, sind<br />
deshalb in der Tendenz einerseits theokratisch und andererseits nur regional ausgerichtet,<br />
so Innis. Ein „klassisches“ Beispiel für eine Gesellschaft, deren Strukturen auf solchen<br />
dauerhaften <strong>Medien</strong> gestützt sind, sei etwa in den Stadtstaaten des Zweistromlandes<br />
zu sehen.<br />
Im Gegensatz dazu seien dynamische („leichte“) <strong>Medien</strong> – als frühes historisches Beispiel:<br />
der Papyrus – für Transporte geeigneter, allerdings natürlich in ihrer Haltbarkeit<br />
begrenzter. Innis sieht deshalb im Zusammenhang zwischen Transport und Kommunikation<br />
auf der einen Seite und der Gesellschaftsform auf der anderen Seite die entscheidende<br />
Antwort auf die Frage nach dem „Warum“ sozialer Entwicklungen. So erklärt er<br />
die Ursache des Übergangs der ägyptischen Zivilisation von einer absoluten Staatsform<br />
zu einem demokratischeren Gebilde mit der Schwerpunktverlagerung vom Stein als<br />
wichtigstem Kommunikationsmedium eben <strong>zum</strong> Papyrus. Innis behauptet im Übrigen<br />
nicht nur, dass die ägyptische Gesellschaft in ihren politischen Strukturen durch den Papyrus<br />
flexibler geworden sei; zudem sei sie auch deutlich mobiler geworden: Dank der<br />
neuen Kommunikationswege sei es möglich gewesen, große geographische Räume zu<br />
beeinflussen und letztlich (<strong>zum</strong>indest kulturell, in der Regel auch politisch) zu beherrschen.<br />
Innis vermutet also, dass die Menschheitsgeschichte (nicht ausschließlich, aber doch<br />
in wesentlichen Zügen) mit Hilfe einer simplen Matrix beschrieben werden kann. „Starre“<br />
<strong>Medien</strong> wirkten demnach auf die Zeit. Deshalb werden Gesellschaften, bei denen<br />
„starre“ <strong>Medien</strong> vorherrschend sind, laut Innis in der Regel auch von religiösen Organisationen<br />
geprägt. Dagegen sind „weiche“ <strong>Medien</strong>, dieser Matrix zufolge, auf den<br />
Raum ausgerichtet und tendieren dazu, sich und die sie nutzenden Strukturen geogra-<br />
264
Giessen · Harold A. Innis<br />
phisch auszubreiten. Weil sie kurzfristige, „aktuelle“ Handlungen ermöglichen und erzwingen,<br />
nötigen sie auch zu dezidiert politischem Handeln. Sie führen deshalb, so Innis,<br />
zu einem Bedeutungszuwachs der politischen Klasse und zu einem Bedeutungsverlust<br />
der religiösen Klasse.<br />
Natürlich kann Innis mit dieser Matrix nicht den Einzelverlauf der Geschichte vorhersagen<br />
– etwa das Verhalten einzelner „charismatischer“ Persönlichkeiten und deren<br />
politisches (oder religiöses) Handeln, mithin auch nicht einzelne kulturelle Ausprägungen.<br />
Aber er suggeriert, mit dieser Matrix die übergreifenden, prägenden Strukturen und<br />
Entwicklungslinien von „Kulturen“ („civilizations“) erklären zu können.<br />
Die Unterteilung in auf die Zeit wirkende, dauerhaft-starre <strong>Medien</strong> einerseits und<br />
raumfüllend-schnelle <strong>Medien</strong> andererseits ist die Basis dieser Welterklärung. Nicht Götter<br />
oder religiöser Ethos, auch nicht sozialpsychologische Prozesse wie die Individualisierung,<br />
sind in dieser Sicht das eigentliche Movens der Geschichte, sondern die unterschiedlichen<br />
Kommunikationswege. Neue Götter, neue Religionen, neue Wirtschaftsformen<br />
oder neue Selbstinterpretationen und -erfahrungen wären demnach als Konsequenz<br />
neuer dominierender Kommunikationswege zu begreifen, als Folge neuer<br />
Rahmenbedingungen. Insofern ist die Innis’sche Weltsicht materialistisch: Das gesellschaftliche<br />
Sein bestimmt auch bei ihm das Bewusstsein, nicht umgekehrt. Ungewohnt<br />
ist nur seine Erklärung für die Ursache, die das gesellschaftliche Sein „tatsächlich“ determiniere.<br />
Demnach haben grundsätzlich jeweils neue und andere Kommunikationsformen<br />
und -technologien das Potenzial, selbst sehr etabliert und sicher erscheinende<br />
Religionen, Gesellschaftsstrukturen oder Machtzentren und „Reiche“ zu stürzen. Dies<br />
können sie dann, wenn sie sich als bessere Möglichkeiten erweisen, um gesellschaftliche<br />
Notwendigkeiten zu organisieren, beziehungsweise wenn sie neue Chancen für Militär,<br />
Wirtschaft und Handel oder die Verwaltung bieten.<br />
Dieser theoretische Ansatz wird möglicherweise noch einleuchtender, wenn der Blick<br />
nicht von den Kommunikationsmedien, sondern von den gesellschaftlichen Strukturen<br />
ausgeht. Jede Herrschaft, auch jede Form wirtschaftlichen Handelns wird begrenzt (und<br />
mithin definiert) durch den von ihr erreichten und kontrollierten Raum, sowie durch<br />
ihre Anfangs- und Endpunkte, also die Zeitspanne, auf die sich die Einflussnahme und<br />
Kontrolle bezieht. Diese Definition ist sicherlich nicht umfassend und auch nur bedingt<br />
funktional. Indem sie aber das Augenmerk darauf lenkt, dass die Kontrolle von Raum<br />
in der Zeit ein fundamentaler Bestandteil jeder Einflussnahme beziehungsweise Herrschaft<br />
ist, verweist sie auf die Rolle der Kommunikation, die (vor allem im weiten Begriffsgebrauch<br />
von Innis) die Voraussetzung jeder raumzeitlichen Einflussnahme darstellt.<br />
Innis geht also davon aus, dass die Ausdehnung und die Dauer, aber auch die strukturelle<br />
Ordnung von „Reichen“ (1950) ganz wesentlich von den ihnen zur Verfügung<br />
stehenden Übertragungswegen und deren Spezifika abhängt. Ein Wandel der Kommunikationswege<br />
oder das Aufkommen neuer, in der jeweiligen Situation adäquaterer<br />
Kommunikationswege könne zu Krisen in den traditionellen Reichen führen, unter<br />
Umständen gar zu Chaos, weil sich das ,soziale Skelett’ (so die Metapher von William<br />
Kuhns für das, was Innis als die entscheidenden Institutionen der Gesellschaft bezeichnet:<br />
Politik, Religion, Recht, Wirtschaft und andere; vergleiche Kuhns 1971) dann einseitig<br />
verändere. Die Kommunikation ist, dieser Metapher zufolge, der „Blutkreislauf“,<br />
der die Verbindungen innerhalb des sozialen Körpers herstellt und der die unterschiedlichen<br />
Institutionen aufgrund seines aktuellen Zustands unterschiedlich versorge und<br />
mithin unterschiedlich (und gegebenenfalls also auch einseitig) „wachsen“ lasse.<br />
Offenbar gibt es zwei Interessensschwerpunkte, die Innis zu seinem Ansatz gebracht<br />
265
M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />
haben. Zunächst ist dies die Beschreibung und Analyse gesellschaftlicher Strukturen. Innis<br />
hat in der Kommunikation eine bislang nicht berücksichtigte Variable gefunden, die<br />
es ermöglicht, verschiedene gesellschaftliche Phänomene, die oft (und scheinbar zufällig)<br />
parallel auftreten, als möglicherweise miteinander zusammenhängend zu betrachten.<br />
Aber Innis Erkenntnisinteresse wurde offenbar nicht nur von dem Wunsch nach Beschreibung<br />
gesellschaftlicher Strukturen bestimmt, sondern auch von der Frage, wie statisch<br />
diese Strukturen sind – oder umgekehrt: ob ein Wandel existierender „Reiche“<br />
möglich ist und wovon er abhängt. Zudem scheint er von der Frage angetrieben worden<br />
zu sein, wie es zu Krisen kommen kann und wie sie sich auswirken können. Die Interessenschwerpunkte<br />
von Innis lassen sich also mit den Begriffen „Struktur“ und „Krise“<br />
eingrenzen.<br />
Dahinter stehen offenbar zwei autobiografische Motive. Innis weist selbst häufig darauf<br />
hin, dass er den Eindruck habe, in einer Phase der Instabilität zu leben. Einen Beleg<br />
für diese Instabilität sieht er etwa – und insbesondere – in den beiden Weltkriegen. Mithin<br />
kann vermutet werden, dass ein impulsgebendes Moment für die Innis’sche Theorie<br />
in seiner Kriegserfahrung liegt.<br />
Ein weiteres biografisches Element scheint in Innis’ bewusstem Kanadiertum zu liegen.<br />
Er wies mehrfach darauf hin, dass die Abhängigkeit seines Landes von den Zentren<br />
– historisch: Großbritannien; zu seinen Lebzeiten: natürlich die USA – für die politische<br />
Kultur Kanadas ausgesprochen problematisch sei. Innis wollte offenbar wissen,<br />
ob in neuen Kommunikationswegen eine Chance für traditionell periphere Regionen<br />
lägen.<br />
Es wird in der Tat auch häufig die Vermutung geäußert, dass Innis seine Themen nur<br />
entwickeln konnte, weil er selbst der Peripherie entstammte – und mithin auch einen<br />
zwangsläufig anderen Blick auf die Zentren hatte und selbst unbeeindruckter von kultureller<br />
Vergangenheit und etablierten Theorien denken und formulieren konnte. Andererseits<br />
deutet dies ein durchaus normatives Element als wesentlichem Anlass für die<br />
Beschäftigung mit medienabhängigen Transformationsprozessen an. Dieses normative<br />
Element hat möglicherweise die als analytische Deskription angelegte Arbeit (<strong>zum</strong>indest<br />
unterschwellig) mitgeprägt.<br />
2.2 Struktur und Krise: ein Beispiel<br />
Das Beispiel bezieht sich auf einen weiteren historischen Übergang, demjenigen von der<br />
Dominanz des Buches zur Dominanz der Zeitung als wichtigstem Kommunikationsmedium.<br />
Natürlich ist dieser Übergang hinsichtlich seiner Konsequenzen weniger einschneidend<br />
als derjenige von der Steintafel <strong>zum</strong> Papyrus. Es handelt sich also um eine<br />
Fein- oder Detailanalyse, die aber auf der selben Matrix fußt, beziehungsweise auf die<br />
gleichen grundlegenden Gedanken zurückgreift.<br />
Innis betont, dass natürlich beide <strong>Medien</strong>, Buch wie Zeitung, auf der gröberen, darüber<br />
liegenden Ebene Ausdruck wie Folge der „Mechanisierung“ seien, die der Erfindung<br />
der Druckerpresse folgte und die ihrerseits wiederum verschiedene, von Innis beschriebene<br />
Unterschiede zur ,vor-mechanischen’ Zeit aufweise. Bereits die „Mechanisierung“<br />
habe einen enormen gesellschaftlichen Schub ausgelöst, der sich insbesondere<br />
gegen traditionelle (vor allem: klösterliche) Strukturen ausgewirkt habe. Sie habe <strong>zum</strong><br />
Niedergang des „age of the cathedrals“ (Innis 1950: 176) geführt und die mit dieser Tradition<br />
verbundenen sozialen Institutionen entscheidend geschwächt.<br />
Auf der Detailebene gibt es nun aber deutliche Unterschiede zwischen den beiden <strong>Medien</strong><br />
„Buch“ und „Zeitung“. So sieht Innis das Buch noch immer als Bewahrer intellek-<br />
266
Giessen · Harold A. Innis<br />
tueller Anstrengungen. Dagegen finde der generelle Charakter der Mechanisierung erst<br />
in der Zeitung ihren wahren Ausdruck (Innis 1942: 2). Während im Buch – obgleich es<br />
auf mechanische Weise hergestellt wird – noch Relikte der vor-mechanischen Welt zu<br />
finden sind, wird die Zeitung, der Auffassung Harold A. Innis’ zufolge, von ihren Konsumenten<br />
nun durchaus auch als Produkt eines mechanischen Prozesses wahrgenommen<br />
und genutzt.<br />
Ein Beispiel: Die Zeitung sei eines der ersten kommerziellen Produkte gewesen, das<br />
sich ökonomisch durchsetzte, weil es sich an viele Konsumenten wandte. Dies habe Inhalt<br />
und Darstellungsform entscheidend geprägt. Vor allem sei die Ausrichtung auf ein<br />
Massenpublikum möglich geworden, weil Zeitungen – im Gegensatz <strong>zum</strong> Buch – billig<br />
waren. Innis benutzt explizit den Begriff der „penny press“ (1942: 25). Er vermutet, dass<br />
sich die Zeitung zuerst in Amerika in ihrer ,idealtypischen‘ Form habe entwickeln und<br />
durchsetzen können, weil es hier, in der kolonialen Peripherie, eine zwar nur zahlenmäßig<br />
kleine Oberschicht, aber insgesamt doch genug zahlungsfähige Bevölkerung gegeben<br />
habe. Vor allem aber habe Nordamerika einen von kulturellen Traditionen weitgehend<br />
unbelasteten Markt für die Zeitung dargestellt. Dies habe sich wiederum auf die<br />
Zeitung als Produkt ausgewirkt. Innis schreibt (1942: 10):<br />
“The American press was unhampered in its typography and format by the traditions<br />
of book printing of Great Britain and the Continent. The advertiser was more effective<br />
in breaking down the conservatism of journalism, and the printer’s control was<br />
less conspicuous than that of the journalists.”<br />
Damit hätten Zeitungen eine auch ökonomische Vorreiterrolle eingenommen. Sie hätten<br />
nun auch die Einführung anderer Niedrigpreisprodukte erleichtert und insbesondere<br />
die wirtschaftlich schlechter gestellten Bevölkerungsschichten an Massenwaren geführt,<br />
nicht zuletzt durch die immer stärker werdende Verflechtung zwischen dem Produkt<br />
„Zeitung“ und der Werbung, für die es einen idealen Kanal darstellte. Zusammenfassend<br />
schreibt Innis (1942: 32):<br />
“Speed in the collection, production and dissemination of information has been the<br />
essence of newspaper development. Widening of markets, the effectiveness of competition,<br />
lowering of costs of production, the spread of the price system, the evolution<br />
of a sensitive monetary structure and the development of equilibrium economics<br />
have followed the development of the newspaper.”<br />
Aufgrund dieser spezifischen kulturellen und gesellschaftlichen Voraussetzungen habe<br />
der Triumphzug der Zeitung (und letztlich: der Konsumgesellschaft) in Nordamerika<br />
begonnen und sich von der Peripherie aus durchgesetzt. Die Zentren seien erst später<br />
nachgefolgt, symbolisiert durch die Reorganisation der „London Times“ im Jahr 1908,<br />
die bemerkenswerterweise ebenfalls mit einer drastischen Preissenkung einhergegangen<br />
sei: Das Eliteblatt habe sich ebenfalls zur Massenware gewandelt.<br />
Im deutschsprachigen Kulturkreis dauerte es nach Innis’ Meinung im Übrigen noch<br />
länger, bis sich die Zeitung und die in ihrem Umfeld beobachtbaren gesellschaftlichen<br />
Veränderungen ausgewirkt hätten. Die Ursache sieht er in der Bedeutung, die das Buch<br />
im deutschsprachigen Raum gehabt habe. Sie habe es anderen Druckmedien erschwert,<br />
sich hier durchzusetzen. Dies habe auch Verständnisschwierigkeiten und interkulturelle<br />
Probleme zur Folge gehabt, wie Innis resümierend schreibt (1952: 101):<br />
“European civilization was still dominated by the book, and war between Germany<br />
and Anglo-Saxon countries could be described as a clash between the book and the<br />
newspaper […]. Germany was unable to appreciate the power of the newspaper in<br />
Anglo-Saxon countries, and collapse was in fact a result of increasing difficulties of<br />
understanding incidental to differences in development of the newspaper in the two<br />
267
M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />
regions. By the newspaper, democracy had completely expelled the book from the<br />
normal life of the people.”<br />
Hier werden interkulturelle Gegensätze eindrucksvoll und plausibel klingend (aber auch<br />
sehr spekulativ) beschrieben und erklärt. Führt eine Zeitungskultur tatsächlich <strong>zum</strong> politischen<br />
Diskurs, zur politischen Reife – im Gegensatz zur Buchkultur, die eben statischer<br />
ist und hinsichtlich Deutschlands demnach die Ursache für die oft diagnostizierte<br />
Verbindung von Gedankentiefe mit Autoritätshörigkeit und Demokratieproblemen<br />
darstellt? Innis deutet dies wiederholt an (<strong>zum</strong> Beispiel 1980: 156). Liegt demnach hier<br />
eine (oder sogar die entscheidende) Ursache für die Katastrophen in der deutschen Geschichte?<br />
Die Frage macht <strong>zum</strong>indest deutlich, dass Innis’ Ausführungen sicher nicht monokausal<br />
verstanden werden dürfen. Wenn die überspitzt formulierte These aber<br />
schwächer ausgedrückt und etwa so formuliert wird: Hier liegt eine strukturelle Ursache,<br />
die es dann in Kombination mit anderen kulturellen, politischen, ökonomischen<br />
und sozialen Prozessen ermöglichte, dass sich die deutsche Geschichte so entwickelt hat<br />
– dann führt uns Innis in der Tat zu einem neuen und vielleicht besseren Verständnis für<br />
Zusammenhänge, die plausibel sind und die vor ihm so nicht gesehen oder berücksichtigt<br />
worden sind.<br />
2.3 Struktur und Krise: zur Aktualität von Harold A. Innis<br />
Mit dem Aufkommen neuer <strong>Medien</strong> – und der Computer sowie insbesondere das Internet<br />
werden ja allgemein als „Neue <strong>Medien</strong>“ empfunden – entsteht, wenn die Kommunikationstheorie<br />
von Harold A. Innis korrekt sein sollte oder auch nur in ihren wesentlichen<br />
Grundannahmen stimmt, eine neue welthistorische und gesellschaftliche<br />
Bruchlinie. Es liegt auf der Hand, dass Innis’ Matrix um die Schlüsselworte „Zeit“ und<br />
„Raum“ heute besonders aktuell ist, wie bereits viele auch in die Kommunikationswissenschaft<br />
reichende Diskussionen etwa um die Problemfelder „Globalisierung“ einerseits<br />
und „Echtzeit“ andererseits verdeutlichen. Insofern lohnt es sich möglicherweise,<br />
sich gerade heute mit Innis auseinander zu setzen. Im Folgenden sollen einige mögliche<br />
Konsequenzen einer solchen Beschäftigung angedeutet werden.<br />
In der Tat scheint die Verbindung von „Echtzeit“ und „Globalisierung“, die heute in<br />
der allgemeinen Diskussion vorausgesetzt wird, ein Indiz für die Gültigkeit der Theorie<br />
von Innis zu sein. Inhalte werden mit den und durch die „Neuen <strong>Medien</strong>“ weiter entmaterialisiert;<br />
dies kann verschiedene Folgen haben.<br />
Indem fast das gesamte Weltwissen <strong>zum</strong>indest potenziell jederzeit verfügbar ist, wird<br />
auch (scheinbar) die Notwendigkeit schwächer, sich mit den Gründen seiner Genese zu<br />
befassen. Innis selbst hat bereits darauf hingewiesen, dass Zeitung und Rundfunk zu einer<br />
Vorherrschaft der Augenblickserfahrung führten; dies schwäche die Bereitschaft,<br />
perspektivisch zu denken und die Folgen des Augenblicks für die Zukunft wie auch die<br />
Gründe für augenblickliche Befindlichkeiten zu berücksichtigen. Dies wiederum kann<br />
bedeuten, dass transzendente (oder religiöse) Sentimente und demnach auch die sie kanalisierenden<br />
Institutionen (weiter) deutlich an Bedeutung verlieren.<br />
Der umfassende Zugang <strong>zum</strong> kompletten Weltwissen und zu den globalen Diskursen<br />
kann sich, wenn man den Theorieansatz von Innis akzeptiert, auch auf politische Institutionen<br />
auswirken. So wird ja beispielsweise häufig darüber diskutiert, ob die Ebene,<br />
auf der Politik heutzutage stattfinde – die Ebene des Nationalstaats, allenfalls die Ebene<br />
eines Verbunds benachbarter Nationalstaaten, wie wir ihn exemplarisch in der EU sehen<br />
– insbesondere den „Neuen <strong>Medien</strong>“ und ihren dramatischen Konsequenzen noch<br />
268
Giessen · Harold A. Innis<br />
angemessen sei; beziehungsweise es wird die schleichende Erosion des Politischen beklagt.<br />
Diskussionen beispielsweise um die Möglichkeiten, die Staaten wie China haben,<br />
das Internet und mithin die Informationsflüsse in der Gesellschaft zu kontrollieren, bis<br />
hin zu so konkreten Fragestellungen etwa zur zukünftigen Funktion und Durchsetzbarkeit<br />
des Urheberrechts deuten an, dass sich traditionelle Regelungsmechanismen und<br />
die sie garantierenden gesellschaftlichen Ordnungsfunktionen ändern (müssen) – <strong>zum</strong>indest:<br />
dass neue Probleme entstanden sind, die sich mit herkömmlichen Institutionen<br />
nicht lösen lassen. Es wurde bereits allgemein wie auch in der Detailstudie zu „Buch“<br />
und „Zeitung“ darauf hingewiesen, dass Innis den <strong>Medien</strong>, die wenig Zeit für den Informationstransfer<br />
benötigen und (deshalb) viel Raum überwinden können (und die<br />
mithin auch viel Raum beanspruchen), die immanente Tendenz unterstellt, zu flexiblen<br />
und eher demokratischen Gesellschaftsformen zu führen. Je „weicher“ – weniger dauerhaft,<br />
dagegen schnell viele Menschen erreichend – die wichtigen Informationsträger<br />
einer Gesellschaft sind, desto deutlicher müssten die diesbezüglichen Konsequenzen beobachtet<br />
werden können. Insofern lässt sich die Theorie von Harold A. Innis derzeit in<br />
einem gigantischen „natürlichen Experiment“ verfolgen.<br />
Die Entwicklung, die Innis beschreibt, müsste also einerseits in die Gegenwart in<br />
Form einer kontinuierlichen Linie erweitert werden können. Andererseits müssten wir<br />
derzeit die Probleme einer ,Bruchlinie’ erleben, ähnlich vielleicht wie diejenige des<br />
Übergangs vom Buch zur Zeitung oder diejenige des Aufkommens des Telegraphen,<br />
möglicherweise gar so einschneidend wie diejenige des Übergangs vom Stein <strong>zum</strong> Papyrus.<br />
Bereits <strong>zum</strong> Telegraphen bemerkte Innis (1951: 169), dass<br />
“[…] the telegraph weakened the system of political control through the post office<br />
and the newspaper exchange. The monopoly over news was destroyed and the regional<br />
daily press escaped from the dominance of the political and metropolitan<br />
press’’.<br />
Wenngleich diese Beschreibung hinsichtlich der Zeitungen eher idealtypisch erscheint,<br />
wenn man beispielsweise die Situation in vielen Ländern Afrikas und Asiens betrachtet<br />
(wo es ja auch Telegraphen gibt), so deuten die Thesen von Innis doch immerhin ein<br />
Entwicklungspotenzial an – und bezogen auf die Situation in Westeuropa und in<br />
Nordamerika weist seine Beschreibung ja durchaus eine gewisse Plausibilität auf.<br />
Innis schließt aus dem Gesagten, dass der Telegraph <strong>zum</strong>indest zu einer gewissen (weiteren)<br />
Instabilität der politischen Kontrollorgane geführt habe, und diese Instabilität<br />
„weakened the position of a central authority after 1840”. (1951: 170)<br />
Ganz offensichtlich kann diese Aussage als Glosse zur aktuellen Diskussion um die<br />
,Neuen <strong>Medien</strong>’ und ihren Einfluss auf Gesellschaften wie beispielsweise diejenige<br />
Chinas, aber auch vieler anderer Staaten in Asien und Afrika gelesen werden – vor allem<br />
auch, weil hier ja oft die Zwischenstation der Zeitung (deren Charakter sich ja laut Innis<br />
auch erst durch den Telegraphen grundlegend geändert habe) wegfällt. Die „Neuen“<br />
<strong>Medien</strong> sind ja noch wesentlich „weicher“ als das geschriebene oder das gedruckte Wort;<br />
in jedem Fall „weicher“ als die Zeitung, wo Gedanken immerhin noch materiell (physikalisch)<br />
auf Papier gebannt werden müssen – dies entfällt nun. Harold Innis’ Interpretationsschema<br />
legt mithin die Vermutung nahe, dass die „Neuen <strong>Medien</strong>“ zu einem weiteren<br />
Machtverlust zentraler Autoritäten führe. Möglicherweise stärkt dies auch derzeit<br />
marginalisierte Regionen, die ja jetzt ebenso Zugang zu den Kommunikationswegen haben;<br />
dies könnte ihnen in der Tat den Anschluss an etablierte Zentren ermöglichen.<br />
Was bedeutet nun die Innis’sche Theorie für die Sphäre des „Politischen“? Innis behauptet<br />
ja ein „Mehr an Demokratie“, das mit „weichen“, raumfüllenden <strong>Medien</strong> einhergehe.<br />
Aber es scheint doch keinesfalls sicher, dass die „Neuen <strong>Medien</strong>“ tatsächlich<br />
269
M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />
die politischen Institutionen stärken, vielmehr scheint es ja eher so zu sein, dass einerseits<br />
Wirtschaft und Handel, andererseits persönliche Freiheiten (Interessen, Hobbys,<br />
Vorlieben) vom Durchbruch der „Neuen <strong>Medien</strong>“ profitieren.<br />
Innis ist davon ausgegangen, dass „starre“ <strong>Medien</strong> mit der Dominanz religiöser Systeme<br />
und die bisherigen „weichen“ <strong>Medien</strong> mit der Dominanz politischer Systeme einhergingen.<br />
Wenn die Innis’sche Abfolge richtig ist und als Entwicklungslinie weitergedacht<br />
und -geführt wird, scheint es, als ob mit den „immateriellen“ „Neuen <strong>Medien</strong>“<br />
nun auch die politische Klasse und ihre Institutionen an Einfluss verlören zugunsten einer<br />
neuen, inzwischen immer deutlicher hervortretenden Dominanz des „ökonomischen<br />
Systems“, ihrer Klasse und ihrer Institutionen.<br />
Dies freilich ist eine Interpretation des Innis’schen Denkens, die nur noch durch die<br />
Weiterführung der von ihm angelegten und entwickelten Darstellung der historischen<br />
Abfolge gedeckt ist, nicht mehr durch seine Schriften selbst. Sie deutet die Brisanz, aber<br />
auch das Spekulative des Innis’schen Denkens an.<br />
3. Innis als Autor der kanadischen Peripherie – mit überraschender Nähe zu deutschen<br />
und französischen Theorieansätzen<br />
Es ist angesichts der Schlüsselbegriffe „Struktur“ und „Krise“ durchaus bemerkenswert,<br />
dass die Rezeption des Innis’schen Werkes weitgehend auf Kanada und einige andere<br />
Regionen mit angelsächsischer Kolonialgeschichte beschränkt geblieben ist. Diese Aussage<br />
gilt auch für die Wirkungsgeschichte von Innis im Bereich der Kommunikationswissenschaft.<br />
Hier beziehen sich vor allem Eric Havelock und Derrick de Kerckhove,<br />
die heute ebenfalls in Toronto lehren, ihn im Übrigen aber beide nicht mehr kennen gelernt<br />
haben, auf Innis. Es gibt noch einzelne Wirkungslinien in die Neu-England-Staaten<br />
(Strate 1996) und nach Australien (Angus/Shoesmith 1993). Dagegen ist Innis im<br />
kontinentaleuropäischen Raum, von wenigen Ausnahmen abgesehen, kaum zur Kenntnis<br />
genommen worden. Immerhin gibt es mittlerweile eine Sammlung repräsentativer<br />
Texte von Innis auf Deutsch (Innis 1997). So scheint es, als nehme die Rezeptionsbereitschaft<br />
langsam zu.<br />
Die Tatsache, dass die Wirkungsgeschichte von Harold A. Innis in Kontinentaleuropa<br />
lange Zeit so begrenzt war, ist durchaus erstaunlich, da Innis seine Thesen trotz aller<br />
Distanz gleichsam parallel zu den akzeptierten kontinentaleuropäischen Theorieansätzen<br />
insbesondere aus Frankreich und Deutschland entwickelt hat. (Dies ist übrigens ein<br />
wesentlicher Unterschied zu McLuhan, der sich noch weit stärker – und nicht nur hinsichtlich<br />
seiner Argumentationsform, sondern bis in die Sprache hinein – von der akademischen<br />
Tradition gelöst hatte, die ja, als Literaturwissenschaftler, als der er seine universitäre<br />
Laufbahn begonnen hatte, auch seine eigene war. Vielleicht ist es aber auch diese<br />
„Zwischenstellung“, die dazu geführt hat, dass Innis in der allgemeinen Aufmerksamkeit<br />
gegenüber McLuhan zurückgefallen ist.)<br />
Die genannten Parallelen zu kontinentaleuropäischen Theorieansätzen können den<br />
Zugang zu Innis natürlich erleichtern. Bezüglich des französischen Kulturkreises weist<br />
Roberto Simanowski darauf hin, dass der strukturalistische Ansatz von Innis „vor und<br />
gleichsam in Ergänzung zu Michel Foucaults Diskursanalyse“ stehe (2000: 219). Sut<br />
Jhally hat 1993 auf Gemeinsamkeiten mit der materialistischen Geschichtskonzeption<br />
deutscher marxistischer Tradition hingewiesen, und die kanadische Autorin Judith<br />
Stamps, deren große Studie von 1995 für Leser aus dem deutschsprachigen Kulturkreis<br />
von besonderem Interesse sein könnte, hier aber, im Gegensatz zu ihrer Heimat Kanada,<br />
kaum zur Kenntnis genommen wurde, verweist auf frappierende Überschneidungen<br />
270
Giessen · Harold A. Innis<br />
des Innis’schen Denkens mit dem der frühen Frankfurter Schule. Dass es viele solcher<br />
Überschneidungen gibt, ist vermutlich bereits anhand der obigen Detailanalyse deutlich<br />
geworden, die die Mechanisierungsprozesse im Bereich der Presse fast deckungsgleich<br />
zu Walter Benjamins Beschreibung des Verlusts der Aura beim „Kunstwerk im Zeitalter<br />
seiner technischen Reproduzierbarkeit“ (1936) charakterisiert. Stamps zeigt in ihrer<br />
philologischen Studie, dass Innis wie die von ihr herangezogenen „Frankfurter“ Theodor<br />
W. Adorno, Max Horkheimer oder Benjamin die Dynamik von Modernisierungsprozessen<br />
als Entwicklungen zu einer „instrumentalen Rationalität“ (um den „Frankfurter“<br />
Begriff zu gebrauchen) sieht. Parallel zur „Dialektik der Aufklärung“ werde<br />
auch in Innis’ Schriften die gesellschaftlich-technische Entwicklung als Grund für eine<br />
zunehmende Dekontextualisierung des Bewusstseins gesehen; auch die Bewertungen<br />
dieser Entwicklung seien in überraschendem Maße ähnlich.<br />
Gleichzeitig muss darauf hingewiesen werden, dass Innis die „Frankfurter Schule“ offenbar<br />
gar nicht kannte – den französischen „Poststrukturalismus“ konnte er natürlich<br />
erst recht nicht kennen. Zudem widerspricht Innis’ eher narrative Argumentationsform<br />
beispielsweise derjenigen der marxistisch orientierten, theoriebeladenen Herangehensweise<br />
der „Frankfurter“. So ignoriert Innis beispielsweise gänzlich die Kategorie der<br />
„sozialen Klasse“ oder ähnliche, beispielsweise mit dem Begriff der „Schicht“ darzustellende<br />
gesellschaftliche Phänomene. Andererseits verhindert gerade die tendenzielle<br />
Theorielosigkeit, der unbefangenere „kanadische“ Blick viele Eurozentrismen, die in<br />
den Schriften der „Frankfurter Schule“ zu finden sind (es sei etwa an das Extrembeispiel<br />
der Adorno’schen Verunglimpfung des Jazz erinnert).<br />
Die Parallele zu europäischen Theorieansätzen legt jedoch nahe, Innis nicht als monolithisch<br />
kanadischen Autor zu bewerten, sondern ihn in einem allgemeinen Zeitkontext<br />
zu sehen. Innis’ Werk wäre dann eine Variante einer übergreifenden geistigen Zeittendenz<br />
– wobei er eine Variante verkörperte, die nicht zuletzt aufgrund ihrer relativen<br />
Unbefangenheit als peripher empfunden (und als solche entweder kritisiert oder geschätzt)<br />
wird.<br />
4. Rezeptionsprobleme<br />
Es gibt zwei Kernprobleme bei der Rezeption des Innis’schen Werks.<br />
1. In der Regel beschränkt sich die Kommunikationswissenschaft heute allenfalls auf<br />
Theorien „mittlerer Reichweite“ und verdächtigt Theorieansätze, die raum- und<br />
zeitübergreifende Aussagen wagen, der tendenziellen Spekulation.<br />
2. Ein weiteres Problem von Theorien „großer Reichweite“ ist, dass sie sehr häufig <strong>Medien</strong>nutzer<br />
auf eine passive Rolle beschränken, mehr oder weniger darauf reduziert,<br />
von außen auf sie einwirkenden Einflüssen unterworfen zu sein.<br />
Beide Probleme treffen mit unterschiedlichem Gewicht auf Harold A. Innis und sein<br />
Werk zu. Sie führen in mehr oder weniger großem Maß dazu, seine Aussagen mit einer<br />
gewissen Vorsicht zu betrachten. Besonders problematisch ist, dass er selbst die entsprechende<br />
Kritik in der Regel gar nicht thematisiert und auch immanent nur teilweise<br />
berücksichtigt.<br />
Hinsichtlich des zweiten Kernproblems kann festgehalten werden, dass Innis immerhin<br />
und durchaus ausführlich beispielsweise die Wechselwirkungen zwischen Kommunikation<br />
und kulturellem Empfinden, das sich dann wieder auf das „Wie“ und „Was“<br />
der Kommunikation auswirkt, beschrieben hat. Da Innis aber vor allem anthropologische<br />
oder soziale Strukturen, die den sozialen Körper prägen, analysieren möchte, liegt<br />
der Schwerpunkt der Darstellung zwangsläufig bei den sich wandelnden Formen der<br />
271
M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />
Kommunikation, deren Auswirkungen auf Gesellschaft und Individuum dargestellt<br />
werden. Innis’ Vorhaben hat aufgrund seines Ziels also einen anderen Fokus. Weil er<br />
aber durch die Berücksichtigung der genannten Wechselwirkungen ein durchaus komplexes<br />
Bild zeichnet, ist die Kritik hier nur bedingt zutreffend.<br />
Wesentlich ernster ist der erste Kritikpunkt, dem Innis eigentlich nichts entgegensetzt,<br />
auch nicht immanent. Dies beginnt bereits mit der Art und Weise seiner Darstellung.<br />
So gibt es einen Aufsatz <strong>zum</strong> „Problem des Raums“ in „The Bias of Communication“,<br />
in dem er nicht nur innerhalb weniger Seiten von den Anfängen der ägyptischen<br />
beziehungsweise mesopotamischen Kultur (er nennt als Datum, das den Beginn seiner<br />
Darstellung markiert, den 19. Juli 4241 vor Christus) über die Sumerer, die biblischen<br />
Israeliten, das antike Griechenland zu den Römern und Germanen, weiter <strong>zum</strong> Reich<br />
Karls des Großen, den Beginn der Neuzeit in den italienischen Stadtrepubliken und in<br />
Flandern, mit kurzen Abstechern zu den slawischen Völkern, dann weiter <strong>zum</strong> britischen<br />
Weltreich springt, bis er schließlich bei der globalen Gegenwart ankommt. Diese<br />
Unbekümmertheit setzt sich auch auf formaler Ebene fort. So folgt die Anordnung der<br />
einzelnen Artikel, die zusammen das Buch „The Bias of Communication“ bilden, keinem<br />
erkennbaren Ordnungsschema, weder einem inhaltlichen, noch einem formalen<br />
(etwa nach der zeitlichen Reihenfolge des Entstehens der einzelnen Aufsätze).<br />
Offensichtlich war es Harold A. Innis in seinen Spätwerken nicht mehr wichtig, die<br />
Tatsache, dass er spekulativ arbeite, zu erläutern und zu rechtfertigen. In den Schriften,<br />
die für Kommunikationswissenschaftler von besonderem Interesse sind (die also die<br />
<strong>Medien</strong> im engeren Sinn <strong>zum</strong> Thema haben), stellt er – im Unterschied zu seinen frühen<br />
Schriften – viele Argumente nicht mehr zur Diskussion, sondern setzt sie einfach voraus.<br />
So kann man in gewisser Weise von einer „Abkopplung“ des Autors von herrschenden<br />
Standards des Wissenschaftsbetriebs sprechen. Für die Stärke der Innis’schen<br />
Darstellung spricht, dass seine Thesen dennoch auch innerhalb der Kommunikationswissenschaften<br />
von gewissem Einfluss blieben (wenngleich dieser „Erfolg“ gerade in der<br />
Kommunikationswissenschaft teilweise auch auf feedback-Prozesse aufgrund Innis’ Popularität<br />
außerhalb des Faches zurückzuführen ist). Dennoch bleibt die Kritik berechtigt,<br />
dass er seine spekulativen Verfahren in seinen Spätwerken kaum noch reflektiert<br />
und mitunter gar unwissenschaftlich arbeitet, indem er teilweise Argumente aneinander<br />
reiht, wie sie ihm passten, gleichviel, wie stringent die „Nutzung“ des Arguments jeweils<br />
war.<br />
Vor allem diskutiert Innis nicht, ob die untersuchten Strukturen tatsächlich (in der beschriebenen<br />
Form) existieren, und ob und in wie weit andere Strukturen oder auch Prozesse<br />
ihnen entgegenstehen oder ihre Wirksamkeit verändern. Indem er die beschriebenen<br />
Entwicklungen einfach behauptet, stellt er dem Vorwurf, seine Darstellung sei möglicherweise<br />
nur eine mehr oder weniger plausibel klingende fiktionale Darstellung, letztlich<br />
nichts entgegen.<br />
Andererseits ist natürlich richtig, dass Aussagen mit ,großer Reichweite’ zwangsläufig<br />
auch spekulativ sein müssen. Die Konsequenz kann daher nicht lauten, Innis zu ignorieren<br />
oder auf Aussagen mit „großer Reichweite“ insgesamt zu verzichten. Zudem<br />
muss die Tatsache, dass Innis spekulativ arbeitet, nicht bedeuten, dass sein Erklärungsansatz<br />
zwangsläufig falsch oder unzutreffend beziehungsweise (ausschließlich) fiktional<br />
wäre. Eine Theorie kann natürlich auch richtig sein, obwohl ihr Protagonist sie auf<br />
unübliche und möglicherweise nicht unproblematische Art und Weise vertritt.<br />
272
Giessen · Harold A. Innis<br />
Literatur<br />
Acland, Charles R.; Buxton, William J. (Eds.) (1999): Harold Innis in the New Century. Montréal;<br />
Kingston: McGill-Queen’s University Press.<br />
Angus, Ian; Shoesmith, Brian (1993): Dependency/Space/Policy. An Introduction to a Dialogue<br />
with Harold Innis. In: Continuum, Vol 7, No. 1, http://wwwmcc.murdoch.edu.au/Reading-<br />
Room/7.1/Angus&S.html/ (10. Februar 2002).<br />
Benjamin, Walter (1936): Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. In:<br />
Zeitschrift für Sozialforschung Vol. 1. Zitiert nach der Ausgabe: Walter Benjamin, Das Kunstwerk<br />
im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. Drei Studien zur Kunstsoziologie.<br />
Frankfurt am Main: Suhrkamp. 1963, S. 7 – 64.<br />
Foucault, Michel (1969): L’archéologie du savoir. Paris: Gallimard.<br />
Horkheimer, Max; Adorno, Theodor W. (1947): Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente.<br />
Amsterdam: Querido.<br />
Innis, Harold A. (1923): A History of the Canadian Pacific Railway. London: P. S. King.<br />
Innis, Harold A. (1930): The Fur Trade in Canada: An Introduction to Canadian Economic<br />
History. New Haven: Yale University Press; London: Oxford University Press.<br />
Innis, Harold A. (1940): The Cod Fisheries: The History of an International Economy. New Haven:<br />
Yale University Press.<br />
Innis, Harold A. (1942): The Newspaper in Economic Development. In: Journal of Economic Development.<br />
Vol. 2. Pp. 1 – 33.<br />
Innis, Harold A. (1950): Empire and Communications. Oxford: Clarendon Press.<br />
Innis, Harold A. (1951): The Bias of Communication. Toronto: University of Toronto Press.<br />
Innis, Harold A. (1952): Changing Concepts of Time. Toronto: University of Toronto Press.<br />
Innis, Harold A. (1980): The Idea File of Harold Adams Innis. (Edited by William Christian).<br />
Toronto: University of Toronto Press.<br />
Innis, Harold A. (1997): Kreuzwege der Kommunikation. Ausgewählte Texte. (Herausgegeben von<br />
Karlheinz Barck; Übersetzung der englischsprachigen Original-Beiträge von Friedricke von<br />
Schwerin-High). Wien u. a.: Springer.<br />
Jhally, Sut (1993): Communications and the Materialist Conception of History. Marx, Innis and<br />
Technology. In: Continuum, Vol. 7, No. 1, http://www.mcc.murdoch.edu.au/ReadingRoom/<br />
7.1/Jhally.html/ (10. Februar 2002).<br />
Kleinsteuber, Hans J. (1992): Zeit und Raum in der Kommunikationstechnik. Harold A. Innis’<br />
Theorie des „technologischen Realismus“. In: Hömberg, Walter; Schmolke, Michael (Hrsg.):<br />
Zeit, Raum, Kommunikation. München: Ölschläger. S. 319 – 336.<br />
Krotz, Friedrich (2001): Marshall McLuhan Revisited. Der Theoretiker des Fernsehens und die <strong>Medien</strong>gesellschaft.<br />
In: <strong>Medien</strong> und Kommunikationswissenschaft, Vol. 49, No. 1, S. 62 – 81.<br />
Kuhns, William (1971): The Post-Industrial Prophets. New York: Weybright & Talley.<br />
Simanowski, Roberto (2000): Ein Name vor dem Namen. Harold A. Innis als Anreger McLuhans.<br />
In: Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur. Vol. 25, No. 2, S. 218<br />
– 222.<br />
Stamps, Judith (1995): Unthinking Modernity. Innis, McLuhan, and the Frankfurt School. Montréal,<br />
Kingston: McGill University Press.<br />
Strate, Lance (1996): Containers, Computers, and the Media Ecology of the City. In: Media Ecology.<br />
A Journal of Intersections, Fall 1996. http://raven.ubalt.edu/features/media_ecology/articles/96/strate1/strate_1.html/<br />
(10. Februar 2002).<br />
