03/2017 Gesundheit-Spezial
Fritz + Fränzi
Fritz + Fränzi
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Seele<br />
Spielen ist die beste<br />
Fördermassnahme, weil<br />
Kinder fast immer<br />
Spass dabei empfinden.<br />
>>> Spiel gilt in den Augen vieler<br />
milien mit Kindern im Kindergartenalter<br />
men laut «Spiegel» allein zum<br />
Erwachsener als «trivial oder<br />
reine Zeitverschwendung». in der Stadt Zürich hat<br />
laut Wohn experte und Pädagoge<br />
Unterricht. 1971 waren es noch 80<br />
Prozent. Der Schulweg, Inbegriff<br />
Marco Hüttenmoser Folgendes des anarchischen Freiraums, auf<br />
Zwei Gründe für den starken gezeigt: Wer in einem Wohnumfeld<br />
aufwächst, das kein unbeglei-<br />
Hausaufgaben abgeschrieben und<br />
dem geträumt wurde, gerauft, die<br />
Rückgang des freien Spiels<br />
Verantwortlich für diese Einschätzung<br />
sind, so Margrit Stamm, zwei<br />
Faktoren. Einerseits die gesellschaftspolitische<br />
Debatte um<br />
Frühförderung: Kindertagesstätten<br />
und Kindergärten werden als<br />
Orte zum Lernen angesehen. Die<br />
Resultate der Pisa-Studie und der<br />
Druck, in einer globalisierten, wissensorientierten<br />
Arbeitswelt er -<br />
folgreich sein zu müssen, haben<br />
bei manchen Eltern einen regelrechten<br />
Förderwahn hervorgebracht.<br />
Laut Margrit Stamm sind viele<br />
tetes Spiel im Freien zulässt, zeigt<br />
im Alter von fünf Jahren deutliche<br />
Defizite in der motorischen und<br />
sozialen Entwicklung.<br />
Eine anschliessend in der Stadt<br />
Zürich durchgeführte repräsentative<br />
Studie und eine Kontrollerhebung<br />
in sieben Landgemeinden<br />
zeigte auf, dass in der Stadt wie auf<br />
dem Land ein Viertel bis ein Drittel<br />
der Kinder bis im Alter von<br />
fünf Jahren die Wohnung und das<br />
Haus nicht unbegleitet verlassen<br />
dürfen.<br />
Der Verlust an Spielkameraden<br />
mit dem ersten Schwarm zögerliche<br />
Kontakte geknüpft wurden, ist<br />
für ganz viele Kinder heute<br />
Geschichte.<br />
Hüther benutzt für diese Entwicklung<br />
drastische Worte: «Es ist<br />
gefährlich, wenn eine ganze Ge -<br />
sellschaft einen Weg geht, auf dem<br />
das Spiel kaum vorkommt oder<br />
verzweckt wird.» Eine vielfältige<br />
und kreative Gesellschaft benötige<br />
genau dieses Spielen: «Erst das<br />
Spiel ermöglich Kreativität, Ideen<br />
und Visionen», sagt Gerald Hüther.<br />
Angebote auf den Markt gekommen,<br />
welche den Eltern weisma-<br />
Zwang, die Kinder dauernd zu für diese Kinder ist gross, und der<br />
Drogenrausch im Hirn<br />
chen wollen, dass man nie früh<br />
genug beginnen könne, dem Kind<br />
«spielerisch» erste Lese-, Mathematik-<br />
und Fremdsprachenkenntnisse<br />
beizubringen. Das habe zur<br />
Folge, dass die Eltern die Wochenprogramme<br />
ihrer Kinder durchtakten<br />
– im Glauben, sie würden<br />
ihrem Kind durch diese «Förderitis»<br />
Gutes tun.<br />
Doch nicht nur die Eltern sind<br />
verantwortlich dafür, dass ihre<br />
Kinder immer weniger spielen.<br />
Auch städtebauliche und architektonische<br />
Situationen sind – als<br />
zweiter Faktor – massgeblich daran<br />
beteiligt. Ein Beispiel: Eine<br />
Intensivuntersuchung bei 20 Fa -<br />
begleiten, führt zu einem massiven<br />
Verlust an Bewegungszeit. Als<br />
wichtigste Ursache bezeichnen<br />
76 Prozent von 1729 Eltern der<br />
Stadt Zürich den Strassenverkehr.<br />
Von 142 Eltern auf dem Land sind<br />
87 Prozent dieser Meinung. «Kinder,<br />
die ohne rechte Bodenhaftung<br />
aufwachsen – Hors-sol-Kinder<br />
sozusagen –, sind das Produkt der<br />
modernen, vom privaten Motorfahrzeugverkehr<br />
dominierten Ge -<br />
sellschaft», sagt Marco Hüttenmoser.<br />
Dieser Verkehr dominiert auch<br />
die letzte erwachsenenfreie Zone:<br />
den Schulweg. Nicht einmal 10<br />
Prozent der Achtjährigen kom-<br />
Wir wären genau dies doch unseren<br />
Kindern schuldig. Denn sie, so<br />
belegen Neurowissenschaftler, blühen<br />
kognitiv auf, wenn sie – ohne<br />
Helm, Matschhose und Rückenpanzer<br />
– unbeaufsichtigt draussen<br />
Der Zwang, Kinder dauernd<br />
zu begleiten, führt zu<br />
einem massiven Verlust an<br />
Bewegunszeit.<br />
50 März <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi <strong>Gesundheit</strong>s-<strong>Spezial</strong>