Frei Otto - db deutsche bauzeitung
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eine zufriedenstellende Erlebniswirkung haben?«. Dazu wurden<br />
psychologische Untersuchungen durchgeführt und Tausende von<br />
Nutzern befragt. Es war ihm klar, dass man die menschlichen Bedürfnisse<br />
an die gebaute Umwelt analysieren müsse, um die allgemeine<br />
Tauglichkeit der Flächentragwerke ermessen zu können.<br />
Es ging nicht darum, die Menschheit mit neuen, fantastischen Bauwerken<br />
zu beglücken, sondern auch darum, ob sie damit glücklich<br />
wird – ein Rückkopplungseffekt, an dem Ingenieure und Architekten<br />
eigentlich immer interessiert sein sollten.<br />
Vergleicht man die Entwürfe von Transrapid-Trassen, die <strong>Frei</strong> <strong>Otto</strong><br />
zusammen mit seinem Freund, dem britischen Ingenieur Edmund<br />
Happold, entwickelt hat, mit dem inzwischen in Shanghai in die<br />
Landschaft betonierten Brückenband, wird dieses Anliegen deutlich.<br />
<strong>Frei</strong> <strong>Otto</strong>s Team hat zehn Entwürfe untersucht und sechzig<br />
Varianten gerechnet, eine filigraner als die andere. Dass bei seinen<br />
Trassenkonstruktionen auch deren Abbau und Recycling bedacht<br />
ist, überrascht nicht, hat er doch schon in den sechziger Jahren die<br />
Forderung aufgestellt, von allen Bauwerken die Gesamtenergiebilanz<br />
zu berechnen. Dazu hat er unter anderem das »Bic-�-Diagramm«<br />
aufgestellt, mit dem das Verhältnis zwischen Leistung und<br />
den dazu benötigten, also zu produzierenden und zu transportierenden<br />
Massen berechnet werden kann.<br />
Anlagen zur Sonnenenergiegewinnung gehören ebenfalls seit mehr<br />
als drei Jahrzehnten zu seinem Programm. Vielfach kombinierte er<br />
sie mit Schirmkonstruktionen, die einen weiteren Schwerpunkt seiner<br />
Arbeit darstellen. Leichte Flächentragwerke können auch temporär<br />
sein, so sein Ansatz, der ihn zur Entwicklung von aufklappbaren<br />
Schirmen für Messen und Rockkonzerte (Bild 7) führte. Die<br />
Vela römischer Amphitheater schließlich waren Vorbild für raffbare<br />
Textildächer, etwa über der Stiftskirchenruine in Bad Hersfeld (Bild<br />
9), einem Multimediastadion oder einer Moschee in Saudi Arabien.<br />
In die so faszinierende wie vielfältige Welt der natürlichen Konstruktionen<br />
ist <strong>Frei</strong> <strong>Otto</strong> mit der Methodik des »umgekehrten Weges«<br />
eingedrungen. Das heißt, es werden Wachstums- und Bildungspro-<br />
<strong>db</strong> 6/05<br />
6<br />
7<br />
6 Neben Hängetragwerken entstanden auch Schalenkonstruktionen,<br />
wie etwa eine Halle für die Bundesgartenschau in Mannheim 1975<br />
7 »Leichte Flächentragwerke können auch temporär sein«:<br />
Schirme für ein Konzert von Pink Floyd<br />
zesse der anorganischen wie der organischen Natur experimentell<br />
künstlich in Gang gesetzt, um daraus Erkenntnisse für Konstruktionen<br />
zu gewinnen. Dieser umgekehrte Erkenntnisweg führte zu der<br />
Überzeugung, dass die lebende Natur nicht beliebige Strukturen<br />
wachsen lässt, sondern sich des abiotischen Selbstbildungsprozesses<br />
der Bläschenbildung bedient und diese mittels komplizierter<br />
Fasernetze stabilisiert: Der weiche, fasergestützte Pneu – im technischen<br />
Sinn eine durch Innendruck stabilisierte Membrankonstruktion<br />
aus einer biegeweichen Hülle und einer fließfähigen Füllung –<br />
ist also die Urkonstruktion des biologischen Lebens, das Abbild der<br />
Zelle, des kleinsten Bausteins lebender Konstruktionen. Wieder ist<br />
es das Phänomen der Selbstfindung, das zu den Tragwerksformen<br />
führt. Die von <strong>Frei</strong> <strong>Otto</strong>s Teams erdachten Anwendungen dieses natürlichen<br />
Prinzips reichen vom Staudamm bis zum Luftschiff.<br />
Man kann mit Pneus Dämme aufbauen und temporäre Wasserreservoires<br />
vorhalten. Und man kann natürlich die vielfältigsten Dachkonstruktionen<br />
damit meistern. Traglufthallen in allen Größenordnungen<br />
sind dabei die häufigsten Anwendungsfälle, und <strong>Frei</strong> <strong>Otto</strong><br />
wäre nicht der visionäre Architekt, hätte er es nicht Richard Buckminster<br />
Fuller gleichgetan und Klimahüllen für ganze Städte entworfen<br />
(doch im Unterschied zu diesem beließ er es nicht bei utopisch-hypertrophen<br />
Ideen, sondern wies nach, wie sie zu konstruieren<br />
seien). So entstand zusammen mit Kenzo Tange und Ove Arup<br />
das Projekt einer Stadt in der Antarktis (Bild 8), die mit einer transparenten<br />
pneumatischen Hülle von zwei Kilometern Durchmesser