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Das kostenlose Hochschulmagazin von Seezeit

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campuls<br />

Das kostenlose Hochschulmagazin von Seezeit<br />

Von Studierenden für alle: Einpacken, liebhaben, weitersagen.<br />

Ausgabe Sommersemester 2017/1<br />

»Aufgrund von<br />

§ 9 i.V.m. § 11 der Gaststättenverordnung<br />

für Baden-Württemberg i.d.F. vom<br />

18.02.1991 (GBl. S. 195), zuletzt<br />

geändert durch Verordnung vom 10.11.2009 (GBl. S. 671),<br />

und § 18 des Gaststättengesetzes i.d.F. vom<br />

20.11.1998 (BGBl.I, S. 3419), zuletzt geändert durch Artikel<br />

10 des Gesetzes vom 07.09.2007 (BGBl. I S. 2246)<br />

i.V.m. dem Landesgaststättengesetz vom<br />

10.11.2009 (GBl. Nr. 19, S. 628) erlässt<br />

der Gemeinderat der Stadt Konstanz<br />

am 25.06.2015<br />

folgende<br />

Rechtsverordnung:«<br />

S. 08<br />

Konstanz:<br />

Studentenstadt?!<br />

– Ein Doppelinterview<br />

mit<br />

dem Konstanzer<br />

OB und dem<br />

Co-Vorsitzenden<br />

des AStA<br />

S. 16<br />

Zurück in die<br />

Uni-Steinzeit?!<br />

– Urheberrechtsstreit<br />

der Unis<br />

mit der VG Wort<br />

S. 28<br />

Das Schnetztorstüble<br />

in Konstanz<br />

– Die <strong>Campuls</strong><br />

blickt für euch<br />

hinter die Kulissen<br />

einer Kultkneipe


2<br />

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Am besten gleich kostenfrei anmelden und<br />

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Kontakt für Anzeigen:<br />

Marina Filipczyk<br />

marina.filipczyk@seezeit.com<br />

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3<br />

Editorial<br />

T: Helmut Baumgartl T: Marc-Julien Heinsch<br />

Liebe Studierende, liebe Konstanzerinnen<br />

und Konstanzer,<br />

„inmitten der Schwierigkeiten liegt die<br />

Möglichkeit“ sagte einst Albert Einstein. Und<br />

natürlich gibt es Schwierigkeiten, wenn in<br />

einer Stadt unterschiedliche Lebenswelten,<br />

Bedürfnisse und Wünsche aufeinandertreffen<br />

– von Studierenden und Alteingesessenen,<br />

jungen Familien und Touristen, Berufstätigen<br />

und Senioren, Schülern und Einzelhändlern,<br />

Gastronomen und sozial Benachteiligten.<br />

Doch inmitten der Schwierigkeiten liegt auch<br />

die Möglichkeit, voneinander zu profitieren und<br />

sich gemeinsam für ein lebendiges und vielfältiges<br />

Konstanz einzusetzen.<br />

Ein gutes Beispiel ist unser Programm<br />

„Wohnen für Hilfe“: Konstanzer Bürgerinnen und<br />

Bürger bieten jungen Menschen bezahlbaren<br />

Wohnraum an und erhalten im Gegenzug Unterstützung<br />

im Alltag. Mit unseren 13 Wohnanlagen<br />

in ganz Konstanz bieten wir Studierenden<br />

darüber hinaus 2.355 bezahlbare Zimmer.<br />

Gleichzeitig ist Seezeit einer der größten<br />

Gastronomiebetriebe am Bodensee: In unseren<br />

Mensen bereiten wir jedes Jahr rund eine<br />

Million Mahlzeiten zu. Dabei können wir uns<br />

noch so sehr anstrengen: Wir schreiben im<br />

Mensabereich immer rote Zahlen, beim Wohnen<br />

gerade so die berühmte schwarze Null. Wie<br />

übrigens jedes Studierendenwerk in Deutschland.<br />

Deshalb sind wir auf Semesterbeiträge<br />

und zusätzliche Mittel vom Land angewiesen.<br />

Doch das Wirtschaften ohne Gewinnerzielungsabsicht<br />

ermöglicht es uns, einen wichtigen<br />

Beitrag zur „Studentenstadt“ Konstanz zu<br />

leisten: In einer attraktiven und somit auch<br />

teuren Stadt<br />

unterstützen wir Studierende mit bezahlbarem<br />

Wohnraum, günstigen Mahlzeiten und einem<br />

umfassenden Beratungs- und Betreuungsangebot.<br />

Wir alle, Studierende, Bürger/innen,<br />

Hochschulen und Seezeit, hängen wie in einem<br />

großen Räderwerk zusammen und brauchen uns<br />

gegenseitig bei unserer Aufgabenerfüllung. Sie<br />

können uns enorm dabei helfen. Geben Sie uns<br />

ein ehrliches Feedback, damit wir stets besser<br />

werden können. Oder werden Sie Teil von<br />

Seezeit und tragen Sie als eine/r von mehr als<br />

200 Mitarbeiter/innen dazu bei, die Studierendenwelt<br />

zu verbessern! Wir freuen uns,<br />

zusammen mit den Studierenden ein großes<br />

Zahnräderpaar in Konstanz zu sein und gemeinsam<br />

diese tolle Stadt weiter zu prägen.<br />

Liebe Leser,<br />

in Konstanz existieren zwei Welten. So<br />

zumindest mein Eindruck nach bald vier Jahren<br />

in der Gegend.<br />

Die eine Welt ist die der zugezogenen<br />

Universitätsangehörigen. Die andere die der<br />

alteingesessenen Konschdanzer. Diese beiden<br />

Welten führen eine Parallelexistenz. Das ist<br />

zum einen wohl durch die relativ junge<br />

Universität am Bodensee zu erklären, die ihr<br />

abgeschiedenes Dasein auf dem Gießberg<br />

fristet. Zum anderen aber mit den Bologna-<br />

Reformen. Bachelor in drei Jahren Regelstudienzeit,<br />

davon noch ein Semester im<br />

europäischen Ausland und dann ab nach Berlin<br />

oder Hamburg. Da bleibt Konstanz oft nur der<br />

Charakter des akademischen Sprungbretts<br />

mit Alpenpanorama. In der knapp bemessenen<br />

Zeit der meisten Bachelorstudenten bleibt bei<br />

Seminaren, Hochschulgruppen, Sport und Nebenjob<br />

nur in seltenen Fällen noch Zeit für<br />

Engagement in den politischen Prozessen der<br />

Stadt. Auf der anderen Seite steht die Stadt<br />

Konstanz, die durch Schweizer Einkaufs- und<br />

zahlreiche weitere Touristen eine weitaus<br />

zahlungskräftigere<br />

Klientel zu bedienen hat als die<br />

Studenten an Uni und HTWG.<br />

Täuscht mein Eindruck oder muss sich etwas<br />

ändern in der Universitätsstadt Konstanz?<br />

Darüber diskutieren wir in dieser Ausgabe mit<br />

Oberbürgermeister Uli Burchardt und Marco<br />

Radojevic, der beim AStA und der Linken aktiv<br />

ist. Dazu gibt es die wichtigsten Fakten zum<br />

Biberbefall in Konstanz, wir werfen wieder<br />

einen Blick in den Elfenbeinturm der Forschung<br />

und schauen, was die Region in Sachen<br />

Upcycling zu bieten hat. Und das ist noch lang<br />

nicht alles, poliert also schon mal eure<br />

Monokel und viel Spaß bei der Lektüre.<br />

Im Namen der ganzen <strong>Campuls</strong>redaktion,<br />

Euer Marc-Julien Heinsch<br />

Ihr Helmut Baumgartl<br />

Geschäftsführer Seezeit<br />

Studierendenwerk Bodensee


4<br />

Die Redaktion dieser Ausgabe<br />

: Nicolai Eckert: Redakteur & Fotograf<br />

: Theresa Gielnik: Fotografin<br />

: Ilka Glückselig: Redakteurin<br />

: Marc-Julien Heinsch: Chefredakteur<br />

: Phillip Horch: Redakteur<br />

: Julia Horn: Redakteurin<br />

: Victoria Jung: Gestalterin & Fotografin<br />

: Laura Kerling: Redakteurin<br />

: Julia Kohushölter: stellv. Chefredakteurin<br />

: Maja Lisewski: Redakteurin<br />

: Felix Lorenz: Redakteur<br />

: Lea Luttenberger: Redakteurin<br />

: Alisa Ritter: Redakteurin<br />

: Lena Teetz: Lektorin<br />

: Caroline Weigele: Illustratorin<br />

: Arne Wylezol: Fotograf<br />

Impressum<br />

Legende<br />

Herausgeber<br />

Seezeit Studierendenwerk Bodensee<br />

Jochen Mink<br />

T: Text<br />

F: Foto<br />

I: Illustration<br />

Kontakt<br />

Seezeit Studierendenwerk Bodensee<br />

Universitätsstraße 10<br />

78464 Konstanz<br />

campuls@seezeit.com<br />

www.seezeit.com/campuls<br />

Facebook<br />

SeezeitStudierendenwerk-<br />

Bodensee<br />

Chefredakteur V.I.S.d.P<br />

Marc-Julien Heinsch<br />

Anzeigen<br />

Marina Filipczyk<br />

marina.filipczyk@seezeit.com<br />

Art Direction und Layout<br />

Victoria Jung<br />

www.victoriajung.de<br />

mail@victoriajung.de<br />

Cover<br />

„Die Sperrzeitverordnung“ von<br />

Caroline Weigele und Victoria Jung<br />

in Bezug zu www.konstanz.de/<br />

rathaus/02168/02218/02220/index.html<br />

Schrift<br />

Prophet Medium<br />

Suisse<br />

Druck<br />

Druckerei Fabian GmbH<br />

Richtigstellung<br />

Der Artikel der letzten<br />

Ausgabe auf Seite<br />

28 zum Horstklub wurde<br />

fälschlicherweise<br />

Julia Kohushölter<br />

zugeschrieben.<br />

Tatsächlich hat ihn unser<br />

Autor Phillip Horch<br />

geschrieben.<br />

Wir bitten die Fehlinformation<br />

zu entschuldigen.


5<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

Einleitung<br />

Seezeit informiert<br />

03<br />

04<br />

06<br />

Editorial<br />

Redaktion, Impressum & Inhaltsverzeichnis<br />

Die Statistik: Neue Mitbewohner am See<br />

20<br />

21<br />

Seezeit-Jobs:<br />

Strandbar-Staff gesucht<br />

Kleine Gesten in großen Angelegenheiten:<br />

Nachhaltiger Kaffee bei Seezeit<br />

Politik<br />

23<br />

Finanzielle Fördermöglichkeiten<br />

von Seezeit: Wenn’s mal wieder brennt<br />

07<br />

08<br />

Einem -ismus auf der Spur: Pluralismus<br />

Konstanz – Studentenstadt?!<br />

Ein Doppelinterview mit Uli Burchardt<br />

und Marco Radojevic<br />

23<br />

UniCard: Alles, was man zum Studieren<br />

braucht, in einer Karte<br />

Kultur<br />

14<br />

16<br />

18<br />

Hochschulleben<br />

Ein Blick in den Elfenbeinturm:<br />

Durch das Smartphone vereint?<br />

Unis gegen VG Wort:<br />

von einem Vertrag, den keiner will<br />

Protest oder Politikverdrossenheit?<br />

-Zwei Ansichten<br />

24<br />

25<br />

28<br />

30<br />

Tipp-Seite von Julia Horn<br />

Upcycling-Projekte rund um Konstanz<br />

Gesichter sehen, Menschen kennen:<br />

das Schnetztorstüble<br />

Schluss<br />

Kolumne von Marc-Julien Heinsch<br />

ZGH 0088/45 · 09/16 · Foto: peterheck.de<br />

Der AOK-Studenten-Service.<br />

Wir machen Sie rundum fit für den Campus: nicht nur in Fragen der Gesundheit, sondern<br />

auch mit kostenlosen Online-Vorträgen, E-Books und zahlreichen nützlichen Tipps für den<br />

Hochschulalltag. Mehr dazu unter bw.aok-on.de/studierende<br />

AOK – Die Gesundheitskasse Hochrhein-Bodensee<br />

Studenten-Service · Inselgasse 30 · 78462 Konstanz<br />

AOK Baden-Württemberg


6<br />

Die Statistik: Neue Mitbewohner am See<br />

T: Ilka Glückselig I: Caroline Weigele<br />

Neuer Mitbewohner am See: Dieses Mal<br />

beschäftigt sich die Statistik mit Fakten<br />

rund um den Biber, der nach Jahren der<br />

Abwesenheit wieder nach Konstanz<br />

zurückkehrt.<br />

Ein ausgewachsener<br />

Biber wiegt<br />

zwischen<br />

20 und 35 kg<br />

und<br />

erreicht eine Länge<br />

von<br />

70-100 cm.<br />

2008<br />

lebten insgesamt ca.<br />

1.000<br />

Biber in Baden-Württemberg.<br />

2017<br />

sind es rund<br />

3.500<br />

und damit mehr als<br />

dreimal so viele Tiere.<br />

Fast<br />

130 Jahre<br />

lang war der Biber in<br />

Baden-Württemberg<br />

ausgerottet<br />

– seit ca.<br />

30 Jahren<br />

kehrt er über die<br />

Schweiz und Bayern zurück und<br />

seit etwa<br />

fünf bis acht Jahren<br />

lebt er nun auch wieder in<br />

Konstanz.<br />

Die<br />

vier Schneidezähne<br />

eines ausgewachsenen Bibers<br />

haben eine Länge von<br />

30-35 mm.<br />

Biber benötigen für ihre<br />

Ansiedlung eine Uferlänge von<br />

mindestens einem Kilometer.<br />

Im Konstanzer Raum lässt<br />

sich der Nager vor allem im<br />

Wollmatinger Ried<br />

und im Tägermoos nieder.<br />

Bäume mit einem<br />

Durchmesser von<br />

bis zu<br />

einem Meter<br />

können von dem<br />

Biber gefällt<br />

werden.<br />

Vor allem Landwirte haben<br />

ihre Konflikte mit den<br />

Bibern,die durch den Bau<br />

von Dämmen häufig Wasserschäden<br />

anrichten.<br />

Bis 2018<br />

soll deshalb ein<br />

Bibermanagement-Plan<br />

für Baden-Württemberg<br />

ausgearbeitet werden mit<br />

längerfristigen Maßnahmen<br />

zum Umgang mit den Nagern.


7<br />

Einem -ismus auf der Spur: Pluralismus<br />

T: Lea Luttenberger I: Caroline Weigele<br />

„Spieglein, Spieglein an der Wand,<br />

wer ist der schönste Mensch im<br />

ganzen Land?“ Pluralismus ist, wenn<br />

der Schneewittchen-Spiegel in<br />

Deutschland nicht nur weiße,<br />

christliche (oder atheistische),<br />

heterosexuelle Menschen zeigt. Wir<br />

leben in einer Gesellschaft im<br />

Wandel, in der Kulturen sich<br />

vermischen, Lebensläufe flexibler<br />

werden, unterschiedliche Meinungen,<br />

Wünsche und Ziele Seite an<br />

Seite leben. Pluralismus ist eines der<br />

Geschenke der Demokratie an uns<br />

und kann nur aufgrund herrschender<br />

Menschenrechte wie Meinungsfreiheit<br />

und Gleichberechtigung<br />

funktionieren. Soweit die Definition.<br />

Politik<br />

Risiken und Nebenwirkungen? Dieses Bild einer pluralistischen<br />

Gesellschaft bleibt leider doch vielfach nur ein<br />

Märchen, eine politische Theorie.<br />

Laut der Bundeszentrale für politische<br />

Bildung (BPB) führt Pluralismus notwendigerweise<br />

zu Konflikten.<br />

Weshalb das wohl so ist – notwendigerweise? Ich werde<br />

gewarnt vor Entwurzelung und Kulturverlust, wenn plötzlich<br />

zu viele Menschen mit anderen Gedanken, Wünschen und<br />

Vorlieben kommen. Ist mir sonnenklar, dass ich Angst vor<br />

anderen Meinungen haben muss, die mir meine Sicherheit<br />

und Mehrheit rauben. Woher weiß ich denn noch, was richtig<br />

und was falsch ist, wenn ich dafür nicht mehr von allen<br />

Seiten Bestätigung bekomme? Wie soll ich mich verhalten,<br />

wenn ich ein Argument bringe und mir jemand widerspricht<br />

und ich mich dann plötzlich rechtfertigen muss? Dabei hatte<br />

ich doch alles schon zu Ende gedacht. Da muss ich mich ja<br />

verteidigen. Ein Kausalschluss: Pluralismus führt zu Konflikten,<br />

denn, wem widersprochen wird, der fühlt sich<br />

persönlich angegriffen. Aus Angst vor dem Unbekannten?<br />

Schuld an diesen Konflikten bin selbstverständlich nicht ich<br />

selbst, sondern diese Anderen, Unbekannten, die mich mit<br />

ihren eigenen Gedanken aus meinem sicheren Nest vertreiben.<br />

Ich weiß wovon ich spreche, denn diese Anderen „sind<br />

nicht alle gleich, doch fast alle gewaltbereit“, um den<br />

deutschen Rapper Alligatoah zu zitieren. Noch ein Kausalschluss:<br />

Je mehr Diversität, desto mehr solcher Verallgemeinerungen<br />

und desto mehr Konflikte folgen – aus Unwissenheit<br />

und Bequemlichkeit. Pluralismus ist auch die Aufgabe,<br />

sich die Zeit zu nehmen, Menschen einzeln statt in Gruppen<br />

kennenzulernen.<br />

Statt zu entwurzeln und Konflikte zu fördern könnte<br />

Pluralismus doch auch festigen in den Meinungen, die man<br />

hat und Kompromisse schaffen. Oder nicht? Entwicklung<br />

kann nur aus Veränderung folgen, Erkenntnis nur durch<br />

Inspiration: Auch das zu hinterfragen, was absolut scheint,<br />

ist notwendig, um voranzukommen und nicht in der Vergangenheit<br />

stecken zu bleiben. Es mag unbequem sein, sich<br />

einzugestehen, dass die eigenen Gedanken und Überzeugungen<br />

manchmal doch nicht die einzig wahren sind. Es mag<br />

unbequem sein, nicht der Mittelpunkt der Aufmerksamkeit<br />

zu sein.<br />

Pluralismus ist eine neue Herausforderung für die<br />

Gesellschaft, die jedoch zu einer Chance werden kann, an<br />

sich selbst zu wachsen. Dafür müssen wir nur lernen, uns als<br />

einen kleinen Teil eines großen Ganzen zu begreifen. Es<br />

dreht sich nicht nur um uns, sondern auch um Andere. Wir<br />

können nicht alle der tollste und wichtigste Mensch im Land<br />

sein. Das zu erkennen ist vielleicht nicht angenehm, aber es<br />

kann doch auch bereichernd sein: Denn dann können wir<br />

nicht nur uns selbst, sondern auch Andere im Spiegel an der<br />

Wand sehen, der uns zeigt, wer alles toll und wichtig ist.


