12.12.2012 Aufrufe

Frei Otto - db deutsche bauzeitung

Frei Otto - db deutsche bauzeitung

Frei Otto - db deutsche bauzeitung

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Stuttgart, um gemeinsam der Natur die Geheimnisse zu entlocken,<br />

wie man ökonomisch, ökologisch und im Einklang mit ihr bauen<br />

könne. Zellen und Knochen, Stämme und Halme, Kieselalgen und<br />

Spinnennetze, Wasserwirbel und Seifenblasen, Termitenhügel und<br />

Vogelnester wurden untersucht, um ihnen für künstliche Konstruktionen<br />

brauchbare Gesetzmäßigkeiten abzuschauen.<br />

Interessant ist, dass er von Architektenseite her eine Urform der<br />

ingenieurtechnischen Entwicklungsmethode mitbringt, den empirischen<br />

Prozess. Es geht ihm um »Formfindung«, bereits in den<br />

zwanziger Jahren ein Begriff der Protagonisten der organischen<br />

Architektur. Die Form wird nicht erschaffen, sondern experimentell<br />

ermittelt, denn sie ist zuallererst Ausdruck herrschender statischer<br />

Kräfte und ergibt sich als Reaktion auf diese. So führen Hängemodelle,<br />

in ihrer selbst entstandenen, momentfreien Form fixiert und<br />

umgedreht, zu ökonomischsten, logischsten (und elegantesten)<br />

Tragwerken; Seifenblasen zwischen beliebigen Rahmen zu deren<br />

materiell und kräftemäßig minimierten Membrantragwerken und<br />

zu optimalen Pneukonstruktionen.<br />

Am Anfang stand allerdings die Hängekonstruktion, mit deren erster<br />

<strong>Frei</strong> <strong>Otto</strong> bei seinem Amerika-Aufenthalt 1950–51 in Kontakt<br />

kam, der berühmten, 1953 fertig gestellten Arena in Raleigh, North<br />

Carolina. Ihr Entwerfer Metthew Nowicki war kurz zuvor tödlich<br />

verunglückt, als <strong>Otto</strong> die Pläne bei Fred Severud auf den Zeichen-<br />

tischen sah. Er erkannte, dass mit dieser leicht herzustellenden,<br />

materialsparenden Technik eine Bauweise zur Verfügung stand,<br />

die in einer Zeit der Materialknappheit weiterhelfen konnte und die<br />

ihm zudem als Gegenparadigma zur monumentalen Repräsentationsarchitektur<br />

des Dritten Reichs äußerst willkommen war.<br />

Zurück in Berlin formulierte er in seiner Dissertation »Das hängende<br />

Dach« die Kernsätze der ökonomischen, von ihm »das Prinzip<br />

Leichtbau« genannten Bauweise: »Durch sparsame Anwendung<br />

hochwirksamer Baustoffe und durch Ausnutzung der Trageigenschaften<br />

räumlicher Systeme entstehen leichte, bewegliche Bauwerke<br />

ohne wesentliches Eigengewicht. Die Konstruktion<br />

schrumpft auf das unbedingt Notwendige zusammen«. Bald darauf<br />

bekam er Gelegenheit, seine Ideen mit weiter entwickelten Hängekonstruktionen<br />

zu demonstrieren. Der <strong>deutsche</strong> Pavillon auf der<br />

Weltausstellung 1967 in Montreal (Bild 2) ist eine solche Seilnetzkonstruktion,<br />

organisch, spielerisch leicht, aller Erdenschwere und<br />

Monumentalität enthoben. Das experimentelle Modell dazu steht<br />

<strong>db</strong> 6/05<br />

1 <strong>Frei</strong> <strong>Otto</strong>, am 31.5.1925 in Chemnitz-Siegmar geboren<br />

2 Erinnert bereits an das fünf Jahre später fertig gestellte Münchener<br />

Olympiastadion: die Seilnetzkonstruktion des Deutschen Pavillons für die<br />

Weltausstellung 1967 in Montreal<br />

3 Zeltdach für eine Sporthalle in Jeddah, 1976<br />

3<br />

2<br />

73

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!