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M&K 50. Jg. 2002/2<br />

HANS-BREDOW-INSTITUT<br />

E 20039 F<br />

<strong>Medien</strong><br />

Kommunikationswissenschaft<br />

&<br />

Wolfgang Hoffmann-Riem<br />

<strong>Medien</strong>regulierung als objektiv-rechtlicher Grundrechtsauftrag<br />

Axel Schmidt<br />

Aggressiver Humor in den <strong>Medien</strong> – am Beispiel der Fernseh-<br />

Comedy-Show „TV total“<br />

Holger Schramm / Sven Petersen / Karoline Rütter /<br />

Peter Vorderer<br />

Wie kommt die Musik ins Radio? Stand und Stellenwert der<br />

Musikforschung bei deutschen Radiosendern<br />

Edmund Lauf<br />

Freiheit für die Daten! Sekundäranalysen und Datenbestände<br />

in der deutschen <strong>Medien</strong>- und Kommunikationswissenschaft<br />

Reihe<br />

„Klassiker der Kommunikations- und <strong>Medien</strong>wissenschaft heute“<br />

Hans W. Giessen<br />

Harold A. Innis: „Kommunikation“ als Schlüsselbegriff <strong>zum</strong><br />

Verständnis der Menschheitsgeschichte?<br />

Nomos Verlagsgesellschaft<br />

Baden-Baden<br />

Die neue Rundfunk und Fernsehen


Anzeige<br />

2. Umschlagseite<br />

II


M&K 50. Jg. 2002/2<br />

HANS-BREDOW-INSTITUT<br />

<strong>Medien</strong><br />

Kommunikationswissenschaft<br />

&<br />

Redaktion:<br />

Joan Kristin Bleicher, Hardy Dreier, Uwe Hasebrink, Anja Herzog,<br />

Uwe Jürgens, Christiane Matzen, Hermann-Dieter Schröder,<br />

Wolfgang Schulz, Jutta Simon, Ralph Weiß<br />

Nomos Verlagsgesellschaft<br />

Baden-Baden


M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />

Call for Papers<br />

Health Communication hat sich in der nordamerikanischen Kommunikationswissenschaft<br />

bereits in den 70er Jahren etabliert und zu einem vielfältig bearbeiteten<br />

Forschungsfeld entwickelt. In der deutschsprachigen Kommunikationswissenschaft<br />

wird dem Thema – hier häufig als „Gesundheitskommunikation“ bezeichnet<br />

– jedoch bislang vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Die Redaktion<br />

von „<strong>Medien</strong> & Kommunikationswissenschaft“ möchte darum diesem Fragenkomplex<br />

ein Themenheft widmen:<br />

Gesundheit in den <strong>Medien</strong><br />

Erwünscht sind Beiträge aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Perspektiven<br />

und mit verschiedenen Herangehensweisen, z. B. kommunikations-, medien- und<br />

filmwissenschaftliche Texte, die sich aus Produzenten-, Angebots- und Nutzungsperspektive<br />

mit der Gestaltung und den Funktionen von Gesundheitsangeboten befassen.<br />

Dazu können analytisch-reflektierende Aufsätze ebenso gehören wie Berichte<br />

über die Ergebnisse empirischer Forschung, Überblicksartikel oder eine Bibliographie.<br />

Denkbare Themen sind beispielsweise:<br />

• theoretische Grundlagen zur Gesundheitskommunikation<br />

• das Thema Gesundheit in Informationsangeboten: Welche Informationsangebote<br />

finden sich in Fernsehen, Radio, Internet etc.?<br />

• Gesundheit in Unterhaltungsangeboten: Welches Bild wird in den Krankenhausserien<br />

vermittelt, welche Ratgeberfunktionen sind in Langzeitserien enthalten,<br />

welche Rolle spielt das Thema Gesundheit im Internet und in Computerspielen?<br />

• Rezeption und Wirkung von <strong>Medien</strong>angeboten, die sich mit gesundheitlichen<br />

Fragen im weitesten Sinne beschäftigen: Wer nutzt informative und unterhaltende<br />

Angebote auf welche Weise, welche Bedeutung und Funktion haben die<br />

Angebote für die Nutzer?<br />

• Themenplacement: Welche Möglichkeiten der gesundheitlichen Aufklärung und<br />

PR bieten sich durch die gezielte Platzierung von Gesundheitsthemen in verschiedenen<br />

<strong>Medien</strong>angeboten?<br />

• Gesundheitskommunikation im internationalen Vergleich<br />

• Medizingeschichte in Film oder Fernsehen<br />

Kolleginnen und Kollegen, die einen Beitrag zu diesem Themenheft beisteuern<br />

möchten, werden gebeten, ein Abstract (ca. 10 Zeilen) ihres Manuskriptangebots<br />

bis <strong>zum</strong> 30. Juni 2002 an die Redaktion zu senden. Auf dieser Basis wird die Redaktion<br />

ein Konzept erstellen und die Autorinnen und Autoren entsprechend einladen,<br />

bis <strong>zum</strong> 30. November 2002 ein Manuskript anzubieten. Über die Annahme der<br />

Manuskripte wird nach dem üblichen Begutachtungsverfahren von M&K entschieden.<br />

<strong>Medien</strong> & Kommunikationswissenschaft, Christiane Matzen, Hans-Bredow-Institut,<br />

Heimhuder Str. 21, 20148 Hamburg, c.matzen@hans-bredow-institut.de


INHALTSVERZEICHNIS<br />

AUFSÄTZE<br />

Wolfgang Hoffmann-Riem<br />

Axel Schmidt<br />

<strong>Medien</strong>regulierung als objektiv-rechtlicher Grundrechtsauftrag<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175<br />

Aggressiver Humor in den <strong>Medien</strong> – am Beispiel der<br />

Fernseh-Comedy-Show „TV total“ . . . . . . . . . . . . . 195<br />

BERICHTE<br />

Holger Schramm / Sven Petersen /<br />

Karoline Rütter / Peter Vorderer<br />

Edmund Lauf<br />

Wie kommt die Musik ins Radio? Stand und Stellenwert<br />

der Musikforschung bei deutschen Radiosendern<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227<br />

Freiheit für die Daten! Sekundäranalysen und Datenbestände<br />

in der deutschen <strong>Medien</strong>- und Kommunikationswissenschaft<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247<br />

LITERATUR<br />

Aufsatz<br />

Hans W. Giessen<br />

Reihe „Klassiker der Kommunikations- und<br />

<strong>Medien</strong>wissenschaft heute“<br />

Harold A. Innis: „Kommunikation“ als Schlüsselbegriff<br />

<strong>zum</strong> Verständnis der Menschheitsgeschichte? 261<br />

Besprechungen<br />

Ben Bachmair<br />

Barbara Berkel<br />

Joan Kristin Bleicher<br />

Matthias Kohring<br />

Hans-Dieter Kübler<br />

David Buckingham: After the Death of Childhood.<br />

Growing Up in the Age of Electronic Media, Cambridge<br />

2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274<br />

Daniel Rölle / Petra Müller / Ulrich W. Steinbach:<br />

Politik und Fernsehen. Inhaltsanalytische Untersuchungen,<br />

Wiesbaden 2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275<br />

Jürg Häusermann (Hrsg.): Inszeniertes Charisma.<br />

<strong>Medien</strong> und Persönlichkeit, Tübingen 2001. . . . . . . 276<br />

Martin K. W. Schweer (Hrsg.): Der Einfluss der <strong>Medien</strong>.<br />

Vertrauen und soziale Verantwortung, Opladen<br />

2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279<br />

Christian Grüninger / Frank Lindemann: Vorschulkinder<br />

und <strong>Medien</strong>. Eine Untersuchung <strong>zum</strong> <strong>Medien</strong>konsum<br />

von drei- bis sechsjährigen Kindern unter<br />

besonderer Berücksichtigung des Fernsehens,<br />

Opladen 2000 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280<br />

173


M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />

Rossen Milev<br />

Marion G. Müller<br />

Christoph Neuberger<br />

Wolfram Peiser<br />

Juliana Raupp<br />

Martin Stock<br />

Claudia Wegener<br />

Klaus Werner Wirtz<br />

Jürgen Wilke: Grundzüge der <strong>Medien</strong>- und Kommunikationsgeschichte.<br />

Von den Anfängen bis ins<br />

20. Jahrhundert, Köln/Weimar/Wien 2000 . . . . . . . 282<br />

Christina Holtz-Bacha: Wahlwerbung als politische<br />

Kultur, Parteienspots im Fernsehen 1957 – 1998,<br />

Wiesbaden 2000 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283<br />

Hans-Jürgen Bucher/Ulrich Püschel (Hg.): Die Zeitung<br />

zwischen Print und Digitalisierung, Wiesbaden<br />

2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285<br />

Michael Meyen: <strong>Medien</strong>nutzung. Mediaforschung,<br />

<strong>Medien</strong>funktionen, Nutzungsmuster, Konstanz<br />

2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286<br />

Annette Rinck: Interdependenzen zwischen PR und<br />

Journalismus. Eine empirische Untersuchung der<br />

PR-Wirkungen am Beispiel einer dialogorientierten<br />

PR-Strategie von BMW, Wiesbaden 2001 . . . . . . . . 288<br />

Bernd Holznagel/Andreas Grünwald: Meinungsvielfalt<br />

im kommerziellen Fernsehen. <strong>Medien</strong>spezifische<br />

Konzentrationskontrolle in Deutschland,<br />

Großbritannien, Frankreich, Italien, den USA und<br />

auf der Ebene von Europarat und Europäischer Gemeinschaft,<br />

Berlin 2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290<br />

Friederike Herrmann/Margret Lünenborg (Hrsg.):<br />

Tabubruch als Programm. Privates und Intimes in<br />

den <strong>Medien</strong>, Opladen 2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294<br />

Werner Susallek: Führungsinformationssysteme für<br />

öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten, Lohmar/<br />

Köln 2000 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296<br />

Zeitschriftenlese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298<br />

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317<br />

English abstracts and keywords . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321<br />

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />

dieses <strong>Heft</strong>es . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324<br />

Hinweise für Autorinnen<br />

und Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326<br />

174


AUFSÄTZE<br />

<strong>Medien</strong>regulierung als objektiv-rechtlicher<br />

Grundrechtsauftrag *<br />

Wolfgang Hoffmann-Riem<br />

Die Kommunikationsfreiheit enthält nicht nur subjektive Rechte des Einzelnen gegen<br />

den Staat, sondern auch einen objektiv-rechtlichen Auftrag an den Staat, durch die<br />

Rechtsordnung darauf hinzuwirken, dass dieses Grundrecht als Freiheit individueller<br />

und kollektiver kommunikativer Entfaltung und politischer Teilhabe durch alle real<br />

nutzbar ist. Die strukturellen Veränderungen im Übergang zur Informationsgesellschaft<br />

zeigen, dass die bisherige Verankerung subjektiver Rechte nicht ausreicht, um dieses Ziel<br />

zu verwirklichen. Deshalb ist eine Rückbesinnung auf den objektiv-rechtlichen Grundrechtsauftrag<br />

wichtig, der schon am Beginn der Grundrechtsentwicklung stand. Den<br />

Schutz des Rechts benötigen vor allem Machtschwache.<br />

Keywords: Kommunikationsfreiheit, <strong>Medien</strong>regulierung, Konvergenz, objektiv-rechtlicher<br />

Grundrechtsauftrag, regulierte Selbstregulierung, Zensur<br />

Der freiheitliche und demokratische Rechtsstaat der Gegenwart ist ohne Kommunikationsfreiheiten<br />

nicht denkbar. Meinungs- und <strong>Medien</strong>freiheit (Art. 5 Abs. 1, 2 GG) sind<br />

rechtliche Garantien für eine Gesellschaft, die auf der Idee der Handlungsautonomie<br />

und Willensbildungsfreiheit ihrer Mitglieder aufbaut. Zugleich wird staatliches Handeln<br />

dadurch legitimiert, dass die Ausübung staatlicher Kompetenzen öffentlich zugänglich<br />

ist und damit durch Zustimmung und Kritik begleitet und beeinflusst werden kann.<br />

Aber auch der nichtstaatliche Bereich gesellschaftlichen Handelns der Bürgerinnen und<br />

Bürger ist durch Interaktion und damit Kommunikation geprägt, für die das Recht einen<br />

Rahmen bereitstellt, der in einer Demokratie ebenfalls auf Freiheitlichkeit der kommunikativen<br />

Selbstverwirklichung ausgerichtet sein muss.<br />

A. Konzeptionelles zur Kommunikationsfreiheit als Grundrecht<br />

I. Die Freiheitsidee<br />

Die Kommunikationsfreiheiten beruhen auf der gleichen Idee wie die anderen liberalrechtsstaatlichen<br />

Freiheiten des Grundgesetzes. Es ist die Idee der Freiheit für alle. Die<br />

Freiheit wird also kombiniert mit Gleichheit. Freiheit soll das Leben aller prägen, nicht<br />

etwa nur – historisch – dem bevorrechtigten Adelsstand oder sonstigen Ständen oder –<br />

aktuell – einzelnen Bevölkerungsgruppen oder einflussreichen Unternehmen dienen.<br />

Erkämpft wurde diese Freiheit im Zuge der so genannten Aufklärung, also in der<br />

Neuzeit, beginnend mit dem 18. Jahrhundert 1 . Letztlich verwirklicht wurde sie erst im<br />

20. Jahrhundert.<br />

* Bei diesem Artikel handelt es sich um eine gekürzte und überarbeitete Fassung des Beitrages<br />

„Herausforderungen der Kommunikationsfreiheit an das Recht“ aus: Hoffmann-Riem, Kommunikationsfreiheiten,<br />

2002.<br />

1 Zur historischen Entwicklung der Grundrechtsidee s. statt vieler Grimm, Deutsche Verfassungsgeschichte,<br />

1776-1866, 1988; Wahl, Rechtliche Wirkungen und Funktionen der Grund-<br />

175


M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />

Die Umsetzung der neuen Idee der Freiheit für alle war im 18. und 19. Jahrhundert<br />

mit dem Kampf um eine vollständige Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse<br />

verbunden. Zum Aufbau der neuen Ordnung mussten die überkommenen Machtstellungen,<br />

insbesondere die der Fürsten und der Kirchen, gebrochen werden, die Schichtung<br />

der Bevölkerung in verschiedene Stände musste aufgehoben werden und dies alles<br />

musste parallel zu erheblichen sozialen und technologischen sowie wirtschaftlichen<br />

Umbrüchen geschehen. Die revolutionären Bemühungen zielten auf eine neue Struktur<br />

der Gesellschaft sowie eine Neuordnung des Verhältnisses zwischen dem Bereich des<br />

Staates einerseits und dem der gesellschaftlichen Freiheit andererseits. 2 Die Freiheitsrechte<br />

waren ein Mittel dazu.<br />

Der Freiheitsgebrauch des Einen führt leicht zur Freiheitsminderung des Anderen.<br />

Wenn also Freiheit für alle gelten soll, muss es sich um eine geordnete Freiheit handeln.<br />

Ein wichtiges Mittel dieser Ordnung ist das Gesetz. Neben der Aufgabe, die Macht der<br />

Regierung und Verwaltung zu begrenzen, soll Recht dazu beitragen, die Freiheit vieler<br />

miteinander vereinbar zu machen. Herzustellen ist eine Balance zwischen der Macht des<br />

Staates als Ordnungskraft einerseits und der Freiheit der Gesellschaft andererseits, aber<br />

auch eine Balance zwischen der Freiheitsausübung der verschiedenen Mitglieder der Gesellschaft.<br />

In diesem Sinne sind die Freiheitsrechte von Anfang ihrer historischen Entwicklung<br />

an ein Auftrag an den Gesetzgeber, eine freiheitliche Ordnung zu schaffen. In moderner<br />

Terminologie lässt sich dies so formulieren, dass die Freiheitsrechte nicht nur subjektive<br />

Rechte der Träger der Freiheit vermitteln sollten, sondern zugleich einen objektiv-rechtlichen<br />

Auftrag zur Gestaltung der Lebensverhältnisse durch Recht enthielten. 3<br />

Das ist auch heute noch so. Die folgenden Überlegungen sollen verdeutlichen, dass in<br />

der aktuellen Phase des Übergangs zur Informationsgesellschaft die Rückbesinnung auf<br />

den objektiv-rechtlichen Grundrechtsauftrag besonders wichtig ist.<br />

II. Subjektive Rechte und der objektiv-rechtliche Auftrag der Grundrechtsnormen<br />

1. Zum Verhältnis subjektiv- und objektiv-rechtlicher Verbürgungen<br />

Die heute bei der Berufung auf Grundrechte übliche Konzentration des Blicks auf subjektive<br />

Rechte darf nicht diese zweite Dimension der Freiheitsrechte vergessen lassen,<br />

nämlich die Zuordnung von Staat und Gesellschaft und die Ordnung der Verhältnisse<br />

innerhalb der Gesellschaft nach dem Prinzip größtmöglicher gesellschaftlicher und<br />

individueller Freiheit. An dem historischen Anfang der Umsetzung der Idee der Freiheit<br />

stand in Deutschland nicht das subjektive Recht, sondern das Programm zur Ver-<br />

rechte im deutschen Konstitutionalismus des 19. Jahrhunderts, in: Böckenförde, Moderne Verfassungsgeschichte,<br />

1981, 346 ff.; W. Schmidt, Grundrechtstheorie im Wandel der Verfassungsgeschichte,<br />

Jura 1983, 169 ff.; Pieroth, Geschichte der Grundrechte, Jura 1984, 568 ff.; Hufen,<br />

Entstehung und Entwicklung der Grundrechte, NJW 1999, 1504 ff.<br />

2 Zur historischen Entwicklung und ihre Analyse s. Grimm, Die Zukunft der Verfassung, 2. Aufl.<br />

1994, 71 ff.<br />

3 Grundsätzlich dazu Dreier, Dimensionen der Grundrechte. Von der Wertordnungsjudikatur<br />

zu den objektiv-rechtlichen Grundrechtsgehalten, 1993. Zur Darstellung des Verhältnisses subjektiv-<br />

und objektiv-rechtlicher Grundrechtsdimensionen s. statt vieler Jarass, Die Grundrechte:<br />

Abwehrrechte und objektive Grundsatznormen, in: Badura/Dreier (Hrsg.), Festschrift 50<br />

Jahre Bundesverfassungsgericht, Bd. 1, 2001, 35 ff.<br />

176


Hoffmann-Riem · <strong>Medien</strong>regulierung<br />

wirklichung von Freiheit, also die objektiv-rechtliche Dimension. 4 Dass wir dies heute<br />

weitgehend außer Acht lassen und uns auf das subjektive Recht konzentrieren können,<br />

ist ein Beleg dafür, dass das objektiv-rechtliche Programm unter den bisherigen Rahmenbedingungen<br />

weitgehend erfüllt ist, der Gesetzgeber also den Auftrag zur Schaffung<br />

einer freiheitlichen Ordnung verwirklicht hat. Im Kontext dieser Ordnung gibt es subjektive<br />

Rechte und in der Folge scheint die objektiv-rechtliche Grundlage nicht mehr so<br />

wichtig zu sein. Ist die Freiheitsordnung eingerichtet und haben die einzelnen Bürger<br />

subjektive Rechte, dann genügt es für die juristische Freiheitsverwirklichung, solche<br />

subjektiven Rechte zu verfolgen. Wenn sich die Verhältnisse aber – wie gegenwärtig –<br />

grundlegend ändern, erhält die Einsicht in die ebenfalls mit dem Grundrecht verbundene<br />

andere Dimension eine neue Bedeutung. Diese objektiv-rechtliche Dimension und<br />

ihr Zusammenspiel mit der subjektiv-rechtlichen Komponente des Freiheitsschutzes hat<br />

das Bundesverfassungsgericht schon früh herausgearbeitet und vorrangig anhand der<br />

Meinungs- und <strong>Medien</strong>freiheit entwickelt.<br />

Das ist schon an der Basisentscheidung <strong>zum</strong> Verhältnis der Kommunikationsfreiheit<br />

und der privatrechtlich geschützten Entfaltungsfreiheiten anderer ablesbar, dem Lüth-<br />

Urteil. 5 Es ging um einen Boykottaufruf, der nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts<br />

durch die Kommunikationsfreiheit geschützt war, obwohl Grundrechte anderer<br />

– die des Regisseurs und der Verleihfirma des boykottierten Films – beeinträchtigt<br />

wurden. Die Kommunikationsfreiheit wurde vom BVerfG nicht nur als subjektives<br />

Recht zur Abwehr von staatlichen Eingriffen in die Freiheit verstanden. Sie strahlte vielmehr<br />

wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung als objektiv-rechtliche Position auch in<br />

andere Regelungen, insbesondere in den Bereich zivilrechtlicher Beziehungen, hinein,<br />

und musste deshalb bei der Ausfüllung der unbestimmten Rechts-(Wert-)Begriffe des<br />

BGB berücksichtigt werden. Das Gesetz (hier das BGB) wurde als Mittel der Umsetzung<br />

objektiv-rechtlicher Vorgaben in subjektive Rechte verstanden, hier allerdings<br />

nicht im Zuge neuer Rechtsetzung, sondern der Auslegung und Anwendung vorhandenen<br />

Rechts. Inhaltlich wurde als entscheidend für die Lösung des konkreten Konflikts<br />

angesehen, dass Lüth eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse verfolgte, also nicht<br />

aus Eigennutz handelte, insbesondere nicht von einem Gewinninteresse getrieben war.<br />

Lüth forderte nämlich nicht <strong>zum</strong> Boykott eines Films auf, weil er ein Konkurrent des<br />

benachteiligten Regisseurs Veith Harlan oder dessen Vertriebsfirma war und etwa den<br />

Vertrieb eines eigenen Filmes fördern wollte. Es ging ihm lediglich darum, das öffentliche<br />

Gewissen anzusprechen und das öffentliche Bewusstsein auf eine Gefahr für die<br />

Freiheit (das Wiederaufkommen nationalsozialistischen Gedankenguts) zu richten. Diese<br />

Motivlage hat das Gericht akzeptiert und für die Abwägung bei der Zuordnung kollidierender<br />

Rechte entschieden, der Rechtsstreit zwischen den Bürgern müsse unter<br />

Rückgriff auf die objektiv-rechtliche Ordnung der Grundrechte bewältigt werden.<br />

Dies bedeutet nicht, dass die Meinungsfreiheit nun alle anderen Aspekte überwiegt.<br />

Wohl aber muss das Grundrecht der Meinungsfreiheit bei einem Konflikt mit anderen<br />

Grundrechten – etwa der Film- und Kunstfreiheit oder der ökonomischen Entfaltungsfreiheit<br />

– hinreichend berücksichtigt werden. In dem erforderlichen Abwägungsprozess<br />

ist nach einem Weg des angemessenen Ausgleichs zu suchen, der den verschiedenen Freiheitsrechten<br />

möglichst große Wirksamkeit verleiht, dabei aber auch ihre Bedeutung für<br />

4 Dreier (Fn. 3), 27 ff.<br />

5 BVerfGE 7, 198 ff.<br />

177


M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />

die Verwirklichung von Verfassungsprinzipien wie dem der Demokratie gerecht<br />

wird.<br />

Auf die gleiche argumentative Basis, die objektiv-rechtliche Grundlegung der Grundrechte,<br />

hat das BVerfG auch seine Rechtsprechung zur <strong>Medien</strong>freiheit, insbesondere zur<br />

Sicherung der Funktionsfähigkeit der Rundfunkordnung, gestützt. Mehrere Rundfunkurteile<br />

geben davon Rechenschaft, beispielhaft das FRAG-Urteil und das Niedersachsen-Urteil.<br />

6 Gegenstand verfassungsrechtlicher Prüfung waren hier nicht Kollisionen<br />

unterschiedlicher Rechtsgüter, sondern gesetzliche Regelungen, die darauf zielten,<br />

die Ordnung der Massenkommunikation, insbesondere des Rundfunks, an dem für einen<br />

demokratischen Rechtsstaat wichtigen Ziel der Vielfaltsicherung auszurichten und<br />

eine auf dieses Ziel bezogene Funktionsfähigkeit der <strong>Medien</strong>ordnung gesetzlich abzusichern.<br />

In rechtsdogmatischer Hinsicht verweist dies auf die so genannten Ausgestaltungsgesetze,<br />

die das Gericht von den eine Kollision unterschiedlicher Rechtspositionen bewältigenden<br />

Schrankengesetzen unterscheidet. 7 Die Besonderheit von Ausgestaltungsgesetzen<br />

wird darin gesehen, dass mit ihrer Hilfe die Art der Kommunikationsversorgung<br />

der Gesellschaft insgesamt und die Möglichkeit für alle am Kommunikationsprozess<br />

Interessierten, sich kommunikativ zu entfalten, gesichert werden soll. Zur<br />

Verwirklichung dieses Ziels können subjektive Rechte der Kommunikatoren und Rezipienten<br />

beitragen; ihre Einrichtung allein reicht aber nicht zur Freiheitssicherung.<br />

Vielmehr muss durch eine „positive Ordnung“ die Vielfalt der Kommunikation sichergestellt<br />

werden. 8 Die <strong>Medien</strong> sollen in die Lage versetzt werden, einerseits bei der Vermittlung<br />

der in der Gesellschaft gebildeten Fakten und Werte an die Öffentlichkeit<br />

mitzuwirken (also „Medium“ zu sein), daneben aber auch eine aktive, durchaus eigenständig<br />

wertende und beeinflussende Funktion im Meinungsbildungsprozess wahrzunehmen<br />

(also „Faktor“ der Meinungsbildung zu sein).<br />

In solchen Ausführungen und den zugrunde gelegten grundrechtsdogmatischen Konstruktionen<br />

wird maßgebend, dass Kommunikationsfreiheit eine über den Schutz individueller<br />

Entfaltung hinausgehende Bedeutung hat. Kommunikation ist ein Lebensnerv<br />

einer Demokratie und eines Rechtsstaats, die Kommunikationsfreiheit Voraussetzung<br />

ihrer Funktionsfähigkeit.<br />

Das liberale Konzept der Kommunikationsfreiheit versprach sich aus dem freien Austausch<br />

von Tatsachen und Meinungen die Fähigkeit zur Meinungsbildung und zur kommunikativen<br />

Orientierung und dabei auch zur Erkenntnis des „Richtigen“ und sah diese<br />

Funktion als notwendige Grundbedingung einer Gesellschaft, die ihre Angelegenheiten<br />

in Eigenverantwortung regelt. Heute sind Zweifel angebracht, ob und wieweit diese<br />

Konzeption noch trägt, und es muss nach einem neuen Konzept gesucht werden, das<br />

sich weniger an der Vorstellung der Wahrheitsfindung durch Diskurs oder gar an dem<br />

Bild des „Marktplatzes der Meinungen“ orientiert, sondern stattdessen die große Bandbreite<br />

unterschiedlicher Verwendungszusammenhänge von Kommunikation, die Vernetzungen<br />

unterschiedlicher Kommunikationswelten und die besonderen Bedingungen<br />

6 S. BVerfGE 57, 295 ff.; 73, 118 ff.<br />

7 Zum Unterschied von Ausgestaltungs- und Schrankengesetzen s. BVerfGE 73, 118, 166; 90, 145,<br />

172; Ruck, Zur Unterscheidung von Ausgestaltungs- und Schrankengesetzen im Bereich der<br />

Rundfunkfreiheit, AöR 117 (1992), 543 ff.; Rossen, Freie Meinungsbildung durch den Rundfunk,<br />

1988, 285 ff., 307 ff.<br />

8 BVerfGE 57, 295, 320.<br />

178


Hoffmann-Riem · <strong>Medien</strong>regulierung<br />

einer durch Fragmentierung und Pluralisierung geprägten Gesellschaft verarbeitet. 9 Ungeachtet<br />

des Auftrags, das Konzept der Kommunikationsfreiheit auf die jeweiligen Rahmenbedingungen<br />

der Gesellschaft abzustimmen, kann jedoch festgestellt werden, dass<br />

kommunikative Entfaltung weiterhin als konstitutiv für den gesellschaftlichen und politischen<br />

Prozess angesehen wird. Allerdings galt es im bürgerlich-liberalen Verfassungsstaat<br />

als hinreichend, im Rahmen des rechtlich Regelbaren die Möglichkeiten subjektiver<br />

kommunikativer Entfaltung abzusichern, also auf die Selbstregulierungskraft<br />

kommunikativer Prozesse zu vertrauen. Im 20. und beginnenden 21. Jahrhundert ist dieses<br />

Vertrauen keineswegs ungebrochen. Einsichten in die Manipulierbarkeit kommunikativer<br />

Prozesse, in die Herausbildung von immensen Machtpositionen in einer marktgesteuerten<br />

Gesellschaft und in die Potenziale des Machtmissbrauchs auch durch gesellschaftliche<br />

Machtträger haben dazu geführt, dem Recht eine weitaus größere Rolle<br />

zuzuschreiben. Zugleich aber gibt es Anhaltspunkte, dass das Recht in der globalen und<br />

vielfältig vernetzten Kommunikationswelt der Gegenwart allenfalls begrenzt geeignet<br />

ist, entsprechende Gefährdungen einzudämmen oder auszuschließen (s. auch u. B I-VI).<br />

Die im liberalen Modell erhoffte Möglichkeit zur individuellen und sozialen Entfaltung<br />

lässt sich durch Grundrechte, wenn sie als bloße Abwehrrechte gegen den Staat zu<br />

verstehen sind, schon allein deshalb nicht hinreichend sichern, weil die Kommunikationsfreiheiten<br />

in der Ordnung des Grundgesetzes in ein System von verschiedenen verfassungsrechtlichen<br />

Zielwerten und Verbürgungen eingeordnet sind, die der Staat in ihrer<br />

Funktionsweise ebenfalls gewährleisten muss. Unter Berücksichtigung der Staatszielbestimmungen<br />

Rechtsstaat, Demokratie und Sozialstaat, die auch auf die Ordnung<br />

der Gesellschaft zurückwirken, wird Kommunikation (auch) mit dem Blick auf die Entwicklung<br />

von Staat und Gesellschaft geschützt. Soweit die Funktionsfähigkeit einer Demokratie<br />

auf die Leistungsfähigkeit von Kommunikationsprozessen und die eines<br />

Rechtsstaats auf die rechtliche – und zwar rechtlich angemessene – Ordnung von Lebensverhältnissen<br />

angewiesen ist, fordert auch der programmatische Gehalt des Grundgesetzes<br />

entsprechende rechtliche Vorgaben zur Sicherung der Idee der Freiheit als einer<br />

real wirksamen Freiheit unter den Bedingungen der Gegenwart.<br />

Dies bedeutet allerdings nicht, dass Kommunikation nur in solchen Kontexten, etwa<br />

im Rahmen demokratischer Prozesse oder gar politischer Entscheidungen, geschützt<br />

wäre. Kommunikationsfreiheiten sichern kommunikative Entfaltung schlechthin, also<br />

mit dem Blick auf die Bedeutung von Kommunikation in allen Lebensbereichen, die auf<br />

Interaktion angewiesen sind, so in der Berufswelt, der Freizeit oder der Privatsphäre. 10<br />

Der Bezug auf den Prozess demokratischer Willensbildung und die damit verbundene<br />

Notwendigkeit zur Absicherung der Meinungsbildungsfreiheit aller kann allerdings besondere<br />

rechtliche Ausgestaltungen erfordern. Die <strong>Medien</strong>gesetzgebung ist ein Beispiel<br />

9 Zu dieser Problematik s. Hoffmann-Riem, Sozialwissenschaften in der Rechtsanwendung – am<br />

Beispiel der Nutzung der <strong>Medien</strong>forschung in der Rechtsprechung <strong>zum</strong> <strong>Medien</strong>recht, Zeitschrift<br />

für Rechtssoziologie, 2001, 3 ff. sowie mit grundsätzlicher Kritik (statt vieler) Vesting,<br />

Zur Zukunft und Konstruktion des <strong>Medien</strong>- und Telekommunikationsrechts in den hybriden<br />

Beziehungsnetzwerken der „Informationsgesellschaft“, in: Rossen-Stadtfeld/Wieland (Hrsg.),<br />

Steuerung medienvermittelter Kommunikation, 2001, 83 ff.; ders., Soziale Geltungsansprüche<br />

in fragmentierten Öffentlichkeiten, AöR 122 (1997), 337 ff.; Ladeur, Meinungsfreiheit, Ehrenschutz<br />

und die Veränderung der Öffentlichkeit in der Massendemokratie, AfP 1993, 531 ff.<br />

S. auch BVerGE 103, 44, 67.<br />

10 Eine entsprechende Reichweite betont das BVerfG beispielsweise in BVerfGE 101, 361, 389 f.<br />

179


M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />

dafür, wenn sie Vielfalt, Manipulationsfreiheit u. ä. abzusichern sucht. Insofern dient sie<br />

der Erfüllung des objektiv-rechtlichen Gestaltungsauftrags der Grundrechte in Verbindung<br />

mit den Verfassungsprinzipien, zielt aber gleichwohl auf die Absicherung subjektiver<br />

kommunikativer Entfaltung. In diesen Kontext gehört die Formulierung des Bundesverfassungsgerichts,<br />

dass der objektiv-rechtliche Grundrechtsgehalt dem subjektiven<br />

Grundrechtsschutz diene. 11<br />

2. Risiken staatlicher Aufgabenwahrnehmung<br />

Eine solche Rechtsprechung ist von einem großen Vertrauen in die Funktionsfähigkeit<br />

von Rechtsstaat und Demokratie geprägt, denn sie gilt nicht vorrangig der Abwehr staatlichen<br />

Machtmissbrauchs – dazu sind die Grundrechte allerdings weiterhin einsetzbar –,<br />

sondern versteht den Staat auch als Garanten des Schutzes vor privat-gesellschaftlichem<br />

Machteinsatz, insbesondere Machtmissbrauch. Dieses verfassungsrechtlich vorausgesetzte<br />

Vertrauen in den Staat und seine Organe setzt nicht nur hinreichende verfahrensmäßige<br />

Sicherungen der Bändigung staatlicher Machtausübung (rechtsstaatliche<br />

Verfahren, öffentliche Kritik, Unabhängigkeit der zur Kontrolle befugten Gerichte<br />

u. ä.) voraus, sondern auch materiellrechtliche Gebote, so das staatlicher Inhaltsneutralität.<br />

12<br />

Das Neutralitätsgebot gilt bei der Ausgestaltung der <strong>Medien</strong>ordnung ebenso wie bei<br />

der Bewältigung konkreter Kollisionslagen im Rahmen von Schrankengesetzen. So darf<br />

der Staat nicht bestimmte Inhalte als erwünscht und andere als unerwünscht definieren.<br />

Allerdings bedeutet der weit gezogene Schutzbereich des Art. 5 GG nicht, dass Art und<br />

Weise des Schutzes vollständig von dem Kontext abstrahieren, in dem eine Kommunikation<br />

erfolgt, soweit sie zugleich Rechte anderer beeinträchtigt. Ob ein kommunikatives<br />

Verhalten in den Schutzbereich des Grundrechts fällt, ist zwar von ihrem Inhalt unabhängig.<br />

Ob und wieweit sie aber in Kollisionslagen <strong>zum</strong> Schutz anderer Rechtsgüter<br />

zurückzutreten hat, hängt demgegenüber von weiteren Feststellungen ab. Rechtsdogmatischer<br />

Anknüpfungspunkt ist insbesondere die bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit<br />

einer Beschränkung erfolgende Klärung der Angemessenheit einer Zuordnung<br />

von Mittel und Zweck (Verhältnismäßigkeit i.e.S.). Bei der Prüfung der Angemessenheit<br />

wird aus der – in der Literatur allerdings umstrittenen 13 – Sicht des Bundesverfassungsgerichts<br />

z. B. bedeutsam, ob die beanstandete Kommunikation „in der Sorge um<br />

politische, wirtschaftliche und soziale oder kulturelle Angelegenheiten der Allgemeinheit“<br />

erfolgt bzw. „der Einwirkung auf die öffentliche Meinung“ dient. 14 Dann ist sie<br />

stärker geschützt als wenn mit ihr nur gewerbliche oder sonst wie persönliche Interessen<br />

verfolgt werden. Auch darf, etwa bei der Abwägung mit kollidierenden Persönlichkeitsrechten,<br />

berücksichtigt werden, „ob Fragen, die die Öffentlichkeit wesentlich an-<br />

11 BVerfGE 57, 295, 320. Dort hebt das Gericht das Wort „dienende“ Freiheit ausdrücklich hervor.<br />

12 Es ist verknüpft mit dem Gebot der Staatsfreiheit der <strong>Medien</strong>. Dazu vgl. Ossenbühl, Rundfunk<br />

zwischen Staat und Gesellschaft, 1975; Jarass, Die Freiheit der Massenmedien, 1978, 198 ff.;<br />

Gersdorf, Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung der Bundesrepublik<br />

Deutschland, 1991, 89 ff.<br />

13 S. dazu statt vieler Lerche, in Festschrift für G. Müller 1970, 197 ff.; Schmitt Glaeser NJW 1996,<br />

873, 874 ff.; Neben, Triviale Personenberichterstattung als Rechtsproblem, 2001.<br />

14 BVerfGE 62, 230, 244; 85, 1, 16.<br />

180


Hoffmann-Riem · <strong>Medien</strong>regulierung<br />

gehen, ernsthaft und sachbezogen erörtert oder lediglich private Angelegenheiten, die<br />

nur die Neugier befriedigen, ausgebreitet werden“. 15 Hier versucht das Gericht eine<br />

Antwort auf neuartige Erscheinungen und damit verbundene Gefährdungen, wie die<br />

Kommerzialisierung vieler Lebensbereiche und die damit einhergehende Tendenz der<br />

<strong>Medien</strong> zur massiven Personalisierung und Skandalisierung 16 , die insbesondere im Rahmen<br />

einer vorrangigen Orientierung an Unterhaltungsinteressen der Konsumenten beobachtbar<br />

ist. Am Beispiel des Persönlichkeitsrechts lassen sich problematische Folgen<br />

dieser Kommerzialisierung gut beobachten, sei es bei Verletzungen von Persönlichkeitsrechten<br />

mit dem Ziel privatwirtschaftlicher Gewinnerzielung – etwa in der Boulevardpresse<br />

–, aber auch bei der Vermarktung der eigenen Persönlichkeitsrechte Prominenter.<br />

17 Das Recht ist in einer vorrangig marktwirtschaftlichen, also vorrangig kommerziell<br />

geprägten Gesellschaftsordnung zwar nicht als Mittel einsetzbar, die Kommerzialisierung<br />

zu verhindern, wohl aber kann es dazu dienen, in Kollisionsfällen<br />

gegenläufigen Interessen Verwirklichungschancen zu belassen. Dies setzt regelmäßig<br />

eine Güterabwägung und Zuordnung der kollidierenden Güter in einer Weise voraus,<br />

die allen betroffenen Interessen optimale Verwirklichungsmöglichkeiten belässt. Der<br />

entsprechende Vorgang wird – in Anlehnung an Konrad Hesse 18 – als Herstellung<br />

„praktischer Konkordanz“ bezeichnet.<br />

Abwägungen zwischen verschiedenen kollidierenden Rechtsgütern können allerdings<br />

eine Einbruchstelle subjektiver Bewertungen oder gar missbräuchlicher Zuordnungen<br />

sein. Weil die Machtausübung durch den Staat, anders als meist der Machtgebrauch<br />

durch private Unternehmen, seinerseits einer Vielzahl von Kontrollen unterliegt und<br />

weil die letztlich entscheidenden staatlichen Gerichte aufgrund ihres besonderen Status’<br />

der Unabhängigkeit vergleichsweise gute (wenn auch nicht absolut sichere) Voraussetzungen<br />

für die Vermeidung von Machtmissbrauch bieten, gilt das mit jeder Abwägung<br />

verbundene Risiko als hinnehmbar. Die Alternative, der Verzicht auf die wertende Zuordnung<br />

der miteinander kollidierenden Rechtsgüter, liefe Gefahr, denjenigen Schutz zu<br />

verweigern, die ihn ohne Hilfe des (ausgleichenden) Rechts nicht erreichen könnten. Die<br />

Sicherung realer Grundrechtsverwirklichung zugunsten aller von Beeinträchtigungen<br />

durch andere Rechtsträger Betroffenen lässt sich unter den komplexen, vielfach vernetzten<br />

Lebensverhältnissen der Gegenwart nicht ohne Vertrauen in eine Instanz erreichen,<br />

die gegebenenfalls auch als Gegenmacht gegen gesellschaftliche Machtträger zu<br />

wirken vermag.<br />

War dies früher der mit Hoheitsgewalt ausgestattete Nationalstaat, so werden es<br />

zukünftig vermehrt auch die mit Hoheitsgewalt ausgestatteten Träger des supranationalen<br />

Verbunds der Europäischen Gemeinschaft sein. Derartige Hoheitsträger sind als<br />

Garanten der Freiheit weiterhin unverzichtbar. Dies bedeutet nicht, dass Hoheitsträger<br />

nicht weiterhin auch als Gefährder von Freiheit auftreten können. Die Abwehr hoheit-<br />

15 BVerfGE 101, 361, 391. Diese schon mehrfach vom BVerfG benutzte Formulierung ist nicht<br />

voll geglückt, da sie Fragen des Informationsgegenstandes (öffentliche/private Angelegenheiten)<br />

mit denen der Art der Darstellungsweise bzw. dem Darstellungsinteresse (ernsthaft, sachbezogen<br />

oder nicht) vermengt und damit nicht zu einer tragfähigen Gegensatzbildung kommt.<br />

16 Zu solchen Erscheinungen vgl. Weiß, Fern-Sehen im Alltag, 2001; Groebel u. a., Bericht zur<br />

Lage des Fernsehens für den Präsidenten der Bundesrepublik Deutschland, 1995.<br />

17 S. dazu BVerfGE 101, 361, 385.<br />

18 S. Hesse, Grundfragen des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1995/<br />

2000, Rn. 317 ff.<br />

181


M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />

lichen Machtmissbrauchs bleibt eine wichtige Aufgabe des Rechts. Die Abwehrfunktion<br />

ist in der Rechtsordnung und -anwendung sowie der Wissenschaft allerdings ausgiebig<br />

ausgearbeitet worden. Hier gibt es weniger Unsicherheiten als bei der Verwirklichung<br />

der im Folgenden weiter zu betrachtenden Gewährleistungsfunktion.<br />

B. Aktuelle Herausforderungen<br />

Kommunikationsfreiheit als Freiheit individueller und kollektiver kommunikativer<br />

Entfaltung und als Freiheit politischer Teilhabe ist auf Rahmenbedingungen angewiesen,<br />

die möglichst allen die Chance der realen Ausübung dieser Freiheitsrechte einräumen.<br />

Dies erfordert auch die Vorsorge dafür, dass die gesellschaftlichen Machtverhältnisse<br />

sich nicht als Verhinderung folgenreicher Kommunikationsteilhabe der Machtschwachen<br />

auswirken. Soweit die Funktionsfähigkeit der Kommunikationsordnung auf<br />

rechtliche Vorkehrungen angewiesen ist, kann der objektiv-rechtliche programmatische<br />

Auftrag an den Staat – jetzt auch an die Organe der EG 19 – zur Sicherung dieser Funktionsbedingungen<br />

eine darauf gerichtete Normenordnung fordern. Auch insoweit<br />

behält der objektiv-rechtliche Auftrag die erwähnte dienende Funktion gegenüber subjektiven<br />

Rechten der Kommunikationsteilhabe.<br />

Das auf Vielfaltsicherung gerichtete <strong>Medien</strong>-, insbesondere Rundfunkrecht ist ein<br />

prominentes Beispiel des Versuchs der Funktionssicherung (s. u. II). Weil das staatliche<br />

Recht Machtbegrenzungsrecht ist, kann es nicht überraschen, dass die Setzung von besonderem<br />

<strong>Medien</strong>recht umstritten ist und besonders umstritten in den achtziger Jahren<br />

war, als sich die aktuellen Umbrüche der <strong>Medien</strong>landschaft zu verwirklichen begannen.<br />

20 Auf die Fragen des Regelungsbedarfs und der Regelungsmöglichkeit sei daher ein<br />

besonderes Augenmerk gerichtet.<br />

I. Entwicklungen in der Informationsgesellschaft<br />

Die aktuellen Herausforderungen der Meinungs- und <strong>Medien</strong>freiheit beruhen insbesondere<br />

auf den Neuerungen der Informationsgesellschaft. Derartige Neuerungen zeigen<br />

sich insbesondere in den Informationstechnologien und der Computertechnik – insbesondere<br />

der Digitalisierung und der Möglichkeit der Datenkompression und -dekompression<br />

–, dem Aufbau neuer Netzinfrastrukturen, der Entwicklung neuer Endgeräte<br />

und, verbunden mit diesen Änderungen, der Entstehung neuer technischer und<br />

inhaltlicher Kommunikationsdienste. Dies revolutioniert die gesamte Kommunikationsordnung,<br />

und zwar nicht nur in der Individual-, sondern auch in der Massenkommunikation.<br />

Erweiterte publizistische und ökonomische Entfaltungschancen sind mit neuen<br />

Pfaden der Verbreitung von Individual- und Massenkommunikation (etwa über das Internet)<br />

und neuen Inhalten (Programmen/Diensten) und neuen Vermarktungsformen<br />

verbunden. Dies wirkt auf die Rezeptionsmöglichkeiten und -gewohnheiten zurück.<br />

19 Auch die europarechtlich verankerten Grundrechte enthalten objektiv-rechtliche Elemente, s.<br />

dazu Kühling, Die Kommunikationsfreiheit als europäisches Gemeinschaftsgrundrecht, 1999<br />

sowie ders., Grundrechtskontrolle durch EuGH, EuGRZ 1997, 296 ff.<br />

20 Zur Entwicklung s. Eifert/Hoffmann-Riem, Die Entstehung und Ausgestaltung des dualen<br />

Rundfunksystems, in: Schwarzkopf (Hrsg.), Rundfunkpolitik in Deutschland, Bd. 1, 1999,<br />

50 ff.<br />

182


Hoffmann-Riem · <strong>Medien</strong>regulierung<br />

Unter dem Schlagwort „Konvergenz“ 21 wird das zunehmende wechselseitige Durchdringen<br />

der Informationstechnologie –, Telekommunikations- und <strong>Medien</strong>märkte sowie<br />

der Geräte, Netzinfrastrukturen und technischen sowie inhaltlichen Dienste thematisiert.<br />

Neue Anbieter treten auf und alte wie neue Akteure versuchen, in den verschiedenen<br />

Segmenten der Multimedia-Märkte erfolgreich zu sein. Die Rede ist von<br />

Multimedia-Wertschöpfungsketten oder – um die Dynamik besser <strong>zum</strong> Ausdruck zu<br />

bringen – von Multimedia-Wertschöpfungsnetzwerken. 22<br />

Mit solchen Prozessen ist die Umstrukturierung bisheriger Tätigkeiten verbunden,<br />

deutlich sichtbar nicht nur bei neuen <strong>Medien</strong>- und Telediensten, sondern selbst bei dem<br />

klassischen Rundfunk. War die Veranstaltung von Rundfunk – verstanden als die Produktion<br />

von Programmen, deren redaktionelle Zusammenstellung und die Verbreitung<br />

an die Rezipienten – früher ein relativ einheitlicher Vorgang, hat seit langem ein Prozess<br />

starker Ausgliederung einzelner Elemente begonnen. Tätigkeiten, die früher zur Rundfunkveranstaltung<br />

gezählt wurden, werden in vor-, neben- und nachgelagerte Bereiche<br />

ausgelagert. 23 Zugleich wird versucht, durch Beteiligungen, Allianzen oder sonstige<br />

Verträge Verbindungen zwischen den einzelnen Elementen herzustellen. Parallel dazu<br />

werden neue Dienste entwickelt, die neue Inhalte entstehen lassen bzw. neue Wege der<br />

Verbreitung und Vermarktung eröffnen. In der Folge ist die alte Rundfunkordnung<br />

nunmehr nur noch ein Teil einer weit ausgefächerten Kommunikations- und Informationsordnung,<br />

die eine Vielzahl der direkt an die Rezipienten gerichteten neuen Dienste,<br />

aber auch einen bunten Strauß unterschiedlicher Dienste für andere Unternehmen<br />

umfasst. Der Entwicklungsstand dieser „dienstespezifisch diversifizierten Informationsordnung“<br />

24 wirkt auf die Möglichkeiten der Veranstaltung von Rundfunk und in der<br />

Folge der rechtlichen Ausgestaltung der Rundfunkordnung zurück und wirft die Frage<br />

auf, ob es erforderlich oder möglich ist, auch die anderen Marktsegmente in eine solche<br />

Gesetzgebung einzubeziehen.<br />

Früher war Rundfunkregulierung fast ausschließlich Veranstalterregulierung und<br />

konnte dies auch sein, weil auf diese Weise alle vom Veranstalter selbst durchgeführten,<br />

jetzt aber der Veranstaltung i.e.S. vor- und nachgelagerten Tätigkeiten umfasst wurden.<br />

Würden nunmehr Grundsteine für Funktionsdefizite der <strong>Medien</strong>ordnung in den von<br />

der Rundfunkveranstaltung abgelösten vor-, neben- und nachgelagerten Bereichen gelegt,<br />

so könnte dies Konsequenzen für die Funktionstauglichkeit der <strong>Medien</strong>ordnung<br />

haben. Weitere Probleme werden an der Beobachtung sichtbar, dass die neuen Dienste<br />

<strong>zum</strong> Teil traditionellen Rundfunk substituieren oder doch substituieren können, so dass<br />

möglicherweise Gefährdungen der Kommunikationsversorgung und Risiken der<br />

machtmissbräuchlichen Einwirkung auf die öffentliche Meinungsbildung auch von solchen<br />

Diensten ausgehen können.<br />

Sollen die traditionell mit Art. 5 GG verbundenen Ziele und der Auftrag zur Sicherung<br />

einer funktionsfähigen Kommunikationsordnung weiterhin gültig sein – das<br />

21 Dazu s. das „Grünbuch zur Konvergenz der Branchen Telekommunikation, <strong>Medien</strong>- und Informationstechnologie<br />

und ihren ordnungspolitischen Auswirkungen“ der EG-Kommission,<br />

KOM (97) 623; Hoffmann-Riem/Schulz/Held, Konvergenz und Regulierung, 2000.<br />

22 Dazu s. Zerdick u. a., Die Internet-Ökonomie, 1999.<br />

23 Dazu vgl. H. D. Schröder (Hrsg.), Entwicklung und Perspektiven der Programmindustrie, 1999<br />

m.w.Hinw.<br />

24 So der Titel der von Kops/Schulz/Held herausgegebenen Publikation: Von der dualen Rundfunkordnung<br />

zu einer dienstespezifisch diversifizierten Informationsordnung, 2001.<br />

183


M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />

Grundgesetz stellt dies nicht in Frage –, dann gehört die bisherige Ausgestaltung der<br />

Kommunikationsordnung im Interesse des Freiheitsschutzes auf den Prüfstand. Dies<br />

aber wirft nicht nur neue Fragen der rechtstechnischen Umsetzung der verfassungsrechtlichen<br />

Anforderungen auf, sondern führt zu einigen Grundsatzfragen, wie insbesondere<br />

der, ob rechtliche Regulierung angesichts der Vervielfältigung der Dienste und<br />

infrastrukturellen Rahmenbedingungen überhaupt noch nötig ist und – falls dies<br />

grundsätzlich bejaht wird – in hinreichender Weise erfolgreich sein kann. Damit stellt<br />

sich im Kommunikationsbereich die Frage nach der Steuerungskompetenz von Hoheitsträgern<br />

neu. Angesichts der Internationalisierung und Globalisierung sowie der<br />

Ökonomisierung der Lebensverhältnisse und der vielfältigen Vernetzungen unterschiedlicher<br />

Tätigkeiten gibt es vielfältige neue Möglichkeiten des Ausweichens vor hoheitlicher<br />

Regulierung. Es wird aber auch grundsätzlich bestritten, dass Regulierung<br />

sinnvoll ist, und dann angenommen, der Markt sei im Vergleich <strong>zum</strong> Staat der bessere<br />

Regulator.<br />

II. Rechtfertigung hoheitlicher <strong>Medien</strong>regulierung<br />

Die vom Bundesverfassungsgericht betonten und ebenfalls – wenn auch in abgeschwächter<br />

Weise – von der EG anerkannten Ziele einer an Gemeinwohlzwecken orientierten<br />

<strong>Medien</strong>gesetzgebung, insbesondere an der Sicherung von Vielfalt, bestehen<br />

fort. 25 Vielfalt ist in einer pluralen und fragmentierten, auf das Demokratieprinzip verpflichteten<br />

Gesellschaft ein wichtiger verfassungsrechtlicher Zielwert. Hoheitliche Regulierung<br />

ist allerdings nur gerechtfertigt, wenn ein Risiko der Zielverfehlung besteht<br />

und die Regulierung dazu beitragen kann, die Zielerreichung zu fördern.<br />

Die rundfunkrechtliche Regulierung ist historisch als Technikregulierung entstanden.<br />

26 Es ging darum, das Risiko eines „Chaos im Äther“ durch unbegrenzte und nicht<br />

abgestimmte Nutzung von Übertragungsfrequenzen zu vermeiden und Interferenzen<br />

auszuschließen. Die Möglichkeit zur staatlichen Zuteilung knapper Ressourcen wurde<br />

aber zugleich zur Entwicklung eines politisch und später publizistisch geprägten Zuteilungskriteriums<br />

genutzt. Die knappe Übertragungsressource sollte bevorzugt denen zugute<br />

kommen, die Inhalte (Programme) über die Netzinfrastrukturen verbreiteten, die<br />

nicht nur auf optimale Gewinnerzielung oder die Verfolgung eigener politischer Ziele<br />

gerichtet waren, sondern auch der Allgemeinheit nutzten, sich insbesondere publizistischen<br />

Belangen widmeten.<br />

Heute ist die Knappheit der Übertragungsmöglichkeiten beseitigt oder – so gegenwärtig<br />

bei terrestrischer Übertragung – <strong>zum</strong>indest vermindert, so dass der Knappheitsbefund<br />

keineswegs ausreicht, um Regulierung zu rechtfertigen. Knappheit war allerdings<br />

niemals die Rechtfertigung, sondern vielmehr nur der Anknüpfungspunkt staatlicher<br />

Regulierung gewesen. Risiken der Verfehlung der Vielfaltsvorgaben sind jedoch<br />

auch jenseits von Knappheit <strong>zum</strong>indest plausibel, so dass es eine nicht an die Knappheit<br />

anknüpfende Rechtfertigung von Regulierung geben kann. Die in der Wirtschaftswis-<br />

25 Zur Vielfaltsicherung s. BVerfGE 57, 295, 319 ff. Im Europarecht wird das Vielfaltsziel auch als<br />

Bestandteil des öffentlichen Interesses anerkannt, das Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit<br />

rechtfertigen kann, s. EuGH, Slg. 1991, I – 4007 sowie I – 4009.<br />

26 Vgl. Binz, Geschichte der deutschen Frequenzverwaltung, ArchPF 1989, 232 ff.; Scherer, Frequenzverwaltung<br />

zwischen Bund und Ländern, 1987; Eifert, Grundversorgung mit Telekommunikationsleistungen<br />

im Gewährleistungsstaat, 1998.<br />

184


Hoffmann-Riem · <strong>Medien</strong>regulierung<br />

senschaft entwickelten Theorien meritorischer Güter 27 , die Auseinandersetzung mit externen<br />

Effekten 28 sowie Einsichten der Informationsökonomie 29 bieten Erklärungen für<br />

Marktdefizite und signalisieren dementsprechend einen Bedarf zur Vermeidung oder<br />

Kompensation solcher Defizite durch Regulierung. 30 Gegenwärtig konzentriert der Regulierungsbedarf<br />

sich auf die vielfältigen Zugangsengpässe und -filterungen, die trotz<br />

Überwindung der Knappheitslagen bei den Verbreitungstechnologien die Kommunikationsordnung<br />

prägen und das Konzept der gleichen Freiheit für alle gefährden. Beobachtbar<br />

sind technikbezogene, marktmachtbezogene, angebotsbezogene und rezipientenbezogene<br />

Zugangsprobleme. Freiheitsschutz wird notwendig <strong>zum</strong> Zugangsschutz. 31<br />

Gegenwärtig konzentriert sich die Aufmerksamkeit exemplarisch auf Zugangshürden<br />

im Bereich des digitalen Fernsehens. Dort sind solche Hürden mit einer Reihe so genannter<br />

Hilfsdienste verknüpft. Sie beziehen sich insbesondere auf den so genannten<br />

conditional access (die Setzung von Konditionen für den Zugang zur Verbreitung von<br />

Kommunikationsdiensten, etwa bei Pay-TV), aber auch auf das Multiplexing, die Programmpaketvermarktung<br />

(packaging) und insbesondere auf Navigationssysteme, die<br />

zur Orientierung und zur Steuerung des Informationsabrufs eingesetzt werden. 32 Zugangsprobleme<br />

kann es <strong>zum</strong> einen für Kommunikatoren (Veranstalter, Anbieter) geben,<br />

etwa bei dem Zugang zu Produktionsfaktoren, zu Programmrechten, zu Verbreitungsund<br />

Vermarktungsmöglichkeiten; für die Nutzer können die Zugänglichkeit der Netzinfrastruktur<br />

und die Verfügbarkeit nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ auf<br />

ihre Bedürfnisse abgestimmter Inhaltsangebote problematisch sein; auch bestehen Risiken<br />

manipulativen Zugriffs auf ihre Rezeptionsbereitschaft und auf die Nutzung ihrer<br />

kommunikativen Kompetenz. Damit sind nur Problemzonen benannt, ohne dass sich<br />

schon bestimmte Wege der Problembewältigung anbieten. Diese besteht in der Aufnahme<br />

des objektiv-rechtlichen Grundrechtsauftrags zur Gestaltung der <strong>Medien</strong>- und<br />

Informationsordnung der Gegenwart nach dem Prinzip der gleichen Freiheit für alle.<br />

27 Dazu siehe Zerdick (Fn. 22); McKnight/Bailey (eds.), Internet Economics, 1997; Shapiro/Varian,<br />

Information Rules: A Strategic Guide to the Network Economy, 1998.<br />

28 Eine aktuelle Auswertung der verschiedenen medienökonomischen Ansätze findet sich bei<br />

Kops, Von der dualen Rundfunkordnung zur dienstespezifisch diversifizierten Informationsordnung?,<br />

in: Kops/Schulz/Held (Fn. 24); Hoffmann-Riem, Regulierung der dualen Rundfunkordnung,<br />

2000, 120 ff.<br />

29 Zu diesem Maßstab siehe BVerfGE 100, 313, 373. Die für Grundrechtseingriffe entwickelte Formel<br />

zur Eignung rechtlicher Regelungen zur Zielerreichung passt im Kern auch für Ausgestaltungsgesetze,<br />

deren Rechtmäßigkeit daran gemessen wird, dass sie der Sicherung der Funktionsfähigkeit<br />

der <strong>Medien</strong>ordnung dienen und „deshalb geeignet sind zu bewirken, was Art. 5<br />

Abs. 1 GG gewährleisten will“ (BVerfGE 57, 295, 320).<br />

30 S. ferner die Darstellungen von Heinrich, <strong>Medien</strong>ökonomie, Bd. 1, 1994, Bd. 2, 1999; Gundlach,<br />

Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkunternehmen, 1998; Kruse, Ordnungspolitik im Rundfunk,<br />

in: Schenk/Donnerstag, <strong>Medien</strong>ökonomie, 1989, 77, 89 f.; Brinkmann, Probleme der<br />

Marktregulierung des Rundfunks in der dualen Ordnung, in: Assmann u. a. (Hrsg.), Festgabe<br />

für Friedrich Kübler, 1997, 153 ff.<br />

31 S. dazu Hoffmann-Riem (Fn. 28), 136 ff.<br />

32 Zu solchen Hilfsdiensten und den damit verbundenen rechtlichen Problemen s. Gersdorf,<br />

Chancengleicher Zugang <strong>zum</strong> digitalen Fernsehen, 1998; Schulz/Held, Regulierung von Teleund<br />

<strong>Medien</strong>diensten, 1997; Schulz/Seufert/Holznagel, Digitales Fernsehen, 1999; Thierfelder,<br />

Zugangsfragen digitaler Fernsehverbreitung, 1999; Leopoldt, Navigatoren – Zugangsregulierung<br />

bei elektronischen Programmführern im digitalen Fernsehen, 2002.<br />

185


M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />

Selbstverständlich sind nur Regulierungen gerechtfertigt, die zur Problemlösung geeignet,<br />

erforderlich und angemessen sind.<br />

III. Regulierte Selbstregulierung als Prototyp der <strong>Medien</strong>regulierung<br />

<strong>Medien</strong>-, insbesondere Rundfunkregulierung hebt sich zwar durch ihren besonderen<br />

Gegenstandsbereich von anderen staatlichen Regulierungen ab, ist aber hoheitliche Regulierung<br />

und kann daher auf die im Kern gleichen Regulierungskonzepte und -instrumente<br />

zugreifen, die auch in anderen Gegenstandsbereichen einsetzbar sind. Allerdings<br />

nötigt die besondere Sensibilität der Kommunikationsordnung gegenüber staatlichen<br />

Eingriffen – insbesondere der Grundsatz der Staatsfreiheit 33 – zu besonderer Zurückhaltung.<br />

Gegenwärtig ist in vielen Bereichen eine Abnahme der Intensität staatlicher Regulierung<br />

und insbesondere eine Zurücknahme des Einsatzes hoheitlich-imperativer Instrumente<br />

zu verzeichnen. Solche Instrumente waren allerdings für den <strong>Medien</strong>bereich<br />

in der rechtsstaatlichen Demokratie ohnehin ohne besondere Relevanz. Für den <strong>Medien</strong>bereich<br />

ist vielmehr seit langem ein vorrangiges Vertrauen auf Selbstregulierung<br />

prägend, das allerdings durch eine regulative Umhegung dieser Selbstregulierung ergänzt<br />

wird. 34 Selbstregulierung setzt das freiheitsbezogene Autonomieprinzip um; die<br />

regulatorische Umhegung solcher Selbstregulierung soll den Gemeinwohlbezug und das<br />

Prinzip der Rücksichtnahme auf andere sichern.<br />

<strong>Medien</strong>regulierung ist ein Prototyp der hoheitlichen Regulierung gesellschaftlicher<br />

Selbstregulierung, geprägt insbesondere durch Rahmensetzung sowie Strukturvorgaben<br />

(„Kontextsteuerung“) und Verhaltenspflichten, die auf die Beachtung eines rechtlich gesetzten<br />

Rahmens zielen (so auch z. B. Werberestriktionen, jugendschutzbezogene Bindungen<br />

sowie inhaltliche Programmvorgaben zur Vielfaltsicherung, nicht für konkrete<br />

Inhalte). 35<br />

Ein besonders wichtiger Modus der Selbstregulierung ist der ökonomische Markt.<br />

Der auf ihm maßgebende ökonomische Wettbewerb soll in einer privatwirtschaftlichen<br />

<strong>Medien</strong>ordnung als Motor auch der kommunikativen Vielfalt wirken. Der Erfolgsmaßstab<br />

des ökonomischen Wettbewerbs ist in Geld ausgedrückt, zeigt sich also z. B. am<br />

Gewinn, an Marktanteilen, am Umsatz. 36 Die Frage, ob ein solcher ökonomischer Wettbewerb<br />

ein hinreichender Garant auch eines publizistischen Wettbewerbs ist, bleibt umstritten.<br />

37 Das Bundesverfassungsgericht geht jedenfalls davon aus, dass im Bereich des<br />

Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG nicht der ökonomische, sondern der publizistische Wettbewerb<br />

33 S. o. Fn. 12.<br />

34 Dazu s. Holznagel, Regulierte Selbstregulierung im <strong>Medien</strong>recht, Die Verwaltung Beiheft 4,<br />

2001, 81 ff.<br />

35 Derartige Regulierungskonzepte lassen sich weltweit beobachten, s. dazu Hoffmann-Riem, Regulating<br />

Media, 1996.<br />

36 Vgl. die Definition bei Heinrich, <strong>Medien</strong>ökonomie, Bd. 1, 1994, 95.<br />

37 Bejahend Hoppmann, Meinungswettbewerb als Entdeckungsverfahren, in: Mestmäcker<br />

(Hrsg.), Offene Rundfunkordnung, 1998, 1163, 177 ff.; Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium<br />

für Wirtschaft und Technologie, Gutachten über eine „offene <strong>Medien</strong>ordnung“,<br />

November 1999, Nr. 23 ff. Verneinend Stock, Rundfunkrecht und Wettbewerbsrecht im<br />

dualen Rundfunksystem, in: Hoffmann-Riem (Hrsg.), Rundfunk im Wettbewerbsrecht, 1988,<br />

35 ff.; Rossen, Freie Meinungsbildung durch den Rundfunk, 1988, 35 ff.; Hoffmann-Riem,<br />

Rundfunkrecht neben Wirtschaftsrecht, 1991, 71 ff.<br />

186


Hoffmann-Riem · <strong>Medien</strong>regulierung<br />

maßgebend ist und dass letzterer aufgrund von Funktionsdefiziten des ökonomischen<br />

Marktes durch diesen allein nicht gesichert werden kann. 38 Erfolgsmaßstab des verfassungsrechtlich<br />

bei Art. 5 GG maßgebenden Wettbewerbs sind publizistische Kategorien<br />

wie Meinungsvielfalt, kommunikative Entfaltung, plurale Ausgewogenheit u. ä.<br />

Ökonomischer Wettbewerb reicht nach dieser Konzeption als Grundlage der Funktionsfähigkeit<br />

der <strong>Medien</strong>ordnung nur, wenn er auch zu einem funktionsfähigen publizistischen<br />

Wettbewerb führt, und zwar funktionsfähig auf dem durch die Verfassung vorgegebenen<br />

normativen Niveau. Rundfunkfreiheit ist der Auftrag und Rundfunkrecht ist<br />

der Versuch, die Maßgeblichkeit publizistischen Wettbewerbs auch gegen die Imperative<br />

ökonomischen Wettbewerbs – natürlich auch weiterhin gegen sonstige Begehrlichkeiten<br />

und Einwirkungsversuche staatlicher und nichtstaatlicher Machtträger – zu behaupten.<br />

39<br />

Nicht zuletzt wegen des Grundsatzes der Staatsfreiheit kann und darf der Staat allerdings<br />

keine Verantwortung für bestimmte kommunikative Ergebnisse übernehmen (Erfüllungsverantwortung),<br />

sondern nur dafür, dass möglichst optimale Voraussetzungen<br />

der Kommunikationsversorgung aller (möglichst vieler) in einem Bereich bestehen, der<br />

vorrangig auf Eigenverantwortung der Akteure setzt. 40 Anders formuliert: Kommunikationsinhalte<br />

(Programme) mit hinreichender Pluralität und auf einem den Möglichkeiten<br />

der Informations- und Wissensgesellschaft angepassten Qualitätsniveau lassen<br />

sich nicht staatlicherseits gebieten, sondern allenfalls ermöglichen. <strong>Medien</strong>recht zielt auf<br />

solche „ermöglichenden“ Strukturen. Zur Sicherung von Kommunikationsfreiheit für<br />

alle (s. o. A I) gehört es, den Einsatz einseitiger ökonomischer und/oder publizistischer<br />

Macht zu verhindern, Manipulationsrisiken für die Rezipienten zu bannen und Zugangshürden<br />

zu überwinden, die kommunikative Entfaltungsmöglichkeiten unangemessen<br />

behindern. In diesem Kontext lassen sich auch hoheitlich-imperative Instrumente<br />

unterstützend einsetzen, etwa Manipulationsverbote oder Öffnungsgebote<br />

(must-carry-rules, open access-Verpflichtungen u. ä.). 41 Allerdings sind sie regelmäßig<br />

mit besonderen Implementationsschwierigkeiten verkoppelt.<br />

Entlastend für die rundfunkrechtliche Regulierung kann die übrige Rechtsordnung<br />

wirken, die in ihrem privatrechtlichen Teil auch auf Selbstregulierung (Privatautonomie)<br />

baut. Neben dem Rückgriff auf Zivil-, Wirtschafts- und Urheberrecht 42 kommt aber<br />

auch das hoheitliche Telekommunikationsrecht 43 <strong>zum</strong> Zuge. Die allgemeine Rechtsordnung<br />

und das besondere <strong>Medien</strong>recht können als wechselseitig nutzbare Teil-Auffang-<br />

38 Vgl. BVerfGE 74, 297, 332; siehe auch 73, 118, 174.<br />

39 Dass dieser Auftrag im Zuge der Kommerzialisierung der <strong>Medien</strong>ordnung sich ändern und die<br />

Kommunikationsfreiheit grundlegend ihren Charakter wandeln kann, hat Tabbara eindrucksvoll<br />

an der Entwicklung der Kommunikationsfreiheit in den USA gezeigt, s. Tabbara, Kommunikations-<br />

und <strong>Medien</strong>freiheit in den USA: Zwischen demokratischen Aspirationen und<br />

kommerzieller Mobilisierung, Diss. iur. Hamburg 2002.<br />

40 Zu den unterschiedlichen Dimensionen staatlicher Verantwortungsübernahme siehe Schuppert,<br />

Die öffentliche Verwaltung im Kooperationsspektrum staatlicher und privater Aufgabenerfüllung:<br />

Zum Denken in Verantwortungsstufen, Die Verwaltung 31 (1998), 415 ff.<br />

41 Ansätze dazu finden sich in dem § 52, 53 RStV. S. dazu etwa die Kommentierungen in Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner,<br />

Rundfunkstaatsvertrag, Stand Mai 2001.<br />

42 Dazu s. statt vieler Paschke, <strong>Medien</strong>recht, 2. Aufl. 2001, 197 ff., 279 ff.<br />

43 Aus der reichhaltigen Literatur s. statt vieler Trute/Spoerr/Bosch, TKG, 2001; Beck’scher-TKG-<br />

Kommentar, 2. Aufl. 2000.<br />

187


M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />

ordnungen verstanden werden. 44 Allerdings ist bei dem Vertrauen auf dieses Zusammenspiel<br />

in Rechnung zu stellen, dass die rechtlichen Teilordnungen je eigenen Zielen<br />

folgen – so ist die allgemeine Rechtsordnung nicht speziell auf die Sicherung der Funktionsfähigkeit<br />

der Rundfunkordnung ausgerichtet – und entsprechend durch je eigene<br />

Rationalitäten geprägt sind und jeweils nur spezifische (also begrenzte) Leistungen<br />

erbringen können. Soweit aber die allgemeine Rechtsordnung auch zur Unterstützung<br />

der Funktionsfähigkeit der Rundfunkordnung beiträgt, ist sie ein wichtiges Hilfsmittel.<br />

IV. Steuerung unter Respektierung der Eigenrationalitäten der Adressaten<br />

Staatliche Regulierung zur Ausgestaltung der <strong>Medien</strong>ordnung soll das Verhalten der<br />

Akteure so beeinflussen, dass die rechtserheblichen Zielwerte möglichst in deren autonomer<br />

Verantwortung erreicht werden. Rundfunkrecht will erwünschte Wirkungen unterstützen<br />

und unerwünschte möglichst vermeiden. Insofern ist es ein Mittel hoheitlicher<br />

„Steuerung“. 45 Eine solche Steuerung im medienrechtlichen Sinne sind die Tätigkeiten<br />

des Staates, die auf die Erfüllung des Gewährleistungsauftrags aus Art. 5 Abs. 1<br />

Satz 2 GG ausgerichtet sind, also der Konkretisierung und Ausgestaltung des Grundrechtes<br />

dienen. Untersuchungen über die Steuerungskraft von Recht – insbesondere aus<br />

dem Bereich der akteurszentrierten Handlungstheorie, der Institutionenökonomik und<br />

der Systemtheorie 46 – verdeutlichen allerdings, dass die Fähigkeit des Rechts zur Erreichung<br />

erwünschter Ziele maßgebend durch die Handlungsrationalitäten (Eigenlogiken)<br />

in dem betreffenden Regelungsfeld bestimmt wird. Rechtliche Vorgaben werden am<br />

ehesten befolgt, wenn sie die Interessenvielfalt der Akteure durch Bereitstellung unterschiedlicher<br />

Optionen respektieren, sich dabei aber auf Optionen konzentrieren, die<br />

(auch) Gemeinwohlzwecke respektieren und die zugleich ein Verhalten der Akteure erlauben,<br />

das mit deren Eigeninteressen kompatibel ist oder das ihnen sogar kurz- oder<br />

langfristig Vorteile verspricht. Negativ formuliert: Eine rechtliche Steuerung gegen die<br />

Interessen der Betroffenen führt zu Ausweichreaktionen und Widerstand. Die Implementationschancen<br />

sind dann gering und können auch nur begrenzt durch repressive<br />

Mittel verbessert werden. Jedenfalls ist Repression in einer auf Selbstregulierung aufbauenden<br />

Ordnung ein Fremdkörper.<br />

Es ist daher kein Zufall, dass die zur Implementation des <strong>Medien</strong>rechts im privatwirtschaftlichen<br />

Sektor eingesetzten Aufsichtsinstanzen – bei privatem Rundfunk etwa<br />

die Landesmedienanstalten 47 – sehr zurückhaltend mit repressiven Sanktionen sind.<br />

Stattdessen sind sie um Kooperation bemüht, vertrauen auf informelle Problemlösun-<br />

44 Zu diesem Konzept siehe die Beiträge in Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Öffentliches<br />

Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, 1996.<br />

45 Zur gegenwärtigen Steuerungsdiskussion siehe König/Dose, Klassifizierungsansätze staatlicher<br />

Handlungsformen, 1989; Schuppert, Verwaltungsrechtswissenschaft als Steuerungswissenschaft,<br />

in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Schuppert (Hrsg.), Reform des Allgemeinen<br />

Verwaltungsrechts, 1993, 65 ff.; Benz, Kooperative Verwaltung, 1994; J.-P. Schneider, Kooperative<br />

Verwaltungsverfahren, Verwaltungsarchiv 1996, 38 ff. sowie – als systemtheoretische Perspektive<br />

– Willke, Supervision des Staates, 1997.<br />

46 Zusammenfassende Darstellung dazu bei Hoffmann-Riem, Regulierung (Fn. 28), 158 ff.<br />

47 Zu deren Aufsichtstätigkeit s. statt vieler Bumke, Die öffentliche Aufgabe der Landesmedienanstalten,<br />

1995.<br />

188


Hoffmann-Riem · <strong>Medien</strong>regulierung<br />

gen und nutzen möglichst weitgehend „weiche“ Steuerungsinstrumente wie Beratung,<br />

Hinweise, gegebenenfalls die Inaussichtstellung sanktionierender Maßnahmen. 48 Dies<br />

ist ein weltweit beobachtbarer Trend. 49 Die Nutzung dieser weichen Steuerungshilfen<br />

ist insofern problematisch, als es <strong>zum</strong> einen keine Garantien des Erfolgs gibt, andererseits<br />

aber erhebliche Risiken der Zielverfehlung. So führt die kooperative Nähe zu den<br />

Regulierten zu dem Risiko der Übernahme ihrer einseitigen Perspektiven oder gar der<br />

Verstrickung in deren Handlungsimperative (capture). Andererseits bestehen gerade in<br />

der Kooperation Möglichkeiten der genaueren Erfassung der Interessen der Regulierten<br />

und damit zur Auswahl von Optionen, die sowohl die Befriedigung ihrer Interessen als<br />

auch die der Gemeinwohlinteressen erlauben.<br />

V. Herausforderungen an steuerndes Recht in der ausdifferenzierten <strong>Medien</strong>ordnung<br />

Es ist seit langem bekannt, dass die <strong>Medien</strong>regulierung nur begrenzt erfolgreich ist, und<br />

zwar auch für traditionellen Rundfunk. 50 Da aber auch ein begrenzter Erfolg besser ist<br />

als der Verzicht auf den Versuch einer Koppelung der <strong>Medien</strong>ordnung mit Anforderungen<br />

an eine auch an Verfassungsprinzipien orientierte Funktionsfähigkeit folgt daraus<br />

nicht das Gebot eines Verzichts auf <strong>Medien</strong>regulierung. Allerdings muss versucht<br />

werden, sie jeweils unter Beachtung der aktuellen Rahmenbedingungen zu optimieren.<br />

Angesichts der Ausweitung und Ausdifferenzierung der <strong>Medien</strong>ordnung stellen sich gegenwärtig<br />

viele neue Probleme, die veränderte Überlegungen zu ihrer rechtlichen Bewältigung<br />

nahe legen. Solche Problemfelder seien im Folgenden auswahlhaft benannt.<br />

Aus der Sicht effektiven Grundrechtsschutzes sind heute vor allem Zugangssicherungen<br />

bedeutsam (s. schon o. II), so beispielsweise für die Kommunikatoren die der Zugänglichkeit<br />

von Produktionsstätten, von bestimmten Ereignissen – etwa massenattraktiven<br />

Sportveranstaltungen 51 – oder des Zugangs zu wichtigen Programminhalten – etwa<br />

zu populären Kinofilmen. 52 Wer die Zugänglichkeit steuert, kann die Wettbewerbsbedingungen<br />

und auch die publizistischen Wirkungschancen beeinflussen. Führt dies zu<br />

Machtasymmetrien, wird die regulatorische Verantwortung des grundrechtssichernden<br />

Gesetzgebers aktiviert.<br />

Gleiches gilt für Einflussnahmen auf einen Zugang der Kommunikationsangebote zu<br />

Rezipienten. Technisch vermittelte und marktwirtschaftlich angebotene Kommunikation<br />

kennt unweigerlich Zugangshürden. Der objektiv-rechtliche Grundrechtsauftrag<br />

zielt darauf, diese so zu gestalten, dass die Freiheitlichkeit der Kommunikation für die<br />

Rezipienten nicht leidet. Besondere Aufmerksamkeit verdienen insofern Manipulationsmöglichkeiten.<br />

In der modernen Zeit der Informationsgesellschaft ermöglichen es die <strong>Medien</strong>technologien<br />

und die vielschichtigen <strong>Medien</strong>infrastrukturen, auf subtile, <strong>zum</strong> Teil aber auch<br />

48 Siehe dazu Arbeitsgemeinschaft der Landesmedienanstalten in der Bundesrepublik Deutschland,<br />

<strong>Medien</strong>regulierung im Wandel – <strong>zum</strong> Rang und zur Rolle der Landesmedienanstalten. Ein<br />

Positionspapier der ALM vom 23. März 1999; Baars, Kooperation und Kommunikation durch<br />

Landesmedienanstalten. Eine Analyse ihres Aufgaben- und Funktionsbereichs, 1999.<br />

49 Siehe dazu die Beobachtungen in Hoffmann-Riem (Fn. 35), 1996.<br />

50 Nähere Belege – mit weltweitem Anschauungsmaterial – bei Hoffmann-Riem (Fn. 35).<br />

51 Dazu siehe BVerfGE 97, 228 ff.<br />

52 S. dazu Ladeur, Rundfunk und Fernsehen 1998, 5 ff.<br />

189


M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />

auf nichtsubtile Art zu manipulieren. Es ist ein Irrglaube zu meinen, dass allein der Wettbewerb<br />

der <strong>Medien</strong> untereinander die Rezipienten vor Manipulation schützt. Es gibt zu<br />

viele Anreize manipulativen Vorgehens. So sehen sich die <strong>Medien</strong>unternehmen in einem<br />

Wettbewerb um eine knappe Ressource: die Aufmerksamkeit der Rezipienten/Konsumenten<br />

53 und sind bemüht, diese Aufmerksamkeit zu erhalten, und gegebenenfalls versucht,<br />

dafür auch manipulativ-suggestive Techniken einzusetzen.<br />

Besondere Möglichkeiten dazu bieten die so genannten Navigatoren. Angesichts der<br />

mit der Digitalisierung und der Datenreduktion möglichen Vervielfachung von Übertragungskapazität<br />

und entsprechender Angebote erhält die Orientierung des Rezipienten<br />

über das Programmangebot und die „Ansteuerung“ der Angebote eine bedeutende<br />

Aufgabe, die durch dafür konzipierte Dienste, insbesondere Navigatoren, bewältigt<br />

werden kann. 54<br />

Navigatoren übernehmen wie eine „elektronische Programmzeitschrift“, aber viel<br />

stärker mit der realen Nutzung verknüpft, die Benutzerführung und ermöglichen die<br />

Orientierung sowie den Zugriff zu Programmen und anderen Anwendungen. Damit besteht<br />

ein Risiko der Diskriminierung bestimmter Dienste, etwa durch ungünstige Platzierung,<br />

Gestaltung, Verzeichnisbildung oder die Art der Verknüpfungsmöglichkeiten.<br />

Wenn Navigationsdienste Nutzer auf bestimmte Kommunikationswege verweisen,<br />

Kommunikationsangebote in bestimmter Reihenfolge aufrufen u. ä., dann sind damit<br />

auch Möglichkeiten verknüpft, den Nutzer gezielt zu lenken und bestimmten Kommunikationsangeboten<br />

Vorteile vor anderen zu verschaffen. So ist es beispielsweise für die<br />

Chancen, als Fernsehsender erfolgreich zu sein, wichtig, wie der Nutzer auf dessen Programm<br />

zugreifen kann. Es macht für die Erfolgschancen einen Unterschied, ob beim<br />

Einschalten des Navigationssystems zunächst auf dieses Programm – oder nur auf andere<br />

Programme anderer kommerzieller oder nur die öffentlicher Veranstalter – verwiesen<br />

wird. Auch macht es einen Unterschied, ob Fernsehprogramme direkt angewählt<br />

werden können oder ob dies nur über mehrere Schritte möglich ist.<br />

Werden Navigationssysteme und Suchportale zudem dazu genutzt, die im Abrufvorgang<br />

ablesbaren Interessen der individuellen Nutzer aufzunehmen und zu speichern,<br />

Datenmuster zu analysieren und Nutzerprofile zu erstellen („collaborative filtering“),<br />

dann kann dies z. B. als Grundlage eingesetzt werden, die zukünftig vermittelten Angebote<br />

speziell auf die individuellen Nutzerinteressen auszurichten – Fußballfreunden also<br />

zunächst Fußballprogramme anzubieten, Krimifreunden Krimis und zugleich Werbebotschaften<br />

und Verkaufsaufforderungen (E-Commerce) auf die Interessen der je individuellen<br />

Konsumenten auszurichten. Diese werden häufig sogar damit einverstanden<br />

sein. Dennoch ist unübersehbar, dass hier erhebliche Beeinflussungsmöglichkeiten bestehen.<br />

Die modernen Technologien schaffen nicht nur Macht zur Lenkung des Kommunikationsflusses,<br />

sondern auch zur Datenerhebung, -verarbeitung und -weiternutzung.<br />

Regelmäßig wissen Nutzer nicht, welche Software in einem Navigationssystem<br />

verwendet wird oder auf dem Computer installiert ist und wieweit sie dazu genutzt<br />

wird, Schritte der Kommunikationsnutzung zu speichern, Datenmuster zu erfassen, die<br />

53 Vgl. dazu Franck, Ökonomie der Aufmerksamkeit, 1998; Rötzer, Aufmerksamkeit als Medium<br />

der Öffentlichkeit, in: Maresch/Werber (Hrsg.), Kommunikation, <strong>Medien</strong>, Macht, 1999, 35 ff.;<br />

Schmidt, Kalte Faszination: <strong>Medien</strong>, Kultur, Wissenschaft in der <strong>Medien</strong>gesellschaft, 2000,<br />

234 ff.<br />

54 S. dazu Gersdorf (Fn. 32), 69 ff.; Schulz/Seufert/Holznagel (Fn. 32), 81, 102 ff.; Thierfelder<br />

(Fn. 32), 144 f., 147 ff., 160 f.<br />

190


Hoffmann-Riem · <strong>Medien</strong>regulierung<br />

entsprechenden Informationen an Dritte weiterzugeben und für zukünftige Steuerungsakte<br />

zu nutzen.<br />

Dies illustriert, dass neue Technologien auch neue Macht – hier Lenkungs- und Filtermacht<br />

– vermitteln können. Liegen die entsprechenden Navigationssysteme in den<br />

Händen von Wirtschaftsunternehmen, die zugleich Inhalte von <strong>Medien</strong>, also Programme,<br />

bereitstellen, dann gibt die Möglichkeit der Kombination dieser Aktivitäten zusätzliche<br />

Marktchancen. Die Versuchung liegt nahe, die Navigationssysteme so auszugestalten,<br />

dass die von dem Unternehmen selbst stammenden Programme bevorzugt rezipiert<br />

werden. Kommerzielle Interessen von Werbeunternehmen können ferner die<br />

Versuchung bedingen, die Angebots- und Auswahlmacht zu nutzen, um solchen Programmen<br />

bevorzugte Rezeptionschancen zukommen zu lassen, die auch der Werbewirtschaft<br />

zusagen, etwa weil sie ein für den Absatz der beworbenen Produkte günstiges<br />

Programmumfeld bereitstellen. Auf der Verlustseite kann die <strong>Medien</strong>vielfalt zu verbuchen<br />

sein.<br />

Eine weitere, insbesondere bei Pay-TV-Programmen beobachtbare Erscheinung ist<br />

die Bündelung von Programmen zu Programmpaketen, die den Rezipienten angeboten<br />

werden (packaging) und die sie häufig auch nicht aufgeteilt (entbündelt) beziehen können.<br />

Durch Programmpaketbildung wird eine besondere Vermarktungsform geschaffen.<br />

Neben Pay-TV-Programmen können auch Free-TV-Programme, <strong>Medien</strong>-, Teleoder<br />

Sprachtelefondienste in ein Bouquet aufgenommen werden. Dadurch können z. B.<br />

marktbeherrschende Anbieter aus dem Teledienste- bzw. Sprachtelefondienstemarkt<br />

Einfluss auf den Rundfunksektor gewinnen. Insofern ist <strong>zum</strong>indest eine Vorkehrung<br />

dafür wichtig, dass ein Anbieter, der bei der Bündelung und Vermarktung von Programmen<br />

eine marktbeherrschende Stellung innehat, Anbieter, die einen solchen Dienst<br />

nachfragen, weder unmittelbar noch mittelbar unbillig behindert oder gegenüber gleichartigen<br />

Anbietern ohne sachlich gerechtfertigten Grund unmittelbar und mittelbar unterschiedlich<br />

behandelt.<br />

Solche Beispiele illustrieren, dass Strukturen und Verhaltensweisen auch in den der<br />

<strong>Medien</strong>veranstaltung vor-, neben- und nachgelagerten Bereichen mit dem Blick auf Art.<br />

5 Abs. 1 Satz 2 GG bedeutsam sind. Dass der Geltungsbereich dieser Grundrechtsnorm<br />

sich auf diese Bereiche erstreckt, hat das Bundesverfassungsgericht bisher zwar noch<br />

nicht umfassend, wohl aber für verschiedene Beispielsfelder bejaht (Stichworte: Pressegrosso,<br />

Kurzberichterstattung u. a.). 55 Der Gesetzgeber beginnt, das Problem zu erkennen,<br />

also seinen objektiv-rechtlichen Grundrechtsauftrag zur Ausgestaltung der Freiheitlichkeit<br />

der Kommunikation wahrzunehmen. Vorkehrungen zur Sicherung eines<br />

chancengleichen, angemessenen und nicht diskriminierenden Zugangs zu einigen Diensten<br />

enthält z. B. § 53 RfStV, wenn auch noch in unzureichender Weise. 56<br />

In den im Aufbau befindlichen Multimedia-Netzwerken haben sich neue Strukturen<br />

herausgebildet, die mit den geschilderten Vermachtungs- und Missbrauchsrisiken verbunden<br />

sind. Dem Gewährleistungsgesetzgeber des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG dürfen die<br />

Entwicklungen in diesen Sektoren nicht gleichgültig sein. Die Regulierung aber ist<br />

schwierig, wenn sie nicht mit dem Risiko verbunden sein soll, neue Entwicklungen zu<br />

unterbinden oder zwar in Deutschland Restriktionen vorzusehen, diese aber aufgrund<br />

55 Vgl. BVerfGE 77, 346, 354; 83, 238, 312 ff.; 97, 228, 267.<br />

56 Zu den mit § 53 RfStV verbundenen Problemen s. Schulz/Kühlers, Konzepte der Zugangsregulierung<br />

für das digitale Fernsehen, 2000; Schulz, K & R 2000, 9 ff.; Thierfelder, Zugangsfragen<br />

digitaler Fernsehverbreitung, 1999; Leopoldt (Fn. 32).<br />

191


M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />

der globalen Aktivitäten auswärtiger Veranstalter und Diensteanbieter nicht oder nur<br />

begrenzt durchsetzen zu können.<br />

Wichtig dürfte insbesondere die Sorge dafür sein, dass die verfügbaren Angebote nicht<br />

nur nach kommerziellen Imperativen gestaltet sind. Insofern erhält die ältere Frage neue<br />

Bedeutung, ob die mit dem dualen Rundfunksystem verbundene Idee struktureller Diversifikation<br />

57 auch bei anderen als traditionellen Rundfunkdiensten nutzbar gemacht<br />

werden kann. Dies würde beispielsweise dazu führen können, die Bereitstellung solcher<br />

Dienste auch gemeinwirtschaftlichen Veranstaltern, darunter auch den öffentlich-rechtlichen<br />

Rundfunkanstalten, zu gestatten. 58 Angesichts der Dynamik der Märkte, der Unvorhersehbarkeit<br />

neuer technologischer Entwicklungen und der Variabilität von Nutzerinteressen<br />

und -gewohnheiten muss die <strong>Medien</strong>ordnung jedenfalls auf ein hohes Maß<br />

an Lernfähigkeit, zugleich auch Revisionsoffenheit, ausgerichtet sein. Das Konstruktionsprinzip<br />

der dualen Rundfunkordnung ist zwar nicht als einzig mögliches verfassungsrechtlich<br />

vorgegeben, entspricht aber in besonderer Weise einer Konzeption, die<br />

weitestgehend Privatwirtschaftlichkeit zulässt und nutzt, aber die Pflicht zur Vorsorge<br />

dafür einlösen muss und über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk einzulösen versucht,<br />

dass die mit Privatwirtschaftlichkeit als alleiniger Wirtschaftsform verbundenen Defizite<br />

ausgeglichen werden. Ändern sich die Realbedingungen und damit auch die Gefährdungen,<br />

gibt es Anpassungsbedarf bei den zur Verwirklichung der unverändert fortbestehenden<br />