8<br />

„Die Stadt wäre eine andere,<br />

wenn es die Hochschulen nicht gäbe.“<br />

Oberbürgermeister Ulrich „Uli“<br />

Burchardt und der stellvertretende<br />

Vorsitzende des AStA,<br />

Marco Radojevic, diskutieren<br />

im Gespräch mit CAMPULS,<br />

was Konstanz seinen Studierenden<br />

bietet. Wo gibt es<br />

Handlungsbedarf, wohin<br />

strebt die Stadt?<br />

Ist Konstanz aus Ihrer Sicht<br />

eine „Studentenstadt“?<br />

Burchardt: Absolut. Konstanz hat<br />

rund 65.000 Wahlberechtigte und etwa<br />

17.000 Studierende. Das heißt, fast ein<br />

Drittel der Wahlberechtigten sind<br />

Studierende.<br />

Und das allein zeichnet für Sie<br />

eine „Studentenstadt“ aus?<br />

Burchardt: Nein, nicht das allein.<br />

Aber es zeigt: Das muss eine Studentenstadt<br />

sein. Was zeichnet eine Studentenstadt<br />

aus? Nun – dass ständig viele<br />

junge Leute dazukommen, aber auch<br />

gehen. Dass also eine hohe Fluktuation<br />

besteht. Eine interessante Zahl, die ich<br />

im Kopf habe, sind die 50 Prozent der<br />

stellv. Vorsitzender des AStA, Marco Radojevic<br />

Konstanzer Bevölkerung, die bei der<br />

OB-Wahl 2012 keinen anderen Oberbürgermeister<br />

als meinen Vorgänger, Horst<br />

Frank, kannten…<br />

… Horst Frank, Ihr Amtsvorgänger<br />

von den Grünen, war von 1996 bis 2012<br />

im Amt…<br />

Burchardt: Das heißt also, dass die<br />

Hälfte der Bevölkerung entweder<br />

jünger als 16 war oder in den letzten 16<br />

Jahren nach Konstanz kam. Und das ist<br />

natürlich etwas, das eine Stadt enorm<br />

prägt. Auch wenn das in der Innenansicht<br />

viele nicht sehen, weil sie denken,<br />

da lebt der alte Konstanzer Klüngel. Die<br />

Stadt wäre eine andere, wenn es die<br />

Hochschulen nicht gäbe.<br />

Radojevic: Ich denke, es wäre<br />

verfehlt, zu sagen, Konstanz sei keine<br />

Studentenstadt. Hier leben sehr viele<br />

Studierende und die prägen in Teilen die<br />

Stadtgesellschaft. Versteht man unter<br />

„Studentenstadt“ aber mehr als die<br />

bloße Anwesenheit einer gewissen Zahl<br />

an Studierenden, also die intensive<br />

Durchdringung des Stadtlebens durch<br />

die Hochschulen, dann fällt im Vergleich<br />

zu klassischen Universitätsstandorten<br />

wie Freiburg, Heidelberg oder Tübingen<br />

auf, dass es hier deutlich weniger<br />

originäre studentische Kultur gibt. Das<br />

mag daran liegen, dass die Universität<br />

Konstanz eine verhältnismäßig junge<br />

Universität ist…<br />

… die Universität Konstanz wurde<br />

1966 als Reformuniversität gegründet, die<br />

Uni Heidelberg beispielsweise 1386…<br />

Radojevic: Klassische studentische<br />

Kneipen sind in diesen Städten teilweise<br />

über Jahrhunderte etabliert. Hier gibt es<br />

zahlreiche tolle Weinstuben. Die sind<br />

aber nun eher Teile der klassischen<br />

Konstanzer Bürgerkultur. Schaut man<br />

sich die Etablissements an, in die man<br />

abends geht und weiß, dass man dort<br />

mehrheitlich auf Studierende trifft, dann<br />

sieht die Zahl schon wesentlich geringer<br />

aus. Ich sehe Konstanz in diesem Sinne<br />

noch eher als eine „Studenten-Entwicklungsstadt“.<br />

Aber da kann man in den<br />

nächsten Jahrzehnten sicher noch<br />

einiges verwirklichen.<br />

Je länger man hier in Konstanz<br />

lebt, desto mehr verfestigt<br />

sich der Eindruck, dass<br />

alteingesessene Konstanzer<br />

und Studierende in großen<br />

Teilen eher eine Parallelexistenz<br />

als ein Zusammenleben<br />

fristen. Viele Studierende<br />

haben den Eindruck, dass sich<br />

die Stadt zu wenig um sie<br />

kümmert. Teilen Sie diesen<br />

Eindruck?<br />

Burchhardt: Ich war oft an der Uni<br />

und habe das Gespräch gesucht. Im<br />

Grunde wurde immer dasselbe gesagt.<br />

Konstanz kann nicht das gleiche sein<br />

wie Heidelberg, wo eine Uni seit<br />

Jahrhunderten die Stadt prägt. In<br />

Konstanz wurde die Uni als Campus-Uni<br />

außerhalb der Stadt gegründet.<br />

Dabei hat man sich etwas gedacht. Auch<br />

viel Richtiges. Wir wollen es anders<br />

machen, wir schaffen die Institute ab<br />

und verringern die unbändige Macht der<br />

Professoren. Es gibt hier auch kaum<br />

Verbindungen, die in anderen Städten<br />

ganze Stadtviertel prägen. Das ist hier<br />

völlig anders. Die Kehrseite ist aber<br />

eben die räumliche Entfernung. Es gibt<br />

ein Leben an der Uni und ein Leben in<br />

der Stadt. Für die HTWG gilt das<br />

natürlich nicht. Da ist gefühlt also eine<br />

Distanz.<br />

Und was entgegnen Sie dem<br />

Gefühl, nicht genügend<br />

beachtet zu werden?<br />

Burchardt: Diese Wahrnehmung ist<br />

definitiv nicht gerechtfertigt. Wir<br />

kümmern uns von Wohnbau über Busse


9<br />

T: Marc-Julien Heinsch und Julia Kohushölter<br />

F: Nicolai Eckert<br />

Bürgermeister Ulrich Burchhardt<br />

Politik<br />

bis zum kulturellen Angebot um die<br />

Studis und versuchen, das Richtige zu<br />

tun. Wir, damit meine ich Verwaltung<br />

und Gemeinderat, versuchen, das zu<br />

tun. Wenn ich von Studierendenseite<br />

diesen Vorwurf höre, dann kommt von<br />

mir die unbequeme Standardantwort:<br />

Dann geht in die Politik. Wenn es<br />

politischen Handlungsbedarf gibt,<br />

organisiert euch, macht eine Liste und<br />

lasst euch aufstellen. Dann habt ihr eine<br />

Chance, eine wirklich einflussreiche<br />

Fraktion im Gemeinderat zu stellen.<br />

Wenn die Studis entgegnen, dass sie<br />

dafür keine Zeit hätten, dann kann ich<br />

das leider nicht akzeptieren. Die Zeit<br />

für dieses politische Engagement<br />

schneidet sich jeder aus den Rippen.<br />

Wenn Sie 2020 wieder<br />

OB-Wahlkampf machen,<br />

rechnen Sie dann überhaupt<br />

mit der Wählergruppe der<br />

Studierenden? Oder glauben<br />

Sie, dass die ihre potenzielle<br />

politische Macht nicht<br />

ausspielen werden?<br />

Burchardt: Ich habe mich schon<br />

beim letzten Wahlkampf an die Studierenden<br />

gewandt und werde das, so die<br />

Konstanzer wollen, in einem kommenden<br />

Wahlkampf wieder tun. Ich denke,<br />

dass ich aufgrund meines Hintergrundes,<br />

meines Charakters und meines<br />

Alters guten Kontakt zur Lebenswirklichkeit<br />

der Studis habe. Ich bin in<br />

gutem und ständigem Austausch mit<br />

den Hochschulen. Ich weiß, dass ich<br />

nicht jeden Wunsch erfüllen kann. Ich<br />

denke aber, eines habe ich versprochen<br />

und auch gehalten. Und zwar: Wir<br />

kümmern uns, wo wir können und sind<br />

jederzeit ansprechbar.<br />

Aber ist es eine Wählergruppe,<br />

die Sie als entscheidend für<br />

Ihre Wiederwahl ansehen?<br />

Burchardt: So taktisch denke ich<br />

nicht. Es sind 17.000 Menschen, die in<br />

dieser Stadt leben, ja. Aber die Studierenden<br />

sind keine homogene Gruppe.<br />

Auch sie bestehen aus vielen verschiedenen<br />

Gruppen. Viele interessieren sich<br />

auch gar nicht für Kommunalpolitik,<br />

weil sie eben nur drei Jahre hierbleiben.<br />

Radojevic: Für mich war es sehr<br />

glücklich, dass ich 2012 nach Konstanz<br />

kam und direkt die OB-Wahl mit ihren<br />

unterschiedlichen politischen Angeboten<br />

mitbekam. Aufgrund von acht Jahren<br />

Amtszeit bekommen Generationen von<br />

Studis eine OB-Wahl gar nicht mit. Das<br />

Problem, wenn Herr Burchardt dazu<br />

aufruft, dass sich Studis engagieren<br />

sollen, ist für mich die Strukturierung<br />

unserer Studiengänge. Wahlrechtlich ist<br />

es schwierig, sich als Studierender in den<br />

Gemeinderat wählen zu lassen. Aufgrund<br />

der Ortsgebundenheit nimmt man damit<br />

nämlich in Kauf, nie ein Erasmus oder ein<br />

Praktikum außerhalb von Konstanz<br />

machen zu können. Das ist ein Problem,<br />

wofür das Wahlrecht und nicht die Stadt<br />

Konstanz zuständig ist. Aber ich denke,<br />

es erklärt, warum kaum Studis im<br />

Gemeinderat sitzen. Und damit gehen<br />

originär studentische Interessen in Teilen<br />

eben unter.<br />

Burchardt: Wenn Sie eine Initiative<br />

zur Änderung des Wahlrechts starten,<br />

unterschreibe ich Ihnen die. Daran darf<br />

es nicht scheitern.<br />

Radojevic: Ja, allerdings sind das<br />

sehr langfristige Prozesse, die weit unten<br />

auf der landespolitischen Agenda<br />

stehen. Konstanz wird aber auch nicht<br />

primär mit seiner Universität verbunden.<br />

Zuerst denkt man an den Bodensee und<br />

„Da ist es schön“. Dann gibt es die<br />

konkreten Probleme wie Mietpreise,<br />

Wohnraum und Sperrstunde in einer<br />

Studentenstadt, die in meinen Augen<br />

nicht gelöst sind und der Zuschreibung<br />

„Studentenstadt“ entgegenwirken. Da<br />

könnte die Stadt mehr tun. Die Stadt<br />

müsste sich ein klareres Profil als<br />

Universitätsstadt geben. Ich glaube, dass<br />

Konstanz da ein Stück weit janusköpfig<br />

ist. Zum einen Tourismusstadt, zum<br />

anderen Einkaufsstadt, Wirtschaftsstandort<br />

und dann noch Wohnort. Zwischen<br />

diesen Rollen gibt es Konflikte und ich<br />

habe das Gefühl, dass diese Konflikte oft<br />

zu Ungunsten der Universitätsstadt<br />

ausgehen.