Weber, Max (1984 ff.): Gesamtausgabe (Herausgegeben von Horst Baier, M. Rainer Lepsius, Wolfgang<br />
J. Mommsen, Wolfgang Schluchter, Johannes Winckelmann †). Tübingen: Mohr.<br />
273
Besprechungen<br />
David Buckingham<br />
After the Death of Childhood<br />
Growing Up in the Age of Electronic Media<br />
Cambridge: Polity, 2001. - 245 S.<br />
ISBN 0-7456-1933-9<br />
Anfang der 80er Jahre landete Neil Postman<br />
einen Bestseller mit dem Titel „Das Verschwinden<br />
der Kindheit“, das seiner Meinung nach<br />
vom Fernsehen veranlasst war. Weil Kindheit<br />
mit dem Buch entstanden sei, so Postman, gehe<br />
sie mit dem Fernsehen zu Ende. Worin sah er<br />
die treibende Kraft? Weil elektronische <strong>Medien</strong><br />
keine „Geheimnisse“ bewahren könnten und es<br />
„ohne Geheimnisse“ „so etwas wie Kindheit<br />
nicht geben“ könne, demontiere Fernsehen<br />
Kindheit. Fast 20 Jahre später fragt der Londoner<br />
<strong>Medien</strong>pädagoge David Buckingham, was<br />
denn nach dem Ende der Kindheit, „after the<br />
death of childhood“ käme, und nimmt das <strong>zum</strong><br />
Anlass, das Thema Kindheit und <strong>Medien</strong> zu<br />
entfalten. Was auf den ersten Blick vielleicht<br />
nur als Attraktion erscheint, um, wie Postman<br />
vor zwanzig Jahren, Leser zu gewinnen, entpuppt<br />
sich beim genauen Lesen als differenziertes<br />
Abwägen des theoretischen Rahmens<br />
der kulturellen Beziehung von Kindern und<br />
<strong>Medien</strong>, das schließlich auch die Basis für <strong>Medien</strong>pädagogik<br />
legen will.<br />
Ausgangspunkt ist ein Blick auf gängige Diskurse<br />
zu Kindheit (Kinder als die Bedrohten/<br />
Kinder als Bedrohende), der <strong>Medien</strong> als Teil<br />
dieser Diskurse nicht außer Acht lässt. Selbstverständlich<br />
ist sich Buckingham der theoretischen<br />
Voraussetzung seiner Argumentationsweise<br />
bewusst, weshalb er vom sozialen Konstrukt<br />
der Kindheit ausgeht. Der Gedanken der<br />
Repräsentation von Kindheit (S. 8 ff. „Representing<br />
childhood“) hilft, sowohl die historische<br />
Brücke von der Literatur des 19. Jahrhunderts<br />
zu aktuellen Vorstellungen zu schlagen<br />
als auch von der Einbindung der <strong>Medien</strong> in<br />
Kindheits-Diskurse zu berichten. Im ersten<br />
Teil des Buches referiert Buckingham die<br />
Kindheitskonzepte, die sich explizit auf <strong>Medien</strong><br />
als konstitutivem Teil von Kindheit beziehen.<br />
Informativ ist die Auseinandersetzung mit<br />
neuen Argumentationsmustern (S. 46 ff. „The<br />
new generational rhetoric“), die die mit elektronischen<br />
<strong>Medien</strong> einhergehenden Chancen<br />
für Kinder als prägend für die aktuelle Kindheit<br />
sehen. Buckingham stellt entsprechende Argumentationsfiguren<br />
vor, wie „new powerful<br />
tools for inquiry, analysis, self-expression, influence,<br />
and play“ (S. 47), „digital communications<br />
flash through the most heavily fortified<br />
boarders“ (S. 51).<br />
Der zweite Teil des Buches entfaltet systematisch<br />
die Veränderung von Kindheit (soziale<br />
Orte, Schule und Arbeit, Zeit, Grenzen, Ungleichheit)<br />
sowie die im Bereich der <strong>Medien</strong><br />
(Technologie, Institutionen, Text, Publikum,<br />
Grenzen) und versucht, die Interdependenz<br />
dieser Veränderung zu erkunden. Als erfahrener<br />
Wissenschaftler begnügt sich Buckingham<br />
nicht mit einem einleuchtenden und gerade in<br />
der Popularisierung von Wissenschaft beliebten<br />
Konzept von Veränderung („changing“),<br />
die unhinterfragt zur treibenden Kraft erklärt<br />
wird. Stattdessen diskutiert er das für seinen<br />
Untersuchungsbereich der Kindheit und der<br />
<strong>Medien</strong> relevante Paradigma der Veränderung,<br />
indem er sich auf sein Argumentationsmodell<br />
rückbezieht, nämlich auf die Diskurse über<br />
Kinder und solche, die sich an Kinder richten,<br />
die in ihrer Verschränkung „Kindheit definieren“<br />
(S. 103). Dazu verschafft er sich einen<br />
Überblick, wie Forschung über Kinder als <strong>Medien</strong>nutzer<br />
bzw. als Publikum den Gedanken<br />
der Veränderung objektiviert, u. a. (S. 106 ff.)<br />
mit „action and reaction“, „social audience“,<br />
einem sich ändernden Begriff von Wirklichkeit<br />
(„reality revisited“).<br />
Der dritte Teil des Buches fokussiert den<br />
Gedanken der Veränderung <strong>zum</strong> einen auf das<br />
Thema der Gewaltdarstellungen, das Buckingham<br />
deswegen für „unvermeidlich“ hält, weil<br />
sich die öffentliche Debatte der Beziehung Kinder-<strong>Medien</strong><br />
vom Thema her der Gewalt annähert.<br />
An dieser Stelle scheint auch Buckinghams<br />
pädagogische Idee auf, wenn er „moralischen<br />
Kampagnen“ (S. 144) eine Absage erteilt.<br />
Stattdessen fordert er (S. 144): „We need much<br />
more coherent and consistent initiatives at the<br />
level of educational and cultural policy that will<br />
enable children and parents to become informed,<br />
critical participants in media culture“. Um<br />
diesen Gedanken zu entfalten, beschäftigt sich<br />
Buckingham sowohl mit der Beziehung von<br />
„public“ und „private“ als auch mit der Rolle<br />
öffentlicher Institutionen wie der Schule. Das<br />
geschieht mit den für den aktuellen britischen<br />
und amerikanischen wissenschaftlichen Diskurs<br />
typischen Konzepten von Kindern als<br />
274
Besprechungen<br />
„Consumers“ und „Citizens“. So anregend<br />
diese angloamerikanischen Argumentationsfiguren<br />
für die deutsche <strong>Medien</strong>pädagogikdiskussion<br />
sein kann, die sich mit „<strong>Medien</strong>kompetenz“<br />
doch recht beschränkt oder beschränken<br />
lässt, so könnte u. a. der deutsche Begriff<br />
von Bildung oder der angloamerikanische von<br />
„Subjectivity“ eine gewisse konzeptionelle<br />
Engführung fruchtbar erweitern.<br />
Der Gedanke, Kinder als Subjekte zu sehen,<br />
die einen kulturellen Anspruch an die öffentlichen<br />
<strong>Medien</strong> haben, ein Anspruch, den auch die<br />
großen internationalen Kinderorganisationen<br />
vertreten, entspricht als konkrete Forderung<br />
der Debatte, die sich im Spannungsfeld von<br />
Consumerism und Citizenship bewegt. David<br />
Buckingham – im Moment sicher der führende<br />
Repräsentant der angloamerikanischen <strong>Medien</strong>pädagogik<br />
– schafft es, <strong>Medien</strong>pädagogik<br />
als kulturelle Erziehungsaufgabe konzeptionell<br />
zu begründen. Die Begrenzung auf die zentralen<br />
Modelle des angloamerikanischen Wissenschaftsdiskurses<br />
zur <strong>Medien</strong>pädagogik ist sicherlich<br />
für die deutsche Debatte anregend,<br />
vermutlich auch, weil das Buch die wesentlichen<br />
Argumentationsfiguren und wissenschaftlichen<br />
Diskurslinien erfolgreich verdichtet.<br />
Für die internationale Debatte brächten regionale<br />
Ideen wie die der „Bildung“ oder angloamerikanische<br />
wie die der „Subjectivity“<br />
vielleicht konstruktive Unruhe in die weitere<br />
Entwicklung einer international agierenden<br />
<strong>Medien</strong>pädagogik.<br />
Ben Bachmair<br />
Daniel Rölle / Petra Müller / Ulrich W. Steinbach<br />
Politik und Fernsehen<br />
Inhaltsanalytische Untersuchungen<br />
Wiesbaden: Deutscher Universitätsverlag,<br />
2001. – 302 S.<br />
ISBN 3-8244-4428-3<br />
Die Bedeutung der <strong>Medien</strong> im politischen System<br />
wurde lange von der Politikwissenschaft<br />
unterschätzt. Dies scheint sich in jüngster Zeit<br />
zu ändern, denn immer mehr Politikwissenschaftler<br />
befassen sich in ihrer Forschung nun<br />
auch mit der Massenkommunikation. Einen erfreulichen<br />
Schritt in diese Richtung markiert<br />
der vorliegende Sammelband mit dem Titel<br />
„Politik und Fernsehen“. Veröffentlicht sind<br />
darin drei Magisterarbeiten, die in der politikwissenschaftlichen<br />
Abteilung der Universität<br />
Stuttgart entstanden sind. Zwei der drei<br />
Studien widmen sich dem im Titel anvisierten<br />
Zusammenspiel von Fernsehen und Politik.<br />
Mit Hilfe spezieller Untersuchungsdesigns, die<br />
auf inhaltsanalytisch gewonnen Daten beruhen,<br />
wollen die Autoren mit unterschiedlichen<br />
Fragestellungen das Verhältnis Politik und <strong>Medien</strong><br />
kritisch hinterleuchten: Kann von einer<br />
Amerikanisierung der politischen Fernsehberichterstattung<br />
während Wahlkampfzeiten gesprochen<br />
werden? Und: Findet seit Einführung<br />
des privaten Rundfunks eine Entpolitisierung<br />
der Fernsehprogramme statt?<br />
Zur Beantwortung der letztgenannten Frage<br />
überprüft Ulrich Steinbach die Konvergenzhypothese<br />
anhand einer Programmstrukturanalyse<br />
privater und öffentlich-rechtlicher<br />
Fernsehveranstalter. Hierfür untersucht er das<br />
Fernsehprogramm von ARD, ZDF, SAT.1 und<br />
RTL zwischen 19 und 23 Uhr an jeweils 28<br />
Abenden in den Jahren 1985 bis 1998. Nach einem<br />
methodisch sicheren Vergleich konstatiert<br />
er zwar eine Orientierung der öffentlich-rechtlichen<br />
wie der privaten Anbieter am vermeintlichen<br />
Massengeschmack, also eine Verdrängung<br />
von Informations- und Kulturangeboten<br />
zugunsten von Unterhaltung, Infotainmentund<br />
Mischformaten, lehnt jedoch aufgrund<br />
weiterhin bestehender Differenzen die Vorstellung<br />
eines einfachen Angleichungsprozesses<br />
ab. Im Bewusstsein der Abhängigkeit von der<br />
gewählten Operationalisierung bei Programmanalysen,<br />
erläutert der Autor sein Ergebnis, das<br />
ein weiteres Indiz darstellt für die Verdrängung<br />
der Politik von der Fernsehagenda.<br />
Die Entpolitisierung des Fernsehens ist auch<br />
Thema des Beitrags von Petra Müller. Sie sucht<br />
nach Spuren einer Amerikanisierung in der Berichterstattung<br />
der Fernsehnachrichten vor den<br />
Bundestagswahlen 1987 und 1998. Die Studie<br />
weist eine Reihe theoretischer und methodischer<br />
Mängel auf: So wirkt die Auseinandersetzung<br />
mit dem Begriff der Amerikanisierung<br />
wenig reflektiert, insbesondere weil mögliche<br />
gesellschaftliche Veränderungen, darunter auch<br />
die Ausdifferenzierung der Fernsehmärkte,<br />
völlig unterbelichtet bleiben. Sie sind jedoch<br />
die Stimuli eines Wandels der politischen Berichterstattung.<br />
Diese Entwicklung als Amerikanisierung<br />
zu charakterisieren, ist nur insofern<br />
gerechtfertigt, als den USA hierbei eine<br />
Vorreiterrolle zukommt. Längst haben sich Be-<br />
275
M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />
griffe wie Globalisierung oder Modernisierung<br />
etabliert, die nicht implizieren, ein Wandel der<br />
politischen Kommunikation könnte importiert<br />
werden wie eine Levis Jeans. In Bezug auf das<br />
Design hat sich die Autorin entschieden, 88<br />
während der heißen Wahlkampfphase gesendete<br />
Beiträge aus dem Jahr 1987 mit 203 Beiträgen<br />
aus dem Jahr 1998 von ARD-Tagesthemen,<br />
ZDF-heute-journal und den Hauptabendnachrichten<br />
RTL 7 vor 7 bzw. RTL aktuell zu vergleichen.<br />
Natürlich werden Forscherinnen und<br />
Forscher bei der Sammlung von Datenmaterial<br />
häufig zu Kompromissen gezwungen, unverständlich<br />
ist aber, wenn Probleme der funktionalen<br />
Äquivalenz der Programme sowie das<br />
Problem unterschiedlich großer Samples nicht<br />
thematisiert werden. Die Ergebnispräsentation<br />
schließlich stützt sich auf fünf Tabellen zu<br />
schwach operationalisierten Kategorien: So<br />
werden Personalisierung wie Professionalisierung<br />
der Kommunikation über den Anteil der<br />
Berichte gemessen, die als Hauptthema Wahlkampf<br />
hatten.<br />
Einem ganz anderen Thema widmet sich Daniel<br />
Rölle. Inspiriert von dem Vorwurf, Parteien<br />
könnten ungestraft gegen Wahlversprechen<br />
verstoßen, untersucht er die Verlässlichkeit von<br />
Wahlprogrammen, indem er die programmatischen<br />
Aussagen der großen Parteien im Vorfeld<br />
vierer Bundestagswahlen (1949, 1965, 1969,<br />
1983) mit deren parlamentarischen Aktivitäten<br />
in den folgenden Legislaturperiode vergleicht.<br />
Dem Titel des Sammelbandes wird die Arbeit<br />
insofern nicht gerecht, als sie keine Verbindung<br />
zu Massenmedien herstellt. Interessant ist aber<br />
die inhaltsanalytische Vorgehensweise der Studie:<br />
Der Vergleich beruht auf nach demselben<br />
Muster codierten Programmaussagen und parlamentarischen<br />
Handlungen von Regierung,<br />
Fraktionen und Bundestagsplenum <strong>zum</strong> Thema<br />
„Wohlfahrtsstaat“. Dies ermöglicht dem<br />
Autor, den Einfluss von Regierungskoalitionen,<br />
der Teilhabe an der Regierung bzw. der<br />
Opposition und die zeitliche Entfernung vom<br />
nächsten Wahltermin auf Gesetze, Regierungserklärungen,<br />
Gesetzentwürfe, Anträge und Beschlussfassungen<br />
zu untersuchen. Das Design<br />
und die Einschränkung auf ein Thema resultieren<br />
in einer plausibel erklärten Analyse mit<br />
dem Ergebnis: Die Parteien unterscheiden sich<br />
hinsichtlich ihrer programmatischen Aussagen<br />
und ihres parlamentarischen Handelns und in<br />
der Tat gibt es einen Zusammenhang zwischen<br />
Programm und späterem Handeln.<br />
Zusammenfassend stellen die drei Beiträge<br />
methodisch mehr oder weniger versierte Inhaltsanalysen<br />
dar. Die im Anhang abgedruckten<br />
Codebücher schaffen große Transparenz.<br />
Die Präsentation der Studien selbst folgt dem<br />
gleichen Muster: Einleitung, Untersuchungsgegenstand,<br />
Forschungsstand, Hypothesengenerierung,<br />
Operationalisierung, Ergebnisse,<br />
Ausblick. Diese klare Strukturierung erlaubt,<br />
den Forschungsprozess Schritt für Schritt<br />
nachzuvollziehen, auch wenn Spannung und<br />
Lesefreude darunter leiden. Schade ist, dass die<br />
Datenauswertung auf 7 bis 25 Seiten pro Beitrag<br />
viel zu kurz kommt. Aus den <strong>zum</strong> Teil aufwändig<br />
gewonnenen Daten hätten sicherlich<br />
Erkenntnisse gezogen werden können, die weit<br />
mehr geleistet hätten als theoretische Funktionsdefinitionen<br />
von Parteiprogrammen, Vergleiche<br />
zwischen Bundeskanzler und US-Präsident<br />
oder eine 20-seitige Nacherzählung der<br />
deutschen Rundfunkgeschichte inklusive Fernsehurteilen.<br />
Sie hätten möglicherweise das Potenzial<br />
gehabt, das Wissen um die Rolle der<br />
Massenmedien im politischen Prozess um eine<br />
genauere Analyse dessen zu bereichern, wie<br />
diese denn aussieht.<br />
Das Fazit der Bewertung des Sammelbandes<br />
muss schließlich ambivalent bleiben: Für Einsteiger<br />
in den Bereich der empirischen politischen<br />
Kommunikationsforschung haben die<br />
Autoren einen lehrreichen Sammelband vorgelegt.<br />
Diejenigen aber, die jenseits des Status<br />
Quo neue Befunde suchen, werden eher enttäuscht<br />
sein.<br />
Barbara Berkel<br />
Jürg Häusermann (Hrsg.)<br />
Inszeniertes Charisma<br />
<strong>Medien</strong> und Persönlichkeit<br />
Tübingen: Niemeyer, 2001. – 160 S.<br />
(<strong>Medien</strong> in Forschung + Unterricht, Ser. A; 50)<br />
ISBN 3-484-34050-9<br />
Georg Franck verwies in seiner Ökonomie der<br />
Aufmerksamkeit auf das Maß kollektiver Beachtung<br />
als neues Kriterium für die soziale Differenzierung<br />
in der Gesellschaft. Prominente<br />
nutzen die bereits erlangte Aufmerksamkeit<br />
und verkaufen sich selbst als Markenartikel der<br />
<strong>Medien</strong>gesellschaft. <strong>Medien</strong>wirksame Ausstrahlung<br />
ersetzt auf diesem Markt zunehmend<br />
276
Besprechungen<br />
Kompetenz. Im Jahr 2001 brach zwischen<br />
Verona, Naddel und Jenni der „Luderkrieg“<br />
um die Beachtung der <strong>Medien</strong> als Einnahmequelle<br />
aus. <strong>Medien</strong>gerechte Selbstinszenierung<br />
ist zentrales Marketinginstrument für den Markenartikel<br />
Mensch. Welche Rolle die traditionelle<br />
Eigenschaft der Ausstrahlung, des Charismas,<br />
in unterschiedlichen Inszenierungsformen<br />
der <strong>Medien</strong>, Politik und Kultur spielt, war Gegenstand<br />
einer Vorlesungsreihe an der Universität<br />
Tübingen, die Jürg Häusermann in dem<br />
nun vorliegenden Sammelband dokumentiert.<br />
„Der Titel Inszeniertes Charisma spielt zunächst<br />
auf einen Charisma-Begriff an, wie er<br />
sich im Alltag festgesetzt hat.“ (3)<br />
Die einzelnen Beiträge verbinden auf unterschiedliche<br />
Weise Ergebnisse der Charisma<br />
Forschung der Soziologie (Max Weber), Theologie<br />
und der Persönlichkeitspsychologie, die<br />
Häusermann in seiner Einleitung vorstellt. In<br />
der Theologie etablierte sich das Verständnis<br />
vom Charisma als Begabung. Als Gnadengabe<br />
ist sie „ein Faktor, der das Funktionieren des<br />
Gemeinwesens sichert.“ (5) Max Weber griff in<br />
seiner soziologischen Theoriebildung auf diese<br />
theologischen Erklärungsmuster zurück. Für<br />
die Legitimation von Herrschaft seien nicht allein<br />
politische Faktoren ausreichend. Charismatische<br />
Herrscher zeichneten sich vielmehr<br />
durch ein hohes Maß an ihnen entgegengebrachtem<br />
Vertrauen, „die Bewältigung existentieller<br />
Krisensituationen und eine Gemeinschaft<br />
überzeugter Anhänger aus.“ (6) Der Historiker<br />
Hans-Ulrich Wehler ordnet diese<br />
Merkmale dem Prozess der Karriere zu. „Vertrauensbildung<br />
durch ungewöhnliche Leistungen,<br />
Meisterung existentieller Krisensituationen,<br />
Bildung einer Gemeinschaft überzeugter<br />
Anhänger, außergewöhnliche Finanzierungsmethoden,<br />
Karriere-Ende durch Tod, durch<br />
Scheitern in oder aus Mangel an Krisen, oder<br />
durch Traditionalisierung und Legalisierung<br />
der Herrschaft.“ (6) Kernbereich der Charisma-Definitionen<br />
aus unterschiedlichen Disziplinen<br />
bleibt „die außerordentliche Befähigung,<br />
die man der entsprechenden Persönlichkeit<br />
zuschreibt.“ (6) Mit den <strong>Medien</strong>, so Häusermann,<br />
löse sich das Charisma von der<br />
Bindung an eine Person, sondern werde Phänomen<br />
einer <strong>Medien</strong>botschaft. Gerade im Bereich<br />
der Begriffsklärung enthalten die Beiträge<br />
des Sammelbandes zahlreiche vermeidbare<br />
Doppelungen. Auch scheint das Verfahren des<br />
Ranking ein beitragsübergreifender Versuch zu<br />
sein, die Ausstrahlung von Persönlichkeiten<br />
empirisch fassbar zu machen.<br />
Gert Ueding gibt einen ebenso umfassenden<br />
wie detailgenauen historischen Überblick zu<br />
den Ursprüngen der Charisma-Vorstellung<br />
und zu den grundlegenden rhetorischen Möglichkeiten,<br />
eine charismatische Ausstrahlung zu<br />
erzeugen. Diese Analyse erklärt die besondere<br />
Anziehungskraft politischer Rednerfiguren in<br />
Vergangenheit und Gegenwart.<br />
Innerhalb der historischen Entwicklung von<br />
Charisma-Vorstellung nimmt der Geniekult<br />
des 18. Jahrhunderts eine Schlüsselrolle ein, da<br />
er die Grundlage der Herausbildung des modernen<br />
Individuums bildet. Hans-Georg Kemper<br />
versucht, das Element des Charismas in den<br />
zeitgenössischen Genie-Konzepten von Autoren<br />
der Goethezeit (u.a. Klopstock, Goethe,<br />
Herder) herauszuarbeiten, und stellt es in den<br />
historischen Kontext der Krise von Welterklärungsmodellen.<br />
Charismatische Führerpersönlichkeiten,<br />
so eine in vielen Beiträgen enthaltene<br />
These, sind immer dann gefragt, wenn<br />
etablierte grundlegende Erklärungsmodelle an<br />
Wirkungskraft verlieren.<br />
Christian Soboth stellt am Beispiel Adolf<br />
Hitlers dar, welchen Einfluss politische und sozioökonomische<br />
Bedingungen und die <strong>Medien</strong><br />
auf die Form der Selbst- und Fremdinszenierung<br />
von Charisma haben. Soboth integriert<br />
dabei auch historische Erklärungsmuster, wie<br />
etwa die Charisma förderliche Krise der zehner<br />
und zwanziger Jahre, die er anhand von literarischen<br />
Texten (von Unruh, Toller, George) erläutert.<br />
Konsequent analysiert er „Mein<br />
Kampf“ als Autobiografie eines Charismatikers,<br />
der sein Leben als „Pilgerschaft auf Erden<br />
im Lichte der Vorsehung und des Schicksals betrachtet“<br />
(133). Hitler integriert auch die<br />
Feindbilder in seinen Text, die zur damaligen<br />
Zeit aktuell waren, und nutzt für seine Darstellung<br />
in der bildenden Kunst damals bekannte<br />
Wirkungsmuster.<br />
Hartmut Gabler beginnt seine empirischen<br />
Analysen zu charismatischen Persönlichkeiten<br />
im Sport mit der Frage, ob körperliche Konstitution,<br />
Charakter- und Temperamentsmerkmale<br />
oder das Selbstkonzept eine Persönlichkeit<br />
im Sport ausmache. Sind es eigentlich die<br />
<strong>Medien</strong>, die das Charisma von Sportlern inszenieren<br />
oder ist Charisma Faktor der Selbstinszenierung<br />
von Sportlern? Schließlich sieht Gabler<br />
die Rolle der <strong>Medien</strong> als Verstärker bereits<br />
bestehenden Charismas an. Gabler weist auf<br />
277
M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />
die Bedeutung der Rezeption für die Konstruktion<br />
von Charisma hin, wenn er als Ergebnis<br />
seiner empirischen Befragung festhält, dass es<br />
bei der Bescheinigung von Charisma „auch auf<br />
die individuelle Wahrnehmung dieser Personen<br />
durch die Rezipienten ankommt.“ (17) Es entstehe<br />
eine gegenseitige Wechselwirkung, die<br />
dazu führe, „dass den einen mehr und den anderen<br />
weniger Charisma bescheinigt wird.“<br />
(17) Untersuchungen <strong>zum</strong> Bereich Fankultur,<br />
etwa seitens der Cultural Studies, integriert Gabler<br />
trotz dieser Diagnose nicht. Dafür greift er<br />
auf den Ansatz von Hans-Ulrich Wehler zurück,<br />
wenn er konstatiert: „Im Sport basiert die<br />
Entwicklung charismatischer Persönlichkeiten<br />
zunächst auf der Entwicklung der sportlichen<br />
Karriere. Hinzu kommt die Entwicklung im<br />
privaten Bereich und die mediale Vermarktung<br />
dieser beiden Bereiche der Persönlichkeitsentwicklung.“<br />
(25) Seine Ergebnisse gelten auch<br />
außerhalb seines engen Gegenstandsbereichs.<br />
„Charisma entwickelt sich im sozialen Kontext<br />
und im Rahmen des jeweiligen Zeitgeistes.“<br />
(27)<br />
Ute Bechdolf versucht durch Analysen der<br />
Ikonen Marlene, Marilyn und Madonna dem<br />
Problem weiblichen Charismas und seiner<br />
Konstruktion auf die Spur zu kommen. In den<br />
zahlreichen Rankings charismatischer Persönlichkeiten<br />
sind Frauen deutlich unterrepräsentiert,<br />
und auch in den <strong>Medien</strong> werden Frauen<br />
selten charismatische Eigenschaften zugesprochen,<br />
viel häufiger jedoch ihr Fehlen kritisiert.<br />
„Weiblichkeit und Charisma sind im journalistischen<br />
Diskurs offensichtlich unvereinbar.“<br />
(34) Das vermag Bechdolf anhand einer Auswertung<br />
von Jahrgängen der FAZ und der TAZ<br />
auch empirisch zu belegen. In ihren Analysen<br />
weiblicher Ikonen mischt sie Figuren- und Rollenimage<br />
und gibt so entscheidende Differenzierungen<br />
für Erklärungsmuster auf. Ihr Fazit<br />
„Da Frauen bis auf wenige Ausnahmen aus der<br />
Definition von Charisma ausgeschlossen sind,<br />
trägt die unkritische Verwendung des Begriffs<br />
dazu bei, die ungleichen Machtverhältnisse<br />
zwischen den Geschlechtern immer wieder neu<br />
herzustellen“ könnte den Ausgangspunkt für<br />
eine neue Diskussion der Begriffsverwendung<br />
bilden. Gerade im Bereich der Gendertheorien<br />
etwa bei Judith Butler lassen sich noch weitere<br />
Implikationen für die Charisma-Forschung<br />
finden.<br />
Jürgen Wertheimer verzichtet in seiner Analyse<br />
der Selbstinszenierung deutscher Autoren<br />
gerade auf die Generation, die eine besondere<br />
Kompetenz im Umgang mit den <strong>Medien</strong> aufweisen,<br />
die Vertreter der Popliteratur wie Benjamin<br />
von Stuckrad-Barre. Sie passen wohl<br />
nicht in das von ihm besonders betonte Klischee<br />
vom Autoren „als Außenseiter, als poète<br />
maudit zwischen Genie und Wahnsinn – spätromantische<br />
Kultfigur und bürgerliches Schreckensbild<br />
in einem.“ (118) Wertheimer stellt<br />
unterschiedliche Modelle inszenierter Selbst-<br />
Präsentation, wie etwa die Imitation von Originalität<br />
oder sexualneurotisches Outing.<br />
Der Theologe Hans Norbert Janowski löst<br />
sich vom Aspekt des besonderen Charismas<br />
und beschreibt die allgemeine Rolle der Person<br />
in der medialen Vermittlung am Beispiel von<br />
Moderatoren, Ansagerinnen. Nahtlos ist sein<br />
Übergang schließlich auch zu den Rollenkonzepten<br />
von Arzt- und Krankenhausserien. Die<br />
Personenbindung dient ihm als Erklärungspotenzial<br />
für die <strong>Medien</strong>wirkung. „Die Person im<br />
Medium erweckt Vertrauen und gibt Halt, sie<br />
hält zugleich die Aufmerksamkeit für die Unterscheidung<br />
von Realität und Fiktion wach,<br />
und dies gerade dadurch, dass sie beide Dimensionen<br />
im Medium verbindet.“ (45) Moderatoren<br />
versuchen den Eindruck von Authentizität<br />
und Glaubwürdigkeit herzustellen, um sich<br />
so als Vertraute der Zuschauer zu etablieren.<br />
„Nicht das belehrende Gegenüber, sondern die<br />
nachbarschaftliche Nähe geben im Massenmedium<br />
den Ausschlag“ (47), so die These Janowskis.<br />
Die Sendeanstalten versuchen, die erreichte<br />
Präsenz der Moderatoren zu Markenartikeln<br />
aufzublasen. (48) Janowski erwähnt mit Karl<br />
Dall und Joachim Steinhöfel auch die Gegenmodelle,<br />
die sich als Antitypen inszenieren und<br />
so länger in Erinnerung bleiben.<br />
Der <strong>Medien</strong>berater Christoph Fasel beschreibt<br />
zunächst die Personalisierung als journalistisches<br />
Grundprinzip, um sich dann mit<br />
der Produktion von Charisma durch die <strong>Medien</strong>,<br />
insbesondere durch das breitenwirksame<br />
Fernsehen, zu befassen. Bei seinen Ausführungen<br />
<strong>zum</strong> Gefühlsfernsehen wäre eine explizite<br />
Auseinandersetzung mit den Untersuchungen<br />
von Jo Reichertz wünschenswert gewesen.<br />
Restlos deplatziert wirken seine moralischen<br />
Appelle an die <strong>Medien</strong>unternehmen.<br />
Es bleibt trotz der detailgenauen Analysen<br />
auch in diesem Band immer noch ein Rest des<br />
Unerklärlichen. Gabler etwa spricht von vielfältigen<br />
„im Einzelnen nicht genau bestimmbaren<br />
Persönlichkeitsmerkmalen.“ (27) Gerade<br />
278
Besprechungen<br />
dieser Bereich, der sich auch mit dem abstrakt<br />
esoterischen Begriff der „Aura“ umschreiben<br />
ließe, bleibt auch in diesem Sammelband trotz<br />
der interessanten Einzelanalysen im Bereich<br />
des Unnennbaren.<br />
Joan Kristin Bleicher<br />
Martin K. W. Schweer (Hrsg.)<br />
Der Einfluss der <strong>Medien</strong><br />
Vertrauen und soziale Verantwortung<br />
Opladen: Leske + Budrich, 2001. – 222 S.<br />
ISBN 3-8100-3013-9<br />
„Vertrauen diejenigen, welche das <strong>Medien</strong>angebot<br />
gestalten, auf einen sozial verantwortlichen<br />
Umgang mit ihrem Angebot oder darf der<br />
Rezipient auf ein a-priori sozial verantwortliches<br />
Angebot vertrauen? Haben die <strong>Medien</strong> einer<br />
sozialen Verantwortung gerecht zu werden<br />
oder dürfen sie darauf vertrauen, dass ihre Rezipienten<br />
mit dem Angebot sozial verantwortlich<br />
umgehen?“ (S. 7) Mit diesen vier Teilfragen<br />
versucht der Herausgeber Martin K. Schweer,<br />
den Problemfokus des hier vorzustellenden Tagungsbandes<br />
zu verdeutlichen: Sie beschreiben<br />
ein beim näheren Hinsehen äußerst komplexes<br />
Beziehungsgefüge von öffentlicher Kommunikation,<br />
Verbreitungsmedien und individueller<br />
Rezeption und bedürfen einer sehr sorgfältigen<br />
theoretischen und methodischen Analyse. Diese<br />
sollte bereits bei der Definition dessen anfangen,<br />
was unter „Vertrauen“ verstanden wird<br />
oder verstanden werden sollte (vgl. hierzu<br />
Wirth 1999, S. 52).<br />
Abgesehen davon, dass die erste und die vierte<br />
dieser Teilfragen so gut wie identisch sind,<br />
werden damit aber bereits alle Begriffe und Fragen<br />
genannt, die im Weiteren, d. h. im gesamten<br />
Buch, wenn überhaupt nur äußerst vage<br />
erörtert werden: Was verstehen der Herausgeber<br />
und die Autoren unter Vertrauen und unter<br />
Glaubwürdigkeit, was unter „den“ <strong>Medien</strong>,<br />
und was unter der sozialen Verantwortung sowohl<br />
derselbigen als auch „der“ Rezipienten?<br />
Statt sorgfältiger Begriffsklärungen verweist<br />
Schweer in seiner Einleitung auf Schmuddeltalkshows,<br />
Gladbecker Geiseldrama, Barschel-<br />
Foto und – sie darf natürlich nicht fehlen – die<br />
Globalisierung. Solchermaßen in Aufregung<br />
versetzt, wird der Leser, so vielleicht das Kalkül,<br />
schon nicht mehr nachfragen, was denn mit<br />
dem Satz gemeint sein könne, dass der Einfluss<br />
der <strong>Medien</strong> mehr denn je im Spannungsfeld von<br />
Vertrauen einerseits und sozialer Verantwortung<br />
andererseits stehe (S. 10).<br />
Die nun folgenden Beiträge sind zwei Abteilungen<br />
zugeordnet: „Massenmedien in der Gesellschaft“<br />
und „Die Neuen <strong>Medien</strong> – eine neue<br />
(<strong>Medien</strong>-)Gesellschaft“. Es finden sich lesenswerte<br />
Artikel wie jener der Kölner Psycholog(inn)en<br />
Margrit Schreier, Norbert Groeben,<br />
Jutta Rothmund und Irmgard Nickel-Bacon<br />
zur gar nicht so eindeutigen Rezeption realer<br />
und fiktionaler <strong>Medien</strong>angebote oder, am Beispiel<br />
von Computerspielen, vom Bielefelder<br />
Pädagogen Johannes Fromme zur Kontrolle<br />
der <strong>Medien</strong>nutzung Heranwachsender durch<br />
die Erwachsenen, um nur zwei Beispiele zu<br />
nennen. Diese Beiträge sind anregend und<br />
nutzbringend zu lesen.<br />
Es finden sich allerdings auch Texte wie die<br />
– will man sie wissenschaftlich bewerten – billige<br />
Polemik der Paderborner <strong>Medien</strong>wissenschaftlerin<br />
Gudrun Schäfer gegen einen Teil der<br />
deutschen Journalismusforschung, wie der Beitrag<br />
des (damaligen) Bielefelder Pädagogen<br />
Ralf Vollbrecht zur Realitätskonstruktion der<br />
<strong>Medien</strong>, der zu einem chronologisch abgespulten,<br />
unkritischen Referat über Luhmanns<br />
„Realität der <strong>Medien</strong>“ gerät und abrupt endet,<br />
das aufgesetzte Reden des Tübinger <strong>Medien</strong>informatikers<br />
Frank Bechter über „Internet:<br />
Zen oder Zauberlehrling“, oder Pierangelo Masets,<br />
beschäftigt mit Ästhetischer Erziehung an<br />
der Universität Lüneburg, nicht wirklich systemtheoretische<br />
Abhandlung über angebliche<br />
Komplexitätsreduktion durch virtuelle Welten.<br />
Diese Beiträge wirken uninspiriert und bieten<br />
keinen wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn.<br />
Beide Textsorten haben allerdings eine Gemeinsamkeit,<br />
und die gilt auch für den Beitrag<br />
des einzigen Kommunikationswissenschaftlers<br />
Christoph Kuhlmann aus Ilmenau, der, wie<br />
schon in Schweers 2000 erschienenem Sammelband<br />
„Politische VERTRAUENSKRISE in<br />
Deutschland?“ (Hvhg. im Orig.), aus seiner<br />
Studie zur medialen Vermittlung politischer<br />
Begründungen berichtet: Die Artikel haben so<br />
gut wie nichts mit dem eigentlichen Thema des<br />
Sammelbandes zu tun. Da sie sich in einem weiten<br />
Begriffsverständnis mit <strong>Medien</strong> beschäftigen,<br />
thematisieren sie natürlich auch irgendwie<br />
deren Einfluss, und auch ein wohlweislich<br />
nie definierter Begriff wie Vertrauen lässt sich<br />
(dann) immer irgendwo unterbringen. Sofern<br />
überhaupt von Vertrauen die Rede ist, wirkt<br />
279
M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />
der Zusammenhang merkwürdig bemüht, so<br />
als sei der Begriff dem jeweiligen Thema nachträglich<br />
aufgepfropft worden.<br />
Nur ein Beitrag widmet sich explizit dem<br />
Vertrauen in <strong>Medien</strong>: die vom Herausgeber<br />
durchgeführte Befragung <strong>zum</strong> Vertrauen in das<br />
Fernsehen. Diese Studie erhebt zunächst die<br />
unterschiedlichen Nutzungsmotive für Nachrichten-<br />
und Unterhaltungssendungen im<br />
Fernsehen, schert danach beide Typen von Sendungen<br />
mit der Frage nach „der“ Vertrauenswürdigkeit<br />
„des“ Fernsehens aber wieder über<br />
einen Kamm, erfragt im Anschluss Merkmale<br />
einer (welcher?) vertrauenswürdigen Sendung<br />
und bezieht dann diesen Begriff von Vertrauenswürdigkeit<br />
wiederum auf Nachrichten- und<br />
Unterhaltungssendungen zugleich. Da die Befragten<br />
sich bei der Frage nach „der“ vertrauenswürdigen<br />
Sendung erkennbar nur auf<br />
Nachrichtensendungen beziehen, kommen bei<br />
der abschließenden Vergleichsfrage die Unterhaltungssendungen<br />
schlecht weg. Schweer<br />
weist zwar selbst zu Anfang darauf hin, dass<br />
Vertrauenswürdigkeit eine Funktion der Einlösung<br />
von Erwartungen sei (wenngleich Vertrauen<br />
auch hier nicht definiert wird), setzt aber<br />
dieses wichtige Postulat in seiner Studie nicht<br />
um. Die „Vertrauenswürdigkeit“ von Unterhaltungssendungen<br />
könnte, so meine Vermutung,<br />
vielleicht eher in deren Unterhaltungsfunktion<br />
gesehen werden, jedenfalls nicht in<br />
der Erfüllung von Realitätsnähe oder Aktualität.<br />
Das Fazit aber sollte die Kommunikationsund<br />
<strong>Medien</strong>wissenschaft aufhorchen lassen,<br />
wird doch, so Schweer, durch die jeweils unterschiedliche<br />
Nutzung und Rezeption von „Tagesschau“<br />
(Orientierung) und „Gute Zeiten,<br />
schlechte Zeiten“ (Unterhaltung) der „Usesand-Gratifications-Ansatz“<br />
bestätigt: „Obwohl<br />
den Nachrichten kein besonders hoher<br />
Unterhaltungswert bescheinigt wird, werden<br />
sie häufig gesehen, wohl wegen ihres hohen Informationswertes.“<br />
(S. 31) Zudem bedeute starke<br />
Nutzung nicht auch hohes Vertrauen, da ja<br />
nur Nachrichtensendungen vertraut würde,<br />
nicht aber Unterhaltungssendungen. Darauf<br />
muss man erst einmal kommen.<br />
Meine Kritik an diesem Sammelband konzentriert<br />
sich in einer Frage, die so manchem<br />
Leser und so mancher Leserin schon einmal<br />
spontan in den Sinn gekommen sein mag: Muss<br />
eigentlich jede Tagung als Sammelband publiziert<br />
werden? Und: Sind wissenschaftliche Verlage<br />
eigentlich noch vertrauenswürdige Selektionsinstanzen?<br />
Diese Frage stellte sich mir,<br />
als ich auf der Rückseite dieses hübsch eingebundenen<br />
Bandes las, was der Verlag Leske +<br />
Budrich dem Käufer so alles verspricht: Das<br />
Buch „bietet einen fundierten Überblick über<br />
den aktuellen Stand der interdisziplinären <strong>Medien</strong>forschung“,<br />
im „Mittelpunkt stehen jeweils<br />
Fragen des Vertrauens als zentraler Einflussvariable<br />
auf die <strong>Medien</strong>nutzung und -rezeption“<br />
und auf Grund dessen „stellt der Band<br />
nicht zuletzt ein Grundlagenwerk für Studierende<br />
dar, die sich mit Fragen der <strong>Medien</strong>forschung<br />
beschäftigen wollen“. Das ist mit Verlaub<br />
nicht mehr nur legitime Lobrede, sondern<br />
grenzt an (von Verlagsseite wahrscheinlich<br />
nicht zwingend gewollte, aber billigend in Kauf<br />
genommene) Irreführung. – Wie war das? Vertrauen<br />
hängt davon ab, dass Erwartungen auch<br />
tatsächlich erfüllt werden. Ist dies auf Dauer<br />
nicht der Fall, verkaufen sich auch Bücher zunehmend<br />
schlechter.<br />
Matthias Kohring<br />
Literatur:<br />
Wirth, Werner (1999): Methodologische und<br />
konzeptionelle Aspekte der Glaubwürdigkeitsforschung.<br />
In: Rössler, Patrick/<br />
Wirth, Werner (Hrsg.): Glaubwürdigkeit<br />
im Internet. Fragestellungen, Modelle, empirische<br />
Befunde. München: Verlag Reinhard<br />
Fischer, S. 47 – 66.<br />
Christian Grüninger / Frank Lindemann<br />
Vorschulkinder und <strong>Medien</strong><br />
Eine Untersuchung <strong>zum</strong> <strong>Medien</strong>konsum von<br />
drei- bis sechsjährigen Kindern unter besonderer<br />
Berücksichtigung des Fernsehens<br />
Opladen: Leske + Budrich, 2000. – 198 S.<br />
(GMK-Schriftenreihe;12)<br />
ISBN 3-81000-2621-2<br />
Wie kleine Kinder im Alter von drei bis sechs<br />
Jahren die <strong>Medien</strong> nutzen und welche sie präferieren,<br />
dies erhoben die beiden Autoren für ihre<br />
Dissertation an der Universität Bielefeld 1996<br />
bei 1028 Kindern in Bielefeld und Gütersloh.<br />
Getreu den Vorschlägen ihres Mentors, des<br />
verstorbenen Pädagogen Dieter Baacke, berücksichtigen<br />
sie dabei auch sozialökologische<br />
Faktoren bei den zu untersuchenden Familien,<br />
280
Besprechungen<br />
wie ihren sozialen Status bzw. ihr Milieu, die<br />
Wohn- und Betreuungssituation der Kinder,<br />
die sonstigen Freizeitaktivitäten der Familie<br />
und die Geräteausstattung, so dass ein recht enges,<br />
vielfältiges Geflecht von Beeinflussungen<br />
sichtbar wird. Allerdings fehlen gewissermaßen<br />
die erzieherischen und normativen Perspektiven,<br />
die bei Eltern gerade von Kindern diesen<br />
Alters wichtig sind. Denn wenn Eltern überhaupt<br />
noch den <strong>Medien</strong>konsum ihrer Kinder<br />
erzieherisch begleiten oder gar kontrollieren,<br />
dann tun sie es nachweislich bei ihren kleinen<br />
Kindern am nachdrücklichsten und konsequentesten.<br />
Von den <strong>Medien</strong> in Betracht kommen Bilderbücher,<br />
Hörspiel- und Musikkassetten, Radio,<br />
Videofilme, Video- und Computerspiele<br />
sowie besonders das Fernsehen, für dessen<br />
Nutzung und Programmvorlieben besagte<br />
Korrelationen ermittelt werden. Erhoben wurden<br />
die Daten bei den Eltern von Kindern, die<br />
über Kindergärten erreicht wurden, also vermutlich<br />
vornehmlich bei den Müttern, und<br />
zwar mittels eines schriftlichen, anonymisierten<br />
Fragebogens (der entgegen der Ankündigung<br />
in der Publikation nicht enthalten ist),<br />
und bei zwanzig Familien mittels eines Tagebuchs<br />
für zwei Wochen. Mit ihm sind einige<br />
qualitative Fallstudien über den Tagesablauf<br />
von Kindern und ihrer Familien erstellt worden<br />
und in dem Buch verstreut. Dass sich bei den<br />
quantitativen Angaben Ungenauigkeiten oder<br />
absichtliche Verzerrungen ergeben können, ist<br />
den beiden Autoren bewusst, aber sie kontrollieren<br />
sie nicht methodisch. Beispielweise liegen<br />
– fast erwartungsgemäß - die Quoten der<br />
durchschnittlichen Fernsehnutzung der Kinder<br />
pro Tag zehn Minuten unter denen der GfK-<br />