Ziele der Kommunikationsordnung vorgesehenen Instrumenten. Der objektiv-rechtliche<br />

Auftrag zur Sicherung der Funktionsfähigkeit der <strong>Medien</strong>ordnung – also<br />

<strong>zum</strong> Erhalt der Freiheitschance für alle – wandert mit, wenn sich die Gefahrenursachen,<br />

also auch die Regelungsprobleme, in neue Bereiche der Kommunikation und der entsprechenden<br />

Netzwerke verlagern.<br />

VI. Umgang mit Risiken der „Zensur“ beim Informationszugang<br />

Der Kampf um die Freiheit hatte – wie eingangs schon dargestellt – immer etwas mit<br />

dem Kampf gegen Macht zu tun. Freiheitsrechte zielen auf die Bereitstellung von Mitteln<br />

gegen Machteinsatz, vor allem gegen Machtmissbrauch. Wenn das Risiko des<br />

Machtmissbrauchs von privaten Unternehmen ausgeht, dann setzt eine freiheitliche<br />

Ordnung Schutz auch vor ihm voraus. Deshalb ist wichtig, dass Grundrechte nicht nur<br />

Abwehrrechte gegen den Staat, sondern auch objektiv-rechtliche Schutzaufträge an ihn<br />

enthalten. Dies gilt auch für das Zensurverbot (Art. 5 Abs. 1 Satz 3 GG), gewissermaßen<br />

den Prototyp eines klassischen Abwehrrechts.<br />

Historisch gesehen ist das Zensurverbot als Mittel gegen staatliche und kirchliche<br />

Zensur entstanden. 59 Die Zensurfreiheit war im 19. Jahrhundert der wesentliche Kern<br />

der Pressefreiheit. Als Gefährder der Freiheit erschien in erster Linie der Staat. Das Zensurverbot<br />

schafft daher ein Abwehrrecht des Einzelnen gegen den Staat. Heute aber gibt<br />

es weitere Gefahrenträger. Dies sei abschließend am Beispiel des Internet illustriert.<br />

Das Internet ermöglicht den Zugang zu vielfältigen Informationen aller Art und un-<br />

57 Dazu s. Hoffmann-Riem, Erosionen des Rundfunkrechts, 1990, 38 f.; ders., Staatswissenschaften<br />

und Staatspraxis 1991, 412 f.; ders., Regulierung (Fn. 28), 67 ff., 292 ff.<br />

58 Ob dies schon gegenwärtig zulässig ist, ist in der Literatur umstritten, siehe dazu Hoffmann-<br />

Riem, Regulierung (Fn. 28), 234 ff. m.w.Hinw.<br />

59 Zur Geschichte des Zensurverbots s. Fiedler, Die formale Seite der Äußerungsfreiheiten, 1999;<br />

Rohde, Die Nachzensur in Art. 5 Abs. 1 Satz 3 GG, 1997.<br />

192


Hoffmann-Riem · <strong>Medien</strong>regulierung<br />

terschiedlicher Herkunft. Eine Begleiterscheinung ist, dass es Inhalte gibt, die gesellschaftlich<br />

als unerwünscht gelten, wie z. B. Pornografie, rechtsextremistische Propaganda<br />

oder Anleitungen <strong>zum</strong> Bombenbau. Es darf daher nicht überraschen, dass eine intensive<br />

Diskussion darüber entstanden ist, wie solche unerwünschten Inhalte aus dem<br />

Internet herausgehalten werden können 60 . Es gibt in Europa einen weiten gesellschaftlichen<br />

Konsens, dass z. B. Jugendschutz legitim ist, dass Terrorismus bekämpft werden<br />

muss und dass es ein legitimes Anliegen demokratischer Staatsordnungen ist, politisch<br />

extremistische Inhalte abzuwehren.<br />

Das Internet wird nicht vom Staat verwaltet. In der Selbstverwaltung des Internet haben<br />

große Unternehmen starken Einfluss, beispielsweise die so genannten Provider wie<br />

America Online (AOL). Das Internet ist so organisiert, dass es aufgrund seiner spezifischen<br />

Netzstruktur nur begrenzt einer Kontrolle unterzogen werden kann. 61 Jedenfalls<br />

ist der Nationalstaat als Kontrolleur weitgehend ohnmächtig. Selbst wenn der Staat versuchen<br />

wollte, die Inhalte zu kontrollieren, so wäre er nur begrenzt als Träger von Zensur<br />

erfolgreich. In diese Lücke sind <strong>zum</strong> Teil private Unternehmen, insbesondere die<br />

Provider, gerückt, die angefangen haben, das Internet auf unerwünschte Inhalte zu<br />

durchkämmen oder durchkämmen zu lassen und z. B. aufgefundene Pornografie oder<br />

politisch extremistische Inhalte zu sperren. Nach deutschem Recht verlangt der Gesetzgeber<br />

die Sperrung von Inhalten durch Provider, soweit sie von rechtswidrigen bzw.<br />

strafbaren Inhalten Kenntnis haben (vgl. §§ 5 TDG, MDStV).<br />

Blickt man auf den traditionellen Gehalt des Zensurverbots, dann haben systematische<br />

Inhaltskontrollen und Filterungen der Verbreitung von Inhalten durch private Provider<br />

nichts mit Zensur i. S. des Art. 5 Abs. 1 Satz 3 GG zu tun. Es geht ja nicht um Zensurmaßnahmen<br />

des Staates. Wird der übergreifende Sinn des Verbots der Zensur aber in<br />

der Verhinderung einer Lähmung des Geisteslebens und des manipulativ-steuernden<br />

Zugriffs auf Kommunikationsinhalte gesehen 62 , dann liegt die Wertung nahe, auch in der<br />

Tätigkeit von privaten Filterinstanzen eine ähnliche Gefahr für die Freiheitlichkeit der<br />

Kommunikation zu sehen, wie sie früher vom Staat ausging. Heute ist der Staat demokratisch<br />

organisiert und rechtsstaatlich vielfältig kontrolliert. Über entsprechende verantwortungssichernde<br />

Strukturen und demokratische Kontrollvorkehrungen verfügen<br />

Privatunternehmen, auch die Provider im Internet, nicht. Es ist daher nicht ausgeschlossen,<br />

dass die private Steuerungs- und Filtermacht aufgrund der geringen Kontrollmöglichkeiten<br />

gefährlicher für die Freiheitlichkeit der Kommunikation ist als eine<br />

entsprechende Kontrolle durch den Staat.<br />

Werden Kontrollmaßnahmen in systematischer Weise durchgeführt – dazu gibt es<br />

schon vielfältige Möglichkeiten 63 –, dann besteht das Risiko, dass bestimmte Inhalte<br />

ganz aus dem Internet verschwinden, jedenfalls soweit nicht auf andere Provider ausgewichen<br />

werden kann. Nun wird vermutlich kaum jemand etwas dagegen einwenden,<br />

wenn strafbare Inhalte verhindert werden. Wer aber garantiert, dass die Filterung von<br />

Kommunikationsinhalten sich darauf beschränkt – ganz abgesehen davon, dass es häu-<br />

60 S. statt vieler Hornig, Möglichkeiten des Ordnungsrechts bei der Bekämpfung rechtsextremistischer<br />

Inhalte im Internet, ZUM 2001, 846 ff. m. w. Hinw.<br />

61 Zur Funktionsweise des Internet s. statt vieler Beck/Prinz, Ökonomie des Internet, 1999. Zu<br />

den Rechtsfragen der Haftung s. statt vieler Freytag, Haftung im Netz, 1999.<br />

62 I.d.S. Hoffmann-Riem in AK-GG, 3. Aufl. 2001, Rn. 89 ff. zu Art. 5 Abs. 1, 2 GG.<br />

63 Als knapper Überblick über unterschiedliche technische Sperr- und Filtersysteme s. Vielhaber,<br />

Neuer Schutz vor neuen Gefahren? Jugendschutz im Internet, MMR Beilage 2001/9, 16, 18 f.<br />

193


M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />

fig auch schwierig ist, die Grenze des Strafbaren zu bestimmen? Die – gegenwärtig immer<br />

weiter ausgebaute – Klassifizierung von Angebotsinhalten als Grundlage der Filterung<br />

oder als Entscheidungshilfe für die Nutzer setzt Wertungen voraus. Diese können<br />

in weltanschauliche Fragebereiche hineinwirken oder sonst wie folgenreiche Vorentscheidungen<br />

fordern. Wer garantiert, dass nicht auch Inhalte ausgefiltert werden, die den<br />

Providern politisch unerwünscht sind oder die z. B. Kritik an wirtschaftlichen Vorgängen<br />

oder an der wirtschaftlichen Macht des Providers üben? Jedenfalls scheint eine Garantie<br />

vor Machtmissbrauch nicht gegeben zu sein, wenn nicht auch hier die ordnende<br />

Kraft des Rechts wirksam wird. Insoweit ist es eine wichtige Frage der Gegenwart und<br />

Zukunft, ob das als Verbot staatlicher Zensur entstandene Zensurverbot unter den veränderten<br />

Rahmenbedingungen umgedacht und zur Sicherung werden muss, Schutz auch<br />

vor zensurähnlichen Akten durch private Wirtschaftsunternehmen zu gewähren. Schutz<br />

mit Hilfe staatlichen Rechts aber setzt voraus, das Zensurverbot des Art. 5 Abs. 1 Satz<br />

3 GG auch als objektiv-rechtlichen Grundrechtsauftrag an den Staat zu verstehen, Vorkehrungen<br />

gegen den Aufbau privater Zensurmacht zu schaffen, etwa Transparenz- und<br />

Kontrollvorkehrungen bei zensurähnlichem Verhalten von Providern vorzusehen.<br />

C. Fazit<br />

Die Zukunft der Freiheitsrechte wird auch davon abhängen, dass bei neuen Erscheinungen<br />

immer wieder gefragt wird, ob die schon erfolgte rechtliche Gestaltung des Freiheitsbereiches<br />

ausreicht, um unter heutigen Bedingungen Ziele zu verwirklichen, die<br />

auch schon gestern wichtig waren. Der rasante Umbruch auf dem Weg zur Informationsgesellschaft<br />

legt Antworten auf diese Frage dringend nahe. Die Ziele des Freiheitsschutzes<br />

sind in der Neuzeit weitgehend gleich geblieben, die Wege zur Zielerreichung<br />

aber müssen immer wieder auf die je aktuellen Verwirklichungsbedingungen abgestimmt<br />

werden. Daher bleibt der objektiv-rechtliche Gehalt der kommunikationsbezogenen<br />

Grundrechte auch in der Gegenwart und Zukunft wichtig, und zwar zur Gewährleistung<br />

subjektiven Freiheitsschutzes für möglichst alle. Den Schutz des Rechts<br />

benötigen vor allem Machtschwache.<br />

194


Aggressiver Humor in den <strong>Medien</strong> – am Beispiel<br />

der Fernseh-Comedy-Show „TV total“*<br />

Axel Schmidt<br />

Stefan Raabs Comedy-Show „TV total“ gilt als prototypisches Beispiel neuerer Entwicklungen<br />

in der deutschen Fernsehunterhaltung. Die Sendung avancierte <strong>zum</strong> Sinnbild respektloser<br />

Provokationen und einzigartiger Konfrontationen zwischen dem Moderator<br />

und seinen Gästen. Während sie Kritiker als niveaulosen, zotigen und krampfhaft um<br />

Komik bemühten Klamauk abtun, loben Befürworter ihren tabulosen Umgang mit der<br />

Fernsehrealität und deren Protagonisten. Der vorliegende Beitrag versucht auf der Basis<br />

einer analytischen Betrachtung einzelner Sendungselemente, typische Merkmale herauszuarbeiten,<br />

um das spezifische Format der Sendung zu bestimmen. In einer folgenden<br />

mikroanalytisch-gesprächslinguistischen Analyse des Umgangs Raabs mit seinen<br />

Gästen werden zentrale Strategien der Generierung von Komik aufgezeigt. Es wird argumentiert,<br />

dass die Sendung „TV total“ vor allem auf die künstliche Erzeugung unfreiwilliger<br />

Komik als Attraktionsstrategie setzt.<br />

Keywords: Humor, TV-Comedy, Fernsehunterhaltung, Scherzkommunikation, qualitative<br />

<strong>Medien</strong>forschung, Interaktionsforschung, Gesprächsanalyse, TV total, Genreanalyse<br />

1. Einleitung<br />

Obwohl Unterhaltungssendungen den größten Programmanteil ausmachen und zu den<br />

am häufigsten und längsten rezipierten Formaten des Fernsehens gehören (vgl. Gerhards<br />

et al. 2000, Paukens 2000), erfuhr das Phänomen erst seit den 1990er Jahren eine systematische<br />

wissenschaftliche Betrachtung (vgl. Bosshart/Hoffmann-Riem 1994; Roters et<br />

al. 2000). Versuche, sich dem Unterhaltungsphänomen empirisch-analytisch zu nähern,<br />

betonen, dass Unterhaltung <strong>zum</strong>indest als zweiseitiges Phänomen begriffen werden<br />

muss (vgl. etwa Kübler 2000). Unterschieden werden Studien, die<br />

• nach dem Produkt (Form und Inhalt von Unterhaltungssendungen) bzw.<br />

• nach Nutzung und Rezeption (hier v. a. medienpsychologische Studien zur Unterhaltsamkeit<br />

aus Rezipientensicht; vgl. Gleich 1997; Kepplinger/Tullius 1995; zsf.<br />

s. Winterhoff-Spurk 2000 und Vorderer 1996) fragen.<br />

Rezeptionsorientierte Studien kranken häufig daran, dass sie lediglich auf Genreniveau<br />

messen. Berghaus/Staab (1995) geben mit Recht zu bedenken, dass die Beurteilung der<br />

Unterhaltsamkeit einer gesamten Sendung schwierig ist, und fordern: „Was tatsächlich<br />

favorisiert wird bzw. unterhält, sollte daher inhaltlich genauer beschrieben werden“<br />

(ibid., 106). Sollen qualitative Veränderungen innerhalb einzelner Genres festgestellt<br />

werden, so „könnten allein akribische inhaltsanalytische Vergleiche von früheren und<br />

heutigen <strong>Medien</strong>inhalten diese Vermutungen empirisch verifizieren“ (Kübler 2000, 5).<br />

* Der Autor dankt Denise Haddad, Evangelia Rademacher, Stefanie Wehr, Eva Wittenmeier sowie<br />

Steffen Zwiener für ihre Mitwirkung an Durchführung und Auswertung dieser Untersuchung<br />

sowie Prof. Dr. Klaus Neumann-Braun und Dr. Arnulf Deppermann für wertvolle Hinweise.<br />

195


M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />

Humorsendungen sind Genres, deren Ziel darin besteht, den Rezipienten vornehmlich<br />

mit Hilfe von Humor zu unterhalten. Vielerorts wird ein Boom von Comedy-Sendungen<br />

(vgl. Hillenbach 1996; Kübler 2000; Lambernd 1998, 81 ff.; Pätzold/Röper 1999;<br />

Strasser/Graf 2000) und eine verstärkte Verwendung humoristischer Elemente in anderen<br />

medialen Genres (in der Werbung: Erbeldinger/Kochhan 1998; im Film: Goldstein<br />

1994) konstatiert. Qualitativ wird bemerkt, dass Humorkommunikation penetranter,<br />

aggressiver und respektloser geworden sei: „Kaum ein Tabu bleibt unverschont, sei es<br />

religiöser, politischer, moralischer oder erotischer Natur. Eben dieser Tabubruch hat<br />

sich gewissermaßen zu einem Kriterium entwickelt, durch das sich die aktuelle Comedy<br />

<strong>zum</strong> Beispiel vom Kabarett abgrenzt“ (Schumacher/Hammer 2000, 562; s. a. Albert<br />

et al. 1998; Kübler 2000) 1 . Einen besonderen Aufschwung verzeichneten Formate, die<br />

aggressive, unfreiwillige Komik mit „echten“ Menschen in nicht gescripteten Kommunikationssituationen<br />

zu erzeugen versuchen. Prominentestes Beispiel hierfür ist die im<br />

vorliegenden Beitrag näher zu betrachtende Comedy-Show „TV total“.<br />

Obwohl vielfach festgehalten wird, dass Humor ein klassischer und zunehmender Bestandteil<br />

von Unterhaltungssendungen ist, liegen kaum detaillierte Untersuchungen von<br />

Fernsehhumor vor. Existierende Untersuchungen widmen sich vornehmlich den sozialen<br />

Funktionen und Gütekriterien von Humorsendungen aus Zuschauersicht (Gehrau<br />

1996; Grabosch 1996; Lambernd 1998; Schumacher/Hammer 2000; zu sitcoms: Holzer<br />

1994), fragen auf der Basis medienpsychologisch-experimenteller Studien nach Rezeptionsmotivationen<br />

(zur amerikanischen Unterhaltungs- und Humorforschung: Goldstein<br />

1994; Zillmann 1994) oder legen mesotheoretisch ausgerichtete Formatanalysen<br />

(vgl. Neale/Krutnik 1990; Lambernd 1998) vor. Detaillierte (text-)linguistische und<br />

konstitutionslogische Analysen komischer Strategien und Genres sowie insbesondere<br />

Untersuchungen von nicht-fiktionaler, live vor einem Publikum dargebotener, dialogischer<br />

Komik im Fernsehen sind jedoch bisher nicht durchgeführt worden. 2<br />

Diesem Desiderat versucht sich der vorliegende Beitrag, am Beispiel der Comedy-<br />

Show „TV total“ exemplarisch zu widmen. Der Moderator der Sendung, Stefan Raab,<br />

und seine Show „TV total“ können als einschlägigstes Beispiel der oben skizzierten Entwicklungen<br />

der deutschen TV-Comedy gelten: Nicht nur die hohe Zuschauerresonanz<br />

in der begehrten Zielgruppe der 14- bis 29-Jährigen 3 , sondern das Erringen des deutschen<br />

TV-Comedy-Preises sowie die große Beachtung im einschlägigen Feuilleton (vgl.<br />

bspw. Brinkbäumer/Rabsch 2000) sind Indizien für den wegweisenden und kontrovers<br />

diskutierten Charakter der Sendung. Anknüpfend an das oben formulierte Erkenntnisinteresse,<br />

eine gerade wegen ihrer spezifischen Verwendung von Komik umstrittene<br />

Sendung konstitutionsanalytisch zu betrachten, sollen im Folgenden zentrale Strategien<br />

der Humorgenerierung zunächst auf Formatebene herausgearbeitet werden.<br />

Hierzu wurden auf der Basis eines Samples von ca. 30 „TV-total“-Sendungen des Jah-<br />

1 Dass auch Hass als humorgenerierendes Verfahren eingesetzt wird, konnte Neumann-Braun<br />

(i. Dr.) an so genannten Hatepages im Internet zeigen.<br />

2 Fernsehgenres, die den Anspruch erheben, echtes, authentisches Leben zu zeigen, erfuhren im<br />

Zuge der Etablierung so genannter real-people-Formate (vgl. Keppler 1994, 1995; Müller 1995)<br />

wachsende wissenschaftliche Behandlung (vgl. Bente/Fromm 1997 zu Talkshows; Holly/<br />

Schwitalla 1995 zu confrontation-shows; Müller 1999 zu Beziehungsshows; Reichertz 2000 zu<br />

Heiratsshows; Wegener 1994 zu Reality-TV-Formaten; Mikos et al. 2000 und Neumann-<br />

Braun/Schmidt 2000 zu „Big Brother“). Entsprechende Untersuchungen stehen für Comedy-<br />

Formate noch aus.<br />

3 Insgesamt durchschnittlich 3,2 Mio. Zuschauer im Jahr 2000 (vgl. Schumacher/Hammer 2000).<br />

196


Schmidt · Aggressiver Humor in den <strong>Medien</strong><br />

res 2000 charakteristische Elemente der Sendung und ihre typische Abfolge bestimmt<br />

(Kap. 2).<br />

Die sich anschließenden mikroanalytischen Betrachtungen (Kap. 3) basieren auf einem<br />

integrativen Konzept von Gesprächsanalyse (vgl. Deppermann 1999). Innerhalb gesprächslinguistischer<br />

Ansätze wird Humor als interaktives und konversationell hervorgebrachtes<br />

Phänomen begriffen. Im Zentrum stehen damit Rekonstruktionen konversationeller<br />

Strategien der Humorgenerierung, in denen Konzepte wie Beteiligungskonstellation,<br />

Rahmung sowie Beziehungs- und Identitätsaushandlung eine tragende Rolle<br />

spielen (vgl. Kotthoff 1996, 1998; Schütte 1987). Auf der Basis funktionaler Ausdeutungen<br />

der Analyseergebnisse soll darüber hinaus exemplarisch gezeigt werden, dass und<br />

wie in der Sendung „TV total“ aggressiver Humor sowohl gegenüber abwesenden als<br />

auch vor allem gegenüber anwesenden Personen <strong>zum</strong> tragenden Konzept der Sendung<br />

wird.<br />

Als Grundlage für die Charakterisierung von Humor als Aggression kann das Face-<br />

Konzept 4 gelten. Demzufolge greift ein Aggressor das Image (das Face) eines Opfers dadurch<br />

an, dass er diese Person vor anderen (Zeugen) lächerlich macht 5 . Konstitutiv für<br />

das „Lächerlich-Machen“ ist dabei eine durch den Akt des Aggressors exponierte Diskrepanz<br />

zwischen der angestrebten und der tatsächlichen Selbstdarstellung des Opfers,<br />

wobei letztere prinzipiell negativ, d. h. gesichtsverletzende bzw. imagezerstörende Züge<br />

trägt, also Imageaspekte situationell offenbart, die das Opfer zu verdecken trachtete.<br />

Entgegen einer für den Alltag charakteristischen Normalform, nämlich dass Interaktanten<br />

zunächst davon ausgehen, dass das Image des Gegenübers sowie das eigene geschützt<br />

bzw. die rituelle Ordnung gemeinsam aufrechterhalten wird, erscheinen aggressive Formen<br />

des Humors als Abweichung 6 . Ihnen wohnt demzufolge prinzipiell das Potenzial<br />

inne, die Geordnetheit und Erwartbarkeit sozialer Situationen zu irritieren, ohne indes<br />

vollends „auf Konfrontationskurs zu gehen“. Wie dies geschieht und im Rahmen der<br />

Comedy-Show „TV total“ systematisch zur Generierung von Humor eingesetzt wird,<br />

soll im Folgenden an empirischem Material aufgezeigt werden.<br />

4 Goffman betrachtete Interaktionen v.a. hinsichtlich identitärer Aushandlungsprozesse und der<br />

Aufeinanderbezogenheit von Selbstpräsentationen. Das Face kann dabei wie folgt verstanden<br />

werden: „Von einer Person wird gesagt, sie habe ein ,Gesicht‘, wenn ihre Verhaltensstrategie<br />

(,line‘) den Interaktionspartnern ein konsistentes Bild vermittelt“ (Lenz 1991, S. 46 f.) (vgl. weiterführend<br />

Goffman 1971; Holly 1979).<br />

5 Ein am Face-Konzept orientiertes Komik-Modell legt bspw. Brock (1998) seinen Analysen von<br />

Fernsehkomödien zugrunde.<br />

6 Erving Goffman zeigte in seinen Alltagsbeobachtungen an mikroskopischen Details, wie Interaktanten<br />

fortwährend bemüht sind, sich bei der Aufrechterhaltung der jeweiligen Selbstpräsentationen<br />

(„face work“) wechselseitig zu unterstützen, um peinliche Situationen zu vermeiden.<br />

Solche Situationen werden durch in Interaktionen eingebaute Vorsichts- und Vermeidungsmaßnahmen<br />

minimiert (vgl. Goffman 1971, S. 21 ff.) oder – wenn sich ein Regelverstoß nicht<br />

mehr vermeiden oder ignorieren lässt – durch die Einleitung eines „korrektiven Austauschs“<br />

„geheilt“ (vgl. Goffman 1974, S. 138 ff.). An so genannten „Response Cries“ (insbes. „Spill Cries“<br />

wie „hoppla“, vgl. Goffmann 1981, S. 101 ff.) zeigt Goffman, dass das Face bereits bei kleinen<br />

Missgeschicken (etwa Stolpern) Schaden nehmen kann und dass für solche Fälle konventionalisierte<br />

Mittel zur Verfügung stehen (etwa „hoppla“ zu äußern), um die personale Integrität wieder<br />

herzustellen (d. h. Beobachtern zu verdeutlichen, dass es tatsächlich nur ein Missgeschick<br />

war und nicht etwa mangelnde Kompetenz o. ä.). Das Ausbeuten solcher „Sensibilitäten“ und<br />

das Spielen mit Interaktionsregeln und Kommunikationsidealisierungen dienen der hier zu untersuchenden<br />

Fernsehkomik als ständige Quelle des Humors.<br />

197


M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />

2. Die Sendung „TV total“: Rahmen, Ablauf und Charakteristika<br />

2.1 Rahmen der Sendung<br />

Seit März 1999 präsentiert der Sänger, Komponist und TV-Produzent Stefan Raab mit<br />

„TV total“ eine neue Comedy-Show auf Pro Sieben. Gesendet wurde zu diesem Zeitpunkt<br />

einmal wöchentlich montags von 22.15 Uhr bis 23.15 Uhr 7 . Abzüglich der Werbepausen<br />

beläuft sich die Netto-Sendezeit auf ca. 30 Minuten. Die Sendung „TV total“<br />

wurde anfangs von der Brainpool TV AG produziert und spielte der Firma allein im Jahr<br />

2000 zehn Millionen DM Umsatz ein. Hinzu kommen zusätzliche Umsätze durch Merchandising-Artikel<br />

(etwa Tonträger, Videospiele, Bücher und eine eigene „TV total“-<br />

Zeitschrift) und durch die Website 8 in Millionenhöhe. Heute wird die Sendung durch<br />

die Raab TV GmbH getragen, einem Joint Venture zwischen Stefan Raab und Brainpool<br />

(jeweils hälftige Anteilseigner), die einen Vertrag mit dem Fernsehsender Pro Sieben bis<br />

2004 hält. Das Fundament der Raabschen „Gag-Fabrik“ bilden ca. 15 Studenten, die für<br />

15 DM die Stunde Mitschnitte aus dem alltäglichen Fernsehalltag sichten und abstruse<br />

Ausschnitte auf Videokassetten festhalten, sowie Techniker und Texter, die dieses<br />

„Fernseh-Rohmaterial“ selektieren und zu präsentablen Gags weiterverarbeiten.<br />

Bei „TV total“ handelt es sich um einen Genre-Mix, d.h. die Sendung kann nicht eindeutig<br />

einem konkreten Humor- oder Show-Genre zugeordnet werden. Die verschiedenen<br />

Genres und deren Elemente, die die Show verbinden, sollen im Weiteren aufgezeigt<br />

werden. Aufhänger und damit roter Faden der Sendung ist die Präsentation von<br />

„Pannen“ aus der aktuellen Fernsehwoche. Darüber hinaus präsentiert Stefan Raab<br />

Außenreportagen, lädt Gäste ins Studio ein und verleiht einen speziellen Fernsehpreis,<br />

den so genannten „Raab der Woche“. Seine Gäste sind i. d. R. durch ihr Verhalten im<br />

Fernsehen in irgendeiner Weise besonders aufgefallen: Jemand war in einer Talkshow<br />

besonders hitzig, gab die dümmste Antwort bei einer Gameshow oder spielte einen besonders<br />

lächerlichen Part in einem Werbespot. Wer von den eingeladenen Gästen den<br />

„Raab der Woche“ mit nach Hause nimmt, entscheidet das Studiopublikum. Die Show<br />

hat einen halb- und quasi-live Charakter, d.h. die Talks mit den Gästen finden live vor<br />

einem Studiopublikum statt, daneben gibt es jedoch auch vorproduzierte Teile, die<br />

während der Sendung eingespielt werden (MAZ-Aufzeichnungen). Darüber hinaus wird<br />

die Sendung am frühen Abend aufgezeichnet und abends gesendet. Die Kulisse der Show<br />

ist immer die Gleiche: Gesendet und aufgezeichnet wird im Kölner Studio, das aus einem<br />

Zuschauerraum (Platz für ca. 120 Personen), einer kleinen bühnenartigen Freifläche<br />

und einer Sitzecke mit Moderations-Tisch und Zweisitzercouch für die Gäste besteht.<br />

Das Publikum hat einen Abstand von ca. vier Metern <strong>zum</strong> Sitzplatz des Moderators 9 .<br />

7 Seit Januar 2001 wird die Sendung – aufgrund ihres großen Erfolgs – viermal wöchentlich ausgestrahlt.<br />

Der Charakter der Sendung änderte sich seit dieser Umstellung (etwa werden nun<br />

auch häufiger Prominente in affirmativer Intention eingeladen (etwa Popstars wie „Pink“ oder<br />

Viva-Moderatoren und -moderatorinnen), was die Sendung in die Nähe zu Light-Night-Talks<br />

rückt; darüber hinaus wurde die Show um einige Elemente erweitert, etwa eine Live-Kapelle,<br />

Showpraktikant „Elton“ u.v.m.). Auf diese Phase der Entwicklung wird im vorliegenden Artikel<br />

jedoch nicht eingegangen.<br />

8 Die „TV total-Website“ mit der URL www.tvtotal.de wurde preisgekrönt und konnte im Jahr<br />

2000 im Monat durchschnittlich 12 Millionen „Page Impressions“ vorweisen.<br />

9 Die Informationen zu den Produktionsbedingungen der Sendung stammen vornehmlich aus<br />

198


Schmidt · Aggressiver Humor in den <strong>Medien</strong><br />

• Moderator der Sendung: Stefan Raab moderiert die Sendung „TV total“ seit dem<br />

8. März 1999. Er hat die Sendung selbst konzipiert. Bekannt ist er als Musiker, Entertainer,<br />

Produzent, Komponist und Komiker. Vor „TV total“ moderierte er die Sendung<br />

„Vivasion“, in der er launige Straßenumfragen machte und „schräge“ Interviews<br />

gab. Nach Beginn der Sendung „TV total“ steigerte er seinen Bekanntheitsgrad<br />

durch „Blödelsongs“ wie „Ö la Palöma“ und „Maschendrahtzaun“, die er im Rahmen<br />

seiner Sendung entwickelte. Im Jahr 2000 nahm er am Grand Prix d’Eurovision<br />

de la Chanson mit seinem Song „Wadde hadde dudde da?“ teil.<br />

• Titel der Sendung: Der Titel der Sendung („TV total“) korrespondiert mit Stil und<br />

Inhalt des Formats: Im Zentrum stehen TV-Ereignisse und ihre Protagonisten, mit<br />

denen Raab suggeriert, sich „total“ i. S. v. vollständig, restlos und gänzlich, aber auch<br />

i. S. v.„aufklärerisch“ 10 und respektlos zu beschäftigen.<br />

• Sponsorentrailer: Die Firma Diebels (Biermarke) ist Sponsor der Sendung. Zu Beginn<br />

von „TV total“ wird ein Trailer gezeigt, in dem eine volle Kneipe biertrinkender Menschen<br />

zu sehen ist. Nach der Einblendung des Fernsehgerätes, das dort an der Decke<br />

angebracht ist und dem Erscheinen des „TV total“-Logos, bricht die rege Unterhaltung<br />

der Gäste abrupt ab und die nun beginnende Comedy-Show „TV total“ steht<br />

im Zentrum des Interesses. Damit wird auf die Zielgruppe der Sendung sowie auf eine<br />

– aus medienökonomischer Perspektive – ideale Rezeptionssituation verwiesen: Junge<br />

und erfolgreiche Menschen in geselliger, aufgelockerter Runde, die zu einer festgelegten<br />

Zeit „TV total“ als gemeinsamen Aufmerksamkeitsfokus etablieren. Darüber<br />

hinaus lässt sich in einer solchen Selbstpräsentation der Sendung als Interessensmittelpunkt<br />

unter jungen Leuten bereits eine Inszenierung als Kultsendung erahnen.<br />

• Titel-Vorspann: Der Titeltrailer ermöglicht es, die Show zu identifizieren. Es werden<br />

zwei sich drehende Fernseher (computeranimierte Zeichnung) gezeigt, auf denen das<br />

Testbild verkleinert senkrecht und horizontal laufend erscheint. Im Hintergrund der<br />

ganzen Bildschirmgröße ist der lachende Moderator Stefan Raab erst in blauem Farbton,<br />

dann in gelb als Abgrenzung erkennbar. Währenddessen wird der Schriftzug:<br />

„TV total“, verschiedene Schriftgrößen durchlaufend, in der Mitte des Bildschirms<br />

eingeblendet. Es folgt nun die Großeinblendung eines Fernsehgerätes, aus dessen beiden<br />

oberen Ecken zwei Hörner wachsen und in dessen Bildschirm das „TV total“-<br />

folgenden Quellen: Brors 2001, Brinkbäumer/Rabsch 2000, Genrich 2000, Lüke 2000, Niggemeier<br />

2001.<br />

10 Der Gestus, in denen Raab seine Ausschnitte präsentiert, erfolgt häufig in Formeln von aufklärerischem<br />

oder kulturkritischem Journalismus. Mit Einleitungen wie „Meine Damen und Herren,<br />

schauen sie sich das bitte mal an“ im Verein mit dem Aufruf zur kollektiven Beurteilung<br />

(etwa durch die „Pfui-Kelle“; s.u.) inszeniert er sich spielerisch als Sitten- und <strong>Medien</strong>wächter<br />

(s. auch unten seine Einleitung im Gesprächsausschnitt „Bettina Stark“). Insgesamt versucht er<br />

dadurch, augenzwinkernd den Eindruck zu erwecken, er und seine Sendung seien bemüht,<br />

Qualitätsstandards im Fernsehen zu kontrollieren (besonders deutlich wird dies an der Auswahl<br />

der Ausschnitte: Häufig sind es Szenen aus den Billigproduktionen des Privatfernsehens (etwa<br />

Daily-Talks oder Real-People-Formate wie „Girlscamp“), die als niveaulos und schlecht moderiert<br />

verunglimpft werden, oder aber Ausschnitte aus den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten,<br />

die wegen ihres biederen und hausbackenen Daherkommens lächerlich gemacht werden).<br />

Humor entsteht nicht zuletzt auch durch die erzeugte Inkongruenz – sprich durch die Vorstellung,<br />

dass gerade der „Blödelbarde“ Stefan Raab und seine „Klamauk-Sendung“ „TV total“ moralische<br />

und qualitative Ansprüche formulieren, wo es doch offensichtlich lediglich darum geht,<br />

etwas oder jemanden auszulachen.<br />

199


M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />

Logo erscheint. Im Hintergrund ist eine computeranimierte Stimme zu hören, die<br />

einleitend „Herzlich Willkommen zu ,TV total‘“ sagt. Eine weitere Stimme verweist<br />

auf das Kommende: „Und hier ist wieder ihr Gastgeber Stefan Raab“. Durch das<br />

„wieder“ wird die Sendung als seriell ausgewiesen. Das Sinnbild der „gehörnten“<br />

Fernseher verweist nicht nur auf den satirischen Inhalt, sondern auch auf das Objekt<br />

der Satire: das Fernsehen. Diese Zentrierung auf das Medium Fernsehen steigert sich<br />

noch dadurch, dass nahezu alle zentralen Symbole dem Bedeutungsraum der Fernsehunterhaltung<br />

entlehnt sind (etwa das Testbild, ,TV‘ im Titel der Sendung, der lachende<br />

Moderator, der Bildschirm als Pars pro toto etc.).<br />

• Eröffnung: In genretypischer Manier eröffnet der Moderator die Show meist mit einem<br />

Running-Gag, etwa mit einem Purzelbaum oder einer ritualisierten Wendung<br />

wie: „Meine Damen und Herren, wir haben doch keine Zeit“, womit Kontinuität und<br />

ein Wiedererkennungseffekt hergestellt und der Einstieg in das Format der Comedy-<br />

Show geleistet wird. Im Anschluss leitet er <strong>zum</strong> zentralen Thema der Show über, indem<br />

er i. d. R. auf die letzte Fernsehwoche verweist, in der „wie immer viel passiert<br />

ist“.<br />

2.2 Klassischer Show-Teil 11<br />

• Stand-Up-Comedy 12 : Es folgt der Stand-up-Comedy-Teil der Show, in dem Stefan<br />

Raab Ausschnitte aus der letzten Fernsehwoche zeigt und kommentiert. Inhaltlich<br />

handelt es sich um peinliche Ereignisse aus anderen Sendungen, die jedoch häufig erst<br />

durch Fokussierungen, Wiederholungen und Dekontextualisierungen komisches Potenzial<br />

entfalten. Raab verwendet an dieser Stelle eine Fülle von Strategien zur Erzeugung<br />

von Spektakulärem, so u. a. Äußerungen wie: „Wir wären nicht ,TV total‘,<br />

wenn wir Ihnen das vorenthalten würden“ u. v. m. Mit solchen und ähnlichen Äußerungen<br />

und Rahmungsstrategien gibt sich Raab bzw. seiner Sendung spielerisch den<br />

Anstrich einer um Aufklärung und Aufdeckung von Skandalen bemühten Instanz.<br />

Dadurch verweist er immer wieder auf das Image der Sendung, alles, sei es noch so<br />

abstrus, peinlich und eklig, zu präsentieren (vorzuführen). Raab arbeitet damit an der<br />

Etablierung eines Markenzeichens: einem tabu- und respektlosen Umgang mit dem<br />

Medium Fernsehen und seinen Protagonisten 13 .<br />

• Performance am Schreibtisch: Nach dem Stand-up-Comedy-Teil folgt die Performance<br />

am Schreibtisch. Hier referiert Raab das Wochengeschehen auf breiterer Ba-<br />

11 Beide Teile erinnern formal an die Late-Night-Shows nach US-amerikanischem Vorbild (etwa<br />

Letterman, adaptiert durch Harald Schmidt in Deutschland; vgl. Neale/Krutnik 1990).<br />

12 Hierunter ist eine in den frühen 1990er Jahren entstandene Form der live- oder Bühnen-Comedy<br />

zu verstehen, in der ein Alleinunterhalter (Stand-up-Comedian) scheinbar aus dem Stegreif<br />

und ohne Hilfsmittel über die Thematisierung alltäglicher Belange Komik erzeugt. Diese<br />

Form der Comedy erlebte in den 1990er Jahren einen Boom, wohl auch wegen ihrer Fernsehgängigkeit<br />

und dem rasanten, z. T. tabulosen und vulgären Stil. Typische Vertreter sind etwa<br />

Michael Mittermeier oder Ingo Appelt.<br />

13 Prototypisch für diese Strategie sind die z. T. Wochen andauernden Versuche, traditionelle<br />

Fernsehgrößen wie Heiner Bremer, Karl Moik oder Rudi Carell live vor die Kamera oder sogar<br />

in die Sendung zu bekommen. Vorläufer dieser intensiven Beschäftigung mit dem Fernsehgeschehen<br />

waren Sendungen wie „Kalkofes Mattscheibe“ oder „RTL Samstag Nacht“, in denen<br />

die persiflierten Personen jedoch nie live in die Sendung eingeladen wurden und damit eine direkte<br />

Konfrontation mit den diskreditierten Opfern ausblieb.<br />

200


Schmidt · Aggressiver Humor in den <strong>Medien</strong><br />

sis (d. h. er bezieht sich nicht nur auf TV-Ereignisse). Es werden wie zuvor Patzer,<br />

Pannen und Abstruses vorgestellt, allerdings verwendet Raab hier sowohl vorproduzierte<br />

MAZ-Einblendungen als auch andere <strong>Medien</strong> (etwa Zeitschriften). Der<br />

Schreibtisch bietet vielfältige Möglichkeiten: Einblendungen laufen über einen im<br />

Schreibtisch integrierten Monitor (mit dem Raab auf vielfältige Weise „interagiert“),<br />

und fertige Kommentare können mit Hilfe von Knöpfen und Kellen (s. u.) erzeugt<br />

werden. Zwischendurch überrascht Raab durch das plötzliche Einbringen neuer Elemente,<br />

etwa „Stefan beantwortet Kinderfragen“ oder „Randgruppenwitze – an der<br />

Randgruppe selbst getestet“.<br />

2.3 Feste Rubriken<br />

• Raab in Gefahr: Nach Einspielung des Trailers von „Raab in Gefahr“, in dem Flugzeuge<br />

abstürzen und andere Katastrophen gezeigt werden, untermalt von reißerischer<br />

Musik, erscheint der Moderator, der Außenreportagen durchführt und dadurch<br />

in vermeintliche Gefahren gerät. Er wagt sich z. B. in einen traditionellen Damenkegelclub,<br />

besucht eine Pudelausstellung oder spielt den Drive-In-Kunden bei McDonalds<br />

einen Streich. Die Funktion und Quelle der Komik ist, dass Leute im Alltag mit<br />

ungewöhnlichen Situationen konfrontiert werden.<br />

• Schocker der Woche: Die Schocker der Woche bewegen sich meist im Referenzbereich<br />

von Tabu und Sexualität. Die Ausschnitte werden jeweils nach einem gesonderten<br />

Trailer (grüne, gallertartige Masse läuft den Bildschirm herunter, man hört<br />

eine Frau in thrillertypischer Manier aufschreien) auf dem Monitor am Schreibtisch<br />

eingeblendet. Es handelt sich auch hierbei um Einspielungen meist anderer TV-Sender.<br />

Die Reaktion des Moderators Raab und des Publikums erfolgt <strong>zum</strong> Teil über<br />

Kellen (s. u.). Die humoristische Qualität dieses Sendungselements liegt <strong>zum</strong> einen in<br />

der Abseitigkeit und dem Ekel hervorrufenden Inhalt der gezeigten Ausschnitte, womit<br />

<strong>zum</strong> anderen durch die Re-De-Kontextualisierung im Rahmen einer Comedy-<br />

Show ein absurdisierender Effekt erzielt wird. Spaß entsteht sowohl durch den Tabubruch<br />

als auch durch wohliges Schaudern und das Weiden am Elend anderer, was<br />

durch die jeweiligen Ausschnitte evoziert wird 14 .<br />

2.4 Besondere Kommunikationsformen<br />

• Knöpfe: Bei den Knöpfen handelt es sich um insgesamt zwei rote und acht weiße<br />

Knöpfe, die in den Tisch, an dem Stefan Raab die meiste Zeit der Sendung sitzt, integriert<br />

sind. Durch Drücken der einzelnen Knöpfe erfolgen kurze Einspielungen, die<br />

der Moderator zu einem vorherigen Zeitpunkt eingeführt hat. Meist handelt es sich<br />

um kurze Statements prominenter Personen, die auf eine bestimmte Art komisch<br />

wirken (häufig handelt es sich um Fehltritte Prominenter in der Öffentlichkeit, um<br />

Versprecher und Formulierungsunsicherheiten oder um unlogisch bis skurrile Aussagen).<br />

Die Einspielungen werden die ganze Sendung über als Running Gags und zur<br />

Kommentierung verschiedenster Kommunikationssituationen vom Moderator ge-<br />

14 Als typische Ausschnitte der Kategorie „Schocker der Woche“ fungieren bspw. explizite<br />

und/oder abweichende Darstellungen von Sexualität, Operationen und Körperfunktionen bei<br />

Menschen und Tieren, drastische Unfälle und Verletzungen sowie alle Arten von mangelnder<br />

Körperkontrolle und Hygiene.<br />

201


M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />

nutzt. Sie dienen damit auch als formelhaftes Gag-Repertoire in der Interaktion zwischen<br />

Moderator und Studiopublikum bzw. zwischen ihm und seinen Gästen. Komik<br />

entsteht vor allem durch den kreativen Einsatz dieser immer wieder gleichen<br />

Versatzstücke in verschiedenen Situationen.<br />

• Kellen: Die Kellen sind ebenfalls in den Tisch des Moderators eingebaut und können<br />

per Hebelfunktion betätigt werden. Auf der grünen Kelle steht „Respekt“ mit den<br />

möglichen Erweiterungen „Mein Lieber“ und „Herr Gesangsverein“. Es gibt eine<br />

weitere gelbe Kelle mit der Aufschrift „Pfui“ und den möglichen Erweiterungen „Extra“<br />

und „Gold“. Mit jeder Steigerung verkleinert sich der Durchmesser der Kellen.<br />

Die Kellen dienen vornehmlich der Kommentierung und Beurteilung gezeigter<br />

MAZ-Einspielungen und werden auch vom Publikum mit in die Sendung gebracht.<br />

Auf diese Weise hat sich eine „TV total“-typische Form der Kommentierung entwickelt.<br />

Der Erfolg des Vertriebs der aufblasbaren Kellen als Merchandisingprodukte<br />

zeigt sich bei den Publikumseinblendungen. Neben dem Aspekt der Publikumsbeteiligung<br />

trägt v. a. die Form der ironischen Bewertung („Respekt“ für besonders<br />

drastische Fehltritte) bzw. die augenzwinkernd moralisch-infantile Bewertung<br />

(„Pfui“) zur Erzeugung von Humor bei.<br />

• Pulleralarm: Der Pulleralarm fällt unter die Rubrik der Knöpfe, hat jedoch einen gesonderten<br />

Platz auf Stefan Raabs Tisch und fällt durch seine Größe auf. Bei Betätigung<br />

ertönt ein Alarmsignal, eine drehende rote Leuchte geht in Betrieb und das Studiolicht<br />

verdunkelt und erhellt sich abwechselnd. Die Wirkung wird durch anhaltendes<br />

Stampfen, Schreien und lautes Applaudieren des Publikums verstärkt. Der<br />

Pulleralarm wird i. d. R. als Reaktion auf sexuell ausgerichtete Bilder oder Äußerungen<br />

in den Einspielungen, Stefan Raabs aber auch der Gäste verwendet.<br />

2.5 Raab der Woche<br />

• Hintergrund des Raabschen TV-Preises: Beim „Raab der Woche“ handelt es sich um<br />

einen Fernsehpreis, vom Moderator auch als Sympathiepreis bezeichnet, der für besondere<br />

Leistungen im TV vergeben wird. Es handelt sich um einen goldfarbenen Pokal,<br />

der einen nackten, knienden Athleten, welcher einen Fernseher auf den Schultern<br />

trägt, zeigt. Er wird an einen der drei eingeladenen Studiogäste für den auffälligsten<br />

und komischsten Auftritt der Fernsehwoche verliehen. Der Gewinner des Preises<br />

wird vom Publikum per Knopfdruck ausgewählt.<br />

• „Raab der Woche“-MAZ: Die „Raab der Woche“-Gäste werden eingeführt durch<br />

eine MAZ, in der der Nominierungsgrund gezeigt und erläutert wird. Der Moderator<br />

verwendet zur Einführung der Nominierungen meist hyperbolische Äußerungen<br />

wie: „Im Super-Nachrichtensender N24 gesehen“ oder „Spektakulärste Gesangsnummer,<br />

nie da gewesen“ etc. Hierbei zeigt sich, dass Raab durch die Verwendung<br />

eines hyperbolischen Stils mehrdeutige und ambivalente Bewertungen evoziert. Bei<br />

den Ausschnitten handelt es sich meist um Nichtigkeiten, die durch die Rahmung des<br />

Moderators als sehenswert und komisch im Sinne einer Blamage aufgewertet werden.<br />

Insofern kann der „Raab der Woche“ auch als Negativ- oder Anti-Preis bezeichnet<br />

werden. Raab betreibt hier eine spielerische Umdeutung eigentlicher Preisverleihungszeremonien.<br />

• Gäste-Talk: In die Sendung werden i. d. R. drei Personen eingeladen, die vom Moderator<br />

in der jeweiligen Sendung für den „Raab der Woche“ nominiert werden. Es<br />

handelt sich hierbei entweder um prominente Personen aus dem Fernsehen oder um<br />

Personen aus dem Alltag, die beispielsweise in einer Talkshow aufgefallen sind, da sie<br />

202


Schmidt · Aggressiver Humor in den <strong>Medien</strong><br />

vom „Normalen“ oder Erwartbaren abwichen. Sie müssen keine besondere Leistung<br />

etwa sportlicher oder künstlerischer Art vollbracht haben, sondern als Protagonisten<br />

einer unfreiwillig komischen Szene im Fernsehen aufgefallen sein. Raab stilisiert die<br />

Auftritte seiner Gäste i. d. R. als etwas Spektakuläres. Er präsentiert sie zunächst im<br />

ursprünglichen Kontext (meist eine andere Fernsehsendung), bevor er sie live ins Studio<br />

bittet. Durch die Duplikation des Auftritts wird die Blamage und damit der Vorführcharakter<br />

intensiviert. Während der Unterhaltung, die nun folgt, stellen die Gäste<br />

entweder ihr „Können“ nochmals unter Beweis oder arbeiten sich an ihrem fokussierten<br />

Fehlverhalten mit dem Versuch ab, sich nicht noch lächerlicher zu machen.<br />

Häufig handelt es sich um Milieupersiflagen bzw. Realsatiren: Die Gäste werden in<br />

der Hoffnung eingeladen, sich aufgrund ihrer Verschrobenheit, Unerfahrenheit etc.<br />

selbst zu diskreditieren. Der Unterschied zwischen Prominenten- und „Alltags“-<br />

Gästen liegt in deren Wissen, wie mit einer solchen Situation umzugehen ist (s. Abschnitt<br />

3.2.4).<br />

2.6 Publikum<br />

Im Studio des Theaters am Rudolfplatz in Köln ist Platz für insgesamt 120 Studiogäste.<br />

Die Zeitschrift „TV Movie“ hat nach Umfragen festgestellt, dass „TV total“ die teuersten<br />

Kartenpreise verlangt und die längsten Wartezeiten hat. Das Studiopublikum ist <strong>zum</strong><br />

Teil sehr stark an der Sendung beteiligt. Während der Gespräche mit den Gästen reagiert<br />

das Publikum auffallend häufig mit Applaus und greift durch Zwischenrufe und -reaktionen<br />

unkonventionell in die Kommunikation zwischen den Gästen und dem Moderator<br />

ein. Auch der Moderator wird <strong>zum</strong> Teil durch Einzelne im Publikum direkt angesprochen<br />

oder zu etwas aufgefordert. Die Herstellung von „Sehenswertem“ wird so<br />

auch durch ein interaktives Publikum begünstigt.<br />

2.7 Zwischenfazit: Charakteristika der Sendung „TV total“<br />

Im Gegensatz zu anderen Comedy-Formaten 15 fällt auf, dass innerhalb der Sendung<br />

„TV total“ eine enorme Vielfalt an humoristischen Kommunikaten offeriert wird: Neben<br />

klassischen Stand-up-Comedy-Teilen gehören sketchartige Kurzreportagen, Gewinnspiele<br />

mit Zuschauern, an „Pleiten, Pech und Pannen“ angelehnte Einspielungen,<br />

scherzhafte Außenreportagen mit Live-Charakter und Prominenten gewidmete Ständchen<br />

(das „Rabigramm“) ebenso <strong>zum</strong> Repertoire der Sendung wie Live-Auftritte des<br />

Moderators oder seiner Gäste, Gespräche mit seinen Gästen sowie unzählige Specials<br />

(erinnert sei hier an Events wie den Boxkampf gegen Regina Halmich). Formal kann<br />

„TV total“ damit als hybrides Show-Format bezeichnet werden, das unterschiedlichste<br />

erfolgreiche Formen von TV-Unterhaltung und -Humor miteinander verbindet. Inhaltlich<br />

und stilistisch knüpft „TV total“ an Formate an, die den respektlosen Umgang<br />

mit dem Medium „Fernsehen“ in den Mittelpunkt der Sendung stellten. Während sich<br />

solche Sendungen (etwa „Kalkofes Mattscheibe“/Premiere oder „Switch“/Pro Sieben,<br />

z. T. auch „RTL-Samstag Nacht“/RTL sowie „Die Wochenshow“/Sat.1) bezüglich der<br />

15 Zu nennen wären hier v.a. die rein fiktionalen sitcoms (etwa „Die Camper“), Sketch-, Stand-upund<br />

Kabarett-Formate mit Live-Charakter (etwa „7 Tage, 7 Köpfe“, „Quatsch-Comedy-Club“<br />

oder „Scheibenwischer“), vorproduzierte Sketch-Paraden (etwa „Switch“) sowie Comedy-<br />

Talk-Shows (etwa „Die Harald Schmidt Show“).<br />

203


M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />

Thematisierungen des Fernsehens in Parodien erschöpften 16 , geht „TV total“ dahingehend<br />

über solche Formate hinaus, dass <strong>zum</strong> einen sehr heterogene Elemente in die Sendung<br />

integriert sind (s. o.) und <strong>zum</strong> anderen der Moderator sich live mit den Objekten<br />

seines Spotts konfrontiert. Insgesamt versteht es „TV total“, sich in einer unverwechselbaren<br />

Art und Weise zu präsentieren: schnell, bunt, überraschend und respektlos.<br />

Symptomatisch hierfür ist, dass ein Großteil der Sendung aus ankündigenden Trailern<br />

besteht, in denen der Zuschauer mit immer neuen und spektakulären Ereignissen in folgenden<br />

Sendungen konfrontiert wird. Die so betriebene Event-Inszenierung und das intensive<br />

Marketing, das Raab dadurch betreibt, haben einen doppelten synergetischen Effekt:<br />

Produkte und Sendung bewerben sich gegenseitig. Das Produkt wird in der Sendung<br />

eingeführt und der „Hype“ um das Produkt animiert, die Sendung einzuschalten 17 .<br />

Nicht zuletzt wegen Produkten wie „Maschendrahtzaun“, „Wadde hadde dudde da?“<br />

„Hol mer noch ne Flasche Bier“ oder „Wir kiffen“ 18 avancierte die Sendung <strong>zum</strong> „Kultformat“<br />

(s. Resümee).<br />

Dem intendierten Charakter der Sendung entsprechend, steht das Gespräch mit seinen<br />

Gästen im Mittelpunkt, bei dem es sich um nicht vorproduzierte und damit nicht<br />

fiktionale, in diesem Sinne also echte und kontingente Interaktionssituationen handelt.<br />

Wie solche auf nicht kalkulierbaren Reaktionen basierende und damit zukunftsoffene<br />

Situationen durch den Moderator ausgenutzt werden, um „TV total“-typische Komik<br />

zu erzeugen, soll im Folgenden anhand zweier Gesprächsausschnitte aus einer „TV total“-Sendung<br />

nachgezeichnet werden.<br />

3. Analyse zweier Gesprächspassagen<br />

Bearbeitet werden zwei Ausschnitte aus einer „TV total“-Sendung vom Herbst 2000.<br />

Die Personen, die in dieser Sendung als Nominierte eingeladen wurden, traten in folgender<br />

Reihenfolge auf: Bettina Stark, Ali, Zlatko. Die folgende Betrachtung beschränkt<br />

sich auf die beiden ersten Gäste, wobei mit Ali begonnen wird. Der Materialselektion<br />

lagen dabei folgende Überlegungen zugrunde: Der umfangreiche Datenpool von „TV<br />

total“-Sendungen bzw. die dort regelmäßig stattfindenden Gästetalks wurden zunächst<br />

grob gesichtet. Auf der Basis dieser Sichtung wurden Arbeitshypothesen zur Art und<br />

Weise des verwendeten Humors gebildet, woraufhin die Sendungen erneut durchgeschaut<br />

wurden. Eine zentrale These, die sich heraus zu kristallisieren begann, nämlich<br />

dass Raab vornehmlich auf das „Lächerlich-Machen“ seiner Gäste als Prinzip der Humorerzeugung<br />

setzt, gab schließlich den Ausschlag für die endgültige Selektionsentscheidung:<br />

Die Ausschnitte „Bettina Stark“ und „Ali“ repräsentieren in prototypischer<br />

Weise die basale Humorkonzeption der Sendung und v.a. den Umgang mit den eingeladenen<br />

Gästen 19 . Hinzu kommt, dass Raabs Strategien insbesondere bei medienuner-<br />

16 „Kalkofes Mattscheibe“ und „Switch“ sind inhaltlich reine TV-Parodien, wogegen „RTL-<br />

Samstag Nacht“ und „Die Wochenshow“ als Sketch-Paraden mit Stand-up-Comedy-Anteilen<br />

sowie einem hohen Anteil an TV-Parodien (erinnert sei an Anke Engelke’s Ricky-Parodien<br />

(„Rickys Pop-Sofa“) oder Esther Schweins’ Verona Feldbusch-Parodien) gelten können.<br />

17 Dieser Kreislauf ließe sich an der Vermarktung des Produktes „Maschendrahtzaun“ gut verdeutlichen.<br />

18 Allesamt CD-Produktionen, die Stefan Raab selbst produzierte und erfolgreich vertrieb.<br />

19 Der Einstieg in mikroanalytisches Arbeiten bringt es immer mit sich, Selektionsentscheidungen<br />

auf der Basis einer nur groben Kenntnis des Materials zu treffen. Da sich die vorliegende Arbeit<br />

in den Anfängen befindet, wurden Passagen ausgewählt, die in direktem Bezug zu den primären<br />

204


Schmidt · Aggressiver Humor in den <strong>Medien</strong><br />

fahrenen Gästen <strong>zum</strong> Tragen kommen (s. 3.2.4) und dort gewissermaßen in „Reinform“<br />

erfasst werden können. Der Umgang mit <strong>Medien</strong>profis und solchen, die sich auf dem<br />

Wege dorthin befinden (wie zu diesem Zeitpunkt etwa Zlatko), muss als abgeleitete und<br />

komplexere Strategie begriffen werden, weswegen solche Fälle zunächst ausgeblendet<br />

blieben 20 .<br />

3.1 „Ali“<br />

Der zweite Gast in der gewählten Sendung ist ein türkischer Junge namens Ali (ca. 15<br />

Jahre alt). Der Rahmung von „TV total“ zufolge ist Ali „Titelverteidiger“ des Raabschen<br />

Preises der Vorwoche; er ist also bereits <strong>zum</strong> zweiten Mal Gast in der Sendung. Der<br />

Grund für Alis Nominierung in der letzten Sendung war sein Auftritt in der Nachmittags-Talkshow<br />

„Vera am Mittag“. Er wurde nominiert, weil er in dieser Talkshow der<br />

Moderatorin „Vera“ ein Liebeslied sang. Aufgrund der Publikumsreaktionen bei der<br />

Ankündigung Alis (frenetischer Applaus, Johlen, Lachen) ist davon auszugehen, dass er<br />

in der letzten Sendung einen bleibenden Eindruck hinterließ bzw. sein Auftritt besonders<br />

unterhaltend war.<br />

3.1.1 Formen der Humoretablierung/-initiierung<br />

• Ankündigung des Gastes, Beispiel 1: „Herzlich willkommen Ali!“ 21<br />

1 SR: DESwegen ist Ali auch HEUte WIEDER bei uns um seinen<br />

2 titel gegen HARte konkurrenz zu verteidigen; meine<br />

3 damen und herren-(.)ALI-<br />

4 XP: ((schreit, klatscht, jemand hält Al(d)i-Tüte hoch))<br />

5 SR: HALLO ALI(—)herzlich willkommen-<br />

6 XP: <br />

7 SR: nimm platz;<br />

Einleitend erinnert der Moderator an den Gewinner des „Raabs der Woche“ der vorigen<br />

Sendung („letzte Woche hier sensationell gewonnen“) und weist mit ironischer Geste<br />

auf den Verdienst des Angekündigten hin („mit seinem perfekten Auftritt“). Das Publikum<br />

applaudiert und lacht, einige brüllen: „Ali“. Man weiß also bereits, was kommen<br />

wird.<br />

Untersuchungsfragen standen (aggressiver Humor) bzw. besonders klare Fälle für das fokussierte<br />

Phänomen zu sein schienen (vgl. Deppermann 1999, S. 36). Auf der Basis der Auswahl<br />

und Analyse (vermeintlich) typischer Fälle sollten dann im Laufe der fortschreitenden Forschung<br />

weitere, v.a. kontrastive Fallbetrachtungen erfolgen, die die ersten Erkenntnisse modifizieren<br />

und differenzieren (vgl. Deppermann 1999, S. 94 ff.).<br />

20 Die These, die sich dahinter verbirgt, lässt sich auf die Formel bringen: Je mediengewandter und<br />

der anvisierten Zielgruppe näher stehender die eingeladene Person ist, desto aufwändiger gestaltet<br />

es sich für den Moderator, mittels des „Lächerlich-Machens“ der Person, Humor zu erzeugen<br />

und desto komplexer und subtiler müssen die (Gesprächs-)Strategien sein, dieses Ziel zu<br />

erreichen.<br />

21 Die Kürzel in den Transkripten sind wie folgt zu lesen: SR: Stefan Raab, XP: unbestimmte Menge<br />

an Personen im Publikum, XM/W: eine männliche oder weibliche Person im Publikum, AL:<br />

Ali, BS: Bettina Stark.<br />

205


M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />

Marktschreierisch kündigt Raab an, dass Ali auch an diesem Abend wieder in der Sendung<br />

(„bei uns“; Z1) ist, um den Titel gegen „harte Konkurrenz“ (Z2) zu verteidigen. Er<br />

spricht vom „Raab der Woche“ als handele es sich um einen schwer zu erringenden<br />

Sportpreis, den es gegen ernst zu nehmende Gegner zu verteidigen gelte. Insgesamt bewegt<br />

er sich durch solch übertrieben positive Bewertungen in einer unernsten, ironischen<br />

Modalität.<br />

• Auftritt des Gastes, Beispiel 2: „Was ist nach der letzten Sendung bei dir passiert?“<br />

8 SR: Ou da hast du ja auch schon einen eeh einen<br />

9 GROßen haufen von fans,<br />

10 AL: ganz genau,<br />

11 SR: was ist [nach der sen was ist nach der letzten]<br />

12 XP: [ahahahahaha huhuhhahaha]<br />

13 SR: [sendung nach der letzten sendung]<br />

14 XP: [hahaha hahahahahahahahahahahaha]<br />

15 SR: bei dir passiert? viele briefe bekommen?<br />

16 AL: viele tele em ANrufer ham angerufen-<br />

17 XP: []<br />

18 SR: [ja:]<br />

Bereits das Betreten der Bühne durch Ali quittiert das Publikum mit ungewöhnlich expressiven<br />

Reaktionen. Der angekündigte Gast „Ali“ geriert sich als Star: Er läuft beschwingt<br />

und lachend herein, winkt, dreht sich mehrmals <strong>zum</strong> Publikum um, verbeugt<br />

sich zwei Mal mit ausgebreiteten Armen und wirft dabei Kusshände ins Publikum. Die<br />

Handküsse und Verbeugungen erinnern an Zirkus- oder Varietekünstler und sind als<br />

Gesten des Dankes und der Ehrerbietung an ein ihn verehrendes Publikum interpretierbar.<br />

In seiner Situation offensichtlich unangebracht, was das Publikum <strong>zum</strong> Anlass<br />

nimmt, sich noch mehr über Ali zu erheitern. Einzelne Leute im Publikum werden eingeblendet,<br />

die Aldi-Tüten hochhalten, auf denen das „d“ fehlt („Ali-Tüten“).<br />

Raab ruft in seiner ersten Äußerung, die eine offene Feststellung ist und eine Antwort<br />

erfordert, die klassische Star-Fan-Beziehung auf: „ou, da hast du ja schon einen großen<br />

Haufen von Fans“(Z8/9). Man könnte erwarten, dass sich Ali angesichts der <strong>zum</strong>indest<br />

ambivalenten Situation bescheiden gibt und sein ihm angetragenes Star-Dasein abwiegelt.<br />

Stattdessen reagiert Ali tabubrecherisch mit einem Selbstlob: „ganz genau“ (Z10).<br />

Ali bestätigt diese Feststellung wie selbstverständlich. Diese „Starallüren“ behält Ali<br />

während des Gesprächs bei, was Raab über die gesamte Unterhaltung hinweg als ständige<br />

Quelle von Komik auszunutzen weiß.<br />

Während das Publikum Alis Reaktion in Z10 mit lautem Lachen quittiert, setzt Raab<br />

zu seiner nächsten Frage an: „Was ist nach der letzten Sendung bei dir passiert? Viele<br />

Briefe bekommen?“(Z11/13/15). Die Frage ist relativ offen und lässt damit viele Antwortmöglichkeiten<br />

zu. Alis Reaktion ist auf der rein formalsprachlichen Ebene in zweierlei<br />

Hinsicht unfreiwillig komisch. Zunächst verspricht er sich: „viele tele em anrufer<br />

haben angerufen“ (Z16); er verbessert sich zwar im Folgenden, aber auch die verbesserte<br />

Version („anrufer haben angerufen“; Z16) klingt unbeholfen und trägt zur Komik der<br />

Situation bei. Bereits an dieser Stelle wird deutlich, dass Ali keine Bühnenerfahrung hat,<br />

sich schlecht artikulieren und infolgedessen wenig schlagfertig auf Raabs Fragen reagieren<br />

kann. Das Publikum lacht erneut (Z17) und es wird deutlich, dass das Publikum<br />

nicht Alis vermeintliche Fähigkeiten als Sänger oder Entertainer goutiert, sondern seine<br />

206


Schmidt · Aggressiver Humor in den <strong>Medien</strong><br />

unbeholfenen Anstalten, sich als Star zu gerieren. Quelle des Humors ist also die unfreiwillige<br />

Komik, die Ali unintentional durch sein Ausdrucksverhalten (mit)produziert.<br />

Ali grinst auf die erneut Begeisterung heuchelnde Reaktion des Publikums verschämt<br />

mit vorsichtigem Seitenblick ins Publikum und lacht dann lautlos und verhalten<br />

mit. Die Stimmung im Publikum bleibt ausgelassen und beeinflusst das folgende Gespräch<br />

maßgeblich.<br />

3.1.2 Zentrale Strategien der Raabschen Gesprächsführung<br />

Bereits beim Einstieg ins Gespräch wird Raabs Strategie deutlich: Er behandelt Ali, als<br />

sei dieser ein (angehender) Star und erzeugt dadurch eine ambivalente, komische Situation.<br />

Des Weiteren versucht Raab, seinem Gast Selbstinszenierungen zu entlocken, in<br />

denen er sich selbstständig als Star geriert. Von Beginn an ist nichts anderes als der „Starrummel“<br />

um Ali Thema des Gesprächs.<br />

Zentral für Raabs Gesprächstechnik sind die folgenden vier Strategien, die jeweils an<br />

typischen Beispielstellen im Ausschnitt verdeutlicht werden sollen.<br />

• Permanentes Insistieren auf und Ausbau von peinlichkeits- und humorträchtigen<br />

Themen, Beispiel 3: „Fanpost“<br />

Durch das Insistieren auf bestimmten Themen fokussiert Raab Peinlichkeiten und<br />

Schwächen des Gastes. In diesem Fall v. a. die Starallüren Alis sowie dessen Formulierungsunsicherheiten.<br />

Im folgenden Abschnitt beharrt er auf dem Thema Fanpost.<br />

12 SR: was ist [nach der sen was ist nach der letzten]<br />

13 XP: [ahahahahaha huhuhhahaha]<br />

14 SR: [sendung nach der letzten sendung]<br />

15 XP: [hahaha hahahahahahahahahahahaha]<br />

16 SR: bei dir passiert? viele briefe bekommen?<br />

17 AL: viele tele em ANrufer ham angerufen-<br />

18 XP: []<br />

19 SR: [ja:]<br />

20 SR: was war was war da dabei? freunde oder auch leute<br />

21 die gesacht haben- (.)<br />

22 AL: sagen wir mal welche die ich überhaupt nicht kannte,<br />

23 SR: ja,<br />

24 AL: und [eh die warn (-)] die warn alle? [((japst)) die]<br />

25 XP: [heheahahahahaha] [hahahahahahah]<br />

26 AL: [war]<br />

27 XP: [UAH]<br />

28 SR: besoffen?<br />

29 AL: [((japst nach luft))]<br />

30 XP: [hahahahahahahahhahahaha]<br />

31 AL: ja die warn also alle sehr überrascht die ham das<br />

32 nicht geglaubt dass=isch bei Stefan Raab bin weil das<br />

33 ist was ganz besonderes mal hautnah neben Stefan<br />

34 Raan=zu (.) [neben Stefan Raab zu (-) sein]<br />

35 SR: [hautnah? moment- hahahaha]<br />

36 XP: [((schreit, johlt, lacht))]<br />

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M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />

37 AL: <br />

38 SR: hautnah?<br />

39 AL: also NEBEN dir. (.) also gast bei ihm zu sein;<br />

40 SR: hast=du=denn äh hast=du=denn ääh auch auch von damen<br />

41 zuneigung bekomm,<br />

42 (1.5)<br />

43 SR: briefe haste briefe bekomm,<br />

44 AL: briefe bis jetzt noch nIscht; aa[bah-]<br />

45 SR: [ja,]<br />

46 SR: keine briefe,<br />

47 AL: man kann sisch ja mal überraschn; [(........)]<br />

48 XP: [ooooooohhh]<br />

49 AL: nein(.)[noch nIscht ]<br />

50 XP: [oooooooohhhh]<br />

51 AL: vielleicht sind sie auf dem weg wegn der post<br />

52 XP: <br />

53 SR: ja das kann sein<br />

54 (1,5)<br />

55 SR: versaute briefe so kleine du weißt so mädls die dann<br />

56 sagen Ali<br />

57 AL: [nein.]<br />

58 XP: sau fick mit [mir.]<br />

59 XP: <br />

60 SR: nichts gekommen,<br />

Zunächst stellt Raab eine Doppelfrage: „Was ist nach der letzten Sendung bei dir passiert?<br />

Viele Briefe bekommen?“(Z12/14/16). Die Frage ist offen, wenig konkret und lässt<br />

damit mehrere Antwortmöglichkeiten zu. Ali ist dadurch gezwungen, offen und ausgebauter<br />

zu antworten, zudem muss er sich entscheiden, auf welche Frage er eingeht.<br />

Die Situation scheint ihn zu überfordern, er verhaspelt sich und wird vom Publikum<br />

ausgelacht. Raab macht in der Folge den Versuch, die Art der Fan-Briefe von Ali spezifizieren<br />

zu lassen (Z20ff.), was in der Frage nach Briefen von „Damen“ (Z40/41;43) kulminiert.<br />

Raab imitiert hier Alis Versuche, in hochsprachlichem Register zu sprechen.<br />

Diese Frage hat mehrere Funktionen: Zum einen versucht Raab mit dieser Frage abermals<br />

Alis Selbstüberschätzung vorzuführen. Er spekuliert auf Alis Unerfahrenheit im<br />

Umgang mit Publikumszuspruch. Alis Antwort „briefe bis jetzt noch nicht“ (Z44) löst<br />

diese Erwartung ein. Zum anderen zielt sie darauf ab, Ali verlegen zu machen, da er ihn<br />

direkt auf Briefe von weiblichen Fans und deren Zuneigung anspricht. Alis lang gezogene<br />

Antwort klingt entsprechend verlegen: „Briefe bis jetzt noch nicht, aber man kann<br />

sich ja mal überraschen“ (Z44/47). Die Auslassung des Wortes „lassen“ am Ende seines<br />

Beitrags zeugt wiederholt von Alis Formulierungsunsicherheiten, die abermals für Komik<br />

sorgen. Raab insistiert weiter: Er fragt mit bedauerndem Tonfall nach: „keine Briefe?“<br />

(Z46). Ali verneint abermals und grinst verlegen ins Publikum: „Nein, noch nicht,<br />

vielleicht sind sie ja unterwegs, wegen der Post“ (Z51). Alis Äußerungen erzeugen sowohl<br />

inhaltlich (er scheint der Überzeugung, dass er bestimmt noch Briefe bekommt),<br />

als auch formal (Versprecher, syntaktisch falsche Sätze) und stilistisch (die Begründung<br />

mit Bezug auf die Post wirkt ebenso unbeholfen wie altklug, kindlich und naiv) komische<br />

Effekte. Deutlich wird, dass Raab kaum etwas zu sagen braucht, da seine Andeutungen<br />

und kurzen Nachfragen genügen, um Ali die nötigen Äußerungen zu entlocken.<br />

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Schmidt · Aggressiver Humor in den <strong>Medien</strong><br />

Dieser scheint das „Forum“, das Raab ihm bietet, dankend anzunehmen: Er hat einen<br />

großen Redeanteil und lässt keine Möglichkeit ungenutzt sich zu präsentieren. Raabs<br />

Reaktionen bleiben ambivalent: Auf der wörtlichen Ebene scheinen sie affirmativ (z. B.<br />

„Ja, das kann sein“ in Z53). Zieht man die Gesamtsituation allerdings in Betracht, wirken<br />

sie ironisch. Obwohl Ali eindeutig klargestellt hat, dass er keine Briefe erhalten hat,<br />

reizt Raab das Thema noch weiter aus. Er fragt wiederholt nach, indem er die Art der<br />

Briefe weiter spezifiziert wissen möchte („versaut“) und damit noch weiter in einen sexualisierten<br />

Tabubereich eindringt: „Versaute Briefe, so weißt du, so Mädels die dann<br />

sagen: ,ali‘…“ (Z55/56). Diese erneute Frage nach Fanpost hat offensichtlich bloß noch<br />

provokative Funktion, da die grundsätzliche Frage nach Fanpost bereits beantwortet ist:<br />

Komik entsteht v. a. durch die Penetranz der Raabschen Gesprächsführung sowie durch<br />

die Darstellung Alis als Objekt heimlicher Verehrerinnen oder Groupies – angesichts<br />

seines Auftretens eine lächerliche Vorstellung. Raab versteht es in dieser Situation, Alis<br />

Starallüren gegen ihn zu wenden: Er nimmt ihn spielerisch ernst und unterstellt ihm Erlebnisse,<br />

die man sonst nur mit weltbekannten Superstars (etwa Madonna oder Michael<br />

Jackson) in Verbindung bringen würde. Das Publikum reagiert überschwänglich auf<br />

diese Face-Verletzung 22 und greift seinerseits – Ali noch stärker diskreditierend – in das<br />

Geschehen ein („Sau fick mit mir“; Z58). Die zurückhaltende Reaktion Alis (ein leises<br />

„Nein“; Z57) scheint Raab dazu zu bewegen, das Thema – da ausgereizt – fallen zu lassen.<br />

• Die Rede des Gastes wird systematisch gegen ihn verwendet, Beispiel 4: „hautnah“,<br />

Beispiel 5: „Pokale“<br />

Ein zweites Mittel Raabs zur Erzeugung von Komik ist das Aufdecken von Inkonsistenzen.<br />

Er verwendet Äußerungen seiner Gäste gegen sie, indem er sie absichtlich missversteht<br />

bzw. fehlinterpretiert oder verdreht. Häufig stellt er sexuelle Zweideutigkeiten<br />

– wie auch in Alis Fall (s. u.) – her.<br />

In Beispiel 4 betont Ali, dass es für ihn eine große Ehre sei, bei Raab als Gast auftreten<br />

zu können. Hierzu verwendet er die metaphorische Formulierung „hautnah“ (siehe<br />

Beispiel 3 Zeilen 31–39): Er zeigt mit einer gönnerhaften Geste auf Raab und sagt im Stil<br />

eines Reporters, der live vor Ort ist, dass es schon etwas Besonderes sei, einmal „hautnah“<br />

neben Stefan Raab zu sitzen (Z31–33). Raab wendet diese Aussage gegen ihn, indem<br />

er die körperliche Semantik des Ausdrucks ausnutzt, um sie als sexualisierte Offerte<br />

auszulegen (Z35). Damit diskreditiert er Ali, da er ihm sexuelle Ambitionen unterstellt.<br />

Ali bemerkt die Anzüglichkeit seiner Äußerung anfangs nicht, da er noch damit<br />

beschäftigt ist, den Namen von Raab richtig auszusprechen (Z34). Noch während seines<br />

Ringens um eine korrekte Formulierung bricht das Publikum in schallendes Gelächter<br />

aus (Z36). Ali bleibt nur noch die Möglichkeit mitzulachen und seine Formulierung<br />

im Nachhinein zu korrigieren, um die ungewollte Wendung seiner Äußerung zu „heilen“<br />

(Z37; 39). Auch während der unbeholfenen Versuche Alis, die Fehlinterpretationen<br />

seiner Formulierung richtig zu stellen, fokussiert Raab ein weiteres Mal das anstoßerregende<br />

Element („hautnah?“; Z38).<br />

Ein weiteres Beispiel, in dem Raab Äußerungen Alis gegen ihn verwendet, ist die folgende<br />

Passage, in der Ali über seine bisherigen Erfolge spricht (Beispiele 5 „Pokale“):<br />

22 Vgl. Goffman 1971.<br />

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65 AL: weil derm der raab der woche is was gans<br />

66 besondres [der hat sogar(.)bei mir den]<br />

67 SR: <br />

68 XP: <br />

69 AL: <br />

70 SR: [ham=ich=schon=gesacht] ja(.)<br />

71 XP: [hahahahehehe ]<br />

72 SR: neben den andern preisn-<br />

73 AL: <br />

74 XP: [hahah]ahaha<br />

75 AL: aber deiner is bis jets der gans (.)besondere;<br />

76 SR: hach=du=has=noch tatsächlich noch andre<br />

77 andre preise,> [wes]<br />

78 AL: ja pokale [von]<br />

79 klein auftritn in alssdorf<br />

80 SR: <br />

83 AL: jah(.) (.) unt äh da warn einen wunderschön<br />

85 XP: ((Gelächter im Publikum))<br />

86 AL: auftritt.(.) (unt]<br />

87 SR: [unt]<br />

Raab nimmt Alis Äußerung in Z66/67;70 („Der ,Raab der Woche‘ ist was ganz besonderes,<br />

der hat sogar bei mir den Ehrenplatz bekommen“) <strong>zum</strong> Anlass, das Mitgemeinte,<br />

nämlich dass Ali noch andere Preise besitzt, zu explizieren („neben den anderen Preisen“<br />

(Z73)). Wiederum schafft es Raab, seinen Gast als Aufschneider/Angeber darzustellen,<br />

indem er genau jene Präsupposition offen legt, die eine solche Inferenz nährt. Ob<br />

Ali diese ihm zur Ratifikation angebotene Feststellung nun berichtigt oder rechtfertigend<br />

erklärt, spielt für seine Gesichtswahrung schon fast keine Rolle mehr. Im einen Fall<br />

zeugt es erneut von seiner Unfähigkeit, sich zu artikulieren, im anderen Fall strickt er<br />

weiter mit am Aufbau seines Negativ-Images als „Möchte-Gern-Star“ (was er im Folgenden<br />

auch tut; Z76ff.).<br />

Ähnliches gilt für die Passage in Z81/83, wo Raab gespielt verwundert nachfragt, ob<br />

es für Auftritte Pokale gibt. Auch hier fokussiert Raab durch seine ironische Nachfrage<br />

exakt den Schwachpunkt in Alis Beitrag, nämlich die Wahl des falschen Registers (Pokale<br />

werden für sportliche und nicht für künstlerische Leistungen verliehen). Damit fokussiert<br />

er nicht nur wiederholt Alis Schwäche sich auszudrücken, sondern auch seine<br />

unbeholfenen Bemühungen, sich als erfahrener Sänger, der schon einige Erfolge vorzuweisen<br />

hat, zu präsentieren.<br />

Raab attackiert Ali in dieser Sequenz nicht offen oder überführt ihn mit „journalistischen“<br />

Mitteln der Aufschneiderei, indem er ihn <strong>zum</strong> Beispiel offen fragen würde, was<br />

er denn noch für Preise habe, bzw. Einwände bringt, die Alis Glaubwürdigkeit bezüglich<br />

seiner bisherigen Karriere als Sänger untergraben würden. Vielmehr expliziert und<br />

fokussiert er die Inferenzen, die in Alis Beiträgen implizit angelegt sind, was den so<br />

„Entlarvten“ der Lächerlichkeit preis gibt und beim Publikum Schadenfreude erzeugt.<br />

210


Schmidt · Aggressiver Humor in den <strong>Medien</strong><br />

• Falscher Ernst, Beispiel 6: „tatsächlich noch andere Preise“ (s. Beispiel 5, Zeilen 76–80)<br />

Eine dritte Komikquelle, auf die Raab häufig zurückgreift, ist das Heucheln von Ernsthaftigkeit<br />

und echtem Interesse an der Person und ihren Geschichten. Trotz durchgehendem<br />

Lachen und Johlen des Publikums – also einer eindeutig unernsten Modalität –<br />

bleibt Raab streckenweise – wie bspw. in der obigen Passage – bezüglich Alis Äußerungen<br />

ernst, fragt interessiert nach oder gibt bestätigende Rückmeldungen. Auch im Beispiel<br />

„Pokale“ fragt er scheinbar interessiert nach: „Ach, du hast tatsächlich noch andere<br />

Preise?“ (Z77/78). Mit diesem „So-Tun-Als-Ob“ konstituiert Raab eine doppelbödige<br />

Kommunikationssituation: Auf einer ersten Ebene findet ein Star-Interview mit den<br />

üblichen Fragen rund um den Star statt; auf einer zweiten Ebene jedoch entsteht Komik<br />

dadurch, dass es sich bei dem Interviewten um gar keinen Star handelt, sondern um einen<br />

15-jährigen Jungen, der sich für einen solchen hält bzw. die Kommunikationsstrategie<br />

Raabs, ihn genau durch diese Festlegung auf ein Starimage lächerlich zu machen,<br />

nicht durchschaut. Konstitutiv für diese Art des Humors ist eine Form der komplizenhaften<br />

Interaktion, in der Raab und das Publikum kooperieren und der Gast – aufgrund<br />

medialer Unerfahrenheit – nicht eingeweiht wird.<br />

• Ausschlachten unfreiwilliger Komik<br />

In der gesamten Passage ist ersichtlich, dass Raab die unfreiwillige Komik, die sich aus<br />

Alis Bemühungen ergeben, sich selbst darstellen, zur Belustigung seines Publikums ausschlachtet.<br />

Unfreiwillig komisch sind besonders die Stellen, an denen Ali nicht bemerkt,<br />

dass er Opfer seiner eigenen Selbstinszenierungsaktivitäten wird. Durch Andeutungskommunikation,<br />

z.B. unklare und nicht abgeschlossene Fragen wie in Z20/21 („Was war<br />

da dabei? Freunde oder auch Leute die gesagt haben …“) gibt Raab Ali Vorlagen und<br />

spekuliert auf Alis „Fähigkeit“, sich ohne Zutun seinerseits lächerlich zu machen. Raab<br />

zeigt in seinen Sendungen ein Gespür für solche Situationen: Sobald ein Gast durch seine<br />

Art aufzutreten (Sprache, Stimme, Bewegungen etc.) oder durch das, was er sagt, aus<br />

sich heraus komisches Potenzial zu entfalten verspricht, beschränkt sich Raab auf Rahmungs-<br />

und Elizierungsaktivitäten. Ihm geht es weniger um die wörtliche Ebene des Gesagten,<br />

als vielmehr um das Mitgemeinte und die unintentional produzierten Ausdrucksinformationen.<br />

Dass er den Fokus auf solche unabsichtlich hervorgebrachten<br />

Phänomene legt, zeigt, dass sein Ziel i. d. R. darin besteht, seine Gäste als ganze Personen<br />

der Lächerlichkeit preis zu geben.<br />

3.1.3 Rolle des Publikums<br />

Das Publikum nimmt während Alis Auftritt eine besondere Rolle ein. Es fungiert nicht<br />

nur als Zeugenschaft, sondern beteiligt sich aktiv am Gespräch, woraus sich eine kommunikative<br />

Dreierkonstellation ergibt. Deutlich wird dies daran, dass das Publikum<br />

weit über die Reaktionen eines „normalen“ Fernsehpublikums, das lediglich Beiträge<br />

durch Klatschen/Lachen (bzw. dessen Ausbleiben) bewertet, hinausgeht. Bereits zu Anfang<br />

der Szene zeigt das Publikum ungewöhnliche Ausgelassenheit: Es wird laut und expressiv<br />

gelacht und Einzelne schreien oder johlen. Die Kamera schwenkt, während Ali<br />

hereinläuft, ins Publikum und zeigt einzelne Zuschauer, die stehend „Ali, Ali“ skandieren<br />

und „Ali-Tüten“ hochhalten. Darüber hinaus rufen während des Gesprächs zwischen<br />

Raab und Ali einzelne Zuschauer etwas dazwischen, worauf Raab bzw. Ali explizit<br />

eingehen. In Z29 reagiert Ali auf den Kommentar eines Zuschauers und ruft ins Pu-<br />

211


M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />

blikum („Das find ich gut“). Raab wendet sich ebenfalls während des Gesprächs mit Ali<br />

explizit an das Publikum und bezieht seine Äußerung auf das Geschehen im Publikum<br />

(„besoffen?“ in Z28). Während des gesamten Gesprächs mit Ali lacht bzw. reagiert das<br />

Publikum. Kaum eine Äußerung Alis bleibt unkommentiert (vgl. Z4/13/15/18/25 etc.)<br />

Ali interagiert ständig sowohl mit Raab als auch mit dem Publikum: Er schaut fortwährend<br />

ins Publikum, lacht mit dem Publikum oder vollführt beschwichtigende Gesten<br />

in Richtung Publikum. Am Schluss der Passage richtet er sich mit seinem Beitrag<br />

direkt an die Zuschauer (Z89ff.). Gerade in dieser Schwierigkeit, wer wann zu adressieren<br />

ist bzw. auf wen man wann reagieren sollte, offenbart sich Alis mediale Unerfahrenheit<br />

– ein wesentlicher Aspekt der in dieser Situation entstehenden Komik.<br />

Darüber hinaus ist gerade die von Raab spielerisch betriebene Star-Inszenierung Alis<br />

prädestiniert für überschwängliche Publikumsreaktionen: Der Star entsteht und wird<br />

bestätigt durch ein Publikum; in diesem Falle spielen die Zuschauer das von Raab forcierte<br />

und Ali mitgetragene Spiel mit, sie füllen ihre Rolle – z. T. äußerst expressiv – aus.<br />

3.1.4 Fazit: Vorführ-Humor – Raabs Konzept geht auf, Beispiel 7: „es macht sehr<br />

Spaß, die Leute <strong>zum</strong> Lachen zu bringen“<br />

Die Analyse konnte zeigen, dass Raabs Konzept, seinen Gast vorzuführen, griff. Er<br />

nutzte dessen Tendenz, sich als Star zu inszenieren, dergestalt aus, dass er ihn in seinen<br />

Bemühungen scheinbar unterstützte, ihn jedoch gleichzeitig durch kurze, z.T. ironische<br />

Nachfragen in Verlegenheit und Erklärungsschwierigkeiten brachte. Ali ist weder der<br />

einen noch der anderen Strategie gewachsen, denn er ist weder schlagfertig genug, um<br />

sich gegen Raabs versteckte Frotzeleien zu wehren, noch mediengewandt genug, um den<br />

umwertenden Rahmen des Anti-Preises, den er errang, in der aktuellen Interaktion in<br />

Rechnung zu stellen. Letzteres ist sicherlich konstitutiv für die Art des Humors, die<br />

Raab und das Publikum in dieser Passage herstellen. Dass Raab und das Publikum auf<br />

einer zweiten Ebene konspirieren – wie oben argumentiert wurde –, und diese Konspiration<br />

darin besteht, dass sie nicht mit, sondern über Ali lachen, wird besonders an folgender<br />

Stelle deutlich:<br />

89 AL: ähm und es macht sehr spass ähn<br />

90 SR: jahehehehaha ha<br />

91 AL: die leute <strong>zum</strong> lachen zu briNGen<br />

92 SR: hehehaha<br />

93 XP: huuuuuuh huuu ((Johlen und Applaus im Publikum))<br />

94 AL: weil-<br />

95 (2,0)<br />

96 AL: weil ein sängA, oder stA, ist ohne publikum<br />

97 eine flasche;<br />

98 XP: hahahahahahahahah<br />

99 XP: huuuuhhuuuu<br />

100 AL: uhnd ein mEEnsch; wenn er berühmt<br />

101 werden möchte geht das nur mit Nettn zuschauern;<br />

102 XP: oooohhhhh<br />

103 SR: <br />

104 XP: ooooaaaahh<br />

105 ((Applaus))<br />

106 SR: odah,<br />

212


Schmidt · Aggressiver Humor in den <strong>Medien</strong><br />

107 (1,5)<br />

108 SR: das=is mahn wort (.) Alih, viel glück heute noch<br />

109 XP: buuuihhhh<br />

110 SR: mah(.)meine=dam=un=herrn(.)Alih<br />

111 ((Pfiffe und Applaus aus dem Publikum)<br />

Dass Raabs Konzept darauf angelegt ist, Skurriles im Verhalten seiner Gäste zur Belustigung<br />

des Publikums hervorzulocken und er das durch die Etablierung einer doppelbödigen<br />

Kommunikationssituation im Verein mit dem Publikum zu erreichen versucht,<br />

wird selten so deutlich, wie an dieser Passage aus dem Gespräch mit Ali: Während Ali<br />

sich weiterhin als Star und Entertainer geriert und seine Einschätzung der Situation unverblümt<br />

expliziert (Z89/91), nehmen Raab und sein Publikum exakt diese Haltung Alis<br />

<strong>zum</strong> Anlass, ihn auszulachen. Der wesentliche Beitrag zur Komik in dieser Situation besteht<br />

in Alis Naivität, den Tatbestand seiner Blamage auch noch selbst zu benennen und<br />

damit allen vor Augen zu führen, dass er einer eklatanten Fehleinschätzung der Situation<br />

aufsitzt und nicht in der Lage ist, die Selbst- und Fremdperspektiven auf seine Person<br />

abzugleichen. Raab kommentiert Alis selbstdiskreditierende Selbstoffenbarung mit<br />

einem schadenfrohen, meckernden und lachenden „Ja“ (Z90/92), wodurch er ihn erneut<br />

in ambivalenter Weise bestätigt und gleichzeitig die konspirative Kooperation mit seinem<br />

