NPHM_Frühjahr 2016
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WERKEINFÜHRUNG<br />
Gustav Mahler (1860–1911)<br />
Symphonie Nr. 9<br />
Andante comodo<br />
Im Tempo eines gemächlichen Ländlers<br />
Rondo – Burleske<br />
Adagio<br />
Ein eigentümlicher, ans Abergläubische grenzender Mythos umweht<br />
seit Beethoven die Neunzahl in der Symphonik. Und in der Tat ist vom<br />
19. bis weit ins 20. Jahrhundert hinein kein maßgeblicher Komponist<br />
über neun Symphonien hinausgekommen. „Die eine Neunte geschrieben<br />
haben, standen dem Jenseits zu nahe“, formulierte Arnold Schönberg.<br />
„Vielleicht wären alle Rätsel dieser Welt gelöst, wenn einer von denen,<br />
die sie wissen, die Zehnte schriebe. Und das soll wohl nicht so sein.“<br />
Außer Beethoven selbst schienen Franz Schubert, Louis Spohr, Anton<br />
Bruckner, Antonín Dvořák und Gustav Mahler das Diktum Schönbergs<br />
zu bestätigen, später dann auch der Engländer Ralph Vaughan Williams:<br />
neun Symphonien, keine mehr, keine weniger. Und andere Symphoniker<br />
wie Brahms oder Tschaikowski blieben noch deutlich darunter. Erst der<br />
Russe Dmitri Schostakowitsch sollte die magische Grenze bei der Neun<br />
durchbrechen und es auf 14 Symphonien bringen.<br />
Bei näherem Zusehen bleiben freilich nur Beethoven, Dvořák und Vaughan<br />
Williams mit exakt neun Symphonien übrig. Schubert hat wohl<br />
doch nur acht Werke dieser Gattung geschrieben; die lange verschollen<br />
geglaubte Gasteiner Symphonie ist nach neueren Forschungen mit der<br />
Großen C-Dur-Symphonie identisch. Spohr komponierte eine zehnte<br />
Symphonie, die er allerdings wieder zurückzog. Bruckner konnte seine<br />
neunte Symphonie nicht vollenden; er hat aber außer den „offiziellen“<br />
Symphonien 1 bis 8 noch zwei unveröffentlichte Werke hinterlassen,<br />
die heute als Nullte und als Studiensymphonie (im Musiker-Jargon auch<br />
Doppel-Null) bekannt sind. Und bei Gustav Mahler war der Mythos der<br />
Neunzahl bereits so ausgeprägt, dass der Komponist selbst die Nummerierung<br />
seiner Werke danach ausrichtete.<br />
Nach Abschluss der gewaltigen Achten, der Symphonie der Tausend,<br />
widmete sich Mahler seinem nächsten symphonischen Projekt, das<br />
die Vertonung chinesischer Gedichte in der deutschen Übersetzung<br />
von Hans Bethge zum Inhalt hatte. Dieses Werk, das wir heute unter<br />
dem Titel Das Lied von der Erde kennen, war ursprünglich als 9. Symphonie<br />
für eine Tenor- und eine Altstimme und Orchester bezeichnet, doch<br />
der Komponist strich die Zahl durch und machte aus dem Werk eine