Messung (S. 107), die bekanntlich ab 1995 ein<br />
neues Panel für die Drei- bis Fünfjährigen einrichtete<br />
und seither diese Altersgruppe in die so<br />
genannte Fernsehstandardforschung einbezieht.<br />
Unter den 1028 Kindern waren auch 106<br />
nicht-deutscher Nationalität, darunter 71 Kinder<br />
in türkischen Haushalten. Diese Bevölkerungsgruppe<br />
ist bislang von der <strong>Medien</strong>forschung<br />
kaum beachtet worden und verdient daher<br />
besondere Beachtung. Allerdings scheinen<br />
auch für diese Studie – trotz einer löblichen türkischen<br />
Übersetzung des Fragebogens – nicht<br />
alle Auskunftsbarrieren überwindbar gewesen<br />
zu sein, denn die Ausführungen bleiben recht<br />
abstrakt und deskriptiv, eben entlang der erhobenen<br />
quantitativen Daten. Wenn die Autoren<br />
resümieren, „bei den türkischen Familien [sei]<br />
ein kulturell anders geprägter, weniger restriktiver<br />
und mehr alltagsintegrativer Umgang mit<br />
dem Fernsehen festzustellen“ (S. 188), dann<br />
stützt sich diese Aussage allenfalls auf Daten<br />
zur (längeren) Dauer und (größeren) Häufigkeit<br />
der Fernsehnutzung der türkischen Kinder<br />
– wobei die schichtspezifischen Proportionen<br />
der türkischen zu den deutschen Familien noch<br />
ins Gewicht fallen –, nicht aber auf zusätzliche<br />
und eigentlich erforderliche qualitative, kulturspezifische<br />
Angaben.<br />
Für die deutschen Kinder bestätigt diese Studie,<br />
deren Daten nunmehr fast fünf Jahre<br />
zurückliegen, die bereits bekannten: Insofern<br />
ist die Studie entgegen des vollmundigen<br />
Selbstlobs eingangs weder von ihrer Zielsetzung<br />
und Methodik noch in ihren Befunden ein<br />
„Novum“ (S. 10), sondern eine korrekte und<br />
nachvollziehbare, neuerliche empirische Bestätigung<br />
und Differenzierung weitgehend bekannter<br />
Daten und Zusammenhänge – <strong>zum</strong>al<br />
die Autoren oftmals auf andere einschlägige<br />
Studien verweisen und deren Daten mit den<br />
ihren vergleichen.<br />
Immerhin könnten die GfK-Messungen aus<br />
den vorliegenden Erhebungen die eine oder andere<br />
Erweiterung ihres Datenarsenals aufgreifen<br />
und ihre nunmehr periodisch erhobenen<br />
Nutzungsprofile damit anreichern: Schon bei<br />
den kleinen Kinder ist <strong>Medien</strong>nutzung ein vielschichtiges<br />
Geflecht von Tätigkeiten und Vorlieben,<br />
noch mit dem Fernsehen als Leitmedium.<br />
Ihre Familien und die sie strukturierenden<br />
soziodemografischen und situativen Faktoren,<br />
die so genannten Milieudifferenzen bis hin zu<br />
den Raumoptionen und Spielmöglichkeiten beeinflussen<br />
die <strong>Medien</strong>nutzung der Kindern<br />
nachweislich, außerdem sind Geschlecht und<br />
Alter der Kinder von Belang. Noch immer bevorzugen<br />
Mädchen die weniger technischen,<br />
aber fantasiebetonten <strong>Medien</strong> im Vergleich zu<br />
den Jungen. Ebenso sind die sonstigen Freizeitaktivitäten<br />
der Familien von Bedeutung und<br />
schlagen bei Kindern diesen Alters noch immer<br />
jegliche <strong>Medien</strong>attraktionen. Insofern prägen<br />
ungünstige Sozialisationsbedingungen schon<br />
Quantum und Qualität der <strong>Medien</strong>nutzung.<br />
Ob sie bereits einen „Trend zur medialen Zweiklassengesellschaft“<br />
markieren, wie die Autoren<br />
vermuten (S. 192), sei dahingestellt.<br />
Hans-Dieter Kübler<br />
281
M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />
Jürgen Wilke<br />
Grundzüge der <strong>Medien</strong>- und Kommunikationsgeschichte<br />
Von den Anfängen bis ins 20. Jahrhundert<br />
Köln/Weimar/Wien: Böhlau, 2000. – 436 S.<br />
ISBN 3-412-07300-8<br />
Das neue, nicht nur wegen seines Volumens beeindruckende<br />
Werk von Jürgen Wilke verfolgt<br />
die Geschichte der publizistischen Massenmedien<br />
in Deutschland und dem deutschsprachigen<br />
Kulturraum Europas von ihren Anfängen<br />
bis ins 20. Jahrhundert (Weimarer Republik).<br />
Wenn man bedenkt, dass der Mainzer <strong>Medien</strong>historiker,<br />
dessen Namen schon seit Jahren<br />
auch in der internationalen Scientific Community<br />
ein Begriff ist, auch eine <strong>Medien</strong>geschichte<br />
der Bundesrepublik (Köln/Weimar/Wien<br />
1999), ein Werk über Pressepolitik und Propaganda<br />
vom Vormärz bis <strong>zum</strong> Kalten Krieg<br />
(Köln/Weimar/Wien 1997) und zahlreiche andere<br />
größere und kleinere Abhandlungen über<br />
die deutsche <strong>Medien</strong>geschichte verfasst hat,<br />
kann man behaupten, dass mit seiner neuesten<br />
Arbeit nun von ihm als Gesamtwerk eine geschlossene<br />
mediengeschichtliche Auseinandersetzung<br />
mit der <strong>Medien</strong>- und Kommunikationsgeschichte<br />
Deutschlands von ihren Anfängen<br />
bis in die heutige Zeit vorliegt.<br />
Doch auch die „Grundzüge“ bleiben der<br />
Methodologie einer nationalen Betrachtung im<br />
internationalen Kontext treu, vor allem im Vergleich<br />
zu den Entwicklungen in Frankreich,<br />
England und später den USA, denn – wie der<br />
Autor in dem Einführungskapitel sicherlich auf<br />
Grund seiner langjährigen Erfahrungen als<br />
Wissenschaftler selbst bekennt – in der <strong>Medien</strong>historiographie<br />
lässt sich noch weniger als<br />
bei anderen „Geschichten“ eine isolierte, nationale<br />
Perspektive wählen oder durchhalten.<br />
Eine profunde, detaillierte Untersuchung,<br />
wie die hier vorliegende, lässt sich aber von einem<br />
einzelnen Autor nur dann vollbringen,<br />
wenn man sich nicht nur auf bestimmte nationale<br />
Entwicklungen konzentriert, sondern<br />
auch den <strong>Medien</strong>-Begriff möglichst präzise definiert<br />
und eingrenzt.<br />
J. Wilkes Werk betrachtet die Genese der<br />
publizistischen Massenmedien in Deutschland,<br />
wobei ganz besonders die Druck-<strong>Medien</strong> im<br />
Fokus seines Interesses stehen. Traditionsgemäß<br />
setzt er den Anfang der Geschichte der<br />
Massenkommunikation mit der Erfindung und<br />
Einführung des Buchdrucks mit beweglichen<br />
Lettern Mitte des 15. Jahrhunderts, beschreibt<br />
aber zuvor in einem kurzen Abriss die Vorgeschichte<br />
der Massenkommunikation bis zu der<br />
Erfindung Gutenbergs. Der über Jahrzehnte<br />
und Jahrhunderte sich vollziehende kontinuierliche<br />
Werdegang der deutschsprachigen<br />
Presse ist in allen wichtigen Einzelheiten analysiert:<br />
von der geschriebenen Zeitung, den Einblattdrucken,<br />
Flugblättern und -schriften, den<br />
Messrelationen („ungebundenen Druckschriften<br />
in <strong>Heft</strong>form und Quartformat“), über die<br />
Serien- und Monatszeitungen, die so genannten<br />
Intelligenzblätter (Anzeigenblätter und Journale)<br />
bis zu den ersten eigentlichen Zeitschriften<br />
und Zeitungen und ihren Diversifizierungen im<br />
19. und Anfang des 20. Jahrhunderts. Parallel<br />
zur Entwicklung des Medialen selbst wird der<br />
davon verursachte oder <strong>zum</strong>indest damit verbundene<br />
gesellschaftliche Wandel untersucht,<br />
die Veränderungen und Neuformierungen der<br />
Rezeptionsgewohnheiten, die Metamorphosen<br />
der Zensur, der staatlichen und kirchlichen Aufsicht<br />
und der entsprechenden Pressepolitik und<br />
Rechtverhältnisse. Es werden also jeweils medienkulturelle<br />
Gesamtbilder der verschiedenen<br />
Zeiten entworfen und in ein chronologisch angelegtes<br />
Mosaik der medienhistorischen Genese<br />
für den deutschsprachigen Raum (z. B. mit all<br />
den Unterschieden zwischen Preußen und<br />
Österreich) zusammengestellt.<br />
Mit dem Beginn der „Plurimedialität“, den<br />
der Autor im frühen 20. Jahrhundert ansetzt,<br />
wird auch der Blickwinkel der Untersuchung<br />
auf die optischen und auditiven <strong>Medien</strong> (Film,<br />
Hörfunk u. a.) und deren Programmangebote<br />
und Rezeptionsweisen ausgeweitet, wobei für<br />
jedes der <strong>Medien</strong> technisch vermittelter Kommunikation<br />
in diesem Kapitel dann auch seine<br />
Vorgeschichte in die Darstellung miteinbezogen<br />
wird. Diese Herangehensweise ist natürlich<br />
diskutabel, aber sicherlich medientheoretisch<br />
vertretbar, im Hinblick auf die reale und nicht<br />
(vor-)apparative Präsenz dieser <strong>Medien</strong> im gesellschaftlichen<br />
Kommunikationsprozess. Eine<br />
der Ursachen für die Wahl dieser Methodologie<br />
ist sicherlich der übersichtliche, prägnante<br />
Darstellungsmodus, der angestrebt und auch<br />
erfolgreich durchgeführt wird. Er macht das<br />
Buch auch als Lehrbuch und ein für das breitere<br />
Publikum angelegtes Nachschlagewerk verwertbar,<br />
<strong>zum</strong>al es in einer klaren, zugänglichen<br />
und zugleich professionellen Sprache geschrieben<br />
ist. Ob man an das Ende einer so breit und<br />
282
Besprechungen<br />
tief angelegten medienhistoriographischen Betrachtung<br />
des deutschen Sprach- und Kulturraumes<br />
statt der Zeit der Weimarer Republik<br />
nicht doch die des Dritten Reiches mit seiner<br />
bemerkenswerten medientechnologischen,<br />
wenn auch umstrittenen medienpolitischen<br />
Entwicklung, die End- und zugleich paradoxer<br />
Wendepunkt vieler Modernisierungsprozesse<br />
auch im Medialen war, hätte setzen sollen, ließe<br />
sich sicherlich diskutieren. Der Autor hat jedoch<br />
sowohl die Zeiten der Nazi-Diktatur als<br />
auch die der Bundesrepublik Deutschland medienhistorisch<br />
in anderen Werke erfasst und es<br />
ist sicherlich sein gutes Recht, entsprechende<br />
Periodisierungen vorzunehmen.<br />
Es sei hervorgehoben, dass ähnliche wertvolle<br />
medienhistorische Gesamtdarstellungen über<br />
die verschiedenen Zeiten und Epochen hinweg<br />
nur für wenige europäische Länder vorliegen,<br />
aber unbedingt notwendig sind. Denn, wie der<br />
Autor selbst im Nachwort schreibt: „Wenn heute<br />
vom Wandel zur Informationsgesellschaft die<br />
Rede ist, dann mag der Blick zurück zeigen, wie<br />
weit der Weg bis dahin gewesen ist und welche<br />
Beschleunigung dabei stattgefunden hat“.<br />
Da die heutige gesellschaftliche Entwicklung<br />
nicht nur unter dem Vorzeichen der Informationsgesellschaft,<br />
sondern auch dem der Globalisierung<br />
und des erweiterten europäischen<br />
Einigungsprozesses verläuft, könnten solche<br />
umfassenden Darstellungen der <strong>Medien</strong>entwicklung<br />
in einem Land oder in einem sprachkulturellen<br />
Raum auch eine gute Grundlage<br />
bilden für eine in Zusammenarbeit von <strong>Medien</strong>historikern<br />
aus allen Teilen des alten Kontinents<br />
erstellte <strong>Medien</strong>- und Kommunikationsgeschichte<br />
Europas.<br />
Rossen Milev<br />
Christina Holtz-Bacha<br />
Wahlwerbung als politische Kultur<br />
Parteienspots im Fernsehen 1957 – 1998<br />
Wiesbaden: Westdeutscher Verlag,<br />
2000. – 270 S.<br />
ISBN 3-531-13551-1<br />
Eine gewisse Wahlmüdigkeit kann nicht nur<br />
der deutschen Wählerschaft, sondern auch den<br />
deutschen Wahlforschern attestiert werden.<br />
Nach Schweigespirale, Agenda-Setting, Personalisierung,<br />
Amerikanisierung und Theatralisierung<br />
fehlt gegenwärtig ein zündendes Konzept,<br />
mit dem die Forschenden zu neuen Kontroversen<br />
gereizt werden könnten. Der tendenzielle<br />
Stillstand auf der Theorieebene lenkt die<br />
Aufmerksamkeit auf konkrete wahlkämpferische<br />
Forschungsobjekte wie etwa den Parteienspot<br />
im Fernsehen, der bislang von den arrivierten<br />
deutschen Politik- und Kommunikationswissenschaftlern<br />
weitgehend ignoriert wurde.<br />
Die Autorin, Professorin für Publizistik an<br />
der Universität Mainz, langjährige Sprecherin<br />
der DGPuK-Fachgruppe Politik und Kommunikation<br />
sowie Mitherausgeberin der Fachzeitschrift<br />
„Publizistik“, legt mit ihrer Monografie<br />
eine Langzeitstudie der Wahlwerbespots in<br />
zwölf Bundestagswahlkämpfen seit 1957 vor.<br />
Das Buch ist in fünf Kapitel gegliedert und<br />
mit zahlreichen Tabellen und Schaubildern, jedoch<br />
keinem Register versehen. Im ersten Kapitel<br />
wird Wahlwerbung als eine „Kommunikationsform<br />
mit Doppelfunktion“ definiert,<br />
die kurzfristig ein persuasives Kommunikationsziel<br />
verfolgt und langfristig Teil von politisch-kulturellen<br />
Deutungsmustern wird. Im<br />
zweiten Kapitel folgt ein Exkurs <strong>zum</strong> „Vorbild<br />
USA“. Hier wird die amerikanische Forschungsgeschichte<br />
sowie der Forschungsstand<br />
<strong>zum</strong> Wahlspot unter besonderer Berücksichtigung<br />
der wichtigen Arbeiten von Kathleen Hall<br />
Jamieson, Edwin Diamond/Stephen Bates sowie<br />
Lynda Lee Kaid rezipiert, jedoch ohne die<br />
deutschsprachige Rezeption amerikanischer<br />
Wahlkampfkommunikation zu berücksichtigen.<br />
Kapitel drei fasst die Vorgeschichte sowie<br />
den Forschungsstand der Wahlwerbung und<br />
ihrer Rezeption in der Bundesrepublik zusammen,<br />
während Kapitel vier eine „Chronik der<br />
Bundestagswahlkämpfe“ bietet, wobei Christina<br />
Holtz-Bacha die vierzig untersuchten Jahre<br />
in fünf Perioden unterteilt: Wahlkämpfe im<br />
Nachkriegsdeutschland, Die Phase der Konsolidierung,<br />
Aufbruch und Polarisierung, Hoffnung<br />
und Zuversicht sowie Wahlen im vereinten<br />
Deutschland. In den jeweiligen Unterkapiteln<br />
sind die einzelnen Wahlkämpfe auf wenigen<br />
Seiten zusammengefasst, so dass sich dieses<br />
Kapitel als handliches Nachschlagewerk zu<br />
Themen, Kommunikation und Kontext der<br />
Bundestagswahlkämpfe eignet.<br />
Der empirische Kern der Langzeitstudie<br />
wird abschließend in Kapitel fünf präsentiert:<br />
„Wahlspots im deutschen Fernsehen 1957 –<br />
1998“. Dabei unterscheidet sich das gewählte<br />
Forschungsdesign von vergleichbaren USamerikanischen<br />
Untersuchungen. Deutsche<br />
283
M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />
Vergleichsstudien lagen bislang nicht vor. Die<br />
Autorin und ihr Forschungsteam konzentrierten<br />
sich nicht auf die gesamten Spots als Untersuchungskategorie,<br />
sondern auf die einzelnen<br />
Sequenzen. Die Analyseeinheit ist dabei kleiner<br />
und bezieht sich auf eine Sequenz/Szene, die<br />
besteht „aus einer oder mehreren Einstellungen,<br />
die durch Schnitt oder Überblendungen<br />
voneinander getrennt sind“ (S. 151). Konsequent<br />
findet sich im Anhang eine Übersicht<br />
über sämtliche Sequenzen aller Parteien seit<br />
1957. Die SPD ist mit 631 Sequenzen deutlicher<br />
Spitzenreiter vor der CDU mit 483 Sequenzen,<br />
jedoch nur, da die CSU mit 156 Sequenzen extra<br />
gezählt wurde. Die FDP rangiert mit 182<br />
Sequenzen auf Platz drei. Die Spots von Bündnis<br />
90/Die Grünen summieren sich immerhin<br />
auf 78 Sequenzen. Die NPD ist mit 40 Sequenzen<br />
unter den außerparlamentarischen Parteien<br />
diejenige mit der höchsten Sequenzzahl. Dieses<br />
Bild spiegelt sich auch bei der Verteilung der<br />
Spots auf die Parteien wider (S. 155): Von insgesamt<br />
417 untersuchten Spots entfielen über<br />
den gesamten Untersuchungszeitraum auf die<br />
SPD 104, auf die CDU 101 und auf die CSU 32.<br />
Die FDP beteiligte sich zwischen 1957 und<br />
1998 mit insgesamt 39 Spots, Bündnis 90/Die<br />
Grünen mit 20 Spots an der TV-Wahlwerbung.<br />
Die Datenfülle beeindruckt, <strong>zum</strong>al ihr eine<br />
mühselige und akribische Quellenrecherche<br />
vorausgegangen sein muss. Denn TV-Spots<br />
gehören zu den ephemeren Kommunikationsmitteln,<br />
die nur unzureichend archiviert werden.<br />
Hierin liegt das größte Verdienst der Studie:<br />
einen ersten empirisch-chronologischen<br />
Überblick über Wahlspots im deutschen Fernsehen<br />
zu liefern.<br />
Zudem macht die Autorin auf einige interessante<br />
nicht veröffentlichte Studien aufmerksam,<br />
wie beispielsweise Rüdiger Schmitt-Becks<br />
Untersuchung der „Wirkungen der Parteienwerbung<br />
im Fernsehen“, die im Rahmen einer<br />
Anhörung des Landtages Brandenburg Anfang<br />
1999 erstellt wurde. Schmitt-Beck kommt mit<br />
Hinblick auf die Wirkung von Wahlspots<br />
rechtsradikaler Parteien zu dem vorläufigen<br />
Ergebnis, dass die Wirkung im Sinn von Wahlerfolg<br />
weniger auf die Spots selbst, als auf die<br />
durch Wahlspots ausgelösten Debatten und<br />
mittelbar auf die dadurch erzeugte Aufmerksamkeit<br />
der Nachrichtenmedien zurückzuführen<br />
ist: „Auf diese Weise gewinnen solche<br />
Parteien öffentliche Sichtbarkeit als wahlpolitische<br />
Alternativangebote für Wählerpotentiale,<br />
die schon vorher mit den von ihnen propagierten<br />
Auffassungen übereinstimmen“ (Schmitt-<br />
Beck 1999: 3).<br />
Holtz-Bacha betont die Bedeutung der visuellen<br />
Ebene der Fernsehspots und weist auf einen<br />
„Trend <strong>zum</strong> Spot ohne gesprochenen<br />
Text“ (S. 235) hin, der allein auf die Wirkungskraft<br />
der Bilder setze. Dabei hätte sich gezeigt,<br />
„wie sehr sich politische Werbung und Wirtschaftswerbung<br />
gleichen“ (S. 236). In Kapitel<br />
5.6 der Langzeitstudie werden „Die Bilder der<br />
Spots“ gesondert untersucht. Zur Bildanalyse<br />
verwendet die Autorin jedoch keine spezifisch<br />
für die visuelle Analyse geeignete Methode,<br />
sondern konzentriert sich auf einen aus der<br />
Textinhaltsanalyse bekannten Ansatz des Vergleichs<br />
von Text- und Bildaussage einerseits sowie<br />
der Stereotypenanalyse andererseits. Die<br />
spezifische Eigenart visueller Kommunikation,<br />
die in einer ihr zugrundeliegenden assoziativen<br />
Logik besteht, im Unterschied zu textueller<br />
Kommunikation, die sich durch argumentative<br />
Strukturen auszeichnet, wird dadurch verkannt.<br />
Das Forschungsergebnis der Angleichung<br />
von politischer und kommerzieller Werbung<br />
könnte so auch als self-fulfilling prophecy<br />
gedeutet werden, die vor allem der gewählten<br />
Methode geschuldet ist. Denn eine eigene Motiv-<br />
und Bedeutungsanalyse der Bildsequenzen<br />
wird nicht vorgenommen. Vielmehr wurden<br />
die Bildeinstellungen nach bestimmten Werbestereotypen<br />
im Sinne von „Junge Leute-Typen“,<br />
„Sonntagstypen“, „Erfolgstypen“ und<br />
nach der Sichtbarkeit von Staatssymbolen wie<br />
etwa Parlamentsgebäuden oder Nationalflaggen<br />
kodiert. Die Gesamtaussage des Spots, der<br />
narrative Faden zwischen den Einstellungen<br />
und damit die eigentlichen Bedeutungsebenen<br />
können so nicht ermittelt werden.<br />
Das im ersten Kapitel überzeugend beschriebene<br />
Forschungsziel, Wahlwerbung in einen<br />
erweiterten politikwissenschaftlichen Begriff<br />
der politischen Kultur als Deutungskultur einzubetten,<br />
wurde nur bedingt erreicht, da die gewählte<br />
Untersuchungsmethode die Bedeutungsebene<br />
und damit die Ebene der mentalen<br />
Vorstellungen nicht erschlossen hat. Dennoch<br />
ist die empirische Langzeitstudie einzigartig in<br />
der kommunikations- und politikwissenschaftlichen<br />
Forschungslandschaft und gehört in jede<br />
Fachbibliothek.<br />
Marion G. Müller<br />
284
Besprechungen<br />
Hans-Jürgen Bucher / Ulrich Püschel (Hg.)<br />
Die Zeitung zwischen Print und Digitalisierung<br />
Wiesbaden: Westdeutscher-Verlag, 2001. -<br />
259 S.<br />
ISBN 3-531-13474-4<br />
Der Band über die Gestaltung gedruckter und<br />
elektronischer Zeitungen bietet ein reizvolles<br />
Aufeinandertreffen von Praktikern und Wissenschaftlern.<br />
Er geht auf eine Tagung zurück,<br />
die im November 1998 an der Universität Trier<br />
stattgefunden hat. Gemeinsam ist den Beiträgen<br />
der zehn Autorinnen und Autoren die<br />
Suche nach Begründungen für Designempfehlungen.<br />
Den Auftakt des Bandes bildet ein anregender<br />
Beitrag von Claudia Blum und Joachim<br />
Blum über den Wandel der Zeitungsgestaltung<br />
in Deutschland. Der Journalismus sei lange Zeit<br />
ein durch Gewohnheit geprägter Beruf gewesen:<br />
„Redaktionelle Standards orientierten sich<br />
an tradierten Auffassungen der Redakteure, die<br />
ihre Weisheiten an die Volontäre des Hauses<br />
weitergaben.“ (19) Der Reformimpuls für die<br />
„in drei Jahrzehnten geradezu erstarrte[n] Zeitungspraxis“<br />
sei in den achtziger Jahren „die<br />
Entdeckung des Lesers“ (25) und eine Hinwendung<br />
zur Leserforschung gewesen. Zwar habe<br />
es inzwischen Redesigns und Relaunches von<br />
Zeitungen in breiter Front gegeben, doch habe<br />
man weder die Möglichkeiten des „Textdesigns“<br />
ausgeschöpft, noch seien die empfohlenen<br />
Veränderungen genügend fundiert: „Was<br />
noch immer aussteht, ist die Verwissenschaftlichung<br />
des Journalismus in dem Sinne, als solche<br />
Tendenzen objektiviert werden müssen. Eine<br />
Verwissenschaftlichung, die das handwerkliche<br />
Repertoire beschreibt, erklärt und lehrt.“ (34)<br />
Ebenfalls das Bild einer unreflektierten Praxis<br />
zeichnet Ulrich Püschel: Er stellt die These<br />
auf (die er allerdings nur auf einer schmalen empirischen<br />
Basis prüft), dass in der Vergangenheit<br />
Innovationen journalistischer Textformen<br />
nicht am Leserbedürfnis orientiert waren, sondern<br />
durch sonstige Rahmenbedingungen und<br />
durch eine „unsichtbare Hand“ herbeigeführt<br />
worden sind.<br />
Was aber kann die wissenschaftliche Analyse<br />
leisten? Unübersehbar besteht auch in der<br />
Forschung eine Kluft zwischen den Angeboten<br />
und deren Nutzung, die Hinweise für deren Optimierung<br />
liefern soll. Linguistische Textanalysen<br />
versuchen sie zu überwinden, indem sie von<br />
einem – empirisch nicht präsenten – „Normalleser“<br />
ausgehen. Ulrich Schmitz kritisiert „optische<br />
Labyrinthe im digitalen Journalismus“,<br />
die dem Nutzer die Kohärenzbildung erschweren:<br />
Bild und Text seien zu wenig aufeinander<br />
bezogen, der Informationsgehalt von Bildern<br />
beschränke sich auf die Zeigefunktion, meist seien<br />
sie nur „plakativer Einstiegspunkt“ (222). In<br />
seiner exemplarischen Analyse von Text-Bild-<br />
Beziehungen gibt Schmitz einige Fingerzeige<br />
für die Praxis.<br />
Eine direkte Verbindung zwischen Angebots-<br />
und Nutzerseite stellt Hans-Jürgen Bucher<br />
experimentell her: Er hat das Navigationsverhalten<br />
von Online-Nutzern digital, visuell<br />
und auditiv aufgezeichnet und ausgewertet. Seiner<br />
Studie liegt ein elaboriertes handlungstheoretisches<br />
Konzept zugrunde, das Online-Angebote,<br />
Nutzer und Aneignungshandlungen<br />
integriert (und das empirisch erst <strong>zum</strong> Teil eingelöst<br />
ist). Die Rezeption nonlinearer Kommunikationsangebote<br />
begreift Bucher als „Sequenz<br />
von Aneignungshandlungen“ (143), die<br />
durch Fortsetzungserwartungen und Kohärenzurteile<br />
untereinander und mit den Angeboten<br />
verknüpft sind. Die Angebotsstruktur<br />
stellt potenzielle Nutzungspfade für antizipierte<br />
User-Erwartungen bereit, wobei die Navigationselemente<br />
adäquate Fortsetzungserwartungen<br />
ermöglichen sollen. Bucher zieht das Fazit:<br />
„Die Entwicklungsdynamik der digitalen Kommunikationsmöglichkeiten<br />
ist so hoch, dass sich<br />
Standardisierungen in der Verwendung der Gestaltungsmittel<br />
nur sehr schwer einstellen. Ihre<br />
Usability ist deshalb dadurch zu sichern, dass<br />
den Nutzern realistische Chancen für eine inferenzielle<br />
(,abduktive‘) Erschließung eröffnet<br />
werden, wobei sie die Kompetenzen aus andern<br />
<strong>Medien</strong>gattungen einsetzen.“ (165)<br />
Einige weitere Beiträge runden den Band ab.<br />
So fasst Angelika Storrer Möglichkeiten und<br />
Regeln für die Gestaltung von Online-Zeitungen<br />
aus Lehr- und Handbüchern zusammen.<br />
Auf die spezifischen Rahmenbedingungen der<br />
Online-Angebote französischer Tageszeitungen<br />
macht Ernst Ulrich Grosse aufmerksam.<br />
Allerdings vermisst man in dem Band eine ausführliche<br />
Darstellung der „Usability“-Forschung<br />
zur Nutzerfreundlichkeit von Online-<br />
Angeboten.<br />
Christoph Neuberger<br />
285
M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />
Michael Meyen<br />
<strong>Medien</strong>nutzung<br />
Mediaforschung, <strong>Medien</strong>funktionen,<br />
Nutzungsmuster<br />
Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft, 2001. –<br />
235 S.<br />
(Reihe Uni-Papers; 17)<br />
ISBN 3-89669-316-6<br />
Die deutschsprachige Kommunikationswissenschaft<br />
hat lange warten müssen auf ein Lehrbuch<br />
zu der traditionell vernachlässigten <strong>Medien</strong>nutzungsforschung,<br />
ihren theoretischen<br />
Ansätzen, Methoden und Ergebnissen, und<br />
zwar aus einer medienübergreifenden Perspektive.<br />
Diese Lücke wird nun durch ein breit angelegtes<br />
Buch geschlossen, das nicht in erster<br />
Linie aktuelle Nutzungsdaten liefern, sondern<br />
vor allem erklären will (S. 9). Meyen geht es<br />
damit besonders um soziale und psychologische<br />
Hintergründe der <strong>Medien</strong>nutzung und um<br />
das Zustandekommen sowie die Einordnung<br />
und kritische Bewertung der empirischen Befunde<br />
der angewandten Publikumsforschung.<br />
Diese Zielsetzung erscheint sinnvoll und wird<br />
insgesamt auch recht überzeugend erfüllt.<br />
Zunächst <strong>zum</strong> Aufbau des Buches und zu<br />
den zentralen Inhalten: Im ersten Kapitel werden<br />
theoretische Ansätze der <strong>Medien</strong>nutzungsforschung<br />
dargestellt, vor allem Uses & Gratifications,<br />
erregungstheoretische Ansätze, Cultural<br />
Studies und Lebensstilforschung. Trotz<br />
dieser Breite bestehen einzelne Lücken; völlig<br />
unzureichend berücksichtigt ist insbesondere<br />
die Sozialisationsperspektive (dabei hat die<br />
Forschung Sozialisationseinflüsse auf das <strong>Medien</strong>nutzungsverhalten<br />
vergleichsweise gut begründet<br />
und empirisch belegt). Insgesamt jedoch<br />
ist dieser Abschnitt durchaus geeignet, einen<br />
einführenden Überblick über Ansätze zur<br />
theoretischen Erklärung des Nutzungsverhaltens<br />
zu vermitteln.<br />
Das zweite Kapitel ist methodenorientiert,<br />
hier werden die grundlegenden Konzepte, Verfahren<br />
und Studien der (angewandten) <strong>Medien</strong>nutzungsforschung<br />
behandelt. Einführend erläutert<br />
Meyen kurz die Teilgebiete – redaktionelle<br />
Publikumsforschung und Werbeträgerforschung<br />
– und ihre jeweiligen Zwecke. Es<br />
folgt ein Abschnitt zur Methode und Problematik<br />
der repräsentativen Umfrage. Anschließend<br />
wird die Vorgehensweise wichtiger Standard-Untersuchungen<br />
(MA, AWA, GfK-Fernsehforschung,<br />
Langzeitstudie Massenkommunikation)<br />
beschrieben und kritisch erörtert.<br />
Dabei wird auch auf die Entwicklung und die<br />
Organisation der Werbeträgerforschung in<br />
Deutschland eingegangen. Auch hier bleibt der<br />
Charakter einer Einführung gewahrt, wenngleich<br />
Grundbegriffe der Mediaforschung eher<br />
am Rande behandelt werden. Zentrale Konzepte<br />
(z. B. Reichweite, Leser pro Nummer) definiert<br />
Meyen kurz in tabellarischen Übersichten,<br />
geht im Text aber oft nicht weiter auf sie<br />
ein. Auch bei solchen Erläuterungen legt er<br />
mehr Wert auf Verständlichkeit als auf Präzision<br />
(die aber für einen einführenden Text in<br />
aller Regel genügt). Einzelheiten der methodischen<br />
Vorgehensweise, etwa Details zu Abfragemodellen,<br />
zur Tagesablaufmethode oder<br />
der Datenfusion, werden <strong>zum</strong>eist weggelassen.<br />
Im dritten Kapitel behandelt Meyen die <strong>Medien</strong>nutzung<br />
und ihre allgemeinen Funktionen<br />
– eine Vertiefung des Stoffes von Kapitel 1 insofern,<br />
als es hier im Grunde um gesellschaftliche<br />
Bedingungen der <strong>Medien</strong>nutzung geht.<br />
Eingegangen wird vor allem auf die Nutzungsmotive<br />
im Kontext von Zwängen der Arbeitswelt<br />
und des außerberuflichen Alltags (Erlebnissuche,<br />
Zeitstrukturierung, Orientierung in<br />
der komplexen Gesellschaft u.a.). Gerade mit<br />
diesen Ausführungen gelingt es Meyen, dem<br />
Anspruch seines Buches gerecht zu werden und<br />
generelle Muster der <strong>Medien</strong>nutzung zu erklären.<br />
Allerdings fehlen manchmal explizite<br />
Bezüge <strong>zum</strong> ersten Kapitel, und in den Passagen<br />
zur Arbeitsgesellschaft holt Meyen unnötig<br />
weit aus. Im zweiten Teil des Kapitels stellt er<br />
eine Typologie der <strong>Medien</strong>nutzer anhand zentraler<br />
Kommunikationsbedürfnisse auf (wichtig<br />
ist hier vor allem die Unterscheidung zwischen<br />
primär unterhaltungsorientierter <strong>Medien</strong>nutzung<br />
und unterhaltungs- und informationsorientierter<br />
Nutzung). Hier fehlen leider<br />
Angaben zur empirischen Basis der Typenbeschreibung<br />
(S. 110 – 111). Diskutiert werden in<br />
diesem Zusammenhang auch grundlegende<br />
Strukturmerkmale des Publikums (in erster Linie<br />
berufsbezogene Merkmale und Geschlecht<br />
im Sinne von Gender) als Erklärungsfaktoren<br />
der generellen medienbezogenen Orientierungen.<br />
Im vierten Kapitel sind Befunde zu den einzelnen<br />
<strong>Medien</strong>gattungen zusammengestellt:<br />
Fernsehen, Hörfunk, Tageszeitung und Zeitschrift,<br />
Kino, Online-<strong>Medien</strong>. Die Gewichtung<br />
286
Besprechungen<br />
entspricht meistens der Bedeutung des jeweiligen<br />
Mediums in der Forschung; unklar bleiben<br />
indessen die Kriterien für die Auswahl: Warum<br />
Kino, aber nicht auch Buch oder Tonträger? Im<br />
Gegensatz <strong>zum</strong> vorigen Kapitel liegt der Fokus<br />
nun auf dem einzelnen Medium, Meyen bleibt<br />
aber auch hier bei grundlegenden Aspekten der<br />
Nutzung. Auf speziellere Forschung, etwa <strong>zum</strong><br />
Umschaltverhalten, wird nicht eingegangen.<br />
Damit nimmt die akademische Publikumsforschung<br />
auch hier wenig Raum ein. Vor den Unterkapiteln<br />
für die einzelnen <strong>Medien</strong>gattungen<br />
steht ein kürzerer Abschnitt über die Funktionen<br />
der <strong>Medien</strong> im Vergleich und Riepls „Gesetz“,<br />
und auch in den Unterkapiteln wird gelegentlich<br />
die Konkurrenz zwischen den <strong>Medien</strong><br />
thematisiert. Für jedes der <strong>Medien</strong> folgen<br />
dann in der Regel Ausführungen zu den spezifischen<br />
Erwartungen und Inhaltsinteressen des<br />
Publikums, zu Umfang und Entwicklung der<br />
Nutzung (anhand verschiedener Indikatoren),<br />
zu Erklärungen für diese Muster sowie zur<br />
Nutzung spezifischer Angebote (Nachrichten).<br />
Stellenweise bietet Meyen hier – wie auch in anderen<br />
Teilen des Buches – eigene Interpretationen<br />
an (so etwa zu Ost-West-Unterschieden in<br />
der <strong>Medien</strong>nutzung). Oft handelt es sich allerdings<br />
um Überlegungen, die im Detail nicht<br />
empirisch gestützt sind.<br />
Abgeschlossen wird der Band mit einem<br />
kürzeren Kapitel über die <strong>Medien</strong>bewertung,<br />
deren Einbeziehung hier sinnvoll wirkt. Darin<br />
geht es schwerpunktmäßig um Untersuchungen<br />
und Befunde zu Einstellungen und <strong>Medien</strong>präferenzen,<br />
vor allem Objektivitäts- und<br />
Glaubwürdigkeitsurteilen (<strong>zum</strong>eist im <strong>Medien</strong>vergleich).<br />
Ausführlich erörtert und illustriert<br />
Meyen die Problematik pauschaler Vergleiche<br />
von <strong>Medien</strong>gattungen und die offenkundige<br />
Ausstrahlung der generellen Einstellung<br />
der Bevölkerung zu den einzelnen <strong>Medien</strong><br />
auf die erhobenen spezifischen Bewertungen<br />
(wobei besonders der allgemeine Image-Vorsprung<br />
des Fernsehens <strong>zum</strong> Tragen kommt).<br />
Trotz der inhaltlichen Breite und Aktualität<br />
des Buches lassen sich sowohl Lücken als auch<br />
besondere Akzente feststellen. Thematisiert<br />
wird fast ausschließlich die <strong>Medien</strong>nutzung<br />
und Nutzungsforschung in Deutschland. Die<br />
weitgehende Beschränkung auf deutschsprachige<br />
Veröffentlichungen ist angemessen, soweit<br />
es nicht um die akademische Publikumsforschung<br />
geht, dort bedeutet sie dann allerdings<br />
die Ausblendung großer Teile der neueren<br />
theoretisch orientierten Literatur (vor allem<br />
zu Publikumskonzepten). Was die <strong>Medien</strong>gattungen<br />
betrifft, so sind Online-<strong>Medien</strong><br />
zwar berücksichtigt, kommen insgesamt aber<br />
zu kurz. Insbesondere schreibt Meyen leider so<br />
gut wie nichts zur Methodik der Online-Forschung.<br />
Ein auffälliges Merkmal des Buches ist die<br />
recht breite Einbeziehung von Erkenntnissen<br />
aus frühen deutschen Untersuchungen <strong>zum</strong><br />
Publikumsverhalten, sicherlich auch bedingt<br />
durch Meyens Forschungsinteressen in dieser<br />
Richtung. Das bringt einerseits an vielen Stellen<br />
historische Tiefenschärfe und hilft bei der Einordnung<br />
heutiger Forschungsergebnisse. Andererseits<br />
aber nimmt die historische Perspektive<br />
oft übermäßig viel Raum ein, manche der<br />
Berichte zu älteren Untersuchungen wirken<br />
eher wie Exkurse.<br />
Eine zweite Besonderheit: Über die Darstellung<br />
von Ansätzen, Methoden und Befunden<br />
hinaus legt Meyen sehr viel Gewicht auf deren<br />
kritische Diskussion. Er geht auf die Herkunft<br />
von Daten und ihre mögliche Interessengebundenheit<br />
ein, auf die Probleme von Erhebungsverfahren<br />
und auf die Aussagefähigkeit von Befunden;<br />
er stellt Interpretationen für Muster<br />
und Trends in Frage, die in der Literatur angeboten<br />
werden oder die sich zunächst aufdrängen,<br />
und schlägt mögliche alternative Erklärungen<br />
vor. Grundsätzlich ist dies eine durchaus<br />
positive Eigenschaft des Buches. Stellenweise<br />
jedoch treten die problematisierenden Ausführungen<br />
zu sehr in den Vordergrund und stehen<br />
nicht mehr im richtigen Verhältnis zu der<br />
oft nur knappen und selektiven Darstellung der<br />
Sachverhalte selbst. Auch sind Kritikpunkte<br />
häufig nicht hinreichend begründet. Artikuliert<br />
wird oft eher eine generelle Skepsis, aufgelistet<br />
werden mögliche Probleme. Meyen wirft viele<br />
Fragen auf, gibt aber kaum Antworten oder gar<br />
Empfehlungen.<br />
Bedenklich erscheint vor allem die undifferenzierte<br />
Beurteilung mancher Verfahren der<br />
Werbeträgerforschung. Bei vielen Lesern dürfte<br />
so der Eindruck entstehen, die Werbeträgerforschung<br />
arbeite überwiegend – aus kommerziellen<br />
Gründen – mit fragwürdigen Methoden.<br />
Dabei unterliegt sie tatsächlich vergleichsweise<br />
hohen Standards und gründlichen<br />
Kontrollen. Leider geht Meyen auf diese Seite<br />
der kommerziellen Forschung wenig ein; es ist<br />
selten die Rede von den Methodenstudien der<br />
Mediaforschung und von der Diskussion über<br />
287
M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />
Methodenfragen in Fachkreisen. Nicht einmal<br />
das ZAW-Rahmenschema wird erwähnt. Man<br />
ist versucht, im Vergleich nach den methodischen<br />
Standards und Kontrollen in der akademischen<br />
Publikumsforschung zu fragen.<br />
Meyen hat sich erkennbar bemüht, allen speziellen<br />
Anforderungen an ein Lehrbuch Rechnung<br />
zu tragen – mit Erfolg. Einer der besonderen<br />
Vorzüge des Textes ist seine sprachliche<br />
Gestalt. Meyen schreibt sehr verständlich, flüssig<br />
und lebendig, regt immer wieder <strong>zum</strong> Mitdenken<br />
an (ein häufig eingesetztes Stilmittel ist<br />
die Frageform). Auch das Layout ist ansprechend:<br />
Auf vielen Seiten sorgen Aufzählungen,<br />
Tabellen oder Abbildungen für Übersicht und<br />
Abwechslung. Zentrale Punkte werden oft in<br />
Texttabellen nochmals zusammenfassend dargestellt.<br />
Allerdings entspricht die Reihenfolge<br />
der Punkte in diesen Übersichten manchmal<br />
nicht der Reihenfolge im Text. Einige der<br />
Übersichten sind nicht mit den Ausführungen<br />
im Text verknüpft; andere sind in den Text eingefügt,<br />
lange bevor dort auf sie verwiesen wird.<br />
Die Gliederung ist sinnvollerweise einfach<br />
gehalten; innerhalb der Kapitel – die bei der<br />
Fülle von behandelten Themen manchmal<br />
ziemlich heterogen ausfallen – werden zusätzlich<br />
Zwischenüberschriften eingesetzt. An einigen<br />
Stellen aber wirkt die Strukturierung unpräzise<br />
bzw. kommt es zu fragwürdigen Zuordnungen.<br />
So werden in Kapitel 1.1 unter dem<br />
Uses-and-Gratifications-Ansatz auch zahlreiche<br />
andere eigenständige Theoriebereiche behandelt<br />
(z. B. Erregungstheorien); in Kapitel<br />
3.1 ist Unterhaltung eine sehr breite Kategorie,<br />
die hier offenbar auch z. B. die Zeitfüller-<br />
Funktion einschließen soll (die in dem Kapitel<br />
übrigens von der Zeitstrukturierungsfunktion<br />
getrennt thematisiert wird).<br />
Zu Beginn jedes Hauptkapitels wird ein<br />
Überblick über die Inhalte und Vermittlungsziele<br />
gegeben. Am Kapitelende finden sich Fragen<br />
und Aufgaben zur Selbstkontrolle (manche<br />
fordern auch – oft ausgehend von aktuellen<br />
Untersuchungsergebnissen – <strong>zum</strong> Weiterdenken<br />
auf und verlangen Transferleistungen) sowie<br />
kommentierte Literaturhinweise. Die jeweils<br />
zwei bis vier Angaben zur vertiefenden<br />
Lektüre sind <strong>zum</strong>eist sinnvoll ausgewählt, die<br />
Kommentierungen aussagekräftig. Hilfreich<br />
erscheinen auch die Hinweise auf einschlägige<br />
Periodika (einschließlich Online-Quellen), etwa<br />
für <strong>Medien</strong>nutzungsdaten. Vor allem bei<br />
den längeren Kapiteln wären allerdings mehr<br />
Literaturangaben (nicht unbedingt alle kommentiert,<br />
ggf. sogar nur in Kurzform) wünschenswert.<br />
So hätten im vierten Kapitel Literaturhinweise<br />
zu den einzelnen <strong>Medien</strong> gegeben<br />
werden können. Auch im Text fehlen an<br />
manchen Stellen Literaturangaben zu spezifischen<br />
Ansätzen oder Methoden; eine gezielte<br />
Vertiefung anhand der Spezialliteratur ist daher<br />
nicht immer möglich. Gelegentlich bleiben<br />
auch empirische Aussagen (wie z. B. <strong>zum</strong> jahreszeitlichen<br />
Verlauf der Fernsehnutzung;<br />
S. 131) unbelegt. Im Literaturverzeichnis<br />
schließlich fehlen am Ende einige Titel.<br />
Verschiedene Register (Sachen, Personen,<br />
Abkürzungen, Abbildungen) machen das Buch<br />
benutzerfreundlich, wenngleich sie im Detail<br />
nicht durchweg überzeugen: Im Sachregister<br />