Publikum fortsetzt, das die Komik der etablierten Situation in expressiver Weise<br />

goutiert (Z93). Alis folgende Ausführungen über die Abhängigkeit eines Stars von seinem<br />

Publikum tun ihr übriges (Z87ff.).<br />

3.2 „Bettina Stark“<br />

Bettina Stark ist der erste Gast in dieser „TV total“-Folge. Es handelt sich in ihrem Fall<br />

um die erste Nominierung für den „Raab der Woche“. Bettina Stark ist eine sehr korpulente<br />

Alleinunterhalterin, die in der Lage ist, singend und Posaune spielend einen Spagat<br />

zu vollführen. Stefan Raab leitet die Ankündigung ihres Auftritts mit der üblichen<br />

Floskel „Ich hab was Tolles gesehen …“(Z1) ein und nennt auch den Sender, der<br />

Bettinas Auftritt gezeigt hat (Z5). Er spielt den Anfang der MAZ ein und bricht vor<br />

dem Höhepunkt ab, um mit Hilfe dieses Cliffhangers Spannung zu erzeugen. Auch an<br />

diesem Beispiel wird deutlich, dass Raab seine Gäste wie Stars ankündigt, auch oder<br />

gerade wenn die Nominierten keine Prominenten sind. Bettina Stark versucht dieser<br />

Starankündigung gerecht zu werden und tritt selbstbewusst und sicher auf. Beide begrüßen<br />

sich wie zwei alte Bekannte: Raab geht ihr entgegen, lacht freudig und schüttelt<br />

ihr überschwänglich die Hand. Solche Inszenierungen von Nähe und Vertrautheit unterstreichen<br />

den informellen, lockeren und potenziell übergriffigen (s. u.) Stil der Sendung.<br />

Komische Phänomene können künstlich hergestellt werden oder ohne Beeinflussung<br />

einfach geschehen (natürliche Komik, „Realsatire“). Künstliche Komik kann durch verschiedene<br />

Instrumente wie Ironie, Parodie und Satire erzeugt werden. Komik ist somit<br />

das Resultat einer Handlung eines mehr oder weniger professionellen Komikers. Raab<br />

jedoch versucht – wie das Beispiel Ali gezeigt hat (s.o.) – natürliche Komik künstlich zu<br />

erzeugen. Ob und wie ihm das auch im Falle Bettina Starks gelingt, soll im Folgenden<br />

an ausgewählten Gesprächspassagen aufgezeigt werden.<br />

213


M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />

3.2.1 Formen der Humoretablierung/-initiierung<br />

• Einführung des Gastes, Beispiel 8: „was tolles gesehen“<br />

Stefan Raab interagiert häufig mit den Zuschauern, indem er sie direkt und in betont<br />

mündlichsprachlicher Diktion anspricht. Sein flapsiger Stil schafft Nähe und lässt häufig<br />

den Eindruck entstehen, Raab interagiere in alltäglichen, informellen Face-to-Face-<br />

Beziehungen. Dies verstärkt sich noch durch die häufige Metakommunikation und damit<br />

Brechung des <strong>Medien</strong>rahmens (hier beispielsweise durch das Reden mit dem Kameramann<br />

in Zeile 2/3).<br />

01 SR: ich hab was tolles geseh:n äh:::m sender hab ich<br />

02 schon wieder vergessen(.)wo war das denn(.)weiß<br />

03 es einer,<br />

04 XM: we=de=er-><br />

05 SR: we de er we de er wEst deutscher rundfunk dafür<br />

06 zahlen sie gebührn meine damen und herren(.)ähm(.)<br />

07 schauen sie sich mal kurz diesen ausschnitt an;<br />

Die erste Zeile erinnert stilistisch an Alltagsgespräche mit Freunden, da Raab auf ein Alltagserlebnis<br />

referiert, das es in der Realität nie gab (Z1-3: „Ich hab was tolles gesehen.<br />

…) 23 . Er sorgt auf diese Art für einen Spannungsaufbau und durch die Nähekommunikation<br />

entsteht ein kumpelhaftes Verhältnis <strong>zum</strong> Publikum. Die Kritik am Sender<br />

WDR (Zeile 5/6) kokettiert <strong>zum</strong> einen mit dem selbstgesetzten Anspruch, aufklärerisch<br />

tätig zu sein („Wir wären nicht ‚TV total’, wenn wir nicht …“). Zum anderen nimmt die<br />

ironische Anspielung auf ein Preis-Leistungs-Verhältnis (Gebühren – Sehenswertes)<br />

eine Bewertung des Kommenden vor. Indem er mittels eines Kontextualisierungshinweises<br />

das Kommende in einen komischen Zusammenhang stellt („… dafür zahlen sie<br />

Gebühren …“) 24 , etabliert er bei den Zuschauern eine bestimmte Erwartungshaltung.<br />

Die nun eingespielte MAZ zeigt Bettina Stark während einer ihrer Auftritte, bei dem<br />

sie singend und eine Posaune in der Hand haltend zu einem Spagat ansetzt. Der Zuschauer<br />

wird im Unsicheren gelassen, ob Bettina den Spagat vollendet, da Raab den Ausschnitt<br />

genau an dieser Stelle unterbricht und ein Standbild auf dem Monitor stehen<br />

bleibt. Er schafft mit diesem Cliffhanger eine ideale Situation, seinen Gast vorzustellen.<br />

Indem er den Ausschnitt abbricht, verlagert er den eigentlichen Höhepunkt von Bettinas<br />

Auftritt in die laufende Sendung. Ob die sehr korpulente Frau den Spagat tatsächlich<br />

23 Natürlich hat er den Ausschnitt weder original (also im program-flow des Fernsehens) gesehen<br />

noch selektiert. Durch diese Gesprächstechnik wird jedoch eine jedem Zuschauer vertraute Alltagssituation<br />

evoziert (postmediale Kommunikation) sowie dadurch eine private und symmetrische<br />

Kommunikationssituation suggeriert.<br />

24 Für den unbedarften Zuschauer entsteht an dieser Stelle eine Diskrepanz: Ein TV-Auftritt wird<br />

durch den Moderator in seiner eigenen Sendung angekündigt und gleichzeitig vorgreifend diskreditiert.<br />

Warum tut er das? Einen Sinn bekommt das Handeln Raabs an dieser Stelle, wenn<br />

man den spezifischen Genre-Rahmen (Comedy) und die besondere Ausrichtung der Sendung<br />

in Rechnung stellt: Der „Raab der Woche“ ist ein Anti-Preis und die Personen, die ihn bekommen,<br />

werden eingeladen, weil sie auf irgendeine Weise komisch oder abweichend sind bzw. sich<br />

so verhalten haben.<br />

214


Schmidt · Aggressiver Humor in den <strong>Medien</strong><br />

schafft, soll live – vor einem gespannten Studiopublikum – aufgelöst werden. Dadurch<br />

wird eine Doppelung der Vorführung vermieden bzw. erscheint der Live-Auftritt als<br />

Fortführung der Einspielung.<br />

• Begrüßung und Vorstellung des Gastes, Beispiel 9: Parallelsprechen<br />

Ein weiteres Mittel von Raab zur Erzeugung von Komik ist das Parallelsprechen. Er<br />

„plappert“ minimal versetzt die Worte der Gesprächspartner/innen mit. Zusätzlich<br />

gestikuliert er in der gleichen Weise wie sein Gegenüber. Er versucht seine Gäste auf<br />

diese Weise zu verunsichern, um sie zu Fehlern zu provozieren. Eigentlich deutet<br />

gemeinsames/chorisches Sprechen auf Bestätigung hin 25 . Die übertriebene Form jedoch,<br />

in der es Raab betreibt, lässt es degradierend wirken und es weist eine gewisse Nähe <strong>zum</strong><br />

Nachäffen auf. Man hat den Eindruck, dass er seine Gäste, in diesem Fall Bettina Stark,<br />

nicht ernst nimmt. Das Oszillieren zwischen Bestätigung, Zuspruch und Ermunterung<br />

auf der einen und Nachäffen, Degradierung und Respektlosigkeit auf der anderen<br />

Seite erzeugt Komik, gerade auch weil der Gast nun unter Handlungsdruck gerät,<br />

eine angemessene Form des Umgangs mit einer solch ambivalenten Situation zu entwickeln.<br />

29 SR: sie sind(.)ähm(.)ja was sacht man,<br />

30 (2.0)<br />

31 BS: pauerfrau-<br />

32 SR: bidde,<br />

33 BS: pauerfrau-<br />

34 SR: =sie sind pauerfrau richtich(.)genau;<br />

35 (-)allEInunterhalterin,<br />

36 BS: richtig-<br />

37 SR: und pOsaunistin;<br />

38 BS: n=unter anderm ich spiel über zehn blasinschtrumende;<br />

39 SR: =sie spieln über zEhn blAs[ins]trumente<br />

40 BS: [ja]<br />

41 SR: welche gibtsn da noch, trompete; posaune-<br />

42 BS: =posaune; tub[a-]<br />

43 SR: [tu]ba-<br />

44 BS: öh melaf[on-]<br />

45 SR: [öh] melafon-<br />

46 BS: tenor[horn bariton-]<br />

47 SR: [enorhorn bari]ton-<br />

48 BS: pan[flöte und] viele viele an[dre inschtrumende];<br />

49 SR: [puanflöte] [und viele andere]mehr;<br />

50 ((während dieser Aufzählung imitiert Raab Frau Starks<br />

51 auffälliges Gestikulieren mit der rechten Hand))<br />

52 SR: sie sIngen auch dazu,<br />

53 BS: ja ich sing [auch](.)und ich pfeif auch;<br />

54 SR: [und-]<br />

25 Vgl. Schwitalla 1992.<br />

215


M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />

55 und sie pfeifen auch[da]zu wau;<br />

56 BS: [ja]<br />

57 BS: soll ich dir maln marsch blasen(.)eh pfeifen,<br />

58 SR: <br />

59 ((beide lachen))<br />

60 SR: olala(—)olala<br />

61 XP: ((klatschen, lachen johlen))<br />

In den Zeilen 29–60 wird deutlich, wie Stefan Raab durch Parallelsprechen versucht, Komik<br />

zu erzeugen. Er spricht nicht nur gleichzeitig mit seinem Gast dessen Äußerungen<br />

mit, sondern gestikuliert wie Bettina mit der rechten Hand und verstärkt so den Effekt<br />

des verbalen Nachahmens. Nach dem Parallelsprechen geht Raab erneut auf Bettinas<br />

Fähigkeiten ein und forciert so den vermeintlichen Sensationscharakter der Situation. Er<br />

fragt Bettina, ob sie während ihres Auftritts auch singt, diese bejaht, woraufhin Raab<br />

Anerkennung zeigt, die zwischen Ernst und Ironie changiert (Z52–56). Syntaktisch<br />

ähneln diese Zeilen der vorangegangenen Aufzählung der Blasinstrumente (Z41ff.) und<br />

wirken durch die Übernahme bzw. Fortsetzung dieses Konstruktionsformates komisch.<br />

In Z55 lässt sich eine weitere Strategie Raabs zur Erzeugung von Komik erkennen: Das<br />

Heucheln von Begeisterung („wau“) wird häufig eingesetzt, um Gäste vorzuführen.<br />

Doch Bettina lässt sich auf Raabs Versuche, sie in eine doppelbödige Kommunikationssituation<br />

hineinzuziehen (wie ihm das etwa bei Ali gelang), nicht ein und sichert sich mit<br />

dem Wortspiel „Marsch blasen” (Z57) die Lacher des Publikums. Sie „schlägt“ zurück<br />

und versucht ihrerseits intentional komisch zu sein, wodurch sie einen Schlagabtausch<br />

mit dem Moderator initiiert.<br />

3.2.2 Auftritt des Gastes, Beispiel 10: „Machen sie bitte noch mal diesen Spagat“<br />

Stefan Raab stellt immer wieder durch bestimmte Aufforderungen wie „Achtung“ und<br />

„passen Sie auf“ Aufmerksamkeit her und versucht mit dieser Fokussierungstechnik<br />

Spektakuläres und Komisches herzustellen – so auch mehrfach im Falle von Frau Stark<br />

(u.a. in Z1, 14, 65 etc.). Die darin enthaltene Bewertung bleibt jedoch – wie mehrfach betont<br />

– ambivalent. Dies zeigt sich auf der Mikroebene v.a. dadurch, dass er seinen Gästen<br />

nicht nur ständig ins Wort fällt, sondern auch ihre zuvor als sehenswerte Einmaligkeiten<br />

gewürdigte Vorführungen abrupt unterbricht (Z86/87). Er zeigt auf diese Weise<br />

Dominanz und sorgt durch solche Respektlosigkeiten für den einen oder anderen Lacher.<br />

Umgekehrt vermittelt er seinen Gästen damit implizit, wo sie ,hingehören‘: Sie sind<br />

keine großen Stars, sondern Lachnummern, die man jederzeit unterbrechen bzw. herumdirigieren<br />

kann (s. etwa Z91;93).<br />

80 SR: meine damen und herrn(.)bettina stAk(-)seien sie<br />

81 gefasst(-)auf was spEktakuläres(.)passen sie auf<br />

82 (- - -)achtung,<br />

83((Fr. Stark führt ihr Kunststück vor: sie bläst Posaune und<br />

84 geht anschließend singend in einen Spagat; Dauer: 1 Min.))<br />

85 ((Publikum und Raab klatschen mit, pfeifen und johlen))<br />

86 SR: <br />

88 BS: ((führt weiter vor))<br />

89 SR: also(-)wie,<br />

216


Schmidt · Aggressiver Humor in den <strong>Medien</strong><br />

90 BS: <br />

91 SR: wie machen(- -)könn sie das nochmal zeigen;<br />

92 BS: soll ichs nochma zeigen,<br />

93 SR: machen sie bitte nochmal diesen spa[gat-]<br />

94 BS: [oka]y hier,<br />

95 SR: [acht]ung-<br />

96 BS: [komm-]<br />

97 ((wiederholt Spagat))<br />

98 SR: uuahh<br />

99 BS: okay,<br />

100 ((Publikum tobt, Bettina lacht))<br />

101 (2.0)<br />

102 BS: okay;<br />

103 SR: soll ich ihn helfen,<br />

104 BS: nee-<br />

105 ((Raab versucht Bettina beim Aufstehen zu helfen))<br />

106 SR: arrg<br />

107 (2.0)<br />

108 SR: ah<br />

109 (2.0)<br />

110 SR: sUpa-<br />

111 BS: pass auf(.)is überhaupt kein [pro]blem(.)machen mer<br />

112 SR: [ja]<br />

113 BS: das so;<br />

114 ((Bettina hebt Raab hoch, Publikum tobt, alle<br />

115 lachen))<br />

Raabs Unhöflichkeiten sorgen immer wieder für Komik. Er wirkt über weite Strecken<br />

des Gesprächs unkonzentriert, hört z. T. nicht zu bzw. „plappert“ dazwischen und benimmt<br />

sich streckenweise infantil, indem er etwa in gespielt kindlicher Freude, etwas<br />

kaum glauben kann („wie machen-[sie das]“; Z91) und noch mal sehen möchte („können<br />

sie das noch mal zeigen“; Z91), um dann in expressiver Weise mit paraverbalen Lauten<br />

sein Erstaunen kund zu tun (etwa „uuaah“ in Z98). Der Zuschauer hat das Gefühl,<br />

es käme etwas ganz Besonderes, da Raab das Gefühl vermittelt, als könne auch er es gar<br />

nicht mehr abwarten, Bettinas Vorführung zu sehen. Die Taktlosigkeit und implizite<br />

Geringschätzung des Gastes und seines Auftritts zeigt sich insbesondere am Schluss:<br />

Raab leitet noch während Frau Starks Vorführung in die Abmoderation ein (Zeile 86/87)<br />

und beginnt sie etwas zu fragen (Z89), noch bevor sie ihre Vorführung beenden und sich<br />

beim Publikum bedanken konnte (Z90).<br />

Nachdem Bettina auf Nachfrage von Raab und zur Freude aller den Spagat wiederholt<br />

hat (Z97), bietet Raab ihr Hilfe beim Aufstehen an (Z103). Obwohl sie ablehnt<br />

(Z104), greift er ihr unter die Arme und versucht sie unter lautem Stöhnen hochzuheben<br />

(Z105ff.). Die Face-Verletzung, die in Raabs nonverbalen Anspielungen auf Bettina<br />

Starks Körperfülle besteht, stellen eine komische Situation her: Dem Publikum wird<br />

nochmals vor Augen geführt, wie korpulent und schwer jene Frau ist, die ihnen gerade<br />

noch einen Spagat vorführte (Zeile 103-108). Bettina Stark sorgt ihrerseits für Komik,<br />

indem sie Raab zeitweise versucht „die Show zu stehlen“. Ein Beispiel hierfür ist der<br />

Moment, indem sie Stefan Raab hochhebt (ab Z111) und sich auf diese Weise für die vorangegangene<br />

Face-Verletzung revanchiert. Dadurch, dass sie „den Spieß umdreht“, si-<br />

217


M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />

chert sie sich die Kontrolle, lässt das Publikum über Raab lachen und nimmt die Herausforderung<br />

<strong>zum</strong> Schlagabtausch ein zweites Mal an. Diese gegenseitigen Face-Verletzungen<br />

sorgen für Unterhaltung 26 (s. Resümee).<br />

3.2.3 Fazit: Geht Stefan Raabs Konzept immer auf? Beispiel 11: „Marsch blasen“,<br />

Beispiel 12: Hochheben<br />

Stefan Raabs Konzept beruht auf der Rahmung eigentlich unspektakulärer Personen/Situationen/Ereignisse<br />

als etwas extrem Außergewöhnlichem. I. d. R. verfügen die eingeladenen<br />

Personen über keine besonderen Fertig- und Fähigkeiten in einem kulturell anerkannten<br />

Sinne. Sie werden trotzdem bzw. gerade deswegen eingeladen. Immer spekuliert<br />

Raab auch darauf, dass seine Gäste die Einladung <strong>zum</strong> Anlass nehmen, sich und ihr<br />

vermeintliches Können in ernsthafter Absicht zu präsentieren. Die verschiedenen Rahmungen<br />

der gleichen Situation entfalten natürliche Komik und führen idealiter dazu,<br />

dass sich Raabs Gäste freiwillig und ohne sein Zutun selbst diskreditieren (s. insbes. den<br />

Ausschnitt „Ali“).<br />

Die Situation im besprochenen Ausschnitt hat einen von Anfang an festgelegten Rahmen:<br />

Bettina Stark ist eingeladen, weil sowohl ihre Vorführung als auch ihre Erscheinung<br />

abstrus und damit komisch wirken (sollen). Darüber hinaus besteht bei ihr die<br />

Chance, dass sie ihre Nominierung ernst nimmt und sich selbst darstellen möchte. Dies<br />

böte die Möglichkeit, sie dazu zu animieren, sich selbst vorzuführen und ihre Bemühungen<br />

dann zu karikieren. Die im Ausschnitt nominierte Person „Bettina Stark“ ist Alleinunterhalterin<br />

und bezeichnet sich selbst als Powerfrau (Z31–35). Sie ist den Umgang<br />

mit Publikum gewöhnt und tritt deshalb sehr selbstbewusst und sicher auf. Dadurch fällt<br />

es Raab schwer, sie vorzuführen. Bettina schafft es immer wieder, seinen Blamage-<br />

Attacken auszuweichen und das Publikum auf ihre Seite zu ziehen, indem sie ihrerseits<br />

Stefan Raab <strong>zum</strong> Objekt der Komik macht. Dies zeigt sich besonders an den Passagen<br />

„Marsch blasen“ und „Hochheben“ (Bsp. 12):<br />

Nachdem Raab vergeblich versucht hat, Bettina durch sein Nachäffen aus dem Konzept<br />

zu bringen, um so für durch Blamage entstehende Unterhaltung zu sorgen, geht<br />

Bettina ihrerseits in die Offensive. Sie attackiert den Moderator mit einer kessen Bemerkung,<br />

woraufhin dieser zunächst eine Verlegenheitsäußerung von sich gibt (Z58)<br />

und erst einen Moment später die Situation mit „olala“ (Z60) wieder in den Griff zu bekommen<br />

versucht. Im zweiten Fall revanchiert sich die Alleinunterhalterin für Stefan<br />

Raabs Unhöflichkeit, sie hochzuheben, obwohl sie dies abgelehnt hatte, indem sie ihn<br />

ihrerseits zur Freude der Zuschauer hochhebt. Diese Dreistigkeit wird vom Publikum<br />

durch tobenden Applaus goutiert.<br />

Abschließend lässt sich feststellen, dass Raabs Konzept im Falle von Bettina Stark<br />

nicht in der gleichen Weise aufgeht, wie das etwa bei Ali (s. o.) der Fall war, d. h. der<br />

Gast ist schlagfertiger, wehrt sich und begeht nicht den Fehler, die Nominierung bloß<br />

als Selbstbestätigung der eigenen Person und Leistung zu begreifen (wie das Ali tut), und<br />

infolgedessen „wackelt“ Raabs Konzept der Selbstdiskreditierung. Zu Beginn des Auftritts<br />

schien es zu funktionieren: Das Publikum freute sich auf eine enorm korpulente<br />

Frau, die <strong>zum</strong> Erstaunen – und <strong>zum</strong> Ekel! – aller einen Spagat vorführt. Doch im Ver-<br />

26 Hier sind Übereinstimmungen mit Gesprächsphänomenen, -stilen und -strukturen in der Peer-<br />

Group-Kommunikation zu konstatieren (vgl. Neumann-Braun/Deppermann/Schmidt i.Dr.;<br />

Deppermann/Schmidt 2001).<br />

218


Schmidt · Aggressiver Humor in den <strong>Medien</strong><br />

lauf des Gastauftritts gewinnt Bettina durch ihre Schlagfertigkeit und Ruhe die Sympathie<br />

der Zuschauer und mindert so den Blamage-Effekt, jedoch nicht den Grad der Unterhaltsamkeit.<br />

Festzuhalten bleibt, dass die Unterhaltsamkeit solcher Szenen nicht unbedingt<br />

an die Selbstdiskreditierung des Gastes geknüpft ist, sondern auch an den<br />

Schlagabtausch zwischen Raab und seinen Gästen, wobei es der Unterhaltsamkeit nicht<br />

abträglich ist, wenn auch Raab mal „etwas abbekommt“.<br />

3.2.4 <strong>Medien</strong>gewandtheit der Gäste<br />

Relevant ist weiterhin die Frage, ob mediengewandte Leute „TV total“ besser einschätzen<br />

können und wissen, was sie erwartet bzw. wie sie sich am Besten „aus der Affäre zu<br />

ziehen haben“. Im Fall von Bettina Stark lässt sich vermuten, dass sie wusste, was auf sie<br />

zukommt, und sich deshalb Entsprechendes zurechtlegte. Ihre Tätigkeit als Alleinunterhalterin<br />

befähigt sie, mit Menschen umzugehen, und auch das Agieren vor einem Publikum<br />

bzw. der Umgang mit Moderatoren fällt ihr deshalb leichter als Raabs sonstigen<br />

Gästen. Wer sich hingegen vor seinem Gastauftritt bei „TV total“ nicht mit dem Format<br />

der Sendung befasst hat und sich des Nominierungsrahmens nicht bewusst ist, wird mit<br />

der Art, wie der Moderator mit seinen Gästen umgeht, nicht zurechtkommen. Raab<br />

kann bei diesen Personen sein oben vorgestelltes Konzept voll ausspielen und das Image<br />

seiner Sendung schärfen und ausbauen.<br />

Grob lassen sich vier Arten von Gästen nach dem Kriterium der <strong>Medien</strong>gewandtheit<br />

unterscheiden:<br />

1. professionelle Komiker (etwa Ingolf Lück),<br />

2. sonstige <strong>Medien</strong>-Profis (etwa Karl Moik),<br />

3. Personen aus dem amateurhaften Unterhaltungsbereich (etwa Bettina Stark),<br />

4. Personen aus dem Alltag, die keinerlei Erfahrung mit <strong>Medien</strong>- und Bühnenauftritten<br />

haben (etwa Ali).<br />

Ein weiteres, quer dazu liegendes Kriterium ist die Milieu- oder Zielgruppenspezifik der<br />

eingeladenen Personen. Da die Sendung „TV total“ ein bestimmtes Publikum anspricht,<br />

sind die Gäste bzw. ihre Aktivitäten in den <strong>Medien</strong> mehr oder weniger weit vom Geschmack<br />

des durchschnittlichen Raab-Publikums entfernt. So ist es bspw. ein Unterschied,<br />

ob der Comedy-Star Bastian Pastewka aus der stilistisch ähnlichen Wochenshow<br />

oder etwa Rudi Carell, ein für das „TV total“-Publikum abgehalfterter Possenreißer, auf<br />

Raabs Couch Platz nehmen. Diese Einordnung lässt sich prinzipiell auf alle Bereiche<br />

übertragen (etwa im musikalischen Bereich: Karl Moik im Gegensatz zu Fettes Brot).<br />

Dass Stefan Raab Gäste aus allen stilistischen Bereichen einlädt, gerade auch – aus der<br />

Perspektive der „TV total“-Anhänger – eher negativ zu bewertende Personen, zeigt, wie<br />

bedeutsam die Herstellung von Erwartungshaltungen beim Publikum für die Erzeugung<br />

komischer Situationen ist. Gleichzeitig scheint die stilistische Grundausrichtung<br />

der Gäste den Stil des anschließenden Talks in der Tendenz vorauszubestimmen (so begegnet<br />

Raab Comedy-Stars wie Lück eher affirmativ, nutzt also ihre Fähigkeiten als professionelle<br />

Komiker komisch zu sein, ohne ironische Brechungen, während er eher negativ<br />

bewertete Personen wie Carell oder Moik zu provozieren und Komik dadurch zu<br />

erzeugen versucht, dass diese sich durch ihr unangemessenes Verhalten selbst diskreditieren<br />

bzw. sich auf einen unterhaltsamen Schlagabtausch mit Raab einlassen). Generell<br />

wird Spannung und damit Unterhaltsamkeit durch die latente Aggressivität, die solchen<br />

Situationen inhärent ist, erzeugt. Studio- und Fernsehpublikum sind gespannt, wie sich<br />

Gäste, die Raab zuvor – z. T. schwerstens – diskreditiert hatte, in seiner Sendung „schlagen“.<br />

Raab setzt somit auf die Unterhaltsamkeit von wechselseitigen Face-Verletzungen<br />

219


M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />

sowie Identitätswettkämpfen und arbeitet ganz gezielt auf solche Situationen hin 27 , indem<br />

er von den vermeintlichen Vorlieben seines Publikums besonders abweichende<br />

Personen (wie etwa Patrick Lindner oder Ingo Dubinski) Wochen vorher, z. T. unterstützt<br />

durch allein zu diesem Zweck produzierte Trailer, ankündigt. Im Zentrum des Interesses<br />

steht dann nicht die eingeladene Person, ihre Biografie oder momentanen Pläne<br />

(wie das in anderen Talk-Runden vornehmlich der Fall ist), sondern einzig und allein die<br />

Frage, wie sie auf Stefan Raab reagieren und sich in der Sendung behaupten wird.<br />

4. Resümee<br />

Abschließend lassen sich folgende allgemeine Merkmale des Formats „TV total“ sowie<br />

der Gesprächsstrategie Raabs bezüglich seiner Gäste festhalten:<br />

• „Jahrmarktsprinzip“ 28 : Selektionskriterium für <strong>Medien</strong>zitate und Gäste (Nominierungen)<br />

ist die Abweichung von Gewohntem oder Erwartetem. Eingang in die Sendung<br />

finden Ereignisse, die in irgendeiner Hinsicht abstrus, skurril oder lächerlich<br />

sind.<br />

• Umdeutungen und -wertungen: Raab kündigt in seinen Sendungen ständig etwas<br />

„Tolles“, „Spektakuläres“ oder „Sensationelles“ an. Die Einlösung solcher Ankündigungen<br />

erfolgt <strong>zum</strong>eist in Form von TV-Ausschnitten, die einer an traditionellen<br />

Maßstäben gemessenen positiven Bewertung widersprechen. Raab verwendet durchgehend<br />

hyperbolische Wendungen, die dann in scharfen Kontrast <strong>zum</strong> Gezeigten treten,<br />

so dass seine Lobeshymnen ironisch interpretierbar werden. Gleichzeitig etabliert<br />

und prozessiert er damit sein Sendekonzept: „Toll“ ist nicht das, was andere intentional<br />

als sehenswert hervorbrachten, sondern eben gerade das, was sie an unangemessenem<br />

Verhalten nebenbei, unintentional (mit)produzierten. Fokussiert und systematisch<br />

gesucht werden Situationen, in denen Menschen sich blamieren, Dinge tun,<br />

27 Mit „solchen Situationen“ sind offene und kontingente Face-to-Face-Interaktionen gemeint,<br />

die durch Raabs Verhalten in der Vergangenheit stark vorbelastet sind, gewissermaßen also von<br />

einer öffentlichen Interaktionsgeschichte begleitet werden. Die Tatsache, dass sich Raab über<br />

jemanden lustig macht oder schlecht über jemanden redet, ist nicht entscheidend (das wird in<br />

fast jeder Comedy-Serie/-Show getan). Der ausschlaggebende Unterschied – gerade auch für die<br />

Unterhaltsamkeit solcher Angriffe – besteht darin, dass Raab erklärte Gegner einlädt bzw. solchen<br />

Personen seine schlechte Meinung über sie „direkt ins Gesicht sagt“. Dieses „Hahnenkampfprinzip“<br />

als Attraktionsstrategie verwenden im übrigen Daily Talks ebenso wie herkömmliche<br />

Talkshows (etwa konnte „Die Johannes B. Kerner-Show“ (ZDF) selten so hohe<br />

Einschaltquoten verzeichnen, wie in der Sendung, in der Alice Schwarzer und Verona Feldbusch<br />

„gegeneinander antraten“).<br />

28 Dem Vergleich mit einem Jahrmarkt liegt folgende Überlegung zu Grunde: Ähnlich wie auf einem<br />

Jahrmarkt preist Stefan Raab (gewissermaßen als Marktschreier) ohne Unterlass Sensationen<br />

an (der Ausspruch: „sensationell“ avancierte zu einem Markenzeichen der Raabschen Moderation).<br />

Konstitutiv für solche Sensationen ist ein Hang <strong>zum</strong> Abseitigen gepaart mit der<br />

Schaulust des Publikums (hierin den typischen Jahrmarkts-Sensationen, etwa „Der stärkste<br />

Mann der Welt“ oder „Die Frau ohne Unterleib“, ähnlich). So hat alles, was in irgendeiner Form<br />

vom Normalen abweicht, eine Chance, Eingang in die Sendung zu finden: Menschen mit deformierten<br />

Körperteilen, Sprachfehlern und sonstigen Defekten, Personen, die unsinnige und<br />

abstruse Erfindungen präsentieren, sich in penetranter Weise selbst darstellen oder denen drastische<br />

Missgeschicke wiederfuhren. Von der aus heutiger Sicht oft tragischen Komik von Jahrmarktssensationen<br />

weit entfernt präsentiert Raab seine Sensationen im Minutentakt und wohlwissend,<br />

dass darüber eher gelacht als gestaunt wird.<br />

220


Schmidt · Aggressiver Humor in den <strong>Medien</strong><br />

über die andere lachen, ohne dass sie selbst es darauf angelegt hätten, andere auf diese<br />

Weise <strong>zum</strong> Lachen zu bringen – kurz: zentrale Quelle von Humor ist unfreiwillige<br />

Komik (dieses Prinzip setzt sich im Gäste-Talk in radikalisierter Form fort; s. u.).<br />

• Aggression, Tabubrüche und Diskreditierungen: Wesentliches Merkmal der Sendung<br />

ist es, dass Tabuthemen aufgegriffen und andere Personen/Sendungen/Institutionen<br />

mit Face-Angriffen bedacht oder direkt konfrontiert werden. Quelle des Humors ist<br />

zunächst die Aggression als solche und weiterhin die Reaktionen angegriffener Personen<br />

(s.u.). In dieses Schema passen auch die Außenreportagen im Stile von Krisenexperimenten.<br />

• Live-Publikum: Die Form der Unterhaltung in „TV total“ offenbart sich u. a. auch<br />

am Verhalten und der Einbeziehung des Studio-Publikums: Zunächst ist das Publikum<br />

der primäre Ansprechpartner des Moderators in der Sendung. Die Präsentation<br />

von Fundstücken, pseudoaufklärerischen Berichten und sensationellen Ereignissen<br />

ist unmittelbar an die Präsenz und die direkte Reaktion eines Publikums gebunden.<br />

Auch die Kommunikation mit <strong>Medien</strong>versatzstücken und sonstigen fest etablierten<br />

kommunikativen Elementen (Knöpfe, Kellen, Pulleralarm) ist auf die Interaktion mit<br />

einem Studiopublikum angewiesen. Darüber hinaus fungiert das Publikum als Zeugenschaft<br />

und Resonanzkörper für die anvisierten Face-Verletzungen, teilweise konspiriert<br />

es mit dem Moderator bei der Herstellung spielerischer Als-Ob-Situationen<br />

(vgl. die Analyse „Ali“).<br />

• Kontextmanagement: Raab verwendet eine Fülle von <strong>Medien</strong>zitaten in dekontextualisierender<br />

Weise. Besonders absurde Ausschnitte aus der Fernsehrealität werden<br />

zunächst erläuternd eingeführt, durch die Knöpfe technisch reproduzierbar gemacht,<br />

durch häufiges Verwenden etabliert, damit aus ihrem ursprünglichen Zusammenhang<br />

herausgelöst und in der Folge in kreativer Weise in verschiedensten Situationen wiederverwendet.<br />

Mit dieser Technik erzeugt Raab Running Gags und schafft sich somit<br />

die Möglichkeit, auf Publikums- und Gäste(re)aktionen spontan und witzig zu<br />

reagieren. Eine ähnliche Funktion haben die Respekt- und Pfui-Kellen.<br />

• Generierung von Komik durch Neurahmung und Redundanz: Ein Großteil der Sendung<br />

besteht aus dem Aufgreifen bereits gesendeter TV-Szenen, deren komisches Potenzial<br />

<strong>zum</strong>indest zweifelhaft ist. Erst durch den Eingang in die Comedy-Show „TV<br />

total“ erhalten solche Szenen eine komische Rahmung, vor allem durch eine klare Rezeptionssteuerung<br />

von Seiten des Moderators („Ich hab was Tolles gesehen …“,<br />

„Gucken Sie sich das bitte mal an“ etc.). Häufig werden Ausschnitte mehrmals gezeigt,<br />

durch den Moderator aufwändig erklärt und gerahmt und z. T. am Monitor<br />

durch den Moderator akribisch „zerpflückt“ (mit Techniken wie Standbild, Vor- und<br />

Zurück-Laufen-Lassen, Slow-Motion etc.). Typisch für „TV total“ ist es, dass der Begriff<br />

des Komischen sehr weit auslegt wird, <strong>zum</strong> Teil so weit, dass die Komik darin<br />

besteht, dass etwas als komisch gerahmt wird, was im Original alles andere als komisch<br />

ist, und durch den Moderator solange darauf beharrt wird, dass es komisch ist<br />

(Redundanz), bis die penetranten Versuche und die absurde Situation, die durch solch<br />

iteratives Versuchen entsteht, das eigentlich Komische ist 29 .<br />

29 Prototypische Beispiele wären hier der verschossene Elfmeter von Uli Hoeneß bei der Weltmeisterschaft<br />

1974 oder der kurze Auftritt von Berti Vogts in einer Tatortfolge. Beide TV-Ausschnitte<br />

erzeugten bei einmaligen Zeigen in der Sendung nur wenig Erheiterung beim Publikum.<br />

Erst durch das penetrante Wiederholen, die infantile Freude des Moderators und die ständigen<br />

Neu-Rahmungen des Gezeigten konnten die Ausschnitte Komik hervorbringen.<br />

221


M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />

• Prinzip der Albernheit und Lieblosigkeit: Typisches Element Raabscher Komik ist<br />

darüber hinaus ein alberner bis respekt- bzw. liebloser Kommunikations- und Moderationsstil,<br />

wodurch <strong>zum</strong> einen eine durchgehend unernste Modalität etabliert<br />

wird und <strong>zum</strong> anderen die auf diese Weise eingeführten und behandelten Objekte<br />

(Personen, Ereignisse) per se eine Abwertung erfahren. Typisch hierfür sind die<br />

schnoddrigen, z. T. vulgärsprachlich gehaltenen „Reportagen“ über aktuelle Themen<br />

(MAZ-Einblendungen) oder die Gewinn-Spiele, in denen lieblos vorgestellte Personen<br />

ein Treppengeländer möglichst schnell herunterrutschen müssen oder „Schnick-<br />

Schnack-Schnuck“ um hohe Geldsummen spielen.<br />

• Die Herstellung von „Kultigem“ am Fließband: Wenn etwas <strong>zum</strong> Kult geworden ist,<br />

so sind das üblicherweise Objekte, die im Laufe der Zeit durch Rezeptionsprozesse<br />

einen Status in der populären Kultur erlangt haben, den sie intentional oder auch in<br />

ihrer Zeit nie erreicht hätten (bes. augenfällig an Revivals). Raab versteht es, Objekten<br />

in kürzester Zeit einen solchen Status zu verleihen, indem er seine Sendung dazu<br />

verwendet, solche Objekte„aufzubauen“. Sie werden dort eingeführt, es entstehen<br />

Songs, Gerüchte, Web-Pages und eine „Story“, die kontinuierlich gepflegt wird (herausragendstes<br />

Beispiel: „Maschendrahtzaun“).<br />

• Vorab-Diskreditierung der Gäste durch Anti-Preis-Rahmung: In der TV-total-Rhetorik<br />

sind Gäste eingeladen, weil sie für einen Fernsehpreis, den „Raab der Woche“<br />

nominiert wurden. Ihnen wird auf diese Weise eine besondere Leistung bescheinigt,<br />

die eine Würdigung durch einen Preis verdient. Aber aufgrund des für die Sendung<br />

konstitutiven Rahmens des Unernsts handelt es sich eben um einen Anti-Preis. Honoriert<br />

wird demzufolge – augenzwinkernd – ein ungemessenes oder lächerliches<br />

Verhalten, das – spielerisch – mit einem Preis ausgezeichnet wird. Wer für einen<br />

„Raab der Woche“ nominiert ist, weiß in der Regel, dass andere über unfreiwillig komische<br />

Aspekte seiner Person gelacht haben und durch seinen neuerlichen Auftritt<br />

im Fernsehen, der eben durch diesen Fauxpas motiviert ist, erneut lachen werden<br />

bzw. sollen.<br />

• Natürliche Komik und Vorführ-Humor: Wer unter solchen Vorzeichen in eine Sendung<br />

eingeladen wird, soll der Lächerlichkeit preisgegeben werden – das wissen <strong>zum</strong>indest<br />

die Zuschauer und Raab, aber auch ein Großteil seiner Gäste. Nicht besondere<br />

Fertig- oder Fähigkeiten des Gastes, sondern unintentional hervorgebrachte,<br />

komische Aspekte der Person stehen im Vordergrund, die in der Sendung – womöglich<br />

– reinszeniert werden sollen. Aus diesen Voreinstellungen bezüglich des Gastauftritts<br />

resultiert eine besondere Kommunikationssituation, die sich dadurch auszeichnet,<br />

dass der Gast von vornherein unter immensem Handlungs- und Selbstdarstellungsdruck<br />

steht: Spannung und Rezeptionsvergnügen entsteht durch den auf<br />

diese Weise unweigerlich entstehenden Versuch des Gastes, sein Gesicht zu wahren.<br />

Wie geht er mit dieser gesichtsverletzenden Situation um, wie zieht er sich aus der Affäre<br />

und hat er Raab etwas entgegenzusetzen? Das sind die Fragen, die in der Raabschen<br />

Sendung im Vordergrund stehen und als Markenzeichen der Sendung gelten.<br />

• Spielen mit kommunikativen Regeln und Höflichkeitsstandards 30 : Die Hauptquelle<br />

der Komikgenerierung während des Gästetalks liegt demzufolge auch in der Kontingenz/Offenheit<br />

der initiierten Kommunikationssituation als identitärer Wettbewerb:<br />

In den Analysen konnte gezeigt werden, dass Stefan Raab seine Gäste systematisch<br />

durch das Brechen kommunikativer Idealisierungen zu verunsichern ver-<br />

30 Vgl. Brown/Levinson 1987.<br />

222


Schmidt · Aggressiver Humor in den <strong>Medien</strong><br />

sucht. Dies zeigt sich darin, dass er seine Gäste absichtlich missversteht, Interesse<br />

ironisch gebrochen heuchelt, nebensächliche Details penetrant fokussiert und ständig<br />

versucht, Inkonsistenzen und Fehlerhaftes in der Rede seines Gegenübers aufzudecken,<br />

um ihn auf diesem Wege zu diskreditieren. Er bricht darüber hinaus ständig<br />

die in Alltagsgesprächen gebräuchlichen Höflichkeitsstandards und konversationellen<br />

Regeln: Er fällt dem Gast fortwährend ins Wort, hört demonstrativ nicht zu, steht<br />

unvermittelt auf, fasst seinen Gast plötzlich an, produziert offensichtlich unwahre,<br />

inkohärente und irrelevante (Themen-) Beiträge, befiehlt unverblümt etwas oder<br />

beendet die Unterhaltung oder die Vorführung des Gastes in barscher Art und Weise.<br />

Durch solches als Respektlosigkeit und Face-Verletzung zu interpretierendes<br />

Kommunikationsverhalten entstehen häufig verbale Duelle. Raab bewegt sich damit<br />

ständig auf der Kippe zwischen kumpelhaftem Humor und verletzender Provokation.<br />

Gerade diese Gradwanderung und die Spannung, wie sich eine Situation entwickelt,<br />

bringen jene Unterhaltsamkeit hervor, die typisch für „TV total“ geworden<br />

ist.<br />

Abschließend bleibt festzuhalten, dass die immanente Veränderung unterhaltender TV-<br />

Genres format- und detailanalytischer Betrachtungen bedarf, die darüber hinaus die Generierung<br />

von Humor nicht an schematischen Produktionsprinzipien (wie etwa Inkongruenz)<br />

festmachen, sondern kontextsensitive Konzepte wie Beteiligungskonstellation,<br />

Rahmung und Face-Work stärker mit einbeziehen. 31<br />

5. Literaturverzeichnis<br />

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31 Zu einem solchen Versuch vgl. Brock 1998.<br />

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[ ] Parallel gesprochene Passagen mehrerer Sprecher<br />

(.) Mikropause<br />

(-) kurze Pause<br />

(—) Pause bis eine Sekunde<br />

(1,0) Pause in Sekunden<br />

un=äh Kontraktion innerhalb/zwischen Einheiten, schneller Anschluss<br />

: Dehnung<br />

akZENT Hauptakzent<br />

225


M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />

<br />

Intonationssprung nach oben<br />

<br />

Intonationssprung nach unten<br />

? hoch steigende Intonation am Einheitenende<br />

, mittel steigende Intonation am Einheitenende<br />

- gleich bleibende Intonation am Einheitenende<br />

; mittel fallende Intonation am Einheitenende<br />

. tief fallende Intonation am Einheitenende<br />

(solche) vermuteter Wortlaut<br />

Kommentar zu einer Redepassage<br />

forte, laut<br />

piano, leise<br />

((lacht)) Beschreibung nonverbaler Aktivitäten<br />

226


BERICHTE<br />

Wie kommt die Musik ins Radio?<br />

Stand und Stellenwert der Musikforschung bei deutschen Radiosendern<br />

Holger Schramm / Sven Petersen / Karoline Rütter / Peter Vorderer<br />

Seit Einführung des dualen Rundfunksystems in Deutschland ist eine zunehmende Formatierung<br />

von Hörfunksendern zu verzeichnen. Insbesondere die Musik als zentraler<br />

Programminhalt definiert das Format eines Senders und bestimmt seine Hörerschaft. Um<br />

ein optimal auf die Zielgruppe abgestimmtes Musikprogramm zu gewährleisten, wird<br />

immer weniger auf das Bauchgefühl der Musikredakteure und immer mehr auf Zahlen<br />

aus der Musikforschung vertraut. Der Beitrag beschreibt den defizitären Forschungsstand<br />

dieses Themas und gibt einen Überblick über gebräuchliche Musiktests, die in der<br />

kommerziellen Radioforschung eingesetzt werden. Er zitiert Zahlen <strong>zum</strong> Stand und<br />

Stellenwert der Musikforschung deutscher Radiosender zu Beginn der 90er-Jahre und<br />

dokumentiert zwei sich ergänzende Studien, die den Stand im Jahre 2001 wiedergeben.<br />

Abschließend werden die Ergebnisse im Hinblick auf die Entwicklung der Musikforschung<br />

in den letzten zehn Jahren interpretiert und die Frage beantwortet, ob die<br />

Musikforschung oder aber das Bauchgefühl der Musikredakteure als wichtiger für die<br />

Gestaltung von Musikprogrammen erachtet wird.<br />

Keywords: Radioforschung, Musikforschung, Musikprogramm, Musikformat, Musikredaktion<br />

1. Fragestellung und Stand der Forschung<br />

Jeder mag sich schon einmal beim Hören eines Radiosenders gefragt haben, warum nur<br />

ganz bestimmte Musiktitel gespielt werden, warum diese Musiktitel sogar mehrmals täglich<br />

und andere Titel gar nicht gespielt werden, warum man oft so wenig von der eigenen<br />

Lieblingsmusik hört und warum man immer mehr den Eindruck gewinnt, die<br />

Musiktitel unterscheiden sich kaum voneinander und „verkommen“ zu einem einheitlichen<br />

„Musikklangteppich“. Welche Faktoren und Auswahlprozesse also darüber entscheiden,<br />

welche Musik wie oft und über welchen Zeitraum im Radio gespielt wird. Diese<br />

Frage birgt eine hohe Alltagsrelevanz für alle Radionutzer. Denn für sie dürfte es<br />

weniger bedeutend sein, seit wann es <strong>zum</strong> Beispiel das Radio gibt, wie die technische<br />

Übermittlung der Funksignale funktioniert, welche Regulierungs- und Lizenzierungsinstanzen<br />

über die Radioprogramme bestimmen, welche Rechtsquellen den Rundfunk<br />

regeln und wie viele Bundesbürger täglich wie lange und zu welchen Zeitpunkten Radio<br />

hören. Wichtiger ist wohl, ob sie einen Radiosender finden, der ihrem Musikgeschmack<br />

entspricht, wenn sie auf dem Weg zur Arbeit (oder gar bei der Arbeit) täglich immer wieder<br />

die gleiche Musik hören, sowie die Zusammenstellung und die Abfolge der Musik<br />

und die Frage, ob diese ihren Hörgewohnheiten und -erwartungen entspricht.<br />

Trotz der Tatsache, dass das Radio im Vergleich zu anderen Massenmedien (und mittlerweile<br />

selbst <strong>zum</strong> Internet) unterforscht ist, verwundert es, dass derartige Fragen allenfalls<br />

von Insidern beziehungsweise den Radioschaffenden, jedoch nicht von der medienwissenschaftlichen<br />

Literatur angemessen bearbeitet werden. Gleich (1995) stellt in<br />

seinem Überblick über Methoden, Defizite und Perspektiven der Hörfunkforschung in<br />

Deutschland einen Mangel an Studien über die spezifische Wirkung von Musik im Radio<br />

sowie eine Vernachlässigung rezipientenorientierter Ansätze fest. Dass eine eigene<br />

227


M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />

Musikforschung der Radiosender beziehungsweise ihrer Beratungsinstitute existiert<br />

und dies ein interessanter und relevanter Forschungsbereich ist, erfährt man indes nicht;<br />

auch nicht in dem von Bucher, Klingler und Schröter (1995) herausgegebenen Band, der<br />

immerhin den Anspruch erhebt, aktuelle Forschungsfragen mit besonderer Bedeutung<br />

für den Hörfunk der 90er-Jahre zu behandeln und eine Standortbestimmung zu markieren.<br />

Dieser Band bietet einen separaten Abschnitt mit sechs Beiträgen über Nachrichtenkonzepte,<br />

aber nicht einen einzigen Beitrag über Musikkonzepte, obwohl Musik<br />

im Vergleich zu den Wortbeiträgen den Großteil der meisten Radioprogramme ausmacht<br />

und kommerzielle Musikforschung selbst bei deutschen Radiosendern Mitte der<br />

90er-Jahre bereits seit ca. zehn Jahren etabliert war. Amerikanische Quellen bieten hier<br />

mehr: So kann man im Überblick (vgl. Balon, 1990) und sogar im Detail (vgl. Fletcher,<br />

1987) nachlesen, welche Musiktests wie und warum durchgeführt werden. Bei MacFarland<br />

(1997) erfährt man weniger über die spezifischen Musiktests als vielmehr über den<br />

Zusammenhang von Stimmungen der Hörer und Musikeigenschaften sowie über die<br />

Implikationen für die Programmierung von Musik im Radio. Quellen über den Stand<br />

und Stellenwert der Musikforschung in den USA sowie über den Einfluss diverser Faktoren<br />

auf das Musikprogramm der Radiosender sind jedoch insgesamt Mangelware.<br />

Welche Faktoren bestimmen die Musikzusammenstellung eines Radioprogramms?<br />

Einige von ihnen liegen auf der Hand oder sind bereits erforscht und sollen daher nicht<br />

im Fokus dieses Artikels stehen. So erklärt es sich von selbst, dass gerade aufgrund umkämpfter<br />

Hörermärkte und der damit einhergehenden Formatierung von Radioprogrammen<br />

die Musik <strong>zum</strong> Radioformat und der anvisierten Zielgruppe passen muss. Ein<br />

Oldie-Sender kann nicht „die Hits der 80er und 90er und das Beste von heute“ spielen,<br />

da er seine Kernkompetenz und sein Image im Bereich der Oldies aufbauen muss, um<br />

Stammhörer, die diese Musik mögen, möglichst auf Dauer zu gewinnen. Ein weiterer<br />

wichtiger Einflussfaktor sind die Musikkonzerne, die mit immer aufwändigeren Promotionpaketen<br />

die Radiosender bemustern und sie dazu bewegen wollen, ihre Musikprodukte<br />

zu spielen. Dass solche Aktionen die Airplay-Einsätze von Musiktiteln und<br />

damit ihren Erfolg begünstigen, ist mittlerweile unbestritten (vgl. von Zitzewitz, 1996).<br />

So hat in den USA die Verflechtung von Musikindustrie und Radiosendern mittlerweile<br />

ein alarmierendes Ausmaß angenommen (vgl. Deul, 9. April 2001).<br />

Letzte Instanz für die Entscheidung über das Spielen oder Nichtspielen von Musiktiteln<br />

ist jedoch in der Regel die Musikredaktion eines Senders. Sie begutachtet die von<br />

den Musikkonzernen beworbene Musik nach ihrer Tauglichkeit für das eigene Programm,<br />

sie verfolgt die Entwicklung von Musiktiteln anhand internationaler und nationaler<br />

Charts, sie informiert sich via MTV und VIVA über Neuerscheinungen, die im<br />

Fernsehen meist eher laufen als im Radio, sie verschafft sich in Diskos und Musikclubs<br />

einen eigenen Eindruck über die Wirkung von spezieller Musik auf ihre Hörer und entscheidet<br />

schließlich größtenteils unreflektiert, welche Musik gespielt werden soll und<br />

welche nicht (vgl. Haas, Frigge & Zimmer, 1991).<br />

Diesem subjektiven und qualitativen Auswahlprozess steht die standardisierte Musikforschung<br />

in Form von Musiktests mit <strong>zum</strong> Teil sogar repräsentativen Stichproben<br />

gegenüber. Mit Beginn des dualen Rundfunksystems in Deutschland beziehungsweise<br />

mit Beginn des kommerziellen Wettstreits um Radiohörer und Marktanteile wurden sowohl<br />

die bereits mehrere Jahrzehnte bewährten Radioformate als auch die Musikforschung<br />

aus den USA adaptiert (vgl. Hofmann, 1993; Neuwöhner, 1998). So verwundert<br />

es auch nicht, dass Coleman Research, der Marktführer der kommerziellen Radioforschung<br />

in den USA, mittlerweile auch in Europa präsent ist und in Deutschland die Musikforschung<br />

für Radiosender maßgeblich mit prägt (vgl. Abschnitt 3: Ergebnisse). Be-<br />

228


Schramm / Petersen / Rütter / Vorderer · Musikforschung<br />

obachtet man die Radioszene und spricht man mit Insidern, so erhält man Hinweise,<br />

dass im vergangenen Jahrzehnt neben das unreflektierte Gefühl der Musikredakteure<br />

mehr und mehr die Zahlen und Ergebnisse der Musikforschung als Planungsgrundlage<br />

für die Musikprogramme getreten sind. Die einschlägige Literatur kann dies nur unzureichend<br />

belegen (vgl. <strong>zum</strong> Beispiel: Haas, Frigge & Zimmer, 1991; Neuwöhner, 1998,<br />

Gushurst, 2000). Die einzige uns bekannte Studie, die diesem Aspekt Rechnung trägt,<br />

ist eine Diplomarbeit von Hofmann (1993), und die ist schon einige Jahre alt und kann<br />

deshalb keine verlässlichen Zahlen für den aktuellen Stand der Musikforschung liefern.<br />

Nichtsdestotrotz war sie ein Ausgangspunkt für unsere eigenen Studien und diente als<br />

Vorlage für ein modifiziertes Erhebungsinstrument. Um den Wissensstand vor Durchführung<br />

unserer Studien zu dokumentieren, werden im Folgenden kurz die gängigsten<br />

Musiktests, ihre Testkriterien und Durchführungsmodalitäten sowie ihr Stellenwert –<br />

entsprechend der Studie von Hofmann – dargestellt.<br />

Danach bestimmen zwei Arten von Musiktests das Feld der kommerziellen Musikforschung:<br />

Telefonbefragungen beziehungsweise Call-Outs und Auditorium-Tests. Telefonbefragungen<br />

sind schneller und günstiger durchzuführen und werden daher von<br />

den meisten Radiosendern präferiert. Dabei werden wöchentlich oder <strong>zum</strong>indest alle<br />

zwei Wochen zehn bis 30 Musiktitel in Form von Hooks (markanter Ausschnitt eines<br />

Titels mit einer Länge von ca. acht bis zwölf Sekunden und mit dem vermeintlich höchsten<br />

Wiedererkennungswert, meist aus dem Refrain) ca. 100 bis 120 zufällig ausgewählten<br />

Befragten über das Telefon vorgespielt. Jeder Titel wird von diesen Teilnehmern auf<br />

mehrere Kriterien hin beurteilt. In der Regel handelt es sich um drei Aspekte: Bekanntheit<br />

(„Haben Sie diesen Titel schon einmal gehört?“), Gefallen („Wie gefällt Ihnen dieser<br />

Titel?“) und Sättigung („Würden Sie diesen Musiktitel in Ihrem meistgehörten Radioprogramm<br />

gerne häufiger hören?“). Über die Sättigung (auch Burn Out genannt) wird<br />

primär ermittelt, ob sich die Hörer an dementsprechenden Titeln überhört haben. Bei<br />

den Telefonbefragungen werden insbesondere solche Titel getestet, die sehr häufig im<br />

Radio gespielt werden, sich also in einer hohen Rotation befinden und bei denen Sättigungstendenzen<br />

wahrscheinlicher sind. Als Vorteile der Telefonbefragungen nennen<br />

Haas, Frigge und Zimmer (1991, S. 323) unter anderem die schnelle Reaktion auf Stimmungsschwankungen<br />

der Hörer und die kontinuierliche und in kurzen Abständen durchgeführte<br />

Beobachtung von Musiktitelentwicklungen. Titel können so bei bestimmten<br />

Kennwerten zeitnah in die Playlist aufgenommen oder ausgeschlossen werden. Hin und<br />

wieder werden zu den bereits genannten drei Kriterien zusätzliche Fragen, <strong>zum</strong> Beispiel<br />

nach der Senderaffinität, nach dem emotionalen Ausdruck der Musik oder nach der gewünschten<br />

Tageszeit, zu der ein Titel gespielt werden soll, geschaltet. Die Ergebnisse der<br />

drei Kriterien Bekanntheit, Gefallen und Sättigung werden anschließend zu einem so genannten<br />

Power-Score verdichtet und durch die Kombination mit Soziodemographieund<br />

<strong>Medien</strong>nutzungsdaten in zielgruppenspezifische Titelindizes überführt, aus denen<br />

leicht abzulesen ist, welcher Titel bei welchen Hörern gut oder weniger gut abschneidet.<br />

Angereichert mit Zusatzinformationen über diverse Musikparameter wie Musikgenre,<br />

Tempo, Instrumentierung, Geschlecht des Interpreten, Vorlaufzeit bis <strong>zum</strong> Beginn des<br />

Gesangs, Titellänge, Art des Titelendes (Cold = abruptes Ende, Cold Fade/Quick =<br />

schnelles Ausblenden, Fade = langsames Ausblenden) und gewünschter Rotation werden<br />

die Titel in Datenbänke eingespeist, auf deren Grundlage spezielle Computerprogramme,<br />

wie <strong>zum</strong> Beispiel Selector, auf die Hörerzielgruppe abgestimmte Musikprogrammabläufe<br />

errechnen (vgl. Linnenbach, 1987; Münch, 1998). Diese müssen von einem<br />

Musikredakteur nur noch dergestalt nachbearbeitet werden, dass ein harmonischer<br />

und der Senderphilosophie entsprechender Musikablauf gewährleistet ist.<br />

229


M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />

Die Auditorium-Tests hingegen sind um einiges aufwändiger und werden auch deshalb<br />

nur ein- bis zweimal pro Jahr von den Radiosendern finanziert. Eine Gruppe von<br />

bis zu 300 Personen wird nach bestimmten Quoten – meist entsprechend der soziodemographischen<br />

Zusammensetzung der Zielgruppe – rekrutiert und in ein Hotel, einen<br />

Kino- oder Hörsaal eingeladen. Dort bekommen sie bis zu 300 Musiktitel am<br />

Stück in Form von Hooks vorgespielt und müssen Bewertungen anhand der oben genannten<br />

Kriterien vornehmen. Die Gruppe hört die Titel entweder gemeinsam über<br />

eine Stereoanlage, wobei gegenseitige Ablenkung und mögliches Gruppenverhalten die<br />

Validität der Daten einschränken, oder bekommt die Titel in einer individuellen, randomisierten<br />

Reihenfolge per Kopfhörer vorgespielt. Beim ersten Fall werden Reihenfolgeeffekte<br />

dadurch neutralisiert, dass man einer zweiten gleich großen Gruppe die Titel<br />

in genau umgekehrter Abfolge (Spiegelbild-Methode) vorgibt. Die Auditorium-<br />

Tests eignen sich <strong>zum</strong> Testen großer Teile der Playlist, also auch derjenigen Titel, die<br />

sich nicht in der höchsten Rotationsstufe befinden. Laut Haas, Frigge und Zimmer<br />

(1991, S. 323 – 324) haben sie überdies die Vorteile, eine sehr große Datenmenge innerhalb<br />

kürzester Zeit zu generieren und die Klangqualität der Hooks im Vergleich zu den<br />

Telefoninterviews zu verbessern beziehungsweise im Fall von Kopfhörereinsatz sogar<br />

zu optimieren.<br />

Neben diesen beiden Hauptmethoden kommen bei einzelnen Sendern hin und wieder<br />

auch alternative Musiktests <strong>zum</strong> Einsatz (vgl. Hofmann, 1993). Zu nennen sind hier<br />

qualitative Methoden (z. B. Gruppendiskussionen mit Fokusgruppen), der Call-In<br />

(Hörer können per Anruf beim Sender ein Band mit Hooks abhören und diese bewerten),<br />

die schriftliche Befragung (Hörern werden Fragebögen zugesandt, auf denen die<br />

zu bewertenden Titel mit Interpreten gelistet sind. Der Hörer muss den Titel also auch<br />

ohne unmittelbaren Höreindruck zuordnen und bewerten können) und der Walkman-<br />

Test (Hörer werden wie beim Auditorium-Test eingeladen und können sich eine Kassette<br />

mit ca. 20 Hooks über einen Walkman wiederholt anhören, bevor sie die Titel bewerten).<br />

Neuwöhner (1998) weist bezüglich der Unterschiede zwischen privaten und<br />

öffentlich-rechtlichen Sendern darauf hin, dass beide zwar ähnliche Methoden einsetzen,<br />

dass sich die privaten Sender aber auf die so genannte „Akzeptanzforschung“ beschränken<br />

können, während der öffentlich-rechtliche Hörfunk auch eine Abbildung<br />

anderer Bewertungsdimensionen sicher stellen muss. Um Programmverantwortlichen<br />

von Kultur- oder Informationssendern angemessene Entscheidungshilfen an die Hand<br />

zu geben, ist ein breiteres und qualitativeres Methodenspektrum gefragt.<br />

Ein spezieller Fall von Musiktest ist die Mapping-Studie, die meist bei Neugründung<br />

oder Neupositionierung eines Radiosenders vorgeschaltet wird: Nach Aussage einer<br />

von uns befragten Musikexpertin werden bis zu 45 Musikstilrichtungen getestet und<br />

jeweils durch drei Titel beziehungsweise Hooks repräsentiert. Ziel der Studie sei es,<br />

Aussagen treffen zu können, wie viele potenzielle Hörer welche Musik mögen, welche<br />

Musikpräferenzen sich überschneiden beziehungsweise ausschließen und welche Art<br />

von Musik bei welchem Sender vermutet wird, um somit eine Marktlücke bezüglich der<br />

Hörer und der Senderimages zu finden. Selbst von Sendern, die keinen Relaunch vollziehen<br />

wollen, würden Mapping-Studien zwecks Beobachtung des sich schnell wandelnden<br />

Marktes etwa alle drei Jahre in Auftrag gegeben.<br />

Repräsentative Aussagen über die Musikforschung bei Radiosendern lassen sich kaum<br />

formulieren, da die Sender ihre Informationen nur selten und äußerst ungern preisgeben.<br />

Sie betrachten ihre Musikforschung häufig als „Erfolgsgeheimnis“, obwohl den<br />

meisten Radioschaffenden der hohe Standardisierungsgrad der Musiktests bekannt ist.<br />

So hat Hofmann (1993) auch „nur“ 80 auskunftsbereite Sender gefunden, die er befra-<br />

230


Schramm / Petersen / Rütter / Vorderer · Musikforschung<br />

gen konnte. 50 Prozent davon gaben an, Musikforschung zu betreiben. Unter den öffentlich-rechtlichen<br />

Sendern war der Anteil mit 58 Prozent höher als bei den privaten<br />

Sendern mit 46 Prozent. Von den 40 Sendern mit Musikforschung nutzten 22 Sender<br />

ihre eigenen Methoden, 18 Sender beauftragten ein Institut, und zwei Sender forschten<br />

sowohl intern wie auch extern. Telefonumfragen waren dabei die beliebteste Methode:<br />

25 Sender testeten ihre Hooks über das Telefon, 14 Sender ließen Auditorium-Tests<br />

durchführen, und zwölf Sender nutzten andere Musiktests. Sender, die keine Musikforschung<br />

betrieben, gaben als Gründe die hohen Kosten, mangelndes Vertrauen in Methoden<br />

und Ergebnisse und die fehlende Konkurrenzsituation im eigenen Hörermarkt<br />

an. Der Stellenwert der Musikforschung war ungeachtet der Kontra-Argumente jedoch<br />

schon zu Anfang der neunziger Jahre verhältnismäßig hoch: „Gefragt nach der wichtigsten<br />

Informationsquelle für ihre Entscheidungen, nannten 36 Prozent der Sender die<br />

Einschätzung beziehungsweise das Gefühl der Musikredaktion. An zweiter Stelle steht<br />

die Musikforschung mit 18 Prozent“ (Hofmann, 1993, S. 54). Beschränkt man die Aussage<br />

auf die Sender, die Musiktests durchführen und von daher auch auf „harte“ Zahlen<br />

bauen können, geben bereits 35 Prozent die Musikforschung und nur noch 28 Prozent<br />

ihr eigenes Gefühl als wichtigste Informationsquelle an (S. 55).<br />

Die Ergebnisse Hofmanns dürften mittlerweile überholt sein. Die geringe Auskunftsbereitschaft<br />

der Sender und das fehlende Interesse der <strong>Medien</strong>- und Kommunikationswissenschaft<br />

an diesem Bereich der Forschung haben aber dazu beigetragen, dass<br />

auf keine aktuelleren Informationen <strong>zum</strong> Stand und Stellenwert der Musikforschung bei<br />

deutschen Radiosendern und zu deren Akzeptanz und Bewertung von Musiktests<br />

zurückgegriffen werden kann. Ein erneutes, systematisches Erforschen dieses Bereiches<br />

war also geboten und wurde von uns in Form von zwei Teilstudien umgesetzt. Folgende<br />

Forschungsfragen standen dabei im Vordergrund:<br />

1. In welchem Umfang und in welcher Konstellation (extern/intern) betreiben deutsche<br />

Radiosender Musikforschung? Welche Musiktests werden dabei wie häufig eingesetzt?<br />

2. Wie werden die Methoden und Ergebnisse bewertet? Welche Gründe sprechen gegen<br />

Musikforschung?<br />

3. In welchem Ausmaß beeinflusst die Musikforschung die Programmgestaltung der<br />

Sender?<br />

4. Auf welche Weise gelangen neue, unbekannte Musiktitel in die Playlist?<br />

5. Gibt es Unterschiede bezüglich Art, Umfang, Stellenwert und Bewertung der Musikforschung<br />

zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern sowie zwischen<br />

Sendern mit großer und kleiner Musikredaktion?<br />

2. Methodisches Vorgehen<br />

Um einerseits vertiefende Einblicke hinsichtlich Stand und Stellenwert der Musikforschung<br />

in Deutschland zu gewinnen, andererseits aber auch repräsentative Ergebnisse<br />

zu diesen Fragestellungen ermitteln zu können, entschieden wir uns für die Kombination<br />

zweier Teilstudien.<br />

2.1 Teilstudie 1: Standardisierte Befragung<br />

Die Zielsetzung der standardisierten quantitativen Befragung, welche sich an die Programmdirektionen<br />

aller Radiosender wendete, lag in der Generierung einer repräsentativen<br />

Wissensgrundlage im Hinblick auf Stand und Stellenwert der Musikforschung in<br />

231


M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />

Deutschland. Anknüpfend an die Studie von Hofmann (1993) lag das Erkenntnisinteresse<br />

darin, einen Überblick über die Einsatzbreite und Gestaltung von Musikforschung<br />

in den verschiedenen Sendertypen zu gewinnen.<br />

Operationalisierung<br />

Die Dimensionen des Fragebogens basieren hauptsächlich auf den Erkenntnissen aus<br />

der Studie von Hofmann (1993) sowie verschiedenen Gesprächen mit Expert(inn)en aus<br />

der Praxis:<br />

• Sender-Kennzahlen: Größe der Musikredaktion, Umfang der Playlist, Zeitpunkt der<br />

Etablierung von Musikforschung;<br />

• interne vs. externe Forschung;<br />

• eingesetzte Methoden und Instrumente;<br />

• erhobene Kriterien (Bekanntheit, Beliebtheit und Sättigung der Titel);<br />

• Relevanz einzelner Quellen für die Titelauswahl – sowohl für die Musiktests als auch<br />

für das tägliche Musikprogramm;<br />

• allgemeine Bewertung von Musikforschung aus Sicht des jeweiligen Senders;<br />

• Gründe gegen Musikforschung, sofern ein Sender keine Forschung betreibt.<br />

Aufgrund der zu erwartenden Expertise und Involviertheit der Befragten konnten die<br />

Fragen kurz und im entsprechenden Branchenjargon gehalten werden. Als Skalierung<br />

wurden für Fragen bezüglich der Relevanz und der allgemeinen Bewertung der Musikforschung<br />

sechsfach gestufte Items gewählt (vgl. Fragebogen im Anhang). Der Erhebung<br />

ging ein Pretest mit zwei Experten aus der Radiobranche voraus, welcher zufrieden<br />

stellend verlief.<br />

Stichprobe und Datenerhebung<br />

Um Aussagen mit Gültigkeit für die gesamte deutsche Radiolandschaft treffen zu können,<br />

wurde eine Vollerhebung der deutschen Radiosender durchgeführt. Insgesamt<br />

wurden 254 Sender angeschrieben: 177 kommerzielle private Radiosender, 49 öffentlichrechtliche<br />

Radiosender sowie 28 nicht-kommerzielle Lokalradios (wie NKLs, Bürgerradios,<br />

freie Radios, Offene Kanäle: im Folgenden unter NKLs subsumiert). Unberücksichtigt<br />

blieben die Regionalstudios der Sender.<br />

Die Datenerhebung erfolgte in zwei Wellen mit jeweils einer Nachfassaktion zwischen<br />

dem 1.12.2000 und dem 7.3.2001. In der ersten Welle wurden die NKLs und die<br />

privaten Sender angeschrieben, in der zweiten Welle erfolgte dann die Befragung der öffentlich-rechtlichen<br />

Sender. Die Fragebögen sind mit einer Identifikationsnummer versehen<br />

worden, anhand derer sich später nachvollziehen ließ, ob es sich um einen öffentlich-rechtlichen,<br />

einen privaten Radiosender oder ein NKL handelte. Die Rücklaufquote<br />

betrug mit 118 von 254 angeschriebenen Sendern insgesamt 47 Prozent: Im Einzelnen<br />

antworteten 82 von 177 privaten kommerziellen Sendern (46 %), 19 von 48 öffentlichrechtlichen<br />

Sendern (40 %), und 17 der 28 NKLs (61 %). Die Datenbereinigung bezog<br />

sich überwiegend auf die Antworten der NKLs, da deren Verständnis von Musikforschung<br />

offensichtlich von der üblichen Definition abwich.<br />

2.2 Teilstudie 2: Qualitative Leitfadeninterviews<br />

Ziel der nicht-repräsentativen qualitativen Leitfadeninterviews war es, von Expert(inn)en<br />

tiefer greifende Informationen über Musiktests in der Radiopraxis zu erhalten (vgl.<br />

232


Schramm / Petersen / Rütter / Vorderer · Musikforschung<br />

Meuser & Nagel, 1991). Vor allem sollten Aussagen zu den gängigen Musiktests und<br />

möglichen Verbesserungsvorschlägen generiert werden, um die standardisierten Antworten<br />

aus der ersten Studie zu illustrieren und zu ergänzen. Um möglichst flexibel auf<br />

die Expert(inn)en eingehen zu können, bot sich eine offene Vorgehensweise an, weshalb<br />

wir uns für die qualitative Befragung anhand eines strukturierten Leitfadens entschieden<br />

(vgl. Lamnek, 1995).<br />

Operationalisierung<br />

In Analogie zu der Vorgehensweise bei der Operationalisierung der standardisierten<br />

Befragung stützte sich die Erarbeitung der Dimensionen auch hier überwiegend auf<br />

die Informationen von Expert(inn)en sowie auf gemeinsam entwickelte Diskussionspunkte,<br />

da in diesem Forschungsgebiet bislang kaum theoretische Grundlagen vorliegen.<br />

Der Leitfaden umfasste folgende Themenbereiche:<br />

• Art und Umfang der Musikforschung;<br />

• Stellenwert beziehungsweise Relevanz der Musiktests;<br />

• Bewertung der derzeitigen Verfahren;<br />

• mögliche Verbesserung der derzeitigen Verfahren.<br />

Vor der Durchführung der qualitativen Leitfadeninterviews wurde ein Pretest mit zwei<br />

Fachleuten aus der Radiobranche durchgeführt. Der getestete Leitfaden ging daraus als<br />

einsatzbereit hervor.<br />

Stichprobe und Datenerhebung<br />

Verantwortlich für Musikforschung zeichnen in den forschenden Sendern <strong>zum</strong> überwiegenden<br />

Teil die Programmdirektor(inn)en beziehungsweise Musikdirektor(inn)en,<br />

die als Expert(inn)en in der qualitativen Studie befragt wurden. Aus forschungsökonomischen<br />

Gründen wurden ausschließlich Expert(inn)en aus dem norddeutschen Raum<br />

rekrutiert (n = 13). Die Durchführung der Interviews nahm in Abhängigkeit von Erfahrungshintergrund<br />

und Auskunftsbereitschaft der Expert(inn)en zwischen 20 und 60 Minuten<br />

in Anspruch. Bis auf eine Ausnahme konnten alle Interviews zur Erleichterung<br />

der Auswertung auf Tonband mitgeschnitten werden.<br />

Auswertungsverfahren<br />

Nach der Transkription der Interviews erfolgte die Auswertung anhand eines Kriterienkataloges,<br />

welcher auf den Dimensionen des Leitfadens basierte. Die Verdichtung der<br />

Interviews wurde anhand dieses Kriterienkataloges durch Auswahl der prägnantesten<br />

und aussagekräftigsten Textstellen vorgenommen. Diese wurden jeweils mit Kommentar<br />

und Bewertung versehen. Ergebnis dieser Einzelanalysen war ein Steckbrief pro Interview.<br />

In einem zweiten Schritt schloss sich die generalisierende Analyse an, welche<br />

<strong>zum</strong> Ziel hatte, über das einzelne Interview hinaus verallgemeinerbare Erkenntnisse zu<br />

ermitteln (Lamnek, 1995, S. 109). Im Folgenden werden die Ergebnisse beider Teilstudien<br />

in Parallele dargestellt.<br />

233


M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />

3. Ergebnisse<br />

Vorbemerkungen zur Playlist, zur Größe der Musikredaktionen und zur Rolle der NKLs<br />

Freilich haben viele Sender nicht alle Fragen beantwortet. Insbesondere wurden Angaben<br />

zur Größe der Playlist verweigert. Nur 64 Sender antworteten auf diese Frage, wobei<br />

der Terminus Playlist wohl unterschiedlich interpretiert wurde. Dies wird durch<br />

Angaben jenseits der 5.000 Titel deutlich (ein Sender gab die Größe seiner Playlist sogar<br />

mit 75.000 Titeln an), bei denen eher das gesamte Musikrepertoire als die tatsächlich gespielten<br />

Titel gemeint sein dürften. Auch Angaben wie 20 oder 30 Titel erscheinen selbst<br />

für den Fall, dass es sich um eine Top-40-Station handelt, unwahrscheinlich.<br />

79 der antwortenden Sender beschäftigen eine eigene Musikredaktion, die durchschnittlich<br />

3,4 Musikredakteure (SD = 4,5) umfasst. Die Angaben streuen zwischen einer<br />

halben Stelle für einen Musikredakteur bis hin zu 30 Musikredakteuren bei einem<br />

NKL. Mehr als 50 Prozent der Sender haben jedoch einen, zwei oder drei Musikredakteure.<br />

An dieser Stelle sei schon darauf hingewiesen, dass die Größe der Musikredaktion<br />

keine systematischen Unterschiede in der Art, dem Umfang, dem Stellenwert und der<br />

Bewertung der Musikforschung mit sich bringt. Jedoch sind vereinzelt Unterschiede<br />

zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern zu verzeichnen, die im Folgenden<br />

an entsprechender Stelle dokumentiert werden.<br />

In der standardisierten Befragung wurden auch NKLs über ihre Einstellung zu den<br />

Musiktests befragt. Diese Formen des Hörfunks zeichnen sich durch eine Sonderposition<br />

in der deutschen <strong>Medien</strong>landschaft aus. So wird in Niedersachsen durch das Landesrundfunkgesetz<br />

festgelegt, dass sich das Programm der Lokalradios „inhaltlich/<br />

thematisch und formal von den Programmen etablierter kommerzieller und öffentlichrechtlicher<br />

Hörfunkanbieter deutlich unterscheiden“ muss (Volpers, Schnier & Salwiczek,<br />

2000, S. 15). Sie sollen eine lokale publizistische Ergänzung für das Verbreitungsgebiet<br />

liefern und den Bürgern die Möglichkeit zur Partizipation bieten. Zumal<br />

sich die NKLs <strong>zum</strong> großen Teil nicht selbst finanzieren, das heißt nicht kommerziell<br />

agieren, ist eine Ausrichtung auf den Markt nicht im Sinne der Sender. Musikforschung<br />

dürfte bei den Bürgerradios daher keine Rolle spielen. Von den 17 NKLs, die an der Befragung<br />

teilgenommen haben, gibt demnach auch nur ein einziges an, Musikforschung<br />

zu betreiben. Diese Musikforschung kann im oben definierten Sinne nicht als professionelle<br />

Musikforschung bezeichnet werden; die Titel werden intern unter den Mitgliedern<br />

der Redaktion diskutiert und nicht an Hörern getestet. Für die folgenden Ergebnisse<br />

wurden daher nur die Sender des öffentlich-rechtlichen und des privaten Hörfunks<br />

berücksichtigt.<br />

Umfang der Musikforschung<br />

Von den 101 öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern geben 46 Prozent (n = 46) an,<br />

Musikforschung zu betreiben. Darunter befinden sich 35 private Stationen (43 % aller<br />

privaten Sender) und elf öffentlich-rechtliche Hörfunksender (58 % aller öffentlichrechtlichen<br />

Sender). Dies scheint auf den ersten Blick darauf hinzudeuten, dass Musikforschung<br />

weniger verbreitet ist als bisher angenommen. Man sollte jedoch bei der Betrachtung<br />

dieser Ergebnisse bedenken, dass viele Stationen (n = 24) angeben, in einer Kooperation<br />

mit einem größeren Sender zu stehen, dessen Musikanteil von ihnen als Mantel<br />

übernommen wird. Als Beispiel für diese Vorgehensweise sind die Lokalsender in<br />

Nordrhein-Westfalen zu nennen, die ihre Musik von Radio NRW beziehen. Auch wenn<br />

234


Schramm / Petersen / Rütter / Vorderer · Musikforschung<br />

diese Sender selbst keine Titel testen, beruht ihr Programm über Umwege doch auf Forschungsergebnissen<br />

des Zuliefer-Senders, sofern dieser forscht. Ob dies den Sendern<br />

auch bewusst ist, ist eine andere Frage. Sie können jedoch nicht ohne weiteres als Sender<br />

angesehen werden, bei denen das Programm ohne Musikforschung gestaltet wird.<br />

Auch wenn nicht gesagt werden kann, für welchen Anteil der nicht-forschenden Sender<br />

dies zutrifft, sollte davon ausgegangen werden, dass die Musikforschung weiter verbreitet<br />

ist, als es die Zahlen vermuten lassen.<br />

Entwicklung der Musikforschung<br />

Noch bevor es private Anbieter auf dem Hörfunkmarkt gab, setzten öffentlich-rechtliche<br />

Stationen Musikforschung ein. Dies zeigen sowohl die standardisierte Befragung als<br />

auch die Expert(inn)eninterviews. Nach ihrer Lizenzierung haben sich die privaten Sender<br />

jedoch relativ schnell die Methoden der Musiktests zu Eigen gemacht und diese optimiert,<br />

wodurch die Musikforschung für die privaten Sender ein wichtiges Gestaltungselement<br />

des Programms wurde und ihren Erfolg begründete. Aus den Daten der<br />

Befragung ist geradezu ein „Boom“ der Musikforschung zu erkennen: Der Großteil der<br />

Sender (66 %) hat in den Jahren zwischen 1994 und 1998 mit der Musikforschung begonnen.<br />

Mittlerweile, so die befragten Expert(inn)en, seien auch die öffentlich-rechtlichen<br />

Sender auf einem hohen Standard angelangt; auch sie nutzen die Mittel der empirischen<br />

Musikforschung in hohem Maße: „Musik Research hat mit öffentlich-rechtlich<br />

und nicht-öffentlich-rechtlich nichts zu tun. Das ist ein Instrumentarium, das ist ein<br />

Handwerkszeug, entweder man macht’s oder man macht’s nicht.“<br />

Die Rolle der Institute<br />

Während die Forschung in den Anfangsjahren noch von den Sendern selbst durchgeführt<br />

wurde, wird heute zunehmend auf Institute oder Beratungsfirmen zurückgegriffen.<br />

Lediglich elf Prozent der forschenden Sender führen ihre Forschung selbstständig<br />

durch; alle anderen greifen im Bedarf auf externe Institute zurück, wobei der Anteil der<br />

Sender, die ausschließlich beziehungsweise überwiegend extern forschen lassen, sogar<br />

bei 67 Prozent liegt.<br />

Dementsprechend sei durch den wachsenden Musikforschungsmarkt auch eine steigende<br />

Zahl von Musikforschungsinstituten zu beobachten gewesen, die neben den Erhebungen<br />

auch Beratungen durchführen. Insgesamt wurden 13 Institute genannt. Als<br />

führende Anbieter auf dem Markt gelten Coleman Research, C.M.R. und Research<br />

Group. Die beiden zuerst genannten Firmen werden ausschließlich von Privatsendern<br />

konsultiert und versorgen zusammen 43 Prozent der befragten und musikforschenden<br />

Privatsender mit Ergebnissen. Wie in den Interviews deutlich wird, wählen öffentlichrechtliche<br />

Stationen eher kleinere Beraterfirmen. In der Branche sei es üblich, dass sich<br />

insbesondere ehemalige Musikchefs als Berater selbstständig machen. Auch wenn jedem<br />

Institut sein Spezialgebiet bescheinigt wird, ist dennoch folgende Tendenz erkennbar:<br />

Die Mehrzahl der Stationen (89 %) konsultiert nur ein einziges Institut und<br />

bezieht alle Ergebnisse aus einer Hand. Dies wird in den Tiefeninterviews mit den geringeren<br />

Kosten begründet, die sich durch gewisse „Paketangebote“ der Institute ergeben.<br />

Die Entscheidung für ein Institut wird jedoch nicht ausschließlich vom Preis abhängig<br />

gemacht. Gründe für die Wahl seien zusätzliche Beratungsleistungen oder auch<br />

die Ehrlichkeit beziehungsweise Transparenz eines Anbieters in Bezug auf die verwendeten<br />

Methoden.<br />

235


M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />

Methoden der Musikforschung<br />

Die Telefonbefragung beziehungsweise der Call-Out erweist sich als die am weitesten<br />

verbreitete Methode der Musikforschung. Von den forschenden Sendern (n = 46) testen<br />

82 Prozent ihre Musiktitel per Telefon. Unter dem Begriff Call-Out vereinen sich jedoch<br />

Telefonumfragen mit den unterschiedlichsten Durchführungsmerkmalen. Es zeigen<br />

sich hierbei vor allem Unterschiede zwischen öffentlich-rechtlichem Hörfunk und<br />

Privatsendern. Die Privaten testen durchschnittlich 51 Titel (SD = 49; Min = 20; Max =<br />

220) an 390 Personen (SD = 506; Min = 50, Max = 2.000). Selbst wenn man den „Ausreißer“<br />

von angeblich 2.000 getesteten Personen unberücksichtigt lässt, sind es bei einem<br />

Maximalwert von 800 immer noch durchschnittlich 275 Personen (SD = 248). Bei den<br />

öffentlich-rechtlichen Stationen werden durchschnittlich nur 21 Titel (SD = 11; Min =<br />

2; Max = 36) an durchschnittlich 162 Personen (SD = 54; Min = 120; Max = 250) getestet.<br />

Durchgeführt werden Telefonbefragungen im Schnitt alle ein bis zwei Wochen und<br />

<strong>zum</strong> größten Teil (86 %) extern. Die Mehrheit der Sender testet bei dieser Methode<br />

Hooks. Ganze Titel werden auch vorgespielt, kommen aber – ebenso wie das Vorspielen<br />

von Soundcollagen (<strong>zum</strong> Erfassen ganzer Musikgenres) – eher seltener vor.<br />

Als zweite wichtige Methode der Musikforschung erweist sich wie erwartet der Auditorium-Tests.<br />

Ca. 40 Prozent der Sender setzen diese aufwändige Methode für die Musiktests<br />

ein. Auditorium-Tests finden als Mittel der strategischen Planung höchstens<br />

zweimal im Jahr statt. Hier nehmen sich manche Sender die Zeit, ihren gesamten Back-<br />

Katalog zu testen. Zum Teil werden bis zu 1.500 Titel am Stück getestet, im Durchschnitt<br />

sind es ca. 850 Titel (M = 844; SD = 455). Je nach Größe der angemieteten Halle<br />

werden 150 bis 300 Probanden rekrutiert. Bei den Auditorium-Tests kommen nur<br />

Hooks <strong>zum</strong> Einsatz. Durchgeführt werden Auditorium-Tests ausschließlich von Instituten,<br />

wobei aber auch unterschiedlich vorgegangen wird. In den Interviews wird beschrieben,<br />

dass die Titel von den Probanden in der Regel anhand von Rating-Skalen auf<br />

Papierfragebögen bewertet werden. Als technische Neuerung wird in manchen Tests das<br />

Potentiometer eingesetzt, bei dem die Befragten mit Hilfe eines Drehreglers ähnlich einer<br />

Lautstärkeregelung stufenlos zwischen Missfallen beziehungsweise Gefallen entscheiden<br />

können.<br />

Weitere Methoden werden nur vereinzelt eingesetzt. Dazu gehören beispielsweise der<br />

Walkman-Test mit Mini-Disc, die Fokus-Gruppen oder auch die On-Air-Befragung als<br />

direkte Ansprache der Hörer.<br />

Getestete Kriterien<br />

Kernkriterien der Musikforschung sind zweifelsohne die Beliebtheit, die Bekanntheit<br />

und der Burn-Out. Die Beliebtheit ist das am häufigsten genannte Kriterium (98 %) gefolgt<br />

von der Bekanntheit (91 %). Der Burn-Out wird mit 84 Prozent zwar von weniger<br />

Stationen erhoben, wird jedoch in den Interviews von den Expert(inn)en als das<br />

wichtigste Kriterium bezeichnet. Im Gegensatz zu den beiden anderen Kriterien sage er<br />

etwas darüber aus, wie riskant es ist, einen Titel weiterhin auf der Playlist zu haben, beziehungsweise<br />

wie hoch sein Erfolgspotenzial bei den angezielten Hörern ist. „Der<br />

Burn-Out-Faktor ist für aktuelle Formate einfach die Kernfrage“, so einer der Befragten.<br />

Ein zusätzliches Kriterium, das von 59 Prozent der Sender getestet wird, ist die<br />

vermutete Senderzugehörigkeit eines Titels. Einen Titel zu spielen, der von der Mehrzahl<br />

der Befragten generell bei einem anderen Sender vermutet wird, verschaffe dem<br />

236


Schramm / Petersen / Rütter / Vorderer · Musikforschung<br />

Sender keinen markanten Sound, der ihn von der Konkurrenz abhebe. Durch diese Frage<br />

würde also untersucht, welches Image der Sender unter den Befragten genieße und<br />

welche Musikfarbe ihm zugeordnet werde. Eine Befragte äußert jedoch Bedenken, ob<br />

diese Images valide seien, da im Zweifel jeder den Sender angebe, den er auch tatsächlich<br />

höre.<br />

Weitere Kriterien finden in der Praxis selten Anwendung. Hierzu gehören unter anderem<br />

die Frage danach, ob ein Titel passend zu einer bestimmten Tages- oder Jahreszeit<br />

empfunden wird. Dieses Kriterium kann jedoch nicht als Standardkriterium der<br />

Musikforschung bezeichnet werden; es wird von lediglich fünf Prozent der Sender abgefragt.<br />

Stellenwert der Musikredaktion für die Auswahl der Titel für Musiktests<br />

Um bei den Musiktests gut abzuschneiden, muss ein Musiktitel zwangsläufig erst einmal<br />

für diese Tests ausgewählt werden. Da nicht jeder Titel getestet werden kann, sollen<br />

bestimmte Quellen die Entscheidung für oder gegen einen Titel erleichtern. In der<br />

Regel liefern die Musikredaktionen den Instituten die zu testenden Titel bereits in geschnittener<br />

Form. Welche Titel in die Tests gegeben werden, hängt damit <strong>zum</strong> großen<br />

Teil von der Einschätzung der Musikredaktion ab. Auf einer Skala von 1 bis 6 (1 = überhaupt<br />

nicht wichtig; 6 = sehr wichtig) kommt dem Sachverstand der Musikredakteure<br />

dementsprechend auch in der standardisierten Befragung der größte Einfluss zu. Erst<br />

dahinter folgen die Charts oder das Musikfernsehen:<br />

Tabelle 1: Stellenwert verschiedener Quellen für Auswahl von Titeln für Musiktests<br />

Rang Quelle M SD<br />

1 Einschätzung der Musikredaktion 4,98 1,16<br />

2 Deutsche Single-Charts 3,35 1,69<br />

3 Airplay-Charts 3,35 1,40<br />

4 Internationale Charts 3,23 1,64<br />

5 Media-Control-Listen 3,02 1,45<br />

6 Musikfernsehen 2,29 1,24<br />

7 Plattenfirmen-Promotion 2,16 1,40<br />

In den Interviews geben einige Sender außerdem an, dass das Institut sie bei der Auswahl<br />

berät oder sie auf die Playlist ähnlich positionierter Sender schauen. Es zeigt sich<br />

jedoch, dass nicht jeder erfolgreiche Titel „blind“ in die Tests gegeben wird. Wenn ein<br />

Titel nicht in die gesetzte Klangfarbe des Senders passt, wird er auch dann nicht getestet,<br />

wenn er Nummer 1 der aktuellen Hitparade ist.<br />

Die Einschätzung, dass neue und damit unbekannte Titel stets schlechter bewertet<br />

werden als bekannte Stücke, wird von den befragten Expert(inn)en bestätigt: „Das ist<br />

ein generelles Problem, dass ein Großteil der Menschheit etwas Neues nicht so gerne annimmt<br />

und erst mal negativ bewertet.“ Vor dieses Problem sehen sich vor allem Sender<br />

gestellt, die aufgrund ihres Formates auf aktuelle Titel in ihrem Programm angewiesen<br />

sind, wie <strong>zum</strong> Beispiel Hot-AC-Stationen. Unter den Befragten herrscht Konsens, dass<br />

sich wegen des geschilderten Phänomens neue und alte Titel nicht gleichzeitig testen lassen.<br />