10


11<br />

Politik<br />

Burchardt: Natürlich gehen alle Prozesse immer wieder<br />

zu Ungunsten irgendeiner bestimmten Gruppe aus. Konstanz<br />

ist auf dem Sprung zur Großstadt. Dieser Prozess ist für eine<br />

Stadt schwieriger als wenn sie von 180.000 auf 200.000<br />

Einwohner wächst. Es beginnen Urbanität und Anonymität<br />

zu entstehen und es beginnen sich große Einflussgruppen zu<br />

bilden. Janusköpfigkeit finde ich da einen zu negativen<br />

Begriff. Vielmehr muss eine Stadt wie Konstanz eben sehr<br />

viel können. Da sind die Studierenden, da ist das Konstanzer<br />

Bürgertum, Leute, die soziale Schwierigkeiten haben, Leute,<br />

die hier leben, aber in der Schweiz arbeiten und auch Leute,<br />

die hier arbeiten, aber keine Wohnung finden und deshalb<br />

pendeln. Und die alle müssen wir mitnehmen. Nehmen wir<br />

nun die Sperrstunde als Beispiel. Ich gestehe jedem zu, dass<br />

er die ganze Nacht feiert. Find ich cool, wäre ich am liebsten<br />

dabei. Aber städtebaulich verfolgen wir das Ideal einer<br />

europäischen Stadt mit einer lebendigen Innenstadt. In<br />

jedem Quartier soll sowohl gelebt, als auch Geld verdient<br />

werden und beide Interessen sollen vereinbar sein. Es sollen<br />

Reiche, Arme, Studis und Asylbewerber vermischt werden.<br />

Wir wollen keine Quartiere für die einen und für die anderen.<br />

Es stehen bei der Sperrstunde also das legitime Interesse<br />

Party gegen das legitime Interesse Ruhe für Anwohner.<br />

Deshalb gibt es keine politische Mehrheit, die ganze Stadt<br />

sperrstundenfrei zu machen.<br />

Wie würden Sie die Situation im Stadtkern denn<br />

aktuell beschreiben?<br />

Burchardt: Party ist rechtsrheinisch, Fachwerk, Weinstube<br />

und Einkaufen sind linksrheinisch.<br />

Aber das ist doch gerade nicht durchmischt.<br />

Burchardt: Doch. Linksrheinisch wohnen 20.000 Menschen<br />

aus allen Schichten. Diese Mischung wollen wir. So<br />

lebt die Stadt.<br />

Radojevic: Die Konflikte auf rechtsrheinischer Seite, die sie<br />

durch den Partycharakter hat, könnte man aber doch gerade<br />

dadurch entschärfen, dass man die Regelung in der Altstadt<br />

lockert. Gerade am Wochenende. Unter der Woche bin ich mit<br />

Ihnen einig, dass man da nicht bis fünf Uhr morgens unterwegs<br />

sein kann.<br />

Burchardt: Das unterscheidet sich eben auch nach<br />

Lebensphasen und weniger nach Gruppen. Wer in der<br />

Fußgängerzone wohnt und studiert, hat eben noch kein<br />

Problem mit nächtlichen Kneipengängern. Dann ist das<br />

Studium vorbei, man ist berufstätig und das erste Kind<br />

kommt und plötzlich ist nächtlicher Lärm ein großes<br />

Ärgernis.<br />

Wie sehen Sie die langfristige Perspektive für<br />

Studierende in Konstanz? Will man sie nach dem<br />

Studium überhaupt hier halten oder muss man sich<br />

mit dem Sprungbrettcharakter der Stadt abfinden?<br />

Burchardt: Diese Frage dreht sich vor allem um Arbeitsplätze.<br />

Wir müssen besser darin werden, einen Teil davon zu<br />

binden, was hier an Potenzial und Engagement mit den<br />

Studierenden reinkommt. Wirtschaftsmäßig haben wir<br />

einige „Hidden Champions“, 4.200 Unternehmen und so<br />

viele sozialversicherungspflichtig Beschäftige wie noch nie.<br />

Aber wir müssen als Stadt weiter versuchen, die Region um<br />

Konstanz, die Metropolregion Zürich, Friedrichshafen und<br />

so weiter zu vernetzen. Es soll eine Region sein, in der es<br />

zukunfts- und arbeitsmäßig viel gibt. Ich kann Ihnen sagen,<br />

dass die Digitalwirtschaft händeringend nach Arbeitskräften<br />

sucht. Wir haben hier keinen Arbeitsstellenmangel, wir<br />

haben Vollbeschäftigung.<br />

Radojevic: Ich denke man wird nicht verhindern können,<br />

dass ein gewisser Teil der Hochschulabsolventen die Stadt<br />

wieder verlässt. Die Frage ist, bietet die Stadt dann aber jungen<br />

Familien und Menschen zwischen 30 und 40 genug? Und diese<br />

Frage beantworten viele mit nein. Klar gibt es das Handlungsprogramm<br />

Wohnen, aber für mein Empfinden hätte dieses<br />

Programm auch sechs oder sieben Jahre früher gut getan.<br />

Bis 2030 sollen durch das Handlungsprogramm<br />

5.300 bezahlbare Wohnungen entstehen. Für junge<br />

Familien ist das aber noch sehr weit hin. In der<br />

Altersgruppe der 30- bis 40-jährigen verlassen<br />

aktuell mehr Menschen Konstanz als hierher ziehen.<br />

Radojevic: Warum – das muss man allerdings Herrn<br />

Burchardts Vorgänger fragen – wurde das Programm nicht<br />

früher aufgelegt, wenn die Stadt durch die Hochschulen<br />

boomt?<br />

Nicht nur gibt es kurzfristig zu wenig Wohnraum.<br />

Oftmals ist bestehender Wohnraum auch einfach zu<br />

teuer oder steht als Ferien- oder Zweitwohnung<br />

nicht als Wohnraum zur Verfügung.<br />

Burchardt: Wir als Stadt haben uns klar positioniert zum<br />

Thema Zweitwohnungen, Zweckentfremdung und Mietpreisbremse.<br />

Aber wir sind ein freies Land mit starkem Eigentumsbegriff.<br />

Ich denke, dass es richtig ist, dass wir als Stadt<br />

nicht einfach kommen können und Wohnraum beschlagnahmen.<br />

Das geht nur in Notfällen und einen solchen – Stichwort<br />

Studis in Turnhallen – hatten wir in meiner Amtszeit noch<br />

nicht. Der Geschäftsführer unserer Wohnungsbaugesellschaft<br />

sagt richtigerweise: Es schläft noch keiner unter der<br />

Brücke. Die Lage ist sehr angespannt, aber es gibt keinen<br />

solchen Notfall. Die Logik hinter der Problematik ist, dass<br />

alle in die Stadt wollen. Die Stadt investiert in Kultur, in<br />

öffentlichen Raum und, und, und. Dadurch wird die Stadt<br />

immer attraktiver und immer mehr Leute wollen die Attraktivität<br />

des urbanen Umfelds. Und das treibt den Preis. Das ist<br />

hier wie in München ein Problem. Und bei den Preisen pro<br />

Quadratmeter liegen wir hinter München und Frankfurt auf<br />

Platz drei.<br />

Radojevic: Ich glaube, es tut Ihrer Popularität nicht gut,<br />

Konstanz und München – was die Mietpreise angeht – in einem<br />

Atemzug zu nennen.<br />

Aber so monokausal kann man das doch nicht<br />

sehen. Konstanz ist nicht München.<br />

Und gerade Studierende, die wegen der Uni<br />

hierherkommen, leiden unter den hohen Preisen.<br />

Konstanz ist von der Urbanität wiederum aber doch<br />

weder mit Frankfurt noch mit München zu vergleichen.<br />

Burchardt: Konstanz hat das gleiche Problem wie jede<br />

andere attraktive Universitätsstadt im Südwesten. Die vielen<br />

jungen Leute bringen Kultur, Engagement und Zukunftsperspektive<br />

mit. Ein Glaube an eine bessere Zukunft, der die<br />

Entwicklung der Preise nun mal treibt. Am schwersten haben<br />

es aber nicht die Studis. Die rütteln sich eher in den Wohnungsmarkt<br />

rein. Junge, einkommensschwache Familien<br />

haben es viel schwerer. Gekniffen ist in Konstanz, wer sich<br />

bewegt oder neu dazukommt. Dieser Entwicklung wollen wir<br />

als Stadt gegenwirken. Dafür stehen wir mit beiden Füßen<br />

auf dem Gas, um zu bauen, zu bauen und nochmal zu bauen.<br />

Wir sind Nummer eins im sozialen Wohnungsbau in Baden-Württemberg.<br />

Diese Menschen, die jungen Familien,<br />

verlieren wir trotzdem nach ein oder zwei Jahren, wenn sie<br />

eine größere Wohnung für die Kinder brauchen. Dem<br />

versuchen wir gerecht zu werden. Wir sagen jedem Investor,


12<br />

Die Fragen stellten Julia Kohushölter und Marc-Julien Heinsch<br />

dass er 30 Prozent sozialen Wohnraum<br />

bauen muss oder nicht in Konstanz<br />

baut. Wir haben Glück, dass alle in<br />

Konstanz bauen wollen und wir setzen<br />

knallhart unsere Vorstellungen um.<br />

Radojevic: Warum kam das Handlungsprogramm<br />

Wohnen nicht früher?<br />

Burchardt: Das kann ich nicht<br />

beurteilen. Im Jahr nach meiner Wahl,<br />

2013, haben wir das Programm angeschoben.<br />

2009 ging es los mit dem<br />

starken Wachstum. Konstanz hat<br />

damals alles für die Innenentwicklung<br />

der Stadt getan, aber keine Reserven<br />

aufgebaut. Das Problem haben wir jetzt<br />

noch. Zwischen Schweiz, Naturschutzgebiet<br />

und See ist wenig Platz.<br />

Noch wächst die Stadt. Aber<br />

Uni und HTWG haben ihre<br />

Kapazitätsgrenze ausgereizt.<br />

Kann die Stadt weiterwachsen,<br />

wenn die Hochschulen nicht<br />

größer werden?<br />

Burchardt: Die Stadt wächst trotzdem<br />

weiter. Das Wachstum der Stadt<br />

resultiert ganz sicher nicht nur aus den<br />

Studierenden. Die Konstanzer haben im<br />

deutschen Vergleich eine große Lebenszufriedenheit<br />

und sind zufrieden mit<br />

beispielsweise der Integration. Das ist<br />

ein guter Indikator dafür, wie lebenswert<br />

Konstanz ist. Deshalb gehe ich<br />

davon aus, dass die Stadt weiterwächst.<br />

In der Natur wie in der Städteplanung<br />

gibt es keine Stabilität und keinen<br />

Stillstand. Es heißt also entweder<br />

bergauf oder bergab. Das Wachstum<br />

bringt seine Schmerzen mit sich. Wir<br />

müssen Fläche erschließen und Infrastruktur<br />

schaffen. Das kostet alles Geld<br />

und manch einer mag sich wünschen,<br />

dass es langsamer ginge. Aber viel<br />

brutaler ist der Schrumpfungsprozess.<br />

Der passiert nicht sukzessive, sondern<br />

Schubweise. Schwimmbad zu, Schule<br />

zu, Attraktivität nimmt immer weiter ab<br />

und die jungen Leute verlassen die<br />

Stadt. Das kann man an vielen Orten in<br />

Deutschland beobachten, aber hier<br />

nicht. Um unsere Probleme beneiden<br />

mich wohl 98,5 Prozent der deutschen<br />

Oberbürgermeister.<br />

Studierende haben an uns<br />

herangetragen, dass sie mit<br />

dem kulturellen Angebot in<br />

der Stadt unzufrieden sind.<br />

Radojevic: Sehr interessant ist hier<br />

der Horstklub, der nach Kreuzlingen und<br />

eben nicht nach Konstanz gegangen ist.<br />

In Konstanz, so habe ich gehört, war es<br />

wohl zu schwer, einen passenden Ort zu<br />

finden, weil im Zweifel die Interessen der<br />

Anwohner höher gewichtet wurden.<br />

Burchardt: Dem muss ich nachgehen.<br />

Davon habe ich damals nichts<br />

gehört. Zur Kultur allgemein: kann<br />

bestimmt besser werden. Aber wir<br />

haben das Gute-Zeit- und das Campus-Festival,<br />

das Kulturticket und so<br />

weiter. In den letzten 15 Jahren haben<br />

wir eine tolle Entwicklung, was die<br />

Kultur in der Stadt angeht. Vielleicht<br />

sind wir noch weit weg von dem, was<br />

möglich wäre. Aber ich denke, die<br />

Entwicklung ist trotzdem großartig,<br />

zum Beispiel, was das Nachtleben<br />

angeht. Ich bin aber absolut offen für<br />

weitere Anregungen und Vorschläge.<br />

Wir tun aber auch viel, und es würde<br />

mich freuen, wenn die Studis uns das<br />

zugestehen würden.<br />

Anderes Problem: Öffentlicher<br />

Nahverkehr, speziell in der<br />

Nacht.<br />

Buchardt: Wir investieren gut vier<br />

Millionen im Jahr in die Busverbindungen.<br />

Für die Anbindung der Teilorte<br />

haben wir durch die Linie 4/13, 13/4<br />

schon viel gemacht. Wir werden aber<br />

bei den Stadtwerken nochmal nachhören,<br />

wo es Nachholbedarf gibt. Ich<br />

hätte aber auch gerne einen Seehas, der<br />

24 Stunden fährt. Immer wenn ich das<br />

sage, sagen die Betreiber und manche<br />

Kollegen: Wenn ihr das zahlt... Es kann<br />

nicht sein, dass die Stadt Konstanz das<br />

alleine zahlt, aber das braucht noch viel<br />

Überzeugungsarbeit. Die Kosten müsste<br />

der ganze Landkreis mittragen. Das<br />

möchte ich in dieser Legislaturperiode<br />

gerne noch bewegen. Wir müssen bei<br />

unserer speziellen topographischen<br />

Lage auf den öffentlichen Verkehr<br />

setzen und auf die B33. Eine Verknüpfung<br />

in den Westen hinein also. Das<br />

hilft uns, das hilft aber auch Radolfzell,<br />

Singen, Engen und so weiter.<br />

Wir sind gespannt, ob der<br />

24-Stunden-Seehas kommt.