fehlen einige zentrale Begriffe der Mediaforschung,<br />
andererseits sind viele eher überflüssige<br />
Dinge aufgeführt (etwa einzelne Zeitungstitel,<br />
die im Text nicht weiter wichtig sind). Das<br />
Abkürzungsverzeichnis scheint wie das Personenregister<br />
auf Vollständigkeit angelegt und<br />
enthält auch Einträge, die kaum jemand wird<br />
nachschlagen müssen.<br />
Insgesamt gesehen hat Meyen mit dieser<br />
Überblicksdarstellung ein zwar durchaus verbesserungsfähiges,<br />
aber bereits jetzt in vielen<br />
Punkten vorbildliches Lehrbuch zur <strong>Medien</strong>nutzungsforschung<br />
vorgelegt. Auch fortgeschrittene<br />
Leser dürften darin noch die eine<br />
oder andere neue Erkenntnis finden.<br />
Wolfram Peiser<br />
Annette Rinck<br />
Interdependenzen zwischen PR und Journalismus<br />
Eine empirische Untersuchung der PR-Wirkungen<br />
am Beispiel einer dialogorientierten<br />
PR-Strategie von BMW<br />
Wiesbaden: Westdeutscher Verlag, 2001. –<br />
325 S.<br />
ISBN 3-531-13561-9<br />
Die kommunikationswissenschaftliche Forschung,<br />
die die Beziehung zwischen PR und<br />
Journalismus <strong>zum</strong> Thema macht, beschreibt<br />
und analysiert verschiedene Muster der Beeinflussung<br />
und der wechselseitigen Abhängigkeit.<br />
Die Frage nach dem „Erfolg“ dieser Beziehung<br />
für die Öffentlichkeitsarbeit stellt sich<br />
aus dieser Perspektive nicht.<br />
288
Besprechungen<br />
Genau an dieser Frage aber setzt Annette<br />
Rinck an. Mit der Leipziger Dissertation liegt<br />
eine Studie vor, die das Verhältnis zwischen<br />
PR und Journalismus unter dem Gesichtspunkt<br />
der PR-Erfolgskontrolle untersucht.<br />
Das Anliegen der Arbeit lässt sich in der praxisrelevanten<br />
Frage zusammenfassen: Werden<br />
die von der PR unter Berücksichtigung journalistischer<br />
Produktionsformen bereitgestellten<br />
Informationen von Journalisten im Sinne<br />
der Kommunikationsziele des PR-Treibenden<br />
genutzt? Rinck, die in der Kommunikationsabteilung<br />
bei BMW tätig ist, macht sich ihre<br />
Berufspraxis zunutze und untersucht diese<br />
Forschungsfrage am Fallbeispiel BMW. Genauer:<br />
Sie untersucht den Erfolg der Kommunikationsaktivitäten<br />
der BMW AG am Beispiel<br />
des „Verkehrskonzepts für Regensburg“.<br />
Um sich als „Unternehmen Mobilität“ in der<br />
Öffentlichkeit zu präsentieren, hatte BMW im<br />
Jahr 1994 eine Reihe von Kommunikationsmaßnahmen<br />
initiiert, darunter eine Anzeigenkampagne,<br />
Pressekonferenzen und eine Ausstellung.<br />
Im Endergebnis bestätigt Rinck mit<br />
einigen Einschränkungen den Erfolg dieser<br />
Kommunikationsaktivitäten. Da es sich um<br />
eine Einzelfallstudie handelt, ist der Aussagebereich<br />
dieses Ergebnisses eingeschränkt. Der<br />
Ertrag der Arbeit ist dann auch weniger in den<br />
Befunden, als vielmehr im Bereich der Methode<br />
zu suchen: Rinck hat ein elaboriertes Verfahren<br />
der <strong>Medien</strong>resonanzanalyse entwickelt,<br />
das sich auch in anderen Anwendungskontexten<br />
bewähren könnte.<br />
Theoretisch orientiert sich die Autorin am<br />
Intereffikationsmodell. Dieses konzipiert das<br />
Verhältnis zwischen PR und Journalismus als<br />
ein von gegenseitigen Einfluss- und Anpassungsprozessen,<br />
so genannten Induktionen<br />
und Adaptionen, geprägtes. Damit setzt sich<br />
das Modell von der unter dem Etikett Determinationshypothese<br />
bekannt gewordenen Forschungsrichtung<br />
ab, die den Einfluss von PR<br />
auf Journalismus untersuchte und im Kern der<br />
PR die Fähigkeit attestierte, Themen und Timing<br />
der Berichterstattung zu kontrollieren.<br />
Im Unterschied zu dieser Herangehensweise,<br />
die das Verhältnis zwischen PR und Journalismus<br />
als ein von Macht geprägtes Verhältnis erfasst,<br />
fokussiert das Intereffikationsmodell auf<br />
die Wechselseitigkeit der Beziehungen und die<br />
Frage danach, wie sich PR und Journalismus<br />
gegenseitig ermöglichen. Gekoppelt an diesen<br />
Theorieansatz ist ein PR-Verständnis, das die<br />
Herstellung von Vertrauen <strong>zum</strong> wesentlichen<br />
Ziel der PR erklärt.<br />
Entsprechend dieser theoretischen Verortung,<br />
die kombiniert wird mit dem Anwendungsbezug<br />
der Fragestellung, fügt Rinck Ansätze<br />
zur dialogorientierten Unternehmenskommunikation,<br />
das Intereffikationsmodell<br />
und das Strategiemodell der PR, zu einem theoretischen<br />
Rahmen zusammen. Diese Zusammenführung<br />
stößt dort an ihre Grenzen, wo<br />
„Dialog“ <strong>zum</strong> Synonym für Adaptionsleistungen<br />
der PR hinsichtlich des Journalismus wird.<br />
Unbestritten sind Kenntnisse über journalistische<br />
Arbeitsweisen auf Seiten der PR ein entscheidender<br />
Faktor, um die Wahrscheinlichkeit<br />
zu erhöhen, dass Pressemitteilungen übernommen<br />
werden. Aber es scheint doch einigermaßen<br />
verwegen, die Vorwegnahme der <strong>Medien</strong>logik<br />
auf Seiten der PR, die damit ihre<br />
Durchsetzungskraft erhöhen will, als „Dialog“<br />
zu bezeichnen. Nur innerhalb des betriebswirtschaftlichen<br />
Ansatzes des gesellschaftsorientierten<br />
Marketings ist Rincks Schlussfolgerung,<br />
integrierte Unternehmenskommunikation sei<br />
eine Voraussetzung dialogischer PR, plausibel.<br />
Aus publizistik- und kommunikationswissenschaftlicher<br />
Sicht ist dieser Schluss durchaus<br />
anfechtbar, denn allzu häufig verwischen gerade<br />
in Modellen integrierter Kommunikation<br />
die Grenzen zwischen PR, Marketing und<br />
Werbung. Störend ist ferner, das sei am Rande<br />
noch vermerkt, die undifferenzierte Zitation<br />
von Praktikerliteratur und wissenschaftlicher<br />
Literatur im Theorieteil der Arbeit. Die theoretische<br />
Argumentationsführung hätte gewonnen,<br />
wäre die Unterschiedlichkeit der Erkenntnisinteressen<br />
von Wissenschaft und Praxis berücksichtigt<br />
worden.<br />
Kernstück des aus drei Einzeluntersuchungen<br />
bestehenden empirischen Teils der Dissertation<br />
ist die von der Autorin als Input-Output-Analyse<br />
bezeichnete Inhaltsanalyse. Die<br />
Bezeichnung Input-Output-Analyse ist jedoch<br />
irreführend; denn nicht der PR-Input, sondern<br />
nur die <strong>Medien</strong>berichterstattung, die auf den<br />
PR-Input zurückzuführen ist, wird einer detaillierten<br />
empirischen Inhaltsanalyse unterzogen.<br />
Wir haben es hier also mit einer klassischen<br />
<strong>Medien</strong>resonanzanalyse zu tun. Mit dieser<br />
Analyse löst Rinck ein, was von vielen PR-<br />
Praktikern gefordert, aber selten umgesetzt<br />
wird: Als Instrument zur Messung des PR-Erfolges<br />
muss eine <strong>Medien</strong>resonanzanalyse quantitativ<br />
wie qualitativ stichhaltige und in Zahlen<br />
289
M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />
bzw. in Prozenten ausdrückbare Erfolgsmaßstäbe<br />
liefern. Mit der Entwicklung eines so genannten<br />
Modifikations-/Transferindex erfüllt<br />
Rinck diese Forderung. Gemessen wurde in<br />
den insgesamt 39 untersuchten Artikeln nicht<br />
nur das Vorkommen von PR-induzierten Themen,<br />
sondern auch, auf der Ebene so genannter<br />
Informationseinheiten, die qualitative Verwendung<br />
von Kernaussagen, die auf den PR-Zielsetzungen<br />
basieren. Der Modifikations-/<br />
Transferindex misst nun die Verteilung der Informationseinheiten<br />
der BMW-Kernaussagen<br />
im Verhältnis zu sonstigen PR-induzierten<br />
Aussagen und im Verhältnis zur journalistischen<br />
Eigenrecherche. So errechnet Rinck die<br />
prozentualen Anteile der Informationseinheiten,<br />
die von BMW als Kernaussagen definiert<br />
wurden, im Verhältnis zu den Quellen (Pressemitteilung,<br />
sonstige BMW-Informationen,<br />
journalistische Eigenrecherche). Interessant ist<br />
dabei weniger das genaue Zahlenverhältnis, das<br />
sich ja nur auf den Einzelfall bezieht und daher<br />
keine allgemeinen Aussagen über PR-Induktionen<br />
zulässt. Aber die durchgeführte <strong>Medien</strong>resonanzanalyse<br />
zeigt eine Möglichkeit<br />
auf, wie Kommunikationserfolg operationalisiert<br />
werden kann, um den Anforderungen<br />
nach messbaren Ergebnissen zu genügen.<br />
Als zweite Teiluntersuchung hat Rinck eine<br />
Journalistenbefragung durchgeführt. Die<br />
schriftliche Befragung der Journalisten stützt<br />
bisherige Befunde: Die Skepsis gegenüber der<br />
PR und die Behauptung, Eigenrecherche sei<br />
die häufigste Informationsquelle, bestätigt das<br />
journalistische Selbstbild, das die Journalismusforschung<br />
immer wieder aufzeigt. Was<br />
Rinck als „Inhomogenität“ ihrer Forschungsergebnisse<br />
wertet, ist ein neuerlicher Beleg für<br />
die Differenz zwischen journalistischem Anspruch<br />
und journalistischem Tun.<br />
Drittens analysiert Rinck den Response auf<br />
eine BMW-Anzeigenkampagne <strong>zum</strong> Thema<br />
Mobilität. Hatten <strong>Medien</strong>resonanzanalyse und<br />
Journalistenbefragung das Problemfeld Journalismus-PR<br />
<strong>zum</strong> Gegenstand, so verlässt<br />
Rinck mit der Untersuchung der Werbewirkung<br />
ihren eigentlichen Forschungsbereich. An<br />
dieser Stelle spätestens wird deutlich, dass das<br />
vornehmliche Erkenntnisinteresse der Arbeit –<br />
entgegen dem Buchtitel, der eine Untersuchung<br />
zu „Interdependenzen zwischen PR und Journalismus“<br />
verspricht – darin besteht, eine im<br />
Rahmen der integrierten Unternehmenskommunikation<br />
durchgeführte Imagekampagne<br />
mit den Mitteln der empirischen Sozialforschung<br />
auf ihren Erfolg hin zu bewerten. Vor<br />
allem das zu diesem Zweck entwickelte anspruchsvolle<br />
Verfahren der <strong>Medien</strong>resonanzanalyse<br />
bietet Anregungen für die weitere Forschung<br />
und Praxis. Die dabei gewonnenen Ergebnisse<br />
hinsichtlich der Verwertung von PR-<br />
Material durch Journalisten beantworten die<br />
durch das Intereffikationsmodell aufgeworfene<br />
Frage nach einer Wechselseitigkeit der beiden<br />
Systeme PR und Journalismus allerdings nicht.<br />
Juliana Raupp<br />
Bernd Holznagel/Andreas Grünwald<br />
Meinungsvielfalt im kommerziellen Fernsehen<br />
<strong>Medien</strong>spezifische Konzentrationskontrolle in<br />
Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien,<br />
den USA und auf der Ebene von Europarat<br />
und Europäischer Gemeinschaft<br />
Berlin: VISTAS Verlag, 2001. – 169 S.<br />
(Schriftenreihe der Landesmedienanstalten,<br />
Bd. 19)<br />
ISBN 3-89158-303-6<br />
Digitalisierung und Konvergenz haben in der<br />
<strong>Medien</strong>politik in den letzten Jahren viel von sich<br />
reden gemacht. Wir haben kühne Prophezeiungen<br />
über „Individualisierung“ gehört. Eine<br />
Welle von Technikeuphorie, Freiheitspathos,<br />
Gründungsfieber, Marktgläubigkeit ist über das<br />
Land hinweggegangen. Die öffentlich-„dienende“<br />
Rundfunkfreiheit bisheriger (Karlsruher)<br />
Provenienz hat man in Deutschland im neu erwachten<br />
Privatisierungseifer immer wieder für<br />
überholt und veraltet erklärt. Für ein künftiges,<br />
einheitlich konzipiertes Multimedia-Recht hat<br />
man den Übergang zu presseähnlichen, möglichst<br />
geringen Regulierungsgraden gefordert.<br />
Man war von den einfachen ökonomisierenden<br />
Lösungen angetan: weg vom Kultur- und hin<br />
<strong>zum</strong> allgemeinen Wirtschaftsrecht. Hierzu gehörte<br />
auch das Bestreben, die rundfunkspezifische<br />
Konzentrationskontrolle abzuschaffen<br />
und das von ihr bisher beackerte Feld nunmehr<br />
zur Gänze der Kartellaufsicht zu überlassen.<br />
Dabei wäre es also den gegenwärtig nach<br />
§§ 35 ff. Rundfunkstaatsvertrag (RStV) auf dem<br />
privaten Sektor zuständigen Organen der<br />
Rundfunkaufsicht an den Kragen gegangen, vor<br />
allem der – bei den Interessenten wenig belieb-<br />
290
Besprechungen<br />
ten – Kommission zur Ermittlung der Konzentration<br />
im <strong>Medien</strong>bereich (KEK). Auch die<br />
Landesmedienanstalten und ihre – mit der KEK<br />
gesetzlich zusammengespannte, mit ihr ziemlich<br />
mühsam kooperierende – Direktorenkonferenz<br />
(DLM) wären insoweit funktionslos geworden.<br />
Indes haben sich solche neoliberalen Blütenträume<br />
bislang nicht verwirklicht. Die Digitalisierung<br />
kommt nur langsam voran. Konvergiert<br />
wird in der Praxis nur sehr gemächlich.<br />
Und die Internetwirtschaft boomt nicht mehr.<br />
Unterdessen hat man es aber schon mit gewichtigen<br />
neuen Machtpotenzialen zu tun. Immer<br />
deutlicher zeichnen sich Vermachtungsgefahren<br />
bisher unbekannten Ausmaßes ab. Ernüchterung<br />
hat sich daraufhin auch in der Frage<br />
der Beibehaltung und Weiterentwicklung<br />
einer rundfunkspezifischen Konzentrationskontrolle<br />
eingestellt. Diesbezüglich geht es im<br />
politischen Raum momentan nicht so sehr um<br />
das Ob als vielmehr um das Wie einer fortdauernden<br />
genuin medienrechtlichen Vielfaltsicherung:<br />
Inwieweit sind hier im Einzelnen – bei<br />
Kontinuität im Grundsätzlichen – neue Instrumente<br />
und Ansätze nötig, um den kommenden<br />
Herausforderungen begegnen zu können? Und<br />
wie steht es eigentlich mit dem regulatorischen<br />
Impetus und Elan der politischen Akteure?<br />
Will man alten und neuen wirtschaftlichen<br />
Machthabern nunmehr ernstlich entgegentreten<br />
– oder will man sich mit ihnen doch lieber<br />
wieder wie gehabt arrangieren?<br />
Mit solchen Innovationsfragen befasst sich<br />
auch die hier zu besprechende knappe Studie,<br />
die im Auftrag von DLM und KEK an der öffentlich-rechtlichen<br />
Abteilung des Instituts für<br />
Informations-, Telekommunikations- und <strong>Medien</strong>recht<br />
(ITM) der Universität Münster erstellt<br />
worden ist. Sie dient in der Hauptsache<br />
der Materialsammlung und Horizonterweiterung,<br />
indem sie über den Sachstand in anderen<br />
europäischen Ländern sowie in den USA informiert,<br />
auch europarechtliche Aspekte berührt<br />
und daran einige rechtsvergleichende und<br />
rechtspolitische Überlegungen zur innerdeutschen<br />
Nutzanwendung anknüpft. Auf eine<br />
Einleitung von Holznagel/Grünwald folgen<br />
sechs im Wesentlichen gleich aufgebaute, auf<br />
dem Stand von Anfang bzw. Ende 2000 befindliche<br />
Darstellungen der Konzentrationskontrolle<br />
in ausgewählten Rechtskreisen, die nach<br />
den Angaben in dem Buch – was die Titulatur<br />
allerdings nicht erkennen lässt – aus der Feder<br />
einer größeren Zahl von ITM-Autoren stammen:<br />
Babette Kibele (Deutschland), Andreas<br />
Grünwald (Großbritannien), Ines Vollmeier<br />
(Frankreich), Bernd Holznagel/Ines Vollmeier<br />
(Italien), Bernd Holznagel/Gunnar Bender<br />
(USA), Babette Kibele (Europa). Holznagel/<br />
Grünwald erheben <strong>zum</strong> Schluss den rechtsvergleichenden<br />
Befund und äußern sich über entsprechende<br />
Handlungsoptionen. In einem<br />
Textanhang werden die wichtigeren konzentrationsrechtlichen<br />
Normen aus den untersuchten<br />
Staaten im Wortlaut dokumentiert. Die<br />
Studie hat mit ihren auslandsrechtlichen und<br />
vergleichenden Abschnitten in den kürzlich erschienenen,<br />
sehr substanziellen und tief gehenden<br />
Konzentrationsbericht der KEK nach § 26<br />
Abs. 6 RStV Eingang gefunden (Fortschreitende<br />
<strong>Medien</strong>konzentration im Zeichen der Konvergenz.<br />
Berlin: VISTAS Verlag, 2000, Kapitel<br />
IV). Dort sind auch ähnliche Bewertungen und<br />
rechtspolitische Schlussfolgerungen zu lesen.<br />
Das Ergebnis ist hier wie dort ungefähr das<br />
Gleiche:<br />
Derzeit gebe es in Deutschland bereits relativ<br />
hohe, stetig wachsende faktische Konzentrationsgrade,<br />
aber nur vergleichsweise schwache<br />
hiergegen gerichtete normative Vorkehrungen.<br />
Auch im Lichte der Rechtsvergleichung<br />
sei das Postulat, das Niveau der<br />
Konzentrationskontrolle wegen der Konvergenz<br />
bislang getrennter Technologien und<br />
Dienste noch weiter abzusenken, nicht plausibel.<br />
Dem Kartellrecht das Feld zu überlassen,<br />
wäre voreilig und untunlich. Im Übrigen sei es<br />
bisher noch keinem Land gelungen, einen Regelungsansatz<br />
zu erarbeiten, der die Konvergenzentwicklung<br />
erfasse und regulativ verarbeite.<br />
Insoweit bestehe auch in Deutschland<br />
zusätzlicher medienspezifischer Handlungsbedarf<br />
(vgl. Holznagel/Grünwald, S. 103 ff., und<br />
KEK S. 428 f.). Das klingt nicht gerade beruhigend.<br />
Wie wird es nun einem um Vielfalt und sonstige<br />
Programmqualität besorgten, regulatorisch<br />
anspruchs- und erwartungsvollen Bürger und<br />
Leser ergehen, welcher von den Verhältnissen<br />
auf dem privaten Sektor z. B. in Deutschland<br />
nichts Genaueres weiß und sich neugierig über<br />
die diesbezüglichen Grundinformationen in<br />
der Schrift hermacht? Er wird da auf manche<br />
Überraschungen stoßen, etwa darauf, dass den<br />
1996 von den Ländern ausgehandelten Antikonzentrationsnormen<br />
der §§ 25 ff. RStV eine<br />
„konzentrationsfreundliche Tendenz“ be-<br />
291
M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />
scheinigt wird (Kibele S. 34). Und das ist noch<br />
diplomatisch ausgedrückt. Denn das so genannte<br />
Zuschaueranteilsmodell in der dortigen<br />
Ausprägung sollte nach dem Willen der Ministerpräsidentenkonferenz<br />
nach Möglichkeit rein<br />
symbolisch bleiben, es sollte überhaupt nicht<br />
greifen und dem kommerziellen Rundfunk<br />
niemals unbequem werden. Jener Neuregelung<br />
lag bekanntlich eine Art standortpolitisches<br />
Tauschgeschäft zwischen Bayern und Nordrhein-Westfalen<br />
zugrunde, nämlich ein Stillhalteabkommen<br />
zugunsten der beiden jeweils einheimischen,<br />
staatlich-politisch stark protegierten<br />
Senderfamilien (Kirch/Bertelsmann). Diese<br />
fragwürdige Absprache wurde als „Wunder<br />
von Bad Neuenahr“ gefeiert. Die 30%-Grenze<br />
des § 26 Abs. 2 RStV liegt – wie in der vorliegenden<br />
Studie jetzt auch im internationalen<br />
Vergleich aufgezeigt wird – außerordentlich<br />
hoch. Damit gedachten die Länder einen Weg<br />
einzuschlagen, der von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG<br />
in der Karlsruher Auslegung klammheimlich<br />
weggeführt hätte.<br />
Dass dies nicht sogleich gelang, war dann der<br />
unabhängigen Expertise der KEK, insbesondere<br />
unter ihrem ersten Vorsitzenden Reimut<br />
Jochimsen, zu verdanken. Die KEK war und ist<br />
hochkarätig besetzt, und sie ging energisch ans<br />
Werk. Sie sprach sich für eine verfassungskonforme<br />
Auslegung des § 26 RStV dahingehend<br />
aus, dass dessen erster Absatz das materiellrechtlich<br />
maßgebliche, generalklauselartige Regulativ<br />
gegen „vorherrschende Meinungsmacht“<br />
darstellt, wohingegen der zweite Absatz<br />
mit seinen großzügigen Quotierungen nur<br />
Vermutungseffekte hervorbringt, die nach<br />
oben und auch nach unten widerlegbar sind,<br />
d. h. „vorherrschende Meinungsmacht“ kann<br />
unter besonderen Umständen auch schon beispielsweise<br />
bei Zuschauerquoten von 15, 20<br />
oder 25 % gegeben sein. Dieser m. E. zutreffenden<br />
Auslegung indes mochte sich die – wesentlich<br />
staats-, politik- und oftmals auch wirtschaftsnäher<br />
agierende, immer wieder schwankende<br />
– DLM nicht anschließen (vgl. Kibele<br />
S. 30). Wie es scheint, hat die Direktorenkonferenz<br />
immer noch Schwierigkeiten, ein strikt<br />
überparteiliches, wissenschaftsorientiertes Expertenelement<br />
à la KEK von innen heraus zu<br />
akzeptieren. Dafür spricht auch ihre zögernde<br />
Stellungnahme zu den jüngsten Plänen der<br />
Länder zur organisatorischen Reform der Privatrundfunkaufsicht.<br />
Auf Länderseite wird<br />
nunmehr an die Schaffung bundesweit zuständiger,<br />
entscheidungsbefugter „Zentraler Kommissionen“<br />
für die Bereiche Inhalteaufsicht,<br />
Digitaler Zugang und <strong>Medien</strong>konzentration<br />
gedacht. Diese Kommissionen sollen als Organe<br />
der Landesmedienanstalten fungieren, sie<br />
sollen aber (auch? nur?) aus externen Sachverständigen<br />
nach dem Bilde der KEK bestehen.<br />
Hiergegen ereifern sich nun die Anstalten: Die<br />
Verlagerung von Entscheidungen in Sachverständigenkommissionen<br />
würde das föderale<br />
System der <strong>Medien</strong>aufsicht „im Kern beschädigen“<br />
(epd medien Nr. 93/2001, S. 11). Man attestiert<br />
sich selbst eine größere funktionelle Integrität<br />
und Staatsferne, man will aber doch<br />
wohl auch bei seinen bisherigen weichherzigen<br />
Praktiken bleiben und sich dafür ein Hintertürchen<br />
offen halten. Man liebt eben auch die bequemen<br />
standortpolitischen Deals. Man huldigt<br />
auch gern einem postmodernen Kooperationsprinzip,<br />
oder man belässt es einfach bei einer<br />
„Politik der hochgezogenen Augenbrauen“<br />
(vgl. Holznagel/Bender S. 81).<br />
Solche dysfunktionalen Praktiken werden in<br />
dem Gutachten, zu dessen Auftraggebern ja<br />
auch die DLM gehörte, nicht so deutlich beim<br />
Namen genannt. Hier waltet ein mehr geschäftsmäßiger,<br />
manchmal auch schülerhaftbraver<br />
Ton vor. Der Sache nach ist die Studie<br />
aber klar positioniert, ungefähr im eben angedeuteten<br />
regulatorischen Sinn. Sie dürfte also<br />
hauptsächlich für die KEK geschrieben und<br />
dort auch zur Kenntnis genommen und inhaltlich<br />
rezipiert worden sein. Über den KEK-<br />
Konzentrationsbericht mag sie dann auch weitere<br />
Kreise erreicht haben. Hinter § 26 Abs. 6<br />
RStV scheint eine weitläufige Diskursstruktur<br />
auf, bestehend u.a. aus – tunlichst szientifisch<br />
gestützten – administrativen und juristischen<br />
Fachöffentlichkeiten. Diese sollen den politischen<br />
Akteuren und Entscheidern sachverständig<br />
zuarbeiten, wobei nicht nur an irgendwelche<br />
föderalen internen Termine, an „Kamingespräche“<br />
usw. zu denken ist, sondern auch an<br />
breite parlamentarische und demokratische<br />
Rückkoppelungen. Letztlich sollen Grundsatzdokumente<br />
wie die KEK-Berichte und die<br />
ihnen zugrunde liegenden Materialien wohl an<br />
eine große deliberative Bürgeröffentlichkeit gerichtet<br />
sein, wie sie in § 26 RStV hypostasiert<br />
und als wichtige medienpolitische Steuerungsressource<br />
veranschlagt wird. Seit dem<br />
„Wunder von Bad Neuenahr“ sind wir allerdings<br />
um einige Illusionen ärmer geworden.<br />
Das Vertrauen in die Länderstaatlichkeit und<br />
292
Besprechungen<br />
den kooperativen Föderalismus im <strong>Medien</strong>bereich<br />
ist nun doch arg strapaziert worden. Wo<br />
gibt es in Deutschland gegenwärtig überhaupt<br />
eine wohlinformierte und gründliche öffentliche<br />
Diskussion über Konzentrationsfragen?<br />
Wer liest und bedenkt Expertisen wie die hiesige<br />
wirklich?<br />
Auf Länderebene ist soeben ein sechster<br />
Rundfunkänderungsstaatsvertrag unter Dach<br />
und Fach gebracht worden, der sich bezüglich<br />
der Privatrundfunkaufsicht einschließlich der<br />
Konzentrationskontrolle pragmatisch-zurückhaltend<br />
zeigt. Eine siebte, u. a. obige „ZeKos“<br />
betreffende RStV-Novellierung wird bereits<br />
vorbereitet. In organisationsrechtlicher Hinsicht<br />
geht dies wohl in die richtige Richtung<br />
(Zentralisierung, Expertenbeteiligung). In materiell-<br />
und verfahrensrechtlicher Hinsicht<br />
bleiben die vorgesehenen Änderungen jedoch<br />
marginal. Man bleibt anscheinend bei dem bisherigen<br />
veranstalterbezogenen, in der Hauptsache<br />
auf horizontale TV-Konzentration ausgerichteten<br />
Ansatz und beschränkt sich auf geringfügige<br />
Korrekturen an dem 30-%-Limit.<br />
Die Konvergenzproblematik schiebt man erst<br />
einmal vor sich her. Unterdessen bahnen sich<br />
auf den weit geöffneten Märkten neuartige,<br />
auch vertikale und diagonale internationale<br />
Verflechtungen an. „Es ist nicht weniger als<br />
Götterdämmerung in Sicht, auch wenn es noch<br />
lange nicht allen Göttern dämmert“ (Norbert<br />
Schneider). Den deutschen Länderchefs scheint<br />
dazu weiter nichts einzufallen als: Abwarten<br />
und Teetrinken. Und sie setzen ihre standortpolitischen<br />
Sandkastenspiele erst einmal fort:<br />
Wenn der amerikanische Großinvestor Malone<br />
ankündigt, seine deutsche Hauptniederlassung<br />
in München errichten zu wollen, freut sich der<br />
Freistaat Bayern und kann weiter keinen Regulierungsbedarf<br />
erkennen. Wie, wenn demnächst<br />
auch der <strong>Medien</strong>tycoon Murdoch nach<br />
feindlicher/freundlicher Übernahme der<br />
Kirch-Gruppe ein Büro in München eröffnet<br />
(bzw. in Kirchs Residenz einzieht)? Wird dann<br />
die Bayerische Staatskanzlei wieder frohlocken<br />
und keinen normativen Handlungsbedarf sehen?<br />
Werden auch die anderen Bundesländer<br />
angesichts solcher globalisierter Marktdynamiken<br />
schläfrig bleiben? Werden sie weiterhin wie<br />
gelähmt wirken? Werden sie außerstande sein,<br />
ein an Art. 5 Abs. 1 GG orientiertes präventives<br />
gestalterisches politisches Konzept zu entwickeln?<br />
Wollen sie tatsächlich abwarten, bis<br />
„vorherrschende Meinungsmacht“ etabliert<br />
und mit Händen zu greifen ist? Und was dann?<br />
Selbst das Bundesverfassungsgericht könnte<br />
dann vielleicht nicht mehr helfen.<br />
So viel zur Dringlichkeit einer neuen, vertieften<br />
Konzentrationsdebatte. In der hier angezeigten<br />
Schrift sind zahlreiche rechtsvergleichende<br />
Informationen und Überlegungen enthalten,<br />
welche dafür fruchtbar zu machen<br />
wären. Das betrifft beispielsweise eine etwaige<br />
fortdauernde „Vorbildfunktion“ der britischen<br />
<strong>Medien</strong>regulierung, bis zu dem neuerdings auf<br />
der Insel diskutierten, bereits weit in die Multimedia-Ära<br />
ausgreifenden „Gesamtmarktmodell“<br />
(vgl. Grünwald S. 37, 47 f.). Andernorts<br />
lässt sich immerhin beobachten, dass mit niedrigeren<br />
zahlenmäßigen Grenzwerten gearbeitet<br />
wird als in Deutschland. Flächendeckende normative<br />
Patentrezepte, auch in punkto Digitalisierung<br />
und Konvergenz, gibt es nirgendwo.<br />
Die unterschiedlichen, gelegentlich auch schon<br />
stärker auf diagonale (kaum aber auf vertikale)<br />
Konzentration sich erstreckenden nationalen<br />
Regelungsansätze ergeben aber alles in allem<br />
ein buntes und anregendes Bild, wie es auch<br />
sonst europatypisch ist. Das ist mittlerweile in<br />
anderen Studien bestätigt und weiter ausgeführt<br />
worden. Der eigenen Anstrengung des<br />
Begriffs werden wir dadurch freilich nicht enthoben.<br />
Entsprechendes gilt im Übrigen auch für die<br />
gesamteuropäische, insbesondere die EU-Ebene,<br />
die in der interessanten Studie leider etwas<br />
zu kurz kommt. In dem diesbezüglichen Beitrag<br />
(Kibele S. 85 ff., im KEK-Bericht nicht<br />
berücksichtigt) macht sich noch ein nationalstaatlich-defensiver<br />
Habitus bemerkbar, wie er<br />
auch im Kreise der deutschen Länder und der<br />
Landesrundfunk- und Landesmedienanstalten<br />
traditionsgemäß vorherrscht. Der Europäischen<br />
Union wird die Zuständigkeit für eine eigenständige<br />
Pluralismussicherung kurzerhand<br />
abgesprochen. Für diese Abwehrhaltung lassen<br />
sich gewiss manche schlechten Erfahrungen anführen,<br />
die man hierzulande mit einseitig wirtschaftsrechtlich<br />
konzipierten, kulturrechtlich<br />
dysfunktionalen Brüsseler Aktivitäten im <strong>Medien</strong>bereich<br />
gemacht hat und immer noch<br />
macht. Indes hat es in der Kommission auch<br />
schon Anläufe zu breiter angelegten, prinzipiell<br />
mediengerechten Antikonzentrationsmaßnahmen<br />
gegeben, diese aber sind – was in dem<br />
Beitrag nicht klar gesehen wird (vgl. Kibele<br />
S. 97 f.) – am Widerstand der deutschen und<br />
sonstigen kommerziellen Lobby gescheitert.<br />
293
M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />
Weiterführend erscheint nun zunächst die<br />
Idee, der Gerichtshof der Gemeinschaft<br />
(EuGH) könnte in Art. 10 EMRK, auch mit<br />
unionsinterner Wirkung, eine „dienende“ <strong>Medien</strong>freiheit<br />
nach deutschem Muster (inklusive<br />
europäischer Gewährleistungskompetenz)<br />
hineindeuten (Kibele S. 100, ähnlich Holznagel/Grünwald<br />
S. 107). Das allerdings erweist<br />
sich bei näherer Überlegung als wenig wahrscheinlich;<br />
nach Lage der Dinge ist es wohl illusionär.<br />
Umso größeres Interesse verdient die<br />
weitere von Holznagel/Grünwald in ihren<br />
Schlussbetrachtungen vorgetragene Erwägung,<br />
wonach EU-Initiativen zur Begrenzung der<br />
<strong>Medien</strong>konzentration auch dann angängig<br />
wären, wenn ein medienrechtliches Pluralismusgebot<br />
zuvor ausdrücklich in den EU-Vertrag<br />
aufgenommen worden wäre. Denn dafür<br />
mag sich jetzt eine reale Chance eröffnen: Art.<br />
11 Abs. 2 der EU-Grundrechtscharta müsste<br />
ernstlich weitergedacht und im Zuge des so genannten<br />
Post-Nizza-Prozesses dementsprechend<br />
nachgebessert werden. Ein so garantiertes,<br />
selbstredend mit den öffentlich-nationalen<br />
Standards harmonierendes <strong>Medien</strong>grundrecht<br />
müsste sodann, mit der Charta im Ganzen, in<br />
den nunmehr ins Auge gefassten, von einem<br />
neuen EU-Verfassungskonvent auszuhandelnden<br />
europäischen „Basisvertrag“ einbezogen<br />
werden. So ließe sich endlich auch eine genuin<br />
europäische medienspezifische Vielfaltsicherung<br />
vereinbaren und primärrechtlich verankern.<br />
Darauf könnten dann auch konkrete regulatorische<br />
Maßnahmen gestützt werden, wie<br />
sie mittlerweile wieder vielfältig im Gespräch<br />
sind (Ad van Loon: EU-Engagement bei nationalem<br />
Fernsehbesitz und Kontrollpolitik sowie<br />
-verfahren. In: Fernsehen und <strong>Medien</strong>konzentration.<br />
Regulierungsmodelle auf nationaler<br />
und europäischer Ebene. Hrsg. von der Europäischen<br />
Audiovisuellen Informationsstelle.<br />
Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft,<br />
2001, S. 67 ff. Auch in epd medien Nr. 96/2001,<br />
S. 3 ff.). So und nur so – nicht aber mittels<br />
standortpolitisch korrumpierbarer engräumignationaler<br />
Strategien – wird sich auch den<br />
neuartigen globalen Herausforderungen begegnen<br />
lassen. Wer weiß – vielleicht geht es<br />
dann ja doch ohne „Götterdämmerung“ ab!<br />
Martin Stock<br />
Friederike Herrmann / Margret Lünenborg<br />
(Hrsg.)<br />
Tabubruch als Programm<br />
Privates und Intimes in den <strong>Medien</strong><br />
Opladen: Leske + Budrich, 2001. – 199 S.<br />
ISBN 3-8100-2920-3<br />
Die Darstellung von vermeintlich intimen und<br />
privaten Gegebenheiten führte insbesondere in<br />
Zeiten der Daily-Talks und Reality-Soaps sowohl<br />
unter Wissenschaftlern als auch Journalisten<br />
zu kontroversen Diskussionen. Auch<br />
wenn entsprechende Formate heute nicht mehr<br />
im Mittelpunkt des Fernsehprogramms stehen,<br />
finden sich „Privatisierungstendenzen“ nach<br />
wie vor in unterschiedlichen Genre. So geben<br />
insbesondere Boulevardmagazine dem Hang<br />
zu Personalisierung nach und stellen das Privatleben<br />
Prominenter und Nicht-Prominenter<br />
in den Mittelpunkt ihrer Berichterstattung. Die<br />
vorliegende Publikation „Tabubruch als Programm“<br />
setzt sich mit der Darstellung des Privaten<br />
in verschiedenen <strong>Medien</strong> auseinander<br />
und diskutiert dabei auch Ursachen und Auswirkungen,<br />
die mit der Trennung von Privatem<br />
und Politischem verbunden sind. Dabei werden<br />
die Phänomene unter dem Blickwinkel der<br />
Genderforschung betrachtet, einer Richtung<br />
der Kommunikationswissenschaft, die den<br />
Dualismus Öffentlichkeit/Privatheit mit dem<br />
Dualismus Mann/Frau verknüpft. Entsprechend<br />
interpretieren die Herausgeberinnen die<br />
Dichotomie von Privatheit und Öffentlichkeit<br />
als „Konstrukt, das die Gesellschaft geschlechtshierarchisch<br />
strukturiert“ (S. 7).<br />
Anstoß für den Band gab eine Tagung im<br />
Oktober 1999, die von der Fachgruppe Frauenforschung<br />
der Deutschen Gesellschaft für Publizistik<br />
und Kommunikationsforschung (DG-<br />
PuK) gemeinsam mit dem Journalistinnenbund<br />
durchgeführt wurde. Theorie und Praxis miteinander<br />
zu verbinden, war ein Anliegen, das<br />
im Zentrum der Veranstaltung stand.<br />
Der erste Abschnitt des Buches setzt sich mit<br />
dem Thema theoretisch auseinander und stellt<br />
Konzepte zur Bestimmung von Privatheit und<br />
Öffentlichkeit vor. In einem einführenden<br />
Aufsatz diskutiert Elisabeth Klaus kommunikationstheoretische<br />
Ansätze und entwickelt<br />
eine Typologie der Teilöffentlichkeiten, in der<br />
sich das Gegeneinander von Öffentlichkeit und<br />
Privatheit aufhebt. In diesem Zusammenhang<br />
versteht Klaus Privatheit als Form individueller<br />
294
Besprechungen<br />
Lebensäußerungen, die mitunter aber auch von<br />
öffentlicher und damit verbunden politischer<br />
Relevanz sind. Die Forderung der Frauenbewegung<br />
nach einer personenorientierten Berichterstattung<br />
zeichnet Klaus in diesem Kontext<br />
anschaulich nach und macht zurecht darauf<br />
aufmerksam, dass diese Forderung im Rahmen<br />
gegenwärtiger Formate zwar verwirklicht ist,<br />
letztendlich aus der Perspektive der Genderforschung<br />
aber zu ambivalenten Entwicklungen<br />
geführt hat: „Im Ergebnis zeigt sich deutlich,<br />
dass es nicht unbedingt einen Angriff auf<br />
die gesellschaftlichen Machtverhältnisse darstellt,<br />
wenn Frauen mit ihren persönlichen Erfahrungen<br />
öffentlich in Erscheinung treten –<br />
eher im Gegenteil“ (S. 31).<br />
Irmela Schneider stellt im Weiteren Theorien<br />
des Intimen und Privaten in einen historischen<br />
Zusammenhang und bewertet die gegenwärtigen<br />
„Privatisierungstendenzen“ vornehmlich<br />
aus der Perspektive von Sennett und<br />
Giddens. Dabei macht sie darauf aufmerksam,<br />
dass die gegenwärtige Dominanz des Intimen<br />
keineswegs ein unvorhersehbares Phänomen<br />
ist, sondern vielmehr als Ausdruck und Folge<br />
grundlegender sozialer Veränderungen interpretiert<br />
werden muss. Mit der Darstellungsweise<br />
des Privaten setzt sich Friederike Herrmann<br />
auseinander. Sie schließt an die Ausführungen<br />
von Klaus an und entwickelt Kriterien einer<br />
<strong>Medien</strong>berichterstattung über Privates, „die<br />
ethisch vertretbar ist und Anspruch auf öffentliche<br />
Relevanz erhebt“ (S. 58). So sieht sie die<br />
Darstellungen des Privaten insbesondere durch<br />
Entpolitisierungs- und Trivialisierungsstrategien<br />
entwertet.<br />
Der zweite Abschnitt des Buches schildert in<br />
Form von Werkstattberichten den journalistischen<br />
Umgang mit dem Privaten. Der erste<br />
Aufsatz stellt ein Interview dar, das Margret<br />
Lünenborg mit Herlinde Koebl geführt hat.<br />
Gegenstand ist deren Projekt „Spuren der<br />
Macht“, in dem sie Persönlichkeiten des öffentlichen<br />
Lebens über mehrere Jahre beobachtet<br />
hat. Ulrike Helwerth berichtet über ein Hörfunk-Feature,<br />
das sie über Ulrike Meinhof erstellt<br />
hat und schildert Motive, Umsetzung und<br />
Folgen, die mit diesem Beitrag in Zusammenhang<br />
standen. Ulrike Pfeil schließlich diskutiert<br />
das Thema des Privaten aus ihrer Sicht als Lokaljournalistin.<br />
Dass nicht nur ihre Vermutungen<br />
über Themen, die Frauen in den Zeitungen<br />
repräsentiert sehen möchten, bisweilen etwas<br />
spekulativ anmuten, bringt die persönliche Perspektive<br />
ihrer Ausführungen mit sich. Ihre<br />
Äußerung zu Beginn des Beitrags, noch nie eine<br />
Daily-Talk-Show gesehen und kein einziges<br />
Mal in den Big-Brother-Container hineingeschaut<br />
zu haben, wirkt im Kontext des Buches<br />
irritierend, <strong>zum</strong>al die Autorin im weiteren Verlauf<br />
durchaus Stellung zu entsprechenden Sendeformaten<br />
bezieht. Insgesamt erweckt der<br />
zweite Buchabschnitt den Wunsch nach einer<br />
stärkeren Einordnung und Kommentierung<br />
der Beiträge, handelt es sich doch um Aufsätze,<br />
die in ihrer formalen Darstellung recht heterogen<br />
sind und gerade im Anschluss an das erste<br />
theoretische Kapitel mitunter mehr Fragen aufwerfen,<br />
als sie beantworten.<br />
Der dritte Buchabschnitt beschäftigt sich mit<br />
der Darstellung scheinbar privater Themen in<br />
den <strong>Medien</strong> und konzentriert sich auf die Perspektive<br />
der Kommunikatoren. Iris Schneider<br />
beschreibt hier, wie unterschiedliche <strong>Medien</strong><br />
über das Thema Haushalt sowie über die Vereinbarkeit<br />
von Kind und Karriere Bericht erstatten.<br />
Dass über entsprechende Themen oftmals<br />
randständig und bisweilen realitätsfern<br />
berichtet wird, kann sie anschaulich belegen.<br />
Die Auswahl der Artikel und damit die Zusammensetzung<br />
der von ihr analysierten Stichprobe<br />
wird dabei aber leider nicht deutlich, so dass<br />
generalisierende Aussagen über die Berichterstattung<br />
wie „Zusammenfassend können wir<br />
festhalten: das Thema Haushalt wird in Tagesund<br />
Wochenzeitungen, sowie politischen Magazinen<br />
weitgehend ausgeblendet“ (S. 104) methodisch<br />
nicht nachvollziehbar sind. Birgit<br />
Hofmann, Nora Karsten und Andreas Wiedemann<br />
setzen sich mit der Darstellung von Männern<br />
und Frauen in Daily-Talks auseinander<br />
und hinterfragen Geschlechts- und Rollenstereotype.<br />
Im Rahmen einer Inhaltsanalyse kommen<br />
sie zu dem Ergebnis, dass es sich bei den<br />
Daily Talkshows „um eine Bühne (handelt),<br />
auf der das bestehende Geschlechterverhältnis<br />
inszeniert und präsentiert wird“ (S. 136). Jürg<br />
Häusermann wirft einen Blick in die Big-Brother-Welt<br />
und beobachtet hier unterschiedliche<br />
Inszenierungsstrategien bei Bewohnerinnen<br />
und Bewohnern.<br />
Wie die Zuschauerinnen und Zuschauer mit<br />
Daily-Talks umgehen und aus welchen Gründen<br />
sich Gäste überhaupt in diesen Sendungen<br />
präsentieren, sind Fragen, denen im vierten und<br />
letzten Kapitel des Buches nachgegangen wird.<br />
Zunächst präsentiert Susanne Keuneke Forschungsergebnisse,<br />
die zeigen, wie Jugendliche<br />
295
M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />
Daily-Talks rezipieren. Dabei wird deutlich,<br />
dass sich durchaus geschlechtsspezifische Umgangsweisen<br />
mit dem Genre finden. Während<br />
bei Jungen eine distanzierte Rezeption überwiegt<br />