„Du kannst keinen Titel testen, der nicht irgendwo bekannt ist“ – so beschreibt eine<br />

Befragte die Situation. Ein Musiktitel ist nach Einschätzung der Musikredakteure erst<br />

237


M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />

für einen Test geeignet, nachdem er etwa einhundertmal auf dem Sender gelaufen ist.<br />

Viele Sender umgehen das Risiko und testen Titel, die bereits auf Konkurrenzsendern<br />

zu hören sind. „Wenn die den schon spielen und wir uns unsicher waren, dann kann ich<br />

den schon mal testen und sehen, wie es geht.“<br />

Den Sendern, die neue Titel ins Programm nehmen, kommt daher eine Pionierrolle<br />

zu; sie bringen neue Titel ins Radio und „spielen sie bekannt“. Ein Sender gibt an, neue<br />

Titel in Szene-Clubs zu testen und aus diesen Befragungen kommende Hits zu erkennen.<br />

Als Pionier-Sender fungieren meist Spartensender. Durch ihre spezielle Ausrichtung,<br />

so ein Befragter, sei das Publikum neuen Titeln gegenüber eher aufgeschlossen,<br />

und „wenn ein Song kommt, bei dem wir glauben, er hätte Hit-Potenzial, können wir<br />

den ohne Gefahr auch deutlich früher als andere Stationen ins Programm nehmen“.<br />

Obwohl man sich des Problems neuer Titel bewusst ist, zeigt die standardisierte<br />

Befragung, dass mit 59 Prozent mehr als die Hälfte der forschenden Sender auch neue<br />

Titel testet. Der Anteil an allen getesteten Titeln liegt dabei im Schnitt bei 26 Prozent<br />

(SD = 23). Bei öffentlich-rechtlichen Stationen liegt der Anteil neuer Titel mit 41 Prozent<br />

(SD = 29) im Durchschnitt höher als bei privaten Programmen mit 18 Prozent<br />

(SD = 14). Neue Titel werden außerdem vorrangig in Telefonbefragungen getestet.<br />

Stellenwert der Musikforschung und Auswahl der Titel für das tägliche Programm<br />

„Manche bilden sich ja ein, sie könnten aus dem Bauch entscheiden. Ich sage: Nur aus<br />

dem Bauch heraus kann niemand heute ein 100-prozentiges Programm machen.“ Mit<br />

diesen Worten begründet ein Befragter den Einsatz der Musikforschung in seinem Sender.<br />

Auch in den anderen Interviews bestätigt sich die Annahme, dass Musikforschung<br />

in den vergangenen zehn Jahren immer wichtiger geworden und bei manchen Sendern<br />

nicht mehr wegzudenken ist. Um das Musikprogramm optimal zu gestalten, ist für viele<br />

Stationen Musikforschung inzwischen das „A und O von Formatradios“. Die Befürworter<br />

der Forschung führen daher auch die in den MA-Zahlen dokumentierte Reichweitenentwicklung<br />

ihrer Sender maßgeblich auf den konsequenten Einsatz von Musikforschung<br />

zurück. Um Programmentscheidungen treffen zu können, die auch in umkämpften<br />

Märkten auf Zuspruch treffen, ist – so die inzwischen weit verbreitete<br />

Annahme – neben intuitiven Eingebungen mehr und mehr auch eine empirische Untermauerung<br />

gefragt. Dabei wird häufig erwähnt, dass Musikforschung für die Sender unterschiedlich<br />

wichtig werden kann. So sei eine öffentlich-rechtliche Drei-Länder-Anstalt<br />

eher auf Musikforschung angewiesen als ein Sender, der nur in einem Bundesland<br />

zu empfangen ist.<br />

Das Maß, in welchem die aus der Musikforschung gewonnenen Ergebnisse in das Programm<br />

einfließen, variiert freilich von Sender zu Sender. Bei einigen Sendern wird nach<br />

der Devise „Musik-Research ist das Programm“ verfahren: „Also dann nehme ich eine<br />

Auswahl vor, und dann nehme ich dort die bestgetesteten Ergebnisse, und das ist dann<br />

unsere Rotation.“ Andere Sender beziehen sich nach wie vor auf die Expertise der Musikredaktion<br />

und messen den Ergebnissen weniger direkten Einfluss bei – sie dienen lediglich<br />

als Orientierung.<br />

In der standardisierten Befragung zeigt sich auf die Frage, wie wichtig gewisse Quellen<br />

für das Programm sind, dass auf einer sechsfach abgestuften Skala (1 = überhaupt<br />

nicht wichtig; 6 = sehr wichtig) den Ergebnissen der Musikforschung insgesamt dennoch<br />

die größte Rolle zukommt (vgl. Tabelle 2).<br />

Nach Sendertypen aufgeschlüsselt zeigt sich, dass für die Privatsender die Musikforschung<br />

die Hauptquelle für die Programmgestaltung darstellt (M = 5,44; SD = 0,82),<br />

238


Schramm / Petersen / Rütter / Vorderer · Musikforschung<br />

Tabelle 2: Stellenwert verschiedener Quellen für die Musikprogrammgestaltung<br />

Rang Quelle M SD<br />

1 Ergebnisse der Musikforschung 5,22 1,01<br />

2 Einschätzung der Musikredaktion 4,73 1,32<br />

3 Hörerwünsche 3,38 1,53<br />

4 Airplay-Charts 3,11 1,49<br />

5 Deutsche Single-Charts 3,07 1,59<br />

6 Internationale Charts 2,76 1,45<br />

7 Media-Control-Listen 2,70 1,21<br />

8 Musikfernsehen 2,36 1,19<br />

9 Plattenfirmen-Promotion 2,29 1,41<br />

während für die öffentlich-rechtlichen Stationen die Einschätzung der Musikredaktion<br />

das wichtigste Kriterium ist (M = 4,83; SD = 1,53).<br />

Auf die Frage, wie mit den Ergebnissen in der Musikredaktion im Alltag umgegangen<br />

wird, bestätigen die Expert(inn)en, dass beide Quellen bei den meisten Sendern in der<br />

Praxis eine gleichwertige Rolle spielen. Die Daten dienen als Grundlage, auf der die Musikredakteure<br />

das Programm aufbauen. Ein Befragter benennt es wie folgt: „Wo ich einfach<br />

die nackten Ergebnisse habe, fängt meine qualifizierte Arbeit an.“ So unterscheiden<br />

sich Sender, die auf Musikforschung zurückgreifen, auch nicht in der Größe ihrer Musikredaktion<br />

von den restlichen Sendern. Man kann also nicht davon sprechen, dass<br />

Fachkenntnis durch den Einsatz der Forschung überflüssig wird: Eher umgekehrt sind<br />

Fachkräfte gefragt, die mit den Ergebnissen auch umgehen können: „Mängel entstehen<br />

nicht aus der Musikforschung, sondern aus Unsicherheiten und Unerfahrenheit der Programmplaner,<br />

die mit den Ergebnissen entweder nicht umgehen können oder sich zu<br />

sehr von ihnen leiten lassen statt von ihrer Erfahrung.“<br />

Beide Studien zeigen, dass sich ein erfolgreiches Musikprogramm nur dann gestalten<br />

lässt, wenn eine kompetente Musikredaktion die Ergebnisse der empirischen Forschung<br />

zu deuten und zu bewerten weiß. Die Devise bei der Musikauswahl scheint der „größte<br />

gemeinsame Nenner“ des Publikums zu sein: „Da habe ich doch lieber einen Titel, bei<br />

dem 90 Prozent sagen: Na ja, das ist nicht mein Lieblingslied, aber es geht“. „Wenn ein<br />

Titel o.k. ist, dann schaltet keiner um, aber wenn ich einen Titel spiele, bei dem 50 Prozent<br />

sagen ,Hey, geiler Titel‘ und die andere Hälfte schaltet weg, dann habe ich nicht<br />

wirklich viel gewonnen.“<br />

Bewertung der Musikforschung und Kritik an den Verfahren<br />

Bei der Bewertung der Arbeit der genannten Institute und der Glaubwürdigkeit ihrer<br />

Forschungsergebnisse findet sich unter den Befragten sowohl blindes Vertrauen als auch<br />

ausgeprägtes Misstrauen. Viele Musikredakteure haben offenkundig wenig Kenntnis davon,<br />

wie die Tests genau durchgeführt werden und verstehen sich schlicht und einfach<br />

als Auftraggeber: „Wir kriegen die Ergebnisbände und haben mit der praktischen<br />

Durchführung nichts zu tun.“ Als Laie habe man keine andere Chance, als sich auf die<br />

Ergebnisse, die das Institut liefert, zu verlassen.<br />

Andere – meist erfahrenere – Musikredakteure sind mitunter misstrauisch und kontrollieren<br />

die beauftragten Institute, indem sie beispielsweise heimlich an Auditorium-<br />

239


M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />

Tests teilnehmen: „Das mache ich eigentlich bei jeder Firma, die ich noch nicht kenne.“<br />

Als Hauptkritikpunkt wird hierbei die Stichprobenziehung genannt. Vielfach glauben<br />

die Expert(inn)en nicht, dass vom Sender geforderte Quotierungsmerkmale eingehalten<br />

werden beziehungsweise dass überhaupt genug Personen für die Tests rekrutiert wurden.<br />

„Ich glaube eher, dass vielfach im Freundeskreis herumtelefoniert wird.“ Dementsprechend<br />

werden die Ergebnisse auch misstrauisch betrachtet. Schließlich sei auch der<br />

beste Musiktest „nur eine Umfrage“ und kein getreues Abbild der Hörerwünsche.<br />

Insgesamt scheinen die Sender jedoch mit der Musikforschung zufrieden zu sein. In<br />

der schriftlichen Befragung wurden die vorgegebenen Aussagen zur Musikforschung<br />

auf einer Skala von 1 bis 6 (1 = stimme überhaupt nicht zu; 6 = stimme voll und ganz zu)<br />

vorwiegend positiv beurteilt. Alle drei Aussagen wurden dabei von den Sendern des öffentlich-rechtlichen<br />

Rundfunks negativer bewertet:<br />

Tabelle 3: Bewertung der Musikforschung<br />

Aussagen zur alle Sender private Sender ö.-r. Sender<br />

Musikforschung M SD M SD M SD<br />

„Musikforschung bringt nützliche und<br />

zuverlässige Ergebnisse“ 5,00 1,04 5,20 0,87 4,45 1,37<br />

„Methoden sind geeignet, um Titel zu testen“ 4,94 1,03 5,17 0,92 4,27 1,10<br />

„Musikforschung ist ihr Geld wert“ 4,69 1,28 4,91 1,16 4,00 1,49<br />

Verbesserungsvorschläge<br />

Die bestehenden Verfahren zu verbessern, erweist sich laut Expert(inn)enmeinung als<br />

ein schwieriges Unterfangen. Man wünscht sich perfektere und komplexere Verfahren,<br />

sieht aber gleichzeitig ein, dass diese nur sehr schwer und für viel Geld umsetzbar sind:<br />

„Du kannst dir sehr vieles wünschen, die Frage ist: Ist es bezahlbar?“ Als mögliche Verbesserungen<br />

werden <strong>zum</strong> Beispiel der Einbezug der spezifischen Hörsituation in die Bewertung,<br />

eine genauere Bewertung durch ausgiebige Einzelgespräche oder große, repräsentative<br />

Stichproben, die auch ein größeres Sendegebiet erschließen, von den Befragten<br />

genannt. Vor dem Hintergrund der Machbarkeit seien die angewendeten Verfahren<br />

momentan aber das Beste, was möglich sei. Bei der Frage nach weiteren Kriterien<br />

wird erkennbar: Musikforschung muss vor allem funktional sein. Aufgrund der Schnelllebigkeit<br />

des Geschäfts müssten auch Entscheidungen schnell getroffen werden. Zusätzliche<br />

Kriterien beziehungsweise komplexe Auswertungen würden noch höhere<br />

Kosten und keinen praktischen Zusatznutzen bringen: „Wenn du mehr abfragst, kostet<br />

es Zeit – und Zeit kostet Geld.“<br />

Auf der anderen Seite werden vielfach kleine Mängel an den Tests angemerkt,<br />

die durch gewissenhaftere Arbeit leicht vermeidbar wären. Besonders bei den Auditorium-Tests<br />

werde dahin gehend zu wenig Sorgfalt geübt, dass beispielsweise nicht ausreichend<br />

Stifte auslägen oder die Fragebögen zu eng bedruckt seien, so dass man bei der<br />

Bewertung leicht in der Zeile verrutsche. Die Qualität der vorgespielten Hooks sei teilweise<br />

zu niedrig oder die Veranstalter achteten nicht ausreichend auf Ruhe während der<br />

Tests.<br />

240


Schramm / Petersen / Rütter / Vorderer · Musikforschung<br />

Gründe gegen den Einsatz von Musikforschung<br />

46 Prozent der nicht forschenden Sender geben an, ein Mantelprogramm zu beziehen.<br />

Eine eigene Musikforschung sei daher nicht notwendig. Neben diesem eher pragmatischen<br />

Kontra-Argument scheint jedoch der Preis nach wie vor den Ausschlag für oder<br />

gegen Musikforschung zu geben: 40 Prozent der nicht forschenden Sender nennen die<br />

teilweise unverhältnismäßig hohen Kosten der Musiktests als Hauptverweigerungsgrund:<br />

„Das Geld können wir uns auch sparen.“ Das mangelnde Vertrauen ist mit einem<br />

Anteil von acht Prozent unter den Nennungen ein eher zweitrangiger Grund.<br />

Es gibt auch Sender, die bewusst darauf verzichten, Musikforschung einzusetzen.<br />

Dies sind häufig Spartensender. Aufgrund ihrer speziellen Ausrichtung orientieren sie<br />

sich nicht am Massengeschmack und treffen die Auswahl eher anhand musik-immanenter<br />

Kriterien. Im Interview wird betont, dass diesen Sendern das direkte Hörer-Feedback<br />

beziehungsweise die Qualifikation der Moderatoren mehr nütze als ein groß angelegter<br />

Musiktest. „Wenn ich jetzt einen Research mache, weiß ich, was möglicherweise<br />

der breite Geschmack ist, aber das hat nichts mit Qualität zu tun.“<br />

4. Interpretation und Fazit<br />

Der Rücklauf der Fragebögen ist bei der standardisierten Befragung mit 47 Prozent<br />

zwar zufrieden stellend ausgefallen, jedoch nicht in dem Maße, wie man es sich für eine<br />

repräsentative Darstellung der Musikforschung deutscher Radiosender gewünscht hätte.<br />

Vor allem die öffentlich-rechtlichen Sender waren nicht besonders auskunftsfreudig<br />

und antworteten lediglich zu 40 Prozent. Vergleicht man den Rücklauf mit dem aus<br />

der Studie Hofmanns (60 %), so gewinnt man den Eindruck, dass die deutschen Radiosender<br />

sich bezüglich ihrer Musikforschungsaktivitäten noch bedeckter halten als<br />

vor ein paar Jahren. Der verstärkte Konkurrenzkampf um Reichweiten und Marktanteile<br />

mag hierfür ein Grund sein. Diese Haltung wurde auch dadurch deutlich, dass<br />

selbst so eine banale Information wie die Größe der Playlist oft verweigert wurde, obwohl<br />

man aus der Kenntnis über die Anzahl der Titel in der Playlist (und ohne Kenntnis<br />

über Art und Rotation der Titel) überhaupt keine Programmstrategie ableiten<br />

kann.<br />

Der Anteil der Sender, die Musikforschung betreiben, hat sich seit 1993 nicht erhöht.<br />

Im Gegenteil: 1993 nutzten noch 50 Prozent, 2001 nur noch 46 Prozent der Sender die<br />

Musikforschung für ihre Programmgestaltung. Aus diesen Zahlen einen Abfall der Musikforschung<br />

generell abzuleiten, würde aber zu weit führen, denn stichprobenbedingte<br />

Eigenarten können zu dieser Verzerrung geführt haben. 65 Prozent der Sender gaben<br />

an, zwischen 1994 und 1998 mit Musikforschung begonnen zu haben. Dies ist verwunderlich,<br />

da ja schon 50 Prozent der von Hofmann im Jahr 1993 befragten Sender Musiktests<br />

durchführten. Es ist daher zu vermuten, dass einige der von uns befragten Sender<br />

den Beginn ihrer Musikforschung zu spät datierten.<br />

Institute, die von den Radiosendern mit Musikforschung beauftragt werden, spielen<br />

2001 eine größere Rolle als zu Beginn der 90er-Jahre. Damals forschten noch ca. 50 Prozent<br />

ausschließlich intern, mittlerweile lassen 89 Prozent entweder ausschließlich oder<br />

<strong>zum</strong>indest zu einem Teil extern forschen.<br />

Die Gewichtung der eingesetzten Methoden hat sich über die Jahre hinweg kaum verändert.<br />

Noch immer rangieren die Telefonbefragungen vor den Auditorium-Tests.<br />

Neue Methoden wurden in den vergangenen Jahren ganz offensichtlich nicht entwickelt,<br />

<strong>zum</strong>indest erhalten wir von den Sendern keine Informationen dazu. Es sieht so<br />

241


M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />

aus, als vertrauten die Radiosender nach wie vor auf die Musiktests, die Mitte der Achtziger<br />

eingeführt wurden. Das belegen auch die Ergebnisse aus den Leitfadeninterviews:<br />

Die meisten Programm- und Musikchefs stellen die Zahlen der Musikforschung nicht in<br />

Frage. Methodische Detailkenntnisse oder gar Verbesserungsvorschläge werden kaum<br />

geäußert. Warum sollten die beauftragten Institute also etwas ändern an ihren Musiktests?<br />

Dementsprechend sind die Eckdaten bezüglich Umfang der Stichproben, Anzahl<br />

der getesteten Hooks und Anzahl und Art der abgefragten Kriterien ebenfalls unverändert.<br />

Lediglich bei den Auditorium-Tests dürfte sich mit einer durchschnittlichen Zahl<br />

von ca. 850 Hooks pro Test der Umfang noch erhöht haben.<br />

Welche Faktoren begünstigen nun die Aufnahme eines Titels in die Playlist? Die Ergebnisse<br />

erscheinen gegenüber denen von Hofmann zuerst einmal unverändert: Unter<br />

den Sendern, die Musikforschung betreiben, hat sie den höchsten Stellenwert als Quelle<br />

für die Musikprogrammgestaltung. Die Einschätzung der Musikredaktion hat zwar<br />

auch eine große Bedeutung, rangiert aber hinter der Musikforschung. Die Musikredaktion<br />

nimmt jedoch aus einem weiteren Grund eine Schlüsselposition ein: Sie ist mit Abstand<br />

der wichtigste Faktor für die Auswahl von Titeln für die Musiktests und nimmt<br />

eine Art Gatekeeperfunktion wahr, indem sie letztendlich darüber entscheidet, welche<br />

Titel überhaupt die Chance haben, im Musiktest gut abzuschneiden. Insofern ist sie<br />

trotz Musikforschung insgesamt der einflussreichste Faktor.<br />

Charts und Hitparaden spielen sowohl für die Titelzusammenstellung in den Musiktests<br />

als auch im letztendlichen Musikprogramm eine untergeordnete Rolle. Interessant<br />

ist, dass die Promotionsaktivitäten der Musikkonzerne als unbedeutend erachtet werden.<br />

Dies ist <strong>zum</strong> einen ein erfreuliches Ergebnis, da ein unabhängiges Arbeiten der Radiosender<br />

von den Musikkonzernen sicherlich wünschenswert ist; <strong>zum</strong> anderen muss<br />

aber auch vermutet werden, dass dieses Ergebnis <strong>zum</strong> Teil auf sozial erwünschtes Antwortverhalten<br />

der Programm- und Musikchefs zurückzuführen sein könnte: Wer gibt<br />

schon gerne zu, sich hin und wieder von den Plattenpromotern umwerben zu lassen?<br />

Erfreulich ist weiterhin, dass die Hörerwünsche bei der Zusammenstellung des Musikprogramms<br />

ebenfalls eine gewichtige Rolle spielen. Das Radioprogramm ist also nach<br />

wie vor etwas „Organisches“, das nicht nur auf der Basis von Musikforschung und<br />

Computerprogrammen generiert wird, sondern in das auch der Musikgeschmack der<br />

Musikredakteure und der Hörer mit einfließt.<br />

Ein zentraler Aspekt für die Programmgestaltung ist die Frage nach dem Anteil<br />

neuer, unbekannter Titel. Soll der Musikredakteur das Risiko eingehen, einen Titel in<br />

die Playlist aufzunehmen, der in den Musiktests aufgrund seiner geringen Bekanntheit<br />

nur schlecht abschneiden konnte beziehungsweise der gar nicht getestet wurde? Nach<br />

unseren Erfahrungen aus den Leitfadeninterviews wird dieses Risiko derzeit noch eingegangen,<br />

jedoch in geringerem Maße als zu Beginn des dualen Rundfunksystems. Der<br />

Konkurrenzkampf speziell der privaten Sender hinterlässt auch hier seine Spuren. Erstaunlicherweise<br />

werden mit einem Anteil von ca. 26 Prozent noch relativ viele neue<br />

Titel in die Musiktests aufgenommen. Handelt es sich bei diesen Titeln tatsächlich um<br />

unbekannte Titel oder doch um Titel, die erst kurze Zeit bekannt sind? Wir können<br />

nicht ermessen, wie die entsprechende Frage von den Befragten interpretiert wurde.<br />

Der unerwartet hohe Anteil und die Abweichung zu den Aussagen aus den Leitfadeninterviews<br />

weisen jedoch darauf hin, dass viele auch die neuen, bekannten und<br />

nicht nur die neuen, unbekannten Titel in ihre Schätzung einbezogen haben. Nichtsdestotrotz<br />

ist ein Anteil von ca. 26 Prozent erstaunlich, da den Programmverantwortlichen<br />

in der Regel bekannt ist, dass neue Titel in den Musiktests stets schlecht abschneiden.<br />

In welchem Maße diese Titel trotz ihres schlechten Ergebnisses dann in die<br />

242


Schramm / Petersen / Rütter / Vorderer · Musikforschung<br />

Playlist aufgenommen werden, ist aus unseren Studien nicht abzuleiten. Festzuhalten<br />

bleibt, dass das gleichzeitige Testen von bekannten und unbekannten Titeln wenig Sinn<br />

macht, wenn eines der abgefragten Kriterien die Bekanntheit ist und dieses Kriterium<br />

in ein Gesamttestergebnis beziehungsweise Power-Score eingeht. Hier müsste über<br />

alternative Musiktests oder ein getrenntes Testen von alten und neuen Titeln nachgedacht<br />

werden.<br />

Generell lässt sich konzedieren, dass Musiktests durchaus noch Entwicklungspotenzial<br />

aufweisen. Zwar sind insbesondere die privaten Sender, die bereits Musikforschung<br />

durchführen (lassen), in hohem Maße mit den bestehenden Musiktests zufrieden und<br />

finden sogar den Preis für Musikforschung angemessen, jedoch wird auch hier vereinzelt<br />

Misstrauen und Kritik an Stichprobenrekrutierung, Methodendurchführung und<br />

Ergebnissen geäußert. Weiterhin betreibt die Mehrzahl der Sender noch keine Musikforschung<br />

und nennt als Gründe unter anderem den hohen Preis und das mangelnde<br />

Vertrauen in die Methoden und Ergebnisse der Musikforschung.<br />

Was lässt sich nun als Fazit in Bezug auf die Ausgangsfrage formulieren? Die Musik<br />

muss einige ,Hürden‘ und Entscheidungsinstanzen überwinden, bevor das Publikum sie<br />

über das Radio hören kann. Zurzeit spielen das Gefühl und die Expertise der Musikredakteure<br />

dabei noch eine vergleichbar größere Rolle als die Musikforschung. Und dies<br />

muss man begrüßen, solange die Musiktests keine Ergebnisse produzieren, die ein optimal<br />

auf die Hörerbedürfnisse abgestimmtes Musikprogramm gewährleisten. Grundlagenforschung<br />

wie auch kommerzielle Musikforschungsinstitute sollten an einer Weiterentwicklung<br />

und Verbesserung der Musiktests interessiert sein. Erstere, um unter anderem<br />

den Prozess des alltäglichen Musikhörens über das Radio und die Bewertung von<br />

Musik besser zu verstehen; Letztgenannte, um validere Testergebnisse zu generieren, die<br />

eine optimalere Beratung der Radiosender ermöglichen und den hohen Preis für Musikforschung<br />

rechtfertigen. Ungeachtet dieser methodischen Weiterentwicklung sollten<br />

auch in Zukunft Studien den Stand und Stellenwert der Musikforschung bei deutschen<br />

Radiosendern dokumentieren, um die Entwicklung, die Mitte der Achtziger begonnen<br />

hat, im Längsschnitt festzuhalten. Es ist daher beabsichtigt, in ca. fünf Jahren die nächste<br />

Erhebungswelle durchzuführen.<br />

Literatur<br />

Balon, R. E. (1990). Radio in the ‘90s. Audience, promotion and marketing strategies. Washington,<br />

DC: National Association of Broadcasters.<br />

Bucher, H.-J., Klingler, W. & Schröter, C. (Hrsg.) (1995). Radiotrends. Formate, Konzepte und<br />

Analysen. Baden-Baden: Nomos.<br />

Deul, D. (2001, 9. April). Die Bestechlichen. In Amerika bezahlt die Musikindustrie für das, was<br />

im Radio zu hören ist und ein Hit wird – ein ganz legales Geschäft. Süddeutsche Zeitung,<br />

57(83), S. 20.<br />

Fletcher, J. E. (1987). Music and program research. Washington, DC: National Association of<br />

Broadcasters.<br />

Gleich, U. (1995). Hörfunkforschung in der Bundesrepublik. Methodischer Überblick, Defizite<br />

und Perspektiven. Media Perspektiven, o. Jg.(11), 554 – 561.<br />

Gushurst, W. (2000). Popmusik im Radio. Musik-Programmgestaltung und Analysen des Tagesprogramms<br />

der deutschen Servicewellen 1975–1995. Baden-Baden: Nomos.<br />

Haas, M. H., Frigge, U. & Zimmer, G. (1991). Radio Management. Ein Handbuch für Radio-Journalisten.<br />

München: Ölschläger.<br />

Hofmann, R. (1993). Streng geheim: Musikforschung. Radiomacher entdecken den Musikgeschmack<br />

ihrer Hörer. Diplomarbeit am Institut für Journalistik und Kommunikationsforschung,<br />

Hochschule für Musik und Theater Hannover.<br />

243


M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />

Lamnek, S. (1995). Qualitative Sozialforschung. Band 2: Methoden und Techniken (3., korrigierte<br />

Aufl.). Weinheim: Beltz, Psychologie Verlags Union.<br />

Linnenbach, E. (1987). Computergestützte Musikauswahl im Hörfunk. Diplomarbeit am Institut<br />

für Journalistik und Kommunikationsforschung, Hochschule für Musik und Theater Hannover.<br />

MacFarland, D. T. (1997). Future radio programming strategies: Cultivating listenership in the<br />

digital age. Mahwah, NJ: Lawrence Erlbaum Associates.<br />

Meuser, M. & Nagel, U. (1991). Experteninterviews – vielfach geprobt, wenig bedacht. In Garz, D.<br />

& Kraimer, K. (Hrsg.), Qualitativ-empirische Sozialforschung: Konzepte, Methoden, Analyse<br />

(S. 441 – 471). Opladen: Westdeutscher Verlag.<br />

Münch, T. (1998). 24 Stunden in 3 Minuten? Computergestützte Musikprogrammerstellung im Radio<br />

der 90er Jahre. In B. Enders & N. Knolle (Hrsg.), Neue Musiktechnologien III (S. 399 –<br />

414). Mainz: Schott.<br />

Neuwöhner, U. (1998). Musikstudie oder Titeltest: Methoden der Musikforschung. In C. Lindner-<br />

Braun (Hrsg.), Radioforschung: Konzepte, Instrumente und Ergebnisse aus der Praxis. (S. 153<br />

– 174). Opladen: Westdeutscher Verlag.<br />

Volpers, H., Schnier, D. & Salwiczek, C. (2000). Programme der nichtkommerziellen Lokalradios<br />

in Niedersachsen. Eine Programm- und Akzeptanzanalyse. Berlin: Vistas.<br />

von Zitzewitz, M. (1996). Mit Marketing in die Charts. Die Bedeutung der Kommunikationspolitik<br />

für den Erfolg von Tonträgern. Diplomarbeit am Institut für Journalistik und Kommunikationsforschung,<br />

Hochschule für Musik und Theater Hannover.<br />

244


Schramm / Petersen / Rütter / Vorderer · Musikforschung<br />

Fragebogen zur Bedeutung von Musiktests<br />

für deutsche Radiosender<br />

Bitte faxen Sie den ausgefüllten Fragebogen<br />

an 0511-3100 400. Vielen Dank für Ihre Mitarbeit !<br />

Hochschule für Musik und Theater Hannover<br />

Institut für Journalistik und Kommunikationsforschung<br />

1 Beschäftigt Ihr Sender eine eigene Musikredaktion?<br />

❐ Ja, mit ________ festen Redakteuren<br />

❐ Nein<br />

2 Nutzen Sie Musikforschung zur Gestaltung Ihres Programms?<br />

❐ Ja, seit ________ (Jahreszahl, z.B. 1995) ❐ Nein<br />

➜ Bei „Nein“, füllen Sie den Fragebogen ab Frage 10 weiter aus.<br />

3 Wenn Sie Musikforschung einsetzen, forschen Sie selbst (intern) oder haben Sie ein Institut beauftragt (extern)?<br />

❐ Ausschließlich intern ❐ Überwiegend intern ❐ Etwa zu gleichen Teilen intern und extern<br />

❐ Überwiegend extern ❐ Ausschließlich extern<br />

Falls Sie auch extern forschen, welches Institut/welche Institute haben Sie beauftragt?<br />

❐ Coleman ❐ Research Group ❐ GfK ❐ Anderes Institut: ________________________________________<br />

4 Mit welchen Methoden und Instrumenten testen Sie bzw. das von Ihnen beauftragte Institut?<br />

(Mehrfachnennungen möglich)<br />

❐ Telefonbefragungen Wir testen ________ Titel, mit ________ Personen, alle ________ Wochen.<br />

Die Telefonbefragungen werden überwiegend ❐ extern ❐ intern durchgeführt.<br />

Bei den Telefonbefragungen werden getestet:<br />

❐ Vollständige Titel ❐ Hooks ❐ Ganze Musikkategorien (anhand „typischer“ Titel)<br />

❐ Auditorium-Tests Wir testen ________ Titel, mit ________ Personen, alle ________ Wochen.<br />

Die Auditorium-Tests werden überwiegend ❐ extern ❐ intern durchgeführt.<br />

Bei den Auditorium-Tests werden getestet:<br />

❐ Vollständige Titel ❐ Hooks ❐ Ganze Musikkategorien (anhand „typischer“ Titel)<br />

❐ Sonstige Methoden: ________________________________________________________________________________<br />

____________________________________________________________________________________________________<br />

5 Worauf werden die Titel getestet? (Mehrfachnennungen möglich)<br />

❐ Bekanntheit ❐ Beliebtheit ❐ Sättigung (Burn-Out-Effekte)<br />

❐ Ob als passend zu bestimmten Tages- oder Jahreszeiten empfunden ❐ Ob als „Sender-typisch“ empfunden<br />

❐ Sonstiges: ________________________________________________________________________________<br />

____________________________________________________________________________________________________<br />

6 Wie wichtig sind die folgenden Quellen für die Auswahl der Titel für die Musiktests?<br />

Kreuzen Sie das Kästchen ganz links an, wenn Ihnen die jeweilige Quelle überhaupt nicht wichtig ist, und ganz rechts,<br />

wenn Ihnen die Quelle sehr wichtig ist. Mit den Kästchen dazwischen können Sie Ihre Meinung abstufen.<br />

Überhaupt nicht wichtig<br />

Sehr wichtig<br />

Deutsche Single-Charts ❐ ❐ ❐ ❐ ❐ ❐<br />

Internationale Charts ❐ ❐ ❐ ❐ ❐ ❐<br />

Media Control-Listen ❐ ❐ ❐ ❐ ❐ ❐<br />

Airplay-Charts ❐ ❐ ❐ ❐ ❐ ❐<br />

Eigene Einschätzungen der Musikredaktion ❐ ❐ ❐ ❐ ❐ ❐<br />

Plattenfirmen-Promotion ❐ ❐ ❐ ❐ ❐ ❐<br />

Musikfernsehen ❐ ❐ ❐ ❐ ❐ ❐<br />

Sonstige: ❐ ❐ ❐ ❐ ❐ ❐<br />

____________________________________<br />

245


M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />

7 Werden auch Neuerscheinungen getestet?<br />

❐ Ja, der Anteil der Neuerscheinungen an den getesteten Titeln liegt bei schätzungsweise ________ %.<br />

❐ Nein<br />

8 Wie wichtig sind die folgenden Quellen für die Auswahl der Musik für Ihr tägliches Programm?<br />

Überhaupt nicht wichtig<br />

Sehr wichtig<br />

Musikforschung ❐ ❐ ❐ ❐ ❐ ❐<br />

Deutsche Single-Charts ❐ ❐ ❐ ❐ ❐ ❐<br />

Internationale Charts ❐ ❐ ❐ ❐ ❐ ❐<br />

Media Control-Listen ❐ ❐ ❐ ❐ ❐ ❐<br />

Airplay-Charts ❐ ❐ ❐ ❐ ❐ ❐<br />

Hörerwünsche ❐ ❐ ❐ ❐ ❐ ❐<br />

Eigene Einschätzungen der Musikredaktion ❐ ❐ ❐ ❐ ❐ ❐<br />

Plattenfirmen-Promotion ❐ ❐ ❐ ❐ ❐ ❐<br />

Musikfernsehen ❐ ❐ ❐ ❐ ❐ ❐<br />

Sonstige: ❐ ❐ ❐ ❐ ❐ ❐<br />

____________________________________<br />

9 Wie bewerten Sie Ihre bzw. die von Ihnen in Auftrag gegebene Musikforschung allgemein?<br />

Sie sehen hier einige Aussagen über Musikforschung. Kreuzen Sie das Kästchen ganz links an, wenn Sie der jeweiligen Aussage<br />

überhaupt nicht zustimmen, und ganz rechts, wenn Sie voll und ganz zustimmen. Mit den Kästchen dazwischen können<br />

Sie Ihre Meinung abstufen.<br />

Stimme überhaupt<br />

nicht zu<br />

Stimme voll<br />

und ganz zu<br />

„Die Musikforschung bringt nützliche und<br />

zuverlässige Ergebnisse.“ ❐ ❐ ❐ ❐ ❐ ❐<br />

„Die Methoden der Musikforschung sind<br />

geeignet, um Titel zu testen.“ ❐ ❐ ❐ ❐ ❐ ❐<br />

„Die Musikforschung ist ihr Geld wert.“ ❐ ❐ ❐ ❐ ❐ ❐<br />

➜ Wenn Sie mit dem Ausfüllen des Fragebogens hier angekommen sind, überspringen Sie bitte die folgende Frage und füllen<br />

Sie den Fragebogen ab Frage 11 weiter aus!<br />

10 Wenn Sie keine Musikforschung einsetzen, warum nicht? (Mehrfachnennungen möglich)<br />

❐ Wir haben keinen Musikanteil in unserem Programm.<br />

❐ Wir übernehmen ein Mantelprogramm.<br />

❐ Musikforschung ist zu teuer.<br />

❐ Wir haben kein Vertrauen in die Ergebnisse der Musikforschung.<br />

❐ Sonstiges: _________________________________________________________________________________________<br />

____________________________________________________________________________________________________<br />

11 Wie viele Titel umfasst die Playlist Ihres Senders?<br />

❐ __________________ Titel ❐ Wir haben keinen Musikanteil in unserem Programm.<br />

❐ Keine Angabe<br />

Wir bedanken uns ganz herzlich, dass Sie sich die Zeit für die Beantwortung der Fragen genommen haben!<br />

Bitte faxen Sie den ausgefüllten Fragebogen an 0511 - 3100 400.<br />

[ID-Nr.]<br />

246


Freiheit für die Daten!<br />

Sekundäranalysen und Datenbestände in der deutschen <strong>Medien</strong>- und<br />

Kommunikationswissenschaft<br />

Edmund Lauf<br />

Sekundäranalysen können auch in der <strong>Medien</strong>- und Kommunikationswissenschaft weit<br />

mehr sein als eine Analyse zweiter Klasse, mehr als kostengünstige Resteverwertung.<br />

Dies trifft vor allem auf die Analyse vergleichbarer Datenbestände aus verschiedenen<br />

Ländern (räumlich) oder aus verschiedenen Jahren (zeitlich) zu. Notwendige Voraussetzung<br />

für eine sekundäranalytische Nutzung sind verfügbare Datenbestände. Eine Analyse<br />

des medien- und kommunikationswissenschaftlichen Datenbestandes am Zentralarchiv<br />

für empirische Sozialforschung in Köln (ZA) zeigte, dass die <strong>Medien</strong>- und Kommunikationswissenschaft<br />

vergleichsweise stiefmütterlich behandelt wird. Verantwortlich<br />

sind dafür nicht zuletzt die Mitarbeiter an medien- und kommunikationswissenschaftlichen<br />

Hochschulinstituten: Eine Befragung ergab, dass sie das Angebot des ZA nur unzureichend<br />

nutzten und die Bereitschaft zur Bereitstellung eigener Daten sehr gering ist.<br />

Der Archivierung zentraler medien- und kommunikationswissenschaftlicher Datenbestände<br />

sollte angesichts bereits eingetretener und zu befürchtender Verluste von Datensätzen<br />

mehr Aufmerksamkeit in unserem Fach gewidmet werden.<br />

Keywords: Sekundäranalysen, kommunikationswissenschaftliche Datenbestände, Datenarchive,<br />

Zentralarchiv für Empirische Sozialforschung<br />

Viele medien- und kommunikationswissenschaftlich relevante Datensätze in Deutschland<br />

teilen bis heute noch ein gemeinsames Schicksal: Nach arbeits- und kostenintensiver<br />

Erhebung werden die Daten mehr oder weniger umfassend hinsichtlich einer konkreten<br />

primären Fragestellung ausgewertet und anschließend von ihren Erzeugern in Sicherheitsverwahrung<br />

genommen. Hier erleiden sie über kurz oder lang den Tod aller<br />

Magnetisierung, erblicken nie wieder das Licht der Analyse und können daher keine<br />

Antworten auf Fragen geben, die ihnen nie gestellt wurden. Potenziale von Datensätzen<br />

werden nie völlig, selten zu großen Teilen ausgeschöpft, eine häufig nicht unerhebliche<br />

Restgröße bleibt meist ungenutzt.<br />

Datensätze, die auf veralteten Speichermedien wie Lochkarten oder Magnetbändern<br />

gespeichert wurden sind schon für die Primärforscher heute kaum noch zugänglich. Angesichts<br />

der anstehenden Emeritierungswelle, ist zu befürchten, dass Datenbestände, die<br />

in den letzten fünfzig Jahren erhoben wurden, der medien- und kommunikationswissenschaftlichen<br />

Forschung für immer verloren gehen.<br />

Die Fragen,<br />

• welche Bedeutung Sekundäranalysen in unserem Fach besitzen,<br />

• welche Datenbestände für Sekundäranalysen bereits heute zur Verfügung stehen,<br />

• in welchem Umfang diese Daten genutzt werden und<br />

• ob Primärforscher überhaupt bereit sind, ihre Daten zur Verfügung zu stellen,<br />

sollen daher im Folgenden beantwortet werden.<br />

247


M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />

1. <strong>Medien</strong>- und kommunikationswissenschaftliche Sekundäranalysen in<br />

Deutschland<br />

Empirische Studien folgen dem klassischen Ablaufplan vom Entdeckungszusammenhang<br />

über den Begründungszusammenhang bis hin <strong>zum</strong> Verwertungszusammenhang.<br />

Für Primäranalysen gilt es, eine Fragestellung zu entwickeln, Hypothesen aufzustellen,<br />

eine Entscheidung für eine bestimmte Erhebungsmethode zu treffen, das Erhebungsinstrument<br />

zu entwickeln, die Stichprobe festzulegen, Pretests durchzuführen, die Daten<br />

zu erheben, aufzubereiten und zu analysieren. Diese Form der medien- und kommunikationswissenschaftlichen<br />

Primäranalyse hat eine lange Tradition und lässt angesichts<br />

zunehmender Bedeutung der <strong>Medien</strong>- und Kommunikationsforschung auch<br />

einen wachsenden Bestand an Primäruntersuchungen und damit an Datensätzen erwarten.<br />

Sekundäranalysen versuchen, diesen Bestand zu nutzen. Von Sekundäranalysen<br />

kann dann gesprochen werden, wenn die für eine spezifische Fragestellung erhobenen<br />

Daten mit einer neuen, anderen Fragestellung genutzt werden. Der Nachteil von Sekundäranalysen<br />

liegt auf der Hand (Hyman 1972, Kiecolt/Nathan 1985): Alle Entscheidungen,<br />

die vor der Analyse der Daten im Forschungsprozess getroffen wurden, sind<br />

unveränderlich. Nicht nur, dass eigene Fragestellungen damit teilweise nur bedingt beantwortet<br />

werden können, Sekundäranalysen beinhalten vor allem auch alle Fehler der<br />

Primärerhebung. Wenn jedoch die Primärerhebung und deren Probleme gut dokumentiert<br />

sind und die für eine Sekundäranalyse relevanten Fragenkomplexe erhoben wurden,<br />

dann kommen die Vorteile einer Sekundäranalyse <strong>zum</strong> Tragen: Zunächst sind<br />

Sekundäranalysen kostengünstig, da ja keine Erhebung durchgeführt werden muss.<br />

Außerdem bieten Sekundäranalysen Analysemöglichkeiten, die sich durch Primäranalysen<br />

nur bedingt oder gar nicht realisieren lassen.<br />

In welcher Breite bereits heute Sekundäranalysen in der deutschen <strong>Medien</strong>- und<br />

Kommunikationswissenschaft durchgeführt werden, soll an einigen Beispielen belegt<br />

werden. 1 Vor allem die Langzeitstudie Massenkommunikation (u. a. Kiefer 1996) wurde<br />

häufig für Sekundäranalysen genutzt, keine andere Studie zur <strong>Medien</strong>nutzung in<br />

Deutschland bietet so umfangreiche und unterschiedliche Nutzungs- und Einstellungsdaten,<br />

die zudem als Trenddaten analysierbar sind. Schon die Kontrolle der Validität der<br />

Daten selbst ist eine Sekundäranalyse, die ihren eigenen Wert hat: Sowohl die Rekonstruktion<br />

der publizierten Ergebnisse (Lauf/Peiser 1999, Peiser/Lauf 1999) als auch die<br />

Ergänzung einer Sekundäranalyse durch ein Experiment (Schmid/Schweiger 1999) fördern<br />

den wissenschaftlichen Fortschritt dadurch, dass sie die Primäranalyse bestätigen<br />

oder in Frage stellen.<br />

Im Allgemeinen dienen Sekundäranalysen jedoch weniger der Prüfung publizierter<br />

Ergebnisse, sondern gehen eigenen, neuen Fragen nach (z. B. Schulz 1997, 1999). Das eigentliche<br />

Potenzial liegt dabei in der Möglichkeit der komparativen Analyse. Vor allem<br />

für einen zeitlichen Vergleich von Befragungsdaten sind vorhandene Datenbestände eine<br />

conditio sine qua non: So ist es beispielsweise nicht möglich, zu einem aktuellen Zeitpunkt<br />

Daten über die <strong>Medien</strong>nutzung in einer längst vergangenen Zeit valide zu erhe-<br />

1 Es soll lediglich ein Einblick in die Nutzung bestehender Daten gegeben werden und kein auf<br />

Vollständigkeit angelegter Überblick. Das ist auch nur bedingt möglich, denn das Etikett „Sekundäranalyse“<br />

wird vor allem dann vergeben, wenn Wissenschaftler nicht als Forscher an der<br />

Primäranalyse beteiligt waren und/oder kommerzielle Studien sekundäranalytisch genutzt werden.<br />

248


Lauf · Freiheit für die Daten!<br />

ben. Da die Langzeitstudie Massenkommunikation ursprünglich nur als Single-source-<br />

Studie geplant war, ist bereits die vergleichende Analyse mindestens zweier Folgestudien<br />

(1974, 1980, 1985, 1990 und 1995) durch die Primärforscher selbst im strengen Sinne<br />

als Sekundäranalyse zu werten. Über diese Auswertungen der Langzeitstudie (z. B. Kiefer<br />

1996) hinaus finden sich eine Reihe von Trend- und Kohortenanalysen auf der Basis<br />

dieser Daten (Berens/Kiefer/Meder 1997, Peiser 1996, 1999a, 1999b, 1999c). Und auch<br />

für einen internationalen Vergleich sind die Datenbestände der Langzeitstudie Massenkommunikation<br />

genutzt worden, indem adäquate Datensätze mit vergleichbarer Anlage<br />

zusammengeführt wurden (Schönbach/Lauf 1998, Peiser 2000). Anhand der Daten<br />

der Langzeitstudie Massenkommunikation konnte desweiteren aufgezeigt werden, dass<br />

die Reanalyse von Daten neben grundsätzlichen auch spezifische Probleme aufwirft, die<br />

nicht selten auf eine unzureichende Dokumentation zurückzuführen sind (Peiser 1996,<br />

190ff.).<br />

Die Langzeitstudie Massenkommunikation ist aber nur ein – wenn auch sehr gutes –<br />

Beispiel für die Möglichkeiten der sekundäranalytischen Nutzung von medien- und<br />

kommunikationswissenschaftlich relevanten Daten in Deutschland. Vor allem im Bereich<br />

der <strong>Medien</strong>nutzung finden sich weitere Beispiele: Sekundäranalysen der Media-<br />

Analyse (Kubitschke/Trebbe 1992, Weiß/Hasebrink 1995, Weiß/Hasebrink 1997,<br />

Schönbach/Lauf/Stürzebecher/Peiser 1997), der AWA (Schönbach/Lauf/Peiser 1999),<br />

der GFK-Meter-Daten (Krotz/Hasebrink 1998), von Studien der Sendeanstalten (Kliment<br />

1997, Ehlers 1989) sowie der <strong>Medien</strong>nutzungsdaten der DDR-Fernsehforschung<br />

(Stiehler 1998). Zur Beantwortung der Frage nach der <strong>Medien</strong>nutzung unter sich ändernden<br />

Systembedingungen wurde ebenfalls auf bestehende Daten zurückgegriffen<br />

(z. B. Kaase 1989, Feldinger 1990). Reanalysiert wurden auch <strong>Medien</strong>wirkungsstudien,<br />

z. B. Studien zur Agenda Setting-Hypothese (Hügel/Degenhardt/Weiß 1992).<br />

Datensätze müssen zudem nicht notwendig direktes Resultat medien- und kommunikationswissenschaftlicher<br />

Forschung sein: Die Eurobarometer-Studien, in denen<br />

kontinuierlich die Nutzung der Tageszeitung, des Fernsehens und des Hörfunks zur Information<br />

über aktuelle Politik erhoben werden, sind ebenfalls mehrfach Gegenstand<br />

von Sekundäranalysen gewesen (Scherer 1995, Holtz-Bacha/Norris 2001, Lauf 2001).<br />

Zur Analyse der Wissenskluft (Horstmann 1991) und der Videomalaise (Holtz-Bacha<br />

1989) wurden Wahlstudien genutzt und für den Zusammenhang von Wertorientierung<br />

und <strong>Medien</strong>präferenz Jugendlicher die Shell-Jugendstudie (Hagenmaier 1987).<br />

Im Vergleich mit Befragungsdaten steckt die sekundäranalytische Nutzung von Inhaltsanalysen<br />

noch in den Kinderschuhen. Wenn Inhaltsanalysen reanalysiert werden,<br />

dann ist <strong>zum</strong>eist einer der Primärforscher beteiligt (Goertz 1997, Holtz-Bacha/Lessinger/Hettesheimer<br />

1999, Schönbach/de Ridder/Lauf 2001) oder <strong>zum</strong>indest existiert ein<br />

guter Kontakt zu einem der Primärforscher (z. B. Gaßner 1992). Häufig wird aber gar<br />

nicht erst erwähnt, dass es sich um eine Sekundäranalyse handelt. Es gibt einige Gründe,<br />

warum dies so ist: Inhaltsanalysen werden selten von kommerziellen Instituten<br />

durchgeführt und sind, solange das zu analysierende Material beschafft werden kann,<br />

mit eigenem Design wiederholbar. Darüber hinaus können Reliabilitäten nur innerhalb<br />

der einzelnen Studien ermittelt werden, sind also nicht zwischen den Studien vergleichbar.<br />

2 Und schließlich haben sich im Gegensatz zu Befragtendaten keine Standards der<br />

Erhebung zentraler Konstrukte herausgeschält (vgl. hierzu Hüning 2001).<br />

2 Der vorliegende Beitrag bezieht sich lediglich auf die Nutzung von Datenbeständen, zunächst<br />

einmal unabhängig von der Erhebungsmethode. Zusätzlich könnte in Zukunft auch über eine<br />

249


M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />

Während für Primärstudien gilt, dass nach der Formulierung der Hypothesen ein Erhebungskonzept<br />

entwickelt werden muss, folgt bei Sekundäranalysen die Suche nach<br />

geeigneten Datensätzen. Bevor also überhaupt Probleme der Vergleichbarkeit – wie<br />

zeitliche oder internationale Komparabilität – entstehen können, müssen geeignete Datenbestände<br />

gefunden werden, die verfügbar sind. Das einzige öffentlich zugängliche<br />

Archiv für Daten der Sozialforschung in der Bundesrepublik Deutschland ist das<br />

Zentralarchiv für empirische Sozialforschung in Köln (ZA). Insgesamt stehen dort fast<br />

3.000 maschinenlesbare Originaldatensätze für Sekundäranalysen zur Verfügung. Das<br />

ZA versteht sich als Service-Einrichtung für die quantitative Sozialforschung. Zu seinen<br />

zentralen Dienstleistungen gehören die Archivierung und die Bereitstellung aller für<br />

Sekundäranalysen erforderlichen Materialien. Archiviert werden Studienbeschreibungen,<br />

Fragebögen, Codepläne und die maschinenlesbaren Daten (<strong>zum</strong>eist als portable<br />

SPSS-Dateien). Der Datenbestandskatalog (DBK) des ZA enthält alle archivierten Datensätze:<br />

Hier können relevante Datensätze nach Titel der Studie, Namen der Primärforscher,<br />

Erhebungsjahr, Erhebungsgebiet oder vorgegebenen Kategorien gesucht werden<br />

(http://www.gesis.org/Datenservice/Suche/Daten/index.htm). Auch gibt es die<br />

Möglichkeit, die Abstracts der Studien nach Stichworten zu durchsuchen. Einen Datensatz<br />

gefunden zu haben, bedeutet allerdings noch nicht, ihn auch analysieren zu können.<br />

Ob und für wen die Daten zugänglich sind, ergibt sich aus den Zugangsklassen. 3<br />

Diese Zugangsbarrieren bieten auch Vorteile: Die Daten können bereits für spätere Sekundäranalysen<br />

bereitgestellt werden, sobald der Datengeber über alle notwendigen<br />

methodischen Dokumentationen verfügt, auch wenn er noch selbst mit der Analyse befasst<br />

ist. Verfügbare Datenbestände werden auf Diskette, CD oder im Internet bereitgestellt.<br />

Dem ZA vergleichbare Datenarchive gibt es in zahlreichen Ländern (siehe u. a.<br />

CESSDA Integrated Data Catalogue: http://dasun3.essex.ac.uk/Cessda/IDC). Damit<br />

ist das Spektrum allgemein zugänglicher sozialwissenschaftlicher Datenbestände abgesteckt.<br />

Darüber hinaus können Daten auch direkt von den Auftraggebern oder durchführenden<br />

Instituten bereitgestellt werden. Hier – <strong>zum</strong>eist handelt es sich um die<br />

Schnittstelle zwischen kommerzieller und akademischer Forschung – gilt jedoch <strong>zum</strong>eist,<br />

dass der Zugang zu den Daten selektiv gewährt wird. Dies schränkt sowohl die<br />

wissenschaftliche Freiheit als auch den potenziellen Nutzerkreis ein. Auch die Daten<br />

vieler, beispielsweise durch DFG-Gelder finanzierter Erhebungen an medien- und<br />

kommunikationswissenschaftlichen Instituten werden – wenn überhaupt – ausschließ-<br />

Archivierung des codierten Materials (z.B. Nachrichtensendungen, Textdaten), der eingesetzten<br />

Messinstrumente (Kategoriensysteme, Dictionaries und ggf. Daten der Reliabilitätstests)<br />

diskutiert werden, die beispielsweise für die Replikationen von Inhaltsanalysen notwendig sind.<br />

Mit KIS (Konventionelle Inhaltsanalysen-Sammlung) wurde ein bisher wenig erfolgreicher<br />

Versuch unternommen, inhaltsanalytische Instrumente zu sammeln und der wissenschaftlichen<br />

Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. (http://www.gesis.org/Methodenberatung/Vercodung/KIS/kis.htm)<br />

3 Es werden vier Zugangsklassen unterschieden: Die Kategorie 0 ist für jedermann freigegeben,<br />

die Kategorie A nur für wissenschaftliche Forschung und Lehre an den Hochschulen sowie<br />

sonstige öffentlich finanzierte Institute/Projekte, die Kategorie B ist nur für wissenschaftliche<br />

Forschung und Lehre an den Hochschulen freigegeben, wenn die Ergebnisse nicht veröffentlicht<br />

werden bzw. die Veröffentlichung durch den Datengeber genehmigt wird. Daten der Kategorie<br />

C sind für wissenschaftliche Forschung und Lehre nur nach Genehmigung des Datengebers<br />

zugänglich.<br />

250


Lauf · Freiheit für die Daten!<br />

lich über private Netze weitergegeben. Zu begrüßen wäre es, wenn Primärforscher aus<br />

kommerziellen und akademischen Institutionen ihre Daten für Forschungsinteressen<br />

freigäben, die ihnen selbst fern liegen.<br />

2. <strong>Medien</strong>- und kommunikationswissenschaftlicher Datenbestand am ZA<br />

Ende 1995 ließ das ZA eine Telefonumfrage unter 591 zufällig ausgewählten Lesern der<br />

ZA-Informationen und der ZUMA-Nachrichten durchführen (Gräf 1996). Von den Befragten,<br />

die institutionell zugeordnet werden konnten, lag der Anteil der Mitarbeiter aus<br />

medien- und kommunikationswissenschaftlichen Instituten bei sechs Prozent. Mit 52<br />

Prozent suchten diese Mitarbeiter etwa so häufig wie Politikwissenschaftler (54%) und<br />

Soziologen (52%) nach Datensätzen, sie entschlossen sich aber seltener <strong>zum</strong> Bezug von<br />

Daten (Kommunikationswissenschaftler 30%, Politologen 47% und Soziologen 40%,<br />

Gräf 1996: 84). Mit anderen Worten: Die Suche von Politikwissenschaftlern endete in<br />

87 Prozent, die der Soziologen in 77 Prozent der Fälle mit einem Erfolg, während die<br />

Quote bei Kommunikationswissenschaftlern nur 57 Prozent betrug.<br />

Das ZA bietet also Nutzungsmöglichkeiten, von denen auch in der <strong>Medien</strong>- und Kommunikationswissenschaft<br />

Gebrauch gemacht wird. Es scheint jedoch so, dass der Kreis<br />

der Nutzer in unserem Fach begrenzt ist. Mehrere Gründe könnten dafür verantwortlich<br />

sein: Vielleicht sind <strong>Medien</strong>- und Kommunikationswissenschaftler nicht über die<br />

Möglichkeiten der Datensatzsuche und -bestellung informiert und ziehen daher die Methode<br />

der Sekundäranalyse nicht in Betracht. Die Nutzerbefragung des ZA legt allerdings<br />

auch nahe, dass geeignete Daten im ZA für <strong>Medien</strong>- und Kommunikationswissenschaftler<br />

in weit geringerem Umfang zur Verfügung stehen als für andere Disziplinen. Es ist nicht<br />

auszuschließen, dass deswegen viele Wissenschaftler auf Sekundäranalysen ganz verzichten<br />

oder persönliche Kontakte/Netzwerke nutzen, um an geeignete Datensätze zu<br />

gelangen. Angesichts der wachsenden Bedeutung von medien- und kommunikationswissenschaftlichen<br />

Datenbeständen wird deshalb der öffentlich zugängliche medien- und<br />

kommunikationswissenschaftliche Datenbestand am ZA untersucht.<br />

Die Analyse basiert auf den 2.849 Einheiten des elektronischen Datenbestandskatalogs<br />

am ZA 4 . Um die medien- und kommunikationswissenschaftlichen Datensätze zu<br />

identifizieren, wurden alle 120 Bestände der ZA-Kategorie 62 (Kommunikation, öffentliche<br />

Meinung) als medien- und kommunikationswissenschaftliche Datenbestände<br />

codiert. Nach einer Suche im Titel aller verbleibenden Studien nach den Stichwörtern<br />

„Journal*“, „<strong>Medien</strong>*“, „Kommunikation*“ und „Massen*“ konnten 39 zusätzliche<br />

medien- und kommunikationswissenschaftliche Datenbestände identifiziert werden.<br />

Anschließend wurden die Studienbeschreibungen der medien- und kommunikationswissenschaftlichen<br />

Datenbestände detaillierter analysiert. Im Einzelnen wurde erhoben,<br />

ob ein Mitarbeiter eines medien- oder kommunikationswissenschaftlichen Instituts als<br />

Primärforscher beteiligt war und ob die Daten einem Studienkomplex (z. B. der Langzeitanalyse<br />

Massenkommunikation) zugeordnet werden können. Zusätzlich wurden<br />

der Inhalt der Studie, die Zugänglichkeit der Daten, das Untersuchungsgebiet, das Untersuchungsjahr<br />

(Beginn der Erhebung), die Anzahl der Fälle und die Bestandsart (kumulierte<br />

Datensätze) erfasst.<br />

4 Die Version vom 15.5.2000 wurde am 1.3.2001 (100500dbv_en.zip) aus dem Internet heruntergeladen.<br />

251


M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />

Orientiert man sich an der – nicht ganz unproblematischen – thematischen Klassifikation<br />

der Datenbestände durch das ZA, so zeigt sich ein durchaus erfreuliches Ergebnis:<br />

Mehr Datensätze als zur Kategorie „Kommunikation, öffentliche Meinung“ (120)<br />

finden sich lediglich zu „Familie“ (168), „Internationale Institutionen, Beziehungen,<br />

Verhältnisse“ (211), „Gesellschaft, Kultur“ (255) und zu „Politische Einstellungen und<br />

Verhaltensweisen“ (647). Werden die weiteren 39 originär medien- und kommunikationswissenschaftlichen<br />

Datenbestände hinzugerechnet, dann steigt der Anteil dieser<br />

Datenbestände sogar von vier auf sechs Prozent und verteilt sich über die Jahrzehnte seit<br />

1950 etwa gleich.<br />

<strong>Medien</strong>- und kommunikationswissenschaftliche Daten sind jedoch vergleichsweise<br />

schwer zugänglich: Für fast die Hälfte aller Datensätze muss eine zusätzliche Nutzungsgenehmigung<br />

durch den Datengeber erfolgen, was einen separaten Antrag und<br />

eine eben nicht zwangsläufige Bereitstellung der Daten zur Folge hat (Tabelle 1).<br />

Tabelle 1: Zugänglichkeit medien- und kommunikationswissenschaftlicher Datenbestände<br />

am ZA (in Prozent)<br />

Freigabebegrenzungen Andere Bestände MW- und KW- Bestände<br />

Keine, unbeschränkt (0) 2 14<br />

Wissenschaft unbeschränkt (A) 52 32<br />

Veröffentlichung ist zu genehmigen (B) 13 7<br />

Nutzungsgenehmigung (C) 33 47<br />

N 2.690 159<br />

Wichtiger als formale Hürden sind letztlich die Inhalte der medien- und kommunikationswissenschaftlichen<br />

Studien. Da lediglich drei inhaltsanalytisch gewonnene Datensätze<br />

am ZA vorliegen, konzentriert sich die folgende Darstellung auf Befragungen.<br />

Insgesamt lassen sich die meisten Datensätze konkreten Studienkomplexen zuordnen,<br />

Einzelstudien sind selten (Tabelle 2). Die impressive Zahl von fast 1,4 Millionen Befragten<br />

schrumpft um 75 Prozent, die der Datensätze um mehr als ein Drittel, wenn allein<br />

die Datensätze der Leseranalyse (LA) und Media-Analyse (MA) herausgerechnet<br />

werden. So interessant dieser Bestand für Langzeitanalysen ist – immerhin reicht er zurzeit<br />

von 1954 bis 1995 – er deckt nur ein recht enges thematisches Feld ab. Dies gilt verstärkt<br />

für alle 16 Datensätze des Revue-Copy-Tests, die nur 1964 erhoben wurden. Die<br />

Datensätze zur BTX-Begleitforschung erfassen ebenfalls ein spezifisches Schwerpunktthema<br />

und wurden nur in der Region Düsseldorf/Neuss von 1979 bis 1983 erhoben. Die<br />

Datensätze „Typologie der Wünsche“ sind ähnlich wie die MA zu bewerten, liegen jedoch<br />

erst seit 1979 vor. Die Langzeitstudie Massenkommunikation wurde bereits oben<br />

diskutiert. Die Datensätze des Zentralinstituts für Jugendforschung umfassen vor allem<br />

sehr spezifische Studien zur <strong>Medien</strong>nutzung Jugendlicher in Ostdeutschland vor und<br />

während der Umbruchphase und dürften daher auch nur für einen begrenzten Kreis von<br />

Sekundäranalysen nutzbar sein. Der Vollständigkeit halber seien auch noch die anderen<br />

Komplexe genannt, die thematisch ebenfalls eng gefasst sind: Panelstudien zur Akzeptanz<br />

und Wirkung des Kabelfernsehens und <strong>zum</strong> Einfluss des Fernsehens in ländlichen<br />

Gemeinden Tunesiens, zwei Studien zu Massenmedien und politischer Meinungsbildung<br />

und eine Studie zur Rechtschreibfähigkeit.<br />

Was darüber hinaus noch verbleibt, sind die Einzelstudien. Sie sind vergleichsweise<br />

alt, die aktuellste Studie stammt aus dem Jahr 1990. Ohne den Wert der Einzelstudien<br />

252


Lauf · Freiheit für die Daten!<br />

Tabelle 2: Verteilung der medien- und kommunikationswissenschaftlichen<br />

Befragungsdaten am ZA nach Studienkomplexen (absolut)<br />

Anzahl Befragte Befragte<br />

Datensätze (Mittel) (Summe)<br />

Einzelstudie 27 1.913 51.652<br />

Media-Analyse (MA & LA) 52 19.837 1.031.509<br />

Revue-Copy-Test 16 157 2.516<br />

Typologie der Wünsche 11 8.392 92.309<br />

BTX Begleitforschung 7 937 6.556<br />

Langzeitstudie Massenkommunikation 4 5.023 20.093<br />

Studien am Zentralinstitut für Jugendforschung 19 919 17.465<br />

Andere 17 8.410 142.966<br />

N 153 8.922 1.365.066<br />

schmälern zu wollen – sie sind sehr heterogen und teilweise hoch spezifisch: Sie reichen<br />

von einer Leseranalyse der Mannesmann-Werkszeitschrift, über eine Befragung von<br />

DDR-Besuchern der Grünen Woche bis hin zu Studien zur Nutzung von Massenmedien<br />

1955. Jeweils eine Journalistenstudie liegt zu Journalisten der Unterhaltungspresse<br />

1971 und zur Beschäftigungssituation von Journalisten 1971 vor. Jede der genannten Studien<br />

kann für wissenschaftliche Fragestellungen wichtig sein, doch dürften jedem Leser<br />

auf Anhieb einige Studien einfallen, die hier nicht angesprochen wurden. Der Bestand<br />

von lediglich drei Inhaltsanalysen am ZA (zur „Berufstätigen Frau in illustrierten Zeitschriften<br />

1973“, „<strong>Medien</strong>berichterstattung vor der Bundestagswahl 1990“ und der „Beiträge<br />

zu Ausländerfragen 1972–1983“) dürfte allein schon erklären, warum <strong>Medien</strong>- und<br />

Kommunikationswissenschaftler hier so selten geeignete Datenbestände finden. Nimmt<br />

man hinzu, dass nur in 17 Prozent der Datensatzbeschreibungen Namen von Wissenschaftlern<br />

an medien- und kommunikationswissenschaftlichen Instituten genannt werden<br />

und deren absolute Häufigkeit bei den Einzelstudien nur drei beträgt, sind die Ursachen<br />

für die bescheidene Repräsentanz fachrelevanter Studien am ZA leicht ausgemacht:<br />

Es sind die <strong>Medien</strong>- und Kommunikationswissenschaftler höchst selbst, nicht etwa die<br />

kommerziellen Institute, die ihre Daten offensichtlich nicht zur Verfügung stellen.<br />

Dass fast 60 Prozent der suchenden <strong>Medien</strong>- und Kommunikationswissenschaftler<br />

fündig geworden sind, ist aus dieser Perspektive eine wirkliche Erfolgsquote und verweist<br />

darauf, dass nicht nur die im engeren Sinne medien- und kommunikationswissenschaftlichen<br />

Studien für Sekundäranalysen in unserem Fach in Betracht kommen:<br />

Beispielsweise enthält die Allgemeine Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften<br />

1998 (ALLBUS) einige Fragen zur Nutzung und Glaubwürdigkeit einzelner <strong>Medien</strong>.<br />

Eine Abfrage aller Studieninhalte zeigt, dass zu den Stichworten „Zeitung“, „Rundfunk“,<br />

„Fernsehen“, „<strong>Medien</strong>“ und „Kommunikation“ jeweils 122 bis 261 Einträge zu finden<br />

sind, Datenpotenziale für medien- und kommunikationswissenschaftliche Sekundäranalysen<br />

am ZA also schon jetzt größer sind, als es eine enge Definition vermuten lässt.<br />

3. <strong>Medien</strong>- und Kommunikationswissenschaftler als Nutzer und Geber von Daten<br />

Wie gezeigt wurde, werden auch in unserem Fach Sekundäranalysen durchgeführt. Unbekannt<br />

ist jedoch, ob dies lediglich einzelne <strong>Medien</strong>- und Kommunikationswissenschaftler<br />

tun, mit welchen Methoden die reanalysierten Daten erhoben wurden und wer<br />

253


M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />

Tabelle 3: Datengeber, Primärforscher, Erhebungsmethoden und Ausmaß der<br />

Nutzung von Datenbeständen für Sekundäranalysen durch <strong>Medien</strong>- und<br />

Kommunikationswissenschaftler (in Prozent und absolut)<br />

Anteil N<br />

Befragte Forscher an MW- oder KW-Instituten 100% 134<br />

Anteil Professoren 27% 36<br />

Befragte, die bereits quantitative Daten erhoben bzw. analysiert haben 86% 115<br />

Davon: Sekundäranalysen für nichtkommerzielle Zwecke (N = 115) 49% 56<br />

Davon: Ursprung der Daten (N = 56)<br />

Ausschließlich Daten, an deren Erhebung der Forscher beteiligt war 9% 5<br />

Ausschließlich Daten, die von anderen Forschern erhoben und analysiert waren 30% 17<br />

Daten, an deren Erhebung der Forscher beteiligt war und Daten, die von<br />

anderen Forschern erhoben und analysiert waren 61% 34<br />

Datengeber (N = 51, Mehrfachantworten)<br />

Mitarbeiter/Kollegen nicht-kommerzieller Institute 57% 29<br />

ZA 43% 22<br />

Mitarbeiter kommerzieller Institute (auch Sendeanstalten) 41% 21<br />

Erhebungsmethode (N = 56, Mehrfachantworten)<br />

Befragung 88% 49<br />

Inhaltsanalyse 46% 26<br />

Beobachtung 14% 8<br />

Anderes (Telemetrische Daten, Census Daten etc.) 7% 4<br />

die Datengeber waren. Auch stellt sich die Frage, ob <strong>Medien</strong>- und Kommunikationswissenschaftler<br />

über die Angebote des ZA überhaupt informiert sind und ob sie diese<br />

Angebote nutzen. Nicht zuletzt gilt es, die Gretchenfrage zu beantworten: Sind <strong>Medien</strong>-<br />

und Kommunikationswissenschaftler bereit, eigene Daten zur Verfügung zu stellen?<br />

Um Antworten auf diese Fragen von möglichst vielen Wissenschaftlern zu bekommen,<br />

wurde eine schriftliche E-Mail-Befragung der Mitarbeiter deutscher medien- und<br />

kommunikationswissenschaftlicher Institute mit sehr wenigen Fragen durchgeführt.<br />

Den Homepages medien- und kommunikationswissenschaftlicher Hochschulinstitute<br />

und angeschlossener Einrichtungen 5 wurden die E-Mail-Adressen der Mitarbeiter (wissenschaftliche<br />

Hilfskräfte, Mitarbeiter, Assistenten und Professoren) entnommen und<br />

ggf. durch die Adressen im Mitgliederverzeichnis der „Deutschen Gesellschaft für<br />

Publizistik und Kommunikationswissenschaft“ (DGPuK) ergänzt. Von den insgesamt<br />

277 auf den Homepages der Institute angegebenen wissenschaftlichen Mitarbeitern und<br />

Mitarbeiterinnen waren 27 ohne (gültige) E-Mail-Adresse bzw. nicht mehr am Institut<br />

tätig. An die verbleibenden 250 Adressen wurde im Mai 2001 ein kurzer Fragebogen<br />

5 Im Einzelnen handelt es sich um die Institute in Augsburg, Bamberg, Bochum, Berlin (FU),<br />

Dortmund, Dresden, Düsseldorf, Eichstätt, Erfurt, Gießen, Göttingen, Hamburg (Institut f.<br />

Journalistik und Hans-Bredow-Institut), Hannover, Ilmenau, Jena, Stuttgart-Hohenheim, Koblenz-Landau,<br />

Leipzig, Lüneburg, Mainz, Mannheim, München, Münster, Nürnberg-Erlangen<br />

und Trier.<br />

254


Lauf · Freiheit für die Daten!<br />

verschickt. Gefragt wurde u. a. nach durchgeführten Sekundäranalysen für nichtkommerzielle<br />

wissenschaftliche Zwecke (Datengeber, Erhebungsmethoden), der Kenntnis<br />

und Nutzung des ZA und der Bereitschaft Daten an Dritte weiterzugeben. Der Rücklauf<br />

dieser Nettostichprobe (n = 250) betrug 54 Prozent (n = 134) und schwankt zwischen<br />

den Instituten nur gering. Tendenziell sind medienwissenschaftlich und journalistisch<br />

ausgerichtete Institute etwas unterrepräsentiert, Hannover ist als quantitativ ausgerichtetes<br />

Institut überrepräsentiert: Befragte aus den Instituten in Leipzig, Berlin,<br />

Hannover, München, Mainz und Göttingen bilden insgesamt etwa die Hälfte der Stichprobe.<br />

6<br />

86 Prozent aller Befragten geben an, bereits Daten mit dem Ziel einer statistischen<br />

Analyse erhoben oder Daten statistisch analysiert zu haben. Von den Befragten hat etwa<br />

jeder Zweite (Tabelle 3) Daten bereits sekundäranalytisch ausgewertet. Die Sekundäranalyse<br />

ist damit als bedeutende Analysevariante zu werten. Analysen ausschließlich<br />

von Daten, an deren Erhebung oder Primäranalyse ein Forscher bereits beteiligt war,<br />

sind eher selten: Über 90 Prozent sagen, sie würden fremde Daten reanalysieren, fast jeder<br />

Dritte sogar ausschließlich Daten, die von anderen Forschern erhoben und bereits<br />

analysiert worden sind.<br />

Mehr als fünfzig Prozent aller Sekundäranalysen basieren auf Daten, die von Kollegen/Mitarbeitern<br />

an medien- und kommunikationswissenschaftlichen Instituten erhoben<br />

worden sind. Das personale Netzwerk scheint dabei immer noch von entscheidender<br />

Bedeutung zu sein. Daten werden aber auch in nicht unerheblichem Umfang<br />

vom ZA bezogen sowie von Mitarbeitern kommerzieller Institute und Sendeanstalten.<br />

Während die Inhaltsanalyse als Erhebungsmethode in der medien- und kommunikationswissenschaftlichen<br />

Lehre und Forschung mindestens gleich bedeutend mit der Befragung<br />

ist, werden inhaltsanalytische Datenbestände seltener für Sekundäranalysen genutzt<br />

als Befragungsdaten. Häufig haben Forscher sowohl Befragungs- als auch Inhaltsanalysedaten<br />

reanalysiert: 81 Prozent aller Nutzer von Inhaltsanalysedaten haben<br />

auch schon mit Befragungsdaten gearbeitet, umgekehrt sind es nur 48 Prozent (ohne Tabelle).<br />

Die Frage, warum dies so ist, lässt sich mit den vorliegenden Daten nur unzureichend<br />

beantworten. Nahe liegend ist der Schluss, dass das Angebot die Nachfrage bedingt.<br />

Inhaltsanalysedaten werden – dies wundert nach der Analyse des ZA-Bestandskatalogs<br />

wenig – offensichtlich vor allem von Kollegen an nicht-kommerziellen Instituten<br />

bereitgestellt, Gleiches gilt auch für Beobachtungsdaten (Tabelle 4).<br />

Tabelle 4: <strong>Medien</strong>- und kommunikationswissenschaftliche Sekundäranalysen: Datengeber<br />

und Erhebungsmethoden (Mehrfachantworten in Prozent)<br />

Datengeber Befragung Inhaltsanalyse Beobachtung Alle<br />

ZA 48 39 0 43<br />

Andere Archive/Institutionen 22 26 13 20<br />

Nicht-kommerzielle Institute 54 78 63 57<br />

Kommerzielle Institute 44 44 25 41<br />

N 46 23 8 51<br />

6 An dieser Stelle möchte ich allen Teilnehmern der Befragung sehr herzlich danken.<br />

255


M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />

Da das ZA als Datengeber im Sektor medien- und kommunikationswissenschaftliche<br />

Studien allgemein und Inhaltsanalysen im Besonderen deutliche Defizite aufweist, stellt<br />

sich hier die Frage nach der Bekanntheit des ZA. Wird dessen – teilweise mangelhaftes<br />

– Angebot überhaupt wahrgenommen?<br />

Die Bekanntheit des ZA ist durchaus hoch: Gut neun von zehn Wissenschaftlern, die<br />

<strong>zum</strong>indest geringfügige Erfahrung mit der Datenerhebung oder Analyse besitzen, kennen<br />

das ZA (Tabelle 5). Erstaunlich selten wird allerdings der Datenbestandskatalog benutzt.<br />

Selbst unter denjenigen, die Sekundäranalysen durchführen, haben bisher nur<br />

zwei Drittel das Angebot <strong>zum</strong>indest in Form einer Suche nach Datenbeständen genutzt.<br />

Die Erfolgsquote sollte dabei nicht überschätzt werden, denn sie sagt lediglich aus, dass<br />

52 Prozent von ihnen mindestens einmal fündig wurden, unabhängig von der Anzahl<br />

der Anfragen. 7 Umgekehrt gilt, dass wer nicht sucht, nicht finden kann.<br />

Tabelle 5: Bekanntheit und Nutzung des ZA unter denjenigen <strong>Medien</strong>- und Kommunikationswissenschaftlern,<br />

die bereits Daten erhoben oder analysiert haben<br />

(in Prozent)<br />

Befragte Sekundäranalysen durchgeführt Alle<br />

nein<br />

ja<br />

ZA Kenne ich nicht 15 5 10<br />

ZA kenne ich, habe:<br />

Noch nie nach Daten gesucht 77 29 53<br />

Keine entsprechenden Daten gefunden 5 14 10<br />

Daten gefunden, nicht genutzt 3 7 5<br />

Daten gefunden und genutzt 0 45 22<br />

N 59 56 115<br />

Das ZA ist also als Institution durchaus bekannt, das Angebot, Daten zu suchen und zu<br />

beziehen, wird aber nur bedingt genutzt. Die <strong>Medien</strong>- und Kommunikationswissenschaft<br />

könnte sich dadurch, dass sie das Angebot des ZA, Daten zu archivieren, zu Nutze<br />

macht, ihre eigenen Daten dauerhaft sichern. Bedenkt man, wie viel Arbeit und Geld<br />

in die Datenerhebung fließt, dann stellt sich die Frage, wie Forscher in unserem Fach mit<br />

erhobenen Daten umgehen: 60 Prozent derjenigen, die über die Weitergabe an Dritte frei<br />

entscheiden können, haben noch nie Daten zur Verfügung gestellt und sind dazu offensichtlich<br />

auch nicht bereit (Tabelle 6). 32 Prozent sind nach eigenen Angaben bereit, Daten<br />

auf Anfrage der Wissenschaft für Analysen frei zu geben. Hier ist <strong>zum</strong>indest ein Potenzial<br />

für zukünftige Sekundäranalysen erkennbar.<br />

7 Dass die Zahl derer, die angeben, Daten beim ZA gefunden und diese Daten auch genutzt zu<br />

haben, etwas höher ausfällt als die Anzahl derer, die das ZA als konkreten Datengeber nennen,<br />

verweist auf das Problem, dass Datensätze, die Kollegen bereits angefordert haben, leichter und<br />

kostengünstiger von ihnen zu beziehen sind als vom ZA. Diese „wilde“ Weitergabe ohne Nutzungserlaubnis<br />

und Rückmeldung an das ZA führt jedoch dazu, dass die Legitimation des ZA<br />

beeinträchtigt wird, weil diese Nutzer nicht in den Statistiken auftauchen und kann dazu führen,<br />

dass modifizierte Daten in Umlauf kommen.<br />

256


Lauf · Freiheit für die Daten!<br />

Tabelle 6: Bereitschaft zur Bereitstellung von Daten durch <strong>Medien</strong>- und Kommunikationswissenschaftler,<br />

die eigenständig über die Weitergabe von Daten entscheiden<br />

können (Mehrfachantworten in Prozent und absolut)<br />

Anteil<br />

N<br />

Noch nie Daten bereitgestellt 60 43<br />

Nur auf Anfrage 32 23<br />

Beim ZA archivieren lassen 11 8<br />

Anderswo archivieren lassen 1 1<br />

N 72<br />

Von den elf Befragten, die bereits Daten über das ZA bezogen haben, geben immerhin<br />

sechs an, dem ZA auch Daten zur Verfügung gestellt zu haben (ohne Tabelle). Dies<br />

könnte bedeuten, dass eine erfolgreiche Suche und die Bereitschaft zur Bereitstellung fatal<br />

verknüpft sind: Solange vor allem Forscher, die fündig werden, Daten auch bereitstellen,<br />

bleibt der Input gering.<br />

4. Fazit<br />

Sekundäranalysen werden in der deutschen <strong>Medien</strong>- und Kommunikationswissenschaft<br />

in beachtlichem Umfang unternommen, noch basieren sie aber vor allem auf Daten von<br />

Kollegen an wissenschaftlichen Hochschulinstituten und weniger auf dem Bestand des<br />

ZA. Das liegt <strong>zum</strong> einen daran, dass das ZA nur über ein begrenztes Angebot an einschlägigen<br />

Datensätzen verfügt. Die Datensätze des ZA werden vor allem von kommerziellen<br />

Instituten für die wissenschaftliche Forschung bereitgestellt, und selbst hier<br />

sind noch längst nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft – man denke etwa an die AWA,<br />

Studien von Sendeanstalten etc.<br />

Seitens der <strong>Medien</strong>- und Kommunikationswissenschaft ist der Input jedoch noch bescheidener:<br />

Dies zeigt sich besonders drastisch an den gerade einmal drei archivierten<br />

Inhaltsanalysen. Viele <strong>Medien</strong>- und Kommunikationswissenschaftler scheinen über die<br />

Möglichkeit oder den Nutzen der Freigabe eigener Daten für wissenschaftliche Sekundäranalysen<br />

nur unzureichend informiert zu sein, auch wenn sie das ZA als Institution<br />

kennen. Häufig geäußerte Vorbehalte erweisen sich als nicht zutreffend:<br />

1. Das eigene methodische Vorgehen ist nur mangelhaft dokumentiert, es wäre zu arbeitsintensiv,<br />

eine methodische Beschreibung zu liefern, die andere Forscher in die<br />

Lage versetzt, mit den Daten zu arbeiten. Eine ausreichende Dokumentation sollte<br />

jedoch im eigenen Interesse immer erfolgen, unabhängig davon, ob die Daten freigegeben<br />

werden.<br />

2. Man ist unsicher, ob die eigenen Daten angemessen analysiert wurden, besorgt, dass<br />

eine Reanalyse zu abweichenden Ergebnissen führt oder methodische Mängel zu Tage<br />

treten. Selbst wenn dies so sein sollte, diskreditiert es nicht notwendig den Primärforscher,<br />

sondern ist aus Sicht des wissenschaftlichen Fortschritts wünschenswert<br />

und notwendig. Zudem führt eine Analyse unter einer neuen Fragestellung fast immer<br />

zu leicht abweichenden Ergebnissen.<br />

3. Die Daten werden von anderen analysiert und zentrale Ergebnisse publiziert, noch<br />

bevor eigene Publikationen erscheinen. Da immer die Möglichkeit besteht, Daten lediglich<br />

zu archivieren und erst später freizugeben, greift dieses Argument grundsätzlich<br />

nicht.<br />

257


M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />

Ein erster Schritt zur Verbesserung der Archivbestands könnte dahin gehen, Forscher,<br />

deren Projekte mit öffentlichen Geldern gefördert werden (Stiftungen, DFG u. ä.) dazu<br />

zu verpflichten, ihr methodisches Vorgehen umfassend zu dokumentieren (Stichprobenziehung,<br />

Erhebung, Fragebogen bzw. Codebuch, Mitarbeiter etc.) und die<br />

Datensätze am ZA in Köln zu archivieren. Ob und unter welchen Bedingungen die<br />

Daten wann freigegeben werden, das sollte selbstverständlich den Datengebern überlassen<br />

bleiben. Wichtig erscheint zunächst, dass Datensätze überhaupt gesichert werden.<br />

Bevor <strong>Medien</strong>- und Kommunikationswissenschaftler voreilig als Datenbesitzständler<br />

gescholten werden, sollte auch das ZA in die Pflicht genommen werden: Bis heute<br />

scheint das ZA unser Fach weitgehend zu ignorieren und sich auf soziologische und politologische<br />

Befragungsdaten zu konzentrieren. Sicher, Relevanzkriterien sind notwendig<br />

und nicht jeder Datensatz muss archiviert werden. Inhaltsanalysen werden aber vom<br />

ZA per se weitgehend ausgeschlossen und offensichtlich als Erhebung zweiter Klasse<br />

bewertet, da sie zwangsläufig keine „Aussagen über die deutsche Bevölkerung oder<br />

Teile von ihr“ erlauben. Lediglich wenn eine Inhaltsanalyse „ganz allgemein für<br />

sozialwissenschaftliche Benutzer von Interesse sein könnte“ (http://193.175.239.210/<br />

Datenservice/Archivierung/index.htm) kann sie in den Bestand aufgenommen werden.<br />

Zur Erweiterung des Bestandes an kommerziellen medien- und kommunikationswissenschaftlich<br />

relevanten Studien am ZA wären gemeinsame Bemühungen von Wissenschaftlern<br />

unseres Faches und des ZA wünschenswert: Beispielsweise in Form einer Recherche<br />

zentraler Studien und einer anschließenden Befragung zu den Möglichkeiten<br />

der Archivierung der Datensätze am ZA.<br />

Gefordert ist also eine erhöhte Aufmerksamkeit der Infrastruktureinrichtung ZA gegenüber<br />

medien- und kommunikationswissenschaftlichen Datenbeständen sowie eine<br />

Reflexion aller <strong>Medien</strong>- und Kommunikationswissenschaftler über erhaltenswerte deutsche<br />

Datenbestände und ihre Archivierung.<br />

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258


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Eine kritische Untersuchung ihrer Trenddaten zur <strong>Medien</strong>nutzung. In: Rundfunk und Fernsehen,<br />

Jg. 47, Nr. 2, S. 231 – 242.<br />

Meyen, Michael (2000): Die Quelle Meinungsforschung: Historische Datenanalyse als Weg zu<br />

einer Geschichte der <strong>Medien</strong>nutzung. In: ZA-Information, o. Jg. , Nr. 46, S. 39-57.<br />

Peiser, Wolfram (1996): Die Fernsehgeneration. Eine empirische Untersuchung ihrer <strong>Medien</strong>nutzung<br />

und <strong>Medien</strong>bewertung. Opladen.<br />

Peiser, Wolfram (1999a): The television generation’s relation to the mass media in Germany: Accounting<br />

for the impact of private television. In: Journal of Broadcasting and Electronic Media,<br />

Jg. 43, Nr. 3, S. 364 – 385.<br />

Peiser, Wolfram (1999b): Die Verbreitung von <strong>Medien</strong> in der Gesellschaft: Langfristiger Wandel<br />

durch Kohortensukzession. In: Rundfunk und Fernsehen, Jg. 47, Nr. 4, S. 485 – 498.<br />

Peiser, Wolfram (1999c): Zum Einfluß des Fernsehens auf das politische Interesse der Bevölkerung<br />

259


M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />

in der Bundesrepublik Deutschland. In: Jürgen Wilke (Hrsg.): Massenmedien und Zeitgeschichte<br />

(= Schriftenreihe der Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft,<br />

Bd. 26). Konstanz, S. 64 – 72.<br />

Peiser, Wolfram (2000): Cohort replacement and the downward trend in newspaper readership. In:<br />

Newspaper Research Journal, Jg. 21, Nr. 2, S. 11 – 22.<br />

Peiser, Wolfram/Lauf, Edmund (1999): Wissenschaftliche Langzeitforschung und die Langzeitstudie<br />

Massenkommunikation: Eine Erwiderung auf die Replik von Kiefer. In: Rundfunk und<br />

Fernsehen, Jg. 47, Nr. 3, S. 433 – 437.<br />

Scherer, Helmut (1995): Kommunikationskanäle in der Europawahl 1989. Eine international<br />

vergleichende Studie. In: Lutz Erbring (Hrsg.): Kommunikationsraum Europa. (Schriftenreihe<br />

der Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, Bd. 21).<br />

Konstanz, S. 203 – 221.<br />

Schmid, Ingrid/Schweiger, Wolfgang (1999): Fragen und Antworten in der Langzeitstudie Massenkommunikation.<br />

Ein Methodenexperiment zu Mängeln des Messinstruments. In: Rundfunk<br />

und Fernsehen, Jg. 47, Nr. 4, S. 551 – 567.<br />

Schönbach, Klaus/Lauf, Edmund (1998): Soziodemographische Bestimmungsgründe des Zeitungslesens<br />

in den USA und in Westdeutschland, 1974-96: Distinktion und Integration? In:<br />

Christina Holtz-Bacha/Helmut Scherer/Norbert Waldmann (Hrsg.): Wie die <strong>Medien</strong> die Welt<br />

erschaffen und wie die Menschen darin leben: Für Winfried Schulz. Opladen, S. 205 – 230.<br />

Schönbach, Klaus/Lauf, Edmund/Peiser, Wolfram (1999): Wer liest wirklich die Zeitung? Eine explorative<br />

Untersuchung. Publizistik, Jg. 44, Nr. 2, S. 131 – 148.<br />

Schönbach, Klaus/Lauf, Edmund/Stürzebecher, Dieter/Peiser, Wolfram (1997): Faktoren des Zeitungserfolgs.<br />

In: Klaus Schönbach, (Hrsg.): Zeitungen in den Neunzigern: Faktoren ihres Erfolgs.<br />

350 Tageszeitungen auf dem Prüfstand. Bonn, S. 61 – 112.<br />

Schönbach, Klaus/de Ridder, Jan/Lauf, Edmund (2001): Politicians on tv news: Getting attention<br />

in Dutch and German election campaigns. In: European Journal of Political Research, Jg. 39,<br />

Nr. 4, 519 – 531.<br />

Schulz, Winfried (1997): Vielseher im dualen Rundfunksystem. Sekundäranalyse zur Langzeitstudie<br />

Massenkommunikation. In: Media Perspektiven, o. Jg., Nr. 2, S. 92 – 102.<br />

Schulz, Winfried (1999): Fernsehen und sozialer Wandel. Untersuchungen zur Integrations- und<br />

Fragmentierungsthese. In: Jürgen Wilke (Hrsg.): Massenmedien und Zeitgeschichte (= Schriftenreihe<br />

der Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft,<br />

Bd. 26). Konstanz, S. 90 – 105.<br />

Stiehler, Hans-Jörg (1998): Das Tal der Ahnungslosen. Erforschung der TV-Rezeption zur Zeit der<br />

DDR. In: Walter Klingler/Gunnar Roters/Maria Gerhards (Hrsg.): <strong>Medien</strong>rezeption seit 1945.<br />

Baden-Baden, S. 187 – 202.<br />

Weiß, Ralph/Hasebrink, Uwe (1995): Hörertypen und ihr <strong>Medien</strong>alltag: Eine Sekundärauswertung<br />

der Media-Analyse ‘94 zur Radiokultur in Hamburg. (= HAM-Schriftenreihen Nr. 14), Berlin,<br />

1995.<br />

Weiß, Ralph/Hasebrink, Uwe (1997): Hörertypen und ihr <strong>Medien</strong>alltag. Plädoyer für eine hörerzentrierte<br />