13<br />

Zu den Interviewpartnern<br />

Ulrich Burchardt<br />

Ulrich „Uli“ Burchardt ist seit dem 10. September 2012<br />

Oberbürgermeister der Stadt Konstanz. Er ist CDU-Mitglied,<br />

trat aber als parteiloser Kandidat an, wo er den<br />

Grünen Horst Frank nach 16 Jahren auf dem Posten des<br />

Oberbürgermeisters ablöste. Der 46-jährige ist gebürtiger<br />

Konstanzer und studierter Forstwirt. Nach dem<br />

Studium rückte er beim Handelsunternehmen Manufactum<br />

in eine Führungsposition vor, bevor er sich als<br />

Unternehmensberater selbstständig machte und an der<br />

HTWG Konstanz einen Lehrauftrag für Marketing<br />

annahm. 2012 veröffentlichte Burchardt ein Buch über die<br />

Arbeitsweise seines früheren Arbeitgebers Manufactum.<br />

Als Oberbürgermeister ist er noch bis mindestens 2020<br />

im Amt, wo er Vorsitzender des Gemeinderates, Leiter<br />

der Stadtverwaltung, Aufsichtsratsvorsitzender der<br />

Stadtwerke und WOBAK sowie Mitglied im Verwaltungsrat<br />

der Sparkasse Bodensee in Personalunion ist. In<br />

Burchardts Amtszeit fallen ein langfristig aufgelegtes<br />

Programm zum Wohnungsbau, Verkehrskonzepte zur<br />

Entlastung der Altstadt und mehr Fahrradfreundlichkeit.<br />

Bereits umgesetzt wurden beispielsweise das Bodenseeforum,<br />

der Bau einer Gemeinschaftsschule, die Schließung<br />

des Hauptzolls und der Ausbau des Glasfasernetzwerkes<br />

im Stadtgebiet. Auf der anderen Seite fielen aber<br />

auch die aufgeheizten Debatten um die Pappeln im<br />

Tägermoos und die Kommerzialisierung der Altstadt<br />

(Scala-Kino-Debatte) in Burchardts bisherige Amtszeit.<br />

Marco Radojevic<br />

Der 26-jährige Marco Radojevic hat momentan einen<br />

von zwei Sitzen der Partei DIE LINKE im Kreistag inne. 2010<br />

trat er der Partei bei und wurde 2013 zum Direktkandidaten<br />

im Wahlkreis Konstanz nominiert. Er ist Mitglied im Kreisvorstand<br />

der LINKEN und einer der Landessprecher der<br />

reformorientierten Parteiströmung „Forum Demokratischer<br />

Sozialismus“. Seine politischen Schwerpunkte liegen in der<br />

Sozialpolitik, Bildungspolitik, der Demokratie und Bürgerrechte.<br />

In Göppingen aufgewachsen, studiert Radojevic seit<br />

2011 Politik- und Verwaltungswissenschaften an der<br />

Universität Konstanz. Mit der politischen Hochschulgruppe<br />

„Grüne Offene Linke Liste“ (GOLL) zog er 2013 in das<br />

Studierendenparlament der Universität ein. Aktuell ist er<br />

stellvertretender Vorsitzender des AStA der Uni Konstanz.<br />

Zu seinen konkreten studentisch-politischen Anliegen<br />

zählen unter anderem die Wohnsituation für Studierende in<br />

Konstanz, kulturelle Angebote, Infrastruktur und das<br />

allgemeine Zusammenleben in Konstanz bzw. die Schaffung<br />

von Frei- und Begegnungsräumen.<br />

Auf einen frischen Start ins Sommersemester!<br />

Das Bier vom See.<br />

www.ruppaner.de


14<br />

Ein Blick in den Elfenbeinturm:<br />

Durch das Smartphone vereint?<br />

Jeder kennt es: Man steht an<br />

einer Bushaltestelle und um<br />

einen herum werden etliche<br />

Smartphones gezückt. Die<br />

Menschen starren auf ihre<br />

Bildschirme und die Welt<br />

scheint sich plötzlich in<br />

diesem kleinen Kästchen<br />

abzuspielen.<br />

Wenn man ehrlich ist, tut man selbst<br />

das gleiche. Das Leben spielt mittlerweile<br />

im Smartphone. Heutzutage<br />

kommt man in vielen Alltagssituationen<br />

nicht mehr ohne es aus, in kürzester<br />

Zeit ist es zum wichtigsten Begleiter<br />

vieler Menschen geworden. Kaum<br />

jemand geht noch ohne WhatsApp,<br />

Signal oder Snapchat durchs Leben.<br />

„Der Tod des persönlichen Austauschs“,<br />

sagen da die einen. „Eine<br />

Errungenschaft, die ganz neue Möglichkeiten<br />

sozialer Beziehungen<br />

eröffnet“, sagen die anderen. Doch was<br />

bedeutet das Smartphone wirklich für<br />

uns und unsere Gemeinschaft?<br />

Antworten auf diese Frage versuchen<br />

Prof. Isabell Otto und ihre<br />

Mitarbeiter/-innen zu geben. In ihrem<br />

Projekt „Smartphone-Gemeinschaften.<br />

Teilhabe als Versprechen und Zumutung“<br />

untersuchen Prof. Otto und ihr<br />

Team, bestehend aus einer wissenschaftlichen<br />

und drei studentischen<br />

Mitarbeiter/-innen, welche Rolle das<br />

Smartphone für die Vorgänge der<br />

Gemeinschaftsbildung spielt. Das<br />

Projekt findet im Rahmen der Forschungsgruppe<br />

„Mediale Teilhabe.<br />

Partizipation zwischen Anspruch und<br />

Inanspruchnahme“ statt, zusammen mit<br />

Wissenschaftlern aus Konstanz,<br />

Hamburg, Lüneburg und Zürich. Der<br />

Fokus bei Prof. Ottos Team liegt auf<br />

der Frage, wie die Vorgänge der<br />

Gemeinschaftsbildung aus den Praktiken<br />

der Smartphone-User hervorgehen,<br />

und wie sie schlussendlich auf Displays<br />

sichtbar werden. Es geht dabei nicht<br />

nur um die klassischen Messenger oder<br />

Social Media Apps, sondern auch um<br />

Spiele wie Pokémon Go oder Ingress.<br />

„Bei solchen Apps hängt die Gemeinschaftsbildung<br />

mit meiner Nutzungsweise<br />

der App zusammen, die eben<br />

auch anzeigt, ob und wie andere User<br />

mit mir in Verbindung stehen, auf mich<br />

reagieren, dasselbe Spielziel verfolgen,<br />

meine Nachrichten lesen oder beantworten“,<br />

so Otto. Zur Untersuchung des<br />

Forschungsthemas wurden Fallstudien<br />

zu WhatsApp, Snapchat, Pokémon Go<br />

und Ingress erstellt.<br />

„Smartphone und User sind<br />

eng miteinander verflochten<br />

und aus dieser engen Bindung<br />

gehen die Beziehungen zu<br />

anderen Smartphone-Usern<br />

hervor“,<br />

beschreibt Otto den Leitgedanken<br />

des Projekts. Allerdings seien Smartphone-Gemeinschaften<br />

dabei weder als<br />

soziale Gebilde zu sehen, noch sind sie<br />

empirisch greifbar. Vielmehr prägen<br />

und begleiteten sie die Praktiken der<br />

User und entstehen wiederum aus<br />

selbigen. Einerseits als Wunschvorstellungen,<br />

an denen sich der Smartphone-Gebrauch<br />

orientieren kann:<br />

Smartphone-Gemeinschaften bergen<br />

das Versprechen, dabei zu sein, viele<br />

Freunde zu haben, an einer – vielleicht<br />

sogar weltweiten – Community teilhaben<br />

zu können. In einer Zeit, in der sich<br />

Menschen über Follower-Zahlen,<br />

Facebook-Freunde und Likes definieren,<br />

dürfte eine solche Vorstellung für<br />

jeden nachvollziehbar sein. Andererseits<br />

ist da auch noch die Kehrseite der<br />

Medaille, der Preis, den man für die<br />

Teilhabe an dieser Gemeinschaft<br />

bezahlen muss. Ständige Erreichbarkeit,<br />

sofortige Antwort auf Nachrichten,<br />

die Preisgabe privater Daten oder<br />

auch mögliche Überwachung durch<br />

Dritte. In den Fallstudien hat sich<br />

herausgestellt, dass Smartphone-Gemeinschaften<br />

aus „raumzeitlichen<br />

Medienprozessen“ hervorgehen. Durch<br />

die GPS-Funktion wird das Smartphone<br />

zum ortsgebundenen Gerät. Für viele<br />

Smartphone-Gemeinschaften ist es also<br />

von entscheidender Bedeutung, wo sich<br />

der User befindet. Ein Beispiel für eine<br />

solche Ortsgebundenheit des Users ist<br />

z.B. Jodel. In den untersuchten Apps<br />

sind Pokémon Go und Ingress „raumgebundene<br />

Apps“. Gleichzeitig spielt<br />

die zeitliche Komponente eine Rolle.<br />

Schaue ich nicht regelmäßig auf mein<br />

Smartphone, verpasse ich vielleicht die<br />

neusten Snapchat-Stories anderer User,<br />

denen ich folge.<br />

„Am Ende aber sind Smartphone-Gemeinschaften<br />

keine<br />

Einheiten im Hier und Jetzt,<br />

sondern stets aufgeschoben<br />

und nie ganz eingelöst oder<br />

‚verwirklicht’“,<br />

schlussfolgert Prof. Otto aus ihren<br />

bisherigen Beobachtungen. Wer trifft<br />

sich schon regelmäßig im „real life“<br />

mit seinen Gegnern aus Pokémon Go,<br />

oder mit seinen Snapchat-Followern?<br />

Allerdings vermutet Prof. Otto, dass<br />

gerade hier der Reiz dieser besonderen<br />

Art der Gemeinschaft liegt.<br />

Die Besonderheit des Smartphones<br />

sieht Otto in der Allgegenwärtigkeit im<br />

Alltag, die nicht immer bewusst<br />

wahrgenommen wird. Bei genauem<br />

Hinsehen, mit Hilfe der Fallstudien,<br />

entdecke man oft Überraschendes und<br />

sogar Befremdliches im Verhalten der<br />

User. Außerdem fasziniert sie der<br />

Einblick in eine Art von Gemeinschaftsbildung,<br />

die für „Nicht-Teilhabende“<br />

auf den ersten Blick unverständlich<br />

ist. Als Beispiel nennt sie Snapchat,<br />

eine App, die Austausch durch flüchtige,<br />

oft gefilterte oder zusätzlich<br />

animierte Bild-Nachrichten schafft.<br />

Gerade die Bearbeitungsmöglichkeiten<br />

der Bilder ermöglichen ganz neue<br />

Spielformen der Selbstpräsentation und<br />

-darstellung in Gemeinschaften.<br />

Relevant wird das Thema auch<br />

durch die Bedeutung des Smartphones<br />

für Gesellschaft und Politik. In Wahlkampfzeiten<br />

wird der Besitz eines<br />

Smartphones als selbstverständlich<br />

genommen, so dass Wahlwerbung<br />

persönlich an jeden User adressiert<br />

werden kann. In Sachen „Flüchtlingskrise“<br />

ist das Smartphone einer der<br />

wichtigsten Gegenstände für viele<br />

Flüchtende. Zum einen, um Kontakt zur<br />

Familie im Heimatland zu halten, zum<br />

anderen, um sich zum Beispiel mit<br />

Fluchthelfern abzusprechen. Auch der<br />

„Arabische Frühling“ wäre ohne<br />

Austausch und Verabredungen über das<br />

Smartphone kaum möglich gewesen.<br />

Dass sich diese Liste fast unendlich<br />

fortführen ließe, unterstreicht nicht nur<br />

die Wichtigkeit des Smartphones an<br />

sich, sondern auch die Wichtigkeit des<br />

Forschungsprojekts.<br />

„Wir versuchen, die Imaginationen<br />

und Wünsche herauszuarbeiten,<br />

die die Teilhabe an<br />

Smartphone-Gemeinschaften<br />

leiten.“<br />

Durch die Erforschung der Gebrauchsweisen<br />

von Smartphones könne<br />

ein Beitrag dazu geleistet werden, die<br />

Bedeutung des Geräts besser zu<br />

verstehen. Gleichermaßen soll Störungen,<br />

Problematiken und Zumutungen<br />

auf die Spur gekommen werden, die mit<br />

der Smartphone-Gemeinschaftsbildung<br />

einhergehen. Gerade hier werden<br />

Fragen untersucht, die sich einige<br />

Menschen bereits gestellt haben<br />

werden. Was, wenn der Akku in einem<br />

entscheidenden Spielzug unterwegs leer<br />

ist oder das Gerät kein Netz mehr hat?<br />

Was passiert, wenn Mitteilungen aus<br />

verschiedenen Apps gleichzeitig nach<br />

einer Antwort verlangen oder wenn das<br />

Smartphone gerade als Kamera benutzt<br />

wird und plötzlich ein Anruf reinkommt?<br />

„Ebenso wie das Gerät bleibt<br />

die Gemeinschaftsbildung<br />

gerade durch ihre Störungen<br />

stets in Bewegung“,<br />

sagt Professor Otto mit Blick auf<br />

die Wichtigkeit dieses Teilbereichs.<br />

Man kann erahnen, dass die Forschungsergebnisse<br />

von Prof. Otto und<br />

ihrem Team wichtige Erkenntnisse für<br />

das Leben in einer „neuen“ sozialen<br />

Welt liefern werden. Eine neue Welt, in<br />

der das Smartphone viel mehr ist als<br />

nur ein technisches Hilfsmittel.


15<br />

T: Felix Lorenz F: Arne Wylezol<br />

Prof. Isabell Otto<br />

Hochschulleben


16<br />

Rückschritt für den digitalen Fortschritt<br />

– von einem Vertrag, den keiner will<br />

T: Julia Horn F: Nicolai Eckert<br />

Das Leben der heutigen Studierenden<br />

ist unkompliziert. Jedenfalls<br />

was die Beschaffung von<br />

Lehrmaterialien angeht. Umso<br />

größer der Aufschrei im November<br />

2016: die Nutzung von<br />

Moodle und ILIAS steht auf der<br />

Kippe. Was dahinter steckt und<br />

wie eine Lösung aussehen könnte:<br />

Die Bibliothek ist voll, fast alle<br />

Stühle sind besetzt. Zu hören ist neben<br />

gelegentlichem Flüstern vor allem das<br />

Kratzen von Stiften auf Papier und die<br />

Tastaturgeräusche zahlreicher Laptops.<br />

Auf den Bildschirmen zu sehen sind<br />

Texte, Artikel, Vorlesungsfolien. Wer<br />

nicht digital liest, hat meist bereits<br />

ausgedruckte Seiten vor sich liegen. Im<br />

Kopierraum rattern die Geräte, Studierende<br />

holen Druckaufträge ab, die sie<br />

per Intranet verschickt haben.<br />

Uni-Alltag, wie er seit einigen<br />

Jahren an Hochschulen und Universitäten<br />

Realität und Standard ist. Auch sie<br />

sind im digitalen Zeitalter angekommen.<br />

Nicht mehr wegzudenken: die<br />

elektronische Bereitstellung von<br />

Lehrmaterialien.<br />

Online-Lernplattformen wie Moodle<br />

oder ILIAS sorgen für einen unkomplizierten<br />

und schnellen Ablauf – Vorlesungsfolien,<br />

Literaturlisten, Artikel,<br />

Texte und Übungen werden für Kursmitglieder<br />

online zur Verfügung<br />

gestellt. Die zugelassenen Nutzer<br />

können diese Dokumente öffnen,<br />

herunterladen und ausdrucken. Sowohl<br />

für Lehrende als auch Studierende sind<br />

sie unverzichtbar geworden. „Die<br />

Arbeitsweise ist heute einfach digital<br />

und das wird sich in der Zukunft<br />

natürlich noch verstärken“, erklärt<br />

Oliver Kohl-Frey, stellvertretender<br />

Direktor des Kommunikations-,<br />

Informations-, und Medienzentrums<br />

(KIM) der Universität Konstanz.<br />

Ganz so selbstverständlich, wie eine<br />

solche Nutzung heutzutage erscheint,<br />

ist sie aber nicht. Was vielen erst durch<br />

eine drohende Änderung der bisherigen<br />

Regelung bewusst wird: Als geistiges<br />

Eigentum eines Autors unterliegen<br />

Schriftwerke dem Urheberrechtsgesetz<br />

und genießen somit einen besonderen<br />

Schutz. Werden beispielsweise Auszüge<br />

aus Fachwerken im Rahmen von<br />

Lehrveranstaltungen digital genutzt,<br />

greift eine sogenannte Schrankenregelung<br />

des Urheberrechtsgesetzes, der<br />

Paragraph 52a. Dieser macht es<br />

möglich, dass Lehrende und Studierende<br />

auf Teile der geschützten Werke<br />

Zugriff haben dürfen. Eine elektronische<br />

Bereitstellung ist somit legal.<br />

„Das bedeutet hier also eine<br />

Lockerung, es geht gewissermaßen eine<br />

Schranke auf“, erläutert Kohl-Frey. Kleine Teile eines Werkes bis 12 Prozent und<br />

maximal 100 Seiten sowie Werke geringen Umfangs bis 25 Seiten dürfen genutzt<br />

werden. Ebenfalls erlaubt sind Artikel aus Zeitschriften und Zeitungen. Das<br />

Ganze ist dabei an bestimmte Voraussetzungen geknüpft: ein fest abgegrenzter<br />

Personenkreis und die festgelegte Dauer einer Lehrveranstaltung oder eines<br />

Forschungsprojekts. Außerdem ist die Verfolgung kommerzieller Zwecke untersagt.<br />

Mit Hinblick auf die aktuelle Diskussion besonders wichtig ist, dass urheberrechtlich<br />

geschützte Schriftwerke angemessen vergütet werden müssen. Das ist<br />

gesetzlich vorgeschrieben. Derzeit wird dies für die Werke, die unter §52a UrhG<br />

fallen, mit einer Pauschalzahlung geregelt. Diese zahlen die Hochschulen an die<br />

Verwertungsgesellschaft Wort. Die VG Wort, die sich selbst als „nicht gewinnorientierten<br />

Verein“ beschreibt, gibt das Geld an Autoren und Verlage weiter.<br />

Vergleichbar mit der GEMA für Musiker und Labels kümmert sie sich um die<br />

Rechte und Vergütungsansprüche der Urheber.<br />

So weit, so gut. „Wir sind mit dieser Regelung die letzten Jahre eigentlich gut<br />

gefahren“, findet Kohl-Frey.<br />

Das sieht die VG Wort jedoch anders. Sie vertritt seit geraumer Zeit die<br />

Auffassung, dass die bisherige Pauschalvergütung unangemessen ist.<br />

Ihr Vorwurf: Es kann nicht nachvollzogen werden, wie oft die einzelnen Texte<br />

tatsächlich verwendet werden. Eine auf die Autoren individuell angepasste<br />

Auszahlung sei so nicht möglich. „Das wird als Ungerechtigkeit im System<br />

bemängelt“, erklärt Kohl-Frey.<br />

Der Lösungsansatz der VG Wort besteht in einer Einzelerfassung und -abrechnung<br />

der genutzten Werke. Dies würde neben Mehrkosten aber vor allem einen<br />

enormen Arbeitsaufwand für Hochschulen und Universitäten bedeuten. Trotzdem<br />

zieht die VG Wort mir ihrer Forderung bis vor den Bundesgerichtshof. Die<br />

Entscheidung des BGH vom 20. März 2013 fällt zugunsten der Verwertungsgesellschaft<br />

aus: eine Einzelmeldung jedes genutzten Schriftwerkes sei vertretbar und<br />

sachgerecht.<br />

Das Urteil des BGH wurde vor vier Jahren gefällt. Was es zum Rollen<br />

bringen sollte, war 2013 noch nicht in vollem Ausmaß klar.<br />

Fest steht, dass es die Verhandlungen der VG Wort mit der KMK, der Kultusministerkonferenz,<br />

stark beeinflusst hat. Aufgabe der Kultusminister der Länder<br />

war es, mit der VG Wort einen neuen Rahmenvertrag für das Jahr 2017 auszuhandeln.<br />

Dabei sollte auch das Urteil des BGH einbezogen werden. Die KMK, unter<br />

anderem auch für die Qualitätssicherung der Lehre zuständig, agierte dabei<br />

stellvertretend für die Hochschulen. Dabei hatte sie jedoch keine leichte Stellung.<br />

„Die VG Wort hat sich nicht viel von ihrem Standpunkt wegbewegt, der natürlich<br />

vom BGH-Urteil gestützt wurde“, meint Kohl-Frey dazu.<br />

Und so entsteht im Herbst 2016 ein Ergebnis, das für Furore sorgt: ein<br />

Rahmenvertrag, den keine einzige Universität oder Hochschule in ganz<br />

Deutschland unterschrieben hat.<br />

Wie bereits erwähnt, ist es vor allem der enorme Mehraufwand durch die<br />

Einzelmeldungen, der bei den Universitäten auf erhebliche Ablehnung stößt. Laut<br />

Vertrag müssten alle verwendeten Texte, Textausschnitte und Artikel, die unter<br />