und Unterhaltung im Mittelpunkt steht,<br />
ist bei den Mädchen „durchweg hohes Involvment<br />
und die Suche nach Orientierung erkennbar“<br />
(S. 172). Bettina Fromm schließlich geht<br />
der Frage nach, warum Menschen überhaupt in<br />
Talk-Shows auftreten und kommt zu dem Ergebnis,<br />
dass als übergreifende Motive die<br />
„Konstruktion von Wirklichkeit“ sowie die<br />
„persönliche Standortbestimmung im sozialen<br />
Gefüge“ (S. 194) eine besondere Rolle spielen.<br />
Eine abschließende Bewertung fällt angesichts<br />
der Heterogenität der Beiträge nicht<br />
leicht. Finden sich in zahlreichen Aufsätzen interessante<br />
Ansätze und Forschungsergebnisse,<br />
die dem Leser das Thema reflektiert und gut<br />
veranschaulicht nahe bringen, hinterlassen allzu<br />
plakative Statements in anderen Beiträgen<br />
mitunter einen faden Beigeschmack. Auch ist<br />
eine gewisse „Talk-Show-Lastigkeit“ erkennbar,<br />
die der Titel des Buches nicht unbedingt<br />
erwarten lässt. Insgesamt zeigt sich, dass der<br />
Dialog zwischen Wissenschaft und Praxis, den<br />
die Herausgeberinnen anstreben, offenbar kein<br />
so einfaches Unterfangen ist. Ihn anzustreben<br />
muss aber durchaus als eine Absicht gewertet<br />
werden, die es in weiteren Tagungen und Publikationen<br />
fortzuführen gilt.<br />
Claudia Wegener<br />
Werner Susallek<br />
Führungsinformationssysteme für öffentlich-rechtliche<br />
Rundfunkanstalten<br />
Lohmar, Köln: Eul 2000. – 273 S.<br />
(Telekommunikation@<strong>Medien</strong>dienste; 9)<br />
ISBN 3-89012-785-1<br />
Zugl.: Köln, Univ., Diss., 2000<br />
Die vorliegende Schrift wurde im Jahr 2000 als<br />
Dissertation von der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen<br />
Fakultät der Universität zu<br />
Köln angenommen. Doktorvater ist Prof. Sieben,<br />
Direktor des Instituts für Rundfunkökonomie.<br />
Der Verfasser selbst ist Leiter des Bereichs<br />
Organisation und Informationssysteme<br />
beim WDR.<br />
Ein Führungsinformationssystem (FIS) ist<br />
ein Instrument zur Unterstützung von Entscheidungsprozessen<br />
und Arbeitsweisen der<br />
Unternehmensleitung. Beispiele für diese<br />
schwach formalisierten Prozesse sind die Profilierung<br />
von Produktprogrammen, die Veränderung<br />
von Unternehmensstrukturen, die Reorganisation<br />
von Geschäftsprozessen und die<br />
Verbesserung der Planungs- und Kontrollinstrumente.<br />
Hierbei wird die Ressource Information<br />
immer wichtiger, weil derjenige, der<br />
über „bessere“ (aktuellere und zielführendere)<br />
Informationen verfügt, schneller und qualifizierter<br />
reagieren und entscheiden kann. Als<br />
Quelle der Informationen kommen z. B. Kennzahlen<br />
jeder Art in Frage. Aus dieser knappen<br />
Einführung wird bereits deutlich, dass das Thema<br />
des Buchs an der Schnittstelle mehrerer<br />
Fachgebiete angesiedelt ist:<br />
Die Konzeption und Realisierung von<br />
rechnergestützten Informationssystemen ist<br />
eine zentrale Aufgabe der Wirtschaftsinformatik.<br />
Das Informationsmanagement als Teildisziplin<br />
der Wirtschaftsinformatik widmet sich den<br />
Fragen, die sich aus der Forderung nach optimaler<br />
Informationsversorgung (nicht nur) von<br />
Entscheidern ergeben. Um zu erheben, welche<br />
Informationen speziell für Führungskräfte von<br />
öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten relevant<br />
sind, sind tief gehende Kenntnisse der Arbeitsweisen<br />
und Besonderheiten dieses Typs<br />
von Programmanbietern notwendig. Die angesprochenen<br />
Kennzahlen weisen in die Betriebswirtschaft,<br />
speziell in das Controlling.<br />
Der Verfasser baut seine Untersuchung so<br />
auf, dass er in einem ersten, einleitenden Teil<br />
konzeptionelle Grundlagen von FIS herausarbeitet.<br />
Im zweiten Teil, der den Schwerpunkt<br />
der Arbeit darstellt, wird eine Konzeption zur<br />
Entwicklung von FIS herausgearbeitet und<br />
präsentiert. Der dritte Teil stellt bestehende<br />
Ansätze zu FIS in öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten<br />
dar und ordnet sie anhand des<br />
Konzepts aus dem zweiten Teil ein. Zum guten<br />
Schluss werden im vierten Teil Grenzen und<br />
Perspektiven von FIS vertieft.<br />
Der erste Teil stellt im Wesentlichen Konzepte<br />
und Begriffe aus den aufgeführten Fachgebieten<br />
vor. Ausgehend von einer Darstellung<br />
der Aufgaben des Informationsmanagements<br />
kommt der Autor zu den Aufgaben der Unternehmensführung,<br />
zu denen u. a. das Vorbereiten<br />
und Treffen von „wichtigen“ (strategischen,<br />
langfristigen, ...) Entscheidungen gehört.<br />
Die hierzu erforderlichen Informationen geben<br />
296
Zeitschriftenlese<br />
Anlass, über den Informationsbedarf und die<br />
Informationsversorgung von Führungskräften<br />
nachzudenken. Anschließend werden FIS in<br />
mehrfacher Hinsicht eingeordnet: einmal als<br />
spezielles rechnergestütztes Informationssystem<br />
in einer Entwicklungslinie, in der u. a. MIS<br />
(Management-Informationssysteme) und DSS<br />
(Decision Support Systeme) als Vorläufer stehen.<br />
Eine andere Klassifikation ist die nach der<br />
zunehmenden Informationsverdichtung im<br />
Unternehmen, bei der die administrativen und<br />
dispositiven Teilinformationssysteme am unteren<br />
Ende und die FIS am oberen Ende der Skala<br />
stehen. Der Zusammenhang <strong>zum</strong> Controlling<br />
schließlich wird so dargestellt, dass das<br />
strategische und operative Controlling als Servicefunktion<br />
ohne eigene Entscheidungskompetenz<br />
dem Führungssystem zuarbeitet. Als<br />
betriebstypologische Besonderheiten von öffentlich-rechtlichen<br />
Rundfunkanstalten (gegenüber<br />
anderen Unternehmenstypen, aber<br />
auch gegenüber dem privaten Rundfunk) sind<br />
mehrere zu nennen: 1. Sie sind sowohl Produktions-<br />
als auch Dienstleistungsbetriebe, weil sie<br />
sowohl Programme herstellen als auch übermitteln.<br />
2. Sie haben einen gesellschaftlichen<br />
und gesetzlichen Auftrag, der ein Zielsystem<br />
umreißt, dessen Operationalisierung nicht einfach<br />
ist: Erfüllung des Programmauftrags<br />
(Sachziel) auf wirtschaftliche Art (Formalziel)<br />
stellt eine erste Näherung dar. 3. Zwischen der<br />
Finanzierung (Gebühren) und dem ausgestrahlten<br />
Programm besteht kein direkter Zusammenhang.<br />
4. Der öffentlich-rechtliche Hintergrund<br />
hat das Entstehen bürokratischer<br />
Strukturen begünstigt, die Entscheidungsprozesse<br />
kompliziert und langsam machen. 5. Sie<br />
stehen im Wettbewerb untereinander, vor allem<br />
aber mit ganz anders strukturierten privaten<br />
Anbietern, die auch ganz andere Ziele verfolgen.<br />
Nach diesem stärker deskriptiven und einordnenden<br />
Teil wendet sich der Verfasser im<br />
zweiten Teil einer Konzeption zur Entwicklung<br />
von FIS zu. Als kritische Erfolgsfaktoren<br />
für FIS werden identifiziert: 1. Integration<br />
der rundfunkspezifischen Informationssysteme<br />
(IS) auf der Basis von Geschäftsprozessen,<br />
2. Flexibilität der IS in Bezug auf künftige interne<br />
und externe Entwicklungen, 3. Kooperation,<br />
4. Strategische Ausrichtung in betriebswirtschaftlicher<br />
und technologischer Hinsicht<br />
sowie 5. Wirtschaftlichkeit. Das vorgestellte<br />
Vorgehensmodell zur Entwicklung eines FIS<br />
zerfällt dementsprechend in Komponenten<br />
<strong>zum</strong> Fachkonzept, <strong>zum</strong> Systemkonzept, <strong>zum</strong><br />
Leitkonzept, <strong>zum</strong> Implementierungs- und<br />
Ausbreitungskonzept und <strong>zum</strong> Weiterentwicklungskonzept,<br />
die im Einzelnen herausgearbeitet<br />
werden. Im Fachkonzept wird der bereits<br />
erwähnte Kennzahlenansatz verfolgt, der<br />
auf strukturierte Daten anwendbar ist; daneben<br />
sind natürlich auch unstrukturierte Daten<br />
(z. B. Programmarchiv) und externe Daten<br />
(Presse, WWW, Rezipientenverhalten) von Bedeutung.<br />
Für die Implementierung empfiehlt<br />
der Verfasser das Phasen-Prototyping, in dem<br />
die Vorteile linearer Phasenkonzepte mit denen<br />
der iterativen Prototypentwicklung verbunden<br />
wird.<br />
Im dritten Teil wird exemplarisch das existierende<br />
FIS des WDR dargestellt und beurteilt,<br />
das natürlich, bedingt durch die historische<br />
Entwicklung, eine sukzessiv entwickelte<br />
und eingeführte Ansammlung von Teilinformationssystemen<br />
darstellt.<br />
Abschließend stellt der Verfasser Grenzen<br />
und Perspektiven der Konzeption von FIS in<br />
Rundfunkanstalten dar. Problematisch ist bei<br />
IS dieser Art stets sowohl die Bestimmung des<br />
exakten Informationsangebots als auch die der<br />
Informationsnachfrage. Mit entscheidungstheoretischen<br />
Verfahren kann versucht werden,<br />
hier in Teilgebieten weiterzukommen. Andere<br />
Faktoren, von denen der Erfolg eines FIS abhängt,<br />
sind die Akzeptanz und das Nutzungsverhalten<br />
der obersten Führungskräfte. Hier<br />
vermutet der Verfasser, dass die besondere Relevanz<br />
der Informationstechnologie für Rundfunkanstalten<br />
erzwingen wird, dass sich alle<br />
Führungsebenen mit dieser Thematik befassen<br />
und sich dann auch der Instrumente bedienen.<br />
Es gelingt dem Verfasser, das weite Feld der<br />
FIS, das – wie oben ausgeführt – in mehrere<br />
Fachgebiete hineinreicht, umfassend zu umreißen<br />
und zu strukturieren, was allein schon<br />
eine beachtliche Leistung darstellt. Die Ausführungen<br />
zur Konzeption und Entwicklung<br />
eines FIS kann <strong>zum</strong>indest als Leitfaden und<br />
Checkliste wertvolle Dienste leisten. Dissertationstypisch<br />
ist die große Zahl von Fußnoten<br />
und Literaturangaben, die für den Interessierten<br />
die Weiterverfolgung einzelner Aspekte erleichtert,<br />
den Lesefluss aber manchmal stört.<br />
Insgesamt kann dieses Buch ohne Einschränkung<br />
für alle, die sich mit dieser Thematik auseinander<br />
setzen müssen, empfohlen werden.<br />
Klaus Werner Wirtz<br />
297
M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />
Zeitschriftenlese<br />
Ladeur, Karl-Heinz: Was ist Pornografie?. – S.<br />
471-476<br />
AfP<br />
Jg 32 (2001) Nr 5<br />
Beuthien, Volker: Unerlaubte Werbung mit<br />
dem Abbild prominenter Personen. – S. 353 –<br />
362<br />
Barton, Dirk-Michael: Die Novellierung des<br />
„Hessischen Gesetzes über Freiheit und Recht<br />
der Presse“: Maßnahmen zur Verbesserung der<br />
Strafverfolgung bei bestimmten Presseinhaltsdelikten.<br />
– S. 362 – 368<br />
Gesellensetter, Catrin: Der Jugendschutz in digital<br />
verbreiteten privaten Fernsehprogrammen:<br />
die Rechtslage nach dem Fünften Rundfunkänderungsstaatsvertrag.<br />
– S. 369 – 372<br />
Die Verfasserin stellt die rechtlichen Vorgaben des<br />
Rundfunkstaatsvertrages in der Fassung des 5. Rundfunkänderungsstaatsvertrages<br />
unter besonderer Berücksichtigung<br />
der Vorgaben für Angebote des digitalen<br />
Fernsehens dar. Dabei untersucht und bejaht die<br />
Autorin die Frage, ob die Vorsperre als Eingriff in die<br />
Rundfunkfreiheit angesehen werden kann, der allerdings<br />
als verhältnismäßig anzusehen ist. Bevor in einem<br />
Ausblick neben einer Angleichung der europäischen<br />
Vorgaben für eine intensivere Kooperation der<br />
für den Jugendschutz verantwortlichen europäischen<br />
Stellen plädiert wird, geht die Verfasserin noch näher<br />
auf das Problem der Vorsperre als Inländerdiskriminierung<br />
ein.<br />
Lehr, Gernot; Brosius-Gersdorf, Frauke:<br />
Kurzberichterstattung über Fußballbundesligaspiele.<br />
– S. 449<br />
Der aus der Vertretung der Interessen der ARD entstandene<br />
Beitrag behandelt die rechtlichen Probleme,<br />
die sich angesichts der Turbulenzen um die Ausübung<br />
des Kurzberichterstattungsrechts seitens der öffentlich-rechtlichen<br />
Anstalten des ARD-Verbundes und<br />
der Kirch-Gruppe herauskristallisiert hatten. Dabei<br />
geht es vor allem um die Fragen, wer als Veranstalter<br />
im Sinne des § 5 RstV anzusehen ist, wann innerhalb<br />
des ARD-Verbundes zu eigenen Sendezwecken agiert<br />
wird und ob ein vertraglicher Verzicht auf die Ausübung<br />
des Kurzberichterstattungsrechtes rechtlich<br />
möglich ist. Letzteres wird von den Verfassern verneint.<br />
Schließlich werden noch einige prozessuale Besonderheiten<br />
des Konfliktes beleuchtet.<br />
Jg 32 (2001) Nr 6<br />
Kreile, Johannes; Westphal, Dietrich: Investigativer<br />
Journalismus im Reichstagsgebäude. –<br />
S. 458 – 465<br />
Becker, Bernhard von: Überlegungen <strong>zum</strong> Verhältnis<br />
von Kunstfreiheit und Persönlichkeitsrecht.<br />
– S. 466 – 470<br />
298<br />
Communication Research<br />
Jg 28 (2001) Nr 5<br />
Eveland, William P.: The cognitive mediation<br />
model of learning from the news: evidence<br />
from nonelection, off-year-election, and presidential<br />
election contexts. – S. 571 – 601<br />
Morton, Thomas A.; Duck, Julie M.: Communication<br />
and health beliefs: mass and interpersonal<br />
influences on perceptions of risk to self<br />
and others. – S. 602 – 626<br />
Bolls, Paul D.; Lang, Annie; Potter, Robert F.:<br />
The effects of message valence and listener<br />
arousal on attention, memory, and facial muscular<br />
responses to radio advertisements. –<br />
S. 627 – 651<br />
Valkenburg, Patti M.; Soeters, Karen E.: Children’s<br />
positive and negative experiences with the<br />
Internet: an exploratory survey. – S. 652 – 676<br />
Der Artikel berichtet über eine Befragung von 194<br />
holländischen Kindern zwischen 8 und 13 Jahren, die<br />
die Motive der Kinder für ihre Internetnutzung untersuchte<br />
sowie negative und positive Erfahrungen mit<br />
dem Medium erfragte. Damit wurde der Uses-and-<br />
Gratifications-Ansatz auf die Internetnutzung von<br />
Kindern angewandt, was bisher nur für Erwachsene<br />
und das Internet bzw. bei Kindern nur fürs Fernsehen<br />
getan wurde. Die Kinder, die alle zuhause Internetzugang<br />
hatten, füllten in Gruppen von 4–6 Kindern Fragebögen<br />
zu 24 Aussagen aus, deren Zutreffen sie in einer<br />
Skala von 1 (nie) bis 4 (oft) einschätzen sollten. Die<br />
Ergebnisse zeigten, dass das häufigste Motiv der Kinder<br />
zur Nutzung des Internet in ihrer allgemeinen Affinität<br />
<strong>zum</strong> Computer bestand, gefolgt vom Interesse<br />
an Informationen und an Unterhaltung. Weniger wichtige<br />
Motive waren die soziale Interaktion sowohl online<br />
als auch offline. Als häufigste positive Erfahrungen<br />
wurden genannt, das Spielen und Herunterladen<br />
von Computerspielen (17%), Videoclips zu schauen<br />
(13%), Kinderunterhaltungsseiten zu besuchen (12%)<br />
und Informationen über Tiere zu suchen. Als negative<br />
Erfahrungen wurden genannt Virus oder Computercrash<br />
(10%), Gewalt (4%) und Pornographie (4%).<br />
Leets, Laura: Explaining perceptions of racist<br />
speech. – S. 676 – 706<br />
Jg 28 (2001) Nr 6<br />
Sheafer, Tamir: Charismatic skill and media legitimacy:<br />
an actor-centered approach to understanding<br />
the political communication competition.<br />
– S. 711 – 736<br />
Savadori, Lucia; Swol, Lyn M. van; Sniezek, Janet<br />
A.: Information sampling and confidence
Zeitschriftenlese<br />
within groups and judge advisor systems. – S.<br />
737 – 771<br />
Domke, David: Racial cues and political ideology:<br />
an examination of associative priming. –<br />
S. 772 – 801<br />
Nabi, Robin L.; Sullivan, John L.: Does television<br />
viewing relate to engagement in protective<br />
action against crime? a cultivation analysis<br />
from a theory of reasoned action perspective. –<br />
S. 802 – 825<br />
Fan, David P.; Wyatt, Robert O.; Keltner, Kathy:<br />
The suicidal messenger: how press reporting<br />
affects public confidence in the press, the<br />
military, and organized religion. – S. 826 – 852<br />
Communication Theory<br />
Jg 11 (2001) Nr 4<br />
Willins, Karin Gwinn; Mody, Bella: Reshaping<br />
development communication: developing communication<br />
and communicating development.<br />
– S. 385 – 396<br />
Steeves, H. Leslie: Liberation, Feminism, and<br />
development communication. – S. 397 – 414<br />
Huesca, Robert: Conceptual contributions of<br />
new social movements to development communication<br />
research. – S. 415 – 433<br />
Jacobson, Thomas L.; Jang, Won Young:<br />
Rights, culture, and cosmopolitan democracy.<br />
– S. 434 – 453<br />
Hornik, Robert; McAnany, Emile: Theories<br />
and evidence: mass media effects and fertility<br />
change. – S. 454 – 471<br />
Rodriguez, Clemencia: Shattering butterflies<br />
and amazons: symbolic constructions of women<br />
in Colombian Development discourse. –<br />
S. 472 – 494<br />
Communications<br />
Jg 26 (2001) Nr 3<br />
Valkenburg, Patti M.; Molen, Juliette H. Walma<br />
van der; Peeters, Allerd L.: Should news on<br />
child homicides be broadcast? opinions of parents,<br />
teachers, and children. – S. 229 – 246<br />
Hetsroni, Amir: Millionaires around the world:<br />
analysis of quiz shows in America, Israel and<br />
Poland. – S. 247-266<br />
Rijt, Gerrit van der: Consumption of health information<br />
in the media: a replication study. – S.<br />
267 – 284<br />
Selm, Martine van; Nelissen, Paul: Sharing organizational<br />
information through ICT: the exploration<br />
of the content of a hospital’s Intranet.<br />
– S. 285 – 296<br />
Garitaonandia, Carmelo; Fernandez, Emilio;<br />
Oleaga, José: Relationships between the use of<br />
pay-per-view, levels of television consumption,<br />
and the communication technology equipment<br />
of Spanish households. – S. 297 – 310<br />
Computer und Recht<br />
Jg 17 (2001) Nr 10<br />
Bartsch, Michael: Das neue Schuldrecht: Auswirkungen<br />
auf das EDV-Vertragsrecht. – S. 649<br />
– 656<br />
Runte, Christian: Produktaktivierung: zivilrechtliche<br />
Fragen der „Aktivierung“ von Software.<br />
– S. 657 – 663<br />
Eckhardt, Jens: Telekommunikations-Überwachungsverordnung:<br />
ein Überblick. – S. 670 –<br />
677<br />
Henssler, Martin; Kilian, Matthias: Rechtsinformationssysteme<br />
im Internet. – S. 682 – 692<br />
Sosnitza, Olaf: Das Internet im Gravitationsfeld<br />
des Rechts: zur rechtlichen Beurteilung so<br />
genannter Deep Links. – S. 693 – 703<br />
Antweiler, Clemens: Einsatz elektronischer<br />
Mittel bei der Vergabe öffentlicher Aufträge. –<br />
S. 717 – 722<br />
Jg 17 (2001) Nr 11<br />
Bettinger, Torsten; Scheffelt, Michael: Application<br />
Service Providing: Vertragsgestaltung und<br />
Konflikt-Management. – S. 729 – 741<br />
Koenig, Christian; Kühling, Jürgen; Braun,<br />
Jens-Daniel: Die Interdependenz von Märkten<br />
in der Telekommunikation, Teil II: Auslegung<br />
von Art. 13 Abs. 3 des Rahmenrichtlinien-Entwurfs<br />
anhand kartellrechtlicher Maßstäbe. – S.<br />
745 – 751<br />
„Die Interdependenz zahlreicher Märkte erlaubt es<br />
vertikal integrierten Unternehmen, Marktmachtpotentiale<br />
auf benachbarte Märkte zu übertragen, auf denen<br />
sie für sich betrachtet über keine marktbeherrschende<br />
Stellung verfügen. Die damit verbundenen<br />
299
M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />
,Vermachtungsgefahren’ stellen ein wesentliches Zukunftsthema<br />
der gesamten Kommunikationswirtschaft<br />
dar. Art. 13 Abs. 3 des Entwurfs einer „Richtlinie<br />
über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische<br />
Kommunikationsnetze und -dienste“ reagiert<br />
auf dieses Problem und sieht eine Regelung über<br />
die Berücksichtigung benachbarter Märkte („closely<br />
related markets“) vor. Der [...] Aufsatz versteht sich als<br />
erster Beitrag zu einer sachgerechten Auslegung dieser<br />
bislang völlig ungeklärten Vorschrift. Zur Analyse<br />
des Art. 13 Abs. 3 wird nach einführenden Vorüberlegungen<br />
zur Marktabgrenzung und zur Interdependenz<br />
von Märkten der Begriff der ,benachbarten Märkte’<br />
unter Rückgriff auf vergleichbare Vorschriften der<br />
Fusionskontrollverordnung und des allgemeinen EG-<br />
Kartellrechts näher erörtert, ehe die Vorschrift ausgelegt<br />
und ihre Rechtsfolgen umrissen werden können.“<br />
Mankowski, Peter: Fernabsatzrecht: Information<br />
über das Widerrufsrecht und Widerrufsbelehrung<br />
bei Internetauftritten. – S. 767 – 774<br />
Ohly, Ansgar: Software und Geschäftsmethoden<br />
im Patentrecht. – S. 899 – 816<br />
Jg 17 (2001) Nr 12<br />
Koenig, Christian; Kühling, Jürgen; Braun,<br />
Jens-Daniel: Die Interdependenz von Märkten<br />
in der Telekommunikation, Teil II: Art 13 Abs.<br />
3 des Rahmenrichtlinien-Entwurfs und seine<br />
Folgen. – S. 825 – 831<br />
Dieser Beitrag knüpft an den Aufsatz der Autoren aus<br />
dem Vorheft an (s.o.). In diesem Beitrag wird das Zusammenspiel<br />
der allgemeinen Bestimmung des Art. 13<br />
Abs. 3 mit dem besonderen Teil des EG-Telekommunikationsrechts<br />
beleuchtet. Ergänzend werden die<br />
Auswirkungen an plastischen Beispielen demonstriert.<br />
„Deregulierungsschritte“, wie sie etwa durch<br />
die Entscheidung der Regulierungsbehörde für Post<br />
und Telekommunikation zur Regulierung von Gesprächsverbindungen<br />
im Türkei-Verkehr erfolgt sind,<br />
„werden auf der Basis einer Interdependenz-Betrachtung<br />
ggf. wieder in Frage gestellt“.<br />
Schmitt, Hansjörg: Online-Kaufverträge über<br />
„Intangible Goods“ und der Anwendungsbereich<br />
von Verbrauchergesetzen. – S. 838 – 844<br />
Liesching, Marc: Die Bedeutung des Jugendschutzbeauftragten<br />
für Informations- und<br />
Kommunikationsdienste. – S. 845 – 849<br />
Jg 18 (2002) Nr 1<br />
Thewalt, Stephan: Softwareerstellung als Kaufvertrag<br />
mit werkvertraglichem Einschlag: §651<br />
BGB nach der Schuldrechtsreform. – S. 1 – 6<br />
Zimmer, Anja: Verhindert das TKG eine sinnvolle<br />
Kreditsicherung?: Netze, Lizenzen und<br />
Frequenzen als Sicherungsmittel vor und in der<br />
Insolvenz. – S. 13 – 21<br />
300<br />
Penning, Holger: Forderungseinzug und Inkasso<br />
durch die DTAG für andere Netzbetreiber<br />
(Inkasso-Streit). – S. 22 – 28<br />
Rasmussen, Heike: Datenschutz im Internet:<br />
gesetzgeberische Maßnahmen zur Verhinderung<br />
der Erstellung ungewollter Nutzerprofile<br />
im Web: zur Neufassung des TDDSG. – S. 36 –<br />
44<br />
„Werbung ist bei dem Internetdienst World Wide<br />
Web die wichtigste Einnahmequelle der Unternehmen<br />
zur Finanzierung ihrer eingestellten Angebote.<br />
Dabei eröffnet dieses Medium erstmals die Möglichkeit,<br />
den einzelnen Nutzer als (potentiellen) Kunden<br />
direkt und damit auch gezielt zu bewerben. Diese<br />
Werbung kann umso systematischer erfolgen, je umfassender<br />
ein Profil des jeweiligen Nutzers erstellt<br />
werden kann. Dem folglich großen Interesse der Unternehmen<br />
an der Erstellung möglichst umfassender<br />
Nutzerprofile setzt aber das Teledienstedatenschutzgesetz<br />
(TDDSG) Grenzen. Diese Grenzen werden<br />
mit der nach dem TDDSG im Grundsatz nur zulässigen<br />
Erstellung von Nutzerprofilen mit anonymisierten<br />
oder pseudonymisierten Daten gezogen. Eine besondere<br />
Gefahr für den Nutzer und sein Recht auf informationelle<br />
Selbstbestimmung wird in der Verbindung<br />
dieser Profile mit personenbezogenen Daten<br />
gesehen. Folglich enthält das TDDSG seit seiner Erstfassung<br />
im Jahre 1997 eine Reihe von Pflichten und<br />
Erlaubnissen für Diensteanbieter, die die Fälle der<br />
Verbindung von Nutzerprofilen mit personenbezogenen<br />
Daten auf ein erforderliches Minimum beschränken.<br />
Diese Einschränkungen sind mit der Novellierung<br />
des TDDSG im Jahre 2001 erheblich ausgeweitet<br />
bzw. präzisiert worden und werden in dem Beitrag<br />
erörtert.“<br />
Computer und Recht international<br />
Jg 2 (2001) Nr 5<br />
Wellbery, Barbara; Pichler, Rufus J.: Electronic<br />
Commerce and the proposed Hague<br />
Convention on Jurisdiction and Foreign Judgments<br />
in Civil and commercial matters: putting<br />
the cart before the horse?. – S. 129 – 136<br />
Vinje, Thomas C.: The emerging European<br />
Regime on ISP liability: member states make<br />
progress implementing e-commerce directive. –<br />
S. 137 – 143<br />
Wilske, Stephan; Myer, John A.; Barker, Sarah<br />
A.: Online securities offerings and investor<br />
protection: who’s law has to be complied with<br />
when offering securities through the Internet?.<br />
– S. 161 – 166<br />
Strowel, Alain; Daems, Erik: The implementation<br />
of the 2001/29/EC Copyright directive in<br />
Belgium and the Netherlands. – S. 167 – 170
Zeitschriftenlese<br />
Sengpiel, Markus; Mostardini, Massimilino;<br />
Durand, Stéphane Vital: Conflicts between domain<br />
names and distinctive signs: comparative<br />
analysis of the solutions to domain name conflicts<br />
in three jurisdictions before and after the<br />
second WIPO Internet Domain Name Process.<br />
– S. 171 – 177<br />
Convergence<br />
Jg 7 (2001) Nr 3<br />
Stalder, Felix: Flows and nodes: the financial<br />
markets as new media environment. – S. 10 – 17<br />
Hulsbus, Monica: Viral bodies, virtual practices.<br />
– S. 18 – 27<br />
Wheeler, MArk: Regulating communications<br />
in the UK: a new future. – S. 28 – 37<br />
Caron, André H.; Caronia, Letizia: Active<br />
users and active objects: the mutual construction<br />
of families and communication technologies.<br />
– S. 38 – 61<br />
„The purpose of this study was to focus on the subjective<br />
construction of the meaning people give to<br />
technologies and their uses within the family. The<br />
adoption and use of new communication technologies<br />
are interpreted as series of social actions undertaken<br />
by its members, under precise conditions, for specific<br />
motives. For this reason this research took us inside<br />
the homes of nine families (with and without children<br />
and teenagers), in a natural, everyday-life context or<br />
uses of communication technologies. We looked<br />
closely at the cumulating effects of household technologies<br />
in a contextualist-interactionist theoretical<br />
perspective and concentrated on analyzing the synergy<br />
between three families of technology: telephone,<br />
television and the computer-internet. Our results appear<br />
to show that active users meet active objects, and<br />
this encounter leads to a reciprocal construction. A<br />
process of co-construction between family members<br />
and the cumulating of communication technologies in<br />
the household seems to take place. Its main feature<br />
thus appears to be: a process of spiral, ongoing mutual<br />
definition.“<br />
Scannell, John: Renegade refrains: MP3 and the<br />
pursuit of affect. – S. 62 – 82<br />
„Debate over the ethics of MP3 file sharing has overshadowed<br />
intellectual inquiry into the reasons why<br />
music has been such a sought after commodity for<br />
downloading. This paper proposes a Deleuze/Guattarian<br />
inspired conceptualisation of affect to ascertain<br />
the drive behind the phenomenon we call the ‘MP3<br />
revolution’. The claim is that music has been responsible<br />
for the internet’s transition from static to dynamic<br />
medium as the affective allure of the MP3 codec<br />
solicits territorial production through reception. Ritual,<br />
rhythms and refrains order our way through the<br />
chaos of the web and this paper proposes that MP3 offers<br />
temporal potentialities and existential ‘becoming’<br />
that provide new affective dimensions to the previously<br />
static nature of the web. With such a proliferation<br />
of writing on MP3 and peer-to-peer networking,<br />
this article is concerned with why music is worth<br />
downloading and finally, how capital has sought to<br />
commodify this territory that MP3 users created.“<br />
Berman, Joshua; Bruckman, Amy S.: The turing<br />
game: exploring identity in an online environment.<br />
– S. 83 – 103<br />
„Do men and women behave differently online? Can<br />
you tell how old someone is, or determine their race<br />
or national origin based on how they communicate on<br />
the internet? Issues of personal identity affect how we<br />
relate to others in everyday life, both online and offline.<br />
However, identity in this new medium is still<br />
poorly understood by internet users.“<br />
Bromley, Michael; Purdey, Heather: Chilling<br />
out: but not yet „cool“: new media training in a<br />
UK journalism school: a further report on<br />
„Journomorphosis“. – S. 104 – 117<br />
Cultural studies<br />
Jg 15 (2001) Nr˙3-4<br />
Erni, John Nguyet: Like a postcolonial culture:<br />
Hong Kong re-imagined: Introduction. – S. 389<br />
– 418<br />
O’Donnell, Mary Ann: Becoming Hong Kong,<br />
razing Baonan, preserving Xin’An: an ethnographic<br />
account to urbanization in the Shenzhen<br />
special economic zone. – S. 419 – 443<br />
Ma, Eric Kit-wai: Consuming satellite modernities.<br />
– S. 444 – 463<br />
Lo, Kwai-cheung: Double negations: Hong<br />
Kong cultural identity in Hollywood’s<br />
transnational representations. – S. 464 – 485<br />
Chan, Stephen Ching-kiu: Figures of hiope and<br />
the filmic imaginary of Jianghu in contemporary<br />
Hong Kong cinema. – S. 486 – 514<br />
Li, Siu Leung: Kung Fu: negotiating nationalism<br />
and modernity. – S. 515 – 542<br />
Yau, Ka-fai: Cinema 3: towards a minor Hong<br />
Kong cinema. – S. 543 – 563<br />
Cheung, Esther M K.: The Hi/stories of Hong<br />
Kong. – S. 564 – 590<br />
Fung, Anthony: What makes the local?: a brief<br />
consideration of the rejuvenation of Hong<br />
Kong identity. – S. 591 – 601<br />
Chew, Matthew: An alternative metacritique of<br />
postcolonial cultural studies from a cultural sociological<br />
perspective. – S. 602 – 620<br />
301
M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />
Abbas, Ackbar: (H)edge city: a response to<br />
„Becoming (postcolonial) Hong Kong“. – S.<br />
621 – 626<br />
European Journal of Communication<br />
Jg 16 (2001) Nr 4<br />
Ohr, Dieter; Schrott, Peter R.: Campaigns and<br />
Information seeking: evidence from a German<br />
State Election. – S. 419 – 450<br />
Der Aufsatz sucht nach Erklärungen für die Informationsnachfrage<br />
im Rahmen von Wahlkämpfen. Unter<br />
Rückgriff auf den Uses and Gratifications Ansatz, die<br />
Rational Choice Theorie und die Wahlstudien von Lazarsfeld<br />
u.a. werden folgende Determinanten des Informationsverhaltens<br />
konzipiert: die soziale Erwartung,<br />
informiert zu sein; das individuelle Pflichtgefühl,<br />
sich politisch informiert halten zu sollen; der<br />
Wunsch, die persönlichen politischen Orientierungen<br />
auch in der Wahlentscheidung ausdrücken zu können;<br />
Unterhaltungsaspekte der Politik. Es wurde ermittelt,<br />
aus welchen Quellen politische Informationen aufgenommen<br />
werden (Zeitung, Fernsehen, Radio, Parteihaussendungen<br />
u.a.). Die Studie wurde anhand einer<br />
Lokalwahl in Deutschland durchgeführt. Das Analysemodell<br />
kann die Varianz in der Informationsnachfrage<br />
gut erklären (R2 ist annähernd 22 Prozent). Dabei<br />
hat der Faktor der sozialen Erwartung den größten<br />
Einfluss. Allerdings muss der Einfluss der o.a.<br />
Faktoren je nach Informationsquelle deutlich differenziert<br />
angesetzt werden.<br />
Averbeck, Stefanie: The Post-1933 emigration<br />
of communication researchers from Germany:<br />
the lost works of the Weimar Generation. –<br />
S. 451 – 476<br />
„... This article outlines the theoretical background of<br />
early communication science in Germany and the<br />
context of racist and political persecution and emigration<br />
as a social and intellectual breakdown of this<br />
science. Actually, this breakdown gains new interest<br />
in the German academic community; the past of German<br />
communication science and its very dark sides<br />
have become topics of discussion and research.“<br />
Harrison, J.; Woods, L. M.: Defining European<br />
Public Service Broadcasting. – S. 477 – 504<br />
Die Rundfunkpolitik der Europäischen Gemeinschaft<br />
anerkennt einerseits die Bedeutung des Public Service<br />
Rundfunks (PSB) als „allgemeines Gut“ mit demokratischem<br />
Potenzial; andererseits begrenzt sie die Vergabe<br />
öffentlicher Mittel an den PSB an enge Grenzen,<br />
die mit Blick auf die ökonomische Freiheit des Rundfunkmarktes<br />
gezogen sind. Der Artikel will eine Sicht<br />
der Europäischen Gemeinschaft auf den Public Service<br />
Rundfunk bestimmen, wie sie durch seine Rolle in<br />
der Gesellschaft nötig gemacht wird, und stellt die so<br />
begründeten Erfordernisse der Wettbewerbspolitik<br />
der Europäischen Gemeinschaft gegenüber.<br />
Papathanassopoulos, Stylianos: Media commercialization<br />
and journalism in Greece. –<br />
S. 505 – 522<br />
Robinson, Piers: Theorizing the influence of<br />
media on world politics: models of media influence<br />
on foreign policy. – S. 523 – 544<br />
Die theoretische Diskussion schwankt zwischen der<br />
Annahme, <strong>Medien</strong> wirkten (im Sinne des „CNN-Effektes“)<br />
machtvoll auf die Außenpolitik von Staaten<br />
ein, und der Auffassung, sie „fabrizierten“ den passenden<br />
öffentlichen Konsens zu den Positionen der<br />
herrschenden politischen Elite. Der Beitrag diskutiert<br />
vorliegende Theorien <strong>zum</strong> Verhältnis von <strong>Medien</strong> und<br />
Staatsmacht, namentlich die Arbeiten von Hallin und<br />
Bennett, und hebt empirische und theoretische Verkürzungen<br />
in der These des „manufacturing consent“<br />
hervor. Sodann wird ein Modell der Politik-<strong>Medien</strong>-<br />
Interaktion vorgestellt, das von einer zweiseitigen<br />
Einflussrichtung ausgeht und so die beiden Auffassungen<br />
über die Macht der <strong>Medien</strong> miteinander vermittelbar<br />
macht. Es expliziert dafür die Bedingungen,<br />
unter denen <strong>Medien</strong> Einflussmacht bekommen können.<br />
Als entscheidende Bedingung wird die Existenz<br />
einer „legitimen Kontroverse“ innerhalb des politischen<br />
Systems angegeben.<br />
Human Communication Research<br />
Jg 27 (2001) Nr 4<br />
Levine, Timothy R.; McCormack, Steven A.:<br />
Behavioral adaptation, confidence, and heuristic-based<br />
explanations of the probing effect. –<br />
S. 471 – 502<br />
Burgoon, Judee K.; Buller, David B.; Floyd,<br />
Kory: Does participation affect deception success?<br />
a test of the interactivity principle. –<br />
S. 503 – 534<br />
Xu, Yan; Burleson, Brant R.: Effects of sex, culture,<br />
and support type on perceptions of spousal<br />
social support: an assessment of the „support<br />
gap“ hypothesis in early marriage. – S. 535<br />
– 566<br />
Jones, Susanne M.; Guerrero, Laura K.: The effects<br />
of nonverbal immediacy and verbal person<br />
centeredness in the emotional support process.<br />
– S. 567 – 596<br />
Edwards, Renee; Bello, Richard: Interpretations<br />
of messages: the influence of equivocation,<br />
face concerns, and ego-involvement. – S. 597 –<br />
631<br />
Journal of Communication<br />
Jg 51 (2001) Nr 4<br />
Rimal, Rajiv N.: Perceived risk and self-efficacy<br />
as motivators: understanding individuals’<br />
long-term use of health information. – S. 633-<br />
654<br />
302
Zeitschriftenlese<br />
„Using Witte’s (1992) extended parallel process model,<br />
this study identifies 4 groups of individuals according<br />
to their perceived risk and self-efficacy: responsive<br />
(high perceived risk, high efficacy), proactive (low<br />
perceived risk, high efficacy), avoidance (high perceived<br />
risk, low efficacy), and indifference (low perceived<br />
risk, low efficacy). Membership in these groups<br />
is hypothesized to influence motivation to think about<br />
cardiovascular diseases (CVD), use of CVD-related<br />
information, and knowledge acquisition. In the crosssectional<br />
data waves, there was a significant interaction<br />
between risk perception and self-efficacy on individuals’<br />
(a)motivation to think about CVD issues, (b)<br />
use of health information, and (c) knowledge acquisition.<br />
This study also found similar results longitudinally<br />
over a 2-year and a 6-year period.“<br />
Berger, Charles R.: Making it worse than it is:<br />
quantitative depictions of threatening trends in<br />
the news. – S. 655 – 677<br />
McLeod, Douglas M.; Detenber, Benjamin H.;<br />
Eveland, William P.: Behind the third-personeffect:<br />
differentiating perceptual processes for<br />
self and other. – S. 678 – 695<br />
„This study investigated factors related to two types<br />
of judgments that make up the third-person perception:<br />
media effects on others and effects on self. Specifically,<br />
separate regression path models revealed that<br />
estimates of effects on others are based on a relatively<br />
naive schema for media effects that is similar to the<br />
„magic bullet“ model of media effects (i.e., more exposure<br />
leads to greater effects). On the other hand, assessing<br />
effects on self involves a more complex, conditional<br />
effects model. The different pattern of results<br />
for the self and other models reflect the „fundamental<br />
attribution error“ from attribution theory. The path<br />
models also extend results from the perceptual component<br />
to the behavioral component of the third-person<br />
effect by linking the explanatory variables to support<br />
for censorship. Both models showed that paternalistic<br />
attitudes were the strongest predictor of support<br />
for censorship.“<br />
Wolburg, Joyce M.: Preserving the moment,<br />
commodifying time, and improving upon the<br />
past: insights into the depiction of time in<br />
American advertising. – S. 696 – 719<br />
Corbett, Julia B.: Women, scientists, agitators:<br />
magazine portrayal of Rachel Carson and Theo<br />
Colborn. – S. 720 – 749<br />
Sotirovic, Mira: Media use and perceptions of<br />
welfare. – S. 750 – 774<br />
„This study examines public perceptions of the characteristics<br />
of a typical welfare recipient and of welfare<br />
programs, and how these perceptions reflect differences<br />
in individuals’ media use. The evidence shows<br />
that contextually poor, event-centered, and personalized<br />
media content use, represented by exposure and<br />
attention to television cable news, and entertainment<br />
shows, works in the direction of introducing typical<br />