Nutzungsanalyse. In: Publizistik, Jg. 42, 1997, Nr. 2, S. 164 – 180.<br />

260


LITERATUR<br />

Reihe „Klassiker der Kommunikations- und <strong>Medien</strong>wissenschaft<br />

heute“<br />

Mit der Entwicklung der <strong>Medien</strong> und ihrer sozialen, kulturellen und persönlichen Bedeutung<br />

verändern sich auch die Fragestellung und Forschungsfelder der <strong>Medien</strong>- und<br />

Kommunikationswissenschaft. Es stellt sich somit auch die Frage nach der Gültigkeit und<br />

Brauchbarkeit ihrer Paradigmen und danach, was denn zu ihren gesicherten Beständen<br />

gehört. Adorno und Benjamin, Lippmann und McLuhan – was haben sie und andere<br />

„Klassiker“ der <strong>Medien</strong>- und Kommunikationswissenschaft heute noch zu sagen? Mit<br />

diesen Fragen beschäftigt sich in unregelmäßigen Abständen die Reihe „Klassiker der<br />

Kommunikations- und <strong>Medien</strong>wissenschaft heute“, die von Gastherausgeber Friedrich<br />

Krotz betreut wird. Wenn diese Beiträge dafür hilfreich sind, dass sich die <strong>Medien</strong>- und<br />

Kommunikationswissenschaft mit ihren Grundlagen erneut und auf kritische Weise befasst,<br />

so hat die Reihe ihren Zweck erfüllt. Abweichende Meinungen und begründete<br />

Stellungnahmen sind ebenso erwünscht wie Vorschläge dazu, welche AutorInnen denn<br />

heute überhaupt als „Klassiker“ angesehen werden können.<br />

Harold A. Innis: „Kommunikation“ als Schlüsselbegriff<br />

<strong>zum</strong> Verständnis der Menschheitsgeschichte?<br />

Hans W. Giessen<br />

Der Kanadier Harold A. Innis wird in Kontinentaleuropa erst seit den neunziger Jahren<br />

in spürbarem Umfang als eigenständiger Autor – und nicht nur als Ideengeber für Herbert<br />

Marshall McLuhan – zur Kenntnis genommen. Der Beitrag beginnt mit einer intellektuellen<br />

Lebensskizze und stellt in groben Zügen die wichtigsten theoretischen Aussagen<br />

von Innis vor. In der Folge wird erläutert, dass und warum die Beschäftigung mit<br />

dem Innis’schen Werk gerade heute, <strong>zum</strong> von vielen Autoren prognostizierten Beginn<br />

der „Informationsgesellschaft“ (<strong>zum</strong>indest: <strong>zum</strong> Zeitpunkt, ab dem „Neue <strong>Medien</strong>“ die<br />

existierenden älteren als Leitmedien abzulösen scheinen) von besonderem Interesse sein<br />

könnte: Eine Fortführung seiner Thesen deutet eine interessante neue Interpretation unserer<br />

gesellschaftlichen Realität an. Es soll auch deutlich werden, dass das langjährige<br />

Ignorieren des Innis’schen Werks namentlich in Deutschland und Frankreich angesichts<br />

einer deutlichen Nähe zu weitdiskutierten Theorieansätzen in beiden Ländern durchaus<br />

überraschend ist – Innis ist demnach kein Solitär aus einer mehr oder weniger marginalisierten<br />

Peripherie, sondern stellt eine spezifisch kanadische Variante eines übergreifenden<br />

gesellschaftstheoretischen Interpretationsansatzes seiner Zeit dar. Der Beitrag diskutiert<br />

schließlich mögliche Gründe für die Rezeptionsprobleme, denen sich das<br />

Innis’sche Werk nicht nur in Kontinentaleuropa, sondern grundsätzlich gegenübersieht.<br />

Keywords: Geschichtsphilosophie, Innis, Kommunikation: Kanada, Kommunikationswege,<br />

McLuhan, <strong>Medien</strong>theorie, <strong>Medien</strong>wirkungen<br />

261


M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />

1. Leben und Werk<br />

Kann man Harold A. Innis heute noch lesen, ohne dass sofort der Name Herbert Marshall<br />

McLuhans im Hinterkopf auftaucht? Roberto Simanowski nennt Innis denn auch<br />

den „Namen vor dem Namen“ (Simanowski 2000). Diese gedankliche Verbindung wird<br />

häufig ausgedrückt. Bezüglich McLuhans, des Jüngeren, der <strong>zum</strong> Lehrkörper der University<br />

of Toronto gestoßen ist und der von Innis offenbar stark profitiert hat, existiert<br />

diese Gedankenverbindung sicherlich auch zu Recht, denn dessen Schriften fußen stark<br />

auf der Vorarbeit von Innis (Krotz 2001). Der aber wird durch diesen gedanklichen Automatismus<br />

in eine Ecke gedrängt, die sicher auch nicht ganz falsch ist, die aber die<br />

Wahrnehmung <strong>zum</strong>indest verengt.<br />

Harold A. Innis war Kanadier; er wurde im Jahr 1894 auf einem Bauernhof bei<br />

Otterville im südwestlichen Ontario geboren. Er studierte Volkswirtschaftslehre (Economics)<br />

an der McMaster University, der University of Toronto und – nach einem Einsatz<br />

in Frankreich während des ersten Weltkriegs, der zu einer Kriegsverletzung geführt<br />

hat – an der University of Chicago. Dort waren seine wichtigsten Impulsgeber offenbar<br />

die Soziologen George Herbert Mead und John Dewey. 1920, direkt nach seiner Promotion,<br />

erhielt er seine erste Stelle als lecturer in Toronto, und dieser Ort blieb das Zentrum<br />

seiner akademischen Laufbahn. 31 Jahre lang lehrte und publizierte Innis in verschiedenen<br />

Positionen – zuletzt als Dekan – an der University of Toronto. Für einen Autor,<br />

der in seinen Aufsätzen und Büchern innerhalb weniger Seiten vom Ägypten des<br />

fünften vorchristlichen Jahrtausends <strong>zum</strong> englischen Weltreich des achtzehnten nachchristlichen<br />

Jahrhunderts und dann weiter in die kanadische Gegenwart (Mitte des<br />

zwanzigsten Jahrhunderts) sprang, ist dieses Leben <strong>zum</strong>indest äußerlich erstaunlich bodenständig.<br />

Immerhin ist es Ausdruck der Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten<br />

(bereits) zu Innis’ Lebenszeiten – und ist mithin selbst Ausdruck dessen, worauf<br />

sich seine Theorien beziehen.<br />

An der University of Toronto arbeitete Innis als Wirtschaftshistoriker am Political<br />

Economy Department. Er befasste sich in der Tat auch ausschließlich mit wirtschaftshistorischen<br />

und soziologischen Fragestellungen. Sein Hauptaugenmerk lag auf Handelsstraßen<br />

und mithin – in einem sehr weitverstandenen Sinn – auf Kommunikationswegen.<br />

Bereits die Doktorarbeit aus Chicago, die 1923 als Buch erschien, beschrieb die<br />

Geschichte der Canadian Pacific Railway. Weitere Studien befassten sich mit der Geschichte<br />

des kanadischen Pelzhandels (1930) oder, ein Jahrzehnt später, mit der Geschichte<br />

der kanadischen Kabeljaufischerei (1940). Wer in diesen Arbeiten blättert, wird<br />

aber feststellen, dass sie nicht in der wirtschaftsgeschichtlichen Darstellung stehen bleiben,<br />

sondern die Auswirkungen des jeweiligen Industriezweigs auf das kulturelle Selbstverständnis<br />

und die sozialen Strukturen Kanadas mitberücksichtigen – und sich immer<br />

auch auf Handels- und Kommunikationswege als seine Voraussetzung und Determinante<br />

beziehen. Zumindest durch diesen stets die gesamte Gesellschaft reflektierenden<br />

Blick zeigt sich der Einfluss der soziologischen Kontakte aus Chicago.<br />

Es wird oft darauf hingewiesen, dass die Werke, die für die Kommunikationswissenschaft<br />

von Bedeutung sind – „Empire and Communications“, „The Bias of Communication“<br />

sowie „Changing Concepts of Time“ – erst ein weiteres Jahrzehnt danach erschienen<br />

sind, in der letzten Lebensphase von Innis (1950, 1951 und 1952 – im Jahr 1952<br />

starb Harold A. Innis im Alter von 59 Jahren an Krebs). Dies ist bezüglich seiner selbstständigen<br />

Werke richtig, bedeutet aber nicht, dass Innis sich nicht zuvor bereits mit<br />

Kommunikationsmedien im engeren Sinn befasst hätte. „The Bias of Communication“<br />

(1951) ist beispielsweise ein Sammelband verschiedener Aufsätze, die teilweise bereits in<br />

262


Giessen · Harold A. Innis<br />

den frühen vierziger Jahren entstanden sind. Dennoch ist die Beobachtung richtig, dass<br />

kommunikationswissenschaftliche Themen im engeren Sinn in der Tat erst in Innis’ letzter<br />

Lebensphase dominiert haben. Sicherlich ist es demnach unangebracht, Innis als<br />

„Kommunikationswissenschaftler“ zu begreifen. Die Probleme im Umfeld des Begriffes<br />

„Kommunikation“ betrachtete er ausschließlich im Hinblick auf den theoretischen<br />

Überbau, den er auch und zuerst für die anderen wirtschaftsgeschichtlichen Darstellungen<br />

angewandt hatte. Innis kann daher als Autor charakterisiert werden, dessen Theoriegebäude<br />

bereits früh „fertig“ war und sich aus traditionellen Formen der Sozial- und<br />

Wirtschaftsanthropologie und -geschichte entwickelt hat. Lediglich das Anwendungsfeld<br />

wandelte sich – von Eisenbahnlinien über den Pelzhandel und das Fischereiwesen<br />

hin zu allgemeinen Wirtschaftsvorgängen und schließlich zu Kommunikationsprozessen<br />

und damit verknüpften Fragen gesellschaftlicher Macht.<br />

In Kanada wird Innis heute von Volkswirtschaftlern, Kulturwissenschaftlern, Politologen<br />

oder Geographen ebenso gewürdigt und rezipiert wie von Kommunikationswissenschaftlern<br />

(Kleinsteuber 1992, Acland/Buxton 1999). Es handelt sich also um einen<br />

Sozialwissenschaftler mit ähnlich breitem Horizont und ähnlich vielfältiger Wirkungsgeschichte<br />

wie in Deutschland beispielsweise Max Weber. Allein von daher ist die Reduktion<br />

auf McLuhan sicherlich eine Verkürzung, die allenfalls bezüglich der engen<br />

kommunikationswissenschaftlichen Wirkungsgeschichte zutreffend sein kann. Wie<br />

deutlich werden wird, wäre dies aber auch hier eine unzulässige Vereinfachung.<br />

2. Die kommunikationstheoretischen Aussagen von Harold A. Innis<br />

2.1 Überblick<br />

Ein wesentlicher Faktor, der die Geschichte prägt – vielleicht vergleichbar mit der Bedeutung,<br />

die Weber den Religionen und dem jeweils von ihnen bestimmten Ethos zubilligt<br />

–, ist für Harold A. Innis in der Tat die „Kommunikation“. Sie präge bereits die<br />

Frühphase der Menschheitsgeschichte. Wie schon erwähnt, arbeitet Innis dabei mit einem<br />

sozusagen „erweiterten Kommunikationsbegriff“. Da die Kommunikation jeweils<br />

von den sie ermöglichenden „<strong>Medien</strong>“ oder Transportmöglichkeiten abhängt, sind beispielsweise<br />

Handelsstraßen oder noch allgemeiner „Kanäle der Güterbewegung“ wie<br />

Flüsse oder Eisenbahnstrecken seiner Definition zufolge (auch) entscheidende Kommunikationsstränge;<br />

„Kommunikation“ ist demnach ein immaterielles Gut und von daher<br />

zunächst nur bedingt von anderen, materiellen Gütern zu unterscheiden.<br />

Tatsächlich ist nun die Struktur der Kommunikationswege Innis zufolge das Entscheidende<br />

nicht nur für die konkrete Übermittlung von Information und Wissen, sondern<br />

gar für die Struktur der Gesellschaft, für ihre Machtzentren und die Art, wie sie<br />

wirken (können), mithin für ihre „Reiche“ („Empires“), deren Wohlstand oder auch deren<br />

Niedergang. Wenn neue Kommunikationswege die alten ablösen, ändert sich auch<br />

der gesellschaftliche Körper. (Natürlich bleiben die „alten“ Kommunikationswege oft<br />

noch lange bestehen. Innis spricht davon, dass es wichtig sei, zu untersuchen, welches<br />

Medium in einer Gesellschaft „dominant“ sei. Dies erkenne man <strong>zum</strong> Beispiel daran,<br />

dass es von den jeweiligen Machtzentren genutzt werde, beziehungsweise dass deren<br />

Macht gerade auf der Nutzung des entsprechenden Mediums gründe. Innis deutet mithin<br />

in seiner Analyse von Wissensmonopolen an, dass Kommunikationsmedien ein entscheidender,<br />

wenn nicht der entscheidende Faktor für historischen und gesellschaftlichen<br />

Wandel seien.)<br />

Die folgende Darstellung bezieht sich nun auf die Innis’sche Analyse der Kommuni-<br />

263


M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />

kationsmedien im engeren Sinn, mithin auf die in den letzten Hauptwerken des Autors<br />

diskutierten <strong>Medien</strong> und ihre immateriellen Güter, nämlich Informationen (Innis 1950,<br />

1951, 1952). Innis beschreibt die Kommunikationsmedien im Rahmen eines Kontinuums,<br />

das durch zwei Haupt-„Tendenzen“ charakterisiert werden könne.<br />

1. Einerseits gebe es Kommunikationswege oder -medien, die den Transport (sowohl<br />

von Gütern, als auch von Informationen und Wissen) über größere Distanzen kaum<br />

möglich machten, weil er mit ihnen zu schwer sei, weil dieser Typus von <strong>Medien</strong> zu<br />

unflexibel sei – der von Innis genannte Extremfall: Steintafeln, auf die wichtige Texte<br />

eingraviert worden sind.<br />

2. Auf der anderen Seite gebe es Kommunikations- und Transportwege oder -medien,<br />

die schnell, dynamisch und deshalb raumfüllend seien – hier war zu Innis’ Lebzeiten<br />

die Kurzwelle das ausgeprägteste Medium.<br />

Innis vermutet nun, dass die Art und Weise, wie Kommunikationswege angelegt sind<br />

und welche Form des Transports sie ermöglichen, entscheidend dafür sei, welche Information<br />

beziehungsweise welche Form des Wissens überhaupt übermittelt werde (beziehungsweise<br />

übermittelt worden sei) und welche Konsequenzen dies habe. Dauerhafte<br />

(„harte“) <strong>Medien</strong> benötigten bereits bei der Produktion viel Zeit und überdauerten<br />

andererseits auch lange Zeiträume, sind deswegen in ihrer Wirksamkeit in der Regel<br />

räumlich begrenzt.<br />

Die Steintafel, um bei diesem Beispiel zu bleiben, lässt sich schwer transportieren. Die<br />

Inhalte, die zu diesem „Medium“ passen, sind beispielsweise religiöse Gebote und Gesetze;<br />

sie sind auf Dauerhaftigkeit und demnach auf Traditionserhalt ausgerichtet. Eine<br />

Veränderung (etwa als Folge eines gesellschaftlichen Diskurses) ist ja gerade nicht möglich.<br />

Mithin habe das Medium „Steintafel“ beispielsweise eine sehr statische Rechtsordnung<br />

erzwungen; eine andere Rechtsform wäre im Kontext des Mediums unpraktikabel<br />

gewesen. Gesellschaften, die nur oder überwiegend „dauerhafte“ <strong>Medien</strong> kennen, sind<br />

deshalb in der Tendenz einerseits theokratisch und andererseits nur regional ausgerichtet,<br />

so Innis. Ein „klassisches“ Beispiel für eine Gesellschaft, deren Strukturen auf solchen<br />

dauerhaften <strong>Medien</strong> gestützt sind, sei etwa in den Stadtstaaten des Zweistromlandes<br />

zu sehen.<br />

Im Gegensatz dazu seien dynamische („leichte“) <strong>Medien</strong> – als frühes historisches Beispiel:<br />

der Papyrus – für Transporte geeigneter, allerdings natürlich in ihrer Haltbarkeit<br />

begrenzter. Innis sieht deshalb im Zusammenhang zwischen Transport und Kommunikation<br />

auf der einen Seite und der Gesellschaftsform auf der anderen Seite die entscheidende<br />

Antwort auf die Frage nach dem „Warum“ sozialer Entwicklungen. So erklärt er<br />

die Ursache des Übergangs der ägyptischen Zivilisation von einer absoluten Staatsform<br />

zu einem demokratischeren Gebilde mit der Schwerpunktverlagerung vom Stein als<br />

wichtigstem Kommunikationsmedium eben <strong>zum</strong> Papyrus. Innis behauptet im Übrigen<br />

nicht nur, dass die ägyptische Gesellschaft in ihren politischen Strukturen durch den Papyrus<br />

flexibler geworden sei; zudem sei sie auch deutlich mobiler geworden: Dank der<br />

neuen Kommunikationswege sei es möglich gewesen, große geographische Räume zu<br />

beeinflussen und letztlich (<strong>zum</strong>indest kulturell, in der Regel auch politisch) zu beherrschen.<br />

Innis vermutet also, dass die Menschheitsgeschichte (nicht ausschließlich, aber doch<br />

in wesentlichen Zügen) mit Hilfe einer simplen Matrix beschrieben werden kann. „Starre“<br />

<strong>Medien</strong> wirkten demnach auf die Zeit. Deshalb werden Gesellschaften, bei denen<br />

„starre“ <strong>Medien</strong> vorherrschend sind, laut Innis in der Regel auch von religiösen Organisationen<br />

geprägt. Dagegen sind „weiche“ <strong>Medien</strong>, dieser Matrix zufolge, auf den<br />

Raum ausgerichtet und tendieren dazu, sich und die sie nutzenden Strukturen geogra-<br />

264


Giessen · Harold A. Innis<br />

phisch auszubreiten. Weil sie kurzfristige, „aktuelle“ Handlungen ermöglichen und erzwingen,<br />

nötigen sie auch zu dezidiert politischem Handeln. Sie führen deshalb, so Innis,<br />

zu einem Bedeutungszuwachs der politischen Klasse und zu einem Bedeutungsverlust<br />

der religiösen Klasse.<br />

Natürlich kann Innis mit dieser Matrix nicht den Einzelverlauf der Geschichte vorhersagen<br />

– etwa das Verhalten einzelner „charismatischer“ Persönlichkeiten und deren<br />

politisches (oder religiöses) Handeln, mithin auch nicht einzelne kulturelle Ausprägungen.<br />

Aber er suggeriert, mit dieser Matrix die übergreifenden, prägenden Strukturen und<br />

Entwicklungslinien von „Kulturen“ („civilizations“) erklären zu können.<br />

Die Unterteilung in auf die Zeit wirkende, dauerhaft-starre <strong>Medien</strong> einerseits und<br />

raumfüllend-schnelle <strong>Medien</strong> andererseits ist die Basis dieser Welterklärung. Nicht Götter<br />

oder religiöser Ethos, auch nicht sozialpsychologische Prozesse wie die Individualisierung,<br />

sind in dieser Sicht das eigentliche Movens der Geschichte, sondern die unterschiedlichen<br />

Kommunikationswege. Neue Götter, neue Religionen, neue Wirtschaftsformen<br />

oder neue Selbstinterpretationen und -erfahrungen wären demnach als Konsequenz<br />

neuer dominierender Kommunikationswege zu begreifen, als Folge neuer<br />

Rahmenbedingungen. Insofern ist die Innis’sche Weltsicht materialistisch: Das gesellschaftliche<br />

Sein bestimmt auch bei ihm das Bewusstsein, nicht umgekehrt. Ungewohnt<br />

ist nur seine Erklärung für die Ursache, die das gesellschaftliche Sein „tatsächlich“ determiniere.<br />

Demnach haben grundsätzlich jeweils neue und andere Kommunikationsformen<br />

und -technologien das Potenzial, selbst sehr etabliert und sicher erscheinende<br />

Religionen, Gesellschaftsstrukturen oder Machtzentren und „Reiche“ zu stürzen. Dies<br />

können sie dann, wenn sie sich als bessere Möglichkeiten erweisen, um gesellschaftliche<br />

Notwendigkeiten zu organisieren, beziehungsweise wenn sie neue Chancen für Militär,<br />

Wirtschaft und Handel oder die Verwaltung bieten.<br />

Dieser theoretische Ansatz wird möglicherweise noch einleuchtender, wenn der Blick<br />

nicht von den Kommunikationsmedien, sondern von den gesellschaftlichen Strukturen<br />

ausgeht. Jede Herrschaft, auch jede Form wirtschaftlichen Handelns wird begrenzt (und<br />

mithin definiert) durch den von ihr erreichten und kontrollierten Raum, sowie durch<br />

ihre Anfangs- und Endpunkte, also die Zeitspanne, auf die sich die Einflussnahme und<br />

Kontrolle bezieht. Diese Definition ist sicherlich nicht umfassend und auch nur bedingt<br />

funktional. Indem sie aber das Augenmerk darauf lenkt, dass die Kontrolle von Raum<br />

in der Zeit ein fundamentaler Bestandteil jeder Einflussnahme beziehungsweise Herrschaft<br />

ist, verweist sie auf die Rolle der Kommunikation, die (vor allem im weiten Begriffsgebrauch<br />

von Innis) die Voraussetzung jeder raumzeitlichen Einflussnahme darstellt.<br />

Innis geht also davon aus, dass die Ausdehnung und die Dauer, aber auch die strukturelle<br />

Ordnung von „Reichen“ (1950) ganz wesentlich von den ihnen zur Verfügung<br />

stehenden Übertragungswegen und deren Spezifika abhängt. Ein Wandel der Kommunikationswege<br />

oder das Aufkommen neuer, in der jeweiligen Situation adäquaterer<br />

Kommunikationswege könne zu Krisen in den traditionellen Reichen führen, unter<br />

Umständen gar zu Chaos, weil sich das ,soziale Skelett’ (so die Metapher von William<br />

Kuhns für das, was Innis als die entscheidenden Institutionen der Gesellschaft bezeichnet:<br />

Politik, Religion, Recht, Wirtschaft und andere; vergleiche Kuhns 1971) dann einseitig<br />

verändere. Die Kommunikation ist, dieser Metapher zufolge, der „Blutkreislauf“,<br />

der die Verbindungen innerhalb des sozialen Körpers herstellt und der die unterschiedlichen<br />

Institutionen aufgrund seines aktuellen Zustands unterschiedlich versorge und<br />

mithin unterschiedlich (und gegebenenfalls also auch einseitig) „wachsen“ lasse.<br />

Offenbar gibt es zwei Interessensschwerpunkte, die Innis zu seinem Ansatz gebracht<br />

265


M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />

haben. Zunächst ist dies die Beschreibung und Analyse gesellschaftlicher Strukturen. Innis<br />

hat in der Kommunikation eine bislang nicht berücksichtigte Variable gefunden, die<br />

es ermöglicht, verschiedene gesellschaftliche Phänomene, die oft (und scheinbar zufällig)<br />

parallel auftreten, als möglicherweise miteinander zusammenhängend zu betrachten.<br />

Aber Innis Erkenntnisinteresse wurde offenbar nicht nur von dem Wunsch nach Beschreibung<br />

gesellschaftlicher Strukturen bestimmt, sondern auch von der Frage, wie statisch<br />

diese Strukturen sind – oder umgekehrt: ob ein Wandel existierender „Reiche“<br />

möglich ist und wovon er abhängt. Zudem scheint er von der Frage angetrieben worden<br />

zu sein, wie es zu Krisen kommen kann und wie sie sich auswirken können. Die Interessenschwerpunkte<br />

von Innis lassen sich also mit den Begriffen „Struktur“ und „Krise“<br />

eingrenzen.<br />

Dahinter stehen offenbar zwei autobiografische Motive. Innis weist selbst häufig darauf<br />

hin, dass er den Eindruck habe, in einer Phase der Instabilität zu leben. Einen Beleg<br />

für diese Instabilität sieht er etwa – und insbesondere – in den beiden Weltkriegen. Mithin<br />

kann vermutet werden, dass ein impulsgebendes Moment für die Innis’sche Theorie<br />

in seiner Kriegserfahrung liegt.<br />

Ein weiteres biografisches Element scheint in Innis’ bewusstem Kanadiertum zu liegen.<br />

Er wies mehrfach darauf hin, dass die Abhängigkeit seines Landes von den Zentren<br />

– historisch: Großbritannien; zu seinen Lebzeiten: natürlich die USA – für die politische<br />

Kultur Kanadas ausgesprochen problematisch sei. Innis wollte offenbar wissen,<br />

ob in neuen Kommunikationswegen eine Chance für traditionell periphere Regionen<br />

lägen.<br />

Es wird in der Tat auch häufig die Vermutung geäußert, dass Innis seine Themen nur<br />

entwickeln konnte, weil er selbst der Peripherie entstammte – und mithin auch einen<br />

zwangsläufig anderen Blick auf die Zentren hatte und selbst unbeeindruckter von kultureller<br />

Vergangenheit und etablierten Theorien denken und formulieren konnte. Andererseits<br />

deutet dies ein durchaus normatives Element als wesentlichem Anlass für die<br />

Beschäftigung mit medienabhängigen Transformationsprozessen an. Dieses normative<br />

Element hat möglicherweise die als analytische Deskription angelegte Arbeit (<strong>zum</strong>indest<br />

unterschwellig) mitgeprägt.<br />

2.2 Struktur und Krise: ein Beispiel<br />

Das Beispiel bezieht sich auf einen weiteren historischen Übergang, demjenigen von der<br />

Dominanz des Buches zur Dominanz der Zeitung als wichtigstem Kommunikationsmedium.<br />

Natürlich ist dieser Übergang hinsichtlich seiner Konsequenzen weniger einschneidend<br />

als derjenige von der Steintafel <strong>zum</strong> Papyrus. Es handelt sich also um eine<br />

Fein- oder Detailanalyse, die aber auf der selben Matrix fußt, beziehungsweise auf die<br />

gleichen grundlegenden Gedanken zurückgreift.<br />

Innis betont, dass natürlich beide <strong>Medien</strong>, Buch wie Zeitung, auf der gröberen, darüber<br />

liegenden Ebene Ausdruck wie Folge der „Mechanisierung“ seien, die der Erfindung<br />

der Druckerpresse folgte und die ihrerseits wiederum verschiedene, von Innis beschriebene<br />

Unterschiede zur ,vor-mechanischen’ Zeit aufweise. Bereits die „Mechanisierung“<br />

habe einen enormen gesellschaftlichen Schub ausgelöst, der sich insbesondere<br />

gegen traditionelle (vor allem: klösterliche) Strukturen ausgewirkt habe. Sie habe <strong>zum</strong><br />

Niedergang des „age of the cathedrals“ (Innis 1950: 176) geführt und die mit dieser Tradition<br />

verbundenen sozialen Institutionen entscheidend geschwächt.<br />

Auf der Detailebene gibt es nun aber deutliche Unterschiede zwischen den beiden <strong>Medien</strong><br />

„Buch“ und „Zeitung“. So sieht Innis das Buch noch immer als Bewahrer intellek-<br />

266


Giessen · Harold A. Innis<br />

tueller Anstrengungen. Dagegen finde der generelle Charakter der Mechanisierung erst<br />

in der Zeitung ihren wahren Ausdruck (Innis 1942: 2). Während im Buch – obgleich es<br />

auf mechanische Weise hergestellt wird – noch Relikte der vor-mechanischen Welt zu<br />

finden sind, wird die Zeitung, der Auffassung Harold A. Innis’ zufolge, von ihren Konsumenten<br />

nun durchaus auch als Produkt eines mechanischen Prozesses wahrgenommen<br />

und genutzt.<br />

Ein Beispiel: Die Zeitung sei eines der ersten kommerziellen Produkte gewesen, das<br />

sich ökonomisch durchsetzte, weil es sich an viele Konsumenten wandte. Dies habe Inhalt<br />

und Darstellungsform entscheidend geprägt. Vor allem sei die Ausrichtung auf ein<br />

Massenpublikum möglich geworden, weil Zeitungen – im Gegensatz <strong>zum</strong> Buch – billig<br />

waren. Innis benutzt explizit den Begriff der „penny press“ (1942: 25). Er vermutet, dass<br />

sich die Zeitung zuerst in Amerika in ihrer ,idealtypischen‘ Form habe entwickeln und<br />

durchsetzen können, weil es hier, in der kolonialen Peripherie, eine zwar nur zahlenmäßig<br />

kleine Oberschicht, aber insgesamt doch genug zahlungsfähige Bevölkerung gegeben<br />

habe. Vor allem aber habe Nordamerika einen von kulturellen Traditionen weitgehend<br />

unbelasteten Markt für die Zeitung dargestellt. Dies habe sich wiederum auf die<br />

Zeitung als Produkt ausgewirkt. Innis schreibt (1942: 10):<br />

“The American press was unhampered in its typography and format by the traditions<br />

of book printing of Great Britain and the Continent. The advertiser was more effective<br />

in breaking down the conservatism of journalism, and the printer’s control was<br />

less conspicuous than that of the journalists.”<br />

Damit hätten Zeitungen eine auch ökonomische Vorreiterrolle eingenommen. Sie hätten<br />

nun auch die Einführung anderer Niedrigpreisprodukte erleichtert und insbesondere<br />

die wirtschaftlich schlechter gestellten Bevölkerungsschichten an Massenwaren geführt,<br />

nicht zuletzt durch die immer stärker werdende Verflechtung zwischen dem Produkt<br />

„Zeitung“ und der Werbung, für die es einen idealen Kanal darstellte. Zusammenfassend<br />

schreibt Innis (1942: 32):<br />

“Speed in the collection, production and dissemination of information has been the<br />

essence of newspaper development. Widening of markets, the effectiveness of competition,<br />

lowering of costs of production, the spread of the price system, the evolution<br />

of a sensitive monetary structure and the development of equilibrium economics<br />

have followed the development of the newspaper.”<br />

Aufgrund dieser spezifischen kulturellen und gesellschaftlichen Voraussetzungen habe<br />

der Triumphzug der Zeitung (und letztlich: der Konsumgesellschaft) in Nordamerika<br />

begonnen und sich von der Peripherie aus durchgesetzt. Die Zentren seien erst später<br />

nachgefolgt, symbolisiert durch die Reorganisation der „London Times“ im Jahr 1908,<br />

die bemerkenswerterweise ebenfalls mit einer drastischen Preissenkung einhergegangen<br />

sei: Das Eliteblatt habe sich ebenfalls zur Massenware gewandelt.<br />

Im deutschsprachigen Kulturkreis dauerte es nach Innis’ Meinung im Übrigen noch<br />

länger, bis sich die Zeitung und die in ihrem Umfeld beobachtbaren gesellschaftlichen<br />

Veränderungen ausgewirkt hätten. Die Ursache sieht er in der Bedeutung, die das Buch<br />

im deutschsprachigen Raum gehabt habe. Sie habe es anderen Druckmedien erschwert,<br />

sich hier durchzusetzen. Dies habe auch Verständnisschwierigkeiten und interkulturelle<br />

Probleme zur Folge gehabt, wie Innis resümierend schreibt (1952: 101):<br />

“European civilization was still dominated by the book, and war between Germany<br />

and Anglo-Saxon countries could be described as a clash between the book and the<br />

newspaper […]. Germany was unable to appreciate the power of the newspaper in<br />

Anglo-Saxon countries, and collapse was in fact a result of increasing difficulties of<br />

understanding incidental to differences in development of the newspaper in the two<br />

267


M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />

regions. By the newspaper, democracy had completely expelled the book from the<br />

normal life of the people.”<br />

Hier werden interkulturelle Gegensätze eindrucksvoll und plausibel klingend (aber auch<br />

sehr spekulativ) beschrieben und erklärt. Führt eine Zeitungskultur tatsächlich <strong>zum</strong> politischen<br />

Diskurs, zur politischen Reife – im Gegensatz zur Buchkultur, die eben statischer<br />

ist und hinsichtlich Deutschlands demnach die Ursache für die oft diagnostizierte<br />

Verbindung von Gedankentiefe mit Autoritätshörigkeit und Demokratieproblemen<br />

darstellt? Innis deutet dies wiederholt an (<strong>zum</strong> Beispiel 1980: 156). Liegt demnach hier<br />

eine (oder sogar die entscheidende) Ursache für die Katastrophen in der deutschen Geschichte?<br />

Die Frage macht <strong>zum</strong>indest deutlich, dass Innis’ Ausführungen sicher nicht monokausal<br />

verstanden werden dürfen. Wenn die überspitzt formulierte These aber<br />

schwächer ausgedrückt und etwa so formuliert wird: Hier liegt eine strukturelle Ursache,<br />

die es dann in Kombination mit anderen kulturellen, politischen, ökonomischen<br />

und sozialen Prozessen ermöglichte, dass sich die deutsche Geschichte so entwickelt hat<br />

– dann führt uns Innis in der Tat zu einem neuen und vielleicht besseren Verständnis für<br />

Zusammenhänge, die plausibel sind und die vor ihm so nicht gesehen oder berücksichtigt<br />

worden sind.<br />

2.3 Struktur und Krise: zur Aktualität von Harold A. Innis<br />

Mit dem Aufkommen neuer <strong>Medien</strong> – und der Computer sowie insbesondere das Internet<br />

werden ja allgemein als „Neue <strong>Medien</strong>“ empfunden – entsteht, wenn die Kommunikationstheorie<br />

von Harold A. Innis korrekt sein sollte oder auch nur in ihren wesentlichen<br />

Grundannahmen stimmt, eine neue welthistorische und gesellschaftliche<br />

Bruchlinie. Es liegt auf der Hand, dass Innis’ Matrix um die Schlüsselworte „Zeit“ und<br />

„Raum“ heute besonders aktuell ist, wie bereits viele auch in die Kommunikationswissenschaft<br />

reichende Diskussionen etwa um die Problemfelder „Globalisierung“ einerseits<br />

und „Echtzeit“ andererseits verdeutlichen. Insofern lohnt es sich möglicherweise,<br />

sich gerade heute mit Innis auseinander zu setzen. Im Folgenden sollen einige mögliche<br />

Konsequenzen einer solchen Beschäftigung angedeutet werden.<br />

In der Tat scheint die Verbindung von „Echtzeit“ und „Globalisierung“, die heute in<br />

der allgemeinen Diskussion vorausgesetzt wird, ein Indiz für die Gültigkeit der Theorie<br />

von Innis zu sein. Inhalte werden mit den und durch die „Neuen <strong>Medien</strong>“ weiter entmaterialisiert;<br />

dies kann verschiedene Folgen haben.<br />

Indem fast das gesamte Weltwissen <strong>zum</strong>indest potenziell jederzeit verfügbar ist, wird<br />

auch (scheinbar) die Notwendigkeit schwächer, sich mit den Gründen seiner Genese zu<br />

befassen. Innis selbst hat bereits darauf hingewiesen, dass Zeitung und Rundfunk zu einer<br />

Vorherrschaft der Augenblickserfahrung führten; dies schwäche die Bereitschaft,<br />

perspektivisch zu denken und die Folgen des Augenblicks für die Zukunft wie auch die<br />

Gründe für augenblickliche Befindlichkeiten zu berücksichtigen. Dies wiederum kann<br />

bedeuten, dass transzendente (oder religiöse) Sentimente und demnach auch die sie kanalisierenden<br />

Institutionen (weiter) deutlich an Bedeutung verlieren.<br />

Der umfassende Zugang <strong>zum</strong> kompletten Weltwissen und zu den globalen Diskursen<br />

kann sich, wenn man den Theorieansatz von Innis akzeptiert, auch auf politische Institutionen<br />

auswirken. So wird ja beispielsweise häufig darüber diskutiert, ob die Ebene,<br />

auf der Politik heutzutage stattfinde – die Ebene des Nationalstaats, allenfalls die Ebene<br />

eines Verbunds benachbarter Nationalstaaten, wie wir ihn exemplarisch in der EU sehen<br />

– insbesondere den „Neuen <strong>Medien</strong>“ und ihren dramatischen Konsequenzen noch<br />

268


Giessen · Harold A. Innis<br />

angemessen sei; beziehungsweise es wird die schleichende Erosion des Politischen beklagt.<br />

Diskussionen beispielsweise um die Möglichkeiten, die Staaten wie China haben,<br />

das Internet und mithin die Informationsflüsse in der Gesellschaft zu kontrollieren, bis<br />

hin zu so konkreten Fragestellungen etwa zur zukünftigen Funktion und Durchsetzbarkeit<br />

des Urheberrechts deuten an, dass sich traditionelle Regelungsmechanismen und<br />

die sie garantierenden gesellschaftlichen Ordnungsfunktionen ändern (müssen) – <strong>zum</strong>indest:<br />

dass neue Probleme entstanden sind, die sich mit herkömmlichen Institutionen<br />

nicht lösen lassen. Es wurde bereits allgemein wie auch in der Detailstudie zu „Buch“<br />

und „Zeitung“ darauf hingewiesen, dass Innis den <strong>Medien</strong>, die wenig Zeit für den Informationstransfer<br />

benötigen und (deshalb) viel Raum überwinden können (und die<br />

mithin auch viel Raum beanspruchen), die immanente Tendenz unterstellt, zu flexiblen<br />

und eher demokratischen Gesellschaftsformen zu führen. Je „weicher“ – weniger dauerhaft,<br />

dagegen schnell viele Menschen erreichend – die wichtigen Informationsträger<br />

einer Gesellschaft sind, desto deutlicher müssten die diesbezüglichen Konsequenzen beobachtet<br />

werden können. Insofern lässt sich die Theorie von Harold A. Innis derzeit in<br />

einem gigantischen „natürlichen Experiment“ verfolgen.<br />

Die Entwicklung, die Innis beschreibt, müsste also einerseits in die Gegenwart in<br />

Form einer kontinuierlichen Linie erweitert werden können. Andererseits müssten wir<br />

derzeit die Probleme einer ,Bruchlinie’ erleben, ähnlich vielleicht wie diejenige des<br />

Übergangs vom Buch zur Zeitung oder diejenige des Aufkommens des Telegraphen,<br />

möglicherweise gar so einschneidend wie diejenige des Übergangs vom Stein <strong>zum</strong> Papyrus.<br />

Bereits <strong>zum</strong> Telegraphen bemerkte Innis (1951: 169), dass<br />

“[…] the telegraph weakened the system of political control through the post office<br />

and the newspaper exchange. The monopoly over news was destroyed and the regional<br />

daily press escaped from the dominance of the political and metropolitan<br />

press’’.<br />

Wenngleich diese Beschreibung hinsichtlich der Zeitungen eher idealtypisch erscheint,<br />

wenn man beispielsweise die Situation in vielen Ländern Afrikas und Asiens betrachtet<br />

(wo es ja auch Telegraphen gibt), so deuten die Thesen von Innis doch immerhin ein<br />

Entwicklungspotenzial an – und bezogen auf die Situation in Westeuropa und in<br />

Nordamerika weist seine Beschreibung ja durchaus eine gewisse Plausibilität auf.<br />

Innis schließt aus dem Gesagten, dass der Telegraph <strong>zum</strong>indest zu einer gewissen (weiteren)<br />

Instabilität der politischen Kontrollorgane geführt habe, und diese Instabilität<br />

„weakened the position of a central authority after 1840”. (1951: 170)<br />

Ganz offensichtlich kann diese Aussage als Glosse zur aktuellen Diskussion um die<br />

,Neuen <strong>Medien</strong>’ und ihren Einfluss auf Gesellschaften wie beispielsweise diejenige<br />

Chinas, aber auch vieler anderer Staaten in Asien und Afrika gelesen werden – vor allem<br />

auch, weil hier ja oft die Zwischenstation der Zeitung (deren Charakter sich ja laut Innis<br />

auch erst durch den Telegraphen grundlegend geändert habe) wegfällt. Die „Neuen“<br />

<strong>Medien</strong> sind ja noch wesentlich „weicher“ als das geschriebene oder das gedruckte Wort;<br />

in jedem Fall „weicher“ als die Zeitung, wo Gedanken immerhin noch materiell (physikalisch)<br />

auf Papier gebannt werden müssen – dies entfällt nun. Harold Innis’ Interpretationsschema<br />

legt mithin die Vermutung nahe, dass die „Neuen <strong>Medien</strong>“ zu einem weiteren<br />

Machtverlust zentraler Autoritäten führe. Möglicherweise stärkt dies auch derzeit<br />

marginalisierte Regionen, die ja jetzt ebenso Zugang zu den Kommunikationswegen haben;<br />

dies könnte ihnen in der Tat den Anschluss an etablierte Zentren ermöglichen.<br />

Was bedeutet nun die Innis’sche Theorie für die Sphäre des „Politischen“? Innis behauptet<br />

ja ein „Mehr an Demokratie“, das mit „weichen“, raumfüllenden <strong>Medien</strong> einhergehe.<br />

Aber es scheint doch keinesfalls sicher, dass die „Neuen <strong>Medien</strong>“ tatsächlich<br />

269


M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />

die politischen Institutionen stärken, vielmehr scheint es ja eher so zu sein, dass einerseits<br />

Wirtschaft und Handel, andererseits persönliche Freiheiten (Interessen, Hobbys,<br />

Vorlieben) vom Durchbruch der „Neuen <strong>Medien</strong>“ profitieren.<br />

Innis ist davon ausgegangen, dass „starre“ <strong>Medien</strong> mit der Dominanz religiöser Systeme<br />

und die bisherigen „weichen“ <strong>Medien</strong> mit der Dominanz politischer Systeme einhergingen.<br />

Wenn die Innis’sche Abfolge richtig ist und als Entwicklungslinie weitergedacht<br />

und -geführt wird, scheint es, als ob mit den „immateriellen“ „Neuen <strong>Medien</strong>“<br />

nun auch die politische Klasse und ihre Institutionen an Einfluss verlören zugunsten einer<br />

neuen, inzwischen immer deutlicher hervortretenden Dominanz des „ökonomischen<br />

Systems“, ihrer Klasse und ihrer Institutionen.<br />

Dies freilich ist eine Interpretation des Innis’schen Denkens, die nur noch durch die<br />

Weiterführung der von ihm angelegten und entwickelten Darstellung der historischen<br />

Abfolge gedeckt ist, nicht mehr durch seine Schriften selbst. Sie deutet die Brisanz, aber<br />

auch das Spekulative des Innis’schen Denkens an.<br />

3. Innis als Autor der kanadischen Peripherie – mit überraschender Nähe zu deutschen<br />

und französischen Theorieansätzen<br />

Es ist angesichts der Schlüsselbegriffe „Struktur“ und „Krise“ durchaus bemerkenswert,<br />

dass die Rezeption des Innis’schen Werkes weitgehend auf Kanada und einige andere<br />

Regionen mit angelsächsischer Kolonialgeschichte beschränkt geblieben ist. Diese Aussage<br />

gilt auch für die Wirkungsgeschichte von Innis im Bereich der Kommunikationswissenschaft.<br />

Hier beziehen sich vor allem Eric Havelock und Derrick de Kerckhove,<br />

die heute ebenfalls in Toronto lehren, ihn im Übrigen aber beide nicht mehr kennen gelernt<br />

haben, auf Innis. Es gibt noch einzelne Wirkungslinien in die Neu-England-Staaten<br />

(Strate 1996) und nach Australien (Angus/Shoesmith 1993). Dagegen ist Innis im<br />

kontinentaleuropäischen Raum, von wenigen Ausnahmen abgesehen, kaum zur Kenntnis<br />

genommen worden. Immerhin gibt es mittlerweile eine Sammlung repräsentativer<br />

Texte von Innis auf Deutsch (Innis 1997). So scheint es, als nehme die Rezeptionsbereitschaft<br />

langsam zu.<br />

Die Tatsache, dass die Wirkungsgeschichte von Harold A. Innis in Kontinentaleuropa<br />

lange Zeit so begrenzt war, ist durchaus erstaunlich, da Innis seine Thesen trotz aller<br />

Distanz gleichsam parallel zu den akzeptierten kontinentaleuropäischen Theorieansätzen<br />

insbesondere aus Frankreich und Deutschland entwickelt hat. (Dies ist übrigens ein<br />

wesentlicher Unterschied zu McLuhan, der sich noch weit stärker – und nicht nur hinsichtlich<br />

seiner Argumentationsform, sondern bis in die Sprache hinein – von der akademischen<br />

Tradition gelöst hatte, die ja, als Literaturwissenschaftler, als der er seine universitäre<br />

Laufbahn begonnen hatte, auch seine eigene war. Vielleicht ist es aber auch diese<br />

„Zwischenstellung“, die dazu geführt hat, dass Innis in der allgemeinen Aufmerksamkeit<br />

gegenüber McLuhan zurückgefallen ist.)<br />

Die genannten Parallelen zu kontinentaleuropäischen Theorieansätzen können den<br />

Zugang zu Innis natürlich erleichtern. Bezüglich des französischen Kulturkreises weist<br />

Roberto Simanowski darauf hin, dass der strukturalistische Ansatz von Innis „vor und<br />

gleichsam in Ergänzung zu Michel Foucaults Diskursanalyse“ stehe (2000: 219). Sut<br />

Jhally hat 1993 auf Gemeinsamkeiten mit der materialistischen Geschichtskonzeption<br />

deutscher marxistischer Tradition hingewiesen, und die kanadische Autorin Judith<br />

Stamps, deren große Studie von 1995 für Leser aus dem deutschsprachigen Kulturkreis<br />

von besonderem Interesse sein könnte, hier aber, im Gegensatz zu ihrer Heimat Kanada,<br />

kaum zur Kenntnis genommen wurde, verweist auf frappierende Überschneidungen<br />

270


Giessen · Harold A. Innis<br />

des Innis’schen Denkens mit dem der frühen Frankfurter Schule. Dass es viele solcher<br />

Überschneidungen gibt, ist vermutlich bereits anhand der obigen Detailanalyse deutlich<br />

geworden, die die Mechanisierungsprozesse im Bereich der Presse fast deckungsgleich<br />

zu Walter Benjamins Beschreibung des Verlusts der Aura beim „Kunstwerk im Zeitalter<br />

seiner technischen Reproduzierbarkeit“ (1936) charakterisiert. Stamps zeigt in ihrer<br />

philologischen Studie, dass Innis wie die von ihr herangezogenen „Frankfurter“ Theodor<br />

W. Adorno, Max Horkheimer oder Benjamin die Dynamik von Modernisierungsprozessen<br />

als Entwicklungen zu einer „instrumentalen Rationalität“ (um den „Frankfurter“<br />

Begriff zu gebrauchen) sieht. Parallel zur „Dialektik der Aufklärung“ werde<br />

auch in Innis’ Schriften die gesellschaftlich-technische Entwicklung als Grund für eine<br />

zunehmende Dekontextualisierung des Bewusstseins gesehen; auch die Bewertungen<br />

dieser Entwicklung seien in überraschendem Maße ähnlich.<br />

Gleichzeitig muss darauf hingewiesen werden, dass Innis die „Frankfurter Schule“ offenbar<br />

gar nicht kannte – den französischen „Poststrukturalismus“ konnte er natürlich<br />

erst recht nicht kennen. Zudem widerspricht Innis’ eher narrative Argumentationsform<br />

beispielsweise derjenigen der marxistisch orientierten, theoriebeladenen Herangehensweise<br />

der „Frankfurter“. So ignoriert Innis beispielsweise gänzlich die Kategorie der<br />

„sozialen Klasse“ oder ähnliche, beispielsweise mit dem Begriff der „Schicht“ darzustellende<br />

gesellschaftliche Phänomene. Andererseits verhindert gerade die tendenzielle<br />

Theorielosigkeit, der unbefangenere „kanadische“ Blick viele Eurozentrismen, die in<br />

den Schriften der „Frankfurter Schule“ zu finden sind (es sei etwa an das Extrembeispiel<br />

der Adorno’schen Verunglimpfung des Jazz erinnert).<br />

Die Parallele zu europäischen Theorieansätzen legt jedoch nahe, Innis nicht als monolithisch<br />

kanadischen Autor zu bewerten, sondern ihn in einem allgemeinen Zeitkontext<br />

zu sehen. Innis’ Werk wäre dann eine Variante einer übergreifenden geistigen Zeittendenz<br />

– wobei er eine Variante verkörperte, die nicht zuletzt aufgrund ihrer relativen<br />

Unbefangenheit als peripher empfunden (und als solche entweder kritisiert oder geschätzt)<br />

wird.<br />

4. Rezeptionsprobleme<br />

Es gibt zwei Kernprobleme bei der Rezeption des Innis’schen Werks.<br />

1. In der Regel beschränkt sich die Kommunikationswissenschaft heute allenfalls auf<br />

Theorien „mittlerer Reichweite“ und verdächtigt Theorieansätze, die raum- und<br />

zeitübergreifende Aussagen wagen, der tendenziellen Spekulation.<br />

2. Ein weiteres Problem von Theorien „großer Reichweite“ ist, dass sie sehr häufig <strong>Medien</strong>nutzer<br />

auf eine passive Rolle beschränken, mehr oder weniger darauf reduziert,<br />

von außen auf sie einwirkenden Einflüssen unterworfen zu sein.<br />

Beide Probleme treffen mit unterschiedlichem Gewicht auf Harold A. Innis und sein<br />

Werk zu. Sie führen in mehr oder weniger großem Maß dazu, seine Aussagen mit einer<br />

gewissen Vorsicht zu betrachten. Besonders problematisch ist, dass er selbst die entsprechende<br />

Kritik in der Regel gar nicht thematisiert und auch immanent nur teilweise<br />

berücksichtigt.<br />

Hinsichtlich des zweiten Kernproblems kann festgehalten werden, dass Innis immerhin<br />

und durchaus ausführlich beispielsweise die Wechselwirkungen zwischen Kommunikation<br />

und kulturellem Empfinden, das sich dann wieder auf das „Wie“ und „Was“<br />

der Kommunikation auswirkt, beschrieben hat. Da Innis aber vor allem anthropologische<br />

oder soziale Strukturen, die den sozialen Körper prägen, analysieren möchte, liegt<br />

der Schwerpunkt der Darstellung zwangsläufig bei den sich wandelnden Formen der<br />

271


M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />

Kommunikation, deren Auswirkungen auf Gesellschaft und Individuum dargestellt<br />

werden. Innis’ Vorhaben hat aufgrund seines Ziels also einen anderen Fokus. Weil er<br />

aber durch die Berücksichtigung der genannten Wechselwirkungen ein durchaus komplexes<br />

Bild zeichnet, ist die Kritik hier nur bedingt zutreffend.<br />

Wesentlich ernster ist der erste Kritikpunkt, dem Innis eigentlich nichts entgegensetzt,<br />

auch nicht immanent. Dies beginnt bereits mit der Art und Weise seiner Darstellung.<br />

So gibt es einen Aufsatz <strong>zum</strong> „Problem des Raums“ in „The Bias of Communication“,<br />

in dem er nicht nur innerhalb weniger Seiten von den Anfängen der ägyptischen<br />

beziehungsweise mesopotamischen Kultur (er nennt als Datum, das den Beginn seiner<br />

Darstellung markiert, den 19. Juli 4241 vor Christus) über die Sumerer, die biblischen<br />

Israeliten, das antike Griechenland zu den Römern und Germanen, weiter <strong>zum</strong> Reich<br />

Karls des Großen, den Beginn der Neuzeit in den italienischen Stadtrepubliken und in<br />

Flandern, mit kurzen Abstechern zu den slawischen Völkern, dann weiter <strong>zum</strong> britischen<br />

Weltreich springt, bis er schließlich bei der globalen Gegenwart ankommt. Diese<br />

Unbekümmertheit setzt sich auch auf formaler Ebene fort. So folgt die Anordnung der<br />

einzelnen Artikel, die zusammen das Buch „The Bias of Communication“ bilden, keinem<br />

erkennbaren Ordnungsschema, weder einem inhaltlichen, noch einem formalen<br />

(etwa nach der zeitlichen Reihenfolge des Entstehens der einzelnen Aufsätze).<br />

Offensichtlich war es Harold A. Innis in seinen Spätwerken nicht mehr wichtig, die<br />

Tatsache, dass er spekulativ arbeite, zu erläutern und zu rechtfertigen. In den Schriften,<br />

die für Kommunikationswissenschaftler von besonderem Interesse sind (die also die<br />

<strong>Medien</strong> im engeren Sinn <strong>zum</strong> Thema haben), stellt er – im Unterschied zu seinen frühen<br />

Schriften – viele Argumente nicht mehr zur Diskussion, sondern setzt sie einfach voraus.<br />

So kann man in gewisser Weise von einer „Abkopplung“ des Autors von herrschenden<br />

Standards des Wissenschaftsbetriebs sprechen. Für die Stärke der Innis’schen<br />

Darstellung spricht, dass seine Thesen dennoch auch innerhalb der Kommunikationswissenschaften<br />

von gewissem Einfluss blieben (wenngleich dieser „Erfolg“ gerade in der<br />

Kommunikationswissenschaft teilweise auch auf feedback-Prozesse aufgrund Innis’ Popularität<br />

außerhalb des Faches zurückzuführen ist). Dennoch bleibt die Kritik berechtigt,<br />

dass er seine spekulativen Verfahren in seinen Spätwerken kaum noch reflektiert<br />

und mitunter gar unwissenschaftlich arbeitet, indem er teilweise Argumente aneinander<br />

reiht, wie sie ihm passten, gleichviel, wie stringent die „Nutzung“ des Arguments jeweils<br />

war.<br />

Vor allem diskutiert Innis nicht, ob die untersuchten Strukturen tatsächlich (in der beschriebenen<br />

Form) existieren, und ob und in wie weit andere Strukturen oder auch Prozesse<br />

ihnen entgegenstehen oder ihre Wirksamkeit verändern. Indem er die beschriebenen<br />

Entwicklungen einfach behauptet, stellt er dem Vorwurf, seine Darstellung sei möglicherweise<br />

nur eine mehr oder weniger plausibel klingende fiktionale Darstellung, letztlich<br />

nichts entgegen.<br />

Andererseits ist natürlich richtig, dass Aussagen mit ,großer Reichweite’ zwangsläufig<br />

auch spekulativ sein müssen. Die Konsequenz kann daher nicht lauten, Innis zu ignorieren<br />

oder auf Aussagen mit „großer Reichweite“ insgesamt zu verzichten. Zudem<br />

muss die Tatsache, dass Innis spekulativ arbeitet, nicht bedeuten, dass sein Erklärungsansatz<br />

zwangsläufig falsch oder unzutreffend beziehungsweise (ausschließlich) fiktional<br />

wäre. Eine Theorie kann natürlich auch richtig sein, obwohl ihr Protagonist sie auf<br />

unübliche und möglicherweise nicht unproblematische Art und Weise vertritt.<br />

272


Giessen · Harold A. Innis<br />

Literatur<br />

Acland, Charles R.; Buxton, William J. (Eds.) (1999): Harold Innis in the New Century. Montréal;<br />

Kingston: McGill-Queen’s University Press.<br />

Angus, Ian; Shoesmith, Brian (1993): Dependency/Space/Policy. An Introduction to a Dialogue<br />

with Harold Innis. In: Continuum, Vol 7, No. 1, http://wwwmcc.murdoch.edu.au/Reading-<br />

Room/7.1/Angus&S.html/ (10. Februar 2002).<br />

Benjamin, Walter (1936): Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. In:<br />

Zeitschrift für Sozialforschung Vol. 1. Zitiert nach der Ausgabe: Walter Benjamin, Das Kunstwerk<br />

im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. Drei Studien zur Kunstsoziologie.<br />

Frankfurt am Main: Suhrkamp. 1963, S. 7 – 64.<br />

Foucault, Michel (1969): L’archéologie du savoir. Paris: Gallimard.<br />

Horkheimer, Max; Adorno, Theodor W. (1947): Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente.<br />

Amsterdam: Querido.<br />

Innis, Harold A. (1923): A History of the Canadian Pacific Railway. London: P. S. King.<br />

Innis, Harold A. (1930): The Fur Trade in Canada: An Introduction to Canadian Economic<br />

History. New Haven: Yale University Press; London: Oxford University Press.<br />

Innis, Harold A. (1940): The Cod Fisheries: The History of an International Economy. New Haven:<br />

Yale University Press.<br />

Innis, Harold A. (1942): The Newspaper in Economic Development. In: Journal of Economic Development.<br />

Vol. 2. Pp. 1 – 33.<br />

Innis, Harold A. (1950): Empire and Communications. Oxford: Clarendon Press.<br />

Innis, Harold A. (1951): The Bias of Communication. Toronto: University of Toronto Press.<br />

Innis, Harold A. (1952): Changing Concepts of Time. Toronto: University of Toronto Press.<br />

Innis, Harold A. (1980): The Idea File of Harold Adams Innis. (Edited by William Christian).<br />

Toronto: University of Toronto Press.<br />

Innis, Harold A. (1997): Kreuzwege der Kommunikation. Ausgewählte Texte. (Herausgegeben von<br />

Karlheinz Barck; Übersetzung der englischsprachigen Original-Beiträge von Friedricke von<br />

Schwerin-High). Wien u. a.: Springer.<br />

Jhally, Sut (1993): Communications and the Materialist Conception of History. Marx, Innis and<br />

Technology. In: Continuum, Vol. 7, No. 1, http://www.mcc.murdoch.edu.au/ReadingRoom/<br />

7.1/Jhally.html/ (10. Februar 2002).<br />

Kleinsteuber, Hans J. (1992): Zeit und Raum in der Kommunikationstechnik. Harold A. Innis’<br />

Theorie des „technologischen Realismus“. In: Hömberg, Walter; Schmolke, Michael (Hrsg.):<br />

Zeit, Raum, Kommunikation. München: Ölschläger. S. 319 – 336.<br />

Krotz, Friedrich (2001): Marshall McLuhan Revisited. Der Theoretiker des Fernsehens und die <strong>Medien</strong>gesellschaft.<br />

In: <strong>Medien</strong> und Kommunikationswissenschaft, Vol. 49, No. 1, S. 62 – 81.<br />

Kuhns, William (1971): The Post-Industrial Prophets. New York: Weybright & Talley.<br />

Simanowski, Roberto (2000): Ein Name vor dem Namen. Harold A. Innis als Anreger McLuhans.<br />

In: Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur. Vol. 25, No. 2, S. 218<br />

– 222.<br />

Stamps, Judith (1995): Unthinking Modernity. Innis, McLuhan, and the Frankfurt School. Montréal,<br />

Kingston: McGill University Press.<br />

Strate, Lance (1996): Containers, Computers, and the Media Ecology of the City. In: Media Ecology.<br />

A Journal of Intersections, Fall 1996. http://raven.ubalt.edu/features/media_ecology/articles/96/strate1/strate_1.html/<br />

(10. Februar 2002).<br />

Weber, Max (1984 ff.): Gesamtausgabe (Herausgegeben von Horst Baier, M. Rainer Lepsius, Wolfgang<br />

J. Mommsen, Wolfgang Schluchter, Johannes Winckelmann †). Tübingen: Mohr.<br />

273


Besprechungen<br />

David Buckingham<br />

After the Death of Childhood<br />

Growing Up in the Age of Electronic Media<br />

Cambridge: Polity, 2001. - 245 S.<br />

ISBN 0-7456-1933-9<br />

Anfang der 80er Jahre landete Neil Postman<br />

einen Bestseller mit dem Titel „Das Verschwinden<br />

der Kindheit“, das seiner Meinung nach<br />

vom Fernsehen veranlasst war. Weil Kindheit<br />

mit dem Buch entstanden sei, so Postman, gehe<br />

sie mit dem Fernsehen zu Ende. Worin sah er<br />

die treibende Kraft? Weil elektronische <strong>Medien</strong><br />

keine „Geheimnisse“ bewahren könnten und es<br />

„ohne Geheimnisse“ „so etwas wie Kindheit<br />

nicht geben“ könne, demontiere Fernsehen<br />

Kindheit. Fast 20 Jahre später fragt der Londoner<br />

<strong>Medien</strong>pädagoge David Buckingham, was<br />

denn nach dem Ende der Kindheit, „after the<br />

death of childhood“ käme, und nimmt das <strong>zum</strong><br />

Anlass, das Thema Kindheit und <strong>Medien</strong> zu<br />

entfalten. Was auf den ersten Blick vielleicht<br />

nur als Attraktion erscheint, um, wie Postman<br />

vor zwanzig Jahren, Leser zu gewinnen, entpuppt<br />

sich beim genauen Lesen als differenziertes<br />

Abwägen des theoretischen Rahmens<br />

der kulturellen Beziehung von Kindern und<br />

<strong>Medien</strong>, das schließlich auch die Basis für <strong>Medien</strong>pädagogik<br />

legen will.<br />

Ausgangspunkt ist ein Blick auf gängige Diskurse<br />

zu Kindheit (Kinder als die Bedrohten/<br />

Kinder als Bedrohende), der <strong>Medien</strong> als Teil<br />

dieser Diskurse nicht außer Acht lässt. Selbstverständlich<br />

ist sich Buckingham der theoretischen<br />

Voraussetzung seiner Argumentationsweise<br />

bewusst, weshalb er vom sozialen Konstrukt<br />

der Kindheit ausgeht. Der Gedanken der<br />

Repräsentation von Kindheit (S. 8 ff. „Representing<br />

childhood“) hilft, sowohl die historische<br />

Brücke von der Literatur des 19. Jahrhunderts<br />

zu aktuellen Vorstellungen zu schlagen<br />

als auch von der Einbindung der <strong>Medien</strong> in<br />

Kindheits-Diskurse zu berichten. Im ersten<br />

Teil des Buches referiert Buckingham die<br />

Kindheitskonzepte, die sich explizit auf <strong>Medien</strong><br />

als konstitutivem Teil von Kindheit beziehen.<br />

Informativ ist die Auseinandersetzung mit<br />

neuen Argumentationsmustern (S. 46 ff. „The<br />

new generational rhetoric“), die die mit elektronischen<br />

<strong>Medien</strong> einhergehenden Chancen<br />

für Kinder als prägend für die aktuelle Kindheit<br />

sehen. Buckingham stellt entsprechende Argumentationsfiguren<br />

vor, wie „new powerful<br />

tools for inquiry, analysis, self-expression, influence,<br />

and play“ (S. 47), „digital communications<br />

flash through the most heavily fortified<br />

boarders“ (S. 51).<br />

Der zweite Teil des Buches entfaltet systematisch<br />

die Veränderung von Kindheit (soziale<br />

Orte, Schule und Arbeit, Zeit, Grenzen, Ungleichheit)<br />

sowie die im Bereich der <strong>Medien</strong><br />

(Technologie, Institutionen, Text, Publikum,<br />

Grenzen) und versucht, die Interdependenz<br />

dieser Veränderung zu erkunden. Als erfahrener<br />

Wissenschaftler begnügt sich Buckingham<br />

nicht mit einem einleuchtenden und gerade in<br />

der Popularisierung von Wissenschaft beliebten<br />

Konzept von Veränderung („changing“),<br />

die unhinterfragt zur treibenden Kraft erklärt<br />

wird. Stattdessen diskutiert er das für seinen<br />

Untersuchungsbereich der Kindheit und der<br />

<strong>Medien</strong> relevante Paradigma der Veränderung,<br />

indem er sich auf sein Argumentationsmodell<br />

rückbezieht, nämlich auf die Diskurse über<br />

Kinder und solche, die sich an Kinder richten,<br />

die in ihrer Verschränkung „Kindheit definieren“<br />

(S. 103). Dazu verschafft er sich einen<br />

Überblick, wie Forschung über Kinder als <strong>Medien</strong>nutzer<br />

bzw. als Publikum den Gedanken<br />

der Veränderung objektiviert, u. a. (S. 106 ff.)<br />

mit „action and reaction“, „social audience“,<br />

einem sich ändernden Begriff von Wirklichkeit<br />

(„reality revisited“).<br />

Der dritte Teil des Buches fokussiert den<br />

Gedanken der Veränderung <strong>zum</strong> einen auf das<br />

Thema der Gewaltdarstellungen, das Buckingham<br />

deswegen für „unvermeidlich“ hält, weil<br />

sich die öffentliche Debatte der Beziehung Kinder-<strong>Medien</strong><br />

vom Thema her der Gewalt annähert.<br />

An dieser Stelle scheint auch Buckinghams<br />

pädagogische Idee auf, wenn er „moralischen<br />

Kampagnen“ (S. 144) eine Absage erteilt.<br />

Stattdessen fordert er (S. 144): „We need much<br />

more coherent and consistent initiatives at the<br />

level of educational and cultural policy that will<br />

enable children and parents to become informed,<br />

critical participants in media culture“. Um<br />

diesen Gedanken zu entfalten, beschäftigt sich<br />

Buckingham sowohl mit der Beziehung von<br />

„public“ und „private“ als auch mit der Rolle<br />

öffentlicher Institutionen wie der Schule. Das<br />

geschieht mit den für den aktuellen britischen<br />

und amerikanischen wissenschaftlichen Diskurs<br />

typischen Konzepten von Kindern als<br />

274


Besprechungen<br />

„Consumers“ und „Citizens“. So anregend<br />

diese angloamerikanischen Argumentationsfiguren<br />

für die deutsche <strong>Medien</strong>pädagogikdiskussion<br />

sein kann, die sich mit „<strong>Medien</strong>kompetenz“<br />

doch recht beschränkt oder beschränken<br />

lässt, so könnte u. a. der deutsche Begriff<br />

von Bildung oder der angloamerikanische von<br />

„Subjectivity“ eine gewisse konzeptionelle<br />

Engführung fruchtbar erweitern.<br />

Der Gedanke, Kinder als Subjekte zu sehen,<br />

die einen kulturellen Anspruch an die öffentlichen<br />

<strong>Medien</strong> haben, ein Anspruch, den auch die<br />

großen internationalen Kinderorganisationen<br />

vertreten, entspricht als konkrete Forderung<br />

der Debatte, die sich im Spannungsfeld von<br />

Consumerism und Citizenship bewegt. David<br />

Buckingham – im Moment sicher der führende<br />

Repräsentant der angloamerikanischen <strong>Medien</strong>pädagogik<br />

– schafft es, <strong>Medien</strong>pädagogik<br />

als kulturelle Erziehungsaufgabe konzeptionell<br />

zu begründen. Die Begrenzung auf die zentralen<br />

Modelle des angloamerikanischen Wissenschaftsdiskurses<br />

zur <strong>Medien</strong>pädagogik ist sicherlich<br />

für die deutsche Debatte anregend,<br />

vermutlich auch, weil das Buch die wesentlichen<br />

Argumentationsfiguren und wissenschaftlichen<br />

Diskurslinien erfolgreich verdichtet.<br />

Für die internationale Debatte brächten regionale<br />

Ideen wie die der „Bildung“ oder angloamerikanische<br />

wie die der „Subjectivity“<br />

vielleicht konstruktive Unruhe in die weitere<br />

Entwicklung einer international agierenden<br />

<strong>Medien</strong>pädagogik.<br />

Ben Bachmair<br />

Daniel Rölle / Petra Müller / Ulrich W. Steinbach<br />

Politik und Fernsehen<br />

Inhaltsanalytische Untersuchungen<br />

Wiesbaden: Deutscher Universitätsverlag,<br />

2001. – 302 S.<br />

ISBN 3-8244-4428-3<br />

Die Bedeutung der <strong>Medien</strong> im politischen System<br />

wurde lange von der Politikwissenschaft<br />

unterschätzt. Dies scheint sich in jüngster Zeit<br />

zu ändern, denn immer mehr Politikwissenschaftler<br />

befassen sich in ihrer Forschung nun<br />

auch mit der Massenkommunikation. Einen erfreulichen<br />

Schritt in diese Richtung markiert<br />

der vorliegende Sammelband mit dem Titel<br />

„Politik und Fernsehen“. Veröffentlicht sind<br />

darin drei Magisterarbeiten, die in der politikwissenschaftlichen<br />

Abteilung der Universität<br />

Stuttgart entstanden sind. Zwei der drei<br />

Studien widmen sich dem im Titel anvisierten<br />

Zusammenspiel von Fernsehen und Politik.<br />

Mit Hilfe spezieller Untersuchungsdesigns, die<br />

auf inhaltsanalytisch gewonnen Daten beruhen,<br />

wollen die Autoren mit unterschiedlichen<br />

Fragestellungen das Verhältnis Politik und <strong>Medien</strong><br />

kritisch hinterleuchten: Kann von einer<br />

Amerikanisierung der politischen Fernsehberichterstattung<br />

während Wahlkampfzeiten gesprochen<br />

werden? Und: Findet seit Einführung<br />

des privaten Rundfunks eine Entpolitisierung<br />

der Fernsehprogramme statt?<br />

Zur Beantwortung der letztgenannten Frage<br />

überprüft Ulrich Steinbach die Konvergenzhypothese<br />

anhand einer Programmstrukturanalyse<br />

privater und öffentlich-rechtlicher<br />

Fernsehveranstalter. Hierfür untersucht er das<br />

Fernsehprogramm von ARD, ZDF, SAT.1 und<br />

RTL zwischen 19 und 23 Uhr an jeweils 28<br />

Abenden in den Jahren 1985 bis 1998. Nach einem<br />

methodisch sicheren Vergleich konstatiert<br />

er zwar eine Orientierung der öffentlich-rechtlichen<br />

wie der privaten Anbieter am vermeintlichen<br />

Massengeschmack, also eine Verdrängung<br />

von Informations- und Kulturangeboten<br />

zugunsten von Unterhaltung, Infotainmentund<br />

Mischformaten, lehnt jedoch aufgrund<br />

weiterhin bestehender Differenzen die Vorstellung<br />

eines einfachen Angleichungsprozesses<br />

ab. Im Bewusstsein der Abhängigkeit von der<br />

gewählten Operationalisierung bei Programmanalysen,<br />

erläutert der Autor sein Ergebnis, das<br />

ein weiteres Indiz darstellt für die Verdrängung<br />

der Politik von der Fernsehagenda.<br />

Die Entpolitisierung des Fernsehens ist auch<br />

Thema des Beitrags von Petra Müller. Sie sucht<br />

nach Spuren einer Amerikanisierung in der Berichterstattung<br />

der Fernsehnachrichten vor den<br />

Bundestagswahlen 1987 und 1998. Die Studie<br />

weist eine Reihe theoretischer und methodischer<br />

Mängel auf: So wirkt die Auseinandersetzung<br />

mit dem Begriff der Amerikanisierung<br />

wenig reflektiert, insbesondere weil mögliche<br />

gesellschaftliche Veränderungen, darunter auch<br />

die Ausdifferenzierung der Fernsehmärkte,<br />

völlig unterbelichtet bleiben. Sie sind jedoch<br />

die Stimuli eines Wandels der politischen Berichterstattung.<br />

Diese Entwicklung als Amerikanisierung<br />

zu charakterisieren, ist nur insofern<br />

gerechtfertigt, als den USA hierbei eine<br />

Vorreiterrolle zukommt. Längst haben sich Be-<br />

275


M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />

griffe wie Globalisierung oder Modernisierung<br />

etabliert, die nicht implizieren, ein Wandel der<br />

politischen Kommunikation könnte importiert<br />

werden wie eine Levis Jeans. In Bezug auf das<br />

Design hat sich die Autorin entschieden, 88<br />

während der heißen Wahlkampfphase gesendete<br />

Beiträge aus dem Jahr 1987 mit 203 Beiträgen<br />

aus dem Jahr 1998 von ARD-Tagesthemen,<br />

ZDF-heute-journal und den Hauptabendnachrichten<br />

RTL 7 vor 7 bzw. RTL aktuell zu vergleichen.<br />

Natürlich werden Forscherinnen und<br />

Forscher bei der Sammlung von Datenmaterial<br />

häufig zu Kompromissen gezwungen, unverständlich<br />

ist aber, wenn Probleme der funktionalen<br />

Äquivalenz der Programme sowie das<br />

Problem unterschiedlich großer Samples nicht<br />

thematisiert werden. Die Ergebnispräsentation<br />

schließlich stützt sich auf fünf Tabellen zu<br />

schwach operationalisierten Kategorien: So<br />

werden Personalisierung wie Professionalisierung<br />

der Kommunikation über den Anteil der<br />

Berichte gemessen, die als Hauptthema Wahlkampf<br />

hatten.<br />

Einem ganz anderen Thema widmet sich Daniel<br />

Rölle. Inspiriert von dem Vorwurf, Parteien<br />

könnten ungestraft gegen Wahlversprechen<br />

verstoßen, untersucht er die Verlässlichkeit von<br />

Wahlprogrammen, indem er die programmatischen<br />

Aussagen der großen Parteien im Vorfeld<br />

vierer Bundestagswahlen (1949, 1965, 1969,<br />

1983) mit deren parlamentarischen Aktivitäten<br />

in den folgenden Legislaturperiode vergleicht.<br />

Dem Titel des Sammelbandes wird die Arbeit<br />

insofern nicht gerecht, als sie keine Verbindung<br />

zu Massenmedien herstellt. Interessant ist aber<br />

die inhaltsanalytische Vorgehensweise der Studie:<br />

Der Vergleich beruht auf nach demselben<br />

Muster codierten Programmaussagen und parlamentarischen<br />

Handlungen von Regierung,<br />

Fraktionen und Bundestagsplenum <strong>zum</strong> Thema<br />

„Wohlfahrtsstaat“. Dies ermöglicht dem<br />

Autor, den Einfluss von Regierungskoalitionen,<br />

der Teilhabe an der Regierung bzw. der<br />

Opposition und die zeitliche Entfernung vom<br />

nächsten Wahltermin auf Gesetze, Regierungserklärungen,<br />

Gesetzentwürfe, Anträge und Beschlussfassungen<br />

zu untersuchen. Das Design<br />

und die Einschränkung auf ein Thema resultieren<br />

in einer plausibel erklärten Analyse mit<br />

dem Ergebnis: Die Parteien unterscheiden sich<br />

hinsichtlich ihrer programmatischen Aussagen<br />

und ihres parlamentarischen Handelns und in<br />

der Tat gibt es einen Zusammenhang zwischen<br />

Programm und späterem Handeln.<br />

Zusammenfassend stellen die drei Beiträge<br />

methodisch mehr oder weniger versierte Inhaltsanalysen<br />

dar. Die im Anhang abgedruckten<br />

Codebücher schaffen große Transparenz.<br />

Die Präsentation der Studien selbst folgt dem<br />

gleichen Muster: Einleitung, Untersuchungsgegenstand,<br />

Forschungsstand, Hypothesengenerierung,<br />

Operationalisierung, Ergebnisse,<br />

Ausblick. Diese klare Strukturierung erlaubt,<br />

den Forschungsprozess Schritt für Schritt<br />

nachzuvollziehen, auch wenn Spannung und<br />

Lesefreude darunter leiden. Schade ist, dass die<br />

Datenauswertung auf 7 bis 25 Seiten pro Beitrag<br />

viel zu kurz kommt. Aus den <strong>zum</strong> Teil aufwändig<br />

gewonnenen Daten hätten sicherlich<br />

Erkenntnisse gezogen werden können, die weit<br />

mehr geleistet hätten als theoretische Funktionsdefinitionen<br />

von Parteiprogrammen, Vergleiche<br />

zwischen Bundeskanzler und US-Präsident<br />

oder eine 20-seitige Nacherzählung der<br />

deutschen Rundfunkgeschichte inklusive Fernsehurteilen.<br />

Sie hätten möglicherweise das Potenzial<br />

gehabt, das Wissen um die Rolle der<br />

Massenmedien im politischen Prozess um eine<br />

genauere Analyse dessen zu bereichern, wie<br />

diese denn aussieht.<br />

Das Fazit der Bewertung des Sammelbandes<br />

muss schließlich ambivalent bleiben: Für Einsteiger<br />

in den Bereich der empirischen politischen<br />

Kommunikationsforschung haben die<br />

Autoren einen lehrreichen Sammelband vorgelegt.<br />

Diejenigen aber, die jenseits des Status<br />

Quo neue Befunde suchen, werden eher enttäuscht<br />

sein.<br />

Barbara Berkel<br />

Jürg Häusermann (Hrsg.)<br />

Inszeniertes Charisma<br />

<strong>Medien</strong> und Persönlichkeit<br />

Tübingen: Niemeyer, 2001. – 160 S.<br />

(<strong>Medien</strong> in Forschung + Unterricht, Ser. A; 50)<br />

ISBN 3-484-34050-9<br />

Georg Franck verwies in seiner Ökonomie der<br />

Aufmerksamkeit auf das Maß kollektiver Beachtung<br />

als neues Kriterium für die soziale Differenzierung<br />

in der Gesellschaft. Prominente<br />

nutzen die bereits erlangte Aufmerksamkeit<br />

und verkaufen sich selbst als Markenartikel der<br />

<strong>Medien</strong>gesellschaft. <strong>Medien</strong>wirksame Ausstrahlung<br />

ersetzt auf diesem Markt zunehmend<br />

276


Besprechungen<br />

Kompetenz. Im Jahr 2001 brach zwischen<br />

Verona, Naddel und Jenni der „Luderkrieg“<br />

um die Beachtung der <strong>Medien</strong> als Einnahmequelle<br />

aus. <strong>Medien</strong>gerechte Selbstinszenierung<br />

ist zentrales Marketinginstrument für den Markenartikel<br />

Mensch. Welche Rolle die traditionelle<br />

Eigenschaft der Ausstrahlung, des Charismas,<br />

in unterschiedlichen Inszenierungsformen<br />

der <strong>Medien</strong>, Politik und Kultur spielt, war Gegenstand<br />

einer Vorlesungsreihe an der Universität<br />

Tübingen, die Jürg Häusermann in dem<br />

nun vorliegenden Sammelband dokumentiert.<br />

„Der Titel Inszeniertes Charisma spielt zunächst<br />

auf einen Charisma-Begriff an, wie er<br />

sich im Alltag festgesetzt hat.“ (3)<br />

Die einzelnen Beiträge verbinden auf unterschiedliche<br />

Weise Ergebnisse der Charisma<br />

Forschung der Soziologie (Max Weber), Theologie<br />

und der Persönlichkeitspsychologie, die<br />

Häusermann in seiner Einleitung vorstellt. In<br />

der Theologie etablierte sich das Verständnis<br />

vom Charisma als Begabung. Als Gnadengabe<br />

ist sie „ein Faktor, der das Funktionieren des<br />

Gemeinwesens sichert.“ (5) Max Weber griff in<br />

seiner soziologischen Theoriebildung auf diese<br />

theologischen Erklärungsmuster zurück. Für<br />

die Legitimation von Herrschaft seien nicht allein<br />

politische Faktoren ausreichend. Charismatische<br />

Herrscher zeichneten sich vielmehr<br />

durch ein hohes Maß an ihnen entgegengebrachtem<br />

Vertrauen, „die Bewältigung existentieller<br />

Krisensituationen und eine Gemeinschaft<br />

überzeugter Anhänger aus.“ (6) Der Historiker<br />

Hans-Ulrich Wehler ordnet diese<br />

Merkmale dem Prozess der Karriere zu. „Vertrauensbildung<br />

durch ungewöhnliche Leistungen,<br />

Meisterung existentieller Krisensituationen,<br />

Bildung einer Gemeinschaft überzeugter<br />

Anhänger, außergewöhnliche Finanzierungsmethoden,<br />

Karriere-Ende durch Tod, durch<br />

Scheitern in oder aus Mangel an Krisen, oder<br />

durch Traditionalisierung und Legalisierung<br />

der Herrschaft.“ (6) Kernbereich der Charisma-Definitionen<br />

aus unterschiedlichen Disziplinen<br />

bleibt „die außerordentliche Befähigung,<br />

die man der entsprechenden Persönlichkeit<br />

zuschreibt.“ (6) Mit den <strong>Medien</strong>, so Häusermann,<br />

löse sich das Charisma von der<br />

Bindung an eine Person, sondern werde Phänomen<br />

einer <strong>Medien</strong>botschaft. Gerade im Bereich<br />

der Begriffsklärung enthalten die Beiträge<br />

des Sammelbandes zahlreiche vermeidbare<br />

Doppelungen. Auch scheint das Verfahren des<br />

Ranking ein beitragsübergreifender Versuch zu<br />

sein, die Ausstrahlung von Persönlichkeiten<br />

empirisch fassbar zu machen.<br />

Gert Ueding gibt einen ebenso umfassenden<br />

wie detailgenauen historischen Überblick zu<br />

den Ursprüngen der Charisma-Vorstellung<br />

und zu den grundlegenden rhetorischen Möglichkeiten,<br />

eine charismatische Ausstrahlung zu<br />

erzeugen. Diese Analyse erklärt die besondere<br />

Anziehungskraft politischer Rednerfiguren in<br />

Vergangenheit und Gegenwart.<br />

Innerhalb der historischen Entwicklung von<br />

Charisma-Vorstellung nimmt der Geniekult<br />

des 18. Jahrhunderts eine Schlüsselrolle ein, da<br />

er die Grundlage der Herausbildung des modernen<br />

Individuums bildet. Hans-Georg Kemper<br />

versucht, das Element des Charismas in den<br />

zeitgenössischen Genie-Konzepten von Autoren<br />

der Goethezeit (u.a. Klopstock, Goethe,<br />

Herder) herauszuarbeiten, und stellt es in den<br />

historischen Kontext der Krise von Welterklärungsmodellen.<br />

Charismatische Führerpersönlichkeiten,<br />

so eine in vielen Beiträgen enthaltene<br />

These, sind immer dann gefragt, wenn<br />

etablierte grundlegende Erklärungsmodelle an<br />

Wirkungskraft verlieren.<br />

Christian Soboth stellt am Beispiel Adolf<br />

Hitlers dar, welchen Einfluss politische und sozioökonomische<br />

Bedingungen und die <strong>Medien</strong><br />

auf die Form der Selbst- und Fremdinszenierung<br />

von Charisma haben. Soboth integriert<br />

dabei auch historische Erklärungsmuster, wie<br />

etwa die Charisma förderliche Krise der zehner<br />

und zwanziger Jahre, die er anhand von literarischen<br />

Texten (von Unruh, Toller, George) erläutert.<br />

Konsequent analysiert er „Mein<br />

Kampf“ als Autobiografie eines Charismatikers,<br />

der sein Leben als „Pilgerschaft auf Erden<br />

im Lichte der Vorsehung und des Schicksals betrachtet“<br />

(133). Hitler integriert auch die<br />

Feindbilder in seinen Text, die zur damaligen<br />

Zeit aktuell waren, und nutzt für seine Darstellung<br />

in der bildenden Kunst damals bekannte<br />

Wirkungsmuster.<br />

Hartmut Gabler beginnt seine empirischen<br />

Analysen zu charismatischen Persönlichkeiten<br />

im Sport mit der Frage, ob körperliche Konstitution,<br />

Charakter- und Temperamentsmerkmale<br />

oder das Selbstkonzept eine Persönlichkeit<br />

im Sport ausmache. Sind es eigentlich die<br />

<strong>Medien</strong>, die das Charisma von Sportlern inszenieren<br />

oder ist Charisma Faktor der Selbstinszenierung<br />

von Sportlern? Schließlich sieht Gabler<br />

die Rolle der <strong>Medien</strong> als Verstärker bereits<br />

bestehenden Charismas an. Gabler weist auf<br />

277


M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />

die Bedeutung der Rezeption für die Konstruktion<br />

von Charisma hin, wenn er als Ergebnis<br />

seiner empirischen Befragung festhält, dass es<br />

bei der Bescheinigung von Charisma „auch auf<br />

die individuelle Wahrnehmung dieser Personen<br />

durch die Rezipienten ankommt.“ (17) Es entstehe<br />

eine gegenseitige Wechselwirkung, die<br />

dazu führe, „dass den einen mehr und den anderen<br />

weniger Charisma bescheinigt wird.“<br />

(17) Untersuchungen <strong>zum</strong> Bereich Fankultur,<br />

etwa seitens der Cultural Studies, integriert Gabler<br />

trotz dieser Diagnose nicht. Dafür greift er<br />

auf den Ansatz von Hans-Ulrich Wehler zurück,<br />

wenn er konstatiert: „Im Sport basiert die<br />

Entwicklung charismatischer Persönlichkeiten<br />

zunächst auf der Entwicklung der sportlichen<br />

Karriere. Hinzu kommt die Entwicklung im<br />

privaten Bereich und die mediale Vermarktung<br />

dieser beiden Bereiche der Persönlichkeitsentwicklung.“<br />

(25) Seine Ergebnisse gelten auch<br />

außerhalb seines engen Gegenstandsbereichs.<br />

„Charisma entwickelt sich im sozialen Kontext<br />

und im Rahmen des jeweiligen Zeitgeistes.“<br />

(27)<br />

Ute Bechdolf versucht durch Analysen der<br />

Ikonen Marlene, Marilyn und Madonna dem<br />

Problem weiblichen Charismas und seiner<br />

Konstruktion auf die Spur zu kommen. In den<br />

zahlreichen Rankings charismatischer Persönlichkeiten<br />

sind Frauen deutlich unterrepräsentiert,<br />

und auch in den <strong>Medien</strong> werden Frauen<br />

selten charismatische Eigenschaften zugesprochen,<br />

viel häufiger jedoch ihr Fehlen kritisiert.<br />

„Weiblichkeit und Charisma sind im journalistischen<br />

Diskurs offensichtlich unvereinbar.“<br />

(34) Das vermag Bechdolf anhand einer Auswertung<br />

von Jahrgängen der FAZ und der TAZ<br />

auch empirisch zu belegen. In ihren Analysen<br />

weiblicher Ikonen mischt sie Figuren- und Rollenimage<br />

und gibt so entscheidende Differenzierungen<br />

für Erklärungsmuster auf. Ihr Fazit<br />

„Da Frauen bis auf wenige Ausnahmen aus der<br />

Definition von Charisma ausgeschlossen sind,<br />

trägt die unkritische Verwendung des Begriffs<br />

dazu bei, die ungleichen Machtverhältnisse<br />

zwischen den Geschlechtern immer wieder neu<br />

herzustellen“ könnte den Ausgangspunkt für<br />

eine neue Diskussion der Begriffsverwendung<br />

bilden. Gerade im Bereich der Gendertheorien<br />

etwa bei Judith Butler lassen sich noch weitere<br />

Implikationen für die Charisma-Forschung<br />

finden.<br />

Jürgen Wertheimer verzichtet in seiner Analyse<br />

der Selbstinszenierung deutscher Autoren<br />

gerade auf die Generation, die eine besondere<br />

Kompetenz im Umgang mit den <strong>Medien</strong> aufweisen,<br />

die Vertreter der Popliteratur wie Benjamin<br />

von Stuckrad-Barre. Sie passen wohl<br />

nicht in das von ihm besonders betonte Klischee<br />

vom Autoren „als Außenseiter, als poète<br />

maudit zwischen Genie und Wahnsinn – spätromantische<br />

Kultfigur und bürgerliches Schreckensbild<br />

in einem.“ (118) Wertheimer stellt<br />

unterschiedliche Modelle inszenierter Selbst-<br />

Präsentation, wie etwa die Imitation von Originalität<br />

oder sexualneurotisches Outing.<br />

Der Theologe Hans Norbert Janowski löst<br />

sich vom Aspekt des besonderen Charismas<br />

und beschreibt die allgemeine Rolle der Person<br />

in der medialen Vermittlung am Beispiel von<br />

Moderatoren, Ansagerinnen. Nahtlos ist sein<br />

Übergang schließlich auch zu den Rollenkonzepten<br />

von Arzt- und Krankenhausserien. Die<br />

Personenbindung dient ihm als Erklärungspotenzial<br />

für die <strong>Medien</strong>wirkung. „Die Person im<br />

Medium erweckt Vertrauen und gibt Halt, sie<br />

hält zugleich die Aufmerksamkeit für die Unterscheidung<br />

von Realität und Fiktion wach,<br />

und dies gerade dadurch, dass sie beide Dimensionen<br />

im Medium verbindet.“ (45) Moderatoren<br />

versuchen den Eindruck von Authentizität<br />

und Glaubwürdigkeit herzustellen, um sich<br />

so als Vertraute der Zuschauer zu etablieren.<br />

„Nicht das belehrende Gegenüber, sondern die<br />

nachbarschaftliche Nähe geben im Massenmedium<br />

den Ausschlag“ (47), so die These Janowskis.<br />

Die Sendeanstalten versuchen, die erreichte<br />

Präsenz der Moderatoren zu Markenartikeln<br />

aufzublasen. (48) Janowski erwähnt mit Karl<br />

Dall und Joachim Steinhöfel auch die Gegenmodelle,<br />

die sich als Antitypen inszenieren und<br />

so länger in Erinnerung bleiben.<br />

Der <strong>Medien</strong>berater Christoph Fasel beschreibt<br />

zunächst die Personalisierung als journalistisches<br />

Grundprinzip, um sich dann mit<br />

der Produktion von Charisma durch die <strong>Medien</strong>,<br />

insbesondere durch das breitenwirksame<br />

Fernsehen, zu befassen. Bei seinen Ausführungen<br />

<strong>zum</strong> Gefühlsfernsehen wäre eine explizite<br />

Auseinandersetzung mit den Untersuchungen<br />

von Jo Reichertz wünschenswert gewesen.<br />

Restlos deplatziert wirken seine moralischen<br />

Appelle an die <strong>Medien</strong>unternehmen.<br />

Es bleibt trotz der detailgenauen Analysen<br />

auch in diesem Band immer noch ein Rest des<br />

Unerklärlichen. Gabler etwa spricht von vielfältigen<br />

„im Einzelnen nicht genau bestimmbaren<br />

Persönlichkeitsmerkmalen.“ (27) Gerade<br />

278


Besprechungen<br />

dieser Bereich, der sich auch mit dem abstrakt<br />

esoterischen Begriff der „Aura“ umschreiben<br />

ließe, bleibt auch in diesem Sammelband trotz<br />

der interessanten Einzelanalysen im Bereich<br />

des Unnennbaren.<br />

Joan Kristin Bleicher<br />

Martin K. W. Schweer (Hrsg.)<br />

Der Einfluss der <strong>Medien</strong><br />

Vertrauen und soziale Verantwortung<br />

Opladen: Leske + Budrich, 2001. – 222 S.<br />

ISBN 3-8100-3013-9<br />

„Vertrauen diejenigen, welche das <strong>Medien</strong>angebot<br />

gestalten, auf einen sozial verantwortlichen<br />

Umgang mit ihrem Angebot oder darf der<br />

Rezipient auf ein a-priori sozial verantwortliches<br />

Angebot vertrauen? Haben die <strong>Medien</strong> einer<br />

sozialen Verantwortung gerecht zu werden<br />

oder dürfen sie darauf vertrauen, dass ihre Rezipienten<br />

mit dem Angebot sozial verantwortlich<br />

umgehen?“ (S. 7) Mit diesen vier Teilfragen<br />

versucht der Herausgeber Martin K. Schweer,<br />

den Problemfokus des hier vorzustellenden Tagungsbandes<br />

zu verdeutlichen: Sie beschreiben<br />

ein beim näheren Hinsehen äußerst komplexes<br />

Beziehungsgefüge von öffentlicher Kommunikation,<br />

Verbreitungsmedien und individueller<br />

Rezeption und bedürfen einer sehr sorgfältigen<br />

theoretischen und methodischen Analyse. Diese<br />

sollte bereits bei der Definition dessen anfangen,<br />

was unter „Vertrauen“ verstanden wird<br />

oder verstanden werden sollte (vgl. hierzu<br />

Wirth 1999, S. 52).<br />

Abgesehen davon, dass die erste und die vierte<br />

dieser Teilfragen so gut wie identisch sind,<br />

werden damit aber bereits alle Begriffe und Fragen<br />

genannt, die im Weiteren, d. h. im gesamten<br />

Buch, wenn überhaupt nur äußerst vage<br />

erörtert werden: Was verstehen der Herausgeber<br />

und die Autoren unter Vertrauen und unter<br />

Glaubwürdigkeit, was unter „den“ <strong>Medien</strong>,<br />

und was unter der sozialen Verantwortung sowohl<br />

derselbigen als auch „der“ Rezipienten?<br />

Statt sorgfältiger Begriffsklärungen verweist<br />

Schweer in seiner Einleitung auf Schmuddeltalkshows,<br />

Gladbecker Geiseldrama, Barschel-<br />

Foto und – sie darf natürlich nicht fehlen – die<br />

Globalisierung. Solchermaßen in Aufregung<br />

versetzt, wird der Leser, so vielleicht das Kalkül,<br />

schon nicht mehr nachfragen, was denn mit<br />

dem Satz gemeint sein könne, dass der Einfluss<br />

der <strong>Medien</strong> mehr denn je im Spannungsfeld von<br />

Vertrauen einerseits und sozialer Verantwortung<br />

andererseits stehe (S. 10).<br />

Die nun folgenden Beiträge sind zwei Abteilungen<br />

zugeordnet: „Massenmedien in der Gesellschaft“<br />

und „Die Neuen <strong>Medien</strong> – eine neue<br />

(<strong>Medien</strong>-)Gesellschaft“. Es finden sich lesenswerte<br />

Artikel wie jener der Kölner Psycholog(inn)en<br />

Margrit Schreier, Norbert Groeben,<br />

Jutta Rothmund und Irmgard Nickel-Bacon<br />

zur gar nicht so eindeutigen Rezeption realer<br />

und fiktionaler <strong>Medien</strong>angebote oder, am Beispiel<br />

von Computerspielen, vom Bielefelder<br />

Pädagogen Johannes Fromme zur Kontrolle<br />

der <strong>Medien</strong>nutzung Heranwachsender durch<br />

die Erwachsenen, um nur zwei Beispiele zu<br />

nennen. Diese Beiträge sind anregend und<br />

nutzbringend zu lesen.<br />

Es finden sich allerdings auch Texte wie die<br />

– will man sie wissenschaftlich bewerten – billige<br />

Polemik der Paderborner <strong>Medien</strong>wissenschaftlerin<br />

Gudrun Schäfer gegen einen Teil der<br />

deutschen Journalismusforschung, wie der Beitrag<br />

des (damaligen) Bielefelder Pädagogen<br />

Ralf Vollbrecht zur Realitätskonstruktion der<br />

<strong>Medien</strong>, der zu einem chronologisch abgespulten,<br />

unkritischen Referat über Luhmanns<br />

„Realität der <strong>Medien</strong>“ gerät und abrupt endet,<br />

das aufgesetzte Reden des Tübinger <strong>Medien</strong>informatikers<br />

Frank Bechter über „Internet:<br />

Zen oder Zauberlehrling“, oder Pierangelo Masets,<br />

beschäftigt mit Ästhetischer Erziehung an<br />

der Universität Lüneburg, nicht wirklich systemtheoretische<br />

Abhandlung über angebliche<br />

Komplexitätsreduktion durch virtuelle Welten.<br />

Diese Beiträge wirken uninspiriert und bieten<br />

keinen wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn.<br />

Beide Textsorten haben allerdings eine Gemeinsamkeit,<br />

und die gilt auch für den Beitrag<br />

des einzigen Kommunikationswissenschaftlers<br />

Christoph Kuhlmann aus Ilmenau, der, wie<br />

schon in Schweers 2000 erschienenem Sammelband<br />

„Politische VERTRAUENSKRISE in<br />

Deutschland?“ (Hvhg. im Orig.), aus seiner<br />

Studie zur medialen Vermittlung politischer<br />

Begründungen berichtet: Die Artikel haben so<br />

gut wie nichts mit dem eigentlichen Thema des<br />

Sammelbandes zu tun. Da sie sich in einem weiten<br />

Begriffsverständnis mit <strong>Medien</strong> beschäftigen,<br />

thematisieren sie natürlich auch irgendwie<br />

deren Einfluss, und auch ein wohlweislich<br />

nie definierter Begriff wie Vertrauen lässt sich<br />

(dann) immer irgendwo unterbringen. Sofern<br />

überhaupt von Vertrauen die Rede ist, wirkt<br />

279


M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />

der Zusammenhang merkwürdig bemüht, so<br />

als sei der Begriff dem jeweiligen Thema nachträglich<br />

aufgepfropft worden.<br />

Nur ein Beitrag widmet sich explizit dem<br />

Vertrauen in <strong>Medien</strong>: die vom Herausgeber<br />

durchgeführte Befragung <strong>zum</strong> Vertrauen in das<br />

Fernsehen. Diese Studie erhebt zunächst die<br />

unterschiedlichen Nutzungsmotive für Nachrichten-<br />

und Unterhaltungssendungen im<br />

Fernsehen, schert danach beide Typen von Sendungen<br />

mit der Frage nach „der“ Vertrauenswürdigkeit<br />

„des“ Fernsehens aber wieder über<br />

einen Kamm, erfragt im Anschluss Merkmale<br />

einer (welcher?) vertrauenswürdigen Sendung<br />

und bezieht dann diesen Begriff von Vertrauenswürdigkeit<br />

wiederum auf Nachrichten- und<br />

Unterhaltungssendungen zugleich. Da die Befragten<br />

sich bei der Frage nach „der“ vertrauenswürdigen<br />

Sendung erkennbar nur auf<br />

Nachrichtensendungen beziehen, kommen bei<br />

der abschließenden Vergleichsfrage die Unterhaltungssendungen<br />

schlecht weg. Schweer<br />

weist zwar selbst zu Anfang darauf hin, dass<br />

Vertrauenswürdigkeit eine Funktion der Einlösung<br />

von Erwartungen sei (wenngleich Vertrauen<br />

auch hier nicht definiert wird), setzt aber<br />

dieses wichtige Postulat in seiner Studie nicht<br />

um. Die „Vertrauenswürdigkeit“ von Unterhaltungssendungen<br />

könnte, so meine Vermutung,<br />

vielleicht eher in deren Unterhaltungsfunktion<br />

gesehen werden, jedenfalls nicht in<br />

der Erfüllung von Realitätsnähe oder Aktualität.<br />

Das Fazit aber sollte die Kommunikationsund<br />

<strong>Medien</strong>wissenschaft aufhorchen lassen,<br />

wird doch, so Schweer, durch die jeweils unterschiedliche<br />

Nutzung und Rezeption von „Tagesschau“<br />

(Orientierung) und „Gute Zeiten,<br />

schlechte Zeiten“ (Unterhaltung) der „Usesand-Gratifications-Ansatz“<br />

bestätigt: „Obwohl<br />

den Nachrichten kein besonders hoher<br />

Unterhaltungswert bescheinigt wird, werden<br />

sie häufig gesehen, wohl wegen ihres hohen Informationswertes.“<br />

(S. 31) Zudem bedeute starke<br />

Nutzung nicht auch hohes Vertrauen, da ja<br />

nur Nachrichtensendungen vertraut würde,<br />

nicht aber Unterhaltungssendungen. Darauf<br />

muss man erst einmal kommen.<br />

Meine Kritik an diesem Sammelband konzentriert<br />

sich in einer Frage, die so manchem<br />

Leser und so mancher Leserin schon einmal<br />

spontan in den Sinn gekommen sein mag: Muss<br />

eigentlich jede Tagung als Sammelband publiziert<br />

werden? Und: Sind wissenschaftliche Verlage<br />

eigentlich noch vertrauenswürdige Selektionsinstanzen?<br />

Diese Frage stellte sich mir,<br />

als ich auf der Rückseite dieses hübsch eingebundenen<br />

Bandes las, was der Verlag Leske +<br />

Budrich dem Käufer so alles verspricht: Das<br />

Buch „bietet einen fundierten Überblick über<br />

den aktuellen Stand der interdisziplinären <strong>Medien</strong>forschung“,<br />