§52a des Urheberrechtsgesetzes fallen, erfasst und vergütet werden. Professoren<br />

und Dozenten wären verpflichtet, jede einzelne Nutzung mittels einer Eingabemaske<br />

zu dokumentieren. Dabei sollten neben bibliographischen Angaben zu den<br />

Dokumenten, wie Titel und Umfang, auch die Kursteilnehmerzahlen gemeldet<br />

werden. Es müsste außerdem vorher geprüft werden, ob das Werk bereits in<br />

digitaler Form in der Bibliothek vorliegt. Dann würde eine Meldung nämlich<br />

entfallen. Ebenfalls relevant wäre, ob der Text überhaupt unter §52a fällt, was beispielsweise<br />

bei frei lizensierten Dokumenten nicht der Fall ist. Auch sogenannte<br />

gemeinfreie Werke von Autoren, die schon über 70 Jahre tot sind, zählen nicht zu<br />

den meldepflichtigen Schriftwerken.<br />

Zusätzlich im Rahmenvertrag enthalten wären sogenannte Prüfrechte. Die VG<br />

Wort dürfte die Meldungen auf Korrektheit und Vollständigkeit prüfen. Hinzu<br />

kämen vorrangige Verlagsangebote: Würden Verlage den Hochschulen Texte<br />

anbieten, dann müssten diese Angebote angenommen werden, auch wenn dadurch<br />

höhere Kosten als bei einer Einzelabrechnung entständen.<br />

Ein Pilotprojekt an der Universität Osnabrück verdeutlicht die Schwierigkeiten,<br />

die mit einem solchen Vertrag auf Lehrende und Studierende zukommen<br />

würden. In einer Zusammenfassung der Ergebnisse ist von 65 Stunden die Rede,<br />

die allein in die reinen Meldevorgänge investiert werden mussten. Außerdem<br />

waren 25 Prozent einer qualifizierten Vollzeitstelle notwendig, um Lehrende zu


17<br />

Hochschulleben<br />

beraten. Denn oft fiel den zuständigen<br />

Dozenten und Professoren eine korrekte<br />

Einordnung der hochzuladenden<br />

Dokumente schwer. Berechnungen der<br />

Universität Konstanz belegen diese<br />

Zahl. „Eine halbe bis dreiviertel Stelle<br />

wäre dafür auf jeden Fall nötig“,<br />

bestätigt Kohl-Frey.<br />

Ein mögliches Folgeproblem der<br />

Klassifikationsschwierigkeiten ist, dass<br />

viele Dozenten auf die digitale Bereitstellung<br />

gänzlich verzichten könnten.<br />

Dieser Fall ist in Osnabrück eingetreten.<br />

Von 4.000 erwarteten Texten im<br />

Wintersemester 2014/15, in dem das<br />

Projekt durchgeführt wurde, wurden<br />

nur 1.000 von den Lehrenden digital<br />

zur Verfügung gestellt. Das entspricht<br />

lediglich einem Viertel.<br />

Leidtragende waren die<br />

Osnabrücker Studierenden,<br />

die sich ihre Literatur selbst<br />

beschaffen mussten.<br />

Über 60 Prozent gaben an, dass sich<br />

der Aufwand hierfür stark oder sogar<br />

sehr stark erhöht hat.<br />

Was den Hochschulen und Universitäten<br />

ebenfalls bitter aufstößt: Die<br />

Einnahmen, die die VG Wort durch eine<br />

Einzelerfassung und -vergütung<br />

machen würde, stehen in keinem<br />

Verhältnis zu dem Aufwand, der dafür<br />

betrieben werden müsste. Etwa 5.000<br />

Euro kamen im Rahmen des Pilotprojekts<br />

für die erfolgten Meldungen<br />

zusammen. Diese ergeben sich aus der<br />

Berechnung von 0,8 Cent pro Seite und<br />

pro Teilnehmer. Dem gegenüber stehen<br />

laut Ergebnissen des Projekts in<br />

Osnabrück über 20.000 Euro, die die<br />

Universität für Support, Personal und<br />

technische Umsetzung aufbringen<br />

müsste. Und auch im Vergleich zu den<br />

bisherigen Pauschalvergütungen wären<br />

die Einnahmen der VG Wort durch die<br />

Neuregelung nicht wesentlich höher.<br />

„Dass eine Vergütung an die Autoren<br />

erfolgen soll, ist unstrittig. Es geht uns<br />

viel mehr um die Frage, wie man diese<br />

eigentlich bescheidene Summe mit<br />

einem möglichst geringen Verwaltungsaufwand<br />

der VG Wort als der Vertretung<br />

der Autoren zukommen lässt“, betont<br />

Kohl-Frey. Die Forderungen seien<br />

schlichtweg unverhältnismäßig.<br />

Zu diesem Schluss kommt auch die<br />

Hochschulrektorenkonferenz, die alle<br />

staatlichen und staatlich anerkannten<br />

Universitäten und Hochschulen in<br />

Deutschland vertritt. In einer Pressemitteilung<br />

der HRK vom 13. Oktober<br />

2016 heißt es hierzu: „Es steht zu<br />

befürchten, dass die digitale Lehre an<br />

den Hochschulen durch die geänderten<br />

Rahmenbedingungen stark beeinträchtigt<br />

wird“.<br />

Einen Tag später geben bayerische<br />

und baden-württembergische Universitäten<br />

in einer Sitzung in München<br />

bekannt, dass sie dem Rahmenvertrag<br />

nicht beitreten werden. Andere Hochschulen<br />

und ganze Bundesländer tun es<br />

ihnen gleich.<br />

stellv. Direktor des KIM, Oliver Kohl-Frey<br />

Auch der Senat der Universität Konstanz beschließt einstimmig, den<br />

Rahmenvertrag zwischen KMK und VG Wort nicht zu unterschreiben.<br />

Die Vertreter der Studierendenschaft unterstützen ihre Hochschulen und<br />

Universitäten. Trotz schwerwiegender Folgen bei einem Nichtbeitritt: Ab 2017<br />

hätten Schriftwerke nach §52a UrhG nicht mehr in elektronischer Form bereitgestellt<br />

werden dürfen.<br />

„Das hätte drei Schritte zurück in die Hochschulsteinzeit bedeutet“,<br />

macht Kohl-Frey deutlich. An den Kopierern Schlange stehen, statt kurzes<br />

Einloggen und vergriffene Kopiervorlagen an Stelle einfacher Downloads. Die<br />

Leidtragenden wären auch hier vor allem die Studierenden gewesen. „Trotzdem<br />

standen sie hinter uns wie eine Wand und nicht hinter der VG Wort“, stellt<br />

Kohl-Frey mit Erleichterung fest.<br />

Einige tausend Unterschriften und ablehnende Stellungnahmen später beugt<br />

sich die VG Wort dem politischen Druck. Sie stimmt einem Aufschub bis zum 30.<br />

September 2017 zu. Bis dahin darf weiterhin pauschal abgerechnet werden. Eine<br />

gemeinsame Arbeitsgruppe aus VG Wort, HRK und KMK arbeitet derzeit an einer<br />

Einigung, die bis zum Wintersemester 2017/18 stehen soll.<br />

Ebenfalls reagiert hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz.<br />

Im Februar 2017 stellt der zuständige Minister Heiko Maas einen Referentenentwurf<br />

vor, der das Urheberrecht an die aktuellen Erfordernisse der Wissensgesellschaft<br />

angleichen soll. Bisherige Regelungen würden damit gelockert<br />

werden, es wären zum Beispiel bis zu 25 Prozent eines Werkes zur digitalen<br />

Nutzung freigeben. Zwar müsste immer noch angemessen an die Verwertungsgesellschaften<br />

vergütet werden, jedoch wäre dies auf Basis von Pauschalen zulässig.<br />

Der Entwurf beinhaltet außerdem eine Absage an Prüfrechte und vorrangige<br />

Verlagsangebote.<br />

Das freut die Universitäten natürlich, die HRK begrüßt den Referentenentwurf<br />

nachdrücklich. In einer Mail der Universität Konstanz wird dazu Petra Hätscher<br />

zitiert, Direktorin des KIM der Universität Konstanz: „Eine Überarbeitung des<br />

Urheberrechts ist aus Sicht der Universität Konstanz dringend notwendig, um die<br />

Arbeitsfähigkeit in Bildung und Wissenschaft zu gewährleisten.“<br />

Des einen Freud, des anderen Leid: Verlage und der Börsenverein des<br />

Deutschen Buchhandels laufen gegen den Entwurf Sturm.<br />

Auf der Webseite publikationsfreiheit.de wird dazu aufgerufen, mit einer<br />

Unterschrift gegen den Entwurf die Rechte von Autoren zu unterstützen. Bisher<br />

haben über 5.000 Menschen unterschrieben, darunter auch über 1.000 Professoren<br />

und Hochschullehrer. Auf den ersten Blick eine beeindruckende Zahl. Eric<br />

Steinhauer, Jurist und Abteilungsleiter an der Uni-Bibliothek der Fernuniversität<br />

Hagen, hat sich die Unterzeichner genauer angesehen. Das Ergebnis ist aufschlussreich:<br />

84 Prozent der Professoren, die unterschrieben haben, waren älter<br />

als 50 Jahre. Die jüngere Generation ist in den Unterschriften so gut wie nicht<br />

präsent. Und gerade sie betrifft die ganze Problematik am meisten.<br />

„Meine Ideallösung wäre, dass das neue Urheberrechtsgesetz bis zur<br />

Sommerpause in Berlin verabschiedet wird“,<br />

macht Kohl-Frey deutlich. Diese beginnt im Juli. Das ist ein straffer Zeitplan.<br />

„Falls das nicht funktioniert, würde ich mir eine Einigung zwischen VG Wort,<br />

KMK und HRK wünschen, die eine möglichst zeitlich unbefristete Pauschalvergütung<br />

beinhaltet“. Damit würde der drohende Mehraufwand für Einzelmeldungen<br />

entfallen und alles in gewohnten Bahnen weiterlaufen. Dieser Wunsch dürfte auch<br />

den Studierenden entsprechen – denn sie sind es, die schlussendlich die Folgen<br />

tragen.


18<br />

Warum wir protestieren sollten:<br />

ein Plädoyer, auf die Straße zu gehen<br />

T: Phillip Horch I: Caroline Weigele<br />

Gerade im akademischen<br />

Betrieb, speziell in der<br />

geisteswissenschaftlichen<br />

Sektion und vor allem in<br />

Denkrichtungen, in denen oft<br />

und gerne das Präfix „Meta-“<br />

in Verbindung mit bedeutungsschwangeren<br />

Fachtermini<br />

und viel zu langen Schachtelsätzen<br />

verwendet wird,<br />

muss man bisweilen aufpassen,<br />

dass man nicht den Bezug<br />

zur Realität verliert.<br />

Kurzum: Es gibt Probleme in der<br />

Gesellschaft, die sich bedingt bis<br />

überhaupt nicht auf der Metaebene<br />

lösen lassen. Und deshalb müssen wir<br />

protestieren!<br />

Die Uni sollte nicht voller Menschen<br />

sein, die zu allem ja und danke sagen.<br />

Zwischen ECTS, Referat, Exposé und<br />

Examen ist es bisweilen schwierig,<br />

einen Schritt zurückzutreten. Der<br />

nötige Schritt ist, das ganze Treiben<br />

kritisch zu hinterfragen und sich das<br />

wohl wichtigste zu bilden: eine eigene<br />

Meinung.<br />

Die kritische Reflexion der<br />

Institution, deren Regeln man<br />

folgt, ist schon eine kleine<br />

Form von Protest.<br />

Sie zu formulieren und einem<br />

Publikum zu unterbreiten ist ein<br />

notwendiges demokratisches Mittel,<br />

das genutzt werden sollte. Protestieren<br />

heißt ja nicht nur Steine werfen und<br />

Parolen schreien. Protestieren heißt<br />

„öffentlich bezeugen, zum Zeugen<br />

anrufen“. Und darum geht es letztendlich:<br />

Öffentliche Meinung bilden und<br />

Meinung öffentlich bilden. Das erfordert<br />

Eigenengagement. Bildung<br />

bedeutet allzu oft, dass man zwar lernt,<br />

auf welche Art(en) und Weise(n) man<br />

Und deswegen müssen wir protestieren.<br />

Wenn Demokratie tatsächlich die<br />

beste unter den schlechten Staatsformen<br />

ist, müssen wir diese von innen<br />

heraus schützen – indem wir einen ihrer<br />

Grundgedanken verinnerlichen und uns<br />

den Mund nicht verbieten<br />

lassen.<br />

denken kann. Aber dass man aus<br />

eigenem Antrieb nachdenken muss,<br />

wird in all dieser Denkerei oft vergessen.<br />

Doch bevor sich dieser Text in die<br />

eigene Prämisse beißt, werfen wir einen<br />

Blick auf die Straße. Dort findet<br />

nämlich Politik statt. Und wenn<br />

Asylheime brennen, die polierten<br />

Glatzen ihre Fahnen schwenken und<br />

gegen das „System“ protestieren, sollte<br />

nicht mehr viel nachgedacht werden<br />

müssen. Da sollten Studenten doch,<br />

trotz Abgabefristen und Finanzierungsengpässen,<br />

Farbe bekennen. Weg vom<br />

Schreibtisch, rein in die Demo. Denn<br />

wenn keiner darauf aufmerksam macht,<br />

dass es so nicht geht, dann denken alle,<br />

dass es so in Ordnung ist. Die andere<br />

Option ist Wegschauen. Und die ist<br />

gefährlich. Dass dieses Wegschauen –<br />

von jenen, die sich gern als intellektuell<br />

bezeichnen – die demokratischen<br />

Strukturen ganz schnell ins Wanken<br />

bringen kann, muss nicht weiter<br />

bewiesen werden, ein Blick in die<br />

Geschichtsbücher genügt.


19<br />

Warum wir nicht rebellieren:<br />

Begründung eines Symptoms<br />

T: Nicolai Eckert I: Caroline Weigele<br />

Wir, Studierende der ersten<br />

Hälfte des 21. Jahrhunderts,<br />

was haben wir bisher vollbracht?<br />

Warum studieren wir<br />

nur? Und warum verbringen<br />

wir unsere freie Zeit in<br />

Kneipen und vor Bildschirmen,<br />

vor denen wir so oder so<br />

sitzen? Wo bleibt unsere<br />

Revolution?<br />

Das sind Fragen, die sich der<br />

Student von heute stellen sollte – so<br />

vermutlich die Gedanken der heute in<br />

die Jahre gekommenen 68er. Ja, die<br />

haben alles richtig gemacht, sich gegen<br />

ihre Elterngeneration aufgelehnt und<br />

der modernen Gesellschaft durch ihre<br />

Protestbewegung gewinnbringende<br />

Vorteile eingebracht, auf deren Basis<br />

sich die heutige Studierendenschaft in<br />

Sattheit suhlt. Zu partizipieren, das ist<br />

das Mantra, das an jeden Bürger und<br />

jede Bürgerin, egal ob alt oder jung,<br />

herangetragen wird. Aber wie partizipieren?<br />

In der Politik? Unser Land wird<br />

geführt von einer demokratischen<br />

Institution: ein zwanghaft aufrechterhaltenes<br />

Konstrukt, das Diskurs<br />

simuliert. So scheint es zumindest, zu<br />

Zeiten der großen Koalition, für deren<br />

Existenz die Wählerschaft verantwortlich<br />

ist. Wie sieht die Alternative aus?<br />

Eine braune abgestandene Suppe, deren<br />

Argumentation nicht ernst zu nehmen<br />

ist, ein lila Bonbon, das sich redlich<br />

bemüht, wahrgenommen und nicht von<br />

der Masse der Alternativlosigkeit<br />

verschluckt zu werden, sowie eine<br />

ehemals grüne Wiese, die, verwelkt,<br />

schon ganz gelb geworden ist. Oh, da<br />

ist die Politikverdrossenheit vorprogrammiert,<br />

denn als partizipierender<br />

Teil einer Masse bleibt das Individuum<br />

handlungsunfähig. Im Rückschluss gilt<br />

es daher, das eigene Selbst zu kultivieren,<br />

seinen Weg zu gehen und sein<br />

eigenes Glück zu suchen. Ein Jahr<br />

Australien nach dem Abitur, ein<br />

aussichtsreiches Studium im Anschluss,<br />

Freundschaften und soziales Engagement:<br />

das klingt schön und ist glücklicherweise<br />

einfacher als im politischen<br />

Diskurs gegen die Wand der Bürokratie<br />

zu fahren.<br />

Der Gesellschaft wird durch<br />

andere Mittel ihr Tribut<br />

gezollt.<br />

Es ist angesagt, auf Fleisch zu<br />

verzichten, bei Rock Your Life! bessere<br />

Bildungsvoraussetzungen zu schaffen<br />

oder beim DRK mit im Rettungswagen<br />

Hochschulleben<br />

zu fahren. Da bleibt nicht viel Zeit,<br />

neben dem Studium und dem Erasmus-Jahr<br />

eine Revolution anzuzetteln.<br />

Das Engagement und die Selbstverwirklichung<br />

pushen das Ego, dem ein enorm<br />

hoher Stellenwert zugesprochen wird.<br />

Was dem Protest im Wege steht ist also<br />

der latente Narzissmus unserer Generation,<br />

oder die Sattheit, die einen träge<br />

werden lässt. Das ist keine Ausrede,<br />

sondern ein Symptom, das Symptom<br />

eines gesunden Individualismus, das<br />

allerdings gerne leichtfertig verurteilt<br />

wird. Aber das ist irrelevant, darum<br />

wird sich nicht gekümmert und deshalb<br />

rebellieren wir (noch) nicht.


