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Guter Riecher_Juni_2017

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DIE VISION / CYBORGS<br />

109<br />

VISIONÄR NR. 1 / VISIONARY NO. 1<br />

Neil Harbisson<br />

Cyborg-Künstler<br />

Cyborg artist<br />

ALAMY<br />

NACHTS, TAGS UND auch beim Duschen:<br />

wie ein neues Körperorgan biegt sich<br />

die Antenne über Neil Harbissons<br />

Kopf. Sie ist ständig dabei und immer<br />

an, denn der britisch-irische Künstler<br />

hat sich diese Antenne in den Kopf<br />

implantieren lassen – fest und irreversibel.<br />

Harbisson nennt sich ein<br />

Cyborg-Künstler, aber die Antenne<br />

ist mehr als nur ein Markenzeichen:<br />

Sie ist sein Instrument.<br />

„Meine Cyborg-Antenne erlaubt<br />

mir, meine Sinne über das Farbspektrum<br />

hinaus zu erweitern, denn ich<br />

fühle beispielsweise auch Infrarot oder<br />

Ultraviolett, die ja für den Menschen<br />

unsichtbar sind. Dieser neue Sinn<br />

erlaubt es mir auch, mich künstlerisch<br />

auszudrücken. So male ich Bilder nach<br />

den Tönen, die ich höre. Das nenne<br />

ich Cyborg-Art, denn es ist Kunst, die<br />

durch die Verbindung von Kybernetik<br />

und meinem Organismus entsteht.“<br />

Neil Harbisson wurde vor 34 Jahren<br />

farbenblind geboren. Bis 2004<br />

sah er die Welt ausschließlich in Graustufen.<br />

Die Antenne entstand als Idee,<br />

Farben wahrzunehmen, ohne sie<br />

zu sehen. Sie sollten hörbar und als<br />

Vibrationen im Körper zu spüren<br />

sein. Über eine Software werden sie<br />

in Töne umgewandelt.<br />

„Am Anfang war es eine Überforderung,<br />

denn mein Gehirn musste<br />

die Farben ja erst neu lernen und<br />

den Tönen zuordnen. Mittlerweile<br />

tönen nicht nur Farben, sondern auch<br />

die Gesichter der Leute. Jedes Gesicht<br />

hat dabei seine ganz eigene Melodie:<br />

Prinz Charles hört sich ähnlich an<br />

wie Nicole Kidman. Es entstehen viele<br />

neue Assoziationen.“<br />

„Ich höre Farben“<br />

“I can hear colour”<br />

Neil Harbisson hat sich kürzlich<br />

die Antenne upgraden lassen. Jetzt<br />

kann er sich sogar mit Bluetooth-<br />

Geräten oder dem Internet vernetzen.<br />

Dabei verbindet er sich am liebsten<br />

mit Satelliten. „Ich erlebe viele überwältigende<br />

Dimensionen, denn ich<br />

sehe oder fühle dabei auch kosmische<br />

Strahlung. Das Weltall komponiert<br />

dabei eine ganz eigene Musik.“<br />

DAY AND NIGHT the antenna bends over<br />

Neil Harbisson’s head like an extra<br />

bodily organ. It’s always there and<br />

constantly on. The device implanted in<br />

the British-Catalan artist’s head converts<br />

light into sound. But more than a<br />

simple “seeing aid”, the antenna is an<br />

artistic tool. Harbisson is a selfdescribed<br />

“cyborg artist”.<br />

“My cyborg antenna allows me to<br />

expand my senses beyond the colour<br />

spectrum because I also sense infrared<br />

and ultraviolet, which are invisible to<br />

humans. This new sense also enables<br />

me to express myself artistically. I paint<br />

pictures according to the tones I hear,<br />

among other things. I call it ‘cyborg art’<br />

because it’s art that emerges from the<br />

connection between cybernetics and<br />

my organism,” he says.<br />

Harbisson, 34, experienced the<br />

world only in shades of grey until 13<br />

years ago. Now the antenna sensor converts<br />

colour frequency into sounds, via<br />

a chip at the back of his head, which he<br />

hears through bone conduction.<br />

“It was overwhelming initially<br />

because my brain had to first learn the<br />

colours from scratch and then match<br />

them to sounds. Today, it’s not just<br />

colours that make sounds but also<br />

people’s faces. And every face has its<br />

own melody: Prince Charles sounds<br />

similar to Nicole Kidman. Lots of new<br />

associations occur,” says the artist.<br />

Harbisson recently had his antenna<br />

upgraded and can now use Bluetooth<br />

devices and connect to satellites.<br />

“I experience many incredible dimensions<br />

because I see, or even feel, cosmic<br />

radiation. That’s space composing its<br />

very own music.”

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