im „Mittelpunkt stehen jeweils<br />

Fragen des Vertrauens als zentraler Einflussvariable<br />

auf die <strong>Medien</strong>nutzung und -rezeption“<br />

und auf Grund dessen „stellt der Band<br />

nicht zuletzt ein Grundlagenwerk für Studierende<br />

dar, die sich mit Fragen der <strong>Medien</strong>forschung<br />

beschäftigen wollen“. Das ist mit Verlaub<br />

nicht mehr nur legitime Lobrede, sondern<br />

grenzt an (von Verlagsseite wahrscheinlich<br />

nicht zwingend gewollte, aber billigend in Kauf<br />

genommene) Irreführung. – Wie war das? Vertrauen<br />

hängt davon ab, dass Erwartungen auch<br />

tatsächlich erfüllt werden. Ist dies auf Dauer<br />

nicht der Fall, verkaufen sich auch Bücher zunehmend<br />

schlechter.<br />

Matthias Kohring<br />

Literatur:<br />

Wirth, Werner (1999): Methodologische und<br />

konzeptionelle Aspekte der Glaubwürdigkeitsforschung.<br />

In: Rössler, Patrick/<br />

Wirth, Werner (Hrsg.): Glaubwürdigkeit<br />

im Internet. Fragestellungen, Modelle, empirische<br />

Befunde. München: Verlag Reinhard<br />

Fischer, S. 47 – 66.<br />

Christian Grüninger / Frank Lindemann<br />

Vorschulkinder und <strong>Medien</strong><br />

Eine Untersuchung <strong>zum</strong> <strong>Medien</strong>konsum von<br />

drei- bis sechsjährigen Kindern unter besonderer<br />

Berücksichtigung des Fernsehens<br />

Opladen: Leske + Budrich, 2000. – 198 S.<br />

(GMK-Schriftenreihe;12)<br />

ISBN 3-81000-2621-2<br />

Wie kleine Kinder im Alter von drei bis sechs<br />

Jahren die <strong>Medien</strong> nutzen und welche sie präferieren,<br />

dies erhoben die beiden Autoren für ihre<br />

Dissertation an der Universität Bielefeld 1996<br />

bei 1028 Kindern in Bielefeld und Gütersloh.<br />

Getreu den Vorschlägen ihres Mentors, des<br />

verstorbenen Pädagogen Dieter Baacke, berücksichtigen<br />

sie dabei auch sozialökologische<br />

Faktoren bei den zu untersuchenden Familien,<br />

280


Besprechungen<br />

wie ihren sozialen Status bzw. ihr Milieu, die<br />

Wohn- und Betreuungssituation der Kinder,<br />

die sonstigen Freizeitaktivitäten der Familie<br />

und die Geräteausstattung, so dass ein recht enges,<br />

vielfältiges Geflecht von Beeinflussungen<br />

sichtbar wird. Allerdings fehlen gewissermaßen<br />

die erzieherischen und normativen Perspektiven,<br />

die bei Eltern gerade von Kindern diesen<br />

Alters wichtig sind. Denn wenn Eltern überhaupt<br />

noch den <strong>Medien</strong>konsum ihrer Kinder<br />

erzieherisch begleiten oder gar kontrollieren,<br />

dann tun sie es nachweislich bei ihren kleinen<br />

Kindern am nachdrücklichsten und konsequentesten.<br />

Von den <strong>Medien</strong> in Betracht kommen Bilderbücher,<br />

Hörspiel- und Musikkassetten, Radio,<br />

Videofilme, Video- und Computerspiele<br />

sowie besonders das Fernsehen, für dessen<br />

Nutzung und Programmvorlieben besagte<br />

Korrelationen ermittelt werden. Erhoben wurden<br />

die Daten bei den Eltern von Kindern, die<br />

über Kindergärten erreicht wurden, also vermutlich<br />

vornehmlich bei den Müttern, und<br />

zwar mittels eines schriftlichen, anonymisierten<br />

Fragebogens (der entgegen der Ankündigung<br />

in der Publikation nicht enthalten ist),<br />

und bei zwanzig Familien mittels eines Tagebuchs<br />

für zwei Wochen. Mit ihm sind einige<br />

qualitative Fallstudien über den Tagesablauf<br />

von Kindern und ihrer Familien erstellt worden<br />

und in dem Buch verstreut. Dass sich bei den<br />

quantitativen Angaben Ungenauigkeiten oder<br />

absichtliche Verzerrungen ergeben können, ist<br />

den beiden Autoren bewusst, aber sie kontrollieren<br />

sie nicht methodisch. Beispielweise liegen<br />

– fast erwartungsgemäß - die Quoten der<br />

durchschnittlichen Fernsehnutzung der Kinder<br />

pro Tag zehn Minuten unter denen der GfK-<br />

Messung (S. 107), die bekanntlich ab 1995 ein<br />

neues Panel für die Drei- bis Fünfjährigen einrichtete<br />

und seither diese Altersgruppe in die so<br />

genannte Fernsehstandardforschung einbezieht.<br />

Unter den 1028 Kindern waren auch 106<br />

nicht-deutscher Nationalität, darunter 71 Kinder<br />

in türkischen Haushalten. Diese Bevölkerungsgruppe<br />

ist bislang von der <strong>Medien</strong>forschung<br />

kaum beachtet worden und verdient daher<br />

besondere Beachtung. Allerdings scheinen<br />

auch für diese Studie – trotz einer löblichen türkischen<br />

Übersetzung des Fragebogens – nicht<br />

alle Auskunftsbarrieren überwindbar gewesen<br />

zu sein, denn die Ausführungen bleiben recht<br />

abstrakt und deskriptiv, eben entlang der erhobenen<br />

quantitativen Daten. Wenn die Autoren<br />

resümieren, „bei den türkischen Familien [sei]<br />

ein kulturell anders geprägter, weniger restriktiver<br />

und mehr alltagsintegrativer Umgang mit<br />

dem Fernsehen festzustellen“ (S. 188), dann<br />

stützt sich diese Aussage allenfalls auf Daten<br />

zur (längeren) Dauer und (größeren) Häufigkeit<br />

der Fernsehnutzung der türkischen Kinder<br />

– wobei die schichtspezifischen Proportionen<br />

der türkischen zu den deutschen Familien noch<br />

ins Gewicht fallen –, nicht aber auf zusätzliche<br />

und eigentlich erforderliche qualitative, kulturspezifische<br />

Angaben.<br />

Für die deutschen Kinder bestätigt diese Studie,<br />

deren Daten nunmehr fast fünf Jahre<br />

zurückliegen, die bereits bekannten: Insofern<br />

ist die Studie entgegen des vollmundigen<br />

Selbstlobs eingangs weder von ihrer Zielsetzung<br />

und Methodik noch in ihren Befunden ein<br />

„Novum“ (S. 10), sondern eine korrekte und<br />

nachvollziehbare, neuerliche empirische Bestätigung<br />

und Differenzierung weitgehend bekannter<br />

Daten und Zusammenhänge – <strong>zum</strong>al<br />

die Autoren oftmals auf andere einschlägige<br />

Studien verweisen und deren Daten mit den<br />

ihren vergleichen.<br />

Immerhin könnten die GfK-Messungen aus<br />

den vorliegenden Erhebungen die eine oder andere<br />

Erweiterung ihres Datenarsenals aufgreifen<br />

und ihre nunmehr periodisch erhobenen<br />

Nutzungsprofile damit anreichern: Schon bei<br />

den kleinen Kinder ist <strong>Medien</strong>nutzung ein vielschichtiges<br />

Geflecht von Tätigkeiten und Vorlieben,<br />

noch mit dem Fernsehen als Leitmedium.<br />

Ihre Familien und die sie strukturierenden<br />

soziodemografischen und situativen Faktoren,<br />

die so genannten Milieudifferenzen bis hin zu<br />

den Raumoptionen und Spielmöglichkeiten beeinflussen<br />

die <strong>Medien</strong>nutzung der Kindern<br />

nachweislich, außerdem sind Geschlecht und<br />

Alter der Kinder von Belang. Noch immer bevorzugen<br />

Mädchen die weniger technischen,<br />

aber fantasiebetonten <strong>Medien</strong> im Vergleich zu<br />

den Jungen. Ebenso sind die sonstigen Freizeitaktivitäten<br />

der Familien von Bedeutung und<br />

schlagen bei Kindern diesen Alters noch immer<br />

jegliche <strong>Medien</strong>attraktionen. Insofern prägen<br />

ungünstige Sozialisationsbedingungen schon<br />

Quantum und Qualität der <strong>Medien</strong>nutzung.<br />

Ob sie bereits einen „Trend zur medialen Zweiklassengesellschaft“<br />

markieren, wie die Autoren<br />

vermuten (S. 192), sei dahingestellt.<br />

Hans-Dieter Kübler<br />

281


M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />

Jürgen Wilke<br />

Grundzüge der <strong>Medien</strong>- und Kommunikationsgeschichte<br />

Von den Anfängen bis ins 20. Jahrhundert<br />

Köln/Weimar/Wien: Böhlau, 2000. – 436 S.<br />

ISBN 3-412-07300-8<br />

Das neue, nicht nur wegen seines Volumens beeindruckende<br />

Werk von Jürgen Wilke verfolgt<br />

die Geschichte der publizistischen Massenmedien<br />

in Deutschland und dem deutschsprachigen<br />

Kulturraum Europas von ihren Anfängen<br />

bis ins 20. Jahrhundert (Weimarer Republik).<br />

Wenn man bedenkt, dass der Mainzer <strong>Medien</strong>historiker,<br />

dessen Namen schon seit Jahren<br />

auch in der internationalen Scientific Community<br />

ein Begriff ist, auch eine <strong>Medien</strong>geschichte<br />

der Bundesrepublik (Köln/Weimar/Wien<br />

1999), ein Werk über Pressepolitik und Propaganda<br />

vom Vormärz bis <strong>zum</strong> Kalten Krieg<br />

(Köln/Weimar/Wien 1997) und zahlreiche andere<br />

größere und kleinere Abhandlungen über<br />

die deutsche <strong>Medien</strong>geschichte verfasst hat,<br />

kann man behaupten, dass mit seiner neuesten<br />

Arbeit nun von ihm als Gesamtwerk eine geschlossene<br />

mediengeschichtliche Auseinandersetzung<br />

mit der <strong>Medien</strong>- und Kommunikationsgeschichte<br />

Deutschlands von ihren Anfängen<br />

bis in die heutige Zeit vorliegt.<br />

Doch auch die „Grundzüge“ bleiben der<br />

Methodologie einer nationalen Betrachtung im<br />

internationalen Kontext treu, vor allem im Vergleich<br />

zu den Entwicklungen in Frankreich,<br />

England und später den USA, denn – wie der<br />

Autor in dem Einführungskapitel sicherlich auf<br />

Grund seiner langjährigen Erfahrungen als<br />

Wissenschaftler selbst bekennt – in der <strong>Medien</strong>historiographie<br />

lässt sich noch weniger als<br />

bei anderen „Geschichten“ eine isolierte, nationale<br />

Perspektive wählen oder durchhalten.<br />

Eine profunde, detaillierte Untersuchung,<br />

wie die hier vorliegende, lässt sich aber von einem<br />

einzelnen Autor nur dann vollbringen,<br />

wenn man sich nicht nur auf bestimmte nationale<br />

Entwicklungen konzentriert, sondern<br />

auch den <strong>Medien</strong>-Begriff möglichst präzise definiert<br />

und eingrenzt.<br />

J. Wilkes Werk betrachtet die Genese der<br />

publizistischen Massenmedien in Deutschland,<br />

wobei ganz besonders die Druck-<strong>Medien</strong> im<br />

Fokus seines Interesses stehen. Traditionsgemäß<br />

setzt er den Anfang der Geschichte der<br />

Massenkommunikation mit der Erfindung und<br />

Einführung des Buchdrucks mit beweglichen<br />

Lettern Mitte des 15. Jahrhunderts, beschreibt<br />

aber zuvor in einem kurzen Abriss die Vorgeschichte<br />

der Massenkommunikation bis zu der<br />

Erfindung Gutenbergs. Der über Jahrzehnte<br />

und Jahrhunderte sich vollziehende kontinuierliche<br />

Werdegang der deutschsprachigen<br />

Presse ist in allen wichtigen Einzelheiten analysiert:<br />

von der geschriebenen Zeitung, den Einblattdrucken,<br />

Flugblättern und -schriften, den<br />

Messrelationen („ungebundenen Druckschriften<br />

in <strong>Heft</strong>form und Quartformat“), über die<br />

Serien- und Monatszeitungen, die so genannten<br />

Intelligenzblätter (Anzeigenblätter und Journale)<br />

bis zu den ersten eigentlichen Zeitschriften<br />

und Zeitungen und ihren Diversifizierungen im<br />

19. und Anfang des 20. Jahrhunderts. Parallel<br />

zur Entwicklung des Medialen selbst wird der<br />

davon verursachte oder <strong>zum</strong>indest damit verbundene<br />

gesellschaftliche Wandel untersucht,<br />

die Veränderungen und Neuformierungen der<br />

Rezeptionsgewohnheiten, die Metamorphosen<br />

der Zensur, der staatlichen und kirchlichen Aufsicht<br />

und der entsprechenden Pressepolitik und<br />

Rechtverhältnisse. Es werden also jeweils medienkulturelle<br />

Gesamtbilder der verschiedenen<br />

Zeiten entworfen und in ein chronologisch angelegtes<br />

Mosaik der medienhistorischen Genese<br />

für den deutschsprachigen Raum (z. B. mit all<br />

den Unterschieden zwischen Preußen und<br />

Österreich) zusammengestellt.<br />

Mit dem Beginn der „Plurimedialität“, den<br />

der Autor im frühen 20. Jahrhundert ansetzt,<br />

wird auch der Blickwinkel der Untersuchung<br />

auf die optischen und auditiven <strong>Medien</strong> (Film,<br />

Hörfunk u. a.) und deren Programmangebote<br />

und Rezeptionsweisen ausgeweitet, wobei für<br />

jedes der <strong>Medien</strong> technisch vermittelter Kommunikation<br />

in diesem Kapitel dann auch seine<br />

Vorgeschichte in die Darstellung miteinbezogen<br />

wird. Diese Herangehensweise ist natürlich<br />

diskutabel, aber sicherlich medientheoretisch<br />

vertretbar, im Hinblick auf die reale und nicht<br />

(vor-)apparative Präsenz dieser <strong>Medien</strong> im gesellschaftlichen<br />

Kommunikationsprozess. Eine<br />

der Ursachen für die Wahl dieser Methodologie<br />

ist sicherlich der übersichtliche, prägnante<br />

Darstellungsmodus, der angestrebt und auch<br />

erfolgreich durchgeführt wird. Er macht das<br />

Buch auch als Lehrbuch und ein für das breitere<br />

Publikum angelegtes Nachschlagewerk verwertbar,<br />

<strong>zum</strong>al es in einer klaren, zugänglichen<br />

und zugleich professionellen Sprache geschrieben<br />

ist. Ob man an das Ende einer so breit und<br />

282


Besprechungen<br />

tief angelegten medienhistoriographischen Betrachtung<br />

des deutschen Sprach- und Kulturraumes<br />

statt der Zeit der Weimarer Republik<br />

nicht doch die des Dritten Reiches mit seiner<br />

bemerkenswerten medientechnologischen,<br />

wenn auch umstrittenen medienpolitischen<br />

Entwicklung, die End- und zugleich paradoxer<br />

Wendepunkt vieler Modernisierungsprozesse<br />

auch im Medialen war, hätte setzen sollen, ließe<br />

sich sicherlich diskutieren. Der Autor hat jedoch<br />

sowohl die Zeiten der Nazi-Diktatur als<br />

auch die der Bundesrepublik Deutschland medienhistorisch<br />

in anderen Werke erfasst und es<br />

ist sicherlich sein gutes Recht, entsprechende<br />

Periodisierungen vorzunehmen.<br />

Es sei hervorgehoben, dass ähnliche wertvolle<br />

medienhistorische Gesamtdarstellungen über<br />

die verschiedenen Zeiten und Epochen hinweg<br />

nur für wenige europäische Länder vorliegen,<br />

aber unbedingt notwendig sind. Denn, wie der<br />

Autor selbst im Nachwort schreibt: „Wenn heute<br />

vom Wandel zur Informationsgesellschaft die<br />

Rede ist, dann mag der Blick zurück zeigen, wie<br />

weit der Weg bis dahin gewesen ist und welche<br />

Beschleunigung dabei stattgefunden hat“.<br />

Da die heutige gesellschaftliche Entwicklung<br />

nicht nur unter dem Vorzeichen der Informationsgesellschaft,<br />

sondern auch dem der Globalisierung<br />

und des erweiterten europäischen<br />

Einigungsprozesses verläuft, könnten solche<br />

umfassenden Darstellungen der <strong>Medien</strong>entwicklung<br />

in einem Land oder in einem sprachkulturellen<br />

Raum auch eine gute Grundlage<br />

bilden für eine in Zusammenarbeit von <strong>Medien</strong>historikern<br />

aus allen Teilen des alten Kontinents<br />

erstellte <strong>Medien</strong>- und Kommunikationsgeschichte<br />

Europas.<br />

Rossen Milev<br />

Christina Holtz-Bacha<br />

Wahlwerbung als politische Kultur<br />

Parteienspots im Fernsehen 1957 – 1998<br />

Wiesbaden: Westdeutscher Verlag,<br />

2000. – 270 S.<br />

ISBN 3-531-13551-1<br />

Eine gewisse Wahlmüdigkeit kann nicht nur<br />

der deutschen Wählerschaft, sondern auch den<br />

deutschen Wahlforschern attestiert werden.<br />

Nach Schweigespirale, Agenda-Setting, Personalisierung,<br />

Amerikanisierung und Theatralisierung<br />

fehlt gegenwärtig ein zündendes Konzept,<br />

mit dem die Forschenden zu neuen Kontroversen<br />

gereizt werden könnten. Der tendenzielle<br />

Stillstand auf der Theorieebene lenkt die<br />

Aufmerksamkeit auf konkrete wahlkämpferische<br />

Forschungsobjekte wie etwa den Parteienspot<br />

im Fernsehen, der bislang von den arrivierten<br />

deutschen Politik- und Kommunikationswissenschaftlern<br />

weitgehend ignoriert wurde.<br />

Die Autorin, Professorin für Publizistik an<br />

der Universität Mainz, langjährige Sprecherin<br />

der DGPuK-Fachgruppe Politik und Kommunikation<br />

sowie Mitherausgeberin der Fachzeitschrift<br />

„Publizistik“, legt mit ihrer Monografie<br />

eine Langzeitstudie der Wahlwerbespots in<br />

zwölf Bundestagswahlkämpfen seit 1957 vor.<br />

Das Buch ist in fünf Kapitel gegliedert und<br />

mit zahlreichen Tabellen und Schaubildern, jedoch<br />

keinem Register versehen. Im ersten Kapitel<br />

wird Wahlwerbung als eine „Kommunikationsform<br />

mit Doppelfunktion“ definiert,<br />

die kurzfristig ein persuasives Kommunikationsziel<br />

verfolgt und langfristig Teil von politisch-kulturellen<br />

Deutungsmustern wird. Im<br />

zweiten Kapitel folgt ein Exkurs <strong>zum</strong> „Vorbild<br />

USA“. Hier wird die amerikanische Forschungsgeschichte<br />

sowie der Forschungsstand<br />

<strong>zum</strong> Wahlspot unter besonderer Berücksichtigung<br />

der wichtigen Arbeiten von Kathleen Hall<br />

Jamieson, Edwin Diamond/Stephen Bates sowie<br />

Lynda Lee Kaid rezipiert, jedoch ohne die<br />

deutschsprachige Rezeption amerikanischer<br />

Wahlkampfkommunikation zu berücksichtigen.<br />

Kapitel drei fasst die Vorgeschichte sowie<br />

den Forschungsstand der Wahlwerbung und<br />

ihrer Rezeption in der Bundesrepublik zusammen,<br />

während Kapitel vier eine „Chronik der<br />

Bundestagswahlkämpfe“ bietet, wobei Christina<br />

Holtz-Bacha die vierzig untersuchten Jahre<br />

in fünf Perioden unterteilt: Wahlkämpfe im<br />

Nachkriegsdeutschland, Die Phase der Konsolidierung,<br />

Aufbruch und Polarisierung, Hoffnung<br />

und Zuversicht sowie Wahlen im vereinten<br />

Deutschland. In den jeweiligen Unterkapiteln<br />

sind die einzelnen Wahlkämpfe auf wenigen<br />

Seiten zusammengefasst, so dass sich dieses<br />

Kapitel als handliches Nachschlagewerk zu<br />

Themen, Kommunikation und Kontext der<br />

Bundestagswahlkämpfe eignet.<br />

Der empirische Kern der Langzeitstudie<br />

wird abschließend in Kapitel fünf präsentiert:<br />

„Wahlspots im deutschen Fernsehen 1957 –<br />

1998“. Dabei unterscheidet sich das gewählte<br />

Forschungsdesign von vergleichbaren USamerikanischen<br />

Untersuchungen. Deutsche<br />

283


M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />

Vergleichsstudien lagen bislang nicht vor. Die<br />

Autorin und ihr Forschungsteam konzentrierten<br />

sich nicht auf die gesamten Spots als Untersuchungskategorie,<br />

sondern auf die einzelnen<br />

Sequenzen. Die Analyseeinheit ist dabei kleiner<br />

und bezieht sich auf eine Sequenz/Szene, die<br />

besteht „aus einer oder mehreren Einstellungen,<br />

die durch Schnitt oder Überblendungen<br />

voneinander getrennt sind“ (S. 151). Konsequent<br />

findet sich im Anhang eine Übersicht<br />

über sämtliche Sequenzen aller Parteien seit<br />

1957. Die SPD ist mit 631 Sequenzen deutlicher<br />

Spitzenreiter vor der CDU mit 483 Sequenzen,<br />

jedoch nur, da die CSU mit 156 Sequenzen extra<br />

gezählt wurde. Die FDP rangiert mit 182<br />

Sequenzen auf Platz drei. Die Spots von Bündnis<br />

90/Die Grünen summieren sich immerhin<br />

auf 78 Sequenzen. Die NPD ist mit 40 Sequenzen<br />

unter den außerparlamentarischen Parteien<br />

diejenige mit der höchsten Sequenzzahl. Dieses<br />

Bild spiegelt sich auch bei der Verteilung der<br />

Spots auf die Parteien wider (S. 155): Von insgesamt<br />

417 untersuchten Spots entfielen über<br />

den gesamten Untersuchungszeitraum auf die<br />

SPD 104, auf die CDU 101 und auf die CSU 32.<br />

Die FDP beteiligte sich zwischen 1957 und<br />

1998 mit insgesamt 39 Spots, Bündnis 90/Die<br />

Grünen mit 20 Spots an der TV-Wahlwerbung.<br />

Die Datenfülle beeindruckt, <strong>zum</strong>al ihr eine<br />

mühselige und akribische Quellenrecherche<br />

vorausgegangen sein muss. Denn TV-Spots<br />

gehören zu den ephemeren Kommunikationsmitteln,<br />

die nur unzureichend archiviert werden.<br />

Hierin liegt das größte Verdienst der Studie:<br />

einen ersten empirisch-chronologischen<br />

Überblick über Wahlspots im deutschen Fernsehen<br />

zu liefern.<br />

Zudem macht die Autorin auf einige interessante<br />

nicht veröffentlichte Studien aufmerksam,<br />

wie beispielsweise Rüdiger Schmitt-Becks<br />

Untersuchung der „Wirkungen der Parteienwerbung<br />

im Fernsehen“, die im Rahmen einer<br />

Anhörung des Landtages Brandenburg Anfang<br />

1999 erstellt wurde. Schmitt-Beck kommt mit<br />

Hinblick auf die Wirkung von Wahlspots<br />

rechtsradikaler Parteien zu dem vorläufigen<br />

Ergebnis, dass die Wirkung im Sinn von Wahlerfolg<br />

weniger auf die Spots selbst, als auf die<br />

durch Wahlspots ausgelösten Debatten und<br />

mittelbar auf die dadurch erzeugte Aufmerksamkeit<br />

der Nachrichtenmedien zurückzuführen<br />

ist: „Auf diese Weise gewinnen solche<br />

Parteien öffentliche Sichtbarkeit als wahlpolitische<br />

Alternativangebote für Wählerpotentiale,<br />

die schon vorher mit den von ihnen propagierten<br />

Auffassungen übereinstimmen“ (Schmitt-<br />

Beck 1999: 3).<br />

Holtz-Bacha betont die Bedeutung der visuellen<br />

Ebene der Fernsehspots und weist auf einen<br />

„Trend <strong>zum</strong> Spot ohne gesprochenen<br />

Text“ (S. 235) hin, der allein auf die Wirkungskraft<br />

der Bilder setze. Dabei hätte sich gezeigt,<br />

„wie sehr sich politische Werbung und Wirtschaftswerbung<br />

gleichen“ (S. 236). In Kapitel<br />

5.6 der Langzeitstudie werden „Die Bilder der<br />

Spots“ gesondert untersucht. Zur Bildanalyse<br />

verwendet die Autorin jedoch keine spezifisch<br />

für die visuelle Analyse geeignete Methode,<br />

sondern konzentriert sich auf einen aus der<br />

Textinhaltsanalyse bekannten Ansatz des Vergleichs<br />

von Text- und Bildaussage einerseits sowie<br />

der Stereotypenanalyse andererseits. Die<br />

spezifische Eigenart visueller Kommunikation,<br />

die in einer ihr zugrundeliegenden assoziativen<br />

Logik besteht, im Unterschied zu textueller<br />

Kommunikation, die sich durch argumentative<br />

Strukturen auszeichnet, wird dadurch verkannt.<br />

Das Forschungsergebnis der Angleichung<br />

von politischer und kommerzieller Werbung<br />

könnte so auch als self-fulfilling prophecy<br />

gedeutet werden, die vor allem der gewählten<br />

Methode geschuldet ist. Denn eine eigene Motiv-<br />

und Bedeutungsanalyse der Bildsequenzen<br />

wird nicht vorgenommen. Vielmehr wurden<br />

die Bildeinstellungen nach bestimmten Werbestereotypen<br />

im Sinne von „Junge Leute-Typen“,<br />

„Sonntagstypen“, „Erfolgstypen“ und<br />

nach der Sichtbarkeit von Staatssymbolen wie<br />

etwa Parlamentsgebäuden oder Nationalflaggen<br />

kodiert. Die Gesamtaussage des Spots, der<br />

narrative Faden zwischen den Einstellungen<br />

und damit die eigentlichen Bedeutungsebenen<br />

können so nicht ermittelt werden.<br />

Das im ersten Kapitel überzeugend beschriebene<br />

Forschungsziel, Wahlwerbung in einen<br />

erweiterten politikwissenschaftlichen Begriff<br />

der politischen Kultur als Deutungskultur einzubetten,<br />

wurde nur bedingt erreicht, da die gewählte<br />

Untersuchungsmethode die Bedeutungsebene<br />

und damit die Ebene der mentalen<br />

Vorstellungen nicht erschlossen hat. Dennoch<br />

ist die empirische Langzeitstudie einzigartig in<br />

der kommunikations- und politikwissenschaftlichen<br />

Forschungslandschaft und gehört in jede<br />

Fachbibliothek.<br />

Marion G. Müller<br />

284


Besprechungen<br />

Hans-Jürgen Bucher / Ulrich Püschel (Hg.)<br />

Die Zeitung zwischen Print und Digitalisierung<br />

Wiesbaden: Westdeutscher-Verlag, 2001. -<br />

259 S.<br />

ISBN 3-531-13474-4<br />

Der Band über die Gestaltung gedruckter und<br />

elektronischer Zeitungen bietet ein reizvolles<br />

Aufeinandertreffen von Praktikern und Wissenschaftlern.<br />

Er geht auf eine Tagung zurück,<br />

die im November 1998 an der Universität Trier<br />

stattgefunden hat. Gemeinsam ist den Beiträgen<br />

der zehn Autorinnen und Autoren die<br />

Suche nach Begründungen für Designempfehlungen.<br />

Den Auftakt des Bandes bildet ein anregender<br />

Beitrag von Claudia Blum und Joachim<br />

Blum über den Wandel der Zeitungsgestaltung<br />

in Deutschland. Der Journalismus sei lange Zeit<br />

ein durch Gewohnheit geprägter Beruf gewesen:<br />

„Redaktionelle Standards orientierten sich<br />

an tradierten Auffassungen der Redakteure, die<br />

ihre Weisheiten an die Volontäre des Hauses<br />

weitergaben.“ (19) Der Reformimpuls für die<br />

„in drei Jahrzehnten geradezu erstarrte[n] Zeitungspraxis“<br />

sei in den achtziger Jahren „die<br />

Entdeckung des Lesers“ (25) und eine Hinwendung<br />

zur Leserforschung gewesen. Zwar habe<br />

es inzwischen Redesigns und Relaunches von<br />

Zeitungen in breiter Front gegeben, doch habe<br />

man weder die Möglichkeiten des „Textdesigns“<br />

ausgeschöpft, noch seien die empfohlenen<br />

Veränderungen genügend fundiert: „Was<br />

noch immer aussteht, ist die Verwissenschaftlichung<br />

des Journalismus in dem Sinne, als solche<br />

Tendenzen objektiviert werden müssen. Eine<br />

Verwissenschaftlichung, die das handwerkliche<br />

Repertoire beschreibt, erklärt und lehrt.“ (34)<br />

Ebenfalls das Bild einer unreflektierten Praxis<br />

zeichnet Ulrich Püschel: Er stellt die These<br />

auf (die er allerdings nur auf einer schmalen empirischen<br />

Basis prüft), dass in der Vergangenheit<br />

Innovationen journalistischer Textformen<br />

nicht am Leserbedürfnis orientiert waren, sondern<br />

durch sonstige Rahmenbedingungen und<br />

durch eine „unsichtbare Hand“ herbeigeführt<br />

worden sind.<br />

Was aber kann die wissenschaftliche Analyse<br />

leisten? Unübersehbar besteht auch in der<br />

Forschung eine Kluft zwischen den Angeboten<br />

und deren Nutzung, die Hinweise für deren Optimierung<br />

liefern soll. Linguistische Textanalysen<br />

versuchen sie zu überwinden, indem sie von<br />

einem – empirisch nicht präsenten – „Normalleser“<br />

ausgehen. Ulrich Schmitz kritisiert „optische<br />

Labyrinthe im digitalen Journalismus“,<br />

die dem Nutzer die Kohärenzbildung erschweren:<br />

Bild und Text seien zu wenig aufeinander<br />

bezogen, der Informationsgehalt von Bildern<br />

beschränke sich auf die Zeigefunktion, meist seien<br />

sie nur „plakativer Einstiegspunkt“ (222). In<br />

seiner exemplarischen Analyse von Text-Bild-<br />

Beziehungen gibt Schmitz einige Fingerzeige<br />

für die Praxis.<br />

Eine direkte Verbindung zwischen Angebots-<br />

und Nutzerseite stellt Hans-Jürgen Bucher<br />

experimentell her: Er hat das Navigationsverhalten<br />

von Online-Nutzern digital, visuell<br />

und auditiv aufgezeichnet und ausgewertet. Seiner<br />

Studie liegt ein elaboriertes handlungstheoretisches<br />

Konzept zugrunde, das Online-Angebote,<br />

Nutzer und Aneignungshandlungen<br />

integriert (und das empirisch erst <strong>zum</strong> Teil eingelöst<br />

ist). Die Rezeption nonlinearer Kommunikationsangebote<br />

begreift Bucher als „Sequenz<br />

von Aneignungshandlungen“ (143), die<br />

durch Fortsetzungserwartungen und Kohärenzurteile<br />

untereinander und mit den Angeboten<br />

verknüpft sind. Die Angebotsstruktur<br />

stellt potenzielle Nutzungspfade für antizipierte<br />

User-Erwartungen bereit, wobei die Navigationselemente<br />

adäquate Fortsetzungserwartungen<br />

ermöglichen sollen. Bucher zieht das Fazit:<br />

„Die Entwicklungsdynamik der digitalen Kommunikationsmöglichkeiten<br />

ist so hoch, dass sich<br />

Standardisierungen in der Verwendung der Gestaltungsmittel<br />

nur sehr schwer einstellen. Ihre<br />

Usability ist deshalb dadurch zu sichern, dass<br />

den Nutzern realistische Chancen für eine inferenzielle<br />

(,abduktive‘) Erschließung eröffnet<br />

werden, wobei sie die Kompetenzen aus andern<br />

<strong>Medien</strong>gattungen einsetzen.“ (165)<br />

Einige weitere Beiträge runden den Band ab.<br />

So fasst Angelika Storrer Möglichkeiten und<br />

Regeln für die Gestaltung von Online-Zeitungen<br />

aus Lehr- und Handbüchern zusammen.<br />

Auf die spezifischen Rahmenbedingungen der<br />

Online-Angebote französischer Tageszeitungen<br />

macht Ernst Ulrich Grosse aufmerksam.<br />

Allerdings vermisst man in dem Band eine ausführliche<br />

Darstellung der „Usability“-Forschung<br />

zur Nutzerfreundlichkeit von Online-<br />

Angeboten.<br />

Christoph Neuberger<br />

285


M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />

Michael Meyen<br />

<strong>Medien</strong>nutzung<br />

Mediaforschung, <strong>Medien</strong>funktionen,<br />

Nutzungsmuster<br />

Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft, 2001. –<br />

235 S.<br />

(Reihe Uni-Papers; 17)<br />

ISBN 3-89669-316-6<br />

Die deutschsprachige Kommunikationswissenschaft<br />

hat lange warten müssen auf ein Lehrbuch<br />

zu der traditionell vernachlässigten <strong>Medien</strong>nutzungsforschung,<br />

ihren theoretischen<br />

Ansätzen, Methoden und Ergebnissen, und<br />

zwar aus einer medienübergreifenden Perspektive.<br />

Diese Lücke wird nun durch ein breit angelegtes<br />

Buch geschlossen, das nicht in erster<br />

Linie aktuelle Nutzungsdaten liefern, sondern<br />

vor allem erklären will (S. 9). Meyen geht es<br />

damit besonders um soziale und psychologische<br />

Hintergründe der <strong>Medien</strong>nutzung und um<br />

das Zustandekommen sowie die Einordnung<br />

und kritische Bewertung der empirischen Befunde<br />

der angewandten Publikumsforschung.<br />

Diese Zielsetzung erscheint sinnvoll und wird<br />

insgesamt auch recht überzeugend erfüllt.<br />

Zunächst <strong>zum</strong> Aufbau des Buches und zu<br />

den zentralen Inhalten: Im ersten Kapitel werden<br />

theoretische Ansätze der <strong>Medien</strong>nutzungsforschung<br />

dargestellt, vor allem Uses & Gratifications,<br />

erregungstheoretische Ansätze, Cultural<br />

Studies und Lebensstilforschung. Trotz<br />

dieser Breite bestehen einzelne Lücken; völlig<br />

unzureichend berücksichtigt ist insbesondere<br />

die Sozialisationsperspektive (dabei hat die<br />

Forschung Sozialisationseinflüsse auf das <strong>Medien</strong>nutzungsverhalten<br />

vergleichsweise gut begründet<br />

und empirisch belegt). Insgesamt jedoch<br />

ist dieser Abschnitt durchaus geeignet, einen<br />

einführenden Überblick über Ansätze zur<br />

theoretischen Erklärung des Nutzungsverhaltens<br />

zu vermitteln.<br />

Das zweite Kapitel ist methodenorientiert,<br />

hier werden die grundlegenden Konzepte, Verfahren<br />

und Studien der (angewandten) <strong>Medien</strong>nutzungsforschung<br />

behandelt. Einführend erläutert<br />

Meyen kurz die Teilgebiete – redaktionelle<br />

Publikumsforschung und Werbeträgerforschung<br />

– und ihre jeweiligen Zwecke. Es<br />

folgt ein Abschnitt zur Methode und Problematik<br />

der repräsentativen Umfrage. Anschließend<br />

wird die Vorgehensweise wichtiger Standard-Untersuchungen<br />

(MA, AWA, GfK-Fernsehforschung,<br />

Langzeitstudie Massenkommunikation)<br />

beschrieben und kritisch erörtert.<br />

Dabei wird auch auf die Entwicklung und die<br />

Organisation der Werbeträgerforschung in<br />

Deutschland eingegangen. Auch hier bleibt der<br />

Charakter einer Einführung gewahrt, wenngleich<br />

Grundbegriffe der Mediaforschung eher<br />

am Rande behandelt werden. Zentrale Konzepte<br />

(z. B. Reichweite, Leser pro Nummer) definiert<br />

Meyen kurz in tabellarischen Übersichten,<br />

geht im Text aber oft nicht weiter auf sie<br />

ein. Auch bei solchen Erläuterungen legt er<br />

mehr Wert auf Verständlichkeit als auf Präzision<br />

(die aber für einen einführenden Text in<br />

aller Regel genügt). Einzelheiten der methodischen<br />

Vorgehensweise, etwa Details zu Abfragemodellen,<br />

zur Tagesablaufmethode oder<br />

der Datenfusion, werden <strong>zum</strong>eist weggelassen.<br />

Im dritten Kapitel behandelt Meyen die <strong>Medien</strong>nutzung<br />

und ihre allgemeinen Funktionen<br />

– eine Vertiefung des Stoffes von Kapitel 1 insofern,<br />

als es hier im Grunde um gesellschaftliche<br />

Bedingungen der <strong>Medien</strong>nutzung geht.<br />

Eingegangen wird vor allem auf die Nutzungsmotive<br />

im Kontext von Zwängen der Arbeitswelt<br />

und des außerberuflichen Alltags (Erlebnissuche,<br />

Zeitstrukturierung, Orientierung in<br />

der komplexen Gesellschaft u.a.). Gerade mit<br />

diesen Ausführungen gelingt es Meyen, dem<br />

Anspruch seines Buches gerecht zu werden und<br />

generelle Muster der <strong>Medien</strong>nutzung zu erklären.<br />

Allerdings fehlen manchmal explizite<br />

Bezüge <strong>zum</strong> ersten Kapitel, und in den Passagen<br />

zur Arbeitsgesellschaft holt Meyen unnötig<br />

weit aus. Im zweiten Teil des Kapitels stellt er<br />

eine Typologie der <strong>Medien</strong>nutzer anhand zentraler<br />

Kommunikationsbedürfnisse auf (wichtig<br />

ist hier vor allem die Unterscheidung zwischen<br />

primär unterhaltungsorientierter <strong>Medien</strong>nutzung<br />

und unterhaltungs- und informationsorientierter<br />

Nutzung). Hier fehlen leider<br />

Angaben zur empirischen Basis der Typenbeschreibung<br />

(S. 110 – 111). Diskutiert werden in<br />

diesem Zusammenhang auch grundlegende<br />

Strukturmerkmale des Publikums (in erster Linie<br />

berufsbezogene Merkmale und Geschlecht<br />

im Sinne von Gender) als Erklärungsfaktoren<br />

der generellen medienbezogenen Orientierungen.<br />

Im vierten Kapitel sind Befunde zu den einzelnen<br />

<strong>Medien</strong>gattungen zusammengestellt:<br />

Fernsehen, Hörfunk, Tageszeitung und Zeitschrift,<br />

Kino, Online-<strong>Medien</strong>. Die Gewichtung<br />

286


Besprechungen<br />

entspricht meistens der Bedeutung des jeweiligen<br />

Mediums in der Forschung; unklar bleiben<br />

indessen die Kriterien für die Auswahl: Warum<br />

Kino, aber nicht auch Buch oder Tonträger? Im<br />

Gegensatz <strong>zum</strong> vorigen Kapitel liegt der Fokus<br />

nun auf dem einzelnen Medium, Meyen bleibt<br />

aber auch hier bei grundlegenden Aspekten der<br />

Nutzung. Auf speziellere Forschung, etwa <strong>zum</strong><br />

Umschaltverhalten, wird nicht eingegangen.<br />

Damit nimmt die akademische Publikumsforschung<br />

auch hier wenig Raum ein. Vor den Unterkapiteln<br />

für die einzelnen <strong>Medien</strong>gattungen<br />

steht ein kürzerer Abschnitt über die Funktionen<br />

der <strong>Medien</strong> im Vergleich und Riepls „Gesetz“,<br />

und auch in den Unterkapiteln wird gelegentlich<br />

die Konkurrenz zwischen den <strong>Medien</strong><br />

thematisiert. Für jedes der <strong>Medien</strong> folgen<br />

dann in der Regel Ausführungen zu den spezifischen<br />

Erwartungen und Inhaltsinteressen des<br />

Publikums, zu Umfang und Entwicklung der<br />

Nutzung (anhand verschiedener Indikatoren),<br />

zu Erklärungen für diese Muster sowie zur<br />

Nutzung spezifischer Angebote (Nachrichten).<br />

Stellenweise bietet Meyen hier – wie auch in anderen<br />

Teilen des Buches – eigene Interpretationen<br />

an (so etwa zu Ost-West-Unterschieden in<br />

der <strong>Medien</strong>nutzung). Oft handelt es sich allerdings<br />

um Überlegungen, die im Detail nicht<br />

empirisch gestützt sind.<br />

Abgeschlossen wird der Band mit einem<br />

kürzeren Kapitel über die <strong>Medien</strong>bewertung,<br />

deren Einbeziehung hier sinnvoll wirkt. Darin<br />

geht es schwerpunktmäßig um Untersuchungen<br />

und Befunde zu Einstellungen und <strong>Medien</strong>präferenzen,<br />

vor allem Objektivitäts- und<br />

Glaubwürdigkeitsurteilen (<strong>zum</strong>eist im <strong>Medien</strong>vergleich).<br />

Ausführlich erörtert und illustriert<br />

Meyen die Problematik pauschaler Vergleiche<br />

von <strong>Medien</strong>gattungen und die offenkundige<br />

Ausstrahlung der generellen Einstellung<br />

der Bevölkerung zu den einzelnen <strong>Medien</strong><br />

auf die erhobenen spezifischen Bewertungen<br />

(wobei besonders der allgemeine Image-Vorsprung<br />

des Fernsehens <strong>zum</strong> Tragen kommt).<br />

Trotz der inhaltlichen Breite und Aktualität<br />

des Buches lassen sich sowohl Lücken als auch<br />

besondere Akzente feststellen. Thematisiert<br />

wird fast ausschließlich die <strong>Medien</strong>nutzung<br />

und Nutzungsforschung in Deutschland. Die<br />

weitgehende Beschränkung auf deutschsprachige<br />

Veröffentlichungen ist angemessen, soweit<br />

es nicht um die akademische Publikumsforschung<br />

geht, dort bedeutet sie dann allerdings<br />

die Ausblendung großer Teile der neueren<br />

theoretisch orientierten Literatur (vor allem<br />

zu Publikumskonzepten). Was die <strong>Medien</strong>gattungen<br />

betrifft, so sind Online-<strong>Medien</strong><br />

zwar berücksichtigt, kommen insgesamt aber<br />

zu kurz. Insbesondere schreibt Meyen leider so<br />

gut wie nichts zur Methodik der Online-Forschung.<br />

Ein auffälliges Merkmal des Buches ist die<br />

recht breite Einbeziehung von Erkenntnissen<br />

aus frühen deutschen Untersuchungen <strong>zum</strong><br />

Publikumsverhalten, sicherlich auch bedingt<br />

durch Meyens Forschungsinteressen in dieser<br />

Richtung. Das bringt einerseits an vielen Stellen<br />

historische Tiefenschärfe und hilft bei der Einordnung<br />

heutiger Forschungsergebnisse. Andererseits<br />

aber nimmt die historische Perspektive<br />

oft übermäßig viel Raum ein, manche der<br />

Berichte zu älteren Untersuchungen wirken<br />

eher wie Exkurse.<br />

Eine zweite Besonderheit: Über die Darstellung<br />

von Ansätzen, Methoden und Befunden<br />

hinaus legt Meyen sehr viel Gewicht auf deren<br />

kritische Diskussion. Er geht auf die Herkunft<br />

von Daten und ihre mögliche Interessengebundenheit<br />

ein, auf die Probleme von Erhebungsverfahren<br />

und auf die Aussagefähigkeit von Befunden;<br />

er stellt Interpretationen für Muster<br />

und Trends in Frage, die in der Literatur angeboten<br />

werden oder die sich zunächst aufdrängen,<br />

und schlägt mögliche alternative Erklärungen<br />

vor. Grundsätzlich ist dies eine durchaus<br />

positive Eigenschaft des Buches. Stellenweise<br />

jedoch treten die problematisierenden Ausführungen<br />

zu sehr in den Vordergrund und stehen<br />

nicht mehr im richtigen Verhältnis zu der<br />

oft nur knappen und selektiven Darstellung der<br />

Sachverhalte selbst. Auch sind Kritikpunkte<br />

häufig nicht hinreichend begründet. Artikuliert<br />

wird oft eher eine generelle Skepsis, aufgelistet<br />

werden mögliche Probleme. Meyen wirft viele<br />

Fragen auf, gibt aber kaum Antworten oder gar<br />

Empfehlungen.<br />

Bedenklich erscheint vor allem die undifferenzierte<br />

Beurteilung mancher Verfahren der<br />

Werbeträgerforschung. Bei vielen Lesern dürfte<br />

so der Eindruck entstehen, die Werbeträgerforschung<br />

arbeite überwiegend – aus kommerziellen<br />

Gründen – mit fragwürdigen Methoden.<br />

Dabei unterliegt sie tatsächlich vergleichsweise<br />

hohen Standards und gründlichen<br />

Kontrollen. Leider geht Meyen auf diese Seite<br />

der kommerziellen Forschung wenig ein; es ist<br />

selten die Rede von den Methodenstudien der<br />

Mediaforschung und von der Diskussion über<br />

287


M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />

Methodenfragen in Fachkreisen. Nicht einmal<br />

das ZAW-Rahmenschema wird erwähnt. Man<br />

ist versucht, im Vergleich nach den methodischen<br />

Standards und Kontrollen in der akademischen<br />

Publikumsforschung zu fragen.<br />

Meyen hat sich erkennbar bemüht, allen speziellen<br />

Anforderungen an ein Lehrbuch Rechnung<br />

zu tragen – mit Erfolg. Einer der besonderen<br />

Vorzüge des Textes ist seine sprachliche<br />

Gestalt. Meyen schreibt sehr verständlich, flüssig<br />

und lebendig, regt immer wieder <strong>zum</strong> Mitdenken<br />

an (ein häufig eingesetztes Stilmittel ist<br />

die Frageform). Auch das Layout ist ansprechend:<br />

Auf vielen Seiten sorgen Aufzählungen,<br />

Tabellen oder Abbildungen für Übersicht und<br />

Abwechslung. Zentrale Punkte werden oft in<br />

Texttabellen nochmals zusammenfassend dargestellt.<br />

Allerdings entspricht die Reihenfolge<br />

der Punkte in diesen Übersichten manchmal<br />

nicht der Reihenfolge im Text. Einige der<br />

Übersichten sind nicht mit den Ausführungen<br />

im Text verknüpft; andere sind in den Text eingefügt,<br />

lange bevor dort auf sie verwiesen wird.<br />

Die Gliederung ist sinnvollerweise einfach<br />

gehalten; innerhalb der Kapitel – die bei der<br />

Fülle von behandelten Themen manchmal<br />

ziemlich heterogen ausfallen – werden zusätzlich<br />

Zwischenüberschriften eingesetzt. An einigen<br />

Stellen aber wirkt die Strukturierung unpräzise<br />

bzw. kommt es zu fragwürdigen Zuordnungen.<br />

So werden in Kapitel 1.1 unter dem<br />

Uses-and-Gratifications-Ansatz auch zahlreiche<br />

andere eigenständige Theoriebereiche behandelt<br />

(z. B. Erregungstheorien); in Kapitel<br />

3.1 ist Unterhaltung eine sehr breite Kategorie,<br />

die hier offenbar auch z. B. die Zeitfüller-<br />

Funktion einschließen soll (die in dem Kapitel<br />

übrigens von der Zeitstrukturierungsfunktion<br />

getrennt thematisiert wird).<br />

Zu Beginn jedes Hauptkapitels wird ein<br />

Überblick über die Inhalte und Vermittlungsziele<br />

gegeben. Am Kapitelende finden sich Fragen<br />

und Aufgaben zur Selbstkontrolle (manche<br />

fordern auch – oft ausgehend von aktuellen<br />

Untersuchungsergebnissen – <strong>zum</strong> Weiterdenken<br />

auf und verlangen Transferleistungen) sowie<br />

kommentierte Literaturhinweise. Die jeweils<br />

zwei bis vier Angaben zur vertiefenden<br />

Lektüre sind <strong>zum</strong>eist sinnvoll ausgewählt, die<br />

Kommentierungen aussagekräftig. Hilfreich<br />

erscheinen auch die Hinweise auf einschlägige<br />

Periodika (einschließlich Online-Quellen), etwa<br />

für <strong>Medien</strong>nutzungsdaten. Vor allem bei<br />

den längeren Kapiteln wären allerdings mehr<br />

Literaturangaben (nicht unbedingt alle kommentiert,<br />

ggf. sogar nur in Kurzform) wünschenswert.<br />

So hätten im vierten Kapitel Literaturhinweise<br />

zu den einzelnen <strong>Medien</strong> gegeben<br />

werden können. Auch im Text fehlen an<br />

manchen Stellen Literaturangaben zu spezifischen<br />

Ansätzen oder Methoden; eine gezielte<br />

Vertiefung anhand der Spezialliteratur ist daher<br />

nicht immer möglich. Gelegentlich bleiben<br />

auch empirische Aussagen (wie z. B. <strong>zum</strong> jahreszeitlichen<br />

Verlauf der Fernsehnutzung;<br />

S. 131) unbelegt. Im Literaturverzeichnis<br />

schließlich fehlen am Ende einige Titel.<br />

Verschiedene Register (Sachen, Personen,<br />

Abkürzungen, Abbildungen) machen das Buch<br />

benutzerfreundlich, wenngleich sie im Detail<br />

nicht durchweg überzeugen: Im Sachregister<br />

fehlen einige zentrale Begriffe der Mediaforschung,<br />

andererseits sind viele eher überflüssige<br />

Dinge aufgeführt (etwa einzelne Zeitungstitel,<br />

die im Text nicht weiter wichtig sind). Das<br />

Abkürzungsverzeichnis scheint wie das Personenregister<br />

auf Vollständigkeit angelegt und<br />

enthält auch Einträge, die kaum jemand wird<br />

nachschlagen müssen.<br />

Insgesamt gesehen hat Meyen mit dieser<br />

Überblicksdarstellung ein zwar durchaus verbesserungsfähiges,<br />

aber bereits jetzt in vielen<br />

Punkten vorbildliches Lehrbuch zur <strong>Medien</strong>nutzungsforschung<br />

vorgelegt. Auch fortgeschrittene<br />

Leser dürften darin noch die eine<br />

oder andere neue Erkenntnis finden.<br />

Wolfram Peiser<br />

Annette Rinck<br />

Interdependenzen zwischen PR und Journalismus<br />

Eine empirische Untersuchung der PR-Wirkungen<br />

am Beispiel einer dialogorientierten<br />

PR-Strategie von BMW<br />

Wiesbaden: Westdeutscher Verlag, 2001. –<br />

325 S.<br />

ISBN 3-531-13561-9<br />

Die kommunikationswissenschaftliche Forschung,<br />

die die Beziehung zwischen PR und<br />

Journalismus <strong>zum</strong> Thema macht, beschreibt<br />

und analysiert verschiedene Muster der Beeinflussung<br />

und der wechselseitigen Abhängigkeit.<br />

Die Frage nach dem „Erfolg“ dieser Beziehung<br />

für die Öffentlichkeitsarbeit stellt sich<br />

aus dieser Perspektive nicht.<br />

288


Besprechungen<br />

Genau an dieser Frage aber setzt Annette<br />

Rinck an. Mit der Leipziger Dissertation liegt<br />

eine Studie vor, die das Verhältnis zwischen<br />

PR und Journalismus unter dem Gesichtspunkt<br />

der PR-Erfolgskontrolle untersucht.<br />

Das Anliegen der Arbeit lässt sich in der praxisrelevanten<br />

Frage zusammenfassen: Werden<br />

die von der PR unter Berücksichtigung journalistischer<br />

Produktionsformen bereitgestellten<br />

Informationen von Journalisten im Sinne<br />

der Kommunikationsziele des PR-Treibenden<br />

genutzt? Rinck, die in der Kommunikationsabteilung<br />

bei BMW tätig ist, macht sich ihre<br />

Berufspraxis zunutze und untersucht diese<br />

Forschungsfrage am Fallbeispiel BMW. Genauer:<br />

Sie untersucht den Erfolg der Kommunikationsaktivitäten<br />

der BMW AG am Beispiel<br />

des „Verkehrskonzepts für Regensburg“.<br />

Um sich als „Unternehmen Mobilität“ in der<br />

Öffentlichkeit zu präsentieren, hatte BMW im<br />

Jahr 1994 eine Reihe von Kommunikationsmaßnahmen<br />

initiiert, darunter eine Anzeigenkampagne,<br />

Pressekonferenzen und eine Ausstellung.<br />

Im Endergebnis bestätigt Rinck mit<br />

einigen Einschränkungen den Erfolg dieser<br />

Kommunikationsaktivitäten. Da es sich um<br />

eine Einzelfallstudie handelt, ist der Aussagebereich<br />

dieses Ergebnisses eingeschränkt. Der<br />

Ertrag der Arbeit ist dann auch weniger in den<br />

Befunden, als vielmehr im Bereich der Methode<br />

zu suchen: Rinck hat ein elaboriertes Verfahren<br />

der <strong>Medien</strong>resonanzanalyse entwickelt,<br />

das sich auch in anderen Anwendungskontexten<br />

bewähren könnte.<br />

Theoretisch orientiert sich die Autorin am<br />

Intereffikationsmodell. Dieses konzipiert das<br />

Verhältnis zwischen PR und Journalismus als<br />

ein von gegenseitigen Einfluss- und Anpassungsprozessen,<br />

so genannten Induktionen<br />

und Adaptionen, geprägtes. Damit setzt sich<br />

das Modell von der unter dem Etikett Determinationshypothese<br />

bekannt gewordenen Forschungsrichtung<br />

ab, die den Einfluss von PR<br />

auf Journalismus untersuchte und im Kern der<br />

PR die Fähigkeit attestierte, Themen und Timing<br />

der Berichterstattung zu kontrollieren.<br />

Im Unterschied zu dieser Herangehensweise,<br />

die das Verhältnis zwischen PR und Journalismus<br />

als ein von Macht geprägtes Verhältnis erfasst,<br />

fokussiert das Intereffikationsmodell auf<br />

die Wechselseitigkeit der Beziehungen und die<br />

Frage danach, wie sich PR und Journalismus<br />

gegenseitig ermöglichen. Gekoppelt an diesen<br />

Theorieansatz ist ein PR-Verständnis, das die<br />

Herstellung von Vertrauen <strong>zum</strong> wesentlichen<br />

Ziel der PR erklärt.<br />

Entsprechend dieser theoretischen Verortung,<br />

die kombiniert wird mit dem Anwendungsbezug<br />

der Fragestellung, fügt Rinck Ansätze<br />

zur dialogorientierten Unternehmenskommunikation,<br />

das Intereffikationsmodell<br />

und das Strategiemodell der PR, zu einem theoretischen<br />

Rahmen zusammen. Diese Zusammenführung<br />

stößt dort an ihre Grenzen, wo<br />

„Dialog“ <strong>zum</strong> Synonym für Adaptionsleistungen<br />

der PR hinsichtlich des Journalismus wird.<br />

Unbestritten sind Kenntnisse über journalistische<br />

Arbeitsweisen auf Seiten der PR ein entscheidender<br />

Faktor, um die Wahrscheinlichkeit<br />

zu erhöhen, dass Pressemitteilungen übernommen<br />

werden. Aber es scheint doch einigermaßen<br />

verwegen, die Vorwegnahme der <strong>Medien</strong>logik<br />

auf Seiten der PR, die damit ihre<br />

Durchsetzungskraft erhöhen will, als „Dialog“<br />

zu bezeichnen. Nur innerhalb des betriebswirtschaftlichen<br />

Ansatzes des gesellschaftsorientierten<br />

Marketings ist Rincks Schlussfolgerung,<br />

integrierte Unternehmenskommunikation sei<br />

eine Voraussetzung dialogischer PR, plausibel.<br />

Aus publizistik- und kommunikationswissenschaftlicher<br />

Sicht ist dieser Schluss durchaus<br />

anfechtbar, denn allzu häufig verwischen gerade<br />

in Modellen integrierter Kommunikation<br />

die Grenzen zwischen PR, Marketing und<br />

Werbung. Störend ist ferner, das sei am Rande<br />

noch vermerkt, die undifferenzierte Zitation<br />

von Praktikerliteratur und wissenschaftlicher<br />

Literatur im Theorieteil der Arbeit. Die theoretische<br />

Argumentationsführung hätte gewonnen,<br />

wäre die Unterschiedlichkeit der Erkenntnisinteressen<br />

von Wissenschaft und Praxis berücksichtigt<br />

worden.<br />

Kernstück des aus drei Einzeluntersuchungen<br />

bestehenden empirischen Teils der Dissertation<br />

ist die von der Autorin als Input-Output-Analyse<br />

bezeichnete Inhaltsanalyse. Die<br />

Bezeichnung Input-Output-Analyse ist jedoch<br />

irreführend; denn nicht der PR-Input, sondern<br />

nur die <strong>Medien</strong>berichterstattung, die auf den<br />

PR-Input zurückzuführen ist, wird einer detaillierten<br />

empirischen Inhaltsanalyse unterzogen.<br />

Wir haben es hier also mit einer klassischen<br />

<strong>Medien</strong>resonanzanalyse zu tun. Mit dieser<br />

Analyse löst Rinck ein, was von vielen PR-<br />

Praktikern gefordert, aber selten umgesetzt<br />

wird: Als Instrument zur Messung des PR-Erfolges<br />

muss eine <strong>Medien</strong>resonanzanalyse quantitativ<br />

wie qualitativ stichhaltige und in Zahlen<br />

289


M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />

bzw. in Prozenten ausdrückbare Erfolgsmaßstäbe<br />

liefern. Mit der Entwicklung eines so genannten<br />

Modifikations-/Transferindex erfüllt<br />

Rinck diese Forderung. Gemessen wurde in<br />

den insgesamt 39 untersuchten Artikeln nicht<br />

nur das Vorkommen von PR-induzierten Themen,<br />

sondern auch, auf der Ebene so genannter<br />

Informationseinheiten, die qualitative Verwendung<br />

von Kernaussagen, die auf den PR-Zielsetzungen<br />

basieren. Der Modifikations-/<br />

Transferindex misst nun die Verteilung der Informationseinheiten<br />

der BMW-Kernaussagen<br />

im Verhältnis zu sonstigen PR-induzierten<br />

Aussagen und im Verhältnis zur journalistischen<br />

Eigenrecherche. So errechnet Rinck die<br />

prozentualen Anteile der Informationseinheiten,<br />

die von BMW als Kernaussagen definiert<br />

wurden, im Verhältnis zu den Quellen (Pressemitteilung,<br />

sonstige BMW-Informationen,<br />

journalistische Eigenrecherche). Interessant ist<br />

dabei weniger das genaue Zahlenverhältnis, das<br />

sich ja nur auf den Einzelfall bezieht und daher<br />

keine allgemeinen Aussagen über PR-Induktionen<br />

zulässt. Aber die durchgeführte <strong>Medien</strong>resonanzanalyse<br />

zeigt eine Möglichkeit<br />

auf, wie Kommunikationserfolg operationalisiert<br />

werden kann, um den Anforderungen<br />

nach messbaren Ergebnissen zu genügen.<br />

Als zweite Teiluntersuchung hat Rinck eine<br />

Journalistenbefragung durchgeführt. Die<br />

schriftliche Befragung der Journalisten stützt<br />

bisherige Befunde: Die Skepsis gegenüber der<br />

PR und die Behauptung, Eigenrecherche sei<br />

die häufigste Informationsquelle, bestätigt das<br />

journalistische Selbstbild, das die Journalismusforschung<br />

immer wieder aufzeigt. Was<br />

Rinck als „Inhomogenität“ ihrer Forschungsergebnisse<br />

wertet, ist ein neuerlicher Beleg für<br />

die Differenz zwischen journalistischem Anspruch<br />

und journalistischem Tun.<br />

Drittens analysiert Rinck den Response auf<br />

eine BMW-Anzeigenkampagne <strong>zum</strong> Thema<br />

Mobilität. Hatten <strong>Medien</strong>resonanzanalyse und<br />

Journalistenbefragung das Problemfeld Journalismus-PR<br />

<strong>zum</strong> Gegenstand, so verlässt<br />

Rinck mit der Untersuchung der Werbewirkung<br />

ihren eigentlichen Forschungsbereich. An<br />

dieser Stelle spätestens wird deutlich, dass das<br />

vornehmliche Erkenntnisinteresse der Arbeit –<br />

entgegen dem Buchtitel, der eine Untersuchung<br />

zu „Interdependenzen zwischen PR und Journalismus“<br />

verspricht – darin besteht, eine im<br />

Rahmen der integrierten Unternehmenskommunikation<br />

durchgeführte Imagekampagne<br />

mit den Mitteln der empirischen Sozialforschung<br />

auf ihren Erfolg hin zu bewerten. Vor<br />

allem das zu diesem Zweck entwickelte anspruchsvolle<br />

Verfahren der <strong>Medien</strong>resonanzanalyse<br />

bietet Anregungen für die weitere Forschung<br />

und Praxis. Die dabei gewonnenen Ergebnisse<br />

hinsichtlich der Verwertung von PR-<br />

Material durch Journalisten beantworten die<br />

durch das Intereffikationsmodell aufgeworfene<br />

Frage nach einer Wechselseitigkeit der beiden<br />

Systeme PR und Journalismus allerdings nicht.<br />

Juliana Raupp<br />

Bernd Holznagel/Andreas Grünwald<br />

Meinungsvielfalt im kommerziellen Fernsehen<br />

<strong>Medien</strong>spezifische Konzentrationskontrolle in<br />

Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien,<br />

den USA und auf der Ebene von Europarat<br />

und Europäischer Gemeinschaft<br />

Berlin: VISTAS Verlag, 2001. – 169 S.<br />

(Schriftenreihe der Landesmedienanstalten,<br />

Bd. 19)<br />

ISBN 3-89158-303-6<br />

Digitalisierung und Konvergenz haben in der<br />

<strong>Medien</strong>politik in den letzten Jahren viel von sich<br />

reden gemacht. Wir haben kühne Prophezeiungen<br />

über „Individualisierung“ gehört. Eine<br />

Welle von Technikeuphorie, Freiheitspathos,<br />

Gründungsfieber, Marktgläubigkeit ist über das<br />

Land hinweggegangen. Die öffentlich-„dienende“<br />

Rundfunkfreiheit bisheriger (Karlsruher)<br />

Provenienz hat man in Deutschland im neu erwachten<br />

Privatisierungseifer immer wieder für<br />

überholt und veraltet erklärt. Für ein künftiges,<br />

einheitlich konzipiertes Multimedia-Recht hat<br />

man den Übergang zu presseähnlichen, möglichst<br />

geringen Regulierungsgraden gefordert.<br />

Man war von den einfachen ökonomisierenden<br />

Lösungen angetan: weg vom Kultur- und hin<br />

<strong>zum</strong> allgemeinen Wirtschaftsrecht. Hierzu gehörte<br />

auch das Bestreben, die rundfunkspezifische<br />

Konzentrationskontrolle abzuschaffen<br />

und das von ihr bisher beackerte Feld nunmehr<br />

zur Gänze der Kartellaufsicht zu überlassen.<br />

Dabei wäre es also den gegenwärtig nach<br />

§§ 35 ff. Rundfunkstaatsvertrag (RStV) auf dem<br />

privaten Sektor zuständigen Organen der<br />

Rundfunkaufsicht an den Kragen gegangen, vor<br />

allem der – bei den Interessenten wenig belieb-<br />

290


Besprechungen<br />

ten – Kommission zur Ermittlung der Konzentration<br />

im <strong>Medien</strong>bereich (KEK). Auch die<br />

Landesmedienanstalten und ihre – mit der KEK<br />

gesetzlich zusammengespannte, mit ihr ziemlich<br />

mühsam kooperierende – Direktorenkonferenz<br />

(DLM) wären insoweit funktionslos geworden.<br />

Indes haben sich solche neoliberalen Blütenträume<br />

bislang nicht verwirklicht. Die Digitalisierung<br />

kommt nur langsam voran. Konvergiert<br />

wird in der Praxis nur sehr gemächlich.<br />

Und die Internetwirtschaft boomt nicht mehr.<br />

Unterdessen hat man es aber schon mit gewichtigen<br />

neuen Machtpotenzialen zu tun. Immer<br />

deutlicher zeichnen sich Vermachtungsgefahren<br />

bisher unbekannten Ausmaßes ab. Ernüchterung<br />

hat sich daraufhin auch in der Frage<br />

der Beibehaltung und Weiterentwicklung<br />

einer rundfunkspezifischen Konzentrationskontrolle<br />

eingestellt. Diesbezüglich geht es im<br />

politischen Raum momentan nicht so sehr um<br />

das Ob als vielmehr um das Wie einer fortdauernden<br />

genuin medienrechtlichen Vielfaltsicherung:<br />

Inwieweit sind hier im Einzelnen – bei<br />

Kontinuität im Grundsätzlichen – neue Instrumente<br />

und Ansätze nötig, um den kommenden<br />

Herausforderungen begegnen zu können? Und<br />

wie steht es eigentlich mit dem regulatorischen<br />

Impetus und Elan der politischen Akteure?<br />

Will man alten und neuen wirtschaftlichen<br />

Machthabern nunmehr ernstlich entgegentreten<br />

– oder will man sich mit ihnen doch lieber<br />

wieder wie gehabt arrangieren?<br />

Mit solchen Innovationsfragen befasst sich<br />

auch die hier zu besprechende knappe Studie,<br />

die im Auftrag von DLM und KEK an der öffentlich-rechtlichen<br />

Abteilung des Instituts für<br />

Informations-, Telekommunikations- und <strong>Medien</strong>recht<br />

(ITM) der Universität Münster erstellt<br />

worden ist. Sie dient in der Hauptsache<br />

der Materialsammlung und Horizonterweiterung,<br />

indem sie über den Sachstand in anderen<br />

europäischen Ländern sowie in den USA informiert,<br />

auch europarechtliche Aspekte berührt<br />

und daran einige rechtsvergleichende und<br />

rechtspolitische Überlegungen zur innerdeutschen<br />

Nutzanwendung anknüpft. Auf eine<br />

Einleitung von Holznagel/Grünwald folgen<br />

sechs im Wesentlichen gleich aufgebaute, auf<br />

dem Stand von Anfang bzw. Ende 2000 befindliche<br />

Darstellungen der Konzentrationskontrolle<br />

in ausgewählten Rechtskreisen, die nach<br />

den Angaben in dem Buch – was die Titulatur<br />

allerdings nicht erkennen lässt – aus der Feder<br />

einer größeren Zahl von ITM-Autoren stammen:<br />

Babette Kibele (Deutschland), Andreas<br />

Grünwald (Großbritannien), Ines Vollmeier<br />

(Frankreich), Bernd Holznagel/Ines Vollmeier<br />

(Italien), Bernd Holznagel/Gunnar Bender<br />

(USA), Babette Kibele (Europa). Holznagel/<br />

Grünwald erheben <strong>zum</strong> Schluss den rechtsvergleichenden<br />

Befund und äußern sich über entsprechende<br />

Handlungsoptionen. In einem<br />

Textanhang werden die wichtigeren konzentrationsrechtlichen<br />

Normen aus den untersuchten<br />

Staaten im Wortlaut dokumentiert. Die<br />

Studie hat mit ihren auslandsrechtlichen und<br />

vergleichenden Abschnitten in den kürzlich erschienenen,<br />

sehr substanziellen und tief gehenden<br />

Konzentrationsbericht der KEK nach § 26<br />

Abs. 6 RStV Eingang gefunden (Fortschreitende<br />

<strong>Medien</strong>konzentration im Zeichen der Konvergenz.<br />

Berlin: VISTAS Verlag, 2000, Kapitel<br />

IV). Dort sind auch ähnliche Bewertungen und<br />

rechtspolitische Schlussfolgerungen zu lesen.<br />

Das Ergebnis ist hier wie dort ungefähr das<br />

Gleiche:<br />

Derzeit gebe es in Deutschland bereits relativ<br />

hohe, stetig wachsende faktische Konzentrationsgrade,<br />

aber nur vergleichsweise schwache<br />

hiergegen gerichtete normative Vorkehrungen.<br />

Auch im Lichte der Rechtsvergleichung<br />

sei das Postulat, das Niveau der<br />

Konzentrationskontrolle wegen der Konvergenz<br />

bislang getrennter Technologien und<br />

Dienste noch weiter abzusenken, nicht plausibel.<br />

Dem Kartellrecht das Feld zu überlassen,<br />

wäre voreilig und untunlich. Im Übrigen sei es<br />

bisher noch keinem Land gelungen, einen Regelungsansatz<br />

zu erarbeiten, der die Konvergenzentwicklung<br />

erfasse und regulativ verarbeite.<br />

Insoweit bestehe auch in Deutschland<br />

zusätzlicher medienspezifischer Handlungsbedarf<br />

(vgl. Holznagel/Grünwald, S. 103 ff., und<br />

KEK S. 428 f.). Das klingt nicht gerade beruhigend.<br />

Wie wird es nun einem um Vielfalt und sonstige<br />

Programmqualität besorgten, regulatorisch<br />

anspruchs- und erwartungsvollen Bürger und<br />

Leser ergehen, welcher von den Verhältnissen<br />

auf dem privaten Sektor z. B. in Deutschland<br />

nichts Genaueres weiß und sich neugierig über<br />

die diesbezüglichen Grundinformationen in<br />

der Schrift hermacht? Er wird da auf manche<br />

Überraschungen stoßen, etwa darauf, dass den<br />

1996 von den Ländern ausgehandelten Antikonzentrationsnormen<br />

der §§ 25 ff. RStV eine<br />

„konzentrationsfreundliche Tendenz“ be-<br />

291


M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />

scheinigt wird (Kibele S. 34). Und das ist noch<br />

diplomatisch ausgedrückt. Denn das so genannte<br />

Zuschaueranteilsmodell in der dortigen<br />

Ausprägung sollte nach dem Willen der Ministerpräsidentenkonferenz<br />

nach Möglichkeit rein<br />

symbolisch bleiben, es sollte überhaupt nicht<br />

greifen und dem kommerziellen Rundfunk<br />

niemals unbequem werden. Jener Neuregelung<br />

lag bekanntlich eine Art standortpolitisches<br />

Tauschgeschäft zwischen Bayern und Nordrhein-Westfalen<br />

zugrunde, nämlich ein Stillhalteabkommen<br />

zugunsten der beiden jeweils einheimischen,<br />

staatlich-politisch stark protegierten<br />

Senderfamilien (Kirch/Bertelsmann). Diese<br />

fragwürdige Absprache wurde als „Wunder<br />

von Bad Neuenahr“ gefeiert. Die 30%-Grenze<br />

des § 26 Abs. 2 RStV liegt – wie in der vorliegenden<br />

Studie jetzt auch im internationalen<br />

Vergleich aufgezeigt wird – außerordentlich<br />

hoch. Damit gedachten die Länder einen Weg<br />

einzuschlagen, der von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG<br />