biases in welfare perceptions: perception of welfare recipients<br />
as non-White, female, of younger age, and of<br />
higher federal spending on welfare programs. In contrast,<br />
watching more thematic television stories about<br />
welfare and poverty, as well as reading public affairs<br />
content in newspapers, has overall positive effects on<br />
the accuracy of perceptions of welfare. In turn, perceptions<br />
of welfare recipients and welfare programs<br />
affect individual’s support for welfare programs.“<br />
Richardson, Glenn W.: Looking for meaning in<br />
all the wrong places: why negative advertising<br />
is a suspect category. – S. 775 – 800<br />
Mason, Ann; Meyers, Marian: Living with<br />
Martha Stewart media: chosen domesticity in<br />
the experience of fans. – S. 801 – 823<br />
„In-depth interviews with 10 women who are Martha<br />
Stewart fans addressed the roles Stewart and her media<br />
products play in their lives and why and how they<br />
use her media products. Stewart and her media products<br />
appear to play 3 main roles in the lives of these<br />
women: they encourage the fantasy of an upper-class<br />
lifestyle of elegance and luxury while providing an escape<br />
from their daily lives; they validate the women’s<br />
interest in domesticity by making domestic work respectable<br />
and seem important; and they foster creativity<br />
and feelings of accomplishment and pride among<br />
those who complete projects and recipes. ...“<br />
Journal of Communication Inquiry<br />
Jg 25 (2001) Nr 4<br />
Bishop, Ronald: Old dogs, new tricks?: an ideological<br />
analysis of thematic shifts in television<br />
advertising for diet products, 1990-2000. – S.<br />
334 – 352<br />
Killmeier, Matthew A.: Voices between the<br />
tracks: disk jockeys, radio, and popular music,<br />
1955-1960. – S. 353 – 374<br />
Fürsich, Elfriede; Lester Roushanzamir, Elli P.:<br />
Corporate expansion, textual expansion: commodification<br />
model of communication. – S. 375<br />
– 395<br />
Pusnik, Marusa; Bulc, Gregor: Women in their<br />
own reflection: self-representation of women<br />
politicians in the Slovenian press. – S. 396 – 413<br />
Balas, Glenda R.: Domestic values and national<br />
security: framing the battle for educational<br />
frequencies in 1950-1951. – S. 414 – 437<br />
Jg 26 (2002) Nr 1<br />
Kraidy, Ute Sartorius: Sunny days on Sesame<br />
Street? multiculturalism and resistance postmodernism.<br />
– S. 9 – 25<br />
Nofz, Michael P.; Vendy, Phil: When computers<br />
say it with feeling: communication and<br />
303
M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />
synthetic emotions in Kubrick’s 2001: A Space<br />
Odyssey. – S. 26 – 45<br />
Cecil, Matthew: Bad apples: paradigm overhaul<br />
and the CNN/Time „Tailwind“ story. – S. 46 –<br />
58<br />
Jaramillo, Deborah L.: The family racket: AOL<br />
Time Warner, HBO, The Sopranos, and the<br />
construction of a quality brand. – S. 59 – 75<br />
Tovares, Raul: Mascot Matters: race, history,<br />
and the University of North Dakota’s „Fighting<br />
Sioux“ Logo. – S. 76 – 94<br />
Journal of Media Economics<br />
Jg 14 (2001) Nr 4<br />
Dimmick, John; McDonald, Daniel G.: Network<br />
radio oligopoly, 1926-1956: rivalrous<br />
imitation and program diversity. – S. 197 – 212<br />
Die Autoren bemühen sich, die Folgen der Entwicklung<br />
der amerikanische Hörfunklandschaft zu oligopolistischen<br />
Märkten für die Programmvielfalt nachzuvollziehen.<br />
Dazu wird auf der Grundlage einer Inhaltsanalyse<br />
die Entwicklung der Programmvielfalt<br />
beschrieben und mit ähnlichen Ergebnissen zu den<br />
Fernsehnetworks verglichen.<br />
Wurff, Richard van der; Cuilenburg, Jan van:<br />
Impact of moderate and ruinous competition<br />
on diversity: the Dutch television market. –<br />
S. 213 – 230<br />
Im Mittelpunkt des Aufsatzes steht die Frage, wann<br />
Wettbewerb im Rundfunksystem negative Auswirkungen<br />
auf die Programme hat. Anhand des niederländischen<br />
Fernsehmarktes wird versucht, aufzuzeigen,<br />
welche Voraussetzungen zu einem ruinösen<br />
Wettbewerb führen können.<br />
Chyi, Hsiang Iris; Sylvie, George: The medium<br />
is global, the content is not: the role of geography<br />
in online newspaper markets. – S. 231 – 248<br />
In ihrem Beitrag gehen die Autoren der Frage nach,<br />
welche Bedeutung der globale Charakter des Internet<br />
für Zeitungsverlage im Vergleich zu ihren lokalen<br />
Märkten hat. Anhand einer Untersuchung von Angebot<br />
und Nutzung der Online-Ausgaben der Zeitungen<br />
in vier amerikanischen Bundesstaaten werden dabei<br />
die wesentlichen Unterschiede zwischen den beiden<br />
Märkten verdeutlicht.<br />
Kelly, Ross E.; Lewis, Philip E. T.: Household<br />
demand for Internet connection. – S. 249 – 266<br />
Auf der Grundlage von demografischen und sozioökonomischen<br />
Daten und solchen, die von Internet<br />
Service Providern zur Verfügung gestellt wurden, beschreiben<br />
die Autoren die Unterschiede bei der Verbreitung<br />
des Internet in Westaustralien.<br />
Journalism & Mass Communication<br />
Quarterly<br />
Jg 78 (2001) Nr 2<br />
Shoemaker, Pamela J.; Eichholz, Martin; Kim,<br />
Eunyi: Individual and routine forces in gatekeeping.<br />
– S. 233 – 246<br />
Anhand der Berichterstattung über 50 Gesetzentwürfe<br />
im US-Kongress wird mittels Befragung festgestellt,<br />
dass die Nachrichtenauswahl und der Umfang<br />
der Berichterstattung weniger durch persönliche<br />
Merkmale der Journalisten als durch die routinemäßige<br />
Einschätzung des Nachrichtenwertes zu erklären<br />
ist.<br />
Golan, Guy; Wanta, Wayne: Second-level<br />
agenda setting in the New Hampshire primary:<br />
a comparison of coverage in three newspapers<br />
and public perceptions of candidates. – S. 247 –<br />
259<br />
Wu, Wei; Koo, Soh Hoon: Perceived effects of<br />
sexually explicit Internet content: the thirdperson<br />
effect in Singapore. – S. 260 – 274<br />
Perkins, Michael: Violence against the press in<br />
Latin America: protections and remedies in international<br />
law. – S. 275 – 290<br />
Mayer, Vicki: From segmented to fragmental:<br />
Latino media in San Antonio, Texas. – S. 291 –<br />
306<br />
Waters, ken: Vibrant, but invisible: a study of<br />
contemporary religious periodicals. – S. 307 –<br />
320<br />
Kopenhaver, Lillian Lodge; Click, J. William:<br />
High School newspapers still censored thirty<br />
years after Tinker. – S. 321 – 339<br />
Stavitsky, Alan G.; Avery, Robert K.; Vanhala,<br />
Helena: From class D to LPFM: the Highpowered<br />
politics of low-power radio. – S. 340 –<br />
354<br />
Anderson, William B.: Does the cheerleading<br />
ever stop?: Major league baseball and sports<br />
journalism. – S. 355 – 382<br />
Kommunikation & Recht<br />
Jg 4 (2001) Nr 10<br />
Westermann, Harm Peter: Umtausch und<br />
Sperre von Telefonkarten. – S. 489 – 495<br />
Ladeur, Karl-Heinz: Einspeisung digitaler<br />
Fernsehprogramme: zur Rechtsstellung von<br />
Kabelnetzbetreiber und Programmveranstalter.<br />
– S. 496 – 505<br />
304
Zeitschriftenlese<br />
„Durch das In-Kraft-Treten des Vierten Rundfunkstaatsvertrags<br />
hat sich im Bereich der Einspeisung von<br />
Fernsehprogrammen in Kabelnetze einiges getan. Bisher<br />
war die Belegung von Kabelkanälen öffentlichrechtlich<br />
organisiert, nun können Anbieter außerhalb<br />
des must carry-Bereichs eigene Programmbouquets<br />
zusammenstellen. Hier wird es vor allem zu Abgrenzungsproblemen<br />
im Aufgabenbereich und Zusammenspiel<br />
zwischen den Landesmedienanstalten und<br />
der Regulierungsbehörde kommen. Im nachfolgenden<br />
Beitrag werden die Möglichkeiten und Konsequenzen<br />
der neuen Regelungen aufgezeigt und einer kritischen<br />
Würdigung unterzogen.“<br />
Bender, Gunnar: Regulierungsbehörde quo vadis?.<br />
– S. 506 – 514<br />
„Mit der Liberalisierung des Telekommunikationssektors<br />
und der Sicherung nachhaltigen Wettbewerbs<br />
auf diesen Märkten fällt der Regulierungsbehörde eine<br />
schwierige Aufgabe zu. Einerseits soll der Markt<br />
wirksam gesteuert werden, auf dass ein echter Wettbewerb<br />
stattfindet, andererseits ist durch die Ausgestaltung<br />
des Funktionsauftrags die rechtliche Einbettung<br />
des Beschlussverfahrens und der Regulierungsbehörde<br />
eine echte politische Unabhängigkeit nicht<br />
gegeben. Ein Blick ins Ausland zeigt, dass es durchaus<br />
andere Wege zu einer effektiveren Wettbewerbskontrolle<br />
geben kann. Der Beitrag setzt sich mit dieser<br />
Problematik eingehend auseinander und zeigt Lösungswege<br />
auf, um zu vermeiden, dass die deutsche<br />
Regulierungsbehörde <strong>zum</strong> „zahnlosen Tiger“ verkommt.“<br />
Tschentscher, Thomas; Bosch, Tobias: Diskriminierungsfreier<br />
Zugang <strong>zum</strong> „blanken<br />
Draht“. – S. 515 – 518<br />
„Mit dem Urteil vom 25. 4. 2001 hat das BVerwG einen<br />
vorläufigen Schlussstrich unter den seit dem Inkrafttreten<br />
des TKG anhängigen Streit um das Recht<br />
der Wettbewerber der Deutschen Telekom AG<br />
(DTAG) auf Zugang zu ihren Teilnehmeranschlussleitungen<br />
gezogen. Nach erfolglosen Verhandlungen<br />
war dieser Streit im Mai 1997 hinsichtlich der Frage<br />
entstanden, ob die DTAG verpflichtet ist, ihren Wettbewerbern<br />
den diskriminierungsfreien Zugang <strong>zum</strong><br />
„blanken Draht“ also unmittelbar <strong>zum</strong> überwiegend<br />
kupferkabel-, <strong>zum</strong> Teil aber auch glasfasergestützten<br />
Medium der letzten Meile ihres Teilnehmeranschlussnetzes<br />
zu gewähren. Die DTAG hatte dies abgelehnt<br />
und ihren Wettbewerbern stattdessen technische<br />
Fragmente des Angebots einer Zugangsgewährung<br />
auf Basis eines bestimmten, vorab definierten Nutzungsspektrums<br />
der Teilnehmeranschlussleitung mit<br />
notwendiger Abnahme vor- und nachgeschalteter<br />
Übertragungstechnik (sog. „Customer Carrier Access“<br />
[CCA-Angebot]) unterbreitet.“<br />
Jg 4 (2001) Nr 11<br />
Kloepfer, Michael: Privatsphäre im Fadenkreuz<br />
staatlicher Überwachung?. – S. 545 – 554<br />
„Der Einzelne muss zwar bei jedem Fernmeldekontakt<br />
mit dem Ausland mit der Möglichkeit einer Erfassung<br />
durch den Bundesnachrichtendienst rechnen.<br />
Dass es tatsächlich zu einer Erfassung kommt, wird<br />
aber nur selten der Fall sein.“ Die vielen Substantive<br />
verraten den Urheber als Juristen. Und in der Tat hat<br />
das BVerfG in seinem G-10-Urteil diese Worte geprägt.<br />
Keine goldenen Worte, aber die Wahrheit. Man<br />
muss bei jedem Telefonkontakt in Deutschland mit<br />
dem Abhören rechnen: Angesichts der deutschen Geschichte<br />
lässt einen dies doch frösteln, obwohl ja nun<br />
die „Guten“ abhören. Und die Seltenheit des Grundrechtseingriffs<br />
kann ein Trost, aber jedenfalls bisher<br />
kein Rechtfertigungsgrund für Grundrechtseingriffe<br />
sein. Zudem können Zweifel an der Seltenheit bestehen.<br />
Gemessen an der Zahl tatsächlich geführter Gespräche<br />
mag die Abhörzahl gering sein, gemessen an<br />
anderen zivilisierten Staaten nicht: Deutschland ist bekanntlich<br />
Weltmeister im Abhören. Da passt das<br />
„Knack-Verbot“ des § 5 Abs.4 S. 1 des Entwurfs einer<br />
TK-Überwachungsverordnung gut, der fast schon<br />
den Stoff zur Satire in sich trägt.“<br />
Ruhle, Ernst-Olav; Schuster, Fabian: UMTS-<br />
Lizenzgebühren als Kosten der effizienten<br />
Leistungsbereitstellung bei einer angeordneten<br />
Zusammenschaltung. – S. 555 – 561<br />
„Nachdem die erste Euphorie über den Erhalt der<br />
UMTS-Lizenznehmer verflogen ist und sich praktische<br />
Probleme bei der Realisierung der Netze und<br />
Dienste der dritten Generation in den Vordergrund<br />
schieben, taucht eine auf den ersten Blick merkwürdig<br />
anmutende juristisch-ökonomische Frage auf: Sind<br />
die (ja doch recht hohen) UMTS-Lizenzgebühren als<br />
Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung bei Zusammenschaltungsentgelten<br />
zu berücksichtigen? Im<br />
nachfolgenden Beitrag wird diese Problematik kritisch<br />
beleuchtet.“<br />
Berrisch, Georg M.: E-Commerce und WTO-<br />
Recht. – S. 562 – 567<br />
Schmoll, Andrea: Die außenvertragliche Haftung<br />
von Host- und Access-Providern in<br />
Frankreich. – S. 568 – 571<br />
Janik, Viktor: Rundfunkregulierung auch im<br />
Internet?. – S. 572 – 582<br />
„Die Möglichkeiten, die das Internet bietet, auch<br />
Rundfunkprogramme und rundfunkähnliche Inhalte<br />
zu verbreiten, wirft die Frage der rechtlichen Einordnung<br />
dieser Angebote auf. Online-TV oder Web-Radio<br />
– auch öffentliche Rundfunkanstalten nutzen diese<br />
Form, um ihr Angebot zu verbreitern und die Publikumsbindung<br />
zu fördern. Die Einordnung solcher<br />
„<strong>Medien</strong>dienste“ fällt indes nicht nur den Landesmedienanstalten<br />
schwer, es ist fraglich, was hiervon noch<br />
durch den Staatsauftrag gedeckt ist und inwieweit umgekehrt<br />
hier das Recht der <strong>Medien</strong>- und Pressefreiheit<br />
gilt. Im nachfolgenden Beitrag plädiert der Autor daher<br />
für eine umfassende gesetzliche Neuordnung der<br />
Rahmenvorgaben unter Einbettung der technischen<br />
Weiterentwicklung hin zu einer einheitlichen <strong>Medien</strong>ordnung<br />
jenseits der bisherigen Untergliederung von<br />
Rundfunk, <strong>Medien</strong>dienste, Teledienste und Telekommunikation.“<br />
305
M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />
Jg 4 (2001) Nr 12<br />
Wandtke, Artur-Axel: Zur Reform des Urheberrechts.<br />
– S. 601 – 607<br />
Dörr, Dieter; Schiedermair, Stephanie; Haus,<br />
Florian C.: Urheberrechtsnovelle versus Europarecht.<br />
– S. 608 – 618<br />
Möschel, Wernhard: Ist das Verhältnis von<br />
TKG und GWB neu zu durchdenken?. – S. 619<br />
– 623<br />
„Die Praxis von Bundeskartellamt und der Regulierungsbehörde<br />
für Telekommunikation und Post geht<br />
von einer Spezialität des TKG gegenüber dem GWB<br />
aus. Begründet wird dies mit der Entstehungsgeschichte<br />
des TKG. Der nachfolgende Beitrag zeigt anhand<br />
von Beispielen und nicht zuletzt im Hinblick<br />
auch auf europäische Regelungen auf, dass die Spezialität<br />
des TKG in wesentlichen Sachverhalten nicht gegeben<br />
ist und man eher über Parallelität in der Rechtsanwendung<br />
nachdenken sollte.“<br />
Fleischer, Holger; Körber, Torsten: Marktmacht,<br />
Machtmissbrauch und Microsoft. – S.<br />
623 – 630<br />
„Microsoft hat mit seinem rigiden Geschäftsgepflogenheiten<br />
im Umgang mit der Konkurrenz in den<br />
letzten Jahren immer wieder für Wirbel gesorgt und<br />
die US-amerikanische Kartellbehörde auf den Plan gerufen.<br />
In dem anschließenden Kartellrechtsverfahren,<br />
indem es um die Frage ging, ob Microsoft seine Monopolstellung<br />
für Betriebssysteme missbräuchlich ausgenutzt<br />
hat, wurde im Juni das Berufungsurteil getroffen.<br />
Darin wurde das erstinstanzliche Urteil hinsichtlich<br />
des Monopolisierungsvorwurfs bestätigt,<br />
hinsichtlich der versuchten Monopolisierung des<br />
Browsermarktes jedoch verworfen. Damit wurde die<br />
Sache an die erste Instanz zurückverwiesen und die<br />
von Microsoft zu befürchtende Zerschlagung des Unternehmens<br />
ist zunächst vom Tisch.Im nachfolgenden<br />
Beitrag wird die Begründung der Berufungsinstanz<br />
nachgezeichnet und in einen Gesamtzusammenhang<br />
gestellt. Dabei zeigt sich auch, wie schwierig es ist,<br />
kartellrechtliche Regeln der Old Economy auf die sich<br />
rasch verändernde Marktentwicklung der New Economy<br />
zu übertragen.“<br />
Höfler, Heiko; Rosenkötter, Annette: E-commerce-Richtlinie<br />
und Vergaberecht: zur formellen<br />
Wirksamkeit der elektronischen Angebotsabgabe<br />
im Vergabeverfahren. – S. 631 – 637<br />
Kommunikation & Recht, eingeh. Beilage<br />
Jg 4 (2001) Nr 12<br />
Rechtsrahmen für den elektronischen Geschäftsverkehr.<br />
– S. 1 – 40<br />
Mass Communication & Society<br />
Jg 4 (2001) Nr 4<br />
Chaffee, Steven H.; Metzger, Miriam J.: The<br />
end of mass communication?. – S. 365 – 380<br />
Kiousis, Spiro: Public trust or mistrust? perceptions<br />
of media credibility in the Information<br />
Age. – S. 381<br />
Harmon, Mark D.: Affluenza: television use<br />
and cultivation of materialism. – S. 405 – 418<br />
Tracy, James F.: Revisiting a polysemic text: the<br />
African American press’s reception of „Gone<br />
with the wind“. – S. 419 – 436<br />
Pfau, Michael; Moy, Patricia; Szabo, Erin Alison:<br />
Influence of prime-time television programming<br />
on perceptions of the Federal Government.<br />
– S. 437 – 454<br />
Grandjean, Burke D.; Proffitt, Jennifer M.: Political<br />
communication and statistical interaction:<br />
reexamining issue, image, involvement,<br />
and interpersonal conversation. – S. 455 – 464<br />
Pinkleton, Bruce: Individual motivations in<br />
political decision making: a reply to Grandjean/Proffitt.<br />
– S. 465 – 466<br />
Media Asia<br />
Jg 28 (2001) Nr 3<br />
Lee, Kyung-Ja: Globalization and infocomm<br />
industries in Asia: opportunities and threats. –<br />
S. 123 – 130<br />
Agrawal, Binod C.: Information and communication<br />
technology challenges to democracy in<br />
Asia. – S. 131 – 134<br />
Sridhar, Susan: Protecting children in cyberspace.<br />
– S. 135 – 143<br />
Uy, Margaret: Technology waits for no law:<br />
Philippine law in the face of technological advances.<br />
– S. 144 – 156<br />
Trivedi, Bela; Thaker, Kosha: Social dimensions<br />
of media convergence in India. – S. 157 –<br />
163<br />
Anil, Samtani: The enforcement of intellectual<br />
property rights in cyberspace. – S. 164 – 171<br />
Karim, Wazir Jahan: Cultural hegemony versus<br />
diversity in the new information age. – S. 172 –<br />
179<br />
306
Zeitschriftenlese<br />
Media, Culture & Society<br />
Jg 23 (2001) Nr 5<br />
Alabarces, Pablo; Tomlinson, Alan; Young,<br />
Christopher: Argentina versus England at the<br />
France ‘98 World Cup: narratives of nation and<br />
the mythologizing of the popular. – S. 547 – 566<br />
Krabill, Ron: Symbiosis: mass media and the<br />
truth and reconciliation commission of South<br />
Africa. – S. 567 – 586<br />
Scriven, Michael; Roberts, Emily: Local specificity<br />
and regional unity under siege: territorial<br />
identity and the television news of Aquitaine. –<br />
S. 587-606<br />
Aldridge, Meryl: Lost expectations?: women<br />
journalists and the fall-out from the „Toronto<br />
newspaper war“. – S. 607 – 624<br />
Frosh, Paul: Inside the image factory: stock<br />
photograph and cultural production. – S. 625 –<br />
646<br />
Young, David: Céline Dion, national unity and<br />
the English-language press in Canada. – S. 647<br />
– 664<br />
Jg 23 (2001) Nr 6<br />
Peters, John Durham: Witnessing. – S. 707 –<br />
724<br />
Marriott, Stephanie: In pursuit of the ineffable:<br />
how television found the eclipse but lost the<br />
plot. – S. 725 – 742<br />
Dayan, Daniel: The peculiar public of television.<br />
– S. 743 – 766<br />
Ryfe, David Michael: From media audience to<br />
media public: a study of letters written in reaction<br />
to FDR’s fireside chats. – S. 767 – 782<br />
Keane, Michael: Broadcasting policy, creative<br />
compliance and the myth of civil society in<br />
China. – S. 783-798<br />
Der Artikel betrachtet den argumentativen Rahmen,<br />
der die Diskussion zur Zivilgesellschaft kennzeichnet<br />
und fragt nach der Anwendbarkeit des Civil Society-<br />
Modells für China. Das Schlüsselargument ist, dass die<br />
Betrachtung des Verhältnisses von Staat und Gesellschaft<br />
in China aus westlicher Perspektive die wesentlichen<br />
Unterschiede zwischen der autonomen Zivilgesellschaft<br />
liberaler Demokratien und den sozialen Beziehungen<br />
in China verschleiert. Wobei das Civil Society-Modell<br />
durchaus hilfreich für die Beschreibung<br />
der politischen und sozialen Veränderungen in China<br />
sein könne, aber die Kultur- und <strong>Medien</strong>politik nur<br />
unzureichend beschreibe.<br />
Belton, Teresa: Television and imagination: an<br />
investigation of the medium’s influence on<br />
children’s story-making. – S. 799 – 820<br />
Lisosky, Joanne M.: For all kids’ sakes: comparing<br />
children’s television policy-making in<br />
Australia, China and the United States. – S. 821<br />
– 842<br />
Media Perspektiven<br />
(2001) Nr 10<br />
Hallenberger, Gerd: Eurofiction 2000: Angebotsstruktur<br />
und inhaltliche Trends: erstausgestrahlte<br />
einheimische fiktionale Fernsehproduktionen<br />
in Deutschland. – S. 494 – 504<br />
Neckermann, Gerhard: Multiplexe in der Krise?<br />
Filmbesuch, Verleih- und Kinostruktur in<br />
Deutschland 1991 bis 2000. – S. 505 – 513<br />
Neckermann, Gerhard: Das Kinopublikum<br />
1993 bis 2000: Besucherstruktur, Besucherverhalten<br />
und Image des Kinos. – S. 514 – 523<br />
(2001) Nr 11<br />
Eimeren, Birgit van; Ridder, Christa-Maria:<br />
Trends in der Nutzung und Bewertung der <strong>Medien</strong><br />
1970 bis 2000: Ergebnisse der ARD/ ZDF-<br />
Langzeitstudie Massenkommunikation. – S.<br />
538 – 553<br />
Engel, Bernhard; Best, Stefanie: <strong>Medien</strong>nutzung<br />
und <strong>Medien</strong>bewertung im Kohortenvergleich:<br />
Ergebnisse der ARD/ZDF-Langzeitstudie<br />
Massenkommunikation. – S. 554 – 563<br />
Kliment, Tibor: Marktentwicklung und Beschäftigung<br />
im Multimediasektor: Ergebnisse<br />
eines Expertenpanels. – S. 564 – 575<br />
Vogel, Andreas: Die tägliche Gratispresse: ein<br />
neues Geschäftsmodell für Zeitungen in Europa.<br />
– S. 576 – 584<br />
Media psychology<br />
Jg 3 (2001) Nr 4<br />
Zillmann, Dolf; Knobloch, Silvia; Yu, Hongsik:<br />
Effects of photographs on the selective reading<br />
of news reports. – S. 301 – 324<br />
Calvert, Sandra L.: Impact of televised songs of<br />
children’s and young adults’ memory of educational<br />
content. – S. 325 – 342<br />
307
M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />
Vorderer, Peter; Knobloch, Silvia; Schramm,<br />
Holger: Does entertainment suffer from interactivity?<br />
the impact of watching an interactive<br />
TV movie on viewer’s experience of entertainment.<br />
– S. 343 – 364<br />
Fisch, Shalom M.; McCann Brown, Susan K.;<br />
Cohen, David I.: Young children’s comprehension<br />
of educational television: the role of visual<br />
information and innotation. – S. 365 – 378<br />
medien + erziehung<br />
Jg 45 (2001) Nr 6<br />
Oelkers, Jürgen: Bildung ist ein ständiges<br />
Abenteuer: über den Befund, es gäbe eine „Krise<br />
der Bildung“. – S. 357 – 363<br />
Jürgen Oelkers reflektiert in seinem Beitrag wesentliche<br />
Merkmale von Bildung, zu denen insbesondere<br />
Faszination, Neugier und qualitativ hochwertige Beispiele<br />
zählen. Der Autor steht den aktuellen Forderungen<br />
nach „Schlüsselqualifikationen“, „<strong>Medien</strong>kompetenz“,<br />
„Lebenslangen Lernen“ etc. kritisch,<br />
aber durchaus offen gegenüber. Die für ihn spannende<br />
Frage im Hinblick auf die (künftigen) <strong>Medien</strong>entwicklungen<br />
lautet, „ob Öffnung, unbegrenzte Zugänglichkeit<br />
und damit zusammenhängend individuelle<br />
Lernverantwortung für bessere Bildung sorgen<br />
können, als dies in der Vergangenheit möglich war.“<br />
(S. 363)<br />
Dichanz, Horst: Aufgaben des Bildungsfernsehen<br />
in einem neu vermessenen Bildungsmarkt.<br />
– S. 364 – 370<br />
„Lernen wird immer ein individueller Lernprozess<br />
bleiben. Da jedoch auch die Lernmöglichkeiten mit<br />
neuen <strong>Medien</strong> zunehmend individualisiert werden, ist<br />
ein Umdenken bei traditionellen Bildungsformaten in<br />
Hörfunk und Fernsehen notwendig.“<br />
Gruber, Thomas: „Man muss die Menschen da<br />
abholen, wo sie sind“: der Bildungsauftrag des<br />
öffentlich-rechtlichen Rundfunks. – S. 371 – 377<br />
Thiele, Burkard: Die Bildungstheorie der Europäischen<br />
Gemeinschaft: Probleme und Perspektiven.<br />
– S. 378 – 383<br />
„In der Gemeinschaft wird zwar für eine europäische<br />
Identität plädiert, die bildungstheoretischen Ansätze<br />
betrachten die Menschen jedoch zugunsten der wirtschaftlichen<br />
Vorteile lediglich als Humanressource<br />
und Humankapital.“<br />
Jg 46 (2002) Nr 1<br />
Maresch, Rudolf: Öffentlichkeiten under<br />
attack. – S. 6 – 14<br />
Werber, Niels: „Der Terrorismus ist ein Effekt<br />
der neuen <strong>Medien</strong>“: zur Rolle der Wiederholung<br />
als medialer Strategie. – S. 15 – 20<br />
308<br />
Gölitzer, Susanne: Die Wirklichkeit der Bilder:<br />
Überlegungen zu einer Didaktik der Bilder im<br />
Deutschunterricht. – S. 21 – 23<br />
Berthoud, Martin: Der 11. September 2001 und<br />
die Programmplanung des ZDF. – S. 24 – 25<br />
Beckmann, Frank: „Ich hab noch eine Frage:<br />
wird es Krieg geben?“: die Ereignisse des 11.<br />
September im KI.KA. – S. 26 – 27<br />
Lachmann-von Bally, Irmingard: Kinder und<br />
<strong>Medien</strong>: der 11. September: Beobachtungen in<br />
einem Münchner Kindergarten. – S. 28 – 29<br />
Bildung ohne <strong>Medien</strong>? Teil 2. – S. 30 – 39<br />
Feilitzen, Cecilia von: <strong>Medien</strong>erziehung: einige<br />
internationale Perspektiven. – S. 49 – 55<br />
<strong>Medien</strong> & Zeit<br />
Jg 16 (2001) Nr 4<br />
Duchkowitsch, Wolfgang: Gute und schlechte<br />
Erinnerungen des Herrn „Z“: eine beschauliche<br />
Zeitreise durch die Geschichte der institutionellen<br />
Nachrichtenvermittlung in Wien von<br />
1621 bis 1851. – S. 4 – 8<br />
Schönhagen, Philomen: Zur Entwicklung der<br />
Unparteilichkeitsmaxime im deutschen Journalismus.<br />
– S. 9 – 18<br />
Pensold, Wolfgang: Amtlicherseits wird gemeldet<br />
...: zur Geschichte regierungsnaher Nachrichtenbüros<br />
in Österreich. – S. 19 – 31<br />
Wilke, Jürgen: Nachrichtenwerte im Wandel?:<br />
über den alliierten Einfluß auf den Nachkriegsjournalismus.<br />
– S. 32 – 37<br />
Rantanen, Terhi; Boyd-Barret, Oliver: State<br />
news agencies: a time for re-evaluation?. – S. 38<br />
– 45<br />
<strong>Medien</strong> Journal<br />
Jg 25 (2001) Nr 4<br />
Kramer, Dieter: Kulturelle Vielfalt und kultureller<br />
Dialog. – S. 5 – 18<br />
Herdin, Thomas: Rassismus in der EU: Österreich<br />
im Vergleich. – S. 19 – 34<br />
Fanizadeh, Michael: Fußball verbindet – Rassismus<br />
trennt: Antirassistische Interventionen<br />
in der Populärkultur. – S. 35 – 43
Zeitschriftenlese<br />
Menasse, Elisabeth: Der Forschungsschwerpunkt<br />
„Fremdenfeindlichkeit“ des Wissenschaftsministeriums.<br />
– S. 44 – 49<br />
Feigl, Georg: Antirassismus an österreichischen<br />
Schulen. – S. 50 – 53<br />
Grinsven, Guillaume van: Kulturhauptstädte<br />
Europas: Rotterdam die interkulturelle Metropole.<br />
– S. 54 – 56<br />
<strong>Medien</strong> praktisch<br />
Jg 25 (2001) Nr 4<br />
Aufenanger, Stefan: Invasion aus unserer Mitte:<br />
Perspektiven einer <strong>Medien</strong>anthropologie. – S. 8<br />
– 10<br />
Die Frage nach der Veränderung von Menschsein in<br />
der <strong>Medien</strong>gesellschaft steht im Mittelpunkt des Beitrags<br />
und wird zugleich der <strong>Medien</strong>anthropologie als<br />
eine zentrale Aufgabe gestellt. Der Autor hält einen<br />
anthropologischen Ansatz für angemessen, der in Anlehnung<br />
an Helmuth Plessner von einer prinzipiellen<br />
Offenheit des Menschen ausgeht. Für die <strong>Medien</strong>pädagogik<br />
sieht er die Aufgabe, sich engagiert an einem<br />
interdisziplinären Diskurs zu künftigen <strong>Medien</strong>entwicklung<br />
zu beteiligen.<br />
Kübler, Hans-Dieter: Wie anthropologisch ist<br />
mediale Kommunikation?: eine neue Teildisziplin.<br />
– S. 11 – 19<br />
In seinem Beitrag skizziert Hans-Dieter Kübler die<br />
<strong>Medien</strong>entwicklung und verschiedene Diskurse über<br />
die Wechselbeziehung zwischen Mensch und <strong>Medien</strong>.<br />
Darüber hinaus beschäftigt er sich mit den Ursprüngen<br />
der Anthropologie und den Aufgaben und Herausforderungen<br />
einer <strong>Medien</strong>anthropologie vor dem<br />
Hintergrund neuerer medialer Entwicklungen. Er<br />
kommt zu dem Ergebnis, dass die Anthropologie<br />
(noch) keine „systematische, einigermaßen abgrenzbare<br />
und in sich konsistente Disziplin ist, die sich nun<br />
auf dem Gebiet der <strong>Medien</strong> und Netze konkretisieren<br />
und weiterentwickeln ließe. [...] Wenn der Homo sapiens<br />
bereits zur beliebig manipulierbaren, kaum<br />
mehr eigenständig handlungsfähigen und sinnberaubten<br />
Schnittstelle in den Netzen mutiert bzw. instrumentiert<br />
ist, wozu bedarf es dann noch einer speziellen<br />
(<strong>Medien</strong>-)Anthropologie? Dann wären Netzwissenschaften<br />
und „artificial intelligence“ angebrachter<br />
und angemessener.“ (S. 19)<br />
Schachtner, Christian: Die Maschinen sind wir:<br />
zur Neubestimmung unseres Verhältnisses zu<br />
den Maschinen. – S. 20 – 22<br />
Das Verhältnis vieler Menschen zu Maschinen ist gespalten.<br />
Dem liegt oft ein Weltbild zu Grunde, das<br />
eindeutig zwischen Mensch und Natur unterscheidet<br />
und auf diese Weise die Identität des Menschen zu<br />
wahren versucht. Will man jedoch die technische Entwicklung<br />
mitgestalten, setzt dies eine Abkehr von diesem<br />
Weltbild voraus und erfordert die Offenheit für<br />
die Auffassung, dass zwischen Mensch und Maschine<br />
ein Kontinuum besteht. Die Maschinen werden aus<br />
dieser Perspektive nicht länger als Konkurrenten der<br />
Menschen, sondern als Möglichkeit der Überwindung<br />
menschlicher Grenzen betrachtet (z.B. mittels Internet<br />
geographische Grenzen überschreiten). Damit die<br />
Entwicklung positiv verläuft, bedarf es eines längst<br />
überfälligen Dialoges.<br />
Gawert, Johannes: Silikon-Sirenen: ein Angriff<br />
auf die menschliche Natur. – S. 23 – 24<br />
Als einen „Angriff auf die menschliche Natur“ bezeichnet<br />
der Autor die verschiedenen Versuche, Menschen<br />
als Roboter oder Lustobjekte so authentisch wie<br />
möglich nachzubilden. Wenngleich es sich dabei keineswegs<br />
um ein neues Phänomen handelt, lassen sich<br />
doch deutliche Veränderungen feststellen: „Der literarische<br />
Topos, dass sich ein Mann von der Natürlichkeit<br />
und Schönheit eines Automaten in Frauengestalt<br />
verführen lässt und in Liebe entflammt, wird neuerdings<br />
in tabuloser Deutlichkeit immer unverblümter<br />
als sexueller Ersatz für den lebendigen Menschen gehandelt,<br />
im wörtlichen Sinne.“ (S. 23)<br />
Haubl, Rolf: Über den magischen Gebrauch<br />
von Bildern: <strong>Medien</strong>anthropologische Assoziationen.<br />
– S. 24 – 30<br />
Mikos, Lothar: Das Verstehen des Anderen: die<br />
Beziehung des <strong>Medien</strong>forschers zu seinem Gegenstand.<br />
– S. 31 – 33<br />
Der Autor beschäftigt sich mit drei Problemen, die das<br />
Verhältnis von <strong>Medien</strong>forschern und <strong>Medien</strong>pädagogen<br />
zu ihrer Klientel kennzeichnen: Zum einen muss<br />
sich der Forscher der gleichzeitigen Nähe und Fremdheit<br />
<strong>zum</strong> Alltagsleben der zu untersuchenden Personen<br />
bewusst sein. Den am Forschungsprozess Beteiligten<br />
kann es in der Auseinandersetzung mit der <strong>Medien</strong>praxis<br />
„der Anderen“ gelingen, sich in sozialen<br />
Kontexten zu verorten und auf diese Weise Identitätsarbeit<br />
zu betreiben. Zum anderen gilt es dabei zu<br />
berücksichtigen, dass <strong>Medien</strong>handeln nicht als isoliertes<br />
Phänomen betrachtet werden kann, sondern immer<br />
nur im Kontext von sozialen, kulturellen, ökonomischen,<br />
politischen und historischen Zusammenhängen<br />
gesehen werden muss. Überdies sieht der Autor<br />
die Notwendigkeit, die Lebensentwürfe und Handlungen<br />
der Anderen ernst zu nehmen und anzuerkennen.<br />
„Sinnverstehen mutiert damit von einem hermeneutischen<br />
zu einem politischen Projekt, denn der<br />
Forscher bezieht Stellung im Kampf um Bedeutungen.“<br />
(S. 33) Diese Forderung nach Offenheit und Flexibilität<br />
gilt insbesondere für <strong>Medien</strong>pädagogen,<br />
wenn es darum geht, den Subjekten Möglichkeiten<br />
<strong>zum</strong> Selbstausdruck zu eröffnen.<br />
Pirner, Manfred L.: Die Medialität des Menschen:<br />
theologische Aspekte zu einer Anthropologie<br />
der <strong>Medien</strong>. – S. 34 – 38<br />
Wulff, Hans J.: Klone im Kinofilm: Geschichten<br />
und Motive der Menschenverdoppelung,<br />
Teil 2. – S. 50 – 53<br />
Hurth, Edith: Fernsehfamilien: Familien als<br />
Utopie und Alptraum in Vorabendserien des<br />
Fernsehens. – S. 53 – 59<br />
309
M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />
Multimedia und Recht<br />
Jg 4 (2001) Nr 10<br />
Hassemer, Michael: Elektronischer Geschäftsverkehr<br />
im Regierungsentwurf <strong>zum</strong> Schuldrechtsmodernisierungsgesetz.<br />
– S. 635 – 639<br />
Die ab dem 1.1.2002 wirksame Schuldrechtsreform<br />
überführt die Regelungen der E-Commerce-Richtlinie<br />
ins BGB. Der Beitrag untersucht die Besonderheiten,<br />
denen der Vertragsschluss im Internet ab dann<br />
gem. § 312e BGB unterliegt, stellt sie in Zusammenhang<br />
mit den allgemeinen vertragsrechtlichen Regeln<br />
und analysiert ihre Vereinbarkeit mit den Vorgaben<br />
der E-Commerce-Richtlinie.<br />
Heiderhoff, Bettina: Internetauktionen als<br />
Umgehungsgeschäfte. – S. 640 – 644<br />
Schaar, Peter: Datenschutzrechtliche Einwilligung<br />
im Internet. – S. 644 – 647<br />
Der Beitrag beschäftigt sich mit den Anforderungen<br />
des BDSG, der TDSV und des TDDSG an datenschutzrechtliche<br />
Einwilligungen im Internet. Beleuchtet<br />
werden dabei insbesondere die Anforderungen<br />
an die Form und den Widerruf der Einwilligung<br />
sowie das Koppelungsverbot.<br />
Mayen, Thomas: Feststellung der Marktbeherrschung<br />
auf den Märkten der Telekommunikation.<br />
– S. 648 – 652<br />
Der Verfasser zeigt Möglichkeiten der Feststellung<br />
von Marktbeherrschung im TK-Sektor anhand der<br />
Marktstrukturelemente des § 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB<br />
auf. Dabei wird vor allem auf die Bestimmung der<br />
Marktanteile, der Bewertung der Finanzkraft und die<br />
Bedeutung des Zugangs zu Beschaffungs- und Absatzmärkten<br />
eingegangen.<br />
Kurth, Matthias: Rolle und Funktion des Resale<br />
für den Wettbewerb auf den Telekommunikationsmärkten.<br />
– S. 653 – 658<br />
Die Zahl von Resale-Angeboten hat in den letzten beiden<br />
Jahren deutlich abgenommen, die wettbewerbliche<br />
Rolle von Resale wird immer geringer geschätzt.<br />
Der Beitrag zeigt zunächst die rechtlichen Rahmenbedingungen<br />
für den Anspruch auf Resale auf, bewertet<br />
die Rolle von Resale aus ökonomischer Sicht und vergleicht<br />
die deutsche mit der amerikanischen und britischen<br />
Situation. Der Verfasser kommt zu dem Ergebnis,<br />
das die Funktion von Resale deutlich unterschätzt<br />
wird.<br />
Wagner, Florian: Die „Open Access Debate“ in<br />
den USA: Zugangsansprüche von Internet Service<br />
Providern <strong>zum</strong> Breitbandkabel. – S. 659 –<br />
665<br />
„Seit Juni 2000 ist in den USA die Diskussion über<br />
„Open Access“, d.h. über den Zugang von Internet<br />
Service Providern (ISP) <strong>zum</strong> Breitbandkabelnetz in<br />
vollem Gange. Mit der Veräußerung und dem Ausbau<br />
der Breitbandkabelnetze in Deutschland zu „Full Service<br />
Networks“ wird die Problematik auch hierzulande<br />
akut. Der Beitrag stellt zunächst die bisher in den<br />
310<br />
USA ergangenen Gerichtsentscheidungen dar. Neben<br />
einigen Urteilen verschiedener Bezirksgerichte liegen<br />
inzwischen Entscheidungen von Berufungsgerichten<br />
vor, die miteinander unvereinbar sind. Der US<br />
Supreme Court ist mittlerweile mit der Sache befasst.<br />
Einen weiteren Schwerpunkt dieses Beitrags bilden<br />
die derzeitigen Aktivitäten der amerikanischen<br />
Behörden im Zusammenhang mit der Fusion AOL/<br />
Time Warner und der Notice of Inquiry der Federal<br />
Communications Commission (FCC). Schließlich<br />
werden die in der Literatur ausgetauschten Argumente<br />
für und gegen die Gewährung von Open Access<br />
dargestellt.“<br />
Jg 4 (2001) Nr 11<br />
Geiser, Gordon: Virtuelle Unternehmen und<br />
reale Unternehmensträger. – S. 715 – 720<br />
Grünwald, Andreas: Fernsehen unter dem<br />
Hammer: Möglichkeiten und Grenzen einer<br />
Versteigerung von Rundfunkfrequenzen. – S.<br />
721 – 726<br />
Der Beitrag geht der Frage nach, inwieweit Versteigerungsverfahren,<br />
wie sie im Telekommunikationsbereich<br />
bereits angewendet werden, bei der Digitalisierung<br />
des terrestrischen Fernsehens auf Frequenzvergabeverfahren<br />
übertragbar sind. Dabei geht der Verfasser<br />
insbesondere auf die gemeinschafts- und<br />
verfassungsrechtlichen Bindungen, aber auch auf medienpolitische<br />
Perspektiven ein. Im Ergebnis kommen<br />
reine Versteigerungsverfahren im Rundfunkbereich<br />
nach Ansicht des Verfassers nicht in Frage, da dem Erfordernis<br />
sachgerechter Vergabekriterien nicht entsprochen<br />
würde. Als Lösungsvorschlag werden aber<br />
modifizierte Auktionsverfahren in Betracht gezogen,<br />
bei denen im Voraus Bewerber anhand von sog. „Soft<br />
Criteria“ (z. B. der zu erwartende Programmanteil an<br />
Informations-, Bildungs-, Beratungs- und Unterhaltungssendungen)<br />
zu der jeweiligen Frequenzversteigerung<br />
zugelassen werden.<br />
Kitz, Volker: Anwendbarkeit urheberrechtlicher<br />
Schranken auf das eBook. – S. 727 – 730<br />
Hladjk, Jörg: E-Geld auf dem Vormarsch?:<br />
rechtliche Rahmenbedingungen elektronischen<br />
Geldes. – S. 731 – 736<br />
Spindler, Gerald: Die zivilrechtliche Verantwortlichkeit<br />
von Internetauktionshäusern:<br />
Haftung für automatisch registrierte und publizierte<br />
Inhalte?. – S. 737 – 743<br />
Der Verfasser untersucht in dem Beitrag die Problematik,<br />
inwieweit Anbieter von Internetauktionen für<br />
die bei Ihnen im Rahmen von Auktionsveranstaltungen<br />
angebotenen Waren und Inhalte haften und unter<br />
welchen Voraussetzungen sie schadensersatzpflichtig<br />
sind. Dabei wird insbesondere untersucht, in welchen<br />
Fällen der Anbieter Kenntnis von den rechtswidrigen<br />
Inhalten hat und wann eine Sperrung der Inhalte dem<br />
Anbieter technisch möglich und <strong>zum</strong>utbar ist.
