Evangelikale und die Mystik - Auszug
Die unterschätzte Gefahr - Ein leitfaden zur Orientierung
Die unterschätzte Gefahr - Ein leitfaden zur Orientierung
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Die unterschätzte Gefahr der <strong>Mystik</strong><br />
des Paulus in 1. Korinther 12, wo der Apostel <strong>die</strong> Korinther darauf<br />
aufmerksam machte, wie sie einst als heidnische Götzenanbeter in<br />
ihren ekstatischen Mysterienkulten von anderen Geistern geleitet<br />
<strong>und</strong> in Ekstase »angezogen« <strong>und</strong> »fortgerissen« wurden. Das allerdings,<br />
so der Apostel Paulus, lag nunmehr hinter ihnen. Von nun<br />
an wandelten <strong>die</strong> Korinther in der Neuheit des Lebens unter der<br />
Führung des Heiligen Geistes, der ein Geist der Liebe, der Kraft<br />
<strong>und</strong> der Besonnenheit ist.<br />
Besonnenheit oder Nüchternheit ist das Gütesiegel wahrer<br />
christlicher Nachfolge. Ekstase, Verinnerlichung, Weltflucht, Eremitentum,<br />
visionäre Erfahrungen, all <strong>die</strong>s ist der Nüchternheit des<br />
Wortes jedoch entgegengesetzt. Der <strong>Mystik</strong>er Pseudo-Dionysios,<br />
der laut Volker Leppin den eigentlichen Anfang christlicher <strong>Mystik</strong><br />
im 5. Jahrh<strong>und</strong>ert n. Chr. markiert, <strong>und</strong> der wie viele der christlichen<br />
<strong>Mystik</strong>er bis ins Mittelalter vom Neuplatonismus beeinflusst<br />
war, zielt genau auf das ab, was dem nüchternen <strong>und</strong> klaren Wort<br />
entgegensteht. Leppin erläutert, wie der <strong>Mystik</strong>er alles Irdische,<br />
einschließlich der Vernunft, hinter sich lässt. Dieser Vorgang wird<br />
»von [Pseudo-]Dionysios – wiederum neuplatonische Vorläufer aufgreifend<br />
– als ›entrückend‹, ekstatikos, bezeichnet: ein … Geschehen,<br />
in dem der Mensch ekstatisch existiert <strong>und</strong> damit sich selbst<br />
gewissermaßen hinter sich lässt.« 17<br />
Martin Luther bezeichnet Pseudo-Dionysios in seinem Buch<br />
Von der Babylonischen Gefangenschaft der Kirche als »im höchsten<br />
Grade verderblich« <strong>und</strong> erläutert:<br />
In der ›Theologia Mystica‹ … treibt er mehr den Platonismus als<br />
das Christentum. Christus lernst du dort so wenig kennen, dass<br />
du ihn, wenn du ihn bereits kennst, wieder verlierst. Ich rede aus<br />
Erfahrung. Paulus wollen wir lieber hören, auf dass wir Christus,<br />
<strong>und</strong> zwar als den Gekreuzigten kennenlernen. 18<br />
17 Volker Leppin, Die christliche <strong>Mystik</strong>, C. H. Beck, München, 2007, S. 33.<br />
18 Martin Luther, Von der Babylonischen Gefangenschaft der Kirche, Weimarer<br />
Ausgabe 6, 562,8-14.<br />
23