in der Karlsruher Auslegung klammheimlich<br />

weggeführt hätte.<br />

Dass dies nicht sogleich gelang, war dann der<br />

unabhängigen Expertise der KEK, insbesondere<br />

unter ihrem ersten Vorsitzenden Reimut<br />

Jochimsen, zu verdanken. Die KEK war und ist<br />

hochkarätig besetzt, und sie ging energisch ans<br />

Werk. Sie sprach sich für eine verfassungskonforme<br />

Auslegung des § 26 RStV dahingehend<br />

aus, dass dessen erster Absatz das materiellrechtlich<br />

maßgebliche, generalklauselartige Regulativ<br />

gegen „vorherrschende Meinungsmacht“<br />

darstellt, wohingegen der zweite Absatz<br />

mit seinen großzügigen Quotierungen nur<br />

Vermutungseffekte hervorbringt, die nach<br />

oben und auch nach unten widerlegbar sind,<br />

d. h. „vorherrschende Meinungsmacht“ kann<br />

unter besonderen Umständen auch schon beispielsweise<br />

bei Zuschauerquoten von 15, 20<br />

oder 25 % gegeben sein. Dieser m. E. zutreffenden<br />

Auslegung indes mochte sich die – wesentlich<br />

staats-, politik- und oftmals auch wirtschaftsnäher<br />

agierende, immer wieder schwankende<br />

– DLM nicht anschließen (vgl. Kibele<br />

S. 30). Wie es scheint, hat die Direktorenkonferenz<br />

immer noch Schwierigkeiten, ein strikt<br />

überparteiliches, wissenschaftsorientiertes Expertenelement<br />

à la KEK von innen heraus zu<br />

akzeptieren. Dafür spricht auch ihre zögernde<br />

Stellungnahme zu den jüngsten Plänen der<br />

Länder zur organisatorischen Reform der Privatrundfunkaufsicht.<br />

Auf Länderseite wird<br />

nunmehr an die Schaffung bundesweit zuständiger,<br />

entscheidungsbefugter „Zentraler Kommissionen“<br />

für die Bereiche Inhalteaufsicht,<br />

Digitaler Zugang und <strong>Medien</strong>konzentration<br />

gedacht. Diese Kommissionen sollen als Organe<br />

der Landesmedienanstalten fungieren, sie<br />

sollen aber (auch? nur?) aus externen Sachverständigen<br />

nach dem Bilde der KEK bestehen.<br />

Hiergegen ereifern sich nun die Anstalten: Die<br />

Verlagerung von Entscheidungen in Sachverständigenkommissionen<br />

würde das föderale<br />

System der <strong>Medien</strong>aufsicht „im Kern beschädigen“<br />

(epd medien Nr. 93/2001, S. 11). Man attestiert<br />

sich selbst eine größere funktionelle Integrität<br />

und Staatsferne, man will aber doch<br />

wohl auch bei seinen bisherigen weichherzigen<br />

Praktiken bleiben und sich dafür ein Hintertürchen<br />

offen halten. Man liebt eben auch die bequemen<br />

standortpolitischen Deals. Man huldigt<br />

auch gern einem postmodernen Kooperationsprinzip,<br />

oder man belässt es einfach bei einer<br />

„Politik der hochgezogenen Augenbrauen“<br />

(vgl. Holznagel/Bender S. 81).<br />

Solche dysfunktionalen Praktiken werden in<br />

dem Gutachten, zu dessen Auftraggebern ja<br />

auch die DLM gehörte, nicht so deutlich beim<br />

Namen genannt. Hier waltet ein mehr geschäftsmäßiger,<br />

manchmal auch schülerhaftbraver<br />

Ton vor. Der Sache nach ist die Studie<br />

aber klar positioniert, ungefähr im eben angedeuteten<br />

regulatorischen Sinn. Sie dürfte also<br />

hauptsächlich für die KEK geschrieben und<br />

dort auch zur Kenntnis genommen und inhaltlich<br />

rezipiert worden sein. Über den KEK-<br />

Konzentrationsbericht mag sie dann auch weitere<br />

Kreise erreicht haben. Hinter § 26 Abs. 6<br />

RStV scheint eine weitläufige Diskursstruktur<br />

auf, bestehend u.a. aus – tunlichst szientifisch<br />

gestützten – administrativen und juristischen<br />

Fachöffentlichkeiten. Diese sollen den politischen<br />

Akteuren und Entscheidern sachverständig<br />

zuarbeiten, wobei nicht nur an irgendwelche<br />

föderalen internen Termine, an „Kamingespräche“<br />

usw. zu denken ist, sondern auch an<br />

breite parlamentarische und demokratische<br />

Rückkoppelungen. Letztlich sollen Grundsatzdokumente<br />

wie die KEK-Berichte und die<br />

ihnen zugrunde liegenden Materialien wohl an<br />

eine große deliberative Bürgeröffentlichkeit gerichtet<br />

sein, wie sie in § 26 RStV hypostasiert<br />

und als wichtige medienpolitische Steuerungsressource<br />

veranschlagt wird. Seit dem<br />

„Wunder von Bad Neuenahr“ sind wir allerdings<br />

um einige Illusionen ärmer geworden.<br />

Das Vertrauen in die Länderstaatlichkeit und<br />

292


Besprechungen<br />

den kooperativen Föderalismus im <strong>Medien</strong>bereich<br />

ist nun doch arg strapaziert worden. Wo<br />

gibt es in Deutschland gegenwärtig überhaupt<br />

eine wohlinformierte und gründliche öffentliche<br />

Diskussion über Konzentrationsfragen?<br />

Wer liest und bedenkt Expertisen wie die hiesige<br />

wirklich?<br />

Auf Länderebene ist soeben ein sechster<br />

Rundfunkänderungsstaatsvertrag unter Dach<br />

und Fach gebracht worden, der sich bezüglich<br />

der Privatrundfunkaufsicht einschließlich der<br />

Konzentrationskontrolle pragmatisch-zurückhaltend<br />

zeigt. Eine siebte, u. a. obige „ZeKos“<br />

betreffende RStV-Novellierung wird bereits<br />

vorbereitet. In organisationsrechtlicher Hinsicht<br />

geht dies wohl in die richtige Richtung<br />

(Zentralisierung, Expertenbeteiligung). In materiell-<br />

und verfahrensrechtlicher Hinsicht<br />

bleiben die vorgesehenen Änderungen jedoch<br />

marginal. Man bleibt anscheinend bei dem bisherigen<br />

veranstalterbezogenen, in der Hauptsache<br />

auf horizontale TV-Konzentration ausgerichteten<br />

Ansatz und beschränkt sich auf geringfügige<br />

Korrekturen an dem 30-%-Limit.<br />

Die Konvergenzproblematik schiebt man erst<br />

einmal vor sich her. Unterdessen bahnen sich<br />

auf den weit geöffneten Märkten neuartige,<br />

auch vertikale und diagonale internationale<br />

Verflechtungen an. „Es ist nicht weniger als<br />

Götterdämmerung in Sicht, auch wenn es noch<br />

lange nicht allen Göttern dämmert“ (Norbert<br />

Schneider). Den deutschen Länderchefs scheint<br />

dazu weiter nichts einzufallen als: Abwarten<br />

und Teetrinken. Und sie setzen ihre standortpolitischen<br />

Sandkastenspiele erst einmal fort:<br />

Wenn der amerikanische Großinvestor Malone<br />

ankündigt, seine deutsche Hauptniederlassung<br />

in München errichten zu wollen, freut sich der<br />

Freistaat Bayern und kann weiter keinen Regulierungsbedarf<br />

erkennen. Wie, wenn demnächst<br />

auch der <strong>Medien</strong>tycoon Murdoch nach<br />

feindlicher/freundlicher Übernahme der<br />

Kirch-Gruppe ein Büro in München eröffnet<br />

(bzw. in Kirchs Residenz einzieht)? Wird dann<br />

die Bayerische Staatskanzlei wieder frohlocken<br />

und keinen normativen Handlungsbedarf sehen?<br />

Werden auch die anderen Bundesländer<br />

angesichts solcher globalisierter Marktdynamiken<br />

schläfrig bleiben? Werden sie weiterhin wie<br />

gelähmt wirken? Werden sie außerstande sein,<br />

ein an Art. 5 Abs. 1 GG orientiertes präventives<br />

gestalterisches politisches Konzept zu entwickeln?<br />

Wollen sie tatsächlich abwarten, bis<br />

„vorherrschende Meinungsmacht“ etabliert<br />

und mit Händen zu greifen ist? Und was dann?<br />

Selbst das Bundesverfassungsgericht könnte<br />

dann vielleicht nicht mehr helfen.<br />

So viel zur Dringlichkeit einer neuen, vertieften<br />

Konzentrationsdebatte. In der hier angezeigten<br />

Schrift sind zahlreiche rechtsvergleichende<br />

Informationen und Überlegungen enthalten,<br />

welche dafür fruchtbar zu machen<br />

wären. Das betrifft beispielsweise eine etwaige<br />

fortdauernde „Vorbildfunktion“ der britischen<br />

<strong>Medien</strong>regulierung, bis zu dem neuerdings auf<br />

der Insel diskutierten, bereits weit in die Multimedia-Ära<br />

ausgreifenden „Gesamtmarktmodell“<br />

(vgl. Grünwald S. 37, 47 f.). Andernorts<br />

lässt sich immerhin beobachten, dass mit niedrigeren<br />

zahlenmäßigen Grenzwerten gearbeitet<br />

wird als in Deutschland. Flächendeckende normative<br />

Patentrezepte, auch in punkto Digitalisierung<br />

und Konvergenz, gibt es nirgendwo.<br />

Die unterschiedlichen, gelegentlich auch schon<br />

stärker auf diagonale (kaum aber auf vertikale)<br />

Konzentration sich erstreckenden nationalen<br />

Regelungsansätze ergeben aber alles in allem<br />

ein buntes und anregendes Bild, wie es auch<br />

sonst europatypisch ist. Das ist mittlerweile in<br />

anderen Studien bestätigt und weiter ausgeführt<br />

worden. Der eigenen Anstrengung des<br />

Begriffs werden wir dadurch freilich nicht enthoben.<br />

Entsprechendes gilt im Übrigen auch für die<br />

gesamteuropäische, insbesondere die EU-Ebene,<br />

die in der interessanten Studie leider etwas<br />

zu kurz kommt. In dem diesbezüglichen Beitrag<br />

(Kibele S. 85 ff., im KEK-Bericht nicht<br />

berücksichtigt) macht sich noch ein nationalstaatlich-defensiver<br />

Habitus bemerkbar, wie er<br />

auch im Kreise der deutschen Länder und der<br />

Landesrundfunk- und Landesmedienanstalten<br />

traditionsgemäß vorherrscht. Der Europäischen<br />

Union wird die Zuständigkeit für eine eigenständige<br />

Pluralismussicherung kurzerhand<br />

abgesprochen. Für diese Abwehrhaltung lassen<br />

sich gewiss manche schlechten Erfahrungen anführen,<br />

die man hierzulande mit einseitig wirtschaftsrechtlich<br />

konzipierten, kulturrechtlich<br />

dysfunktionalen Brüsseler Aktivitäten im <strong>Medien</strong>bereich<br />

gemacht hat und immer noch<br />

macht. Indes hat es in der Kommission auch<br />

schon Anläufe zu breiter angelegten, prinzipiell<br />

mediengerechten Antikonzentrationsmaßnahmen<br />

gegeben, diese aber sind – was in dem<br />

Beitrag nicht klar gesehen wird (vgl. Kibele<br />

S. 97 f.) – am Widerstand der deutschen und<br />

sonstigen kommerziellen Lobby gescheitert.<br />

293


M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />

Weiterführend erscheint nun zunächst die<br />

Idee, der Gerichtshof der Gemeinschaft<br />

(EuGH) könnte in Art. 10 EMRK, auch mit<br />

unionsinterner Wirkung, eine „dienende“ <strong>Medien</strong>freiheit<br />

nach deutschem Muster (inklusive<br />

europäischer Gewährleistungskompetenz)<br />

hineindeuten (Kibele S. 100, ähnlich Holznagel/Grünwald<br />

S. 107). Das allerdings erweist<br />

sich bei näherer Überlegung als wenig wahrscheinlich;<br />

nach Lage der Dinge ist es wohl illusionär.<br />

Umso größeres Interesse verdient die<br />

weitere von Holznagel/Grünwald in ihren<br />

Schlussbetrachtungen vorgetragene Erwägung,<br />

wonach EU-Initiativen zur Begrenzung der<br />

<strong>Medien</strong>konzentration auch dann angängig<br />

wären, wenn ein medienrechtliches Pluralismusgebot<br />

zuvor ausdrücklich in den EU-Vertrag<br />

aufgenommen worden wäre. Denn dafür<br />

mag sich jetzt eine reale Chance eröffnen: Art.<br />

11 Abs. 2 der EU-Grundrechtscharta müsste<br />

ernstlich weitergedacht und im Zuge des so genannten<br />

Post-Nizza-Prozesses dementsprechend<br />

nachgebessert werden. Ein so garantiertes,<br />

selbstredend mit den öffentlich-nationalen<br />

Standards harmonierendes <strong>Medien</strong>grundrecht<br />

müsste sodann, mit der Charta im Ganzen, in<br />

den nunmehr ins Auge gefassten, von einem<br />

neuen EU-Verfassungskonvent auszuhandelnden<br />

europäischen „Basisvertrag“ einbezogen<br />

werden. So ließe sich endlich auch eine genuin<br />

europäische medienspezifische Vielfaltsicherung<br />

vereinbaren und primärrechtlich verankern.<br />

Darauf könnten dann auch konkrete regulatorische<br />

Maßnahmen gestützt werden, wie<br />

sie mittlerweile wieder vielfältig im Gespräch<br />

sind (Ad van Loon: EU-Engagement bei nationalem<br />

Fernsehbesitz und Kontrollpolitik sowie<br />

-verfahren. In: Fernsehen und <strong>Medien</strong>konzentration.<br />

Regulierungsmodelle auf nationaler<br />

und europäischer Ebene. Hrsg. von der Europäischen<br />

Audiovisuellen Informationsstelle.<br />

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft,<br />

2001, S. 67 ff. Auch in epd medien Nr. 96/2001,<br />

S. 3 ff.). So und nur so – nicht aber mittels<br />

standortpolitisch korrumpierbarer engräumignationaler<br />

Strategien – wird sich auch den<br />

neuartigen globalen Herausforderungen begegnen<br />

lassen. Wer weiß – vielleicht geht es<br />

dann ja doch ohne „Götterdämmerung“ ab!<br />

Martin Stock<br />

Friederike Herrmann / Margret Lünenborg<br />

(Hrsg.)<br />

Tabubruch als Programm<br />

Privates und Intimes in den <strong>Medien</strong><br />

Opladen: Leske + Budrich, 2001. – 199 S.<br />

ISBN 3-8100-2920-3<br />

Die Darstellung von vermeintlich intimen und<br />

privaten Gegebenheiten führte insbesondere in<br />

Zeiten der Daily-Talks und Reality-Soaps sowohl<br />

unter Wissenschaftlern als auch Journalisten<br />

zu kontroversen Diskussionen. Auch<br />

wenn entsprechende Formate heute nicht mehr<br />

im Mittelpunkt des Fernsehprogramms stehen,<br />

finden sich „Privatisierungstendenzen“ nach<br />

wie vor in unterschiedlichen Genre. So geben<br />

insbesondere Boulevardmagazine dem Hang<br />

zu Personalisierung nach und stellen das Privatleben<br />

Prominenter und Nicht-Prominenter<br />

in den Mittelpunkt ihrer Berichterstattung. Die<br />

vorliegende Publikation „Tabubruch als Programm“<br />

setzt sich mit der Darstellung des Privaten<br />

in verschiedenen <strong>Medien</strong> auseinander<br />

und diskutiert dabei auch Ursachen und Auswirkungen,<br />

die mit der Trennung von Privatem<br />

und Politischem verbunden sind. Dabei werden<br />

die Phänomene unter dem Blickwinkel der<br />

Genderforschung betrachtet, einer Richtung<br />

der Kommunikationswissenschaft, die den<br />

Dualismus Öffentlichkeit/Privatheit mit dem<br />

Dualismus Mann/Frau verknüpft. Entsprechend<br />

interpretieren die Herausgeberinnen die<br />

Dichotomie von Privatheit und Öffentlichkeit<br />

als „Konstrukt, das die Gesellschaft geschlechtshierarchisch<br />

strukturiert“ (S. 7).<br />

Anstoß für den Band gab eine Tagung im<br />

Oktober 1999, die von der Fachgruppe Frauenforschung<br />

der Deutschen Gesellschaft für Publizistik<br />

und Kommunikationsforschung (DG-<br />

PuK) gemeinsam mit dem Journalistinnenbund<br />

durchgeführt wurde. Theorie und Praxis miteinander<br />

zu verbinden, war ein Anliegen, das<br />

im Zentrum der Veranstaltung stand.<br />

Der erste Abschnitt des Buches setzt sich mit<br />

dem Thema theoretisch auseinander und stellt<br />

Konzepte zur Bestimmung von Privatheit und<br />

Öffentlichkeit vor. In einem einführenden<br />

Aufsatz diskutiert Elisabeth Klaus kommunikationstheoretische<br />

Ansätze und entwickelt<br />

eine Typologie der Teilöffentlichkeiten, in der<br />

sich das Gegeneinander von Öffentlichkeit und<br />

Privatheit aufhebt. In diesem Zusammenhang<br />

versteht Klaus Privatheit als Form individueller<br />

294


Besprechungen<br />

Lebensäußerungen, die mitunter aber auch von<br />

öffentlicher und damit verbunden politischer<br />

Relevanz sind. Die Forderung der Frauenbewegung<br />

nach einer personenorientierten Berichterstattung<br />

zeichnet Klaus in diesem Kontext<br />

anschaulich nach und macht zurecht darauf<br />

aufmerksam, dass diese Forderung im Rahmen<br />

gegenwärtiger Formate zwar verwirklicht ist,<br />

letztendlich aus der Perspektive der Genderforschung<br />

aber zu ambivalenten Entwicklungen<br />

geführt hat: „Im Ergebnis zeigt sich deutlich,<br />

dass es nicht unbedingt einen Angriff auf<br />

die gesellschaftlichen Machtverhältnisse darstellt,<br />

wenn Frauen mit ihren persönlichen Erfahrungen<br />

öffentlich in Erscheinung treten –<br />

eher im Gegenteil“ (S. 31).<br />

Irmela Schneider stellt im Weiteren Theorien<br />

des Intimen und Privaten in einen historischen<br />

Zusammenhang und bewertet die gegenwärtigen<br />

„Privatisierungstendenzen“ vornehmlich<br />

aus der Perspektive von Sennett und<br />

Giddens. Dabei macht sie darauf aufmerksam,<br />

dass die gegenwärtige Dominanz des Intimen<br />

keineswegs ein unvorhersehbares Phänomen<br />

ist, sondern vielmehr als Ausdruck und Folge<br />

grundlegender sozialer Veränderungen interpretiert<br />

werden muss. Mit der Darstellungsweise<br />

des Privaten setzt sich Friederike Herrmann<br />

auseinander. Sie schließt an die Ausführungen<br />

von Klaus an und entwickelt Kriterien einer<br />

<strong>Medien</strong>berichterstattung über Privates, „die<br />

ethisch vertretbar ist und Anspruch auf öffentliche<br />

Relevanz erhebt“ (S. 58). So sieht sie die<br />

Darstellungen des Privaten insbesondere durch<br />

Entpolitisierungs- und Trivialisierungsstrategien<br />

entwertet.<br />

Der zweite Abschnitt des Buches schildert in<br />

Form von Werkstattberichten den journalistischen<br />

Umgang mit dem Privaten. Der erste<br />

Aufsatz stellt ein Interview dar, das Margret<br />

Lünenborg mit Herlinde Koebl geführt hat.<br />

Gegenstand ist deren Projekt „Spuren der<br />

Macht“, in dem sie Persönlichkeiten des öffentlichen<br />

Lebens über mehrere Jahre beobachtet<br />

hat. Ulrike Helwerth berichtet über ein Hörfunk-Feature,<br />

das sie über Ulrike Meinhof erstellt<br />

hat und schildert Motive, Umsetzung und<br />

Folgen, die mit diesem Beitrag in Zusammenhang<br />

standen. Ulrike Pfeil schließlich diskutiert<br />

das Thema des Privaten aus ihrer Sicht als Lokaljournalistin.<br />

Dass nicht nur ihre Vermutungen<br />

über Themen, die Frauen in den Zeitungen<br />

repräsentiert sehen möchten, bisweilen etwas<br />

spekulativ anmuten, bringt die persönliche Perspektive<br />

ihrer Ausführungen mit sich. Ihre<br />

Äußerung zu Beginn des Beitrags, noch nie eine<br />

Daily-Talk-Show gesehen und kein einziges<br />

Mal in den Big-Brother-Container hineingeschaut<br />

zu haben, wirkt im Kontext des Buches<br />

irritierend, <strong>zum</strong>al die Autorin im weiteren Verlauf<br />

durchaus Stellung zu entsprechenden Sendeformaten<br />

bezieht. Insgesamt erweckt der<br />

zweite Buchabschnitt den Wunsch nach einer<br />

stärkeren Einordnung und Kommentierung<br />

der Beiträge, handelt es sich doch um Aufsätze,<br />

die in ihrer formalen Darstellung recht heterogen<br />

sind und gerade im Anschluss an das erste<br />

theoretische Kapitel mitunter mehr Fragen aufwerfen,<br />

als sie beantworten.<br />

Der dritte Buchabschnitt beschäftigt sich mit<br />

der Darstellung scheinbar privater Themen in<br />

den <strong>Medien</strong> und konzentriert sich auf die Perspektive<br />

der Kommunikatoren. Iris Schneider<br />

beschreibt hier, wie unterschiedliche <strong>Medien</strong><br />

über das Thema Haushalt sowie über die Vereinbarkeit<br />

von Kind und Karriere Bericht erstatten.<br />

Dass über entsprechende Themen oftmals<br />

randständig und bisweilen realitätsfern<br />

berichtet wird, kann sie anschaulich belegen.<br />

Die Auswahl der Artikel und damit die Zusammensetzung<br />

der von ihr analysierten Stichprobe<br />

wird dabei aber leider nicht deutlich, so dass<br />

generalisierende Aussagen über die Berichterstattung<br />

wie „Zusammenfassend können wir<br />

festhalten: das Thema Haushalt wird in Tagesund<br />

Wochenzeitungen, sowie politischen Magazinen<br />

weitgehend ausgeblendet“ (S. 104) methodisch<br />

nicht nachvollziehbar sind. Birgit<br />

Hofmann, Nora Karsten und Andreas Wiedemann<br />

setzen sich mit der Darstellung von Männern<br />

und Frauen in Daily-Talks auseinander<br />

und hinterfragen Geschlechts- und Rollenstereotype.<br />

Im Rahmen einer Inhaltsanalyse kommen<br />

sie zu dem Ergebnis, dass es sich bei den<br />

Daily Talkshows „um eine Bühne (handelt),<br />

auf der das bestehende Geschlechterverhältnis<br />

inszeniert und präsentiert wird“ (S. 136). Jürg<br />

Häusermann wirft einen Blick in die Big-Brother-Welt<br />

und beobachtet hier unterschiedliche<br />

Inszenierungsstrategien bei Bewohnerinnen<br />

und Bewohnern.<br />

Wie die Zuschauerinnen und Zuschauer mit<br />

Daily-Talks umgehen und aus welchen Gründen<br />

sich Gäste überhaupt in diesen Sendungen<br />

präsentieren, sind Fragen, denen im vierten und<br />

letzten Kapitel des Buches nachgegangen wird.<br />

Zunächst präsentiert Susanne Keuneke Forschungsergebnisse,<br />

die zeigen, wie Jugendliche<br />

295


M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />

Daily-Talks rezipieren. Dabei wird deutlich,<br />

dass sich durchaus geschlechtsspezifische Umgangsweisen<br />

mit dem Genre finden. Während<br />

bei Jungen eine distanzierte Rezeption überwiegt<br />

und Unterhaltung im Mittelpunkt steht,<br />

ist bei den Mädchen „durchweg hohes Involvment<br />

und die Suche nach Orientierung erkennbar“<br />

(S. 172). Bettina Fromm schließlich geht<br />

der Frage nach, warum Menschen überhaupt in<br />

Talk-Shows auftreten und kommt zu dem Ergebnis,<br />

dass als übergreifende Motive die<br />

„Konstruktion von Wirklichkeit“ sowie die<br />

„persönliche Standortbestimmung im sozialen<br />

Gefüge“ (S. 194) eine besondere Rolle spielen.<br />

Eine abschließende Bewertung fällt angesichts<br />

der Heterogenität der Beiträge nicht<br />

leicht. Finden sich in zahlreichen Aufsätzen interessante<br />

Ansätze und Forschungsergebnisse,<br />

die dem Leser das Thema reflektiert und gut<br />

veranschaulicht nahe bringen, hinterlassen allzu<br />

plakative Statements in anderen Beiträgen<br />

mitunter einen faden Beigeschmack. Auch ist<br />

eine gewisse „Talk-Show-Lastigkeit“ erkennbar,<br />

die der Titel des Buches nicht unbedingt<br />

erwarten lässt. Insgesamt zeigt sich, dass der<br />

Dialog zwischen Wissenschaft und Praxis, den<br />

die Herausgeberinnen anstreben, offenbar kein<br />

so einfaches Unterfangen ist. Ihn anzustreben<br />

muss aber durchaus als eine Absicht gewertet<br />

werden, die es in weiteren Tagungen und Publikationen<br />

fortzuführen gilt.<br />

Claudia Wegener<br />

Werner Susallek<br />

Führungsinformationssysteme für öffentlich-rechtliche<br />

Rundfunkanstalten<br />

Lohmar, Köln: Eul 2000. – 273 S.<br />

(Telekommunikation@<strong>Medien</strong>dienste; 9)<br />

ISBN 3-89012-785-1<br />

Zugl.: Köln, Univ., Diss., 2000<br />

Die vorliegende Schrift wurde im Jahr 2000 als<br />

Dissertation von der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen<br />

Fakultät der Universität zu<br />

Köln angenommen. Doktorvater ist Prof. Sieben,<br />

Direktor des Instituts für Rundfunkökonomie.<br />

Der Verfasser selbst ist Leiter des Bereichs<br />

Organisation und Informationssysteme<br />

beim WDR.<br />

Ein Führungsinformationssystem (FIS) ist<br />

ein Instrument zur Unterstützung von Entscheidungsprozessen<br />

und Arbeitsweisen der<br />

Unternehmensleitung. Beispiele für diese<br />

schwach formalisierten Prozesse sind die Profilierung<br />

von Produktprogrammen, die Veränderung<br />

von Unternehmensstrukturen, die Reorganisation<br />

von Geschäftsprozessen und die<br />

Verbesserung der Planungs- und Kontrollinstrumente.<br />

Hierbei wird die Ressource Information<br />

immer wichtiger, weil derjenige, der<br />

über „bessere“ (aktuellere und zielführendere)<br />

Informationen verfügt, schneller und qualifizierter<br />

reagieren und entscheiden kann. Als<br />

Quelle der Informationen kommen z. B. Kennzahlen<br />

jeder Art in Frage. Aus dieser knappen<br />

Einführung wird bereits deutlich, dass das Thema<br />

des Buchs an der Schnittstelle mehrerer<br />

Fachgebiete angesiedelt ist:<br />

Die Konzeption und Realisierung von<br />

rechnergestützten Informationssystemen ist<br />

eine zentrale Aufgabe der Wirtschaftsinformatik.<br />

Das Informationsmanagement als Teildisziplin<br />

der Wirtschaftsinformatik widmet sich den<br />

Fragen, die sich aus der Forderung nach optimaler<br />

Informationsversorgung (nicht nur) von<br />

Entscheidern ergeben. Um zu erheben, welche<br />

Informationen speziell für Führungskräfte von<br />

öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten relevant<br />

sind, sind tief gehende Kenntnisse der Arbeitsweisen<br />

und Besonderheiten dieses Typs<br />

von Programmanbietern notwendig. Die angesprochenen<br />

Kennzahlen weisen in die Betriebswirtschaft,<br />

speziell in das Controlling.<br />

Der Verfasser baut seine Untersuchung so<br />

auf, dass er in einem ersten, einleitenden Teil<br />

konzeptionelle Grundlagen von FIS herausarbeitet.<br />

Im zweiten Teil, der den Schwerpunkt<br />

der Arbeit darstellt, wird eine Konzeption zur<br />

Entwicklung von FIS herausgearbeitet und<br />

präsentiert. Der dritte Teil stellt bestehende<br />

Ansätze zu FIS in öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten<br />

dar und ordnet sie anhand des<br />

Konzepts aus dem zweiten Teil ein. Zum guten<br />

Schluss werden im vierten Teil Grenzen und<br />

Perspektiven von FIS vertieft.<br />

Der erste Teil stellt im Wesentlichen Konzepte<br />

und Begriffe aus den aufgeführten Fachgebieten<br />

vor. Ausgehend von einer Darstellung<br />

der Aufgaben des Informationsmanagements<br />

kommt der Autor zu den Aufgaben der Unternehmensführung,<br />

zu denen u. a. das Vorbereiten<br />

und Treffen von „wichtigen“ (strategischen,<br />

langfristigen, ...) Entscheidungen gehört.<br />

Die hierzu erforderlichen Informationen geben<br />

296


Zeitschriftenlese<br />

Anlass, über den Informationsbedarf und die<br />

Informationsversorgung von Führungskräften<br />

nachzudenken. Anschließend werden FIS in<br />

mehrfacher Hinsicht eingeordnet: einmal als<br />

spezielles rechnergestütztes Informationssystem<br />

in einer Entwicklungslinie, in der u. a. MIS<br />

(Management-Informationssysteme) und DSS<br />

(Decision Support Systeme) als Vorläufer stehen.<br />

Eine andere Klassifikation ist die nach der<br />

zunehmenden Informationsverdichtung im<br />

Unternehmen, bei der die administrativen und<br />

dispositiven Teilinformationssysteme am unteren<br />

Ende und die FIS am oberen Ende der Skala<br />

stehen. Der Zusammenhang <strong>zum</strong> Controlling<br />

schließlich wird so dargestellt, dass das<br />

strategische und operative Controlling als Servicefunktion<br />

ohne eigene Entscheidungskompetenz<br />

dem Führungssystem zuarbeitet. Als<br />

betriebstypologische Besonderheiten von öffentlich-rechtlichen<br />

Rundfunkanstalten (gegenüber<br />

anderen Unternehmenstypen, aber<br />

auch gegenüber dem privaten Rundfunk) sind<br />

mehrere zu nennen: 1. Sie sind sowohl Produktions-<br />

als auch Dienstleistungsbetriebe, weil sie<br />

sowohl Programme herstellen als auch übermitteln.<br />

2. Sie haben einen gesellschaftlichen<br />

und gesetzlichen Auftrag, der ein Zielsystem<br />

umreißt, dessen Operationalisierung nicht einfach<br />

ist: Erfüllung des Programmauftrags<br />

(Sachziel) auf wirtschaftliche Art (Formalziel)<br />

stellt eine erste Näherung dar. 3. Zwischen der<br />

Finanzierung (Gebühren) und dem ausgestrahlten<br />

Programm besteht kein direkter Zusammenhang.<br />

4. Der öffentlich-rechtliche Hintergrund<br />

hat das Entstehen bürokratischer<br />

Strukturen begünstigt, die Entscheidungsprozesse<br />

kompliziert und langsam machen. 5. Sie<br />

stehen im Wettbewerb untereinander, vor allem<br />

aber mit ganz anders strukturierten privaten<br />

Anbietern, die auch ganz andere Ziele verfolgen.<br />

Nach diesem stärker deskriptiven und einordnenden<br />

Teil wendet sich der Verfasser im<br />

zweiten Teil einer Konzeption zur Entwicklung<br />

von FIS zu. Als kritische Erfolgsfaktoren<br />

für FIS werden identifiziert: 1. Integration<br />

der rundfunkspezifischen Informationssysteme<br />

(IS) auf der Basis von Geschäftsprozessen,<br />

2. Flexibilität der IS in Bezug auf künftige interne<br />

und externe Entwicklungen, 3. Kooperation,<br />

4. Strategische Ausrichtung in betriebswirtschaftlicher<br />

und technologischer Hinsicht<br />

sowie 5. Wirtschaftlichkeit. Das vorgestellte<br />

Vorgehensmodell zur Entwicklung eines FIS<br />

zerfällt dementsprechend in Komponenten<br />

<strong>zum</strong> Fachkonzept, <strong>zum</strong> Systemkonzept, <strong>zum</strong><br />

Leitkonzept, <strong>zum</strong> Implementierungs- und<br />

Ausbreitungskonzept und <strong>zum</strong> Weiterentwicklungskonzept,<br />

die im Einzelnen herausgearbeitet<br />

werden. Im Fachkonzept wird der bereits<br />

erwähnte Kennzahlenansatz verfolgt, der<br />

auf strukturierte Daten anwendbar ist; daneben<br />

sind natürlich auch unstrukturierte Daten<br />

(z. B. Programmarchiv) und externe Daten<br />

(Presse, WWW, Rezipientenverhalten) von Bedeutung.<br />

Für die Implementierung empfiehlt<br />

der Verfasser das Phasen-Prototyping, in dem<br />

die Vorteile linearer Phasenkonzepte mit denen<br />

der iterativen Prototypentwicklung verbunden<br />

wird.<br />

Im dritten Teil wird exemplarisch das existierende<br />

FIS des WDR dargestellt und beurteilt,<br />

das natürlich, bedingt durch die historische<br />

Entwicklung, eine sukzessiv entwickelte<br />

und eingeführte Ansammlung von Teilinformationssystemen<br />

darstellt.<br />

Abschließend stellt der Verfasser Grenzen<br />

und Perspektiven der Konzeption von FIS in<br />

Rundfunkanstalten dar. Problematisch ist bei<br />

IS dieser Art stets sowohl die Bestimmung des<br />

exakten Informationsangebots als auch die der<br />

Informationsnachfrage. Mit entscheidungstheoretischen<br />

Verfahren kann versucht werden,<br />

hier in Teilgebieten weiterzukommen. Andere<br />

Faktoren, von denen der Erfolg eines FIS abhängt,<br />

sind die Akzeptanz und das Nutzungsverhalten<br />

der obersten Führungskräfte. Hier<br />

vermutet der Verfasser, dass die besondere Relevanz<br />

der Informationstechnologie für Rundfunkanstalten<br />

erzwingen wird, dass sich alle<br />

Führungsebenen mit dieser Thematik befassen<br />

und sich dann auch der Instrumente bedienen.<br />

Es gelingt dem Verfasser, das weite Feld der<br />

FIS, das – wie oben ausgeführt – in mehrere<br />

Fachgebiete hineinreicht, umfassend zu umreißen<br />

und zu strukturieren, was allein schon<br />

eine beachtliche Leistung darstellt. Die Ausführungen<br />

zur Konzeption und Entwicklung<br />

eines FIS kann <strong>zum</strong>indest als Leitfaden und<br />

Checkliste wertvolle Dienste leisten. Dissertationstypisch<br />

ist die große Zahl von Fußnoten<br />

und Literaturangaben, die für den Interessierten<br />

die Weiterverfolgung einzelner Aspekte erleichtert,<br />

den Lesefluss aber manchmal stört.<br />

Insgesamt kann dieses Buch ohne Einschränkung<br />

für alle, die sich mit dieser Thematik auseinander<br />

setzen müssen, empfohlen werden.<br />

Klaus Werner Wirtz<br />

297


M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />

Zeitschriftenlese<br />

Ladeur, Karl-Heinz: Was ist Pornografie?. – S.<br />

471-476<br />

AfP<br />

Jg 32 (2001) Nr 5<br />

Beuthien, Volker: Unerlaubte Werbung mit<br />

dem Abbild prominenter Personen. – S. 353 –<br />

362<br />

Barton, Dirk-Michael: Die Novellierung des<br />

„Hessischen Gesetzes über Freiheit und Recht<br />

der Presse“: Maßnahmen zur Verbesserung der<br />

Strafverfolgung bei bestimmten Presseinhaltsdelikten.<br />

– S. 362 – 368<br />

Gesellensetter, Catrin: Der Jugendschutz in digital<br />

verbreiteten privaten Fernsehprogrammen:<br />

die Rechtslage nach dem Fünften Rundfunkänderungsstaatsvertrag.<br />

– S. 369 – 372<br />

Die Verfasserin stellt die rechtlichen Vorgaben des<br />

Rundfunkstaatsvertrages in der Fassung des 5. Rundfunkänderungsstaatsvertrages<br />

unter besonderer Berücksichtigung<br />

der Vorgaben für Angebote des digitalen<br />

Fernsehens dar. Dabei untersucht und bejaht die<br />

Autorin die Frage, ob die Vorsperre als Eingriff in die<br />

Rundfunkfreiheit angesehen werden kann, der allerdings<br />

als verhältnismäßig anzusehen ist. Bevor in einem<br />

Ausblick neben einer Angleichung der europäischen<br />

Vorgaben für eine intensivere Kooperation der<br />

für den Jugendschutz verantwortlichen europäischen<br />

Stellen plädiert wird, geht die Verfasserin noch näher<br />

auf das Problem der Vorsperre als Inländerdiskriminierung<br />

ein.<br />

Lehr, Gernot; Brosius-Gersdorf, Frauke:<br />

Kurzberichterstattung über Fußballbundesligaspiele.<br />

– S. 449<br />

Der aus der Vertretung der Interessen der ARD entstandene<br />

Beitrag behandelt die rechtlichen Probleme,<br />

die sich angesichts der Turbulenzen um die Ausübung<br />

des Kurzberichterstattungsrechts seitens der öffentlich-rechtlichen<br />

Anstalten des ARD-Verbundes und<br />

der Kirch-Gruppe herauskristallisiert hatten. Dabei<br />

geht es vor allem um die Fragen, wer als Veranstalter<br />

im Sinne des § 5 RstV anzusehen ist, wann innerhalb<br />

des ARD-Verbundes zu eigenen Sendezwecken agiert<br />

wird und ob ein vertraglicher Verzicht auf die Ausübung<br />

des Kurzberichterstattungsrechtes rechtlich<br />

möglich ist. Letzteres wird von den Verfassern verneint.<br />

Schließlich werden noch einige prozessuale Besonderheiten<br />

des Konfliktes beleuchtet.<br />

Jg 32 (2001) Nr 6<br />

Kreile, Johannes; Westphal, Dietrich: Investigativer<br />

Journalismus im Reichstagsgebäude. –<br />

S. 458 – 465<br />

Becker, Bernhard von: Überlegungen <strong>zum</strong> Verhältnis<br />

von Kunstfreiheit und Persönlichkeitsrecht.<br />

– S. 466 – 470<br />

298<br />

Communication Research<br />

Jg 28 (2001) Nr 5<br />

Eveland, William P.: The cognitive mediation<br />

model of learning from the news: evidence<br />

from nonelection, off-year-election, and presidential<br />

election contexts. – S. 571 – 601<br />

Morton, Thomas A.; Duck, Julie M.: Communication<br />

and health beliefs: mass and interpersonal<br />

influences on perceptions of risk to self<br />

and others. – S. 602 – 626<br />

Bolls, Paul D.; Lang, Annie; Potter, Robert F.:<br />

The effects of message valence and listener<br />

arousal on attention, memory, and facial muscular<br />

responses to radio advertisements. –<br />

S. 627 – 651<br />

Valkenburg, Patti M.; Soeters, Karen E.: Children’s<br />

positive and negative experiences with the<br />

Internet: an exploratory survey. – S. 652 – 676<br />

Der Artikel berichtet über eine Befragung von 194<br />

holländischen Kindern zwischen 8 und 13 Jahren, die<br />

die Motive der Kinder für ihre Internetnutzung untersuchte<br />

sowie negative und positive Erfahrungen mit<br />

dem Medium erfragte. Damit wurde der Uses-and-<br />

Gratifications-Ansatz auf die Internetnutzung von<br />

Kindern angewandt, was bisher nur für Erwachsene<br />

und das Internet bzw. bei Kindern nur fürs Fernsehen<br />

getan wurde. Die Kinder, die alle zuhause Internetzugang<br />

hatten, füllten in Gruppen von 4–6 Kindern Fragebögen<br />

zu 24 Aussagen aus, deren Zutreffen sie in einer<br />

Skala von 1 (nie) bis 4 (oft) einschätzen sollten. Die<br />

Ergebnisse zeigten, dass das häufigste Motiv der Kinder<br />

zur Nutzung des Internet in ihrer allgemeinen Affinität<br />

<strong>zum</strong> Computer bestand, gefolgt vom Interesse<br />

an Informationen und an Unterhaltung. Weniger wichtige<br />

Motive waren die soziale Interaktion sowohl online<br />

als auch offline. Als häufigste positive Erfahrungen<br />

wurden genannt, das Spielen und Herunterladen<br />

von Computerspielen (17%), Videoclips zu schauen<br />

(13%), Kinderunterhaltungsseiten zu besuchen (12%)<br />

und Informationen über Tiere zu suchen. Als negative<br />

Erfahrungen wurden genannt Virus oder Computercrash<br />

(10%), Gewalt (4%) und Pornographie (4%).<br />

Leets, Laura: Explaining perceptions of racist<br />

speech. – S. 676 – 706<br />

Jg 28 (2001) Nr 6<br />

Sheafer, Tamir: Charismatic skill and media legitimacy:<br />

an actor-centered approach to understanding<br />

the political communication competition.<br />

– S. 711 – 736<br />

Savadori, Lucia; Swol, Lyn M. van; Sniezek, Janet<br />

A.: Information sampling and confidence


Zeitschriftenlese<br />

within groups and judge advisor systems. – S.<br />

737 – 771<br />

Domke, David: Racial cues and political ideology:<br />

an examination of associative priming. –<br />

S. 772 – 801<br />

Nabi, Robin L.; Sullivan, John L.: Does television<br />

viewing relate to engagement in protective<br />

action against crime? a cultivation analysis<br />

from a theory of reasoned action perspective. –<br />

S. 802 – 825<br />

Fan, David P.; Wyatt, Robert O.; Keltner, Kathy:<br />

The suicidal messenger: how press reporting<br />

affects public confidence in the press, the<br />

military, and organized religion. – S. 826 – 852<br />

Communication Theory<br />

Jg 11 (2001) Nr 4<br />

Willins, Karin Gwinn; Mody, Bella: Reshaping<br />

development communication: developing communication<br />

and communicating development.<br />

– S. 385 – 396<br />

Steeves, H. Leslie: Liberation, Feminism, and<br />

development communication. – S. 397 – 414<br />

Huesca, Robert: Conceptual contributions of<br />

new social movements to development communication<br />

research. – S. 415 – 433<br />

Jacobson, Thomas L.; Jang, Won Young:<br />

Rights, culture, and cosmopolitan democracy.<br />

– S. 434 – 453<br />

Hornik, Robert; McAnany, Emile: Theories<br />

and evidence: mass media effects and fertility<br />

change. – S. 454 – 471<br />

Rodriguez, Clemencia: Shattering butterflies<br />

and amazons: symbolic constructions of women<br />

in Colombian Development discourse. –<br />

S. 472 – 494<br />

Communications<br />

Jg 26 (2001) Nr 3<br />

Valkenburg, Patti M.; Molen, Juliette H. Walma<br />

van der; Peeters, Allerd L.: Should news on<br />

child homicides be broadcast? opinions of parents,<br />

teachers, and children. – S. 229 – 246<br />

Hetsroni, Amir: Millionaires around the world:<br />

analysis of quiz shows in America, Israel and<br />

Poland. – S. 247-266<br />

Rijt, Gerrit van der: Consumption of health information<br />

in the media: a replication study. – S.<br />

267 – 284<br />

Selm, Martine van; Nelissen, Paul: Sharing organizational<br />

information through ICT: the exploration<br />

of the content of a hospital’s Intranet.<br />

– S. 285 – 296<br />

Garitaonandia, Carmelo; Fernandez, Emilio;<br />

Oleaga, José: Relationships between the use of<br />

pay-per-view, levels of television consumption,<br />

and the communication technology equipment<br />

of Spanish households. – S. 297 – 310<br />

Computer und Recht<br />

Jg 17 (2001) Nr 10<br />

Bartsch, Michael: Das neue Schuldrecht: Auswirkungen<br />

auf das EDV-Vertragsrecht. – S. 649<br />

– 656<br />

Runte, Christian: Produktaktivierung: zivilrechtliche<br />

Fragen der „Aktivierung“ von Software.<br />

– S. 657 – 663<br />

Eckhardt, Jens: Telekommunikations-Überwachungsverordnung:<br />

ein Überblick. – S. 670 –<br />

677<br />

Henssler, Martin; Kilian, Matthias: Rechtsinformationssysteme<br />

im Internet. – S. 682 – 692<br />

Sosnitza, Olaf: Das Internet im Gravitationsfeld<br />

des Rechts: zur rechtlichen Beurteilung so<br />

genannter Deep Links. – S. 693 – 703<br />

Antweiler, Clemens: Einsatz elektronischer<br />

Mittel bei der Vergabe öffentlicher Aufträge. –<br />

S. 717 – 722<br />

Jg 17 (2001) Nr 11<br />

Bettinger, Torsten; Scheffelt, Michael: Application<br />

Service Providing: Vertragsgestaltung und<br />

Konflikt-Management. – S. 729 – 741<br />

Koenig, Christian; Kühling, Jürgen; Braun,<br />

Jens-Daniel: Die Interdependenz von Märkten<br />

in der Telekommunikation, Teil II: Auslegung<br />

von Art. 13 Abs. 3 des Rahmenrichtlinien-Entwurfs<br />

anhand kartellrechtlicher Maßstäbe. – S.<br />

745 – 751<br />

„Die Interdependenz zahlreicher Märkte erlaubt es<br />

vertikal integrierten Unternehmen, Marktmachtpotentiale<br />

auf benachbarte Märkte zu übertragen, auf denen<br />

sie für sich betrachtet über keine marktbeherrschende<br />

Stellung verfügen. Die damit verbundenen<br />

299


M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />

,Vermachtungsgefahren’ stellen ein wesentliches Zukunftsthema<br />

der gesamten Kommunikationswirtschaft<br />

dar. Art. 13 Abs. 3 des Entwurfs einer „Richtlinie<br />

über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische<br />

Kommunikationsnetze und -dienste“ reagiert<br />

auf dieses Problem und sieht eine Regelung über<br />

die Berücksichtigung benachbarter Märkte („closely<br />

related markets“) vor. Der [...] Aufsatz versteht sich als<br />

erster Beitrag zu einer sachgerechten Auslegung dieser<br />

bislang völlig ungeklärten Vorschrift. Zur Analyse<br />

des Art. 13 Abs. 3 wird nach einführenden Vorüberlegungen<br />

zur Marktabgrenzung und zur Interdependenz<br />

von Märkten der Begriff der ,benachbarten Märkte’<br />

unter Rückgriff auf vergleichbare Vorschriften der<br />

Fusionskontrollverordnung und des allgemeinen EG-<br />

Kartellrechts näher erörtert, ehe die Vorschrift ausgelegt<br />

und ihre Rechtsfolgen umrissen werden können.“<br />

Mankowski, Peter: Fernabsatzrecht: Information<br />

über das Widerrufsrecht und Widerrufsbelehrung<br />

bei Internetauftritten. – S. 767 – 774<br />

Ohly, Ansgar: Software und Geschäftsmethoden<br />

im Patentrecht. – S. 899 – 816<br />

Jg 17 (2001) Nr 12<br />

Koenig, Christian; Kühling, Jürgen; Braun,<br />

Jens-Daniel: Die Interdependenz von Märkten<br />

in der Telekommunikation, Teil II: Art 13 Abs.<br />

3 des Rahmenrichtlinien-Entwurfs und seine<br />

Folgen. – S. 825 – 831<br />

Dieser Beitrag knüpft an den Aufsatz der Autoren aus<br />

dem Vorheft an (s.o.). In diesem Beitrag wird das Zusammenspiel<br />

der allgemeinen Bestimmung des Art. 13<br />

Abs. 3 mit dem besonderen Teil des EG-Telekommunikationsrechts<br />

beleuchtet. Ergänzend werden die<br />

Auswirkungen an plastischen Beispielen demonstriert.<br />

„Deregulierungsschritte“, wie sie etwa durch<br />

die Entscheidung der Regulierungsbehörde für Post<br />

und Telekommunikation zur Regulierung von Gesprächsverbindungen<br />

im Türkei-Verkehr erfolgt sind,<br />

„werden auf der Basis einer Interdependenz-Betrachtung<br />

ggf. wieder in Frage gestellt“.<br />

Schmitt, Hansjörg: Online-Kaufverträge über<br />

„Intangible Goods“ und der Anwendungsbereich<br />

von Verbrauchergesetzen. – S. 838 – 844<br />

Liesching, Marc: Die Bedeutung des Jugendschutzbeauftragten<br />

für Informations- und<br />

Kommunikationsdienste. – S. 845 – 849<br />

Jg 18 (2002) Nr 1<br />

Thewalt, Stephan: Softwareerstellung als Kaufvertrag<br />

mit werkvertraglichem Einschlag: §651<br />

BGB nach der Schuldrechtsreform. – S. 1 – 6<br />

Zimmer, Anja: Verhindert das TKG eine sinnvolle<br />

Kreditsicherung?: Netze, Lizenzen und<br />

Frequenzen als Sicherungsmittel vor und in der<br />

Insolvenz. – S. 13 – 21<br />

300<br />

Penning, Holger: Forderungseinzug und Inkasso<br />

durch die DTAG für andere Netzbetreiber<br />

(Inkasso-Streit). – S. 22 – 28<br />

Rasmussen, Heike: Datenschutz im Internet:<br />

gesetzgeberische Maßnahmen zur Verhinderung<br />

der Erstellung ungewollter Nutzerprofile<br />

im Web: zur Neufassung des TDDSG. – S. 36 –<br />

44<br />

„Werbung ist bei dem Internetdienst World Wide<br />

Web die wichtigste Einnahmequelle der Unternehmen<br />

zur Finanzierung ihrer eingestellten Angebote.<br />

Dabei eröffnet dieses Medium erstmals die Möglichkeit,<br />

den einzelnen Nutzer als (potentiellen) Kunden<br />

direkt und damit auch gezielt zu bewerben. Diese<br />

Werbung kann umso systematischer erfolgen, je umfassender<br />

ein Profil des jeweiligen Nutzers erstellt<br />

werden kann. Dem folglich großen Interesse der Unternehmen<br />

an der Erstellung möglichst umfassender<br />

Nutzerprofile setzt aber das Teledienstedatenschutzgesetz<br />

(TDDSG) Grenzen. Diese Grenzen werden<br />

mit der nach dem TDDSG im Grundsatz nur zulässigen<br />

Erstellung von Nutzerprofilen mit anonymisierten<br />

oder pseudonymisierten Daten gezogen. Eine besondere<br />

Gefahr für den Nutzer und sein Recht auf informationelle<br />

Selbstbestimmung wird in der Verbindung<br />

dieser Profile mit personenbezogenen Daten<br />

gesehen. Folglich enthält das TDDSG seit seiner Erstfassung<br />

im Jahre 1997 eine Reihe von Pflichten und<br />

Erlaubnissen für Diensteanbieter, die die Fälle der<br />

Verbindung von Nutzerprofilen mit personenbezogenen<br />

Daten auf ein erforderliches Minimum beschränken.<br />

Diese Einschränkungen sind mit der Novellierung<br />

des TDDSG im Jahre 2001 erheblich ausgeweitet<br />

bzw. präzisiert worden und werden in dem Beitrag<br />

erörtert.“<br />

Computer und Recht international<br />

Jg 2 (2001) Nr 5<br />

Wellbery, Barbara; Pichler, Rufus J.: Electronic<br />

Commerce and the proposed Hague<br />

Convention on Jurisdiction and Foreign Judgments<br />

in Civil and commercial matters: putting<br />

the cart before the horse?. – S. 129 – 136<br />

Vinje, Thomas C.: The emerging European<br />

Regime on ISP liability: member states make<br />

progress implementing e-commerce directive. –<br />

S. 137 – 143<br />

Wilske, Stephan; Myer, John A.; Barker, Sarah<br />

A.: Online securities offerings and investor<br />

protection: who’s law has to be complied with<br />

when offering securities through the Internet?.<br />

– S. 161 – 166<br />

Strowel, Alain; Daems, Erik: The implementation<br />

of the 2001/29/EC Copyright directive in<br />

Belgium and the Netherlands. – S. 167 – 170


Zeitschriftenlese<br />

Sengpiel, Markus; Mostardini, Massimilino;<br />

Durand, Stéphane Vital: Conflicts between domain<br />

names and distinctive signs: comparative<br />

analysis of the solutions to domain name conflicts<br />

in three jurisdictions before and after the<br />

second WIPO Internet Domain Name Process.<br />

– S. 171 – 177<br />

Convergence<br />

Jg 7 (2001) Nr 3<br />

Stalder, Felix: Flows and nodes: the financial<br />

markets as new media environment. – S. 10 – 17<br />

Hulsbus, Monica: Viral bodies, virtual practices.<br />

– S. 18 – 27<br />

Wheeler, MArk: Regulating communications<br />

in the UK: a new future. – S. 28 – 37<br />

Caron, André H.; Caronia, Letizia: Active<br />

users and active objects: the mutual construction<br />

of families and communication technologies.<br />

– S. 38 – 61<br />

„The purpose of this study was to focus on the subjective<br />

construction of the meaning people give to<br />

technologies and their uses within the family. The<br />

adoption and use of new communication technologies<br />

are interpreted as series of social actions undertaken<br />

by its members, under precise conditions, for specific<br />

motives. For this reason this research took us inside<br />

the homes of nine families (with and without children<br />

and teenagers), in a natural, everyday-life context or<br />

uses of communication technologies. We looked<br />

closely at the cumulating effects of household technologies<br />

in a contextualist-interactionist theoretical<br />

perspective and concentrated on analyzing the synergy<br />

between three families of technology: telephone,<br />

television and the computer-internet. Our results appear<br />

to show that active users meet active objects, and<br />

this encounter leads to a reciprocal construction. A<br />

process of co-construction between family members<br />

and the cumulating of communication technologies in<br />

the household seems to take place. Its main feature<br />

thus appears to be: a process of spiral, ongoing mutual<br />

definition.“<br />

Scannell, John: Renegade refrains: MP3 and the<br />

pursuit of affect. – S. 62 – 82<br />

„Debate over the ethics of MP3 file sharing has overshadowed<br />

intellectual inquiry into the reasons why<br />

music has been such a sought after commodity for<br />

downloading. This paper proposes a Deleuze/Guattarian<br />

inspired conceptualisation of affect to ascertain<br />

the drive behind the phenomenon we call the ‘MP3<br />

revolution’. The claim is that music has been responsible<br />

for the internet’s transition from static to dynamic<br />

medium as the affective allure of the MP3 codec<br />

solicits territorial production through reception. Ritual,<br />

rhythms and refrains order our way through the<br />

chaos of the web and this paper proposes that MP3 offers<br />

temporal potentialities and existential ‘becoming’<br />

that provide new affective dimensions to the previously<br />

static nature of the web. With such a proliferation<br />

of writing on MP3 and peer-to-peer networking,<br />

this article is concerned with why music is worth<br />

downloading and finally, how capital has sought to<br />

commodify this territory that MP3 users created.“<br />

Berman, Joshua; Bruckman, Amy S.: The turing<br />

game: exploring identity in an online environment.<br />

– S. 83 – 103<br />

„Do men and women behave differently online? Can<br />

you tell how old someone is, or determine their race<br />

or national origin based on how they communicate on<br />

the internet? Issues of personal identity affect how we<br />

relate to others in everyday life, both online and offline.<br />

However, identity in this new medium is still<br />

poorly understood by internet users.“<br />

Bromley, Michael; Purdey, Heather: Chilling<br />

out: but not yet „cool“: new media training in a<br />

UK journalism school: a further report on<br />

„Journomorphosis“. – S. 104 – 117<br />

Cultural studies<br />

Jg 15 (2001) Nr˙3-4<br />

Erni, John Nguyet: Like a postcolonial culture:<br />

Hong Kong re-imagined: Introduction. – S. 389<br />

– 418<br />

O’Donnell, Mary Ann: Becoming Hong Kong,<br />

razing Baonan, preserving Xin’An: an ethnographic<br />

account to urbanization in the Shenzhen<br />

special economic zone. – S. 419 – 443<br />

Ma, Eric Kit-wai: Consuming satellite modernities.<br />

– S. 444 – 463<br />

Lo, Kwai-cheung: Double negations: Hong<br />

Kong cultural identity in Hollywood’s<br />

transnational representations. – S. 464 – 485<br />

Chan, Stephen Ching-kiu: Figures of hiope and<br />

the filmic imaginary of Jianghu in contemporary<br />

Hong Kong cinema. – S. 486 – 514<br />

Li, Siu Leung: Kung Fu: negotiating nationalism<br />

and modernity. – S. 515 – 542<br />

Yau, Ka-fai: Cinema 3: towards a minor Hong<br />

Kong cinema. – S. 543 – 563<br />

Cheung, Esther M K.: The Hi/stories of Hong<br />

Kong. – S. 564 – 590<br />

Fung, Anthony: What makes the local?: a brief<br />

consideration of the rejuvenation of Hong<br />

Kong identity. – S. 591 – 601<br />

Chew, Matthew: An alternative metacritique of<br />

postcolonial cultural studies from a cultural sociological<br />

perspective. – S. 602 – 620<br />

301


M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />

Abbas, Ackbar: (H)edge city: a response to<br />

„Becoming (postcolonial) Hong Kong“. – S.<br />

621 – 626<br />

European Journal of Communication<br />

Jg 16 (2001) Nr 4<br />

Ohr, Dieter; Schrott, Peter R.: Campaigns and<br />

Information seeking: evidence from a German<br />

State Election. – S. 419 – 450<br />

Der Aufsatz sucht nach Erklärungen für die Informationsnachfrage<br />

im Rahmen von Wahlkämpfen. Unter<br />

Rückgriff auf den Uses and Gratifications Ansatz, die<br />

Rational Choice Theorie und die Wahlstudien von Lazarsfeld<br />

u.a. werden folgende Determinanten des Informationsverhaltens<br />

konzipiert: die soziale Erwartung,<br />

informiert zu sein; das individuelle Pflichtgefühl,<br />

sich politisch informiert halten zu sollen; der<br />

Wunsch, die persönlichen politischen Orientierungen<br />

auch in der Wahlentscheidung ausdrücken zu können;<br />

Unterhaltungsaspekte der Politik. Es wurde ermittelt,<br />

aus welchen Quellen politische Informationen aufgenommen<br />

werden (Zeitung, Fernsehen, Radio, Parteihaussendungen<br />

u.a.). Die Studie wurde anhand einer<br />

Lokalwahl in Deutschland durchgeführt. Das Analysemodell<br />

kann die Varianz in der Informationsnachfrage<br />

gut erklären (R2 ist annähernd 22 Prozent). Dabei<br />

hat der Faktor der sozialen Erwartung den größten<br />

Einfluss. Allerdings muss der Einfluss der o.a.<br />

Faktoren je nach Informationsquelle deutlich differenziert<br />

angesetzt werden.<br />

Averbeck, Stefanie: The Post-1933 emigration<br />

of communication researchers from Germany:<br />

the lost works of the Weimar Generation. –<br />

S. 451 – 476<br />

„... This article outlines the theoretical background of<br />

early communication science in Germany and the<br />

context of racist and political persecution and emigration<br />

as a social and intellectual breakdown of this<br />

science. Actually, this breakdown gains new interest<br />

in the German academic community; the past of German<br />

communication science and its very dark sides<br />

have become topics of discussion and research.“<br />

Harrison, J.; Woods, L. M.: Defining European<br />

Public Service Broadcasting. – S. 477 – 504<br />

Die Rundfunkpolitik der Europäischen Gemeinschaft<br />

anerkennt einerseits die Bedeutung des Public Service<br />

Rundfunks (PSB) als „allgemeines Gut“ mit demokratischem<br />

Potenzial; andererseits begrenzt sie die Vergabe<br />

öffentlicher Mittel an den PSB an enge Grenzen,<br />

die mit Blick auf die ökonomische Freiheit des Rundfunkmarktes<br />

gezogen sind. Der Artikel will eine Sicht<br />

der Europäischen Gemeinschaft auf den Public Service<br />

Rundfunk bestimmen, wie sie durch seine Rolle in<br />

der Gesellschaft nötig gemacht wird, und stellt die so<br />

begründeten Erfordernisse der Wettbewerbspolitik<br />

der Europäischen Gemeinschaft gegenüber.<br />

Papathanassopoulos, Stylianos: Media commercialization<br />

and journalism in Greece. –<br />

S. 505 – 522<br />

Robinson, Piers: Theorizing the influence of<br />

media on world politics: models of media influence<br />

on foreign policy. – S. 523 – 544<br />

Die theoretische Diskussion schwankt zwischen der<br />

Annahme, <strong>Medien</strong> wirkten (im Sinne des „CNN-Effektes“)<br />

machtvoll auf die Außenpolitik von Staaten<br />

ein, und der Auffassung, sie „fabrizierten“ den passenden<br />

öffentlichen Konsens zu den Positionen der<br />

herrschenden politischen Elite. Der Beitrag diskutiert<br />

vorliegende Theorien <strong>zum</strong> Verhältnis von <strong>Medien</strong> und<br />

Staatsmacht, namentlich die Arbeiten von Hallin und<br />

Bennett, und hebt empirische und theoretische Verkürzungen<br />

in der These des „manufacturing consent“<br />

hervor. Sodann wird ein Modell der Politik-<strong>Medien</strong>-<br />

Interaktion vorgestellt, das von einer zweiseitigen<br />

Einflussrichtung ausgeht und so die beiden Auffassungen<br />

über die Macht der <strong>Medien</strong> miteinander vermittelbar<br />

macht. Es expliziert dafür die Bedingungen,<br />

unter denen <strong>Medien</strong> Einflussmacht bekommen können.<br />

Als entscheidende Bedingung wird die Existenz<br />

einer „legitimen Kontroverse“ innerhalb des politischen<br />

Systems angegeben.<br />

Human Communication Research<br />

Jg 27 (2001) Nr 4<br />

Levine, Timothy R.; McCormack, Steven A.:<br />

Behavioral adaptation, confidence, and heuristic-based<br />

explanations of the probing effect. –<br />

S. 471 – 502<br />

Burgoon, Judee K.; Buller, David B.; Floyd,<br />

Kory: Does participation affect deception success?<br />

a test of the interactivity principle. –<br />

S. 503 – 534<br />

Xu, Yan; Burleson, Brant R.: Effects of sex, culture,<br />

and support type on perceptions of spousal<br />

social support: an assessment of the „support<br />

gap“ hypothesis in early marriage. – S. 535<br />

– 566<br />

Jones, Susanne M.; Guerrero, Laura K.: The effects<br />

of nonverbal immediacy and verbal person<br />

centeredness in the emotional support process.<br />

– S. 567 – 596<br />

Edwards, Renee; Bello, Richard: Interpretations<br />

of messages: the influence of equivocation,<br />

face concerns, and ego-involvement. – S. 597 –<br />

631<br />

Journal of Communication<br />

Jg 51 (2001) Nr 4<br />

Rimal, Rajiv N.: Perceived risk and self-efficacy<br />

as motivators: understanding individuals’<br />

long-term use of health information. – S. 633-<br />

654<br />

302


Zeitschriftenlese<br />

„Using Witte’s (1992) extended parallel process model,<br />

this study identifies 4 groups of individuals according<br />

to their perceived risk and self-efficacy: responsive<br />

(high perceived risk, high efficacy), proactive (low<br />

perceived risk, high efficacy), avoidance (high perceived<br />

risk, low efficacy), and indifference (low perceived<br />

risk, low efficacy). Membership in these groups<br />

is hypothesized to influence motivation to think about<br />

cardiovascular diseases (CVD), use of CVD-related<br />

information, and knowledge acquisition. In the crosssectional<br />

data waves, there was a significant interaction<br />

between risk perception and self-efficacy on individuals’<br />

(a)motivation to think about CVD issues, (b)<br />

use of health information, and (c) knowledge acquisition.<br />

This study also found similar results longitudinally<br />

over a 2-year and a 6-year period.“<br />

Berger, Charles R.: Making it worse than it is:<br />

quantitative depictions of threatening trends in<br />

the news. – S. 655 – 677<br />

McLeod, Douglas M.; Detenber, Benjamin H.;<br />

Eveland, William P.: Behind the third-personeffect:<br />

differentiating perceptual processes for<br />

self and other. – S. 678 – 695<br />

„This study investigated factors related to two types<br />

of judgments that make up the third-person perception:<br />

media effects on others and effects on self. Specifically,<br />

separate regression path models revealed that<br />

estimates of effects on others are based on a relatively<br />

naive schema for media effects that is similar to the<br />

„magic bullet“ model of media effects (i.e., more exposure<br />

leads to greater effects). On the other hand, assessing<br />

effects on self involves a more complex, conditional<br />

effects model. The different pattern of results<br />

for the self and other models reflect the „fundamental<br />

attribution error“ from attribution theory. The path<br />

models also extend results from the perceptual component<br />

to the behavioral component of the third-person<br />

effect by linking the explanatory variables to support<br />

for censorship. Both models showed that paternalistic<br />

attitudes were the strongest predictor of support<br />

for censorship.“<br />

Wolburg, Joyce M.: Preserving the moment,<br />

commodifying time, and improving upon the<br />

past: insights into the depiction of time in<br />

American advertising. – S. 696 – 719<br />

Corbett, Julia B.: Women, scientists, agitators:<br />

magazine portrayal of Rachel Carson and Theo<br />

Colborn. – S. 720 – 749<br />

Sotirovic, Mira: Media use and perceptions of<br />

welfare. – S. 750 – 774<br />

„This study examines public perceptions of the characteristics<br />

of a typical welfare recipient and of welfare<br />

programs, and how these perceptions reflect differences<br />

in individuals’ media use. The evidence shows<br />

that contextually poor, event-centered, and personalized<br />

media content use, represented by exposure and<br />

attention to television cable news, and entertainment<br />

shows, works in the direction of introducing typical<br />

biases in welfare perceptions: perception of welfare recipients<br />

as non-White, female, of younger age, and of<br />

higher federal spending on welfare programs. In contrast,<br />

watching more thematic television stories about<br />

welfare and poverty, as well as reading public affairs<br />

content in newspapers, has overall positive effects on<br />

the accuracy of perceptions of welfare. In turn, perceptions<br />

of welfare recipients and welfare programs<br />

affect individual’s support for welfare programs.“<br />

Richardson, Glenn W.: Looking for meaning in<br />

all the wrong places: why negative advertising<br />

is a suspect category. – S. 775 – 800<br />

Mason, Ann; Meyers, Marian: Living with<br />

Martha Stewart media: chosen domesticity in<br />

the experience of fans. – S. 801 – 823<br />

„In-depth interviews with 10 women who are Martha<br />

Stewart fans addressed the roles Stewart and her media<br />

products play in their lives and why and how they<br />

use her media products. Stewart and her media products<br />

appear to play 3 main roles in the lives of these<br />

women: they encourage the fantasy of an upper-class<br />

lifestyle of elegance and luxury while providing an escape<br />

from their daily lives; they validate the women’s<br />

interest in domesticity by making domestic work respectable<br />

and seem important; and they foster creativity<br />

and feelings of accomplishment and pride among<br />

those who complete projects and recipes. ...“<br />

Journal of Communication Inquiry<br />

Jg 25 (2001) Nr 4<br />

Bishop, Ronald: Old dogs, new tricks?: an ideological<br />

analysis of thematic shifts in television<br />

advertising for diet products, 1990-2000. – S.<br />

334 – 352<br />

Killmeier, Matthew A.: Voices between the<br />

tracks: disk jockeys, radio, and popular music,<br />

1955-1960. – S. 353 – 374<br />

Fürsich, Elfriede; Lester Roushanzamir, Elli P.:<br />

Corporate expansion, textual expansion: commodification<br />

model of communication. – S. 375<br />

– 395<br />

Pusnik, Marusa; Bulc, Gregor: Women in their<br />

own reflection: self-representation of women<br />

politicians in the Slovenian press. – S. 396 – 413<br />

Balas, Glenda R.: Domestic values and national<br />

security: framing the battle for educational<br />

frequencies in 1950-1951. – S. 414 – 437<br />

Jg 26 (2002) Nr 1<br />

Kraidy, Ute Sartorius: Sunny days on Sesame<br />

Street? multiculturalism and resistance postmodernism.<br />

– S. 9 – 25<br />

Nofz, Michael P.; Vendy, Phil: When computers<br />

say it with feeling: communication and<br />

303


M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />

synthetic emotions in Kubrick’s 2001: A Space<br />

Odyssey. – S. 26 – 45<br />

Cecil, Matthew: Bad apples: paradigm overhaul<br />

and the CNN/Time „Tailwind“ story. – S. 46 –<br />

58<br />

Jaramillo, Deborah L.: The family racket: AOL<br />

Time Warner, HBO, The Sopranos, and the<br />

construction of a quality brand. – S. 59 – 75<br />

Tovares, Raul: Mascot Matters: race, history,<br />

and the University of North Dakota’s „Fighting<br />

Sioux“ Logo. – S. 76 – 94<br />

Journal of Media Economics<br />

Jg 14 (2001) Nr 4<br />

Dimmick, John; McDonald, Daniel G.: Network<br />

radio oligopoly, 1926-1956: rivalrous<br />

imitation and program diversity. – S. 197 – 212<br />

Die Autoren bemühen sich, die Folgen der Entwicklung<br />

der amerikanische Hörfunklandschaft zu oligopolistischen<br />

Märkten für die Programmvielfalt nachzuvollziehen.<br />

Dazu wird auf der Grundlage einer Inhaltsanalyse<br />

die Entwicklung der Programmvielfalt<br />

beschrieben und mit ähnlichen Ergebnissen zu den<br />

Fernsehnetworks verglichen.<br />

Wurff, Richard van der; Cuilenburg, Jan van:<br />

Impact of moderate and ruinous competition<br />

on diversity: the Dutch television market. –<br />

S. 213 – 230<br />

Im Mittelpunkt des Aufsatzes steht die Frage, wann<br />

Wettbewerb im Rundfunksystem negative Auswirkungen<br />

auf die Programme hat. Anhand des niederländischen<br />

Fernsehmarktes wird versucht, aufzuzeigen,<br />

welche Voraussetzungen zu einem ruinösen<br />

Wettbewerb führen können.<br />

Chyi, Hsiang Iris; Sylvie, George: The medium<br />

is global, the content is not: the role of geography<br />

in online newspaper markets. – S. 231 – 248<br />

In ihrem Beitrag gehen die Autoren der Frage nach,<br />

welche Bedeutung der globale Charakter des Internet<br />

für Zeitungsverlage im Vergleich zu ihren lokalen<br />

Märkten hat. Anhand einer Untersuchung von Angebot<br />

und Nutzung der Online-Ausgaben der Zeitungen<br />

in vier amerikanischen Bundesstaaten werden dabei<br />

die wesentlichen Unterschiede zwischen den beiden<br />

Märkten verdeutlicht.<br />

Kelly, Ross E.; Lewis, Philip E. T.: Household<br />

demand for Internet connection. – S. 249 – 266<br />

Auf der Grundlage von demografischen und sozioökonomischen<br />

Daten und solchen, die von Internet<br />

Service Providern zur Verfügung gestellt wurden, beschreiben<br />

die Autoren die Unterschiede bei der Verbreitung<br />

des Internet in Westaustralien.<br />

Journalism & Mass Communication<br />

Quarterly<br />

Jg 78 (2001) Nr 2<br />

Shoemaker, Pamela J.; Eichholz, Martin; Kim,<br />

Eunyi: Individual and routine forces in gatekeeping.<br />

– S. 233 – 246<br />

Anhand der Berichterstattung über 50 Gesetzentwürfe<br />

im US-Kongress wird mittels Befragung festgestellt,<br />

dass die Nachrichtenauswahl und der Umfang<br />

der Berichterstattung weniger durch persönliche<br />

Merkmale der Journalisten als durch die routinemäßige<br />

Einschätzung des Nachrichtenwertes zu erklären<br />

ist.<br />

Golan, Guy; Wanta, Wayne: Second-level<br />

agenda setting in the New Hampshire primary:<br />

a comparison of coverage in three newspapers<br />

and public perceptions of candidates. – S. 247 –<br />

259<br />

Wu, Wei; Koo, Soh Hoon: Perceived effects of<br />

sexually explicit Internet content: the thirdperson<br />

effect in Singapore. – S. 260 – 274<br />

Perkins, Michael: Violence against the press in<br />

Latin America: protections and remedies in international<br />

law. – S. 275 – 290<br />

Mayer, Vicki: From segmented to fragmental:<br />

Latino media in San Antonio, Texas. – S. 291 –<br />

306<br />

Waters, ken: Vibrant, but invisible: a study of<br />

contemporary religious periodicals. – S. 307 –<br />

320<br />

Kopenhaver, Lillian Lodge; Click, J. William:<br />

High School newspapers still censored thirty<br />

years after Tinker. – S. 321 – 339<br />

Stavitsky, Alan G.; Avery, Robert K.; Vanhala,<br />

Helena: From class D to LPFM: the Highpowered<br />

politics of low-power radio. – S. 340 –<br />

354<br />

Anderson, William B.: Does the cheerleading<br />

ever stop?: Major league baseball and sports<br />

journalism. – S. 355 – 382<br />

Kommunikation & Recht<br />

Jg 4 (2001) Nr 10<br />

Westermann, Harm Peter: Umtausch und<br />

Sperre von Telefonkarten. – S. 489 – 495<br />

Ladeur, Karl-Heinz: Einspeisung digitaler<br />

Fernsehprogramme: zur Rechtsstellung von<br />

Kabelnetzbetreiber und Programmveranstalter.<br />

– S. 496 – 505<br />

304


Zeitschriftenlese<br />

„Durch das In-Kraft-Treten des Vierten Rundfunkstaatsvertrags<br />

hat sich im Bereich der Einspeisung von<br />

Fernsehprogrammen in Kabelnetze einiges getan. Bisher<br />

war die Belegung von Kabelkanälen öffentlichrechtlich<br />

organisiert, nun können Anbieter außerhalb<br />

des must carry-Bereichs eigene Programmbouquets<br />

zusammenstellen. Hier wird es vor allem zu Abgrenzungsproblemen<br />

im Aufgabenbereich und Zusammenspiel<br />

zwischen den Landesmedienanstalten und<br />

der Regulierungsbehörde kommen. Im nachfolgenden<br />

Beitrag werden die Möglichkeiten und Konsequenzen<br />

der neuen Regelungen aufgezeigt und einer kritischen<br />

Würdigung unterzogen.“<br />

Bender, Gunnar: Regulierungsbehörde quo vadis?.<br />

– S. 506 – 514<br />

„Mit der Liberalisierung des Telekommunikationssektors<br />

und der Sicherung nachhaltigen Wettbewerbs<br />

auf diesen Märkten fällt der Regulierungsbehörde eine<br />

schwierige Aufgabe zu. Einerseits soll der Markt<br />

wirksam gesteuert werden, auf dass ein echter Wettbewerb<br />

stattfindet, andererseits ist durch die Ausgestaltung<br />

des Funktionsauftrags die rechtliche Einbettung<br />

des Beschlussverfahrens und der Regulierungsbehörde<br />

eine echte politische Unabhängigkeit nicht<br />

gegeben. Ein Blick ins Ausland zeigt, dass es durchaus<br />

andere Wege zu einer effektiveren Wettbewerbskontrolle<br />

geben kann. Der Beitrag setzt sich mit dieser<br />

Problematik eingehend auseinander und zeigt Lösungswege<br />

auf, um zu vermeiden, dass die deutsche<br />

Regulierungsbehörde <strong>zum</strong> „zahnlosen Tiger“ verkommt.“<br />

Tschentscher, Thomas; Bosch, Tobias: Diskriminierungsfreier<br />

Zugang <strong>zum</strong> „blanken<br />

Draht“. – S. 515 – 518<br />

„Mit dem Urteil vom 25. 4. 2001 hat das BVerwG einen<br />

vorläufigen Schlussstrich unter den seit dem Inkrafttreten<br />

des TKG anhängigen Streit um das Recht<br />

der Wettbewerber der Deutschen Telekom AG<br />

(DTAG) auf Zugang zu ihren Teilnehmeranschlussleitungen<br />

gezogen. Nach erfolglosen Verhandlungen<br />

war dieser Streit im Mai 1997 hinsichtlich der Frage<br />

entstanden, ob die DTAG verpflichtet ist, ihren Wettbewerbern<br />

den diskriminierungsfreien Zugang <strong>zum</strong><br />

„blanken Draht“ also unmittelbar <strong>zum</strong> überwiegend<br />

kupferkabel-, <strong>zum</strong> Teil aber auch glasfasergestützten<br />

Medium der letzten Meile ihres Teilnehmeranschlussnetzes<br />

zu gewähren. Die DTAG hatte dies abgelehnt<br />

und ihren Wettbewerbern stattdessen technische<br />

Fragmente des Angebots einer Zugangsgewährung<br />

auf Basis eines bestimmten, vorab definierten Nutzungsspektrums<br />

der Teilnehmeranschlussleitung mit<br />

notwendiger Abnahme vor- und nachgeschalteter<br />

Übertragungstechnik (sog. „Customer Carrier Access“<br />

[CCA-Angebot]) unterbreitet.“<br />

Jg 4 (2001) Nr 11<br />

Kloepfer, Michael: Privatsphäre im Fadenkreuz<br />

staatlicher Überwachung?. – S. 545 – 554<br />

„Der Einzelne muss zwar bei jedem Fernmeldekontakt<br />

mit dem Ausland mit der Möglichkeit einer Erfassung<br />

durch den Bundesnachrichtendienst rechnen.<br />

Dass es tatsächlich zu einer Erfassung kommt, wird<br />

aber nur selten der Fall sein.“ Die vielen Substantive<br />

verraten den Urheber als Juristen. Und in der Tat hat<br />

das BVerfG in seinem G-10-Urteil diese Worte geprägt.<br />

Keine goldenen Worte, aber die Wahrheit. Man<br />

muss bei jedem Telefonkontakt in Deutschland mit<br />

dem Abhören rechnen: Angesichts der deutschen Geschichte<br />

lässt einen dies doch frösteln, obwohl ja nun<br />

die „Guten“ abhören. Und die Seltenheit des Grundrechtseingriffs<br />

kann ein Trost, aber jedenfalls bisher<br />

kein Rechtfertigungsgrund für Grundrechtseingriffe<br />

sein. Zudem können Zweifel an der Seltenheit bestehen.<br />

Gemessen an der Zahl tatsächlich geführter Gespräche<br />

mag die Abhörzahl gering sein, gemessen an<br />

anderen zivilisierten Staaten nicht: Deutschland ist bekanntlich<br />

Weltmeister im Abhören. Da passt das<br />

„Knack-Verbot“ des § 5 Abs.4 S. 1 des Entwurfs einer<br />

TK-Überwachungsverordnung gut, der fast schon<br />

den Stoff zur Satire in sich trägt.“<br />

Ruhle, Ernst-Olav; Schuster, Fabian: UMTS-<br />

Lizenzgebühren als Kosten der effizienten<br />

Leistungsbereitstellung bei einer angeordneten<br />

Zusammenschaltung. – S. 555 – 561<br />

„Nachdem die erste Euphorie über den Erhalt der<br />

UMTS-Lizenznehmer verflogen ist und sich praktische<br />

Probleme bei der Realisierung der Netze und<br />

Dienste der dritten Generation in den Vordergrund<br />

schieben, taucht eine auf den ersten Blick merkwürdig<br />

anmutende juristisch-ökonomische Frage auf: Sind<br />

die (ja doch recht hohen) UMTS-Lizenzgebühren als<br />

Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung bei Zusammenschaltungsentgelten<br />

zu berücksichtigen? Im<br />

nachfolgenden Beitrag wird diese Problematik kritisch<br />

beleuchtet.“<br />

Berrisch, Georg M.: E-Commerce und WTO-<br />

Recht. – S. 562 – 567<br />

Schmoll, Andrea: Die außenvertragliche Haftung<br />

von Host- und Access-Providern in<br />

Frankreich. – S. 568 – 571<br />

Janik, Viktor: Rundfunkregulierung auch im<br />

Internet?. – S. 572 – 582<br />

„Die Möglichkeiten, die das Internet bietet, auch<br />

Rundfunkprogramme und rundfunkähnliche Inhalte<br />

zu verbreiten, wirft die Frage der rechtlichen Einordnung<br />

dieser Angebote auf. Online-TV oder Web-Radio<br />

– auch öffentliche Rundfunkanstalten nutzen diese<br />

Form, um ihr Angebot zu verbreitern und die Publikumsbindung<br />

zu fördern. Die Einordnung solcher<br />

„<strong>Medien</strong>dienste“ fällt indes nicht nur den Landesmedienanstalten<br />

schwer, es ist fraglich, was hiervon noch<br />

durch den Staatsauftrag gedeckt ist und inwieweit umgekehrt<br />

hier das Recht der <strong>Medien</strong>- und Pressefreiheit<br />

gilt. Im nachfolgenden Beitrag plädiert der Autor daher<br />

für eine umfassende gesetzliche Neuordnung der<br />

Rahmenvorgaben unter Einbettung der technischen<br />

Weiterentwicklung hin zu einer einheitlichen <strong>Medien</strong>ordnung<br />

jenseits der bisherigen Untergliederung von<br />

Rundfunk, <strong>Medien</strong>dienste, Teledienste und Telekommunikation.“<br />

305


M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />

Jg 4 (2001) Nr 12<br />

Wandtke, Artur-Axel: Zur Reform des Urheberrechts.<br />

– S. 601 – 607<br />

Dörr, Dieter; Schiedermair, Stephanie; Haus,<br />

Florian C.: Urheberrechtsnovelle versus Europarecht.<br />

– S. 608 – 618<br />

Möschel, Wernhard: Ist das Verhältnis von<br />

TKG und GWB neu zu durchdenken?. – S. 619<br />

– 623<br />

„Die Praxis von Bundeskartellamt und der Regulierungsbehörde<br />

für Telekommunikation und Post geht<br />

von einer Spezialität des TKG gegenüber dem GWB<br />

aus. Begründet wird dies mit der Entstehungsgeschichte<br />

des TKG. Der nachfolgende Beitrag zeigt anhand<br />

von Beispielen und nicht zuletzt im Hinblick<br />

auch auf europäische Regelungen auf, dass die Spezialität<br />

des TKG in wesentlichen Sachverhalten nicht gegeben<br />

ist und man eher über Parallelität in der Rechtsanwendung<br />

nachdenken sollte.“<br />

Fleischer, Holger; Körber, Torsten: Marktmacht,<br />

Machtmissbrauch und Microsoft. – S.<br />

623 – 630<br />

„Microsoft hat mit seinem rigiden Geschäftsgepflogenheiten<br />

im Umgang mit der Konkurrenz in den<br />

letzten Jahren immer wieder für Wirbel gesorgt und<br />

die US-amerikanische Kartellbehörde auf den Plan gerufen.<br />

In dem anschließenden Kartellrechtsverfahren,<br />

indem es um die Frage ging, ob Microsoft seine Monopolstellung<br />

für Betriebssysteme missbräuchlich ausgenutzt<br />

hat, wurde im Juni das Berufungsurteil getroffen.<br />

Darin wurde das erstinstanzliche Urteil hinsichtlich<br />

des Monopolisierungsvorwurfs bestätigt,<br />

hinsichtlich der versuchten Monopolisierung des<br />

Browsermarktes jedoch verworfen. Damit wurde die<br />

Sache an die erste Instanz zurückverwiesen und die<br />

von Microsoft zu befürchtende Zerschlagung des Unternehmens<br />

ist zunächst vom Tisch.Im nachfolgenden<br />

Beitrag wird die Begründung der Berufungsinstanz<br />

nachgezeichnet und in einen Gesamtzusammenhang<br />

gestellt. Dabei zeigt sich auch, wie schwierig es ist,<br />

kartellrechtliche Regeln der Old Economy auf die sich<br />

rasch verändernde Marktentwicklung der New Economy<br />

zu übertragen.“<br />

Höfler, Heiko; Rosenkötter, Annette: E-commerce-Richtlinie<br />

und Vergaberecht: zur formellen<br />

Wirksamkeit der elektronischen Angebotsabgabe<br />

im Vergabeverfahren. – S. 631 – 637<br />

Kommunikation & Recht, eingeh. Beilage<br />

Jg 4 (2001) Nr 12<br />

Rechtsrahmen für den elektronischen Geschäftsverkehr.<br />

– S. 1 – 40<br />

Mass Communication & Society<br />

Jg 4 (2001) Nr 4<br />

Chaffee, Steven H.; Metzger, Miriam J.: The<br />

end of mass communication?. – S. 365 – 380<br />

Kiousis, Spiro: Public trust or mistrust? perceptions<br />

of media credibility in the Information<br />

Age. – S. 381<br />

Harmon, Mark D.: Affluenza: television use<br />

and cultivation of materialism. – S. 405 – 418<br />

Tracy, James F.: Revisiting a polysemic text: the<br />

African American press’s reception of „Gone<br />

with the wind“. – S. 419 – 436<br />

Pfau, Michael; Moy, Patricia; Szabo, Erin Alison:<br />

Influence of prime-time television programming<br />

on perceptions of the Federal Government.<br />

– S. 437 – 454<br />

Grandjean, Burke D.; Proffitt, Jennifer M.: Political<br />

communication and statistical interaction:<br />

reexamining issue, image, involvement,<br />

and interpersonal conversation. – S. 455 – 464<br />

Pinkleton, Bruce: Individual motivations in<br />

political decision making: a reply to Grandjean/Proffitt.<br />

– S. 465 – 466<br />

Media Asia<br />

Jg 28 (2001) Nr 3<br />

Lee, Kyung-Ja: Globalization and infocomm<br />

industries in Asia: opportunities and threats. –<br />

S. 123 – 130<br />

Agrawal, Binod C.: Information and communication<br />

technology challenges to democracy in<br />

Asia. – S. 131 – 134<br />

Sridhar, Susan: Protecting children in cyberspace.<br />

– S. 135 – 143<br />

Uy, Margaret: Technology waits for no law:<br />

Philippine law in the face of technological advances.<br />

– S. 144 – 156<br />

Trivedi, Bela; Thaker, Kosha: Social dimensions<br />

of media convergence in India. – S. 157 –<br />

163<br />

Anil, Samtani: The enforcement of intellectual<br />

property rights in cyberspace. – S. 164 – 171<br />

Karim, Wazir Jahan: Cultural hegemony versus<br />

diversity in the new information age. – S. 172 –<br />

179<br />

306


Zeitschriftenlese<br />

Media, Culture & Society<br />

Jg 23 (2001) Nr 5<br />

Alabarces, Pablo; Tomlinson, Alan; Young,<br />

Christopher: Argentina versus England at the<br />

France ‘98 World Cup: narratives of nation and<br />

the mythologizing of the popular. – S. 547 – 566<br />

Krabill, Ron: Symbiosis: mass media and the<br />

truth and reconciliation commission of South<br />

Africa. – S. 567 – 586<br />

Scriven, Michael; Roberts, Emily: Local specificity<br />

and regional unity under siege: territorial<br />

identity and the television news of Aquitaine. –<br />

S. 587-606<br />

Aldridge, Meryl: Lost expectations?: women<br />

journalists and the fall-out from the „Toronto<br />

newspaper war“. – S. 607 – 624<br />

Frosh, Paul: Inside the image factory: stock<br />

photograph and cultural production. – S. 625 –<br />

646<br />

Young, David: Céline Dion, national unity and<br />

the English-language press in Canada. – S. 647<br />

– 664<br />

Jg 23 (2001) Nr 6<br />

Peters, John Durham: Witnessing. – S. 707 –<br />

724<br />

Marriott, Stephanie: In pursuit of the ineffable:<br />

how television found the eclipse but lost the<br />

plot. – S. 725 – 742<br />

Dayan, Daniel: The peculiar public of television.<br />

– S. 743 – 766<br />

Ryfe, David Michael: From media audience to<br />

media public: a study of letters written in reaction<br />

to FDR’s fireside chats. – S. 767 – 782<br />

Keane, Michael: Broadcasting policy, creative<br />

compliance and the myth of civil society in<br />

China. – S. 783-798<br />

Der Artikel betrachtet den argumentativen Rahmen,<br />

der die Diskussion zur Zivilgesellschaft kennzeichnet<br />

und fragt nach der Anwendbarkeit des Civil Society-<br />

Modells für China. Das Schlüsselargument ist, dass die<br />

Betrachtung des Verhältnisses von Staat und Gesellschaft<br />

in China aus westlicher Perspektive die wesentlichen<br />

Unterschiede zwischen der autonomen Zivilgesellschaft<br />

liberaler Demokratien und den sozialen Beziehungen<br />

in China verschleiert. Wobei das Civil Society-Modell<br />

durchaus hilfreich für die Beschreibung<br />

der politischen und sozialen Veränderungen in China<br />

sein könne, aber die Kultur- und <strong>Medien</strong>politik nur<br />

unzureichend beschreibe.<br />

Belton, Teresa: Television and imagination: an<br />

investigation of the medium’s influence on<br />

children’s story-making. – S. 799 – 820<br />

Lisosky, Joanne M.: For all kids’ sakes: comparing<br />

children’s television policy-making in<br />

Australia, China and the United States. – S. 821<br />

– 842<br />

Media Perspektiven<br />

(2001) Nr 10<br />

Hallenberger, Gerd: Eurofiction 2000: Angebotsstruktur<br />

und inhaltliche Trends: erstausgestrahlte<br />

einheimische fiktionale Fernsehproduktionen<br />

in Deutschland. – S. 494 – 504<br />

Neckermann, Gerhard: Multiplexe in der Krise?<br />

Filmbesuch, Verleih- und Kinostruktur in<br />

Deutschland 1991 bis 2000. – S. 505 – 513<br />

Neckermann, Gerhard: Das Kinopublikum<br />

1993 bis 2000: Besucherstruktur, Besucherverhalten<br />

und Image des Kinos. – S. 514 – 523<br />

(2001) Nr 11<br />

Eimeren, Birgit van; Ridder, Christa-Maria:<br />

Trends in der Nutzung und Bewertung der <strong>Medien</strong><br />

1970 bis 2000: Ergebnisse der ARD/ ZDF-<br />

Langzeitstudie Massenkommunikation. – S.<br />

538 – 553<br />

Engel, Bernhard; Best, Stefanie: <strong>Medien</strong>nutzung<br />

und <strong>Medien</strong>bewertung im Kohortenvergleich:<br />

Ergebnisse der ARD/ZDF-Langzeitstudie<br />

Massenkommunikation. – S. 554 – 563<br />

Kliment, Tibor: Marktentwicklung und Beschäftigung<br />

im Multimediasektor: Ergebnisse<br />

eines Expertenpanels. – S. 564 – 575<br />

Vogel, Andreas: Die tägliche Gratispresse: ein<br />

neues Geschäftsmodell für Zeitungen in Europa.<br />

– S. 576 – 584<br />

Media psychology<br />

Jg 3 (2001) Nr 4<br />

Zillmann, Dolf; Knobloch, Silvia; Yu, Hongsik:<br />

Effects of photographs on the selective reading<br />

of news reports. – S. 301 – 324<br />

Calvert, Sandra L.: Impact of televised songs of<br />

children’s and young adults’ memory of educational<br />

content. – S. 325 – 342<br />

307


M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />

Vorderer, Peter; Knobloch, Silvia; Schramm,<br />

Holger: Does entertainment suffer from interactivity?<br />

the impact of watching an interactive<br />

TV movie on viewer’s experience of entertainment.<br />

– S. 343 – 364<br />

Fisch, Shalom M.; McCann Brown, Susan K.;<br />

Cohen, David I.: Young children’s comprehension<br />

of educational television: the role of visual<br />

information and innotation. – S. 365 – 378<br />

medien + erziehung<br />

Jg 45 (2001) Nr 6<br />

Oelkers, Jürgen: Bildung ist ein ständiges<br />

Abenteuer: über den Befund, es gäbe eine „Krise<br />

der Bildung“. – S. 357 – 363<br />

Jürgen Oelkers reflektiert in seinem Beitrag wesentliche<br />

Merkmale von Bildung, zu denen insbesondere<br />

Faszination, Neugier und qualitativ hochwertige Beispiele<br />

zählen. Der Autor steht den aktuellen Forderungen<br />

nach „Schlüsselqualifikationen“, „<strong>Medien</strong>kompetenz“,<br />

„Lebenslangen Lernen“ etc. kritisch,<br />

aber durchaus offen gegenüber. Die für ihn spannende<br />

Frage im Hinblick auf die (künftigen) <strong>Medien</strong>entwicklungen<br />

lautet, „ob Öffnung, unbegrenzte Zugänglichkeit<br />

und damit zusammenhängend individuelle<br />

Lernverantwortung für bessere Bildung sorgen<br />

können, als dies in der Vergangenheit möglich war.“<br />

(S. 363)<br />

Dichanz, Horst: Aufgaben des Bildungsfernsehen<br />

in einem neu vermessenen Bildungsmarkt.<br />

– S. 364 – 370<br />

„Lernen wird immer ein individueller Lernprozess<br />

bleiben. Da jedoch auch die Lernmöglichkeiten mit<br />

neuen <strong>Medien</strong> zunehmend individualisiert werden, ist<br />

ein Umdenken bei traditionellen Bildungsformaten in<br />

Hörfunk und Fernsehen notwendig.“<br />

Gruber, Thomas: „Man muss die Menschen da<br />

abholen, wo sie sind“: der Bildungsauftrag des<br />

öffentlich-rechtlichen Rundfunks. – S. 371 – 377<br />

Thiele, Burkard: Die Bildungstheorie der Europäischen<br />

Gemeinschaft: Probleme und Perspektiven.<br />

– S. 378 – 383<br />

„In der Gemeinschaft wird zwar für eine europäische<br />

Identität plädiert, die bildungstheoretischen Ansätze<br />

betrachten die Menschen jedoch zugunsten der wirtschaftlichen<br />

Vorteile lediglich als Humanressource<br />

und Humankapital.“<br />

Jg 46 (2002) Nr 1<br />

Maresch, Rudolf: Öffentlichkeiten under<br />

attack. – S. 6 – 14<br />

Werber, Niels: „Der Terrorismus ist ein Effekt<br />

der neuen <strong>Medien</strong>“: zur Rolle der Wiederholung<br />

als medialer Strategie. – S. 15 – 20<br />

308<br />

Gölitzer, Susanne: Die Wirklichkeit der Bilder:<br />

Überlegungen zu einer Didaktik der Bilder im<br />

Deutschunterricht. – S. 21 – 23<br />

Berthoud, Martin: Der 11. September 2001 und<br />

die Programmplanung des ZDF. – S. 24 – 25<br />

Beckmann, Frank: „Ich hab noch eine Frage:<br />

wird es Krieg geben?“: die Ereignisse des 11.<br />

September im KI.KA. – S. 26 – 27<br />

Lachmann-von Bally, Irmingard: Kinder und<br />

<strong>Medien</strong>: der 11. September: Beobachtungen in<br />

einem Münchner Kindergarten. – S. 28 – 29<br />

Bildung ohne <strong>Medien</strong>? Teil 2. – S. 30 – 39<br />

Feilitzen, Cecilia von: <strong>Medien</strong>erziehung: einige<br />

internationale Perspektiven. – S. 49 – 55<br />

<strong>Medien</strong> & Zeit<br />

Jg 16 (2001) Nr 4<br />

Duchkowitsch, Wolfgang: Gute und schlechte<br />

Erinnerungen des Herrn „Z“: eine beschauliche<br />

Zeitreise durch die Geschichte der institutionellen<br />

Nachrichtenvermittlung in Wien von<br />

1621 bis 1851. – S. 4 – 8<br />

Schönhagen, Philomen: Zur Entwicklung der<br />

Unparteilichkeitsmaxime im deutschen Journalismus.<br />

– S. 9 – 18<br />

Pensold, Wolfgang: Amtlicherseits wird gemeldet<br />

...: zur Geschichte regierungsnaher Nachrichtenbüros<br />

in Österreich. – S. 19 – 31<br />

Wilke, Jürgen: Nachrichtenwerte im Wandel?:<br />

über den alliierten Einfluß auf den Nachkriegsjournalismus.<br />

– S. 32 – 37<br />

Rantanen, Terhi; Boyd-Barret, Oliver: State<br />

news agencies: a time for re-evaluation?. – S. 38<br />

– 45<br />

<strong>Medien</strong> Journal<br />

Jg 25 (2001) Nr 4<br />

Kramer, Dieter: Kulturelle Vielfalt und kultureller<br />

Dialog. – S. 5 – 18<br />

Herdin, Thomas: Rassismus in der EU: Österreich<br />

im Vergleich. – S. 19 – 34<br />

Fanizadeh, Michael: Fußball verbindet – Rassismus<br />

trennt: Antirassistische Interventionen<br />

in der Populärkultur. – S. 35 – 43


Zeitschriftenlese<br />

Menasse, Elisabeth: Der Forschungsschwerpunkt<br />

„Fremdenfeindlichkeit“ des Wissenschaftsministeriums.<br />

– S. 44 – 49<br />

Feigl, Georg: Antirassismus an österreichischen<br />

Schulen. – S. 50 – 53<br />

Grinsven, Guillaume van: Kulturhauptstädte<br />

Europas: Rotterdam die interkulturelle Metropole.<br />

– S. 54 – 56<br />

<strong>Medien</strong> praktisch<br />

Jg 25 (2001) Nr 4<br />

Aufenanger, Stefan: Invasion aus unserer Mitte:<br />

Perspektiven einer <strong>Medien</strong>anthropologie. – S. 8<br />

– 10<br />

Die Frage nach der Veränderung von Menschsein in<br />

der <strong>Medien</strong>gesellschaft steht im Mittelpunkt des Beitrags<br />

und wird zugleich der <strong>Medien</strong>anthropologie als<br />

eine zentrale Aufgabe gestellt. Der Autor hält einen<br />

anthropologischen Ansatz für angemessen, der in Anlehnung<br />

an Helmuth Plessner von einer prinzipiellen<br />

Offenheit des Menschen ausgeht. Für die <strong>Medien</strong>pädagogik<br />

sieht er die Aufgabe, sich engagiert an einem<br />

interdisziplinären Diskurs zu künftigen <strong>Medien</strong>entwicklung<br />

zu beteiligen.<br />

Kübler, Hans-Dieter: Wie anthropologisch ist<br />

mediale Kommunikation?: eine neue Teildisziplin.<br />

– S. 11 – 19<br />

In seinem Beitrag skizziert Hans-Dieter Kübler die<br />

<strong>Medien</strong>entwicklung und verschiedene Diskurse über<br />

die Wechselbeziehung zwischen Mensch und <strong>Medien</strong>.<br />

Darüber hinaus beschäftigt er sich mit den Ursprüngen<br />

der Anthropologie und den Aufgaben und Herausforderungen<br />

einer <strong>Medien</strong>anthropologie vor dem<br />

Hintergrund neuerer medialer Entwicklungen. Er<br />

kommt zu dem Ergebnis, dass die Anthropologie<br />

(noch) keine „systematische, einigermaßen abgrenzbare<br />

und in sich konsistente Disziplin ist, die sich nun<br />

auf dem Gebiet der <strong>Medien</strong> und Netze konkretisieren<br />

und weiterentwickeln ließe. [...] Wenn der Homo sapiens<br />

bereits zur beliebig manipulierbaren, kaum<br />

mehr eigenständig handlungsfähigen und sinnberaubten<br />

Schnittstelle in den Netzen mutiert bzw. instrumentiert<br />

ist, wozu bedarf es dann noch einer speziellen<br />

(<strong>Medien</strong>-)Anthropologie? Dann wären Netzwissenschaften<br />

und „artificial intelligence“ angebrachter<br />

und angemessener.“ (S. 19)<br />

Schachtner, Christian: Die Maschinen sind wir:<br />

zur Neubestimmung unseres Verhältnisses zu<br />

den Maschinen. – S. 20 – 22<br />

Das Verhältnis vieler Menschen zu Maschinen ist gespalten.<br />

Dem liegt oft ein Weltbild zu Grunde, das<br />

eindeutig zwischen Mensch und Natur unterscheidet<br />

und auf diese Weise die Identität des Menschen zu<br />

wahren versucht. Will man jedoch die technische Entwicklung<br />

mitgestalten, setzt dies eine Abkehr von diesem<br />

Weltbild voraus und erfordert die Offenheit für<br />

die Auffassung, dass zwischen Mensch und Maschine<br />

ein Kontinuum besteht. Die Maschinen werden aus<br />

dieser Perspektive nicht länger als Konkurrenten der<br />

Menschen, sondern als Möglichkeit der Überwindung<br />

menschlicher Grenzen betrachtet (z.B. mittels Internet<br />

geographische Grenzen überschreiten). Damit die<br />

Entwicklung positiv verläuft, bedarf es eines längst<br />

überfälligen Dialoges.<br />

Gawert, Johannes: Silikon-Sirenen: ein Angriff<br />

auf die menschliche Natur. – S. 23 – 24<br />

Als einen „Angriff auf die menschliche Natur“ bezeichnet<br />

der Autor die verschiedenen Versuche, Menschen<br />

als Roboter oder Lustobjekte so authentisch wie<br />

möglich nachzubilden. Wenngleich es sich dabei keineswegs<br />

um ein neues Phänomen handelt, lassen sich<br />

doch deutliche Veränderungen feststellen: „Der literarische<br />

Topos, dass sich ein Mann von der Natürlichkeit<br />

und Schönheit eines Automaten in Frauengestalt<br />

verführen lässt und in Liebe entflammt, wird neuerdings<br />

in tabuloser Deutlichkeit immer unverblümter<br />

als sexueller Ersatz für den lebendigen Menschen gehandelt,<br />

im wörtlichen Sinne.“ (S. 23)<br />

Haubl, Rolf: Über den magischen Gebrauch<br />

von Bildern: <strong>Medien</strong>anthropologische Assoziationen.<br />

– S. 24 – 30<br />

Mikos, Lothar: Das Verstehen des Anderen: die<br />

Beziehung des <strong>Medien</strong>forschers zu seinem Gegenstand.<br />

– S. 31 – 33<br />

Der Autor beschäftigt sich mit drei Problemen, die das<br />

Verhältnis von <strong>Medien</strong>forschern und <strong>Medien</strong>pädagogen<br />

zu ihrer Klientel kennzeichnen: Zum einen muss<br />

sich der Forscher der gleichzeitigen Nähe und Fremdheit<br />

<strong>zum</strong> Alltagsleben der zu untersuchenden Personen<br />

bewusst sein. Den am Forschungsprozess Beteiligten<br />

kann es in der Auseinandersetzung mit der <strong>Medien</strong>praxis<br />

„der Anderen“ gelingen, sich in sozialen<br />

Kontexten zu verorten und auf diese Weise Identitätsarbeit<br />

zu betreiben. Zum anderen gilt es dabei zu<br />

berücksichtigen, dass <strong>Medien</strong>handeln nicht als isoliertes<br />

Phänomen betrachtet werden kann, sondern immer<br />

nur im Kontext von sozialen, kulturellen, ökonomischen,<br />

politischen und historischen Zusammenhängen<br />

gesehen werden muss. Überdies sieht der Autor<br />

die Notwendigkeit, die Lebensentwürfe und Handlungen<br />

der Anderen ernst zu nehmen und anzuerkennen.<br />

„Sinnverstehen mutiert damit von einem hermeneutischen<br />

zu einem politischen Projekt, denn der<br />

Forscher bezieht Stellung im Kampf um Bedeutungen.“<br />

(S. 33) Diese Forderung nach Offenheit und Flexibilität<br />

gilt insbesondere für <strong>Medien</strong>pädagogen,<br />

wenn es darum geht, den Subjekten Möglichkeiten<br />

<strong>zum</strong> Selbstausdruck zu eröffnen.<br />

Pirner, Manfred L.: Die Medialität des Menschen:<br />

theologische Aspekte zu einer Anthropologie<br />

der <strong>Medien</strong>. – S. 34 – 38<br />

Wulff, Hans J.: Klone im Kinofilm: Geschichten<br />

und Motive der Menschenverdoppelung,<br />

Teil 2. – S. 50 – 53<br />

Hurth, Edith: Fernsehfamilien: Familien als<br />

Utopie und Alptraum in Vorabendserien des<br />

Fernsehens. – S. 53 – 59<br />

309


M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />

Multimedia und Recht<br />

Jg 4 (2001) Nr 10<br />

Hassemer, Michael: Elektronischer Geschäftsverkehr<br />

im Regierungsentwurf <strong>zum</strong> Schuldrechtsmodernisierungsgesetz.<br />

– S. 635 – 639<br />

Die ab dem 1.1.2002 wirksame Schuldrechtsreform<br />

überführt die Regelungen der E-Commerce-Richtlinie<br />

ins BGB. Der Beitrag untersucht die Besonderheiten,<br />

denen der Vertragsschluss im Internet ab dann<br />

gem. § 312e BGB unterliegt, stellt sie in Zusammenhang<br />

mit den allgemeinen vertragsrechtlichen Regeln<br />

und analysiert ihre Vereinbarkeit mit den Vorgaben<br />

der E-Commerce-Richtlinie.<br />

Heiderhoff, Bettina: Internetauktionen als<br />

Umgehungsgeschäfte. – S. 640 – 644<br />

Schaar, Peter: Datenschutzrechtliche Einwilligung<br />

im Internet. – S. 644 – 647<br />

Der Beitrag beschäftigt sich mit den Anforderungen<br />

des BDSG, der TDSV und des TDDSG an datenschutzrechtliche<br />

Einwilligungen im Internet. Beleuchtet<br />

werden dabei insbesondere die Anforderungen<br />

an die Form und den Widerruf der Einwilligung<br />

sowie das Koppelungsverbot.<br />

Mayen, Thomas: Feststellung der Marktbeherrschung<br />

auf den Märkten der Telekommunikation.<br />

– S. 648 – 652<br />

Der Verfasser zeigt Möglichkeiten der Feststellung<br />

von Marktbeherrschung im TK-Sektor anhand der<br />

Marktstrukturelemente des § 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB<br />

auf. Dabei wird vor allem auf die Bestimmung der<br />

Marktanteile, der Bewertung der Finanzkraft und die<br />

Bedeutung des Zugangs zu Beschaffungs- und Absatzmärkten<br />

eingegangen.<br />

Kurth, Matthias: Rolle und Funktion des Resale<br />

für den Wettbewerb auf den Telekommunikationsmärkten.<br />

– S. 653 – 658<br />

Die Zahl von Resale-Angeboten hat in den letzten beiden<br />

Jahren deutlich abgenommen, die wettbewerbliche<br />

Rolle von Resale wird immer geringer geschätzt.<br />

Der Beitrag zeigt zunächst die rechtlichen Rahmenbedingungen<br />

für den Anspruch auf Resale auf, bewertet<br />

die Rolle von Resale aus ökonomischer Sicht und vergleicht<br />

die deutsche mit der amerikanischen und britischen<br />

Situation. Der Verfasser kommt zu dem Ergebnis,<br />

das die Funktion von Resale deutlich unterschätzt<br />

wird.<br />

Wagner, Florian: Die „Open Access Debate“ in<br />

den USA: Zugangsansprüche von Internet Service<br />

Providern <strong>zum</strong> Breitbandkabel. – S. 659 –<br />

665<br />

„Seit Juni 2000 ist in den USA die Diskussion über<br />

„Open Access“, d.h. über den Zugang von Internet<br />

Service Providern (ISP) <strong>zum</strong> Breitbandkabelnetz in<br />

vollem Gange. Mit der Veräußerung und dem Ausbau<br />

der Breitbandkabelnetze in Deutschland zu „Full Service<br />

Networks“ wird die Problematik auch hierzulande<br />

akut. Der Beitrag stellt zunächst die bisher in den<br />

310<br />

USA ergangenen Gerichtsentscheidungen dar. Neben<br />

einigen Urteilen verschiedener Bezirksgerichte liegen<br />

inzwischen Entscheidungen von Berufungsgerichten<br />

vor, die miteinander unvereinbar sind. Der US<br />

Supreme Court ist mittlerweile mit der Sache befasst.<br />

Einen weiteren Schwerpunkt dieses Beitrags bilden<br />

die derzeitigen Aktivitäten der amerikanischen<br />

Behörden im Zusammenhang mit der Fusion AOL/<br />

Time Warner und der Notice of Inquiry der Federal<br />

Communications Commission (FCC). Schließlich<br />

werden die in der Literatur ausgetauschten Argumente<br />

für und gegen die Gewährung von Open Access<br />

dargestellt.“<br />

Jg 4 (2001) Nr 11<br />

Geiser, Gordon: Virtuelle Unternehmen und<br />

reale Unternehmensträger. – S. 715 – 720<br />

Grünwald, Andreas: Fernsehen unter dem<br />

Hammer: Möglichkeiten und Grenzen einer<br />

Versteigerung von Rundfunkfrequenzen. – S.<br />

721 – 726<br />

Der Beitrag geht der Frage nach, inwieweit Versteigerungsverfahren,<br />

wie sie im Telekommunikationsbereich<br />

bereits angewendet werden, bei der Digitalisierung<br />

des terrestrischen Fernsehens auf Frequenzvergabeverfahren<br />

übertragbar sind. Dabei geht der Verfasser<br />

insbesondere auf die gemeinschafts- und<br />

verfassungsrechtlichen Bindungen, aber auch auf medienpolitische<br />

Perspektiven ein. Im Ergebnis kommen<br />

reine Versteigerungsverfahren im Rundfunkbereich<br />

nach Ansicht des Verfassers nicht in Frage, da dem Erfordernis<br />

sachgerechter Vergabekriterien nicht entsprochen<br />

würde. Als Lösungsvorschlag werden aber<br />

modifizierte Auktionsverfahren in Betracht gezogen,<br />

bei denen im Voraus Bewerber anhand von sog. „Soft<br />

Criteria“ (z. B. der zu erwartende Programmanteil an<br />

Informations-, Bildungs-, Beratungs- und Unterhaltungssendungen)<br />

zu der jeweiligen Frequenzversteigerung<br />

zugelassen werden.<br />

Kitz, Volker: Anwendbarkeit urheberrechtlicher<br />

Schranken auf das eBook. – S. 727 – 730<br />

Hladjk, Jörg: E-Geld auf dem Vormarsch?:<br />

rechtliche Rahmenbedingungen elektronischen<br />

Geldes. – S. 731 – 736<br />

Spindler, Gerald: Die zivilrechtliche Verantwortlichkeit<br />

von Internetauktionshäusern:<br />

Haftung für automatisch registrierte und publizierte<br />

Inhalte?. – S. 737 – 743<br />

Der Verfasser untersucht in dem Beitrag die Problematik,<br />

inwieweit Anbieter von Internetauktionen für<br />

die bei Ihnen im Rahmen von Auktionsveranstaltungen<br />

angebotenen Waren und Inhalte haften und unter<br />

welchen Voraussetzungen sie schadensersatzpflichtig<br />

sind. Dabei wird insbesondere untersucht, in welchen<br />

Fällen der Anbieter Kenntnis von den rechtswidrigen<br />

Inhalten hat und wann eine Sperrung der Inhalte dem<br />

Anbieter technisch möglich und <strong>zum</strong>utbar ist.