Zeitschriftenlese<br />
Jg 4 (2001) Nr 12<br />
Ladeur, Karl-Heinz: Ausschluss von Teilnehmern<br />
an Diskussionsforen im Internet: Absicherung<br />
von Kommunikationsfreiheit durch<br />
„netzwerkgerechtes“ Privatrecht. – S. 787 – 791<br />
Der Beitrag geht der Frage nach, inwieweit auf die privatrechtliche<br />
Dogmatik bei der Beurteilung von Teilnehmerausschlüssen<br />
aus Chat-Räumen im Internet<br />
zurückgegriffen werden kann. Der Verfasser setzt sich<br />
dabei mit dem durch die Rechtsprechung entwickelten<br />
„virtuellen Hausrecht“ ebenso auseinander wie mit der<br />
Notwendigkeit der Entwicklung neuer, erweiternder<br />
Konstruktionen vertraglicher Bindungen. Dabei kann<br />
nach Ansicht des Verfassers insbesondere ein modernes<br />
Verständnis der Drittwirkung der Grundrechte im<br />
Privatrecht einen wichtigen Beitrag leisten.<br />
Schmittmann, Jens M.: Bannerwerbung:<br />
Rechtsprobleme insbesondere bei kammergebunden<br />
Berufen. – S. 792 – 796<br />
„Der technische Fortschritt durch immer schnellere<br />
Datenübertragung ermöglicht es, Werbebanner nicht<br />
nur statisch zu gestalten, sondern auch zu animieren,<br />
mit Ton zu unterlegen und mit weiteren Funktionen<br />
auszustatten. Zugleich machen vom Betrachter der<br />
Site verwendete sog. Web-Washer Werbebanner unsichtbar<br />
und vernichten damit ihre werbende Funktion.<br />
Der Beitrag untersucht die wettbewerbs- und<br />
markenrechtlichen Rahmenbedingungen der Bannerwerbung<br />
unter besonderer Berücksichtigung der<br />
kammergebundenen Berufe und stellt schließlich die<br />
Verantwortlichkeit des Providers dar. Auch die Verwendung<br />
von Web-Washern wird einer rechtlichen<br />
Analyse unterzogen.“<br />
Tinnefeld, Marie-Theres: Arbeitnehmerdatenschutz<br />
in Zeiten des Internet. – S. 797 – 800<br />
Freund, Natascha; Ruhle, Ernst-Olav: Neuorganisation<br />
der Regulierung für Telekommunikation<br />
und <strong>Medien</strong> in Österreich. – S. 801 – 805<br />
Jg 5 (2002) Nr 1<br />
Goldmann, Bettina; Redecke, Rebecca: Gewährleistung<br />
bei Softwarelizenzverträgen nach<br />
dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz. – S. 3<br />
– 8<br />
Schenke, Ralf P.: Exekutive Rechtssetzung bei<br />
der strafprozessualen Überwachung der Telekommunikation:<br />
ein Verstoß gegen den Vorbehalt<br />
des Gesetzes?. – S. 8 – 10<br />
Stotter, Martin: Streitschlichtung bei UK-Domains.<br />
– S. 11 – 13<br />
„Die genaue Reichweite der zu strafprozessualen<br />
Zwecken vorgesehenen Eingriffe in die Telekommunikation<br />
erschließt sich gegenwärtig erst in der<br />
Zusammenschau mit Rechtsverordnungen der Bundesregierung.<br />
Der Beitrag nimmt die kürzlich verabschiedete<br />
Telekommunikations-Überwachungsverordnung<br />
(TKÜV) <strong>zum</strong> Anlass, das komplizierte Zusammenspiel<br />
zwischen förmlichem Gesetz und<br />
Rechtsverordnung nachzuzeichnen und einer verfassungsrechtlichen<br />
Überprüfung zu unterziehen. Die in<br />
der TKÜV vorgesehenen Standortbestimmungen<br />
durch Abschöpfung der Aktivmeldungen empfangsbereiter<br />
Mobiltelefone entbehren danach einer hinreichenden<br />
Ermächtigungsgrundlage.“<br />
Baus, Christoph A.: Umgehung der Erschöpfungswirkung<br />
durch Zurückhaltung von Nutzungsrechten?.<br />
– S. 14 – 17<br />
Kröger, Detlef: Enge Auslegung von Schrankenbestimmungen:<br />
wie lange noch? Zugang zu<br />
Informationen in digitalen Netzwerken. – S. 18<br />
– 20<br />
Platho, Rolf: Cross-Promotion in TV-Senderfamilien.<br />
– S. 21 – 25<br />
Der Beitrag befasst sich mit der rechtlichen Behandlung<br />
von Programmankündigungen für Sendungen eines<br />
anderen Rundfunkveranstalters aus der eigenen<br />
„Senderfamilie“ und geht insbesondere der Frage<br />
nach, inwieweit solche Ausstrahlungen nach Auslegung<br />
nationaler und europarechtlicher Vorschriften<br />
als „Eigenwerbung“ zu qualifizieren sind und damit<br />
nicht auf die Werbezeit angerechnet werden müssen.<br />
Der Verfasser kommt zu dem Ergebnis, das die entsprechenden<br />
Regelungen eng auszulegen und somit<br />
nicht veranstaltereigene Senderhinweise, sondern<br />
(Wirtschafts-)Werbung sind.<br />
Multimedia und Recht, Beilage<br />
Jg 5 (2002) Nr 1<br />
Bunte, Herrmann-Josef: Marktabgrenzung<br />
und Marktbeherrschung auf Mobilfunkmärkten.<br />
– S. 1 – 10<br />
Koenig, Christian: Die fallweise Auswahl des<br />
Verbindungsnetzbetreibers in Mobilfunknetzen.<br />
– S. 11 – 27<br />
Möschel, Wernhard: Verbindungsnetzbetreiberauswahl<br />
und Marktbeherrschung im Mobilfunkbereich.<br />
– S. 28 – 34<br />
Schuster, Fabian; Müller, Ulf: Verbindungsnetzbetreiberauswahl<br />
und Entgeltregulierung<br />
im Mobilfunk. – S. 35 – 48<br />
New media & society<br />
Jg 3 (2001) Nr 3<br />
Ess, Charles; Sudweeks, Fay: On the edge: cultural<br />
barriers and catalysts to IT diffusion<br />
among remote and marginalized communities:<br />
introduction. – S. 259 – 269<br />
Der Themenschwerpunkt versammelt Beiträge von<br />
der im Juli 2000 abgehaltenen Konferenz über „Cul-<br />
311
M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />
tural Attitudes towards Technology and Communication“.<br />
Die Artikel untersuchen für verschiedenartige<br />
Bevölkerungsgruppen am „Rande“ der westlich beherrschten<br />
Kommunikations- und Informationsinfrastrukturen,<br />
welche sozialen, politischen und kulturellen<br />
Kontexte die Aneignung der Informations- und<br />
Kommunikationstechnologie behindern oder befördern.<br />
Harris, Roger u.a.: Challenges and opportunities<br />
in introducing information and communication<br />
technologies to the Kelabit community<br />
of north central Borneo. – S. 270 – 295<br />
Sy, Peter: Barangays of IT: Filipinizing mediated<br />
communication and digital power. – S. 296<br />
– 312<br />
Postma, Louise: A theoretical argumentation<br />
and evaluation of South Africa learners’ orientation<br />
towards and perceptions of the empowering<br />
use of information: a calculated prediction<br />
of computerized learning for the marginalized.<br />
– S. 313 – 326<br />
Bareiss, Warren: Telemedicine in South Dakota:<br />
a cultural studies approach. – S. 327 – 356<br />
Bucy, Erik P.; Gregson, Kimberley S.: Media<br />
participation: a legitimizing mechanism of mass<br />
democracy. – S. 357-380<br />
„This article reconsiders civic involvement and citizen<br />
empowerment in the light of interactive media and<br />
elaborates the concept of media participation. Departing<br />
from conventional notions of political activity<br />
which downplay the participatory opportunities inherent<br />
in communication media, the authors argue<br />
that since 1992 new media formats have made accessible<br />
to citizens a political system that had become highly<br />
orchestrated, professionalized and exclusionary. A<br />
typology of active, passive and inactive political involvement<br />
is presented to accurately distinguish civic<br />
involvement from political disengagement and to categorize<br />
the types of empowerment and rewards – both<br />
material and symbolic – that different modes of civic<br />
activity afford. Even if only symbolically empowering,<br />
civic engagement through new media serves as an<br />
important legitimizing mechanism of mass democracy.“<br />
Jg 3 (2001) Nr 4<br />
Singh, Supriya: Gender and the use of the internet<br />
at home. – S. 395 – 416<br />
„In the United States and Australia, men and women<br />
use the internet in nearly equal measure, whereas in<br />
Japan, India and China, men continue to dominate internet<br />
use. This article focuses on gender differences in<br />
the use of the internet at home as seen from women’s<br />
perspectives and draws particularly on open-ended interviews<br />
in 1999 with 30 middle-income Anglo-Celtic<br />
women with internet access in urban and rural areas of<br />
Australia. The study found that women generally use<br />
the internet as a tool for activities, rather than as play<br />
or a technology to be mastered. This partially explains<br />
why women farmers use the internet more extensively<br />
than their farmer husbands. When women become<br />
comfortable with technology – as with the telephone<br />
or the PC on a farm – women see it as a tool rather than<br />
a technology. Women’s continued discomfort with<br />
technology thus remains at the centre of the social<br />
construct of gender and technology.“<br />
Kretschmer, Martin; Klimis, George Michael;<br />
Wallis, Roger: Music in electronic markets: an<br />
empirical study. – S. 417 – 442<br />
„Music plays an important, and sometimes overlooked<br />
part in the transformation of communication<br />
and distribution channels. With a global market volume<br />
exceeding US$40 billion, music is not only one of<br />
the primary entertainment goods in its own right.<br />
Since music is easily personalized and transmitted, it<br />
also permeates many other services across cultural<br />
borders, anticipating social and economic trends. This<br />
article presents one of the first detailed empirical studies<br />
on the impact of internet technologies on a specific<br />
industry. Drawing on more than 100 interviews<br />
conducted between 1996 and 2000 with multinational<br />
and independent music companies in 10 markets,<br />
strategies of the major players, current business models,<br />
future scenarios and regulatory responses to the<br />
online distribution of music files are identified and<br />
evaluated. The data suggest that changes in the music<br />
industry will indeed be far-reaching, but disintermediation<br />
is not the likely outcome.“<br />
Dijk, Jan A.G.M van; Vos, Loes de: Searching<br />
for the Holy Grail: images of interactive television.<br />
– S. 443 – 465<br />
Der Beitrag entwickelt zunächst Definitionen für<br />
„Fernsehen“ und „Interaktivität“. Eine Befragung<br />
von 74 ITV-Unternehmensexperten aus den Bereichen<br />
Fernseh- und Multimedia-Content-Produktion<br />
in Amerika, Asien und Europa ermittelt deren Vorstellungen<br />
von den Aktivitätstypen, die sie dem ITV<br />
zuordnen (von der menuegesteuerten Auswahl bis zur<br />
Kommunikation), der Distributionsplattform (STB<br />
und PC) und des sozialräumlichen Nutzungskontextes<br />
(Wohnzimmer). TV-Produzenten entwerfen ITV<br />
dabei als ein vervielfachtes, um Wahloptionen und<br />
Transaktionsmöglichkeiten erweitertes Fernsehangebot.<br />
Internet-Produzenten erwarten dagegen, dass die<br />
vielfältigen Möglichkeiten kommunikativer und wirtschaftlicher<br />
Transaktionen der Netzkommunikation<br />
mit ITV einen breiteren Kreis von Beteiligten finden.<br />
Beide Gruppen erwarten eine rasche Durchsetzung<br />
von ITV, sind aber immer noch auf der Suche nach einem<br />
Geschäftsmodell.<br />
Nerone, John; Barnhurst, Kevin G.: Beyond<br />
modernism: digital design, Americanization<br />
and the future of newspaper form. – S. 467 – 482<br />
„After reviewing the emergence of online newspapers,<br />
we offer observations based on historical and design<br />
analyses of major US sites, supplemented top-down<br />
by innovators in the Americas and Europe and bottom-up<br />
by sites serving one locality in Massachusetts.<br />
Despite losing typical print elements, the late modern<br />
designs emphasize text, with minimal multimedia<br />
content, especially on local sites. Instead of giving outlet<br />
to news handicraft, corporate and promotional<br />
312
Zeitschriftenlese<br />
models abound. The web flattens hierarchies, » exposes<br />
content sources, and deforms journalistic authority<br />
by disarticulating the audience. Historical parallels include<br />
19th-century flows of design innovation from<br />
advertising into news and of informational tasks from<br />
reporting into photojournalism. Newspapers can coexist<br />
with the internet while surrendering some tasks,<br />
such as archiving factual background, becoming instead<br />
more analytical advocates.“<br />
Leung, Louis: College students motives for<br />
chatting on ICQ. – S. 483 – 500<br />
„Results from a random sample of 576 college students<br />
show that relaxation, entertainment and fashion<br />
are instrumental motives for ICQ (I seek you) use<br />
while inclusion, affection, sociability and escape are<br />
the intrinsic motives. Students who are heavy users of<br />
ICQ are motivated by affection and sociability whilst<br />
light users are motivated by fashion. … The findings<br />
suggest that ICQ is a technology that faciliates social<br />
relations and is a major source of entertainment for<br />
college students.“<br />
Nordicom Review<br />
Jg 22 (2001) Nr 2<br />
Myagmar, Munkhmandakh; Nielsen, Poul<br />
Erik: The Mongolian media landscape in transition:<br />
a cultural clash between global, national,<br />
local and „no nomads“ media. – S. 3 – 14<br />
Ruoho, Iiris: Reality and Finnish TV criticism.<br />
– S. 15 – 30<br />
Boréus, Kristina: Discursive discrimination<br />
and its expressions. – S. 31 – 38<br />
Väliverronen, Esa: Popularisers, interpreters,<br />
advocates, managers and critics: framing<br />
science and scientists in the media. – S. 39 – 48<br />
Gjedde, Lisa; Ingemann, Bruno: In the beginning<br />
was the experiences: the experimental reception<br />
studies. – S. 49 – 60<br />
Hujanen, Jaana: From consuming printed news<br />
to making online journalism? young Finn’s<br />
newspaper reading at the millennium. – S. 61 –<br />
70<br />
Vihalemm, Peeter: Development of media research<br />
in Estonia. – S. 79 – 94<br />
Jarlbro, Gunilla: Children and advertising on<br />
television: a survey of the research in Estonia. –<br />
S. 71 – 78<br />
Political Communication<br />
Jg 18 (2001) Nr 4<br />
Valentino, Nicholas A.; Beckmann, Matthew<br />
N.; Buhr, Thomas A.: A spiral of cynicism for<br />
some: the contigent effects of campaign news<br />
frames on participation and confidence in government.<br />
– S. 347 – 368<br />
Lee, GangHeong; Cappella, Joseph N.: The effects<br />
of political talk radio on political attitude<br />
formation: exposure versus knowledge. – S. 369<br />
– 394<br />
Niven, David; Zilber, Jeremy: Do women and<br />
men in congress cultivate different images?<br />
evidence from congressional web sites. – S. 395<br />
– 406<br />
Ryfe, David Michael: History and political<br />
communication: an introduction. – S. 407 – 420<br />
Schudson, Michael: Politics as cultural practice.<br />
– S. 421 – 432<br />
Peters, John Durham: „The only proper scale<br />
of representation“: the politics of statistics and<br />
stories. – S. 433 – 450<br />
Herbst, Susan: Public opinion infrastructures:<br />
meanings, measures, media. – S. 451 – 464<br />
Public Opinion Quarterly<br />
Jg 65 (2001) Nr 3<br />
Gunther, Albert C. u. a.: Congenial public,<br />
contrary press, and biased estimates of the climate<br />
of opinion. – S. 295 – 320<br />
Howell, Susan E.; McLean, William P.: Performance<br />
and race in evaluating minority mayors.<br />
– S. 321 – 343<br />
Wagenaar, Alexander C. u. a.: Liability of commercial<br />
and social hosts for alcohol-related injuries:<br />
a national survey of accountability<br />
norms and judgments. – S. 344 – 368<br />
Shaw, Greg M.; Reinhart, Stephanie L.: Devolution<br />
and confidence in government. – S. 369 –<br />
388<br />
Traugott, Michael W.: Assessing poll performance<br />
in the 2000 campaign. – S. 389 – 419<br />
Publizistik<br />
Jg 46 (2001) Nr 4<br />
Lauf, Edmund: „Publish or perish?“: deutsche<br />
Kommunikationsforschung in internationalen<br />
Fachzeitschriften. – S. 369 – 382<br />
„Der vorliegende Beitrag geht aus kommunikations-<br />
313
M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />
wissenschaftlicher Perspektive den Fragen nach, (1)<br />
welches die wesentlichen internationalen kommunikationswissenschaftlichen<br />
Fachzeitschriften sind, (2)<br />
welchen Anteil Beiträge von Forschern aus europäischen<br />
Staaten daran haben und (3) welchen internationalen<br />
Einfluss deutsche Autoren durch Beiträge in internationalen<br />
und deutschen Fachzeitschriften nehmen.<br />
Eine Analyse des Social Sciences Citation Index<br />
der Jahre 1988 bis 2000 zeigt, dass viele internationale<br />
kommunikationswissenschaftliche Fachzeitschriften<br />
fast ausschließlich Beiträge US-amerikanischer Autoren<br />
publizieren und nicht als international bezeichnet<br />
werden können. Wenn jedoch Zeitschriften nicht<br />
überwiegend Beiträge von Forschern aus den USA<br />
publizieren, ist der Anteil europäischer und auch<br />
deutscher Autoren erheblich. Die Beiträge deutscher<br />
Autoren stammen jedoch fast ausschließlich aus einzelnen<br />
Instituten bzw. von einzelnen Forschern, die<br />
Breite der deutschen Kommunikationsforschung findet<br />
sich in internationalen Zeitschriften nicht wieder.<br />
Ein weiteres Ergebnis ist, dass Beiträge in deutschen<br />
kommunikationswissenschaftlichen Fachzeitschriften<br />
durchaus in Form von Zitaten in internationalen und<br />
amerikanischen Fachzeitschriften Beachtung finden.“<br />
Dorer, Johanna: Aus- und Weiterbildung für<br />
Journalistinnen und Journalisten: historische<br />
Entwicklung und Stand der Ausbildungssituation<br />
in Österreich. – S. 383 – 402<br />
Beck, Klaus: <strong>Medien</strong>berichterstattung über<br />
<strong>Medien</strong>konzentration: journalistische Strategien<br />
am Fallbeispiel der Fusion von AOL und<br />
Time Warner. – S. 403 – 424<br />
Kunczik, Michael: Dr. Fox lebt oder warum<br />
laut Lothar Rolke Public Relations gesellschaftlich<br />
erwünscht sind: „If you can’t convince<br />
them, confuse them“. – S. 425 – 437<br />
„Ausgehend von der Annahme, dass Theorien empirisch<br />
überprüfbar sein müssen und neben der Ordnung<br />
von Sachverhalten auch die Erkenntnis vergrößern<br />
sollen, wird Kritik an einer Richtung der PR-<br />
Theorie geübt, die sich insbesondere auf die Systemtheorie<br />
Luhmanns beruft. Es wird argumentiert, dass<br />
in diesem Fall der Bezug zur gesellschaftlichen Wirklichkeit<br />
verloren geht und die Theorie <strong>zum</strong> Wortspiel<br />
wird, das keinen Erkenntnisfortschritt liefert. Argumentiert<br />
wird ferner, dass die Theorie des ausgehenden<br />
19. Jahrhunderts (Herbert Spencer) weiter entwickelt<br />
war als diese in moderner Begrifflichkeit argumentierende<br />
Variante der PR-Theorie.“<br />
Rtkom<br />
Jg 53 (2001) Nr 4<br />
Tschoepe, Sven: Jurisdictional and choice-oflaw-aspects<br />
of mobile commerce and mobile<br />
services, Teil 1. – S. 208 – 216<br />
Koch, Alexander: Das strafbewehrte Abhörverbot<br />
nach § 86 TKG. – S. 217 – 225<br />
Gem. § 86 TKG ist das Abhören von Nachrichten, die<br />
für die empfangende Funkanlage nicht bestimmt sind,<br />
verboten und nach § 95 TKG strafbewehrt. Der Verfasser<br />
zeigt verschiedene Ansätze der Auslegung des §<br />
86 TKG auf und untersucht daraufhin, inwieweit Abhörverbote<br />
verfassungsrechtliche gerechtfertigt sind.<br />
Koenig, Christian; Neumann, Andreas: Die<br />
Übermittlung von Entgeltdaten an Dritte<br />
durch Telekommunikationsdiensteanbieter. –<br />
S. 226-233<br />
Durch die insbesondere durch Call-by-Call-Angebote<br />
wachsende Inanspruchnahme von verschiedenen<br />
Diensteanbietern steigt auch die Zahl der an der Abrechnung<br />
gegenüber dem Dienstenutzer beteiligten<br />
Unternehmen. Die damit einhergehende Notwendigkeit<br />
der Weitergabe telekommunikationsspezifischer<br />
Daten an Dritte wirft insbesondere im Telekommunikationsdatenschutz<br />
rechtliche Fragen auf. Der Verfasser<br />
untersucht zunächst die rechtliche Einbindung<br />
Dritter in das Verhältnis zwischen Diensteanbieter<br />
und dem Kunden, zeigt rechtliche Vorgaben über den<br />
Einzug des Entgelts durch Dritte (§ 7 Abs. 1 S. 2<br />
TDSV) auf und geht auf die Datenschutzkontrolle in<br />
diesem Bereich ein.<br />
Studies in Communication Sciences<br />
Jg 2 (2002) Nr 1<br />
Danesi, Marcel: Abstract concept-formation as<br />
metaphorical layering. – S. 1 – 22<br />
Morris, John: Newspapers in the age of Internet:<br />
adding interactivity to objectivity. – S. 23 –<br />
50<br />
Nanini, Alda: Itte ii koto, itte wa ikenai koto:<br />
what to say and what not to say: a cross-cultural<br />
survey of social and linguistic behavior in Japanese<br />
and Italian. – S. 51 – 68<br />
Shockley-Zalabak, Pamela; Morley, Dean;<br />
Cesaria, Ruggero: Organizational influence<br />
processes: perceptions of values communication,<br />
and effectiveness. – S. 69 – 104<br />
Russ-Mohl, Stephan: Garanzia di qualità giornalistica<br />
nel ciclo dell’attenzione. – S. 105 – 130<br />
Huerta, Angeles: Virtual education in real<br />
Spain. – S. 131 – 148<br />
Lepori, Benedetto; Cantoni, Lorenzo; Mazza,<br />
Riccardo: The history and practice of push<br />
communication: some critical reflections. – S.<br />
149 – 164<br />
Romano, Gaetano: Kultur von Nationen: Kultur<br />
von Organisationen. – S. 165 – 186<br />
314
Zeitschriftenlese<br />
Tolley’s Communications Law<br />
Jg 6 (2001) Nr 4<br />
Thole, Elisabeth P. M.: Legal aspects of IT outsourcing.<br />
– S. 143 – 149<br />
Davies, Clive: Technology joint ventures. –<br />
S. 150 – 153<br />
Abeyratne, Ruwantissa: The exchange of airline<br />
passenger information: issues of privacy. –<br />
S. 153 – 162<br />
Zeitschrift für <strong>Medien</strong>psychologie<br />
Jg 13 (2001) Nr 4<br />
Weber, René: Datenanalyse mittels Neuronaler<br />
Netze am Beispiel des Publikumserfolgs von<br />
Spielfilmen. – S. 164 – 176<br />
Stiller, Klaus: Navigation über Bilder und bimodale<br />
Textdarbietung beim computerbasierten<br />
Lernen. – S. 177 – 187<br />
<strong>Medien</strong>psychologische Methoden: Internet-<br />
Ressourcen für die medienpsychologische Forschung,<br />
Lehre und Praxis. – S. 188<br />
Zeitschrift für Urheber- und <strong>Medien</strong>recht<br />
Jg 45 (2001) Sonderheft<br />
Schulz, Wolfgang; Held, Thorsten; Kops, Manfred:<br />
Perspektiven der Gewährleistung freier<br />
öffentlicher Kommunikation: ein interdisziplinärer<br />
Versuch unter Berücksichtigung der<br />
gesellschaftlichen Bedeutsamkeit und Marktfähigkeit<br />
neuer Kommunikationsdienste. –<br />
S. 621 – 642<br />
„Bei dem [...] Text handelt es sich um den Überblick<br />
über die Ergebnisse einer interdisziplinäre Untersuchung,<br />
die juristische – vornehmlich verfassungsrechtliche<br />
-und ökonomische Argumentationen integriert.<br />
Ausgangspunkt ist die Frage, wie angesichts der<br />
mit der technischen Konvergenz verbundenen Ausdifferenzierung<br />
unterschiedlicher Kommunikations-<br />
Dienstetypen die verfassungsrechtlich geforderte Gewährleistung<br />
freier öffentlicher Kommunikation realisiert<br />
werden kann. Es handelt sich um ein Gutachten,<br />
das die Verfasser im Auftrag der Arbeitsgemeinschaft<br />
der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der<br />
Bundesrepublik Deutschland (ARD) erstellt haben.<br />
[...] Die zentrale Fragestellung dieser Untersuchung<br />
lautet: Werden die verfassungsrechtlichen Anforderungen<br />
an öffentliche Kommunikation auch im Hinblick<br />
auf neue, vor allem privatwirtschaftlich erbrachte<br />
Kommunikationsdienste erfüllt? Inwiefern besteht<br />
Handlungsbedarf für den ausgestaltenden Gesetzgeber?“<br />
Hierzu werden zunächst die Kriterien herausgearbeitet,<br />
die die besondere Bedeutung von Kommunikationsdiensten<br />
für die Zielvorgaben aus Art. 5 Abs.<br />
1 S. 2 GG ausmachen, und diese Kriterien auf verschiedene<br />
Online-Dienste angewendet. Im zweiten<br />
Schritt wird untersucht, inwieweit das kommerzielle<br />
Angebot dieser Dienste Defizite im Hinblick auf die<br />
Erfüllung der verfassungsrechtlichen Ziele aufweist.<br />
Dies erfolgt mit Hilfe der wirtschaftswissenschaftlichen<br />
Theorie der Marktmängel bzw. des Marktversagens.<br />
Schließlich werden beispielhaft drei Optionen<br />
<strong>zum</strong> Ausgleich von Defiziten dargestellt: die Unterstützung<br />
von non-profit-Organisationen wie Stiftungen,<br />
die Einbeziehung weiterer Dienstetypen in die<br />
Aktivitäten öffentlich-rechtlichen Rundfunks und die<br />
Selbstbindung von privaten Unternehmen (d. h. die<br />
Schaffung von Anreizen zur Veränderung von Arbeitsabläufen<br />
und Organisationsformen).<br />
Jg 45 (2001) Nr 10<br />
Kreile, Johannes: Konzertgenuss mit Hindernissen.<br />
– S. 731 – 760<br />
Frentz, Raitz von; Marder, Larissa: Insolvenz<br />
des Filmrechtehändlers. – S. 761 – 769<br />
Hucke, Anja: Ist Powershopping wirklich<br />
wettbewerbswidrig? Anmerkung <strong>zum</strong> Urteil<br />
des OLG Köln vom 1.6.2001, ZUM 2001, 598.<br />
– S. 770 – 774<br />
Hahn, Richard: Finanzkontrolle der Rechnungshöfe<br />
über Beteiligungsgesellschaften öffentlich-rechtlicher<br />
Rundfunkanstalten. – S.<br />
775 – 787<br />
In dem Beitrag wird untersucht, inwieweit sich die<br />
Prüfungskompetenz der Landesrechnungshöfe auch<br />
auf die Beteiligungsgesellschaften der öffentlichrechtlichen<br />
Rundfunkanstalten erstreckt. Nach einer<br />
Darstellung der gesetzlichen Praxis am Beispiel des<br />
WDR, SWR und BR geht der Autor verfassungsrechtlichen<br />
Bedenken eines Prüfungsrechts der Rechnungshöfe<br />
gegenüber den Beteiligungsgesellschaften<br />
nach. Der Landesgesetzgeber habe mangels Gesetzgebungskompetenz<br />
nicht die Möglichkeit, den Beteiligungsgesellschaften<br />
unmittelbar eine Rechnungslegung<br />
vorzuschreiben, welche die handels- und gesellschaftsrechtlichen<br />
Regelungen beschränke oder erweitere.<br />
Er könne aber den öffentlich-rechtlichen<br />
Rundfunkanstalten in deren Funktion als Gesellschafter<br />
an den jeweiligen Beteiligungsunternehmen gewisse<br />
Einwirkungspflichten auferlegen. Die gesetzliche<br />
Verpflichtung der Rundfunkanstalten, dafür zu sorgen,<br />
dass die Beteiligungsgesellschaften die Möglichkeit<br />
der Unternehmensprüfung in ihre Satzungen aufnehmen,<br />
sei dann nicht mit Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG<br />
vereinbar, wenn bei der Rundfunkanstalt bereits ausreichende<br />
interne Kontrollmechanismen bestünden<br />
und wenn eine Betätigungsprüfung bei der Rundfunkanstalt<br />
ein ebenso effektives Mittel darstelle.<br />
Radmann, Friedrich: Abschied von der Branchenübung:<br />
für ein uneingeschränktes Namensnennungsrecht<br />
der Urheber. – S. 788 – 792<br />
Haberstumpf, Helmut: Wem gehören Forschungsergebnisse?:<br />
<strong>zum</strong> Urheberrecht an<br />
Hochschulen. – S. 819 – 827<br />
315
M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />
Jg 45 (2001) Nr 11<br />
Bayreuther, Frank: Beschränkungen des Urheberrechts<br />
nach der neuen EU-Urheberrechtsrichtlinie.<br />
– S. 828 – 838<br />
Koch, Frank A.: Zur Regelung der Online-<br />
Übermittlung von Datenbanken und Datenbankwerken<br />
im Diskussionsentwurf <strong>zum</strong><br />
Fünften Urheberrechtsänderungsgesetz. – S.<br />
839 – 845<br />
Hornig, Michael: Möglichkeiten des Ordnungsrechts<br />
bei der Bekämpfung rechtsextremistischer<br />
Inhalte im Internet: zur Internet-<br />
Aufsicht auf der Grundlage des §18 <strong>Medien</strong>dienste-Staatsvertrages.<br />
– S. 846 – 857<br />
Wasmuth, Johannes: Verbot der Werkänderung<br />
und Rechtschreibereform. – S. 858 – 865<br />
Jg 45 (2001) Nr 12<br />
Stettner, Rupert: Die Rechtsprechung der Verfassungs-<br />
und Verwaltungsgerichte <strong>zum</strong><br />
Bayerischen <strong>Medien</strong>gesetz (BayMG) 1992 –<br />
2000. – S. 903 – 949<br />
Der Beitrag enthält eine Analyse der Entscheidungen<br />
der Verfassungs- und Verwaltungsgerichte <strong>zum</strong><br />
Bayerischen <strong>Medien</strong>gesetz von 1992 bis 2000. Die Besonderheit<br />
des Bayerischen <strong>Medien</strong>rechts besteht<br />
darin, dass gemäß Art. 111 a Abs. 2 Satz 1 der Bayerischen<br />
Verfassung auch privater Rundfunk in öffentlich-rechtlicher<br />
Trägerschaft und öffentlicher Verantwortung<br />
veranstaltet wird. Veranstalter ist daher formal<br />
die Landesmedienanstalt, die Bayerische Landeszentrale<br />
für neue <strong>Medien</strong>. Der Autor stellt unter<br />
anderem die Entscheidungen „Deutsches SportFernsehen“<br />
(hier spricht der Autor von einem „Duell von<br />
Verwaltungs- und Verfassungsgerichtshof“), „extra<br />
radio“, „H.O.T.“ und Entscheidungen zu Auswahlentscheidungen<br />
bei der Kabelweiterverbreitung und<br />
<strong>zum</strong> Teilnehmerentgelt dar und unterzieht diese einer<br />
kritischen Würdigung.<br />
Oppermann, Thomas: EU-Tabakwerbeverbot<br />
am Europäischen Gerichtshof vorbei? Untersuchung<br />
des neuen Brüsseler Richtlinienvorschlages<br />
vom 30.5.2001. – S. 950 – 952<br />
Radau, Hans Joachim: Bilanzierung und Abschreibung<br />
von Filmrechten nach dem Schreiben<br />
des Bundesministeriums der Finanzen vom<br />
23. Februar 2001 zur ertragsteuerlichen Behandlung<br />
von Film- und Fernsehfonds (<strong>Medien</strong>erlass).<br />
– S. 953 – 957<br />
Schwarz, Mathias; Zitzewitz, Stephan von: Die<br />
internationale Koproduktion: steuerliche Behandlung<br />
nach Inkrafttreten des <strong>Medien</strong>erlasses.<br />
– S. 958 – 968<br />
Baur, Stephan: Der <strong>Medien</strong>erlass des Bundesfinanzministeriums:<br />
Auswirkungen für die Filmindustrie:<br />
Diskussionsbericht vom gleichnamigen<br />
XV. Münchner Symposion <strong>zum</strong> Film- und<br />
<strong>Medien</strong>recht am 6. Juli 2001 in München. –<br />
S. 969 – 972<br />
Wagner, Christoph; Obergfell, Eva Inés: Altfälle<br />
und neue Nutzungsarten: zu urhebervertrags-<br />
und kollisionsrechtlichen Nachwirkungen<br />
der deutschen Wiedervereinigung: zugleich<br />
eine Anmerkung <strong>zum</strong> Urteil des BGH vom<br />
19. April 2001, IZR 283/98. – S. 973 – 980<br />
Jg 46 (2002) Nr 1<br />
Flechsig, Norbert: Grundlagen des Europäischen<br />
Urheberrechts: die Richtlinie zur Harmonisierung<br />
des Urheberrechts in Europa und<br />
die Anforderungen an ihre Umsetzung in deutsches<br />
Recht. – S. 1 – 20<br />
Berger, Christian: Zur zukünftigen Regelung<br />
der Katalogbildfreiheit in § 58 UrhG. – S. 21 –<br />
27<br />
Dreier, Thomas: Die Umsetzung der Urheberrechtsrichtlinie<br />
2001/29/EG in deutsches<br />
Recht. – S. 28 – 42<br />
Reinbothe, Jörg: Die Umsetzung der EU-Urheberrechtsrichtlinie<br />
in deutsches Recht. – S. 43<br />
– 51<br />
316
Literaturverzeichnis<br />
11 Bibliographien. Lexika<br />
12 Jahrbücher. Geschäftsberichte<br />
21 Kommunikationswissenschaft und -forschung<br />
22 Journalismus. <strong>Medien</strong>berufe<br />
23 Publizistische Persönlichkeiten<br />
24 <strong>Medien</strong>institute<br />
31 Kommunikation<br />
32 Kommunikationspolitik<br />
33 Lokalkommunikation. Bundesländer<br />
41 Massenkommunikation Politik<br />
42 Massenkommunikation Gesellschaft<br />
43 Massenkommunikation Kultur<br />
12 Jahrbücher. Geschäftsberichte<br />
Geschäftsbericht 2000. – Hamburg: Zennerdruck,<br />
2001. – 78 S.<br />
Geschäftsbericht 2000 / Hamburgische Anstalt<br />
für neue <strong>Medien</strong>, HAM (Hrsg.). – Hamburg:<br />
HAM, 2001. – 46 S.<br />
Jaarverslag 2000. – Hilversum: NCRV, 2001. –<br />
36 S.<br />
Statistisches Jahrbuch auf CD-ROM 2001: das<br />
komplette Statistische Jahrbuch für die BRD<br />
und für das Ausland. – Stuttgart: Metzler Poeschel,<br />
2001. – CD-ROM<br />
21 Kommunikationswissenschaft und<br />
-forschung<br />
Forschungsgegenstand Öffentliche Kommunikation:<br />
Funktionen, Aufgaben und Strukturen<br />
der <strong>Medien</strong>forschung / Hasebrink, Uwe; Matzen,<br />
Christiane (Hrsg.). – Baden-Baden: Nomos,<br />
2001. – 196 S. (Symposien des Hans-Bredow-Instituts;<br />
20)<br />
Massenkommunikation, Interaktion und soziales<br />
Handeln / Sutter, Tilmann; Charlton,<br />
Michael (Hrsg.). – Wiesbaden: Westdt. Verl.,<br />
2001. – 274 S.<br />
22 Journalismus. <strong>Medien</strong>berufe<br />
Chion, Michel: Techniken des Drehbuchschreibens.<br />
– Berlin: Alexander Verl., 2001. –<br />
267 S.<br />
Hane, Paula J.: Super searchers in the news: the<br />
online secrets of journalists and news researchers<br />
/ Basch, Reva (Hrsg.). – Medford: Information<br />
Today, 2000. – 251 S.<br />
51 Telekommunikation. Informationsgesellschaft<br />
52 Neue Technologien. Multimedia<br />
61 Internationale Kommunikation<br />
62 Europa Kommunikation<br />
71 Massenmedien, allgemein<br />
72 <strong>Medien</strong> Bildung<br />
73 <strong>Medien</strong> Ökonomie<br />
74 <strong>Medien</strong> Recht<br />
75 Rundfunk<br />
76 Werbung<br />
81 Publikum. <strong>Medien</strong>nutzung<br />
82 Rezeptionsforschung<br />
83 Kinder Jugendliche <strong>Medien</strong><br />
91 Literatur zu einzelnen Ländern<br />
Hooffacker, Gabriele: Online-Journalismus:<br />
Schreiben und Gestalten für das Internet; ein<br />
Handbuch für Ausbildung und Praxis. – München:<br />
List Verl., 2001. – 254 S.<br />
Im Seichten kann man nicht ertrinken …: <strong>Medien</strong><br />
zwischen Sinn und Sensation; <strong>Medien</strong>-Disput<br />
der Friedrich-Ebert-Stiftung vom 9. November<br />
2000 in Mainz. – Bonn: FES, 2001. – 184<br />
S.<br />
<strong>Medien</strong>sprache und <strong>Medien</strong>linguistik: Festschrift<br />
für Jörg Hennig / Möhn, Dieter u. a.<br />
(Hrsg.). – Frankfurt am Main: Lang, 2001. – 388<br />
S. (Sprache in der Gesellschaft; 26)<br />
23 Publizistische Persönlichkeiten<br />
Seegers, Lu: Hör zu!: Eduard Rhein und die<br />
Rundfunkprogrammzeitschriften (1931–1965).<br />
– Potsdam: Verl. f. Berlin-Brandenburg, 2001. –<br />
486 S (Veröffentlichungen des Deutschen<br />
Rundfunkarchivs; 34)<br />
31 Kommunikation<br />
Duschlbauer, Thomas W.: <strong>Medien</strong> und Kultur<br />
