Sachwert Magazin_2017-02_web
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Interview<br />
ide!<br />
Weil sie oft die entscheidung nicht von<br />
sich aus treffen, sondern aufgrund von<br />
äußeren Umständen, auf Druck von außen<br />
oder von anderen menschen. man will es<br />
anderen recht machen, aber man macht<br />
es nicht sich selber recht. Schon während<br />
man diesen entscheid trifft, weiß man,<br />
dass er eigentlich nicht aus einem selbst<br />
heraus kommt. Und wenn er sich dann<br />
noch dazu als falsch herausstellt, dann<br />
haderst du natürlich auch, anstatt dich zu<br />
fragen: „Was will ich eigentlich? Was sagt<br />
mein Bauch? Was sagt mein Gefühl?“<br />
Das können einfache entscheidungen sein<br />
wie „ich möchte heute eine Pizza essen“.<br />
Dann iss doch einfach die Pizza, du musst<br />
dir nicht die ravioli bestellen.<br />
Also haben die Leute auch Angst vor<br />
den möglichen Konsequenzen?<br />
natürlich. Wenn ein Schiedsrichter<br />
immer angst hat, dass er einen<br />
Fehlentscheid macht und<br />
deshalb vielleicht nicht mehr<br />
für die nächst höhere Liga<br />
nominiert wird, dann ist er<br />
Dieses interview<br />
erschien zuerst im<br />
Erfolg <strong>Magazin</strong><br />
(ebenfalls<br />
Backhaus Verlag)<br />
blockiert und wird auch keine guten entscheidungen<br />
treffen. es muss dir egal sein,<br />
was für Konsequenzen auftreten können.<br />
Wenn ich durch meine entscheidung nicht<br />
mehr nominiert werde, dann ist das eben<br />
so. Und die Konsequenzen der anderen<br />
darf ich erst gar nicht zu meinem Problem<br />
machen. Wenn ich beispielsweise bei<br />
hamburg gegen ingolstadt nicht den elfmeter<br />
gebe, dann steigt der hSV vielleicht<br />
ab und hat dann vielleicht noch millionen<br />
von Schulden. Das ist aber nicht mein Problem.<br />
Das ist das Problem von hamburg.<br />
also mache nicht die Probleme der anderen<br />
zu deinen Problemen.<br />
Das heißt, du musst für dich selbst die<br />
Werte festgelegt haben, nach denen<br />
du deine Entscheidungen triffst. Und<br />
dafür musst du dann auch deinen<br />
Preis bezahlen.<br />
ich muss einfach bestmöglich vorbereitet<br />
in ein solches Spiel reingehen.<br />
ich muss die regeln kennen.<br />
Die Kondition muss hundert<br />
Prozent sein. Wenn ich schon<br />
überlege, „reicht meine Kondition<br />
das ganze Spiel?“,<br />
dann bin ich nicht frei. ich bin<br />
bereit, bin gut vorbereitet,<br />
kenne die regelungen. Diese<br />
drei Punkte müssen stimmen.<br />
Wenn dann was passiert,<br />
dann ist das so. Das gehört<br />
dazu, das musst du so annehmen.<br />
ein Geschäftsführer<br />
oder Politiker wird Fehler machen.<br />
Dann müssen sie sich<br />
aber hinstellen, ehrlich zu sich<br />
selbst sein und diese Fehler<br />
auch annehmen. Das macht<br />
einen nur stärker. oft bringen dich die<br />
größten Fehler am weitesten nach vorn.<br />
Stimmt. Wie schwer ist es denn in<br />
einem Team Entscheidungen zu finden?<br />
Die müssen ja auch irgendwie<br />
abgestimmt sein.<br />
in einem gut funktionierenden team wird<br />
grundsätzlich offen, ehrlich und hart miteinander<br />
diskutiert, um eine Lösung zu<br />
finden und diese muss dann gut miteinander<br />
nach außen transportiert werden. Das<br />
Gegenteil davon wäre, dass man sich gegenseitig<br />
den schwarzen Peter zuschiebt,<br />
wenn eine entscheidung nicht richtig war.<br />
Scheißegal wer diesen tipp gegeben hat,<br />
wir haben als team eine Fehlentscheidung<br />
getroffen und verloren. Da darf ich mich<br />
selber nicht rausnehmen, denn ich bin ein<br />
teil dieses teams. Da kommt das „Wir“:<br />
„Wir haben heute einen Fehler gemacht,<br />
aber auch das kann passieren.“ Für ein<br />
gut funktionierendes team ist ehrlichkeit<br />
wichtig. Das heißt aber auch, dass man<br />
seine Bedenken auch einbringen darf und<br />
muss. Sonst stimmt da was nicht, und<br />
dann folgen Fehlentscheidungen. Wenn<br />
es schon so weit ist, dass der assistenzarzt<br />
angst hat, dem chefarzt was Wichtiges<br />
zu sagen, dann wird’s gefährlich. es sind<br />
die Führungsleute, die für ein gutes Klima<br />
sorgen und diese hierarchien abbauen<br />
müssen, damit jeder im team auch den<br />
mut hat, seine Ängste, Sorgen oder erkenntnisse<br />
einzubringen.<br />
Du hast weit über 800 Spiele gepfiffen.<br />
Wie beeinflusst das die eigene<br />
Sichtweise und den eigenen Lernprozess?<br />
man bekommt natürlich immer mehr routine<br />
und erfahrungen. irgendwann weißt<br />
du genau, in welcher Situation was passiert.<br />
Du wirst viel entspannter, lockerer<br />
und überlegter. Drum behaupte ich auch,<br />
dass das alterslimit von 45 in der nationalliga<br />
ein Witz ist. Die Schiedsrichter heutzutage<br />
sind konditionell topfit und haben so<br />
Urs Meier und Verleger Julien Backhaus im Interview.<br />
viel erfahrung, dass man sagt: „Wow, die<br />
kann nichts mehr erschüttern“. ich habe alles<br />
schon erlebt. Das gibt mir innere Sicherheit,<br />
die auch auf das Umfeld ausstrahlt.<br />
Die Spieler merken: „Da können wir uns<br />
aufs Fußballspielen konzentrieren, alles andere<br />
ist nicht mehr wichtig“. ich habe das<br />
immer wieder erlebt, auch bei champions<br />
League Spielen. Die Spieler waren immer<br />
froh über diese Konstellation.<br />
Das heißt durch diese Routine kann<br />
man den Umgang mit Fehlern und die<br />
Entscheidungsfindung verbessern.<br />
Ja natürlich. ich mit mir gerungen, ob ich<br />
nach der Weltmeisterschaft 20<strong>02</strong> aufhören<br />
soll. ich habe dann aber gemerkt, dass<br />
die Leidenschaft da ist und ich bin noch<br />
voll drin. also habe ich entschieden, ich<br />
mache noch bis 45 weiter. Das war gut<br />
so, denn 2004 war ich am Stärksten, vielleicht<br />
auch mit dem Wissen, es ist danach<br />
vorbei. Da fällt auch der Druck weg. ich<br />
glaube, ich hätte auch noch einige Jahre<br />
weiter pfeifen können. Dieses alterslimit<br />
sollte tatsächlich aufgebrochen werden.<br />
Bilder: ismail Gök<br />
SACHWERT MAGAZIN 2/<strong>2017</strong><br />
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