Zeitschriftenlese<br />

Jg 4 (2001) Nr 12<br />

Ladeur, Karl-Heinz: Ausschluss von Teilnehmern<br />

an Diskussionsforen im Internet: Absicherung<br />

von Kommunikationsfreiheit durch<br />

„netzwerkgerechtes“ Privatrecht. – S. 787 – 791<br />

Der Beitrag geht der Frage nach, inwieweit auf die privatrechtliche<br />

Dogmatik bei der Beurteilung von Teilnehmerausschlüssen<br />

aus Chat-Räumen im Internet<br />

zurückgegriffen werden kann. Der Verfasser setzt sich<br />

dabei mit dem durch die Rechtsprechung entwickelten<br />

„virtuellen Hausrecht“ ebenso auseinander wie mit der<br />

Notwendigkeit der Entwicklung neuer, erweiternder<br />

Konstruktionen vertraglicher Bindungen. Dabei kann<br />

nach Ansicht des Verfassers insbesondere ein modernes<br />

Verständnis der Drittwirkung der Grundrechte im<br />

Privatrecht einen wichtigen Beitrag leisten.<br />

Schmittmann, Jens M.: Bannerwerbung:<br />

Rechtsprobleme insbesondere bei kammergebunden<br />

Berufen. – S. 792 – 796<br />

„Der technische Fortschritt durch immer schnellere<br />

Datenübertragung ermöglicht es, Werbebanner nicht<br />

nur statisch zu gestalten, sondern auch zu animieren,<br />

mit Ton zu unterlegen und mit weiteren Funktionen<br />

auszustatten. Zugleich machen vom Betrachter der<br />

Site verwendete sog. Web-Washer Werbebanner unsichtbar<br />

und vernichten damit ihre werbende Funktion.<br />

Der Beitrag untersucht die wettbewerbs- und<br />

markenrechtlichen Rahmenbedingungen der Bannerwerbung<br />

unter besonderer Berücksichtigung der<br />

kammergebundenen Berufe und stellt schließlich die<br />

Verantwortlichkeit des Providers dar. Auch die Verwendung<br />

von Web-Washern wird einer rechtlichen<br />

Analyse unterzogen.“<br />

Tinnefeld, Marie-Theres: Arbeitnehmerdatenschutz<br />

in Zeiten des Internet. – S. 797 – 800<br />

Freund, Natascha; Ruhle, Ernst-Olav: Neuorganisation<br />

der Regulierung für Telekommunikation<br />

und <strong>Medien</strong> in Österreich. – S. 801 – 805<br />

Jg 5 (2002) Nr 1<br />

Goldmann, Bettina; Redecke, Rebecca: Gewährleistung<br />

bei Softwarelizenzverträgen nach<br />

dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz. – S. 3<br />

– 8<br />

Schenke, Ralf P.: Exekutive Rechtssetzung bei<br />

der strafprozessualen Überwachung der Telekommunikation:<br />

ein Verstoß gegen den Vorbehalt<br />

des Gesetzes?. – S. 8 – 10<br />

Stotter, Martin: Streitschlichtung bei UK-Domains.<br />

– S. 11 – 13<br />

„Die genaue Reichweite der zu strafprozessualen<br />

Zwecken vorgesehenen Eingriffe in die Telekommunikation<br />

erschließt sich gegenwärtig erst in der<br />

Zusammenschau mit Rechtsverordnungen der Bundesregierung.<br />

Der Beitrag nimmt die kürzlich verabschiedete<br />

Telekommunikations-Überwachungsverordnung<br />

(TKÜV) <strong>zum</strong> Anlass, das komplizierte Zusammenspiel<br />

zwischen förmlichem Gesetz und<br />

Rechtsverordnung nachzuzeichnen und einer verfassungsrechtlichen<br />

Überprüfung zu unterziehen. Die in<br />

der TKÜV vorgesehenen Standortbestimmungen<br />

durch Abschöpfung der Aktivmeldungen empfangsbereiter<br />

Mobiltelefone entbehren danach einer hinreichenden<br />

Ermächtigungsgrundlage.“<br />

Baus, Christoph A.: Umgehung der Erschöpfungswirkung<br />

durch Zurückhaltung von Nutzungsrechten?.<br />

– S. 14 – 17<br />

Kröger, Detlef: Enge Auslegung von Schrankenbestimmungen:<br />

wie lange noch? Zugang zu<br />

Informationen in digitalen Netzwerken. – S. 18<br />

– 20<br />

Platho, Rolf: Cross-Promotion in TV-Senderfamilien.<br />

– S. 21 – 25<br />

Der Beitrag befasst sich mit der rechtlichen Behandlung<br />

von Programmankündigungen für Sendungen eines<br />

anderen Rundfunkveranstalters aus der eigenen<br />

„Senderfamilie“ und geht insbesondere der Frage<br />

nach, inwieweit solche Ausstrahlungen nach Auslegung<br />

nationaler und europarechtlicher Vorschriften<br />

als „Eigenwerbung“ zu qualifizieren sind und damit<br />

nicht auf die Werbezeit angerechnet werden müssen.<br />

Der Verfasser kommt zu dem Ergebnis, das die entsprechenden<br />

Regelungen eng auszulegen und somit<br />

nicht veranstaltereigene Senderhinweise, sondern<br />

(Wirtschafts-)Werbung sind.<br />

Multimedia und Recht, Beilage<br />

Jg 5 (2002) Nr 1<br />

Bunte, Herrmann-Josef: Marktabgrenzung<br />

und Marktbeherrschung auf Mobilfunkmärkten.<br />

– S. 1 – 10<br />

Koenig, Christian: Die fallweise Auswahl des<br />

Verbindungsnetzbetreibers in Mobilfunknetzen.<br />

– S. 11 – 27<br />

Möschel, Wernhard: Verbindungsnetzbetreiberauswahl<br />

und Marktbeherrschung im Mobilfunkbereich.<br />

– S. 28 – 34<br />

Schuster, Fabian; Müller, Ulf: Verbindungsnetzbetreiberauswahl<br />

und Entgeltregulierung<br />

im Mobilfunk. – S. 35 – 48<br />

New media & society<br />

Jg 3 (2001) Nr 3<br />

Ess, Charles; Sudweeks, Fay: On the edge: cultural<br />

barriers and catalysts to IT diffusion<br />

among remote and marginalized communities:<br />

introduction. – S. 259 – 269<br />

Der Themenschwerpunkt versammelt Beiträge von<br />

der im Juli 2000 abgehaltenen Konferenz über „Cul-<br />

311


M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />

tural Attitudes towards Technology and Communication“.<br />

Die Artikel untersuchen für verschiedenartige<br />

Bevölkerungsgruppen am „Rande“ der westlich beherrschten<br />

Kommunikations- und Informationsinfrastrukturen,<br />

welche sozialen, politischen und kulturellen<br />

Kontexte die Aneignung der Informations- und<br />

Kommunikationstechnologie behindern oder befördern.<br />

Harris, Roger u.a.: Challenges and opportunities<br />

in introducing information and communication<br />

technologies to the Kelabit community<br />

of north central Borneo. – S. 270 – 295<br />

Sy, Peter: Barangays of IT: Filipinizing mediated<br />

communication and digital power. – S. 296<br />

– 312<br />

Postma, Louise: A theoretical argumentation<br />

and evaluation of South Africa learners’ orientation<br />

towards and perceptions of the empowering<br />

use of information: a calculated prediction<br />

of computerized learning for the marginalized.<br />

– S. 313 – 326<br />

Bareiss, Warren: Telemedicine in South Dakota:<br />

a cultural studies approach. – S. 327 – 356<br />

Bucy, Erik P.; Gregson, Kimberley S.: Media<br />

participation: a legitimizing mechanism of mass<br />

democracy. – S. 357-380<br />

„This article reconsiders civic involvement and citizen<br />

empowerment in the light of interactive media and<br />

elaborates the concept of media participation. Departing<br />

from conventional notions of political activity<br />

which downplay the participatory opportunities inherent<br />

in communication media, the authors argue<br />

that since 1992 new media formats have made accessible<br />

to citizens a political system that had become highly<br />

orchestrated, professionalized and exclusionary. A<br />

typology of active, passive and inactive political involvement<br />

is presented to accurately distinguish civic<br />

involvement from political disengagement and to categorize<br />

the types of empowerment and rewards – both<br />

material and symbolic – that different modes of civic<br />

activity afford. Even if only symbolically empowering,<br />

civic engagement through new media serves as an<br />

important legitimizing mechanism of mass democracy.“<br />

Jg 3 (2001) Nr 4<br />

Singh, Supriya: Gender and the use of the internet<br />

at home. – S. 395 – 416<br />

„In the United States and Australia, men and women<br />

use the internet in nearly equal measure, whereas in<br />

Japan, India and China, men continue to dominate internet<br />

use. This article focuses on gender differences in<br />

the use of the internet at home as seen from women’s<br />

perspectives and draws particularly on open-ended interviews<br />

in 1999 with 30 middle-income Anglo-Celtic<br />

women with internet access in urban and rural areas of<br />

Australia. The study found that women generally use<br />

the internet as a tool for activities, rather than as play<br />

or a technology to be mastered. This partially explains<br />

why women farmers use the internet more extensively<br />

than their farmer husbands. When women become<br />

comfortable with technology – as with the telephone<br />

or the PC on a farm – women see it as a tool rather than<br />

a technology. Women’s continued discomfort with<br />

technology thus remains at the centre of the social<br />

construct of gender and technology.“<br />

Kretschmer, Martin; Klimis, George Michael;<br />

Wallis, Roger: Music in electronic markets: an<br />

empirical study. – S. 417 – 442<br />

„Music plays an important, and sometimes overlooked<br />

part in the transformation of communication<br />

and distribution channels. With a global market volume<br />

exceeding US$40 billion, music is not only one of<br />

the primary entertainment goods in its own right.<br />

Since music is easily personalized and transmitted, it<br />

also permeates many other services across cultural<br />

borders, anticipating social and economic trends. This<br />

article presents one of the first detailed empirical studies<br />

on the impact of internet technologies on a specific<br />

industry. Drawing on more than 100 interviews<br />

conducted between 1996 and 2000 with multinational<br />

and independent music companies in 10 markets,<br />

strategies of the major players, current business models,<br />

future scenarios and regulatory responses to the<br />

online distribution of music files are identified and<br />

evaluated. The data suggest that changes in the music<br />

industry will indeed be far-reaching, but disintermediation<br />

is not the likely outcome.“<br />

Dijk, Jan A.G.M van; Vos, Loes de: Searching<br />

for the Holy Grail: images of interactive television.<br />

– S. 443 – 465<br />

Der Beitrag entwickelt zunächst Definitionen für<br />

„Fernsehen“ und „Interaktivität“. Eine Befragung<br />

von 74 ITV-Unternehmensexperten aus den Bereichen<br />

Fernseh- und Multimedia-Content-Produktion<br />

in Amerika, Asien und Europa ermittelt deren Vorstellungen<br />

von den Aktivitätstypen, die sie dem ITV<br />

zuordnen (von der menuegesteuerten Auswahl bis zur<br />

Kommunikation), der Distributionsplattform (STB<br />

und PC) und des sozialräumlichen Nutzungskontextes<br />

(Wohnzimmer). TV-Produzenten entwerfen ITV<br />

dabei als ein vervielfachtes, um Wahloptionen und<br />

Transaktionsmöglichkeiten erweitertes Fernsehangebot.<br />

Internet-Produzenten erwarten dagegen, dass die<br />

vielfältigen Möglichkeiten kommunikativer und wirtschaftlicher<br />

Transaktionen der Netzkommunikation<br />

mit ITV einen breiteren Kreis von Beteiligten finden.<br />

Beide Gruppen erwarten eine rasche Durchsetzung<br />

von ITV, sind aber immer noch auf der Suche nach einem<br />

Geschäftsmodell.<br />

Nerone, John; Barnhurst, Kevin G.: Beyond<br />

modernism: digital design, Americanization<br />

and the future of newspaper form. – S. 467 – 482<br />

„After reviewing the emergence of online newspapers,<br />

we offer observations based on historical and design<br />

analyses of major US sites, supplemented top-down<br />

by innovators in the Americas and Europe and bottom-up<br />

by sites serving one locality in Massachusetts.<br />

Despite losing typical print elements, the late modern<br />

designs emphasize text, with minimal multimedia<br />

content, especially on local sites. Instead of giving outlet<br />

to news handicraft, corporate and promotional<br />

312


Zeitschriftenlese<br />

models abound. The web flattens hierarchies, » exposes<br />

content sources, and deforms journalistic authority<br />

by disarticulating the audience. Historical parallels include<br />

19th-century flows of design innovation from<br />

advertising into news and of informational tasks from<br />

reporting into photojournalism. Newspapers can coexist<br />

with the internet while surrendering some tasks,<br />

such as archiving factual background, becoming instead<br />

more analytical advocates.“<br />

Leung, Louis: College students motives for<br />

chatting on ICQ. – S. 483 – 500<br />

„Results from a random sample of 576 college students<br />

show that relaxation, entertainment and fashion<br />

are instrumental motives for ICQ (I seek you) use<br />

while inclusion, affection, sociability and escape are<br />

the intrinsic motives. Students who are heavy users of<br />

ICQ are motivated by affection and sociability whilst<br />

light users are motivated by fashion. … The findings<br />

suggest that ICQ is a technology that faciliates social<br />

relations and is a major source of entertainment for<br />

college students.“<br />

Nordicom Review<br />

Jg 22 (2001) Nr 2<br />

Myagmar, Munkhmandakh; Nielsen, Poul<br />

Erik: The Mongolian media landscape in transition:<br />

a cultural clash between global, national,<br />

local and „no nomads“ media. – S. 3 – 14<br />

Ruoho, Iiris: Reality and Finnish TV criticism.<br />

– S. 15 – 30<br />

Boréus, Kristina: Discursive discrimination<br />

and its expressions. – S. 31 – 38<br />

Väliverronen, Esa: Popularisers, interpreters,<br />

advocates, managers and critics: framing<br />

science and scientists in the media. – S. 39 – 48<br />

Gjedde, Lisa; Ingemann, Bruno: In the beginning<br />

was the experiences: the experimental reception<br />

studies. – S. 49 – 60<br />

Hujanen, Jaana: From consuming printed news<br />

to making online journalism? young Finn’s<br />

newspaper reading at the millennium. – S. 61 –<br />

70<br />

Vihalemm, Peeter: Development of media research<br />

in Estonia. – S. 79 – 94<br />

Jarlbro, Gunilla: Children and advertising on<br />

television: a survey of the research in Estonia. –<br />

S. 71 – 78<br />

Political Communication<br />

Jg 18 (2001) Nr 4<br />

Valentino, Nicholas A.; Beckmann, Matthew<br />

N.; Buhr, Thomas A.: A spiral of cynicism for<br />

some: the contigent effects of campaign news<br />

frames on participation and confidence in government.<br />

– S. 347 – 368<br />

Lee, GangHeong; Cappella, Joseph N.: The effects<br />

of political talk radio on political attitude<br />

formation: exposure versus knowledge. – S. 369<br />

– 394<br />

Niven, David; Zilber, Jeremy: Do women and<br />

men in congress cultivate different images?<br />

evidence from congressional web sites. – S. 395<br />

– 406<br />

Ryfe, David Michael: History and political<br />

communication: an introduction. – S. 407 – 420<br />

Schudson, Michael: Politics as cultural practice.<br />

– S. 421 – 432<br />

Peters, John Durham: „The only proper scale<br />

of representation“: the politics of statistics and<br />

stories. – S. 433 – 450<br />

Herbst, Susan: Public opinion infrastructures:<br />

meanings, measures, media. – S. 451 – 464<br />

Public Opinion Quarterly<br />

Jg 65 (2001) Nr 3<br />

Gunther, Albert C. u. a.: Congenial public,<br />

contrary press, and biased estimates of the climate<br />

of opinion. – S. 295 – 320<br />

Howell, Susan E.; McLean, William P.: Performance<br />

and race in evaluating minority mayors.<br />

– S. 321 – 343<br />

Wagenaar, Alexander C. u. a.: Liability of commercial<br />

and social hosts for alcohol-related injuries:<br />

a national survey of accountability<br />

norms and judgments. – S. 344 – 368<br />

Shaw, Greg M.; Reinhart, Stephanie L.: Devolution<br />

and confidence in government. – S. 369 –<br />

388<br />

Traugott, Michael W.: Assessing poll performance<br />

in the 2000 campaign. – S. 389 – 419<br />

Publizistik<br />

Jg 46 (2001) Nr 4<br />

Lauf, Edmund: „Publish or perish?“: deutsche<br />

Kommunikationsforschung in internationalen<br />

Fachzeitschriften. – S. 369 – 382<br />

„Der vorliegende Beitrag geht aus kommunikations-<br />

313


M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />

wissenschaftlicher Perspektive den Fragen nach, (1)<br />

welches die wesentlichen internationalen kommunikationswissenschaftlichen<br />

Fachzeitschriften sind, (2)<br />

welchen Anteil Beiträge von Forschern aus europäischen<br />

Staaten daran haben und (3) welchen internationalen<br />

Einfluss deutsche Autoren durch Beiträge in internationalen<br />

und deutschen Fachzeitschriften nehmen.<br />

Eine Analyse des Social Sciences Citation Index<br />

der Jahre 1988 bis 2000 zeigt, dass viele internationale<br />

kommunikationswissenschaftliche Fachzeitschriften<br />

fast ausschließlich Beiträge US-amerikanischer Autoren<br />

publizieren und nicht als international bezeichnet<br />

werden können. Wenn jedoch Zeitschriften nicht<br />

überwiegend Beiträge von Forschern aus den USA<br />

publizieren, ist der Anteil europäischer und auch<br />

deutscher Autoren erheblich. Die Beiträge deutscher<br />

Autoren stammen jedoch fast ausschließlich aus einzelnen<br />

Instituten bzw. von einzelnen Forschern, die<br />

Breite der deutschen Kommunikationsforschung findet<br />

sich in internationalen Zeitschriften nicht wieder.<br />

Ein weiteres Ergebnis ist, dass Beiträge in deutschen<br />

kommunikationswissenschaftlichen Fachzeitschriften<br />

durchaus in Form von Zitaten in internationalen und<br />

amerikanischen Fachzeitschriften Beachtung finden.“<br />

Dorer, Johanna: Aus- und Weiterbildung für<br />

Journalistinnen und Journalisten: historische<br />

Entwicklung und Stand der Ausbildungssituation<br />

in Österreich. – S. 383 – 402<br />

Beck, Klaus: <strong>Medien</strong>berichterstattung über<br />

<strong>Medien</strong>konzentration: journalistische Strategien<br />

am Fallbeispiel der Fusion von AOL und<br />

Time Warner. – S. 403 – 424<br />

Kunczik, Michael: Dr. Fox lebt oder warum<br />

laut Lothar Rolke Public Relations gesellschaftlich<br />

erwünscht sind: „If you can’t convince<br />

them, confuse them“. – S. 425 – 437<br />

„Ausgehend von der Annahme, dass Theorien empirisch<br />

überprüfbar sein müssen und neben der Ordnung<br />

von Sachverhalten auch die Erkenntnis vergrößern<br />

sollen, wird Kritik an einer Richtung der PR-<br />

Theorie geübt, die sich insbesondere auf die Systemtheorie<br />

Luhmanns beruft. Es wird argumentiert, dass<br />

in diesem Fall der Bezug zur gesellschaftlichen Wirklichkeit<br />

verloren geht und die Theorie <strong>zum</strong> Wortspiel<br />

wird, das keinen Erkenntnisfortschritt liefert. Argumentiert<br />

wird ferner, dass die Theorie des ausgehenden<br />

19. Jahrhunderts (Herbert Spencer) weiter entwickelt<br />

war als diese in moderner Begrifflichkeit argumentierende<br />

Variante der PR-Theorie.“<br />

Rtkom<br />

Jg 53 (2001) Nr 4<br />

Tschoepe, Sven: Jurisdictional and choice-oflaw-aspects<br />

of mobile commerce and mobile<br />

services, Teil 1. – S. 208 – 216<br />

Koch, Alexander: Das strafbewehrte Abhörverbot<br />

nach § 86 TKG. – S. 217 – 225<br />

Gem. § 86 TKG ist das Abhören von Nachrichten, die<br />

für die empfangende Funkanlage nicht bestimmt sind,<br />

verboten und nach § 95 TKG strafbewehrt. Der Verfasser<br />

zeigt verschiedene Ansätze der Auslegung des §<br />

86 TKG auf und untersucht daraufhin, inwieweit Abhörverbote<br />

verfassungsrechtliche gerechtfertigt sind.<br />

Koenig, Christian; Neumann, Andreas: Die<br />

Übermittlung von Entgeltdaten an Dritte<br />

durch Telekommunikationsdiensteanbieter. –<br />

S. 226-233<br />

Durch die insbesondere durch Call-by-Call-Angebote<br />

wachsende Inanspruchnahme von verschiedenen<br />

Diensteanbietern steigt auch die Zahl der an der Abrechnung<br />

gegenüber dem Dienstenutzer beteiligten<br />

Unternehmen. Die damit einhergehende Notwendigkeit<br />

der Weitergabe telekommunikationsspezifischer<br />

Daten an Dritte wirft insbesondere im Telekommunikationsdatenschutz<br />

rechtliche Fragen auf. Der Verfasser<br />

untersucht zunächst die rechtliche Einbindung<br />

Dritter in das Verhältnis zwischen Diensteanbieter<br />

und dem Kunden, zeigt rechtliche Vorgaben über den<br />

Einzug des Entgelts durch Dritte (§ 7 Abs. 1 S. 2<br />

TDSV) auf und geht auf die Datenschutzkontrolle in<br />

diesem Bereich ein.<br />

Studies in Communication Sciences<br />

Jg 2 (2002) Nr 1<br />

Danesi, Marcel: Abstract concept-formation as<br />

metaphorical layering. – S. 1 – 22<br />

Morris, John: Newspapers in the age of Internet:<br />

adding interactivity to objectivity. – S. 23 –<br />

50<br />

Nanini, Alda: Itte ii koto, itte wa ikenai koto:<br />

what to say and what not to say: a cross-cultural<br />

survey of social and linguistic behavior in Japanese<br />

and Italian. – S. 51 – 68<br />

Shockley-Zalabak, Pamela; Morley, Dean;<br />

Cesaria, Ruggero: Organizational influence<br />

processes: perceptions of values communication,<br />

and effectiveness. – S. 69 – 104<br />

Russ-Mohl, Stephan: Garanzia di qualità giornalistica<br />

nel ciclo dell’attenzione. – S. 105 – 130<br />

Huerta, Angeles: Virtual education in real<br />

Spain. – S. 131 – 148<br />

Lepori, Benedetto; Cantoni, Lorenzo; Mazza,<br />

Riccardo: The history and practice of push<br />

communication: some critical reflections. – S.<br />

149 – 164<br />

Romano, Gaetano: Kultur von Nationen: Kultur<br />

von Organisationen. – S. 165 – 186<br />

314


Zeitschriftenlese<br />

Tolley’s Communications Law<br />

Jg 6 (2001) Nr 4<br />

Thole, Elisabeth P. M.: Legal aspects of IT outsourcing.<br />

– S. 143 – 149<br />

Davies, Clive: Technology joint ventures. –<br />

S. 150 – 153<br />

Abeyratne, Ruwantissa: The exchange of airline<br />

passenger information: issues of privacy. –<br />

S. 153 – 162<br />

Zeitschrift für <strong>Medien</strong>psychologie<br />

Jg 13 (2001) Nr 4<br />

Weber, René: Datenanalyse mittels Neuronaler<br />

Netze am Beispiel des Publikumserfolgs von<br />

Spielfilmen. – S. 164 – 176<br />

Stiller, Klaus: Navigation über Bilder und bimodale<br />

Textdarbietung beim computerbasierten<br />

Lernen. – S. 177 – 187<br />

<strong>Medien</strong>psychologische Methoden: Internet-<br />

Ressourcen für die medienpsychologische Forschung,<br />

Lehre und Praxis. – S. 188<br />

Zeitschrift für Urheber- und <strong>Medien</strong>recht<br />

Jg 45 (2001) Sonderheft<br />

Schulz, Wolfgang; Held, Thorsten; Kops, Manfred:<br />

Perspektiven der Gewährleistung freier<br />

öffentlicher Kommunikation: ein interdisziplinärer<br />

Versuch unter Berücksichtigung der<br />

gesellschaftlichen Bedeutsamkeit und Marktfähigkeit<br />

neuer Kommunikationsdienste. –<br />

S. 621 – 642<br />

„Bei dem [...] Text handelt es sich um den Überblick<br />

über die Ergebnisse einer interdisziplinäre Untersuchung,<br />

die juristische – vornehmlich verfassungsrechtliche<br />

-und ökonomische Argumentationen integriert.<br />

Ausgangspunkt ist die Frage, wie angesichts der<br />

mit der technischen Konvergenz verbundenen Ausdifferenzierung<br />

unterschiedlicher Kommunikations-<br />

Dienstetypen die verfassungsrechtlich geforderte Gewährleistung<br />

freier öffentlicher Kommunikation realisiert<br />

werden kann. Es handelt sich um ein Gutachten,<br />

das die Verfasser im Auftrag der Arbeitsgemeinschaft<br />

der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der<br />

Bundesrepublik Deutschland (ARD) erstellt haben.<br />

[...] Die zentrale Fragestellung dieser Untersuchung<br />

lautet: Werden die verfassungsrechtlichen Anforderungen<br />

an öffentliche Kommunikation auch im Hinblick<br />

auf neue, vor allem privatwirtschaftlich erbrachte<br />

Kommunikationsdienste erfüllt? Inwiefern besteht<br />

Handlungsbedarf für den ausgestaltenden Gesetzgeber?“<br />

Hierzu werden zunächst die Kriterien herausgearbeitet,<br />

die die besondere Bedeutung von Kommunikationsdiensten<br />

für die Zielvorgaben aus Art. 5 Abs.<br />

1 S. 2 GG ausmachen, und diese Kriterien auf verschiedene<br />

Online-Dienste angewendet. Im zweiten<br />

Schritt wird untersucht, inwieweit das kommerzielle<br />

Angebot dieser Dienste Defizite im Hinblick auf die<br />

Erfüllung der verfassungsrechtlichen Ziele aufweist.<br />

Dies erfolgt mit Hilfe der wirtschaftswissenschaftlichen<br />

Theorie der Marktmängel bzw. des Marktversagens.<br />

Schließlich werden beispielhaft drei Optionen<br />

<strong>zum</strong> Ausgleich von Defiziten dargestellt: die Unterstützung<br />

von non-profit-Organisationen wie Stiftungen,<br />

die Einbeziehung weiterer Dienstetypen in die<br />

Aktivitäten öffentlich-rechtlichen Rundfunks und die<br />

Selbstbindung von privaten Unternehmen (d. h. die<br />

Schaffung von Anreizen zur Veränderung von Arbeitsabläufen<br />

und Organisationsformen).<br />

Jg 45 (2001) Nr 10<br />

Kreile, Johannes: Konzertgenuss mit Hindernissen.<br />

– S. 731 – 760<br />

Frentz, Raitz von; Marder, Larissa: Insolvenz<br />

des Filmrechtehändlers. – S. 761 – 769<br />

Hucke, Anja: Ist Powershopping wirklich<br />

wettbewerbswidrig? Anmerkung <strong>zum</strong> Urteil<br />

des OLG Köln vom 1.6.2001, ZUM 2001, 598.<br />

– S. 770 – 774<br />

Hahn, Richard: Finanzkontrolle der Rechnungshöfe<br />

über Beteiligungsgesellschaften öffentlich-rechtlicher<br />

Rundfunkanstalten. – S.<br />

775 – 787<br />

In dem Beitrag wird untersucht, inwieweit sich die<br />

Prüfungskompetenz der Landesrechnungshöfe auch<br />

auf die Beteiligungsgesellschaften der öffentlichrechtlichen<br />

Rundfunkanstalten erstreckt. Nach einer<br />

Darstellung der gesetzlichen Praxis am Beispiel des<br />

WDR, SWR und BR geht der Autor verfassungsrechtlichen<br />

Bedenken eines Prüfungsrechts der Rechnungshöfe<br />

gegenüber den Beteiligungsgesellschaften<br />

nach. Der Landesgesetzgeber habe mangels Gesetzgebungskompetenz<br />

nicht die Möglichkeit, den Beteiligungsgesellschaften<br />

unmittelbar eine Rechnungslegung<br />

vorzuschreiben, welche die handels- und gesellschaftsrechtlichen<br />

Regelungen beschränke oder erweitere.<br />

Er könne aber den öffentlich-rechtlichen<br />

Rundfunkanstalten in deren Funktion als Gesellschafter<br />

an den jeweiligen Beteiligungsunternehmen gewisse<br />

Einwirkungspflichten auferlegen. Die gesetzliche<br />

Verpflichtung der Rundfunkanstalten, dafür zu sorgen,<br />

dass die Beteiligungsgesellschaften die Möglichkeit<br />

der Unternehmensprüfung in ihre Satzungen aufnehmen,<br />

sei dann nicht mit Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG<br />

vereinbar, wenn bei der Rundfunkanstalt bereits ausreichende<br />

interne Kontrollmechanismen bestünden<br />

und wenn eine Betätigungsprüfung bei der Rundfunkanstalt<br />

ein ebenso effektives Mittel darstelle.<br />

Radmann, Friedrich: Abschied von der Branchenübung:<br />

für ein uneingeschränktes Namensnennungsrecht<br />

der Urheber. – S. 788 – 792<br />

Haberstumpf, Helmut: Wem gehören Forschungsergebnisse?:<br />

<strong>zum</strong> Urheberrecht an<br />

Hochschulen. – S. 819 – 827<br />

315


M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />

Jg 45 (2001) Nr 11<br />

Bayreuther, Frank: Beschränkungen des Urheberrechts<br />

nach der neuen EU-Urheberrechtsrichtlinie.<br />

– S. 828 – 838<br />

Koch, Frank A.: Zur Regelung der Online-<br />

Übermittlung von Datenbanken und Datenbankwerken<br />

im Diskussionsentwurf <strong>zum</strong><br />

Fünften Urheberrechtsänderungsgesetz. – S.<br />

839 – 845<br />

Hornig, Michael: Möglichkeiten des Ordnungsrechts<br />

bei der Bekämpfung rechtsextremistischer<br />

Inhalte im Internet: zur Internet-<br />

Aufsicht auf der Grundlage des §18 <strong>Medien</strong>dienste-Staatsvertrages.<br />

– S. 846 – 857<br />

Wasmuth, Johannes: Verbot der Werkänderung<br />

und Rechtschreibereform. – S. 858 – 865<br />

Jg 45 (2001) Nr 12<br />

Stettner, Rupert: Die Rechtsprechung der Verfassungs-<br />

und Verwaltungsgerichte <strong>zum</strong><br />

Bayerischen <strong>Medien</strong>gesetz (BayMG) 1992 –<br />

2000. – S. 903 – 949<br />

Der Beitrag enthält eine Analyse der Entscheidungen<br />

der Verfassungs- und Verwaltungsgerichte <strong>zum</strong><br />

Bayerischen <strong>Medien</strong>gesetz von 1992 bis 2000. Die Besonderheit<br />

des Bayerischen <strong>Medien</strong>rechts besteht<br />

darin, dass gemäß Art. 111 a Abs. 2 Satz 1 der Bayerischen<br />

Verfassung auch privater Rundfunk in öffentlich-rechtlicher<br />

Trägerschaft und öffentlicher Verantwortung<br />

veranstaltet wird. Veranstalter ist daher formal<br />

die Landesmedienanstalt, die Bayerische Landeszentrale<br />

für neue <strong>Medien</strong>. Der Autor stellt unter<br />

anderem die Entscheidungen „Deutsches SportFernsehen“<br />

(hier spricht der Autor von einem „Duell von<br />

Verwaltungs- und Verfassungsgerichtshof“), „extra<br />

radio“, „H.O.T.“ und Entscheidungen zu Auswahlentscheidungen<br />

bei der Kabelweiterverbreitung und<br />

<strong>zum</strong> Teilnehmerentgelt dar und unterzieht diese einer<br />

kritischen Würdigung.<br />

Oppermann, Thomas: EU-Tabakwerbeverbot<br />

am Europäischen Gerichtshof vorbei? Untersuchung<br />

des neuen Brüsseler Richtlinienvorschlages<br />

vom 30.5.2001. – S. 950 – 952<br />

Radau, Hans Joachim: Bilanzierung und Abschreibung<br />

von Filmrechten nach dem Schreiben<br />

des Bundesministeriums der Finanzen vom<br />

23. Februar 2001 zur ertragsteuerlichen Behandlung<br />

von Film- und Fernsehfonds (<strong>Medien</strong>erlass).<br />

– S. 953 – 957<br />

Schwarz, Mathias; Zitzewitz, Stephan von: Die<br />

internationale Koproduktion: steuerliche Behandlung<br />

nach Inkrafttreten des <strong>Medien</strong>erlasses.<br />

– S. 958 – 968<br />

Baur, Stephan: Der <strong>Medien</strong>erlass des Bundesfinanzministeriums:<br />

Auswirkungen für die Filmindustrie:<br />

Diskussionsbericht vom gleichnamigen<br />

XV. Münchner Symposion <strong>zum</strong> Film- und<br />

<strong>Medien</strong>recht am 6. Juli 2001 in München. –<br />

S. 969 – 972<br />

Wagner, Christoph; Obergfell, Eva Inés: Altfälle<br />

und neue Nutzungsarten: zu urhebervertrags-<br />

und kollisionsrechtlichen Nachwirkungen<br />

der deutschen Wiedervereinigung: zugleich<br />

eine Anmerkung <strong>zum</strong> Urteil des BGH vom<br />

19. April 2001, IZR 283/98. – S. 973 – 980<br />

Jg 46 (2002) Nr 1<br />

Flechsig, Norbert: Grundlagen des Europäischen<br />

Urheberrechts: die Richtlinie zur Harmonisierung<br />

des Urheberrechts in Europa und<br />

die Anforderungen an ihre Umsetzung in deutsches<br />

Recht. – S. 1 – 20<br />

Berger, Christian: Zur zukünftigen Regelung<br />

der Katalogbildfreiheit in § 58 UrhG. – S. 21 –<br />

27<br />

Dreier, Thomas: Die Umsetzung der Urheberrechtsrichtlinie<br />

2001/29/EG in deutsches<br />

Recht. – S. 28 – 42<br />

Reinbothe, Jörg: Die Umsetzung der EU-Urheberrechtsrichtlinie<br />

in deutsches Recht. – S. 43<br />

– 51<br />

316


Literaturverzeichnis<br />

11 Bibliographien. Lexika<br />

12 Jahrbücher. Geschäftsberichte<br />

21 Kommunikationswissenschaft und -forschung<br />

22 Journalismus. <strong>Medien</strong>berufe<br />

23 Publizistische Persönlichkeiten<br />

24 <strong>Medien</strong>institute<br />

31 Kommunikation<br />

32 Kommunikationspolitik<br />

33 Lokalkommunikation. Bundesländer<br />

41 Massenkommunikation Politik<br />

42 Massenkommunikation Gesellschaft<br />

43 Massenkommunikation Kultur<br />

12 Jahrbücher. Geschäftsberichte<br />

Geschäftsbericht 2000. – Hamburg: Zennerdruck,<br />

2001. – 78 S.<br />

Geschäftsbericht 2000 / Hamburgische Anstalt<br />

für neue <strong>Medien</strong>, HAM (Hrsg.). – Hamburg:<br />

HAM, 2001. – 46 S.<br />

Jaarverslag 2000. – Hilversum: NCRV, 2001. –<br />

36 S.<br />

Statistisches Jahrbuch auf CD-ROM 2001: das<br />

komplette Statistische Jahrbuch für die BRD<br />

und für das Ausland. – Stuttgart: Metzler Poeschel,<br />

2001. – CD-ROM<br />

21 Kommunikationswissenschaft und<br />

-forschung<br />

Forschungsgegenstand Öffentliche Kommunikation:<br />

Funktionen, Aufgaben und Strukturen<br />

der <strong>Medien</strong>forschung / Hasebrink, Uwe; Matzen,<br />

Christiane (Hrsg.). – Baden-Baden: Nomos,<br />

2001. – 196 S. (Symposien des Hans-Bredow-Instituts;<br />

20)<br />

Massenkommunikation, Interaktion und soziales<br />

Handeln / Sutter, Tilmann; Charlton,<br />

Michael (Hrsg.). – Wiesbaden: Westdt. Verl.,<br />

2001. – 274 S.<br />

22 Journalismus. <strong>Medien</strong>berufe<br />

Chion, Michel: Techniken des Drehbuchschreibens.<br />

– Berlin: Alexander Verl., 2001. –<br />

267 S.<br />

Hane, Paula J.: Super searchers in the news: the<br />

online secrets of journalists and news researchers<br />

/ Basch, Reva (Hrsg.). – Medford: Information<br />

Today, 2000. – 251 S.<br />

51 Telekommunikation. Informationsgesellschaft<br />

52 Neue Technologien. Multimedia<br />

61 Internationale Kommunikation<br />

62 Europa Kommunikation<br />

71 Massenmedien, allgemein<br />

72 <strong>Medien</strong> Bildung<br />

73 <strong>Medien</strong> Ökonomie<br />

74 <strong>Medien</strong> Recht<br />

75 Rundfunk<br />

76 Werbung<br />

81 Publikum. <strong>Medien</strong>nutzung<br />

82 Rezeptionsforschung<br />

83 Kinder Jugendliche <strong>Medien</strong><br />

91 Literatur zu einzelnen Ländern<br />

Hooffacker, Gabriele: Online-Journalismus:<br />

Schreiben und Gestalten für das Internet; ein<br />

Handbuch für Ausbildung und Praxis. – München:<br />

List Verl., 2001. – 254 S.<br />

Im Seichten kann man nicht ertrinken …: <strong>Medien</strong><br />

zwischen Sinn und Sensation; <strong>Medien</strong>-Disput<br />

der Friedrich-Ebert-Stiftung vom 9. November<br />

2000 in Mainz. – Bonn: FES, 2001. – 184<br />

S.<br />

<strong>Medien</strong>sprache und <strong>Medien</strong>linguistik: Festschrift<br />

für Jörg Hennig / Möhn, Dieter u. a.<br />

(Hrsg.). – Frankfurt am Main: Lang, 2001. – 388<br />

S. (Sprache in der Gesellschaft; 26)<br />

23 Publizistische Persönlichkeiten<br />

Seegers, Lu: Hör zu!: Eduard Rhein und die<br />

Rundfunkprogrammzeitschriften (1931–1965).<br />

– Potsdam: Verl. f. Berlin-Brandenburg, 2001. –<br />

486 S (Veröffentlichungen des Deutschen<br />

Rundfunkarchivs; 34)<br />

31 Kommunikation<br />

Duschlbauer, Thomas W.: <strong>Medien</strong> und Kultur<br />

im Zeitalter der X-Kommunikation. – Wien:<br />

Braumüller, 2001. – 93 S.<br />

33 Lokalkommunikation. Bundesländer<br />

Dreier, Hardy; Uwe Hasebrink: <strong>Medien</strong>wirtschaft<br />

in Schleswig-Holstein 2001: eine Bestandsaufnahme.<br />

– Kiel: ULR, 2001. – 146 S.<br />

(ULR-Schriftenreihe; 18)<br />

Who is who in Hamburg.newmedia 2.0: das<br />

Netzwerk der Online-Kapitäne / Eckert, Angelika;<br />

Reinhard, Ulrike (Hrsg.). – Hamburg:<br />

whois Verl., 2001. – 333 S.<br />

317


M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />

41 Massenkommunikation Politik<br />

Kampagne!: Neue Strategien für Wahlkampf,<br />

PR und Lobbying / Althaus, Marco (Hrsg.). –<br />

Münster: Lit, 2001. – 390 S. (<strong>Medien</strong>praxis; 1)<br />

Mediated politics: Communication in the<br />

future of Democracy / Bennett, Lance W.; Entman,<br />

Robert M. (Hrsg.). – Cambridge: Cambridge<br />

Univ. Press, 2001. – 489 S.<br />

<strong>Medien</strong>demokratie im <strong>Medien</strong>land?: Inszenierung<br />

und Themensetzungsstrategien im Spannungsfeld<br />

von <strong>Medien</strong> und Parteieliten am Beispiel<br />

der nordrhein-westfälischen Landtagswahl<br />

im Jahr 2000 / Sarcinelli, Ulrich; Schatz,<br />

Heribert (Hrsg.). – Opladen: Leske + Budrich,<br />

2001. – 558 S. (Schriftenreihe <strong>Medien</strong>forschung<br />

der Landesanstalt für Rundfunk Nordrhein-<br />

Westfalen; 41)<br />

Meyer, Thomas: Mediokratie: die Kolonisierung<br />

der Politik durch das <strong>Medien</strong>system. –<br />

Frankfurt: Suhrkamp, 2001. – 232 S.<br />

42 Massenkommunikation Gesellschaft<br />

Krotz, Friedrich: Die Mediatisierung kommunikativen<br />

Handelns: der Wandel von Alltag<br />

und sozialen Beziehungen, Kultur und Gesellschaft<br />

durch die <strong>Medien</strong>. – Wiesbaden: Westdeutscher<br />

Verl., 2001. – 288 S.<br />

43 Massenkommunikation Kultur<br />

Die Dunkle Seite der <strong>Medien</strong>: Ängste, Faszinationen,<br />

Unfälle / Laser, Björn; Venus, Jochen;<br />

Filk, Christian (Hrsg.). – Frankfurt: Lang,<br />

2001. – 274 S.<br />

Müller, Christian: <strong>Medien</strong>, Macht und Ethik:<br />

<strong>zum</strong> Selbstverständnis der Individuen in der<br />

<strong>Medien</strong>kultur. – Wiesbaden: Westdeutscher<br />

Verl., 2001. – 166 S.<br />

51 Telekommunikation. Informationsgesellschaft<br />

Elixmann, Dieter; Ulrike Schimmel; Rolf<br />

Schwab: Liberalisierung, Wettbewerb und<br />

Wachstum auf europäischen TK-Märkten /<br />

Wissenschaftliches Institut für Kommunikationsdienste<br />

WIK (Hrsg.). – Bad Honnef: WIK,<br />

2001. – 66 S. (Diskussionsbeiträge; 227)<br />

Kursbuch Internet und Politik: Bd 1; Elektronische<br />

Demokratie und virtuelles Regieren /<br />

Siedschlag, Alexander; Bilgeri, Alexander; Lamatsch,<br />

Dorothea (Hrsg.). – München: Leske +<br />

Budrich, 2001. – 108 S.<br />

Moores, Shaun: Media and Everyday Life in<br />

Modern Society. – Edinburgh: Univ. Press,<br />

2000. – 168 S.<br />

Twilight zones in cyberspace: crimes, risk, surveillance<br />

and user-driven dynamics: Gutachten.<br />

– Bonn: FES, 2001. – 136 S.<br />

52 neue Technologien. Multimedia<br />

Berger, Peter: Computer und Weltbild: Habitualisierte<br />

Konzeptionen von der Welt der<br />

Computer. – Wiesbaden: Westdt. Verl., 2001. –<br />

359 S.<br />

Götzenbrucker, Gerit: Soziale Netzwerke und<br />

Internet-Spielwelten: eine empirische Analyse<br />

der Transformation virtueller in realweltliche<br />

Gemeinschaften am Beispiel von MUDs (Multi<br />

User Dimensions). – Wiesbaden: Westdt.<br />

Verl., 2001. – 216 S.<br />

Grimme, Katherina: Digital television standardization<br />

and strategies. – London: Artech House,<br />

2001. – 283 S.<br />

Höckels, Astrid: Internationaler Vergleich der<br />

Wettbewerbsentwicklung im Local Loop. –<br />

Bad Honnef: WIK, 2001. – 104 S. (Diskussionsbeiträge;<br />

228)<br />

Metzler, Anette: Preispolitik und Möglichkeiten<br />

der Umsatzgenerierung von Internet Service<br />

Providern. – Bad Honnef: WIK, 2001. –<br />

52 S. (Diskussionsbeiträge; 229)<br />

61 internationale Kommunikation<br />

Culture in communication: Analyses of Intercultural<br />

Situations / Di Luzio, Aldo; Gunther,<br />

Susanne; Orletti, Franca (Hrsg.). – Amsterdam:<br />

J. Benjamins Publ., 2000. – 341 S. (Pragmatics<br />

and beyond: New series; 81)<br />

Meckel, Miriam: Die globale Agenda: Kommunikation<br />

und Globalisierung. – Wiesbaden:<br />

Westdeutscher Verl., 2001. – 209 S.<br />

71 Massenmedien, allgemein<br />

Burke, Peter; Asa Briggs: A social history of the<br />

media: from Gutenberg to the Internet. – Malden:<br />

Blackwell Publ., 2001. – 374 S.<br />

Daten zur <strong>Medien</strong>situation in Deutschland:<br />

Basisdaten 2001. – Frankfurt: Media Perspektiven,<br />

2001. – 92 S.<br />

Frei, Norbert: Karrieren im Zwielicht: Hitlers<br />

Eliten nach 1945. – Frankfurt: Campus Verlag,<br />

2001. – 364 S.<br />

318


Literaturverzeichnis<br />

Handbuch der <strong>Medien</strong>geschichte / Schanze,<br />

Helmut (Hrsg.). – Stuttgart: Kröner Verl.,<br />

2002. – 575 S.<br />

Liebe 2000: Konzepte von Liebe in der populären<br />

Kultur heute / Faulstich, Werner<br />

(Hrsg.). – Bardowick: Wissenschaftler-Verl.,<br />

2002. – 174 S. (IfAM-Arbeitsberichte; 19)<br />

Die <strong>Medien</strong>-Macher: Programme, Produzenten<br />

und <strong>Medien</strong>politik in Deutschland / Lorenz,<br />

Thorsten; Steinig, Wolfgang; Wölfing,<br />

Willi (Hrsg.). – Weinheim: Beltz, 2001. – 235 S.<br />

Prokop, Dieter: Der Kampf um die <strong>Medien</strong>: das<br />

Geschichtsbuch der neuen kritischen <strong>Medien</strong>forschung.<br />

– Hamburg: VSA-Verl., 2001. –<br />

494 S.<br />

72 <strong>Medien</strong> Bildung<br />

Aktuelle Aspekte medienpädagogischer Forschung:<br />

Interdisziplinäre Beiträge aus Forschung<br />

und Praxis / Schweer, Martin K. W.<br />

(Hrsg.). – Wiesbaden: Westdt. Verl., 2001. –<br />

242 S.<br />

Hugger, Kai-Uwe: <strong>Medien</strong>pädagogik als Profession:<br />

Perspektiven für ein neues Selbstverständnis.<br />

– München: KoPäd, 2001. – 160 S.<br />

Multimediales Schulfernsehen: Handbuch für<br />

Pädagogen / SWR-Schulfernsehen (Hrsg.). –<br />

München: TR-Verlagsunion, 2001. – 135 S.<br />

Selbstausdruck mit <strong>Medien</strong>: Eigenproduktionen<br />

mit <strong>Medien</strong> als Gegenstand der Kindheitsund<br />

Jugendforschung / Niesyto, Horst (Hrsg.).<br />

– München: KoPäd Verl., 2001. – 215 S.<br />

Spannungsfeld <strong>Medien</strong> und Erziehung: medienpädagogische<br />

Perspektiven; Dieter Spanhel<br />

<strong>zum</strong> 60. Geburtstag gewidmet / Kleber, Hubert<br />

(Hrsg.). – München: KoPäd, 2001. – 279 S.<br />

73 <strong>Medien</strong> Ökonomie<br />

Kulle, Jürgen: Ökonomie der Musikindustrie:<br />

eine Analyse der körperlichen und unkörperlichen<br />

Musikverwertung mit Hilfe von Tonträgern<br />

und Netzen. – Frankfurt am Main: Lang,<br />

1998. – 306 S. (Hohenheimer volkswirtschaftliche<br />

Schriften; 32)<br />

74 <strong>Medien</strong> Recht<br />

Dörr, Dieter: Jugendschutz in den elektronischen<br />

<strong>Medien</strong> – Bestandsaufnahme und Reformabsichten:<br />

eine Untersuchung der verfassungsrechtlichen<br />

Vorgaben unter besonderer<br />

Berücksichtigung der Situation im Rundfunk. –<br />

München: R. Fischer, 2001. – 133 S. (BLM-<br />

Schriftenreihe; 67)<br />

Dörr, Dieter; Hubertus Gersdorf: Der Zugang<br />

<strong>zum</strong> Digitalen Kabel: zwei Rechtsgutachten im<br />

Auftrag der Gemeinsamen Stelle Digitaler Zugang<br />

der Landesmedienanstalten. – Berlin:<br />

Vistas, 2002 (Schriftenreihe der Landesmedienanstalten;<br />

22)<br />

Frye, Bernhard: Die Staatsaufsicht über die öffentlich-rechtlichen<br />

Rundfunkanstalten. – Berlin:<br />

Duncker & Humblot, 2001. – 212 S. (Schriften<br />

zu Kommunikationsfragen; 30)<br />

Konzentrationskontrolle im Rundfunk und<br />

wettbewerbliche Fusionskontrolle: Dokumentation<br />

des Fachgesprächs der Kommission zur<br />

Ermittlung der Konzentration im <strong>Medien</strong>bereich<br />

(KEK) und der Direktorenkonferenz der<br />

Landesmedienanstalten (DLM) / Die Landesmedienanstalten<br />

(DLM) (Hrsg.). – Berlin: Vistas,<br />

2001. – 97 S. (Schriftenreihe der Landesmedienanstalten;<br />

21)<br />

Olenhusen, Albrecht Götz von: Film und<br />

Fernsehen: Arbeitsrecht, Tarifrecht, Vertragsrecht<br />

– Deutschland, Österreich, Schweiz;<br />

Kommentar und Handbuch mit Vertragsmustern.<br />

– Baden-Baden: Nomos, 2001. – 964 S.<br />

Reber, Nikolaus: Film Copyright, Contacts<br />

and Profit Participation. – Weinheim: Wiley-<br />

VCH, 2000. – 173 S.<br />

Ruttig, Markus: Der Einfluss des EG-Beihilferechts<br />

auf die Gebührenfinanzierung der öffentlich-rechtlichen<br />

Rundfunkanstalten. –<br />

Frankfurt: Lang, 2001. – 299 S. (Studien und<br />

Materialien <strong>zum</strong> öffentlichen Recht; 14)<br />

Schweitzer, Heike: Daseinsvorsorge, „service<br />

public“, Universaldienst: Art. 86 Abs. 2 EG-<br />

Vertrag und die Liberalisierung in den Sektoren<br />

Telekommunikation, Energie und Post. – Baden-Baden:<br />

Nomos, 2001. – 481 S. (Law and<br />

economics of international telecommunications;<br />

46)<br />

75 Rundfunk<br />

Fahr, Andreas: Katastrophale Nachrichten?:<br />

eine Analyse der Qualität von Fernsehnachrichten.<br />

– München: R. Fischer, 2001. – 216 S.<br />

(Angewandte <strong>Medien</strong>forschung; 19)<br />

Das Geräusch der Provinz – Radio in der Region:<br />

Festschrift 10 Jahre TLM / Thüringer Landesmedienanstalt<br />

/ Rössler, Patrick: Vowe, Gerhard;<br />

Henle, Victor (Hrsg.). – München: KoPäd-<br />

Verl., 2001. – 597 S. (TLM Schriftenreihe; 13)<br />

Kabyl, Ulrike: Derrick: eine Erfolgsgeschichte<br />

319


M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />

des Fernsehens. – Köln: Teiresias, 2001. – 286 S.<br />

(Fernsehwissenschaft; 3)<br />

Krüger, Udo Michael: Programmprofile im<br />

dualen Fernsehsystem 1991-2000: eine Studie<br />

der ARD/ZDF-<strong>Medien</strong>kommission. – Baden-<br />

Baden: Nomos, 2001. – 350 S. (Schriftenreihe<br />

Media Perspektiven; 15)<br />

Programmbericht zur Lage und Entwicklung des<br />

Fernsehens in Deutschland 2000/01 / Arbeitsgemeinschaft<br />

der Landesmedienanstalten; ALM<br />

(Hrsg.). – Konstanz: UVK Verl., 2001. – 441 S.<br />

Sjurts, Insa: <strong>Medien</strong>management: eine kritische<br />

Bestandsaufnahme. – Flensburg: Uni Flensburg,<br />

2001. – 25 S. (<strong>Medien</strong>, <strong>Medien</strong>, <strong>Medien</strong>:<br />

Diskussionsbeiträge; 1)<br />

76 Werbung<br />

Breidenbach, Theo: Zielorientiertes Marketing:<br />

Marken unverwechselbar aufbauen und positionieren.<br />

– Düsseldorf: Metropolitan-Verl.,<br />

2000. – 151 S.<br />

Gerken, Gerd: Cyber-Branding: aus Marken<br />

werden virtuelle Welten. – Düsseldorf: Metropolitan-Verl.,<br />

2001. – 336 S.<br />

Die Marke: Symbolkraft eines Zeichensystems<br />

/ Bruhn, Manfred (Hrsg.). – Bern: Haupt, 2001.<br />

– 250 S. (Facetten der <strong>Medien</strong>kultur; 1)<br />

Moderne Markenführung: Grundlagen, Innovative<br />

Ansätze, Praktische Umsetzungen /<br />

Esch, Franz-Rudolf (Hrsg.). – Wiesbaden: Gabler,<br />

2001. – 1274 S.<br />

Ries, Al; Jack Trout: Positioning: the battle of<br />

your mind. – New York: McGraw-Hill, 2001.<br />

– 246 S.<br />

Siegert, Gabriele: <strong>Medien</strong> Marken Management:<br />

Relevanz, Spezifika und Implikationen<br />

einer medienökonomischen Profilierungsstrategie.<br />

– München: Fischer, 2001. – 270 S.<br />

Upshaw, Lynn; Earl L. Taylor: The Masterbrand<br />

Mandate: the Management Strategy that<br />

unifies companies and Multibles Value. – New<br />

York: John Wiley & Sons, 2000. – 323 S.<br />

81 Publikum. <strong>Medien</strong>nutzung<br />

Der sprechende Zuschauer: wie wir uns Fernsehen<br />

kommunikativ aneignen / Holly, Werner;<br />

Püschel, Ulrich; Bergmann, Jörg (Hrsg.). –<br />

Wiesbaden: Westdt. Verl., 2001. – 330 S.<br />

83 Kinder Jugendliche <strong>Medien</strong><br />

Aufenanger, Stefan; Mike Große-Loheide;<br />

Uwe Hasebrink: Alkohol – Fernsehen – Jugendliche:<br />

Programmanalyse und medienpädagogische<br />

Praxisprojekte / Hamburgische<br />

Anstalt für neue <strong>Medien</strong> (HAM) (Hrsg.). –<br />

Hamburg: Vistas, 2001. – 410 S. (HAM-Schriftenreihe;<br />

21)<br />

Bofinger, Jürgen: Schüler-Freizeit-<strong>Medien</strong>:<br />

eine empirische Studie <strong>zum</strong> Freizeit- und <strong>Medien</strong>verhalten<br />

10- bis 17-jähriger Schülerinnen<br />

und Schüler. – München: KoPäd, 2001. – 256 S.<br />

Hebecker, Eike: Die Netzgeneration: Jugend<br />

in der Informationsgesellschaft. – Frankfurt:<br />

Campus Verl., 2001. – 212 S.<br />

Jahresbericht 1997 bis 2000: Gemeinsame Stelle<br />

Jugendschutz und Programm (GSJP) der<br />

Landesmedienanstalten (DLM): DLM, 2001. –<br />

103 S.<br />

Jugendschutz und Filtertechnologien im Internet.<br />

– Berlin: Bundesministerium für Wirtschaft<br />

und Technologie, 2000. – 157 S.<br />

Kinder und ihr Symbolverständnis: Theorien –<br />

Geschichten – Bilder / Erlinger, Hans Dieter<br />

(Hrsg.). – München: KoPäd, 2001. – 156 S.<br />

Parental control of Television broadcasting/<br />

Price, Monroe E.; Verhulst, Stefaan G. (Hrsg.).<br />

– Mahwah: Erlbaum, 2001. – 314 S.<br />

Reiche Kindheit aus zweiter Hand?: <strong>Medien</strong>kinder<br />

zwischen Fernsehen und Internet; <strong>Medien</strong>pädagogische<br />

Tagung des ZDF 2000 /<br />

Schächter, Markus (Hrsg.). – München: Ko-<br />

Päd, 2001. – 234 S.<br />

91 Literatur zu einzelnen Ländern<br />

Kremenjak, Slobodan; Aleksandra Rabrenovic;<br />

Robert Rittler: The Law of Broadcasting Enterprises<br />

in the Federal Republic of Yugoslavia.<br />

– Wien: ARGE, 2001. – 129 S.<br />

Lind, Rebecca Ann: The relevance of cultural<br />

identity: relying upon foundations of race and<br />

gender as laypeople plan a newscast. – Columbia:<br />

AEJMC, 2001. – 145 S. (Journalism & communication<br />

monographs; 2001/3)<br />

Lury, Karen: British youth television: Cynicism<br />

and enchantment. – Oxford: Clarendon<br />

Press, 2001. – 146 S.<br />

Schroeder, Alan: Presidential debates: forty<br />

years of high-risk TV. – New York: Columbia<br />

Univ. Press, 2000. – 271 S.<br />

Shane, Ed: Disconnected America: the consequences<br />

of mass media in a narcissistic world. –<br />

Armonk: Sharpe, 2001. – 204 S.<br />

320


English Abstracts and Keywords<br />

Wolfgang Hoffmann-Riem: Media regulation as an objective legal mandate of<br />

basic rights (<strong>Medien</strong>regulierung als objektiv-rechtlicher Grundrechtsauftrag),<br />

pp. 175 – 194<br />

The freedom of communication encompasses not only the subjective rights of the individual<br />

against the state, but also an objective legal mandate for the state to work via the<br />

legal order towards ensuring that this basic right can actually be exercised by all persons<br />

as a freedom of individual and collective communicative development and political participation.<br />

The structural changes in the transition to the information society show that<br />

the previous anchoring of subjective rights does not suffice to achieve this goal. Consequently,<br />

a recollection of the objective legal mandate of basic rights, which already<br />

existed at the beginning of the development of basic rights, is important. Above all, those<br />

persons whose power is weak require the protection of rights.<br />

Keywords: media regulation, freedom of communication, convergence, objective legal<br />

mandate, regulated selfregulation, censorship<br />

Axel Schmidt: Aggressive humour in the media – with exemplary reference to the<br />

television comedy show “TV total” (Aggressiver Humor in den <strong>Medien</strong> – am Beispiel<br />

der Fernseh-Comedy-Show “TV total”), pp. 195 – 226<br />

Stefan Raab’s comedy show “TV total” ranks as a prototypical example of more recent<br />

development in German television entertainment. The programme has become a symbol<br />

for disrespectful provocations and unique confrontations between the presenter and<br />

his guests. Whereas critics dismiss the show as a low-quality, smutty and desperately<br />

strained form of comedy, its fans praise the way in which television reality and its protagonists<br />

are dealt with without taboos. The article here attempts to single out typical<br />

characteristics on the basis of an analytical look at individual programme elements in order<br />

to determine the specific format of the programme. In a subsequent microanalytical<br />

speech linguistics analysis of the way Raab deals with his guests, central strategies of<br />

comedy generation are outlined. It is argued that the programme “TV total” mainly<br />

builds on the artificial generation of involuntary comedy as a strategy of appeal.<br />

Keywords: humor, comedy, TV comedy, TV entertainment, qualitative media research,<br />

communication research, conversation analysis, “TV total”, genre analysis<br />

Holger Schramm / Sven Petersen / Karoline Rütter / Peter Vorderer: How does music<br />

get into radio? State and significance of the music research of German radio stations<br />

(Wie kommt die Musik ins Radio? Stand und Stellenwert der Musikforschung<br />

bei deutschen Radiosendern), pp. 227 – 246<br />

Since the dual broadcasting system was introduced in Germany, there has been a growing<br />

formating of radio stations. Music in particular, as a central programme content, defines<br />

a station’s format and determines its listeners. In order to guarantee a music programme<br />

that is optimally tailored to its target group, more and more trust is placed in<br />

321


M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />

music research figures than in the “gut feeling” of the music editors. The article describes<br />

the inadequate state of research on this subject and provides an overview of common<br />

music tests applied in commercial radio research. It cites figures on the state and significance<br />

of the music research of German radio stations at the beginning of the Nineties<br />

and documents two mutually complementary studies reflecting the situation in the year<br />

2001. Finally, the findings are interpreted with respect to the development of music research<br />

over the last ten years and the question answered whether music research or the<br />

gut feeling of the music editors is viewed as more important for the way music programmes<br />

are structured.<br />

Keywords: radio research, music research, music test, radio music, radio music choice,<br />

music programme<br />

Edmund Lauf: Freedom for the data! Secondary analysis and data sets in German<br />

media and communications research (Freiheit für die Daten! Sekundäranalyse<br />

und Datenbestände in der deutschen <strong>Medien</strong>- und Kommunikationswissenschaft),<br />

pp. 247 – 260<br />

In media and communications research too, secondary analyses can be much more than<br />

a second-class analysis, more than an inexpensive utilisation of residual material. This<br />

applies in particular to the analysis of comparable data sets from different countries (spatial)<br />

or from different years (temporal). A necessary prerequisite for a secondary-analysis<br />

utilisation are available data sets. An analysis of the media and communications research<br />

data sets at the Central Archive for Empirical Social Research in Cologne (ZA)<br />

shows that media and communications research receives relatively little attention. This<br />

is attributable in part to the staff at the media and communications research higher<br />

education institutes: a survey revealed that they make only inadequate use of the services<br />

of the ZA and that the willingness to make their own data available is very low. In view<br />

of the losses of data sets that have already occurred or are to be feared, putting central<br />

media and communications research data into archives should be given greater attention<br />

in our subject.<br />

Keywords: secondary analysis, media and communications research data, data archives,<br />

data sets, Zentralarchiv für Empirische Sozialforschung<br />

Hans W. Giessen: Harold A. Innis – ‘Communication’ as a key term for the understanding<br />

of the history of humankind (Harold A. Innis – ,Kommunikation‘ als<br />

Schlüsselbegriff <strong>zum</strong> Verständnis der Menschheitsgeschichte?), pp. 261 – 273<br />

Continental Europe first began taking note of the Canadian Harold A. Innis to any noticeable<br />

degree as an independent author – and not merely as a generator of ideas for<br />

Herbert Marshall McLuhan – in the Nineties. The article begins with a brief intellectual<br />

profile and outlines the most important theoretical statements Innis made. It subsequently<br />

explains that and why a closer look at the works of Innis could be of special interest<br />

today, at the beginning of the ‘information society’ forecast by many authors (at<br />

least: at a time when ‘New Media’ would appear to be replacing older ones as lead media).<br />

A continuation of his theses indicates an interesting new interpretation of our societal<br />

reality. The article seeks to make it clear that the ignoring of the works of Innis for<br />

322


English Abstracts and Keywords<br />

many years, particularly in Germany and France, is definitely surprising in view of the<br />

clear proximity to much-discussed theoretical approaches in both countries. Accordingly,<br />

Innis is not viewed as a solitary figure from a more or less marginalized periphery,<br />

but represents a specifically Canadian variant of a wider interpretational approach<br />

of social theory for his time. Finally, the article discusses possible reasons for the<br />

recipience problems the works of Innis not only face in Continental Europe, but fundamentally.<br />

Keywords: philosophy of history, innis, communication: canada, ways of communication,<br />

McLuhan, media theory, media effects<br />

323


M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieses <strong>Heft</strong>es<br />

Prof. Dr. Ben Bachmair, FB Erziehungswissenschaft, Universität-GH Kassel,<br />

Nora-Platiel-Str.1, 34109 Kassel, E-Mail: bachmair.augsburg@t-online.de oder<br />

bachmair@uni-kassel.de<br />

Dipl.-Sozw. Barbara Berkel, Fg. <strong>Medien</strong>politik, Universität Hohenheim, Fruwirthstr.<br />

47, 70599 Stuttgart, E-Mail: berkel@uni-hohenheim.de<br />

Prof. Dr. Joan Kristin Bleicher, Institut für Germanistik II, Universität Hamburg,<br />

Von-Melle-Park 6, 20146 Hamburg, E-Mail: fs5a097@rrz.uni-hamburg.de<br />

PD Dr. Hans W. Giessen, FB Informationswissenschaft, Universität des Saarlandes,<br />

D-66041 Saarbrücken, E-Mail: h.giessen@gmx.net<br />

Prof. Dr. Wolfgang Hoffmann-Riem, Richter des Bundesverfassungsgerichts,<br />

Schloßbezirk 3, 76131 Karlsruhe<br />

Dr. Matthias Kohring, Lehrstuhl für Grundlagen der medialen Kommunikation<br />

und der <strong>Medien</strong>wirkung / Media Communication and Media Effects, Friedrich-Schiller-Universität,<br />

Ernst-Abbe-Platz 8, 07743 Jena, E-Mail: Matthias.Kohring@unijena.de<br />

Prof. Dr. Friedrich Krotz, Institut für Kommunikationswissenschaft, Westfälische<br />

Wilhelms-Universität, Bispinghof 9-14, 48143 Münster, E-Mail: krotz@uni-muenster.de<br />

Prof. Dr. Hans-Dieter Kübler, Hochschule für angewandte Wissenschaften, Fachbereich<br />

Bibliothek und Information, Grindelhof 30, D-20146 Hamburg, E-Mail: Hans-<br />

Dieter.Kuebler@bui.fh-hamburg.de<br />

Dr. Edmund Lauf, The Amsterdam School of Communications Research ASCoR,<br />

University of Amsterdam UvA, Kloveniersburgwal 48, 1012 CX Amsterdam,<br />

E-Mail: lauf@pscw.uva.nl<br />

Dr. Rossen Milev, Balkanmedia Association, 72 Cyril i Metodi Str., 1202 Sofia,<br />

Bulgarien, E-Mail: balkanmedia@internet-bg.net<br />

Dr. Marion G. Müller, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg,<br />

Allende-Platz 1, 20146 Hamburg, E-Mail: mgm@sozialwiss.uni-hamburg.de<br />

Dr. habil. Christoph Neuberger, Lehrstuhl für Journalistik II, Katholische Universität<br />

Eichstätt, Ostenstrasse 25, 85072 Eichstätt, E-Mail: christoph.neuberger@<br />

ku-eichstaett.de<br />

Dr. Wolfram Peiser, Institut für Publizistik, Johannes Gutenberg-Universität<br />

Mainz, Colonel-Kleinmann-Weg 2, 55099 Mainz, E-Mail: peiser@mail.uni-mainz.de<br />

Sven Petersen, Institut für Journalistik und Kommunikationsforschung, Hochschule<br />

für Musik und Theater Hannover, Expo-Plaza 12, 30539 Hannover,<br />

E-Mail: sven.petersen@hmt-hannover.de<br />

Dr. Juliana Raupp, Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft,<br />

Freie Universität Berlin, Malteserstr. 74-100, 12249 Berlin, E-Mail: raupp@zedat.fuberlin.de<br />

324


Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieses <strong>Heft</strong>es<br />

Karoline Rütter, Institut für Journalistik und Kommunikationsforschung,<br />

Hochschule für Musik und Theater Hannover, Expo-Plaza 12, 30539 Hannover,<br />

E-Mail: Karoline.Ruetter@t-online.de<br />

Dipl. Soz. Dipl. Päd. Axel Schmidt, Fachbereich 03 Institut III, Johann Wolfgang<br />

Goethe-Universität, Robert-Mayer-Str. 5, Postfach 11 19 32, 60054 Frankfurt am<br />

Main, E-Mail: Axel.Schmidt@soz.uni-frankfurt.de<br />

Dipl.-<strong>Medien</strong>wiss. Holger Schramm, Institut für Journalistik und Kommunikationsforschung,<br />

Hochschule für Musik und Theater Hannover, Expo-Plaza 12,<br />

30539 Hannover, E-Mail: holger.schramm@hmt-hannover.de<br />

Prof. Dr. Martin Stock, Fakultät für Rechtswissenschaft, Universität Bielefeld,<br />

Universitätsstr. 25, 33615 Bielefeld, E-Mail: martin.stock@uni-bielefeld.de<br />

Prof. Dr. Peter Vorderer, Institut für Journalistik und Kommunikationsforschung,<br />

Hochschule für Musik und Theater Hannover, Expo-Plaza 12, 30539 Hannover,<br />

E-Mail: peter.vorderer@hmt-hannover.de<br />

Dr. Claudia Wegener, Fakultät für Pädagogik, Universität Bielefeld, Universitätsstraße<br />

25, 33615 Bielfeld E-Mail: claudia.wegener@uni-bielefeld.de<br />

Prof. Dr. Klaus Werner Wirtz, Hochschule Niederrhein, Fachbereich Wirtschaft,<br />

Fachgebiet Wirtschaftsinformatik, Webschulstr. 41–43, 41065 Mönchengladbach,<br />

E-Mail wirtz@hs-niederrhein.de<br />

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M&K 50. Jahrgang 2/2002<br />

Hinweise für Autorinnen und Autoren<br />

Die wissenschaftliche Vierteljahreszeitschrift „<strong>Medien</strong> & Kommunikationswissenschaft“<br />

(bis Ende 1999 „Rundfunk und Fernsehen – Zeitschrift für <strong>Medien</strong>- und Kommunikationswissenschaft“)<br />

wird seit 1953 vom Hans-Bredow-Institut herausgegeben<br />

und redaktionell betreut. Die Zeitschrift ist ein interdisziplinäres Forum für theoretische<br />

und empirische Beiträge aus der gesamten <strong>Medien</strong>- und Kommunikationswissenschaft.<br />

Für die Publikation in „<strong>Medien</strong> & Kommunikationswissenschaft“ kommen folgende<br />

Textsorten in Betracht:<br />

• Aufsätze sollen ein Moment originärer theoretischer Leistung beinhalten bzw. einen<br />

theoretisch weiterführenden Argumentationsgang bieten;<br />

• Berichte sollen Befunde zu einem ausgewiesenen Problem von theoretischer oder<br />

medienpraktischer Relevanz darstellen;<br />

• Unter der Rubrik Diskussion sollen Beiträge erscheinen, die innerhalb eines wissenschaftlichen<br />

Diskurses Position beziehen und die Diskussion voranbringen können.<br />

Dabei können auch spekulative Betrachtungen fruchtbar sein.<br />

• Literaturberichte/-aufsätze sollen Literatur bzw. ausgewählte Literatur zu bestimmten<br />

Problemstellungen systematisch und vergleichend zusammenfassen und<br />

eine Übersicht über den Stand der Theorie und/oder Empirie geben.<br />

Die Redaktion bietet außerdem die Möglichkeit zur Stellungnahme und Erwiderung zu<br />

publizierten Beiträgen der oben genannten Kategorien. Stellungnahmen und Erwiderungen,<br />

die den in „<strong>Medien</strong> & Kommunikationswissenschaft“ üblichen inhaltlichen und<br />

formalen Standards entsprechen und geeignet sind, die wissenschaftliche Diskussion zu<br />

fördern, werden im nächstmöglichen <strong>Heft</strong> publiziert. Die Redaktion räumt dabei dem<br />

Autor bzw. der Autorin des Beitrages, auf den sich die Stellungnahme bezieht, die Möglichkeit<br />

einer Erwiderung ein.<br />

Manuskripte, die zur Publikation in „<strong>Medien</strong> & Kommunikationswissenschaft“ eingereicht<br />

werden, dürfen nicht anderweitig veröffentlicht sein und bis Abschluss des Begutachtungsverfahrens<br />

nicht anderen Stellen zur Veröffentlichung angeboten werden.<br />

Im Sinne der Förderung des wissenschaftlichen Diskurses und der kumulativen Forschung<br />

sowie der Qualitätssicherung legt die Redaktion bei der Begutachtung von Beiträgen<br />

besonderen Wert darauf, dass größtmögliche Transparenz hinsichtlich der verwendeten<br />

Daten hergestellt wird. Autorinnen und Autoren empirischer Beiträge verpflichten<br />

sich mit der Einreichung des Manuskripts, dass sie die Art und Weise der Datenerhebung<br />

bzw. den Zugang zu Datenbeständen, die von Dritten (z. B. Datenbanken) zur<br />

Verfügung gestellt worden sind, ausreichend dokumentieren, um so die Voraussetzungen<br />

für Sekundäranalysen und Replikationen zu schaffen. Zugleich erklären sie sich bereit,<br />

die verwendeten Daten bei wissenschaftlich begründeten Anfragen im Rahmen der jeweils<br />

gegebenen Möglichkeiten für weitere Analysen zur Verfügung zu stellen.<br />

Formalien:<br />

• Manuskripte sind der Redaktion in dreifacher Ausfertigung zuzuschicken.<br />

• Da die eingereichten Manuskripte anonymisiert begutachtet werden, sind zwei Titelblätter<br />

erforderlich: eines mit Angabe des Titels und der Namen und Anschriften<br />

der Autorinnen und Autoren, eines ohne Anführung der Namen und Adressen. Das<br />

Manuskript selbst darf keine Hinweise auf die Autorinnen und Autoren enthalten.<br />

326


Hinweise für Autorinnen und Autoren<br />

• Beizufügen ist eine kurze Zusammenfassung des Beitrags (max. 15 Zeilen), die dem<br />

Leser als selbständiger Text einen hinreichenden Eindruck vom Inhalt des jeweiligen<br />

Beitrags vermittelt.<br />

• Der Umfang der Beiträge soll 20 Manuskriptseiten (55.000 Zeichen) nicht überschreiten.<br />

• Die Manuskriptseiten müssen im DIN A4-Format (einseitig), anderthalbzeilig beschrieben<br />

und mit ausreichendem Rand versehen sein.<br />

• Gliederung des Textes: Jedes Kapitel und Unterkapitel sollte mit einer Überschrift<br />

(in Dezimalzählung) versehen sein.<br />

• Hervorhebungen im Text sind kursiv oder fett zu kennzeichnen.<br />

• Für Hinweise und Literaturbelege bestehen wahlweise zwei Möglichkeiten:<br />

a) durch Angabe von Autor, Erscheinungsjahr und Seitenziffer im fortlaufenden<br />

Text – z. B.: . . . (Müller, 1990: 37 – 40) . . . –, wobei der vollständige bibliographische<br />

Nachweis über ein Literaturverzeichnis im Anschluss an den Beitrag erfolgt;<br />

b) über durchnumerierte Anmerkungsziffern, wobei der Text der Anmerkung auf<br />

der entsprechenden Seite aufgeführt wird.<br />

Über eine Annahme des Manuskripts und den Zeitpunkt der Veröffentlichung entscheidet<br />

die Redaktion auf der Grundlage redaktionsinterner und externer Gutachten.<br />

Dem/der Autor/in wird die Redaktionsentscheidung schriftlich mitgeteilt. Im Falle einer<br />

Entscheidung für Überarbeitung, Neueinreichung oder Ablehnung legt die Redaktion<br />

die Gründe für ihre Entscheidung offen. Dazu werden die anonymisierten Gutachten,<br />

evtl. auch nur in Auszügen, zugesandt. Das Begutachtungsverfahren ist in der<br />

Regel sechs Wochen nach Eingang des Manuskripts abgeschlossen; falls die Begutachtung<br />

längere Zeit erfordert, werden die Autor/inn/en benachrichtigt.<br />

Von jedem Originalbeitrag werden 20 Sonderdrucke kostenlos zur Verfügung gestellt.<br />

Weitere Sonderdrucke können bei Rückgabe der Fahnenkorrektur an die Redaktion<br />

schriftlich gegen Rechnung bestellt werden.<br />

Verlag und Redaktion haften nicht für Manuskripte, die unverlangt eingereicht werden.<br />

Mit der Annahme eines Manuskripts erwirbt der Verlag von den Autorinnen und Autoren<br />

alle Rechte, insbesondere auch das Recht der weiteren Vervielfältigung zu gewerblichen<br />

Zwecken im Wege des fotomechanischen oder eines anderen Verfahrens.<br />

Anschrift der Redaktion:<br />

Hans-Bredow-Institut<br />

Heimhuder Straße 21, 20148 Hamburg (Tel. 0 40/45 02 17-41)<br />

<strong>Medien</strong> & Kommunikationswissenschaft<br />

Herausgegeben vom Hans-Bredow-Institut für <strong>Medien</strong>forschung an der Universität Hamburg<br />

ISSN 1615-634X<br />

Die Zeitschrift sowie alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung,<br />

die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des<br />

Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und<br />

die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.<br />

Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden, 2002. Printed in Germany.<br />

Bezugsbedingungen: Die Zeitschrift erscheint vierteljährlich (4 <strong>Heft</strong>e jährlich), Jahresabonnement € 64,–, Jahresabonnement<br />

für Studenten € 40,– (gegen Nachweis), Einzelheft € 20,– jeweils zuzügl. Versandkosten (inkl.<br />

MwSt); Bestellungen nehmen der Buchhandel und der Verlag entgegen; Abbestellungen vierteljährlich <strong>zum</strong> Jahresende.<br />

Zahlung jeweils im Voraus an Nomos Verlagsgesellschaft, Postscheckk. Karlsruhe 736 36-751 und Stadtsparkasse<br />

Baden-Baden, Konto 5-002 266.<br />

Verlag und Anzeigenannahme: Nomos Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, 76520 Baden-Baden,<br />

Telefon: (0 72 21) 21 04-0, Telefax: 21 04 27.<br />

327


M&K 2002/2 <strong>Medien</strong> & Kommunikationswissenschaft

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