20<br />

Seezeit-Jobs: Strandbar-Staff gesucht<br />

T: Maja Lisewski F: Strandbar<br />

Sand, Palmen und der Seerhein. Man kann sich<br />

schlechtere Aussichten bei der Arbeit vorstellen.<br />

Eine der beliebtesten Bars im Konstanzer Nachtleben<br />

sucht wieder Verstärkung.<br />

Die Sommersaison steht vor der Tür, die Liegestühle<br />

werden wieder rausgekramt, die gelb-grüne Bar im charmanten<br />

Budenstil wird auf die Gästeströme in den warmen<br />

Monaten vorbereitet. Die Strandbar befindet sich gleich<br />

neben der HTWG Konstanz und lockt mit den ersten<br />

Sonnenstrahlen und wärmeren Temperaturen ihre Gäste an<br />

den Seerhein und in die Liegestühle. In dieser Open-Air-<br />

Atmosphäre verpflegen Mitarbeiter der Strandbar die Gäste<br />

mit Cocktails, Bier und Wein. Erfahrungen in der Gastronomie<br />

sind daher von Vorteil, aber kein Muss. Ein „Muss“<br />

dagegen ist es, offen zu sein, Spaß am Umgang mit studentischer<br />

Klientel zu haben und sich den Stress in hitzigen<br />

Situationen nicht zu Kopf steigen zu lassen. Was André<br />

Sälzer, Leiter der Strandbar, am wichtigsten ist, sind<br />

gewissenhafte, freundliche und vor allem selbstständig<br />

arbeitende neue Mitglieder für das aus Studierenden<br />

bestehende Team. Wer nicht direkt im Trubel sein möchte,<br />

kann beim Auf- und Abbau im Strandbar-Betrieb sein Geld<br />

verdienen. Auch hier werden stets helfende Hände<br />

gebraucht, um Liegestühle, Sonnenschirme und Kissen an<br />

Ort und Stelle zu bringen.<br />

Wer also Zeit und Lust hat, zwei- bis dreimal in der<br />

Woche während der Sommermonate hinter der Bar zu stehen<br />

und abends mit etwas Sand in den Schuhen nach Hause zu<br />

gehen, meldet sich mit entsprechenden Unterlagen bei<br />

andre@strandbar-konstanz.de<br />

P.S.: Die Winterzeit lässt sich mit Jobangeboten von<br />

Seezeit im Campus-Café oder Mensabetrieb überbrücken.


21<br />

Kleine Gesten in großen Angelegenheiten:<br />

Nachhaltiger Kaffee bei Seezeit<br />

T: Maja Lisewski F: Seezeit<br />

Man sieht sie immer öfter in der Universität und an<br />

der HTWG: grau, orange, schwarz. Die KeepCups<br />

vom Seezeit Studierendenwerk Bodensee stehen als<br />

nachhaltige Alternative zum Einwegbecher im<br />

Mittelpunkt der Umwelt-Initiative rund um das<br />

beliebteste Heißgetränk.<br />

Mal ausgedehnter, mal hastiger – die Kaffeepause ist für<br />

die meisten Studierenden ein herbeigesehnter Moment beim<br />

alltäglichen Rotieren in der Uni oder Hochschule. Doch in<br />

der Eile bekommt das Kaffeetrinken mit dem Einwegbecher<br />

oft einen bitteren Beigeschmack. Mit Plastikdeckel und<br />

-stäbchen gilt der Einwegbecher als größere Umweltverschmutzung<br />

als die bereits stellenweise abgeschaffte<br />

Plastiktüte – denn recycelt werden kann aufgrund der<br />

Plastikbeschichtung tatsächlich nur jeder 400. Becher. Das<br />

wären bei den 300.000 Einwegbechern, die Seezeit jährlich<br />

verkauft, gerade mal ernüchternde 750 Stück. Und das alles<br />

für eine durchschnittliche Nutzungsspanne von 15 Minuten.<br />

Auf den weltweiten Konsum gerechnet werden für<br />

die Produktion von Einwegbechern jährlich 293<br />

Millionen kWh benötigt, 5,7 Milliarden Liter Wasser<br />

verbraucht und 9,4 Millionen Bäume gefällt.<br />

Um diesem unnötigen Verbrauch entgegenzuwirken,<br />

bietet Seezeit seit Beginn dieses Jahres die KeepCups an. Mit<br />

einer Lebensdauer von 1.000 Getränken stellt der KeepCup<br />

eine umweltbewusste Alternative dar – und zwar für jeden<br />

Tag. Rund 1.000 von 3.000 Bechern wurden zum Einführungspreis<br />

von 5 Euro bereits verkauft. Der Fokus auf ein<br />

nachhaltiges Angebot reicht jedoch darüber hinaus: Es geht<br />

nicht nur darum, wie man sein Getränk bestellt, sondern<br />

auch darum, was für eins. Mit biologisch angebautem<br />

Fair-Trade-Kaffee der Firma Café Manos aus Mittel- und<br />

Zentralamerika, Bio-Milch, fair gehandeltem Bio-Tee und<br />

Bio-Kakao wird ein ganzheitliches Rundum-Paket angeboten.<br />

Der Verkauf von Fair-Trade-Produkten verfolgt das Ziel,<br />

neben verbesserten Herstellungsbedingungen und Löhnen<br />

auch gleichzeitig einen Entwicklungsbeitrag zu leisten. So<br />

werden laut der deutschen Fair-Trade-Organisation finanzielle<br />

Stabilität der Kleinbauern sowie der Schutz der natürlichen<br />

Ressourcen beim umweltfreundlichen Anbau unterstützt.<br />

Um in Sachen Klimaschutz und Ressourcenschonung<br />

einen Schritt weiter zu gehen, entstand Anfang dieses Jahres<br />

die Zusammenarbeit von Seezeit und Climate Fair To Go.<br />

Denn manchmal geht es nicht anders und das Getränk wird<br />

zum Mitnehmen im Einwegbecher bestellt. Selbst in diesem<br />

Fall soll mit den Climate Fair Cent der Kauf zum Klimaschutz<br />

beitragen: Für den entstehenden Umweltnachteil wird<br />

der zusätzliche Beitrag von 10 „Climate Fair Cent“ als<br />

Spende erhoben. 3.000 Euro wurden so in den ersten zwei<br />

Monaten eingenommen. Mit diesen Beträgen werden ausgewählte<br />

Projekte des Konstanzer Bürgerfonds für Klimaschutz<br />

und nachhaltige Entwicklung unterstützt. Welchen Projekten<br />

genau das Geld zugute kommt, können Konstanzer Studierende<br />

auf der Internetseite von www.klimaschutzplus.org<br />

mitbestimmen oder auch Empfänger vorschlagen.<br />

Wer noch mehr Nutzen vom Kaffee bei Seezeit haben<br />

möchte und einen grünen Daumen hat, der kann ab März den<br />

Kaffeesatz aus dem CampusCafé als kostenloses Düngemittel<br />

abholen. Und so schließt sich wohl der Kreis. Es sind die<br />

kleinen und bewussten Entscheidungen in unserem Alltag,<br />

die einen wichtigen Beitrag zum Umweltschutz leisten.<br />

Vielleicht bietet ja die nächste Kaffeepause die beste Gelegenheit<br />

dazu.<br />

Der Klimapartner von Seezeit Studierendenwerk<br />

Bodensee: www.climatefair2go.de.<br />

Für Klimaschutz-Projekte abstimmen oder Vorschläge<br />

einbringen: www.klimaschutzplus.org/K+TT-list.php#85<br />

Seezeit


22<br />

campus<br />

festival<br />

9. & 10. juni 2017<br />

uni-wald konstanz<br />

Die orsons<br />

bosse • ok kid<br />

Moonbootica<br />

feat. südwestdeutsche philharmonie<br />

das lumpenpack • giant rooks<br />

redensart • Dobré<br />

the Sound monkeys • Uni-bigband<br />

elektrostage<br />

Poetry Slam<br />

SWR3-Aftershow


23<br />

Finanzielle Fördermöglichkeiten von Seezeit:<br />

Wenn’s mal wieder brennt<br />

T: Phillip Horch I: Caroline Weigele<br />

Geld ist ein leidiges Thema. Vor allem als Student. Der<br />

Mietspiegel liegt bei weitem außerhalb des finanziellen<br />

Horizonts, der Semesterbeitrag will bezahlt werden – wenn<br />

dann noch die Nebenkostenabrechnung kommt, kann es<br />

schon mal eng werden. In ganz akuten wirtschaftlichen<br />

Notsituationen kann man sich an Seezeit wenden.<br />

Nothilfe von Seezeit<br />

Wenn ihr nachweislich nicht gänzlich Schuld an eurer<br />

finanziellen Misere tragt und bisher erfolgreich studiert<br />

habt, könnt ihr mit bis zu 300 Euro monatlich unterstützt<br />

werden. Getragen werden die Kosten dafür von Seezeit. Im<br />

vergangenen Jahr förderten der Verein der Ehemaligen der<br />

Universität Konstanz e.V. (VEUK) sowie der Rotary Club<br />

Studierende. Dauerhaft geht das leider nicht, doch immerhin<br />

bis zu drei Monate. Ihr müsst dazu lediglich einen Antrag<br />

ausfüllen, eure Notlage beschreiben und einige Nachweise<br />

zum Einkommen erbringen. Das bringt ihr dann alles<br />

persönlich bei der Sozialberatung von Seezeit vorbei. Ein<br />

Gremium entscheidet dann letztlich darüber, ob ihr unterstützt<br />

werdet oder nicht.<br />

Bisherige Förderungen<br />

Die Gründe, um für eine Förderung in Frage zu kommen,<br />

können individuell abweichen. Im vergangenen Jahr waren<br />

das z.B. erhöhte medizinische Kosten, Wegfall des Nebenjobs<br />

in der Prüfungsphase, die Geburt eines Kindes oder<br />

Probleme mit der Anrechnung von Kursen der ausländischen<br />

Heimatuniversität. Insgesamt wurden im letzten Jahr 21<br />

Anträge bewilligt. Die Rückmeldungen zur Nothilfe sind<br />

durchweg positiv – so konnten durch die finanzielle Entlastung<br />

bessere Abschlussarbeiten verfasst werden, da die<br />

Studierenden nicht mehr nebenher arbeiten mussten.<br />

Härtefonds & Freitisch<br />

Eine weitere Möglichkeit der finanziellen Unterstützung<br />

ist der Härtefonds. Dabei handelt es sich um ein zinsloses<br />

Darlehen von insgesamt bis zu 2.000 Euro, das in Notlagen<br />

Hilfe bieten kann, meist zum Studienende. Wenn außerdem<br />

der Magen knurrt, kann man bei Seezeit einen Freitisch<br />

beantragen. Seit vielen Jahren fördert die Universitätsgesellschaft<br />

e.V. dadurch bedürftige Studierende der Uni Konstanz.<br />

Wenn man nachweist, dass man ungenügend finanzielle<br />

Mittel hat, stellt man einen Antrag in der Sozialberatung.<br />

Wird dieser bewilligt, kann man in der Seezeit Mensa<br />

kostenlos zu Mittag essen.<br />

Mehr Infos unter: www.seezeit.com/geld/<br />

finanzierungshilfen/<br />

UniCard: Alles, was man zum<br />

Studieren braucht, in einer Karte<br />

Seezeit<br />

Der neue Studierendenausweis ist da! Die größten<br />

Neuerungen sind wohl, dass ab jetzt ein Bild integriert wird<br />

und das Ganze jetzt praktischerweise als UniCard bezeichnet<br />

wird. Hinzu kommt die Möglichkeit, dass man von nun an<br />

mit den Ausweisen sowohl in der Mensa als auch an den<br />

Kopierern bezahlen kann – die alte Mensakarte wird also<br />

überflüssig. Außerdem ist geplant, dass man mit den<br />

UniCards bald auch die Bibliotheksschränke auf B4 und N6<br />

öffnen kann. Bücher ausleihen kann man mit der neuen<br />

Karte nach wie vor. Die kommenden Erstis werden diesen<br />

Wechsel naturgemäß nicht wahrnehmen. Für alle anderen<br />

gilt: Im Laufe des Semesters könnt ihr eure alten Ausweise<br />

gegen neue austauschen.<br />

Die alten Karten können dafür selbstverständlich zurückgegeben<br />

werden – euer Restguthaben und euren Pfand<br />

bekommt ihr dann ausgezahlt. Was dabei allerdings zu<br />

beachten ist: Wenn ihr noch Kopierguthaben auf euren<br />

Karten habt, müsst ihr euch selbiges im Canon Center<br />

ausbezahlen lassen. Es handelt sich nämlich beim Kopierund<br />

Mensaguthaben um zwei unterschiedliche Konten.<br />

Mehr Infos unter: www.uni.kn/unicard


24<br />

Tipp-Seite<br />

T: Julia Horn I: Caroline Weigele<br />

Lust auf Elektro?<br />

Oder doch lieber Jazz?<br />

Bella Italia im<br />

Bildungsturm<br />

Heilige Bohne!<br />

Ehrenamt gesucht?<br />

Für alle mit großen<br />

Plänen<br />

Der Mai bietet<br />

beides! Beim<br />

GuteZeit-Festival<br />

am 27. Mai kommen<br />

Anhänger der<br />

elektronischen<br />

Musik im Bodenseeforum<br />

voll auf<br />

ihre Kosten<br />

– Early Bird<br />

Tickets sind<br />

bereits ausverkauft.<br />

Für alle La La<br />

Land-Inspirierten<br />

empfiehlt sich<br />

Jazz Downtown am<br />

6. Mai: Über 20<br />

Bands jazzen in<br />

Kneipen und Lokalen<br />

in der<br />

Altstadt, die<br />

After-Show-Party<br />

steigt im K9.<br />

Auf eine „italienische<br />

Reise“<br />

werden alle mitgenommen,<br />

die<br />

sich die gleichnamige<br />

Fotoausstellung<br />

im BildungsTURM<br />

ansehen – dabei<br />

wird nicht nur<br />

von Stadt zu<br />

Stadt gereist,<br />

sondern auch<br />

zurück ins 19.<br />

Jahrhundert. Zur<br />

Vernissage laden<br />

die Professoren<br />

Bernd Stiegler<br />

und Felix Thürlemann<br />

sowie alle<br />

Studierenden des<br />

Projektseminars<br />

am 29. April ein.<br />

Besonders toll:<br />

die Genre-Aufnahmen<br />

von Neapel!<br />

Frisch belegte<br />

Sandwiches mit<br />

hausgemachten<br />

Cremes, Crêpes<br />

und Frühstück<br />

gibt es seit<br />

Anfang des Jahres<br />

im „Holy Bean“<br />

am Petershauser<br />

Bahnhof – das<br />

Fazit: Lecker!<br />

Eine schicke<br />

Sitztreppe à la<br />

Il Boccone gibt<br />

es auch.<br />

Dann ist das<br />

Mentorenprogramm<br />

„Balu und Du“<br />

genau das Richtige:<br />

Studierende<br />

betreuen als Balu<br />

ihr persönliches<br />

Mogli: ein Kind<br />

aus schwierigen<br />

Verhältnissen,<br />

ein Treffen pro<br />

Woche, ein Jahr<br />

lang – eine gute<br />

Sache für beide.<br />

Kleine Motivationshilfe:<br />

Neun<br />

ECTS springen<br />

dabei auch heraus.<br />

Ob zur Verbesserung<br />

der Lehre,<br />

im kulturellen<br />

oder sozialen<br />

Bereich: für<br />

studentische<br />

Projekte gibt es<br />

an der Uni vielfältige<br />

Fördermöglichkeiten.<br />

Dazu gehören<br />

zum Beispiel die<br />

Fördertöpfe der<br />

Fachschaftskonferenz<br />

und des<br />

Studierendenparlaments,<br />

die<br />

Unterstützung<br />

durch den Verein<br />

der Ehemaligen<br />

oder auch eine<br />

Zusammenarbeit<br />

mit einem<br />

AStA-Referat.<br />

Einfach mal<br />

anfragen!


