12.12.2012 Aufrufe

LÜNEBURG AKTUELL KULTUR KUNST PORTRÄT ... - Quadrat

LÜNEBURG AKTUELL KULTUR KUNST PORTRÄT ... - Quadrat

LÜNEBURG AKTUELL KULTUR KUNST PORTRÄT ... - Quadrat

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

FOTOLIA.COM © JAVARMAN; PIXELIO.DE © MAGICPEN<br />

ALLGEMEINE BESONDERHEITEN<br />

OKTOBER 2010<br />

kolumne � quadrat 10 / 2010 03<br />

Das vergessliche Schwein<br />

Eine Freundin von mir beklagte sich neulich, dass es<br />

einfacher sei, mit drei Katzen und einem Hund eine<br />

neue Wohnung zu fi nden als mit vier Kindern, denn<br />

dann gelte man in den Augen vieler schon als asozial<br />

und für Makler als schwer vermittelbar, denn: da seien<br />

ja der Lärm und die Beschwerde schon vorprogrammiert.<br />

Die Wohnungssuche meiner Freundin und ihrer<br />

Familie zog sich schon über ein halbes Jahr hin, und<br />

alle waren derweil mit ihren Nerven am Ende.<br />

Nach einem gemeinsamen Kaffeenachmittag, wo sie<br />

mir erzürnt von ihrer Lage berichtete, ging ich, meinen<br />

Gedanken nachhängend, durch die öffentlichen Parkanlagen<br />

heimwärts. Auf der verlockend grünen Rasenfl<br />

äche verbot ein Spielverderberschild das Betreten.<br />

Bei der abendlichen Zeitungslektüre erfuhr ich, dass<br />

der gesetzlich vorgeschriebene Mindestraum pro Biolegehenne<br />

für intensive Auslaufhaltung ganze vier<br />

<strong>Quadrat</strong>meter beträgt, einen halben Meter im <strong>Quadrat</strong><br />

mehr als die „pädagogische Grundfl äche“ für ein Kind<br />

in den etwaigen Betreuungsstätten. Wer, bitte, legt<br />

denn so etwas fest? Klar, freier Raum wird immer<br />

knapper und damit teurer, aber die Welt erscheint mir<br />

doch auch immer verständnisloser, was mir die oben<br />

beschriebenen Tatsachen bestätigen. Lärmendes Toben<br />

unerwünscht, Betreten verboten und Eltern haften für<br />

ihre Kinder. Kein Verständnis für letztere, wenn sie die<br />

(Frei-) Räume der Großen stören und begrenzen – die<br />

Toleranzgrenze gestaltet sich zunehmend enger. Wie<br />

zur Bestätigung bepöbelt dann auch noch der bierbäuchige<br />

Glatzkopf von gegenüber die tobenden Nachbarskinder<br />

und fordert endlich Ruhe. Am folgenden<br />

Tag will ich mit dem Bus fahren. An der Bushaltestelle<br />

versuche ich einzusteigen, die vordere Tür schwingt<br />

auf und mir prallt lautes Kindergebrüll entgegen. Ich<br />

suche mir einen Platz im überfüllt stickigen Fahrgastraum<br />

und meine Gedanken kreisen um die gestrigen<br />

Erkenntnisse. Beim Versuch, quengelndes Kind nebst<br />

schimpfender Mutter zu ignorieren, versage ich kläglich.<br />

Ganz anders der Mitvierziger im Maßanzug neben<br />

mir: Der entblödet sich tatsächlich, die Mutter zu fragen,<br />

ob es den kleinen Terroristen auch in leise gäbe<br />

und wo es denn seinen „Aus-Knopf“ hätte. Unglaublicherweise<br />

protestierte niemand ob der verbalen<br />

Frechheiten dieses männlichen Vollpfostens. Ich lasse<br />

es mir zwar nicht nehmen, ihm in der nächsten Kurve<br />

ungeschickterweise meinen Ellbogen in die Nieren zu<br />

rammen, aber die Worte, die mir auf der Zunge liegen,<br />

fi nden ihren Weg nicht über meine Lippen. Entnervt<br />

steigen Schnösel und gestresste Mutter nebst Nachwuchs<br />

an der nächsten Haltestelle aus. Notgedrungen,<br />

um den Verkehr nicht weiter zu behindern, hilft er<br />

beim Ausladen des Kinderwagens. Schadenfroh beobachte<br />

ich, wie der neu ernannte kleine „Terrorist“<br />

zum Abschied die Schöße seines Designer-Jacketts<br />

geschickt mit einer Rotzbombe verziert. Geschieht ihm<br />

recht, wer auf Kinder so verständnislos und kaltschnäuzig<br />

reagiert, den führt das Leben manchmal<br />

einer gerechten Bestrafung zu, und schmunzelnd erinnere<br />

ich mich an den verständnisvollen Kommentar<br />

meines Vaters: Ein Schwein sollte nie vergessen, dass<br />

es auch mal ein Ferkel war.<br />

In diesem Sinne – ärgern Sie sich leise und<br />

wundern Sie sich laut,

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!