im Zeitalter der X-Kommunikation. – Wien:<br />
Braumüller, 2001. – 93 S.<br />
33 Lokalkommunikation. Bundesländer<br />
Dreier, Hardy; Uwe Hasebrink: <strong>Medien</strong>wirtschaft<br />
in Schleswig-Holstein 2001: eine Bestandsaufnahme.<br />
– Kiel: ULR, 2001. – 146 S.<br />
(ULR-Schriftenreihe; 18)<br />
Who is who in Hamburg.newmedia 2.0: das<br />
Netzwerk der Online-Kapitäne / Eckert, Angelika;<br />
Reinhard, Ulrike (Hrsg.). – Hamburg:<br />
whois Verl., 2001. – 333 S.<br />
317
M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />
41 Massenkommunikation Politik<br />
Kampagne!: Neue Strategien für Wahlkampf,<br />
PR und Lobbying / Althaus, Marco (Hrsg.). –<br />
Münster: Lit, 2001. – 390 S. (<strong>Medien</strong>praxis; 1)<br />
Mediated politics: Communication in the<br />
future of Democracy / Bennett, Lance W.; Entman,<br />
Robert M. (Hrsg.). – Cambridge: Cambridge<br />
Univ. Press, 2001. – 489 S.<br />
<strong>Medien</strong>demokratie im <strong>Medien</strong>land?: Inszenierung<br />
und Themensetzungsstrategien im Spannungsfeld<br />
von <strong>Medien</strong> und Parteieliten am Beispiel<br />
der nordrhein-westfälischen Landtagswahl<br />
im Jahr 2000 / Sarcinelli, Ulrich; Schatz,<br />
Heribert (Hrsg.). – Opladen: Leske + Budrich,<br />
2001. – 558 S. (Schriftenreihe <strong>Medien</strong>forschung<br />
der Landesanstalt für Rundfunk Nordrhein-<br />
Westfalen; 41)<br />
Meyer, Thomas: Mediokratie: die Kolonisierung<br />
der Politik durch das <strong>Medien</strong>system. –<br />
Frankfurt: Suhrkamp, 2001. – 232 S.<br />
42 Massenkommunikation Gesellschaft<br />
Krotz, Friedrich: Die Mediatisierung kommunikativen<br />
Handelns: der Wandel von Alltag<br />
und sozialen Beziehungen, Kultur und Gesellschaft<br />
durch die <strong>Medien</strong>. – Wiesbaden: Westdeutscher<br />
Verl., 2001. – 288 S.<br />
43 Massenkommunikation Kultur<br />
Die Dunkle Seite der <strong>Medien</strong>: Ängste, Faszinationen,<br />
Unfälle / Laser, Björn; Venus, Jochen;<br />
Filk, Christian (Hrsg.). – Frankfurt: Lang,<br />
2001. – 274 S.<br />
Müller, Christian: <strong>Medien</strong>, Macht und Ethik:<br />
<strong>zum</strong> Selbstverständnis der Individuen in der<br />
<strong>Medien</strong>kultur. – Wiesbaden: Westdeutscher<br />
Verl., 2001. – 166 S.<br />
51 Telekommunikation. Informationsgesellschaft<br />
Elixmann, Dieter; Ulrike Schimmel; Rolf<br />
Schwab: Liberalisierung, Wettbewerb und<br />
Wachstum auf europäischen TK-Märkten /<br />
Wissenschaftliches Institut für Kommunikationsdienste<br />
WIK (Hrsg.). – Bad Honnef: WIK,<br />
2001. – 66 S. (Diskussionsbeiträge; 227)<br />
Kursbuch Internet und Politik: Bd 1; Elektronische<br />
Demokratie und virtuelles Regieren /<br />
Siedschlag, Alexander; Bilgeri, Alexander; Lamatsch,<br />
Dorothea (Hrsg.). – München: Leske +<br />
Budrich, 2001. – 108 S.<br />
Moores, Shaun: Media and Everyday Life in<br />
Modern Society. – Edinburgh: Univ. Press,<br />
2000. – 168 S.<br />
Twilight zones in cyberspace: crimes, risk, surveillance<br />
and user-driven dynamics: Gutachten.<br />
– Bonn: FES, 2001. – 136 S.<br />
52 neue Technologien. Multimedia<br />
Berger, Peter: Computer und Weltbild: Habitualisierte<br />
Konzeptionen von der Welt der<br />
Computer. – Wiesbaden: Westdt. Verl., 2001. –<br />
359 S.<br />
Götzenbrucker, Gerit: Soziale Netzwerke und<br />
Internet-Spielwelten: eine empirische Analyse<br />
der Transformation virtueller in realweltliche<br />
Gemeinschaften am Beispiel von MUDs (Multi<br />
User Dimensions). – Wiesbaden: Westdt.<br />
Verl., 2001. – 216 S.<br />
Grimme, Katherina: Digital television standardization<br />
and strategies. – London: Artech House,<br />
2001. – 283 S.<br />
Höckels, Astrid: Internationaler Vergleich der<br />
Wettbewerbsentwicklung im Local Loop. –<br />
Bad Honnef: WIK, 2001. – 104 S. (Diskussionsbeiträge;<br />
228)<br />
Metzler, Anette: Preispolitik und Möglichkeiten<br />
der Umsatzgenerierung von Internet Service<br />
Providern. – Bad Honnef: WIK, 2001. –<br />
52 S. (Diskussionsbeiträge; 229)<br />
61 internationale Kommunikation<br />
Culture in communication: Analyses of Intercultural<br />
Situations / Di Luzio, Aldo; Gunther,<br />
Susanne; Orletti, Franca (Hrsg.). – Amsterdam:<br />
J. Benjamins Publ., 2000. – 341 S. (Pragmatics<br />
and beyond: New series; 81)<br />
Meckel, Miriam: Die globale Agenda: Kommunikation<br />
und Globalisierung. – Wiesbaden:<br />
Westdeutscher Verl., 2001. – 209 S.<br />
71 Massenmedien, allgemein<br />
Burke, Peter; Asa Briggs: A social history of the<br />
media: from Gutenberg to the Internet. – Malden:<br />
Blackwell Publ., 2001. – 374 S.<br />
Daten zur <strong>Medien</strong>situation in Deutschland:<br />
Basisdaten 2001. – Frankfurt: Media Perspektiven,<br />
2001. – 92 S.<br />
Frei, Norbert: Karrieren im Zwielicht: Hitlers<br />
Eliten nach 1945. – Frankfurt: Campus Verlag,<br />
2001. – 364 S.<br />
318
Literaturverzeichnis<br />
Handbuch der <strong>Medien</strong>geschichte / Schanze,<br />
Helmut (Hrsg.). – Stuttgart: Kröner Verl.,<br />
2002. – 575 S.<br />
Liebe 2000: Konzepte von Liebe in der populären<br />
Kultur heute / Faulstich, Werner<br />
(Hrsg.). – Bardowick: Wissenschaftler-Verl.,<br />
2002. – 174 S. (IfAM-Arbeitsberichte; 19)<br />
Die <strong>Medien</strong>-Macher: Programme, Produzenten<br />
und <strong>Medien</strong>politik in Deutschland / Lorenz,<br />
Thorsten; Steinig, Wolfgang; Wölfing,<br />
Willi (Hrsg.). – Weinheim: Beltz, 2001. – 235 S.<br />
Prokop, Dieter: Der Kampf um die <strong>Medien</strong>: das<br />
Geschichtsbuch der neuen kritischen <strong>Medien</strong>forschung.<br />
– Hamburg: VSA-Verl., 2001. –<br />
494 S.<br />
72 <strong>Medien</strong> Bildung<br />
Aktuelle Aspekte medienpädagogischer Forschung:<br />
Interdisziplinäre Beiträge aus Forschung<br />
und Praxis / Schweer, Martin K. W.<br />
(Hrsg.). – Wiesbaden: Westdt. Verl., 2001. –<br />
242 S.<br />
Hugger, Kai-Uwe: <strong>Medien</strong>pädagogik als Profession:<br />
Perspektiven für ein neues Selbstverständnis.<br />
– München: KoPäd, 2001. – 160 S.<br />
Multimediales Schulfernsehen: Handbuch für<br />
Pädagogen / SWR-Schulfernsehen (Hrsg.). –<br />
München: TR-Verlagsunion, 2001. – 135 S.<br />
Selbstausdruck mit <strong>Medien</strong>: Eigenproduktionen<br />
mit <strong>Medien</strong> als Gegenstand der Kindheitsund<br />
Jugendforschung / Niesyto, Horst (Hrsg.).<br />
– München: KoPäd Verl., 2001. – 215 S.<br />
Spannungsfeld <strong>Medien</strong> und Erziehung: medienpädagogische<br />
Perspektiven; Dieter Spanhel<br />
<strong>zum</strong> 60. Geburtstag gewidmet / Kleber, Hubert<br />
(Hrsg.). – München: KoPäd, 2001. – 279 S.<br />
73 <strong>Medien</strong> Ökonomie<br />
Kulle, Jürgen: Ökonomie der Musikindustrie:<br />
eine Analyse der körperlichen und unkörperlichen<br />
Musikverwertung mit Hilfe von Tonträgern<br />
und Netzen. – Frankfurt am Main: Lang,<br />
1998. – 306 S. (Hohenheimer volkswirtschaftliche<br />
Schriften; 32)<br />
74 <strong>Medien</strong> Recht<br />
Dörr, Dieter: Jugendschutz in den elektronischen<br />
<strong>Medien</strong> – Bestandsaufnahme und Reformabsichten:<br />
eine Untersuchung der verfassungsrechtlichen<br />
Vorgaben unter besonderer<br />
Berücksichtigung der Situation im Rundfunk. –<br />
München: R. Fischer, 2001. – 133 S. (BLM-<br />
Schriftenreihe; 67)<br />
Dörr, Dieter; Hubertus Gersdorf: Der Zugang<br />
<strong>zum</strong> Digitalen Kabel: zwei Rechtsgutachten im<br />
Auftrag der Gemeinsamen Stelle Digitaler Zugang<br />
der Landesmedienanstalten. – Berlin:<br />
Vistas, 2002 (Schriftenreihe der Landesmedienanstalten;<br />
22)<br />
Frye, Bernhard: Die Staatsaufsicht über die öffentlich-rechtlichen<br />
Rundfunkanstalten. – Berlin:<br />
Duncker & Humblot, 2001. – 212 S. (Schriften<br />
zu Kommunikationsfragen; 30)<br />
Konzentrationskontrolle im Rundfunk und<br />
wettbewerbliche Fusionskontrolle: Dokumentation<br />
des Fachgesprächs der Kommission zur<br />
Ermittlung der Konzentration im <strong>Medien</strong>bereich<br />
(KEK) und der Direktorenkonferenz der<br />
Landesmedienanstalten (DLM) / Die Landesmedienanstalten<br />
(DLM) (Hrsg.). – Berlin: Vistas,<br />
2001. – 97 S. (Schriftenreihe der Landesmedienanstalten;<br />
21)<br />
Olenhusen, Albrecht Götz von: Film und<br />
Fernsehen: Arbeitsrecht, Tarifrecht, Vertragsrecht<br />
– Deutschland, Österreich, Schweiz;<br />
Kommentar und Handbuch mit Vertragsmustern.<br />
– Baden-Baden: Nomos, 2001. – 964 S.<br />
Reber, Nikolaus: Film Copyright, Contacts<br />
and Profit Participation. – Weinheim: Wiley-<br />
VCH, 2000. – 173 S.<br />
Ruttig, Markus: Der Einfluss des EG-Beihilferechts<br />
auf die Gebührenfinanzierung der öffentlich-rechtlichen<br />
Rundfunkanstalten. –<br />
Frankfurt: Lang, 2001. – 299 S. (Studien und<br />
Materialien <strong>zum</strong> öffentlichen Recht; 14)<br />
Schweitzer, Heike: Daseinsvorsorge, „service<br />
public“, Universaldienst: Art. 86 Abs. 2 EG-<br />
Vertrag und die Liberalisierung in den Sektoren<br />
Telekommunikation, Energie und Post. – Baden-Baden:<br />
Nomos, 2001. – 481 S. (Law and<br />
economics of international telecommunications;<br />
46)<br />
75 Rundfunk<br />
Fahr, Andreas: Katastrophale Nachrichten?:<br />
eine Analyse der Qualität von Fernsehnachrichten.<br />
– München: R. Fischer, 2001. – 216 S.<br />
(Angewandte <strong>Medien</strong>forschung; 19)<br />
Das Geräusch der Provinz – Radio in der Region:<br />
Festschrift 10 Jahre TLM / Thüringer Landesmedienanstalt<br />
/ Rössler, Patrick: Vowe, Gerhard;<br />
Henle, Victor (Hrsg.). – München: KoPäd-<br />
Verl., 2001. – 597 S. (TLM Schriftenreihe; 13)<br />
Kabyl, Ulrike: Derrick: eine Erfolgsgeschichte<br />
319
M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />
des Fernsehens. – Köln: Teiresias, 2001. – 286 S.<br />
(Fernsehwissenschaft; 3)<br />
Krüger, Udo Michael: Programmprofile im<br />
dualen Fernsehsystem 1991-2000: eine Studie<br />
der ARD/ZDF-<strong>Medien</strong>kommission. – Baden-<br />
Baden: Nomos, 2001. – 350 S. (Schriftenreihe<br />
Media Perspektiven; 15)<br />
Programmbericht zur Lage und Entwicklung des<br />
Fernsehens in Deutschland 2000/01 / Arbeitsgemeinschaft<br />
der Landesmedienanstalten; ALM<br />
(Hrsg.). – Konstanz: UVK Verl., 2001. – 441 S.<br />
Sjurts, Insa: <strong>Medien</strong>management: eine kritische<br />
Bestandsaufnahme. – Flensburg: Uni Flensburg,<br />
2001. – 25 S. (<strong>Medien</strong>, <strong>Medien</strong>, <strong>Medien</strong>:<br />
Diskussionsbeiträge; 1)<br />
76 Werbung<br />
Breidenbach, Theo: Zielorientiertes Marketing:<br />
Marken unverwechselbar aufbauen und positionieren.<br />
– Düsseldorf: Metropolitan-Verl.,<br />
2000. – 151 S.<br />
Gerken, Gerd: Cyber-Branding: aus Marken<br />
werden virtuelle Welten. – Düsseldorf: Metropolitan-Verl.,<br />
2001. – 336 S.<br />
Die Marke: Symbolkraft eines Zeichensystems<br />
/ Bruhn, Manfred (Hrsg.). – Bern: Haupt, 2001.<br />
– 250 S. (Facetten der <strong>Medien</strong>kultur; 1)<br />
Moderne Markenführung: Grundlagen, Innovative<br />
Ansätze, Praktische Umsetzungen /<br />
Esch, Franz-Rudolf (Hrsg.). – Wiesbaden: Gabler,<br />
2001. – 1274 S.<br />
Ries, Al; Jack Trout: Positioning: the battle of<br />
your mind. – New York: McGraw-Hill, 2001.<br />
– 246 S.<br />
Siegert, Gabriele: <strong>Medien</strong> Marken Management:<br />
Relevanz, Spezifika und Implikationen<br />
einer medienökonomischen Profilierungsstrategie.<br />
– München: Fischer, 2001. – 270 S.<br />
Upshaw, Lynn; Earl L. Taylor: The Masterbrand<br />
Mandate: the Management Strategy that<br />
unifies companies and Multibles Value. – New<br />
York: John Wiley & Sons, 2000. – 323 S.<br />
81 Publikum. <strong>Medien</strong>nutzung<br />
Der sprechende Zuschauer: wie wir uns Fernsehen<br />
kommunikativ aneignen / Holly, Werner;<br />
Püschel, Ulrich; Bergmann, Jörg (Hrsg.). –<br />
Wiesbaden: Westdt. Verl., 2001. – 330 S.<br />
83 Kinder Jugendliche <strong>Medien</strong><br />
Aufenanger, Stefan; Mike Große-Loheide;<br />
Uwe Hasebrink: Alkohol – Fernsehen – Jugendliche:<br />
Programmanalyse und medienpädagogische<br />
Praxisprojekte / Hamburgische<br />
Anstalt für neue <strong>Medien</strong> (HAM) (Hrsg.). –<br />
Hamburg: Vistas, 2001. – 410 S. (HAM-Schriftenreihe;<br />
21)<br />
Bofinger, Jürgen: Schüler-Freizeit-<strong>Medien</strong>:<br />
eine empirische Studie <strong>zum</strong> Freizeit- und <strong>Medien</strong>verhalten<br />
10- bis 17-jähriger Schülerinnen<br />
und Schüler. – München: KoPäd, 2001. – 256 S.<br />
Hebecker, Eike: Die Netzgeneration: Jugend<br />
in der Informationsgesellschaft. – Frankfurt:<br />
Campus Verl., 2001. – 212 S.<br />
Jahresbericht 1997 bis 2000: Gemeinsame Stelle<br />
Jugendschutz und Programm (GSJP) der<br />
Landesmedienanstalten (DLM): DLM, 2001. –<br />
103 S.<br />
Jugendschutz und Filtertechnologien im Internet.<br />
– Berlin: Bundesministerium für Wirtschaft<br />
und Technologie, 2000. – 157 S.<br />
Kinder und ihr Symbolverständnis: Theorien –<br />
Geschichten – Bilder / Erlinger, Hans Dieter<br />
(Hrsg.). – München: KoPäd, 2001. – 156 S.<br />
Parental control of Television broadcasting/<br />
Price, Monroe E.; Verhulst, Stefaan G. (Hrsg.).<br />
– Mahwah: Erlbaum, 2001. – 314 S.<br />
Reiche Kindheit aus zweiter Hand?: <strong>Medien</strong>kinder<br />
zwischen Fernsehen und Internet; <strong>Medien</strong>pädagogische<br />
Tagung des ZDF 2000 /<br />
Schächter, Markus (Hrsg.). – München: Ko-<br />
Päd, 2001. – 234 S.<br />
91 Literatur zu einzelnen Ländern<br />
Kremenjak, Slobodan; Aleksandra Rabrenovic;<br />
Robert Rittler: The Law of Broadcasting Enterprises<br />
in the Federal Republic of Yugoslavia.<br />
– Wien: ARGE, 2001. – 129 S.<br />
Lind, Rebecca Ann: The relevance of cultural<br />
identity: relying upon foundations of race and<br />
gender as laypeople plan a newscast. – Columbia:<br />
AEJMC, 2001. – 145 S. (Journalism & communication<br />
monographs; 2001/3)<br />
Lury, Karen: British youth television: Cynicism<br />
and enchantment. – Oxford: Clarendon<br />
Press, 2001. – 146 S.<br />
Schroeder, Alan: Presidential debates: forty<br />
years of high-risk TV. – New York: Columbia<br />
Univ. Press, 2000. – 271 S.<br />
Shane, Ed: Disconnected America: the consequences<br />
of mass media in a narcissistic world. –<br />
Armonk: Sharpe, 2001. – 204 S.<br />
320
English Abstracts and Keywords<br />
Wolfgang Hoffmann-Riem: Media regulation as an objective legal mandate of<br />
basic rights (<strong>Medien</strong>regulierung als objektiv-rechtlicher Grundrechtsauftrag),<br />
pp. 175 – 194<br />
The freedom of communication encompasses not only the subjective rights of the individual<br />
against the state, but also an objective legal mandate for the state to work via the<br />
legal order towards ensuring that this basic right can actually be exercised by all persons<br />
as a freedom of individual and collective communicative development and political participation.<br />
The structural changes in the transition to the information society show that<br />
the previous anchoring of subjective rights does not suffice to achieve this goal. Consequently,<br />
a recollection of the objective legal mandate of basic rights, which already<br />
existed at the beginning of the development of basic rights, is important. Above all, those<br />
persons whose power is weak require the protection of rights.<br />
Keywords: media regulation, freedom of communication, convergence, objective legal<br />
mandate, regulated selfregulation, censorship<br />
Axel Schmidt: Aggressive humour in the media – with exemplary reference to the<br />
television comedy show “TV total” (Aggressiver Humor in den <strong>Medien</strong> – am Beispiel<br />
der Fernseh-Comedy-Show “TV total”), pp. 195 – 226<br />
Stefan Raab’s comedy show “TV total” ranks as a prototypical example of more recent<br />
development in German television entertainment. The programme has become a symbol<br />
for disrespectful provocations and unique confrontations between the presenter and<br />
his guests. Whereas critics dismiss the show as a low-quality, smutty and desperately<br />
strained form of comedy, its fans praise the way in which television reality and its protagonists<br />
are dealt with without taboos. The article here attempts to single out typical<br />
characteristics on the basis of an analytical look at individual programme elements in order<br />
to determine the specific format of the programme. In a subsequent microanalytical<br />
speech linguistics analysis of the way Raab deals with his guests, central strategies of<br />
comedy generation are outlined. It is argued that the programme “TV total” mainly<br />
builds on the artificial generation of involuntary comedy as a strategy of appeal.<br />
Keywords: humor, comedy, TV comedy, TV entertainment, qualitative media research,<br />
communication research, conversation analysis, “TV total”, genre analysis<br />
Holger Schramm / Sven Petersen / Karoline Rütter / Peter Vorderer: How does music<br />
get into radio? State and significance of the music research of German radio stations<br />
(Wie kommt die Musik ins Radio? Stand und Stellenwert der Musikforschung<br />
bei deutschen Radiosendern), pp. 227 – 246<br />
Since the dual broadcasting system was introduced in Germany, there has been a growing<br />
formating of radio stations. Music in particular, as a central programme content, defines<br />
a station’s format and determines its listeners. In order to guarantee a music programme<br />
that is optimally tailored to its target group, more and more trust is placed in<br />
321
M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />
music research figures than in the “gut feeling” of the music editors. The article describes<br />
the inadequate state of research on this subject and provides an overview of common<br />
music tests applied in commercial radio research. It cites figures on the state and significance<br />
of the music research of German radio stations at the beginning of the Nineties<br />
and documents two mutually complementary studies reflecting the situation in the year<br />
2001. Finally, the findings are interpreted with respect to the development of music research<br />
over the last ten years and the question answered whether music research or the<br />
gut feeling of the music editors is viewed as more important for the way music programmes<br />
are structured.<br />
Keywords: radio research, music research, music test, radio music, radio music choice,<br />
music programme<br />
Edmund Lauf: Freedom for the data! Secondary analysis and data sets in German<br />
media and communications research (Freiheit für die Daten! Sekundäranalyse<br />
und Datenbestände in der deutschen <strong>Medien</strong>- und Kommunikationswissenschaft),<br />
pp. 247 – 260<br />
In media and communications research too, secondary analyses can be much more than<br />
a second-class analysis, more than an inexpensive utilisation of residual material. This<br />
applies in particular to the analysis of comparable data sets from different countries (spatial)<br />
or from different years (temporal). A necessary prerequisite for a secondary-analysis<br />
utilisation are available data sets. An analysis of the media and communications research<br />
data sets at the Central Archive for Empirical Social Research in Cologne (ZA)<br />
shows that media and communications research receives relatively little attention. This<br />
is attributable in part to the staff at the media and communications research higher<br />
education institutes: a survey revealed that they make only inadequate use of the services<br />
of the ZA and that the willingness to make their own data available is very low. In view<br />
of the losses of data sets that have already occurred or are to be feared, putting central<br />
media and communications research data into archives should be given greater attention<br />
in our subject.<br />
Keywords: secondary analysis, media and communications research data, data archives,<br />
data sets, Zentralarchiv für Empirische Sozialforschung<br />
Hans W. Giessen: Harold A. Innis – ‘Communication’ as a key term for the understanding<br />
of the history of humankind (Harold A. Innis – ,Kommunikation‘ als<br />
Schlüsselbegriff <strong>zum</strong> Verständnis der Menschheitsgeschichte?), pp. 261 – 273<br />
Continental Europe first began taking note of the Canadian Harold A. Innis to any noticeable<br />
degree as an independent author – and not merely as a generator of ideas for<br />
Herbert Marshall McLuhan – in the Nineties. The article begins with a brief intellectual<br />
profile and outlines the most important theoretical statements Innis made. It subsequently<br />
explains that and why a closer look at the works of Innis could be of special interest<br />
today, at the beginning of the ‘information society’ forecast by many authors (at<br />
least: at a time when ‘New Media’ would appear to be replacing older ones as lead media).<br />
A continuation of his theses indicates an interesting new interpretation of our societal<br />
reality. The article seeks to make it clear that the ignoring of the works of Innis for<br />
322
English Abstracts and Keywords<br />
many years, particularly in Germany and France, is definitely surprising in view of the<br />
clear proximity to much-discussed theoretical approaches in both countries. Accordingly,<br />
Innis is not viewed as a solitary figure from a more or less marginalized periphery,<br />
but represents a specifically Canadian variant of a wider interpretational approach<br />
of social theory for his time. Finally, the article discusses possible reasons for the<br />
recipience problems the works of Innis not only face in Continental Europe, but fundamentally.<br />
Keywords: philosophy of history, innis, communication: canada, ways of communication,<br />
McLuhan, media theory, media effects<br />
323
M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieses <strong>Heft</strong>es<br />
Prof. Dr. Ben Bachmair, FB Erziehungswissenschaft, Universität-GH Kassel,<br />
Nora-Platiel-Str.1, 34109 Kassel, E-Mail: bachmair.augsburg@t-online.de oder<br />
bachmair@uni-kassel.de<br />
Dipl.-Sozw. Barbara Berkel, Fg. <strong>Medien</strong>politik, Universität Hohenheim, Fruwirthstr.<br />
47, 70599 Stuttgart, E-Mail: berkel@uni-hohenheim.de<br />
Prof. Dr. Joan Kristin Bleicher, Institut für Germanistik II, Universität Hamburg,<br />
Von-Melle-Park 6, 20146 Hamburg, E-Mail: fs5a097@rrz.uni-hamburg.de<br />
PD Dr. Hans W. Giessen, FB Informationswissenschaft, Universität des Saarlandes,<br />
D-66041 Saarbrücken, E-Mail: h.giessen@gmx.net<br />
Prof. Dr. Wolfgang Hoffmann-Riem, Richter des Bundesverfassungsgerichts,<br />
Schloßbezirk 3, 76131 Karlsruhe<br />
Dr. Matthias Kohring, Lehrstuhl für Grundlagen der medialen Kommunikation<br />
und der <strong>Medien</strong>wirkung / Media Communication and Media Effects, Friedrich-Schiller-Universität,<br />
Ernst-Abbe-Platz 8, 07743 Jena, E-Mail: Matthias.Kohring@unijena.de<br />
Prof. Dr. Friedrich Krotz, Institut für Kommunikationswissenschaft, Westfälische<br />
Wilhelms-Universität, Bispinghof 9-14, 48143 Münster, E-Mail: krotz@uni-muenster.de<br />
Prof. Dr. Hans-Dieter Kübler, Hochschule für angewandte Wissenschaften, Fachbereich<br />
Bibliothek und Information, Grindelhof 30, D-20146 Hamburg, E-Mail: Hans-<br />
Dieter.Kuebler@bui.fh-hamburg.de<br />
Dr. Edmund Lauf, The Amsterdam School of Communications Research ASCoR,<br />
University of Amsterdam UvA, Kloveniersburgwal 48, 1012 CX Amsterdam,<br />
E-Mail: lauf@pscw.uva.nl<br />
Dr. Rossen Milev, Balkanmedia Association, 72 Cyril i Metodi Str., 1202 Sofia,<br />
Bulgarien, E-Mail: balkanmedia@internet-bg.net<br />
Dr. Marion G. Müller, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg,<br />
Allende-Platz 1, 20146 Hamburg, E-Mail: mgm@sozialwiss.uni-hamburg.de<br />
Dr. habil. Christoph Neuberger, Lehrstuhl für Journalistik II, Katholische Universität<br />
Eichstätt, Ostenstrasse 25, 85072 Eichstätt, E-Mail: christoph.neuberger@<br />
ku-eichstaett.de<br />
Dr. Wolfram Peiser, Institut für Publizistik, Johannes Gutenberg-Universität<br />
Mainz, Colonel-Kleinmann-Weg 2, 55099 Mainz, E-Mail: peiser@mail.uni-mainz.de<br />
Sven Petersen, Institut für Journalistik und Kommunikationsforschung, Hochschule<br />
für Musik und Theater Hannover, Expo-Plaza 12, 30539 Hannover,<br />
E-Mail: sven.petersen@hmt-hannover.de<br />
Dr. Juliana Raupp, Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft,<br />
Freie Universität Berlin, Malteserstr. 74-100, 12249 Berlin, E-Mail: raupp@zedat.fuberlin.de<br />
324
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieses <strong>Heft</strong>es<br />
Karoline Rütter, Institut für Journalistik und Kommunikationsforschung,<br />
Hochschule für Musik und Theater Hannover, Expo-Plaza 12, 30539 Hannover,<br />
E-Mail: Karoline.Ruetter@t-online.de<br />
Dipl. Soz. Dipl. Päd. Axel Schmidt, Fachbereich 03 Institut III, Johann Wolfgang<br />
Goethe-Universität, Robert-Mayer-Str. 5, Postfach 11 19 32, 60054 Frankfurt am<br />
Main, E-Mail: Axel.Schmidt@soz.uni-frankfurt.de<br />
Dipl.-<strong>Medien</strong>wiss. Holger Schramm, Institut für Journalistik und Kommunikationsforschung,<br />
Hochschule für Musik und Theater Hannover, Expo-Plaza 12,<br />
30539 Hannover, E-Mail: holger.schramm@hmt-hannover.de<br />
Prof. Dr. Martin Stock, Fakultät für Rechtswissenschaft, Universität Bielefeld,<br />
Universitätsstr. 25, 33615 Bielefeld, E-Mail: martin.stock@uni-bielefeld.de<br />
Prof. Dr. Peter Vorderer, Institut für Journalistik und Kommunikationsforschung,<br />
Hochschule für Musik und Theater Hannover, Expo-Plaza 12, 30539 Hannover,<br />
E-Mail: peter.vorderer@hmt-hannover.de<br />
Dr. Claudia Wegener, Fakultät für Pädagogik, Universität Bielefeld, Universitätsstraße<br />
25, 33615 Bielfeld E-Mail: claudia.wegener@uni-bielefeld.de<br />
Prof. Dr. Klaus Werner Wirtz, Hochschule Niederrhein, Fachbereich Wirtschaft,<br />
Fachgebiet Wirtschaftsinformatik, Webschulstr. 41–43, 41065 Mönchengladbach,<br />
E-Mail wirtz@hs-niederrhein.de<br />
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M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />
Hinweise für Autorinnen und Autoren<br />
Die wissenschaftliche Vierteljahreszeitschrift „<strong>Medien</strong> & Kommunikationswissenschaft“<br />
(bis Ende 1999 „Rundfunk und Fernsehen – Zeitschrift für <strong>Medien</strong>- und Kommunikationswissenschaft“)<br />
wird seit 1953 vom Hans-Bredow-Institut herausgegeben<br />
und redaktionell betreut. Die Zeitschrift ist ein interdisziplinäres Forum für theoretische<br />
und empirische Beiträge aus der gesamten <strong>Medien</strong>- und Kommunikationswissenschaft.<br />
Für die Publikation in „<strong>Medien</strong> & Kommunikationswissenschaft“ kommen folgende<br />
Textsorten in Betracht:<br />
• Aufsätze sollen ein Moment originärer theoretischer Leistung beinhalten bzw. einen<br />
theoretisch weiterführenden Argumentationsgang bieten;<br />
• Berichte sollen Befunde zu einem ausgewiesenen Problem von theoretischer oder<br />
medienpraktischer Relevanz darstellen;<br />
• Unter der Rubrik Diskussion sollen Beiträge erscheinen, die innerhalb eines wissenschaftlichen<br />
Diskurses Position beziehen und die Diskussion voranbringen können.<br />
Dabei können auch spekulative Betrachtungen fruchtbar sein.<br />
• Literaturberichte/-aufsätze sollen Literatur bzw. ausgewählte Literatur zu bestimmten<br />
Problemstellungen systematisch und vergleichend zusammenfassen und<br />
eine Übersicht über den Stand der Theorie und/oder Empirie geben.<br />
Die Redaktion bietet außerdem die Möglichkeit zur Stellungnahme und Erwiderung zu<br />
publizierten Beiträgen der oben genannten Kategorien. Stellungnahmen und Erwiderungen,<br />
die den in „<strong>Medien</strong> & Kommunikationswissenschaft“ üblichen inhaltlichen und<br />
formalen Standards entsprechen und geeignet sind, die wissenschaftliche Diskussion zu<br />
fördern, werden im nächstmöglichen <strong>Heft</strong> publiziert. Die Redaktion räumt dabei dem<br />
Autor bzw. der Autorin des Beitrages, auf den sich die Stellungnahme bezieht, die Möglichkeit<br />
einer Erwiderung ein.<br />
Manuskripte, die zur Publikation in „<strong>Medien</strong> & Kommunikationswissenschaft“ eingereicht<br />
werden, dürfen nicht anderweitig veröffentlicht sein und bis Abschluss des Begutachtungsverfahrens<br />
nicht anderen Stellen zur Veröffentlichung angeboten werden.<br />
Im Sinne der Förderung des wissenschaftlichen Diskurses und der kumulativen Forschung<br />
sowie der Qualitätssicherung legt die Redaktion bei der Begutachtung von Beiträgen<br />
besonderen Wert darauf, dass größtmögliche Transparenz hinsichtlich der verwendeten<br />
Daten hergestellt wird. Autorinnen und Autoren empirischer Beiträge verpflichten<br />
sich mit der Einreichung des Manuskripts, dass sie die Art und Weise der Datenerhebung<br />
bzw. den Zugang zu Datenbeständen, die von Dritten (z. B. Datenbanken) zur<br />
Verfügung gestellt worden sind, ausreichend dokumentieren, um so die Voraussetzungen<br />
für Sekundäranalysen und Replikationen zu schaffen. Zugleich erklären sie sich bereit,<br />
die verwendeten Daten bei wissenschaftlich begründeten Anfragen im Rahmen der jeweils<br />
gegebenen Möglichkeiten für weitere Analysen zur Verfügung zu stellen.<br />
Formalien:<br />
• Manuskripte sind der Redaktion in dreifacher Ausfertigung zuzuschicken.<br />
• Da die eingereichten Manuskripte anonymisiert begutachtet werden, sind zwei Titelblätter<br />
erforderlich: eines mit Angabe des Titels und der Namen und Anschriften<br />
der Autorinnen und Autoren, eines ohne Anführung der Namen und Adressen. Das<br />
Manuskript selbst darf keine Hinweise auf die Autorinnen und Autoren enthalten.<br />
326
Hinweise für Autorinnen und Autoren<br />
• Beizufügen ist eine kurze Zusammenfassung des Beitrags (max. 15 Zeilen), die dem<br />
Leser als selbständiger Text einen hinreichenden Eindruck vom Inhalt des jeweiligen<br />
Beitrags vermittelt.<br />
• Der Umfang der Beiträge soll 20 Manuskriptseiten (55.000 Zeichen) nicht überschreiten.<br />
• Die Manuskriptseiten müssen im DIN A4-Format (einseitig), anderthalbzeilig beschrieben<br />
und mit ausreichendem Rand versehen sein.<br />
• Gliederung des Textes: Jedes Kapitel und Unterkapitel sollte mit einer Überschrift<br />
(in Dezimalzählung) versehen sein.<br />
• Hervorhebungen im Text sind kursiv oder fett zu kennzeichnen.<br />
• Für Hinweise und Literaturbelege bestehen wahlweise zwei Möglichkeiten:<br />
a) durch Angabe von Autor, Erscheinungsjahr und Seitenziffer im fortlaufenden<br />
Text – z. B.: . . . (Müller, 1990: 37 – 40) . . . –, wobei der vollständige bibliographische<br />
Nachweis über ein Literaturverzeichnis im Anschluss an den Beitrag erfolgt;<br />
b) über durchnumerierte Anmerkungsziffern, wobei der Text der Anmerkung auf<br />
der entsprechenden Seite aufgeführt wird.<br />
Über eine Annahme des Manuskripts und den Zeitpunkt der Veröffentlichung entscheidet<br />
die Redaktion auf der Grundlage redaktionsinterner und externer Gutachten.<br />
Dem/der Autor/in wird die Redaktionsentscheidung schriftlich mitgeteilt. Im Falle einer<br />
Entscheidung für Überarbeitung, Neueinreichung oder Ablehnung legt die Redaktion<br />
die Gründe für ihre Entscheidung offen. Dazu werden die anonymisierten Gutachten,<br />
evtl. auch nur in Auszügen, zugesandt. Das Begutachtungsverfahren ist in der<br />
Regel sechs Wochen nach Eingang des Manuskripts abgeschlossen; falls die Begutachtung<br />
längere Zeit erfordert, werden die Autor/inn/en benachrichtigt.<br />
Von jedem Originalbeitrag werden 20 Sonderdrucke kostenlos zur Verfügung gestellt.<br />
Weitere Sonderdrucke können bei Rückgabe der Fahnenkorrektur an die Redaktion<br />
schriftlich gegen Rechnung bestellt werden.<br />
Verlag und Redaktion haften nicht für Manuskripte, die unverlangt eingereicht werden.<br />
Mit der Annahme eines Manuskripts erwirbt der Verlag von den Autorinnen und Autoren<br />
alle Rechte, insbesondere auch das Recht der weiteren Vervielfältigung zu gewerblichen<br />
Zwecken im Wege des fotomechanischen oder eines anderen Verfahrens.<br />
Anschrift der Redaktion:<br />
Hans-Bredow-Institut<br />
Heimhuder Straße 21, 20148 Hamburg (Tel. 0 40/45 02 17-41)<br />
<strong>Medien</strong> & Kommunikationswissenschaft<br />
Herausgegeben vom Hans-Bredow-Institut für <strong>Medien</strong>forschung an der Universität Hamburg<br />
ISSN 1615-634X<br />
Die Zeitschrift sowie alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung,<br />
die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des<br />
Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und<br />
die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.<br />
Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden, 2002. Printed in Germany.<br />
Bezugsbedingungen: Die Zeitschrift erscheint vierteljährlich (4 <strong>Heft</strong>e jährlich), Jahresabonnement € 64,–, Jahresabonnement<br />
für Studenten € 40,– (gegen Nachweis), Einzelheft € 20,– jeweils zuzügl. Versandkosten (inkl.<br />
MwSt); Bestellungen nehmen der Buchhandel und der Verlag entgegen; Abbestellungen vierteljährlich <strong>zum</strong> Jahresende.<br />
Zahlung jeweils im Voraus an Nomos Verlagsgesellschaft, Postscheckk. Karlsruhe 736 36-751 und Stadtsparkasse<br />
Baden-Baden, Konto 5-002 266.<br />
Verlag und Anzeigenannahme: Nomos Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, 76520 Baden-Baden,<br />
Telefon: (0 72 21) 21 04-0, Telefax: 21 04 27.<br />
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M&K 2002/2 <strong>Medien</strong> & Kommunikationswissenschaft