BELVAL INDUSTRIELLE UND POSTINDUSTRIELLE ...

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Der Beginn der Industrialisierung, am Ende des 19. Jahrhunderts, führte im Süden von Luxemburg zu einer starken Einwanderung, aufgrund von neu entstandenen Arbeitsplätzen in der Stahlindustrie und im Bergbau. Dies führte zu einer akuten Wohnungsnot in der südlichen Minettegegend und auch in der Hauptstadt Luxemburg selbst, welche noch bis fast zum zweiten Weltkrieg andauerte. Arbeiter wohnten in Elendsbedingungen in so genannten Mietskasernen.Teilweise übernachteten die Arbeiter im Betrieb selbst ; so teilten sich gar zwei Männer ein Bett im Schichtbetrieb. Dieser Umstand blieb in Luxemburg jedoch nicht unbeachtet. Mit der Industrialisierung wird das Thema Wohnungen in Luxemburg zum Thema öffentlicher Diskurse. Nicht nur im administrativen und bürgerlichen, gutenteils zugleich Repräsentationszwecken dienenden Städtebau der Hauptstadt Luxemburg schlugen sich die vielfältigen historischen Einflüsse nieder. Angesichts der elenden Wohnbedingungen wurde der Ruf nach „Licht, Luft und Begrünung“ laut. Dies wurde zum Leitmotiv von Ärzten, Wohnungsreformern, Architekten und Stadtplanern. DIe Wohnungen sollen hell, freundlich, hygienisch, nachhaltig und wirtschaftlich sein. Auch der Kleinwohnungsbau, über den in Deutschland im Kaiserreich besonders vehement debattiert wurde, wirkte auf Luxemburg ein. Das galt zunächst für das Konzept der Gartenstadt. Im britischen Verständnis, wie Ebenezer Howard es 1898 formulierte, sollten Arbeiten, Wohnen und Freizeit in einem harmonischen gesellschaftlichen Geflecht zusammengeführt werden. In Deutschland hatte das Konzept eine große Wirkung, der Vorsitzende der deutschen Gartenstadtgesellschaft Hans Kampffmeyer propagierte es unermüdlich landauf landab, 1911 auch in Luxemburg. Das ganzheitliche britische Konzept verkümmerte allerdings bald zur einer Planung bloßer Gartenvorstädte. Um 1910 wird das Reihenhaus optimiert und auch der Außenraum bekommt neue Qualitäten. Es enstehen zahlreiche Siedlungen in Esch sur Alzette, Düdelingen, Differdingen und in Luxemburg. Die Auftraggeber waren vorerst die Betreiber der Eisenhütten und Bergwerke und dann auch die „ Gemeinnützige anonyme Baugesellschaft“ ( „Societe Anonyme pour la Construction d`Habitations a Bon Marche“ ) und die Gemeinde Esch sur Alzette. 1911 wird Dr. Hans Kampfmeyer von der luxemburgischen Regierung eingeladen um einen Vortrag über das Thema: „Die Gartenstadtbewegung und die Bedeutung von Luxemburg „ zu halten. Dmit verbunden war eine Austellung der deutschen Gartenstadtgesellschaft, die verschiedene Modelle und Pläne von Gartenstadtsiedlungen aus anderen Ländern vorstellt. Zum gleichen Zeitpunkt baut die Gelsenkirchner Bergwerks AG ihr erste Arbeitersiedlung in Esch sur Alzette. Werksbauten der Gelsenkrichner Berwerks AG Die Bauten der Gelsenkrichner Bergwerks AG zeichneten sich durch eine hohe Wohnqualität aus. Die deutsche Gesellschft führte einen neuen Typus der Arbeiter- und Beamtenwohnungen in Luxemburg ein. Die Siedlungen unterscheiden sich im Haustyp und in der Gesamtlage von den früheren Werksidlungen in Esch sur Alzette. Das Prinzip des Einfamilienhauses wird beibehalten und der schematische Charakter der früheren Siedlungen aufgehoben. Die Gruppierungen der Häuser definieren gelichzeitig die Staßenführung. Die Straßen laufen nicht alle geradlinig, sondern gebogen und dem Gelände entsprechend. Zwei größere Arbeiteresiedlungen „Auf der Acht“ und an der „Ehrlingerstraße“ sind zwischen 1910 und 1913 nach diesem Muster ausgeführt worden. Die Häuser sind ein bis zweigeschoßig und haben unten die Stube und Küche und oben zwei Schlafzimmer. Das WC befindet sich im Vorgarten neben dem Stall, welcher zum Anbau dient. Diese Gebäude sind wegen dem Komfort begehrte Objekte jener Zeit. Die Vermietung obliegt allerdings einer strengen Regelung. Die Hausordnung und Mietbestimmung besteht aus 34 Artikeln. Die Arbeiterkolonien in Esch waren keine Gartenstädte, eher Gartenvorstädte. Es waren keine autonomen Orte mit Infrastruktur, sondern reines Wohnvierel. Auch fehlte der sozialreformerische Aspekt im Sinne der Gartenstadtbewegung, mit der Forderung nach Gemeinbesitz an Grund und Boden. In den Siedlungen herrschte eher das Gegenteil, die soziale Segretion der Arbeiter zu bewirken und sie einer ständigen Kontrolle zu unterziehen. Abb. 2 Abb. 3
1 3 4 9 5 5 2 1 Rue Renaudin, rue des Mines 2 Rue des Mineurs 3 Rue Katzenberg 4 „Ehleringer Kolonie“ 5 Kolonie „Auf der Acht“ 6 Avenue des Terres Rouges 7 Altes Schloß 8 Siedlung „Weierwues“ Werksiedlungen in Esch/Alzette 1900 - 1925 7 8 N Abb.4 Eine etwas stärkere Wirkung kam den unmittelbar über den Werkswohnungsbau vermittelten Wohnformen zu. Dazu gehörten kleine Gartenstädte wie die Ehleringer Kolonie in Esch-sur- Alzette, aber auch einfachere Wohnungen. Die Luxemburger Montanbetriebe hingen großteils von deutschem, belgischem und französischem Kapital ab, und diese Firmen brachten ihre gewohnten heimischen Arbeiterwohnungsformen mit nach Luxemburg, so in Esch besonders die Gelsenkirchener Bergwerks AG. Der Arbeiterwohnungsbau blieb, gemessen an den dringenden Bedürfnissen in den fast explosionsartig von beschaulichen Dörfern zu Industriestädten anwachsenden luxemburgischen Industriezentren wie Esch-sur-Alzette oder Dudelange, zwar verschwindend klein. „Ehleringer Kolonie“ der Gelsenkrichner Berwerks AG Dennoch stellen die von Thyssen in Lothringen oder von Gelsenberg in Luxemburg gebauten Siedlungen weitere Beispiele für den grenzüberschreitenden Transfer von Bauformen dar, der in diesem Fall weniger durch Modernisierungsgefälle als durch Kapitalstruktur und unternehmerisches Interesse an der Bindung einer Arbeiterelite an den Betrieb bewirkt wurde. Auf der Ebene der Direktorenhäuser wirkten in der Zwischenkriegszeit zudem – ihrerseits international beeinflußte – Bauformen des Luxemburger Limpertsbergs auf Industriestädtchen wie Eschsur-Alzette ein. Die Interferenzen von Urbanisierungseinflüssen erfaßten, in im einzelnen unterschiedlicher Motivation und Ausprägung, die Wohnformen aller sozialen Schichten.
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