25<br />

Stichwort: Wegwerfgesellschaft<br />

Ein Einblick in lokale Upcycling-Projekte<br />

Die Aufwertung scheinbar<br />

nutzloser Textilien und<br />

anderer Materialien liegt im<br />

Trend. Upcycling ist schon<br />

lange kein Randphänomen<br />

mehr.<br />

Die Ästhetik spielt eine zunehmend<br />

größere Rolle bei der Verwandlung<br />

alter oder ungebrauchter Materialien.<br />

Mit Sicherheit könnte despektierlich<br />

gefragt werden, ob die Auseinandersetzung<br />

mit Upcycling nicht die gewissenserleichternde<br />

Wohlstandbeschäftigung<br />

westlicher Mittelständer mit erhöhtem<br />

Individualanspruch ist. Doch hinter der<br />

Idee des Upcyclings, welcher sich<br />

manche Kreative verschrieben haben,<br />

steckt mehr als die reine äußere Hülle<br />

des Produkts preisgibt.<br />

„Wenn man in den Supermarkt<br />

geht, gibt es trotz des Upcycling-Trends<br />

immer noch viele<br />

Menschen, die Plastiktüten<br />

kaufen.<br />

Hierbei fallen, auch hier in Konstanz,<br />

Unmengen an Plastikabfällen an,<br />

die in der weiteren Verarbeitung<br />

verbrannt oder geschmolzen werden<br />

müssen und somit unnötig Schadstoffe<br />

erzeugen. Um diese Abfälle zu reduzieren,<br />

haben Sabine und ich uns überlegt,<br />

ob wir es schaffen können, Taschen zu<br />

entwerfen, die mehr Wertigkeit haben<br />

als der herkömmliche Jutebeutel, der<br />

meistens zerknüllt zu Hause liegen<br />

bleibt.“ Michael Speichert und Sabine<br />

Kohlöffel gründeten vor Kurzem das<br />

Label ‚upcraft’. ‚upcraft’ ist eines von<br />

zwei Upcycling-Labels in der Region,<br />

dessen Ideen und Visionen hier skizziert<br />

werden sollen: Zum einen zwei<br />

junge, design-orientierte Studierende,<br />

zum anderen der Wohlfahrtsverband<br />

Caritas mit dem deutschlandweiten<br />

Upcycling-Label ‚EiNZIGWARE’ – dass<br />

diese Trennung keineswegs eine<br />

Gegenüberstellung ist, ergibt sich aus<br />

dem beidseitigen, ganzheitlichen<br />

Interesse und Anspruch der Projekte.<br />

Upcraft: Sabine Kohlöffel<br />

und Michael Speichert<br />

Website<br />

www.upcraft.de<br />

Facebook<br />

upcyclingmeetscraftsmanship<br />

Instagram<br />

upcraft_the_label<br />

Kultur<br />

Upcraft<br />

‚upcraft’ steht für ‚Upcycling meets<br />

Craftsmanship’. Im Rahmen ihrer<br />

Bachelor-Thesis entwickelten Speichert<br />

und Kohlöffel das Konzept, aus<br />

übriggebliebenen Stoffresten namhafter<br />

Textilhersteller eigene Taschen zu<br />

entwerfen. Kohlöffel arbeitete vor<br />

ihrem Studium bereits für Designer wie<br />

Vivienne Westwood in London, ist<br />

Schneidereimeisterin und beschäftigte<br />

sich schon vor der gemeinsamen<br />

Bachelor-Thesis mit Upcycling. Aus<br />

verschiedenen (Metall-)Teilen fertigte<br />

sie Ketten, die nun unter anderem als<br />

Henkel für die ‚upcraft’-Taschen im<br />

Einsatz sind. Speichert begann sein<br />

Studium des Kommunikationsdesigns<br />

in Sydney, wo er gleichzeitig als<br />

Grafikdesigner für ein australisches<br />

Fashion Label arbeitete.


26<br />

T: Julia Kohushölter<br />

Im dritten Semester kam er nach<br />

Konstanz, wo ihm Sabine Kohlöffel<br />

schnell eine gute Freundin wurde. Im<br />

Praxissemester skypten die beiden<br />

regelmäßig miteinander und zwischen<br />

Kopenhagen und New York entwickelten<br />

sie die Idee eines Upcycling Labels,<br />

mit dem Fokus auf der Produktion von<br />

hochwertigen Taschen für den täglichen<br />

Gebrauch. Ausschlaggebend war ein<br />

alter, verbrauchter Jutebeutel, den<br />

Speichert tagtäglich mit sich durch New<br />

York trug. „So hat die Ideenfindung<br />

quasi angefangen.<br />

Uns war schnell klar, dass wir die<br />

Thesis zusammen machen wollen, weil<br />

wir uns in verschiedenen Bereichen<br />

ergänzen. Sabine ist sehr gut im<br />

handwerklichen Bereich und ich habe<br />

meine Stärken im digitalen Bereich, da<br />

ich dort meine Erfahrungen aus dem<br />

Praktikum einsetzen kann.“<br />

Im Rahmen der Bachelor-Thesis<br />

produzierten sie 21 Taschen und circa<br />

50 Ketten. Bisher gibt es die Taschen in<br />

drei Ausführungen. Das Design ist<br />

minimalistisch, der Fokus liegt auf den<br />

hochwertigen Textilien. Im Gegensatz<br />

zu vielen anderen Upcycling-Projekten<br />

sind die Materialien der ‚upcraft’-Taschen<br />

zum größten Teil unbenutzt. Was<br />

jedoch keinesfalls dem Nachhaltigkeitsgedanken<br />

widerspricht, dem sich<br />

auch ‚upcraft’ verschrieben hat:<br />

Die Stoffe sind Restmaterialien<br />

großer Firmen, die die beiden<br />

kontaktieren.<br />

Teilweise zum Entwurf von Prototypen<br />

bestellt, landen unbenutzte Stoffmengen<br />

im Müll. „Wir leben in einer<br />

Wegwerfgesellschaft“, resümiert<br />

Speichert. Mit ‚upcraft’ wollen sie ihren<br />

Teil zu einer Gegenbewegung beitragen,<br />

die Nachhaltigkeit mit modernem,<br />

fortschrittlichen Design, hochwertiger<br />

Verarbeitung und individuellen Produkten<br />

verbindet.<br />

Ihre Zielgruppe sind Menschen,<br />

denen diese Symbiose wichtig ist. Bald<br />

soll die offizielle Website starten, über<br />

die sie ihre Taschen anbieten werden.<br />

EiNZIGWARE<br />

Die Freiburger Agentur qu-int.<br />

entwarf 2015 für die Caritas das Label<br />

‚EiNZIGWARE’. Produziert werden<br />

auch hier Unikate.<br />

Auf der gemeinsamen Homepage<br />

finden die verschiedenen Caritas-Einrichtungen<br />

bundesweit zusammen, hier<br />

präsentieren die jeweiligen Niederlassungen<br />

ihre neusten Schöpfungen – von<br />

Möbeln über Taschen bis hin zu<br />

Schmuck und vielem mehr.<br />

Das Besondere an EiNZIGWARE ist<br />

die Integration durch Arbeit: In der<br />

Konstanzer Niederlassung, dem<br />

Seewerk III, finden Menschen mit<br />

psychischen Problemen eine Arbeitsstelle.<br />

Vor einigen Monaten kam zu der<br />

laufenden Wäscherei und den bewährten<br />

Montagegruppen eine Nähstube<br />

hinzu – samt einer Verantwortlichen, im<br />

EiNZIGWARE-Sprech ‚Warenmeisterin’<br />

genannt.<br />

Zum Interview-Termin drapierten<br />

der Standortleiter Sebastian Sohn sowie<br />

die Warenmeisterin Ivanna Stoljar<br />

einige der Upcycling-Arbeiten auf<br />

einem großen Tisch. Sichtlich stolz<br />

sitzt Stoljar dahinter und präsentiert<br />

unterschiedlichste Fabrikate. Ihre<br />

Energie und Leidenschaft ist förmlich<br />

greifbar. Die vielen bunten Unikate<br />

reichen von Taschen bis zu kleinen<br />

Stoffhasen und -bären. Die neuste<br />

Kreation entwickelte Stoljar noch am<br />

selben Morgen: Ein kleines Mäppchen<br />

für Visitenkarten.<br />

Benutzt werden unter anderem alte<br />

Kleidungstücke aus den Second-Hand<br />

-Kaufhäusern der Region, genannt<br />

‚Fairkauf’.<br />

Seit der Gründung der Nähstube im<br />

Seewerk findet sie zunehmend Anklang<br />

bei den Mitarbeitenden. Anfangs<br />

herrschten Zweifel darüber, ob die<br />

Mitarbeitenden die motorischen<br />

Fähigkeiten bzw. die nötige Konzentration<br />

aufrechterhalten könnten um kleinteilige<br />

Näh- und Strickarbeiten durchzuführen<br />

– doch Frau Stoljars Elan<br />

belehrte sie allesamt eines Besseren.<br />

Ihr Talent erbte sie von ihrer Mutter<br />

– vor sechs Jahren kam Stoljar aus der<br />

Ukraine nach Deutschland, doch ihre<br />

Wurzeln schenkten ihr die künstlerische<br />

Gabe, aus alten Stoffresten und<br />

vielem mehr wunderschöne Einzelstücke<br />

herzustellen.<br />

Von ihrer Erfahrung profitieren<br />

die Mitarbeitenden und<br />

kreieren kleinere und größere<br />

Unikate,<br />

von denen erste Teile 2018 in einer<br />

Ausstellung auf der Insel Mainau zu<br />

sehen sein sollen.<br />

Denn dort, im Barockschloss, findet<br />

noch jährlich die Frühlingsausstellung<br />

statt, die neben Arbeiten lokaler<br />

Künstler auch die Möbel eines Projekts<br />

beinhaltet, das bereits vor dem Label<br />

EiNZIGWARE entstand: CreAktiv.<br />

CreAktiv<br />

Seit dem Start des Upcycling-Projekts<br />

im Jahr 2008 ist Heide Riedle die<br />

künstlerische Anleiterin. Das Ziel von<br />

CreAktiv war von Anfang an speziell<br />

die Betreuung arbeitsloser Menschen<br />

und ihre Integration in den ersten<br />

Arbeitsmarkt.<br />

Auch CreAktiv ist eng mit Fairkauf<br />

verbunden: Möbeln aus Spenden oder<br />

Haushaltsauflösungen nimmt sich das<br />

Team von CreAktiv an. Sie schleifen,<br />

streichen, reparieren und verbessern<br />

Möbel, die andernfalls im Schrott<br />

gelandet wären. Vom Endresultat der<br />

jährlichen Ausstellung ist nicht nur die<br />

Gräfin Diana Bernadotte begeistert:<br />

„Das finde ich auf der Mainau<br />

immer schön, dass die<br />

Menschen dort im Publikum<br />

sind und mitbekommen, wie<br />

gut ihre Möbel ankommen.<br />

Das tut der Seele gut und das tut<br />

den Menschen gut. Es werden Barrieren<br />

abgebaut, Berührungsängste. Es sind<br />

nicht ‚die Arbeitslosen’ oder ‚die<br />

Behinderten’, es sind behinderte<br />

Menschen, arbeitslose Menschen, es<br />

sind alles Menschen!“, so Frau Riedle.<br />

Etwas zu erschaffen, das öffentlich<br />

auf äußerst positive Resonanz stößt,<br />

steigere das Selbstwertgefühl. Zwischen<br />

sechs und acht Menschen sind momentan<br />

in einer Schreinerwerkstatt im<br />

Fairkauf Singen angestellt – mal mit<br />

mehr, mal ganz ohne jegliche Vorkenntnisse.<br />

Jeden Tag wird dort<br />

gearbeitet, jede Person im eigenen<br />

Tempo: „Wir hatten auch schon<br />

jemanden, der konnte nicht stehen. Er<br />

hatte zwei Beinprothesen und saß dann<br />

und hat geschliffen. Wir finden immer<br />

eine Möglichkeit, sich einzubringen“.<br />

Während der Ausstellung können<br />

die Möbel direkt vor Ort gekauft<br />

werden, später vor allem im Fairkauf in<br />

Singen. Die Preise sind äußerst moderat,<br />

das Material ist Vollholz (kein<br />

Pressspan) und viele der Möbel wurden<br />

nach dem Abschleifen weiß lasiert. Für<br />

Riedle, aber auch für die Nähwerkstatt<br />

im Seewerk ist es wichtig zu betonen,<br />

dass in den Second-Hand-Kaufhäusern<br />

von Fairkauf jeder einkaufen kann.<br />

Studierende können hier nicht nur<br />

Kleidung und Mobiliar sämtlicher Art<br />

spenden, sondern auch liebevoll<br />

überarbeitete Möbel, Deko-Objekte und<br />

vieles mehr erwerben.<br />

Ein Laden in Konstanz ist in<br />

Planung. In diesem sollen – genau wie<br />

in der Ausstellung auf der Mainau –<br />

aufgewertete Möbel mit Dekorationsund<br />

Gebrauchselementen künftig<br />

langfristig zusammenkommen.<br />

Nach Interviews mit vier Verantwortlichen<br />

unterschiedlicher<br />

Upcycling-Projekte der Region<br />

lässt sich eines festhalten:<br />

Die vielen kreativen Köpfe hinter<br />

hiesigen Projekten stehen für mehr<br />

Verantwortung. Verantwortung, die sich<br />

durch die kreative und hochwertige<br />

Aufwertung ansonsten vergeudeter<br />

Materialien auszeichnet, durch den<br />

Extraaufwand, durch den sie an diese<br />

Stoffe gelangen und dabei ihr eigenes<br />

Bewusstsein für den Massenkonsum<br />

schärfen.<br />

Sie stehen dadurch auch für mehr<br />

Nachhaltigkeit, für die Langlebigkeit<br />

ihrer Produkte, für die Wertschätzung<br />

nicht nur des Endresultats, sondern der<br />

gesamten Produktionskette.<br />

Mit ihren Upcycling-Produkten<br />

wollen sie mehr: Sie geben ihren<br />

Produkten und Textilien einen Mehrwert,<br />

geben Menschen sinnvolle<br />

Beschäftigung und erschaffen dabei<br />

Einzelstücke in Zeiten der viel beschimpften<br />

Wegwerfgesellschaft.


27<br />

F: oben von Theresa Gielnik, unten von CreAktiv<br />

Einzigware: Ivanna Stoljar<br />

EINZIGWARE<br />

Website<br />

www.einzigware.de<br />

Adresse<br />

Fairkauf Konstanz<br />

Gartenstr. 48<br />

78462 Konstanz<br />

CreAktiv<br />

Adresse<br />

Fairkauf Singen<br />

Im Haselbusch 16<br />

78224 Singen<br />

CreAktiv: Heide Riedle<br />

Mehr zur Frühlingsausstellung<br />

auf der Insel Mainau 2016:<br />

www.mainau.de/de/event-detail<br />

/fruehlingsausstellung-2016.html<br />

Kultur


28<br />

F: oben von Victoria Jung, unten von Nicolai Eckert<br />

T: Ilka Glückselig<br />

Wirt Michael Fröhlich („Mischa“)


29<br />

Gesichter sehen, Menschen kennen<br />

Kultur<br />

Im Konstanzer Schnetztorstüble kennen sich die<br />

Gäste. Doch wie reagieren die Besucher auf Studenten<br />

in ihren heiligen Hallen? Die <strong>Campuls</strong> blickt für<br />

euch hinter den Tresen einer traditionellen Konstanzer<br />

Kneipe und spricht mit dem Besitzer des<br />

Schnetztorstübles, Michael Fröhlich, über das<br />

Tagesgeschäft, seine Erfahrungen mit den Gästen<br />

und darüber, was ihm nach all den Jahren im<br />

Wirtshaus-Geschäft täglich Freude bei der Arbeit<br />

bereitet.<br />

Ein Blick durch die Fenster in den Innenraum des<br />

Schnetztorstübles macht deutlich: die Kneipe ist randvoll.<br />

Beim Eintreten läuft Hotel California von den Eagles.<br />

Rauchfäden sch<strong>web</strong>en in der Luft. Es ist Montagabend und<br />

die Stimmung ist gut. Die Barhocker an den Tresen sind<br />

allesamt besetzt und auch an den wenigen Tischen sitzen<br />

Gäste – ausschließlich Männer. Der Besitzer Michael<br />

Fröhlich kommt auf uns zu und begrüßt uns herzlich. Auch<br />

die restlichen Gäste heißen uns willkommen. „Von der<br />

Uni-Zeitung, aha. Ein Artikel über uns, sehr schön!“ Studentische<br />

Gäste sind hier keine Alltäglichkeit und fallen auf.<br />

Während wir auf Mischa waren, wie Herr Fröhlich genannt<br />

wird, bestellen die Herumsitzenden fleißig Bier. Rothaus,<br />

Maisel und Alpirsbacher werden im Schnetztorstüble<br />

ausgeschenkt. Ein Gast am Tresen setzt lautstark zu Beschwerden<br />

an. Über welche Ungerechtigkeit er sich tatsächlich<br />

aufregt, ist schwer entzifferbar, da seine Artikulation<br />

nach beträchtlicher Menge Alkohol nicht mehr recht funktionieren<br />

mag und seine Stimme zittrig ist. Vermutlich wird er<br />

seit einigen Stunden an derselben Stelle gesessen haben,<br />

stets ein Glas Bier vor sich. Für seine betrunkene Kontroverse<br />

scheint sich jedoch im Stüble niemand zu interessieren.<br />

Die Atmosphäre bleibt entspannt. Mit vereinzeltem Schmunzeln<br />

oder einem beruhigenden „Jetzt reicht es aber mal<br />

langsam“ wird versucht, den Störenfried zu besänftigen.<br />

Mischas Frau, die sich um den Service kümmert, gibt ihm<br />

schließlich einen ordentlichen Rüffel. Von ihr wird er heute<br />

Abend keinen Alkohol mehr bekommen. „Schlägereien gibt<br />

es schon auch, aber kommen selten vor“, erklärt Mischa.<br />

Wenn sich ein Gast nicht anständig benimmt fliegt er raus,<br />

so der Wirt. Jener Gast verlässt dieses Mal jedoch freiwillig<br />

das Lokal, torkelt vor der Tür noch etwas herum und tritt<br />

dann den Heimweg an.<br />

Seit rund 50 Jahren ist das Schnetztorstüble nun eine<br />

Anlaufstelle für Freunde der Bierkultur. In den 60er Jahren<br />

gegründet und bereits von einigen Pächtern geführt, ist<br />

Mischa seit 2009 Besitzer. Als ehemaliger Inhaber des<br />

Hardrock Nachtlokals „Easy“ sowie der Bierstube zur Laube<br />

bis vor zwei Jahren kennt er sich im Konstanzer Kneipengeschäft<br />

gut aus. Probleme mit der Stadt hatte Mischa noch<br />

nie. Ohne Ruhetag ist der Laden täglich von 9-1 Uhr und am<br />

Wochenende bis 3 Uhr geöffnet – Mischa liebt seine Arbeit.<br />

Im Schnetztorstüble setzt er vor allem auf Sport und gute<br />

Musik. Hauptsächlich Fußball, aber auch Formel 1 oder<br />

Wintersport laufen im Stüble. „Samstagnachmittags, wenn<br />

Bundesliga läuft, ist der Laden knackevoll“, erklärt ein<br />

Stammgast. Wenn er die Gäste mit Gläsern vor der Tür<br />

stehen sieht, weiß er bereits Bescheid.<br />

Politische Zwischenrufe, derbe Witze oder ein<br />

gerauntes „Ha, im Brigantinus habe ich Hausverbot!“<br />

– im Schnetztorstüble herrscht rustikales Treiben.<br />

Doch wer sind die Gäste der Kneipe? Was führt sie<br />

regelmäßig an diesen Ort?<br />

„Zu 70-80% lebst du von Stammkunden, das ist ganz<br />

klar“, erklärt Mischa. Er kennt seine Gäste und ihre Macken<br />

und weiß, wie sie reagieren und wann Schluss sein sollte mit<br />

dem Trinken. „Er hier, der lange Harald*“, Mischa zeigt auf<br />

einen sehr hochgewachsenen Mann am Tisch schräg gegenüber,<br />

„ihn kenne ich seit gut 35 Jahren, er war schon Stammgast<br />

bei mir im Easy. Der Harald wohnt zwei Straßen weiter<br />

und ihn kann ich unbedarft heimgehen lassen – der kommt<br />

immer heim! Ab und zu fliegt er zwar mal vom Barhocker<br />

und hat sich sogar einmal die Schulter gebrochen. Aber er<br />

kam immer zu Hause an.“<br />

Nach einem langen Arbeitstag oder wenn es noch nicht<br />

heim gehen soll, treffen sich die bekannten Gesichter bei<br />

Mischa im Laden. „Man respektiert sich hier gegenseitig.<br />

Wir sind wie eine Familie“, berichtet ein Gast und zieht<br />

genüsslich an seiner Zigarette. Er und ein weiterer Mann<br />

sitzen mit am Tisch und pflichten Mischas Antworten<br />

tatkräftig bei. „Die Stammgäste kennen den Laden fast<br />

besser als ich“, bekennt der Wirt. „Einige kommen schon<br />

seit den Gründungsjahren hierher“. Eine gute Beziehung zu<br />

seinen Besuchern liegt Mischa besonders am Herzen. Der<br />

Mann strahlt eine Ruhe aus – als Kneipenbesitzer hat er<br />

schon einiges gesehen. Eine enge Bindung zu seinen Gästen<br />

erklärt Mischa gleichzeitig als Garant für einen gut laufenden<br />

Laden. Zwischen den Fragen macht er ein paar Witze mit<br />

den beiden Männern am Tisch. „Die Arbeit macht einfach<br />

Spaß!“ Zu einer festen Tradition gehört im Schnetztorstüble<br />

seit geraumer Zeit die donnerstägliche Skat-Runde. In einer<br />

festen Gruppe spielen die Stammgäste bis in die Nacht<br />

hinein. An diesem einen Abend in der Woche kocht Mischas<br />

Frau, denn an den restlichen Tagen wird nur flüssige<br />

Nahrung angeboten.<br />

Wie reagiert die eingespielte Gruppe im Stüble auf<br />

Studenten? Gutes Bier, Spielautomaten und Fußball<br />

ziehen auch jüngere Gäste an. „Mit Studenten passt<br />

es einwandfrei“, so Mischa. „Schon in der Bierstube<br />

lief das super“ und er erhält einstimmiges Nicken<br />

von der ringsum sitzenden Kundschaft.<br />

Die Altersspanne schätzt er ganz grob zwischen 20 und<br />

80 Jahren ein. Im Stüble trinken Jung und Alt zusammen.<br />

Gerne hätte der Wirt auch wieder eine studentische Servicekraft<br />

und berichtet von einer Soziologie-Studentin, die zehn<br />

Jahre für ihn gearbeitet habe und noch heute gelegentlich im<br />

Stüble vorbeischaue. „Mit Studenten habe ich gute Erfahrungen<br />

gemacht.“ Er habe auch schon Ausschreibungen rausgeschickt,<br />

aber keine Rückmeldungen erhalten. „Es ist schade,<br />

aber die jungen Leute wollen lieber in diesen Schicki-Micki-Lokalen<br />

arbeiten wie im Deli oder im Brigantinus“, stellt<br />

Mischa fest. Gewiss geht es im Stüble ruppiger zu. Mit<br />

zunehmender Stunde steigt auch die Geräuschkulisse. Die<br />

eigene Stimme muss mitziehen, um nicht in dem Gegröle<br />

unterzugehen.<br />

Vom Tresen aus ruft ihm seine Frau etwas zu und kurz<br />

widmet der Wirt ihr seine volle Aufmerksamkeit. Auf die<br />

Frage, was ihn an seinem Job fasziniere und ihn täglich neu<br />

ermutige weiterzumachen nennt er „die Vielfalt der Menschen,<br />

mit denen man zu tun hat. Es gibt natürlich auch<br />

Leute, die dir nicht so gelegen sind, aber die kannst du ja<br />

hinaus bugsieren“. Mischa hat ein nettes Team, arbeitet mit<br />

seiner Frau zusammen und ist alles in allem sehr zufrieden.<br />

„Natürlich gibt es Hochs und Tiefs, aber bei uns überwiegen<br />

die Hochs“, erklärt er. Schon viele Freundschaften seien<br />

über die Jahre entstanden und so macht Mischa mitunter<br />

auch Krankenbesuche bei seinen Stammkunden. „Na, habt<br />

ihr jetzt verstanden, worum es hier geht, warum wir so gerne<br />

und oft wiederkommen?“, fragt einer der beiden Männer am<br />

Tisch. Es sind die bekannten Gesichter, die Menschen<br />

dahinter und das Vertraute, die zum Zurückkehren beitragen.<br />

Und die Geselligkeit, die Liebe zum Bier und die gute<br />

Stimmung, wenn zum Beispiel der favorisierte Fußballverein<br />

gewonnen hat. Wer die Atmosphäre im Schnetztorstüble<br />

selbst miterleben will, kommt um einen Besuch nicht herum.<br />

Sich ein eigenes Bild von einer der ältesten Konstanzer<br />

Kneipen zu machen ist sicher eine Erfahrung wert. Auf<br />

qualmige Luft, und „schlechte“ Witze (vor allem als Frau)<br />

sollte man zwar gefasst sein, aber es wird ein spaßiger<br />

Abend werden. „Kommt gerne wieder und bringt nächstes<br />

Mal eure Kollegen mit“, ruft Harald uns beim Hinausgehen<br />

zu.<br />

* Name von der Redaktion geändert


30<br />

Zwei Seelen<br />

T: Kolumne von Marc-Julien Heinsch<br />

I: Caroline Weigele<br />

-<br />

Meine Generation wächst mit<br />

Überfluss in allen Lebensbereichen<br />

auf. Alles muss sofort<br />

verfügbar und am besten perfekt<br />

sein. Das führt dazu, dass die<br />

kleinen Dinge nicht mehr<br />

geschätzt werden und meine<br />

Altersgenossen und ich nicht<br />

mehr bereit sind, für das<br />

Alltägliche zu kämpfen.<br />

So zumindest die Diagnose einer 77<br />

Jahre alten Dame. Ich traf sie im Rahmen<br />

einer Recherche. Wir sprachen über die<br />

großen Themen: Liebe, Beziehung und<br />

überhaupt das, was man in der Rückschau<br />

ein gelungenes Leben nennen würde. Und<br />

dann meine Frage: Was ist der zentrale<br />

Unterschied zwischen unseren Generationen?<br />

Ihre Antwort traf präzise wie ein<br />

Leberhaken.<br />

Hatte sie Recht? Ist sie Kind einer<br />

guten alten Zeit, von der meine Altersgenossen<br />

und ich ausgeschlossen sind?<br />

Einer Zeit frei von „digitalem ADHS“ und<br />

der Maximierung des „Du verpasst gerade<br />

etwas Gigantisches du Trottel“-Gefühls?<br />

Diese gute alte Zeit – ein Begriff, bei dem<br />

man immer skeptisch werden sollte<br />

– bedeutete die nicht auch fixe Schichtzugehörigkeit,<br />

starre Geschlechterrollen<br />

und einen vorgezeichneten Lebensweg?<br />

Was hätte das für mein Leben bedeutet?<br />

Nun, zunächst einmal: Arbeiterkind, also<br />

selbst auch Arbeiter in der Autofabrik,<br />

die meine Heimatstadt überwuchert wie<br />

ein riesiges, stahlgraues Krebsgeschwür.<br />

SPD-Wähler qua Geburt, liberale Ansichten,<br />

aber kein Bildungshaushalt – Akademiker<br />

im Familienkreis? Eher nicht.<br />

Mann, also mit Mitte 20 Ehemann und<br />

Vater. Ein Haus kaufen, nur ein paar<br />

Straßen vom Elternhaus entfernt. Die<br />

eigenen Kinder besuchen dieselbe Schule<br />

wie man selbst und die eigenen Eltern<br />

davor. Schließlich alt werden, sterben<br />

und in dem Grab beerdigt werden, in dem<br />

man die eigenen Eltern und die ihre<br />

Eltern davor beerdigt haben.<br />

In Goethes Faust heißt es: „Zwei<br />

Seelen wohnen, ach! in meiner Brust, Die<br />

eine will sich von der andern trennen.“<br />

Einerseits spüre ich die Anziehung, die<br />

solche Beschaulichkeit auf mich ausübt.<br />

Heimat, Familie, Altbekanntes, wohlig<br />

Warmes, in das man sich einkuscheln<br />

kann und an dem man sich nicht aufreiben<br />

muss. Der erdige Geruch von Ursprünglichkeit<br />

und der Drang, an einem<br />

Ort Wurzeln zu schlagen, wie ein kluger<br />

alter Baum. Und dann ist da mein<br />

Seelenteil, der kotzen möchte, ob des<br />

Muffs dieser – vor allem anderen – alten<br />

und verklärten Zeit. Dieser Teil meines<br />

Ichs ist getrieben von dem Wunsch,<br />

einmal möglichst weit weg von jenem<br />

Familiengrab seine Ruhe zu finden. Nun<br />

ist aber beides da. Mein innerer Kulturkritiker<br />

liegt im ewigen Clinch mit meinem<br />

progressiven Utopisten-Ich. Und mit<br />

diesem inneren Zwist bin ich nicht allein.<br />

Katastrophale Gegenwartsdiagnosen<br />

ziehen sich durch alle Epochen menschlicher<br />

Geistesgeschichte ebenso wie das<br />

andere Extrem, die Verurteilung der<br />

Vergangenheit und der sture, weil als<br />

einzig möglicher erachtete Blick nach<br />

vorn. Die Klage über eine „Welt aus den<br />

Fugen“ (Frank-Walter Steinmeier) aber<br />

wird zur Zeit viel zu häufig und zu<br />

leichtfertig wiedergekäut und nimmt so<br />

überhand. Wir sollten nicht den Fehler<br />

machen, aus einem Gefühl der Haltlosigkeit<br />

zu schließen, dass wir das Rad der<br />

Zeit zurückdrehen und angeblich identitäts-<br />

und damit orientierungsstiftende<br />

Ordnungen wiederherstellen könnten und<br />

sollten.<br />

Für mich liegt der elementare Unterschied<br />

zwischen meiner Generation und<br />

der Generation der erwähnten älteren<br />

Dame darin, dass wir heute alle scheinbaren<br />

Wahrheiten in Frage stellen können.<br />

Das ist anstrengend, vielleicht anstrengender<br />

als sich an feste Welt-, Werte- und<br />

Rollenbilder zu halten. Dennoch lohnt es<br />

sich, dergestalt mündig zu sein und dieses<br />

Leben anzunehmen.<br />

Was fehlt uns dann aber, dass wir uns<br />

in einer aus dem Lot geratenen Welt<br />

wähnen? Woran es uns mangelt, und hier<br />

wage ich nun selbst eine Art kulturkritische<br />

Zeitdiagnose, ist keine alte Wahrheit<br />

im neuen Gewand, sondern ein Narrativ.<br />

Eines, das unserem Leben einen<br />

größeren Sinn verleiht als das bloße mehr<br />

und mehr im Leben als Konsument und<br />

Selbstoptimierer. In der Bewegung des<br />

Freischwimmens haben viele Generationen<br />

über die Jahre die beinahe totale<br />

Freiheit mit all ihren Licht- und Schattenseiten<br />

errungen. Dabei war es notwendig,<br />

verstärkt nach uns selbst zu schauen, und<br />

wir haben es als Teil unseres Lebens<br />

akzeptiert, ständig an uns zu arbeiten.<br />

Nun, da wir meinen, in diesem<br />

Prozess etwas Essentielles verloren zu<br />

haben, und beginnen, nach der guten<br />

alten Zeit zu lechzen, brauchen wir ein in<br />

die Zukunft gerichtetes Narrativ. Ohne ein<br />

solches sehe ich die Gefahr, dass die<br />

reaktionäre Seele in uns allen die Oberhand<br />

gewinnen könnte. Dieses Narrativ<br />

wird uns aber niemand ausformuliert<br />

vorlegen. Auch nicht Martin Schulz. Wir<br />

müssen es selbst schreiben. Wir sind jung<br />

und haben es in der Hand.


Seezeit hilft<br />

BAföG-Amt<br />

Gustav-Schwab-Straße 5<br />

78467 Konstanz<br />

Tel +49 7531 - 88 7265<br />

Fax +49 7531 - 88 7299<br />

bafoeg@seezeit.com<br />

Mo - Do 9.00 - 12.00<br />

+ 13.00 - 15.30 Uhr<br />

Service Center<br />

Erste Hilfe zu allen Seezeit-Themen.<br />

Uni Konstanz, Ebene A 5<br />

Tel +49 7531 - 88 7400<br />

Fax +49 7531 - 88 7444<br />

servicecenter@seezeit.com<br />

Mo - Do 9.00 - 15.30 Uhr<br />

Fr 9.00 - 13.30 Uhr<br />

Studentisches Wohnen<br />

Uni Konstanz, Ebene K 3<br />

studentisches.wohnen@seezeit.com<br />

Mo - Do 9.00 - 12.00<br />

+ 13.00 - 15.00 Uhr<br />

Fr 9.00 - 12.00 Uhr<br />

Sozialberatung<br />

PBS<br />

Für Fragen zu Studienfinanzierung,<br />

Studium mit Kind und barrierefreiem<br />

Studieren.<br />

Uni Konstanz, K 401<br />

Tel +49 7531 - 88 7305,<br />

vormittags erreichbar.<br />

sozialberatung@seezeit.com<br />

Sprechzeiten:<br />

Mo 9.30 - 11.30 Uhr im Service Center<br />

Di 9.30 - 11.30 Uhr in K 401,<br />

sowie nach Absprache.<br />

Psychotherapeutische Beratungsstelle<br />

für Hilfe & Beratung bei Krisen im Studium,<br />

psychischen und seelischen Problemen.<br />

Uni Konstanz, Ebene K 3, K 313 - 315<br />

Tel +49 7531 - 88 7310<br />

pbs@seezeit.com<br />

Anmeldezeiten:<br />

Mo + Mi + Fr 11.00 - 12.00 Uhr<br />

HTWG Konstanz<br />

Seitenanbau Gebäude G<br />

Tel +49 7531 - 88 7310/ -11<br />

tina.scheu@seezeit.com<br />

Anmeldezeiten:<br />

Mo + Mi + Fr 11.00 - 12.00 Uhr<br />

Sprechzeiten:<br />

Mi 17.00 - 18.00 Uhr<br />

Seezeit


32<br />

Wir kümmern uns.<br />

Sie suchen ein Zimmer oder einen Nebenjob?<br />

Sie haben Fragen zu BAföG oder Kinderbetreuung?<br />

Sie brauchen psychotherapeutische Beratung<br />

oder Hilfe bei der Studienfinanzierung?<br />

Oder Sie wollen einfach nur wissen,<br />

was es heute in der Mensa gibt?<br />

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