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DIE VISION / CYBORGS<br />
109<br />
VISIONÄR NR. 1 / VISIONARY NO. 1<br />
Neil Harbisson<br />
Cyborg-Künstler<br />
Cyborg artist<br />
ALAMY<br />
NACHTS, TAGS UND auch beim Duschen:<br />
wie ein neues Körperorgan biegt sich<br />
die Antenne über Neil Harbissons<br />
Kopf. Sie ist ständig dabei und immer<br />
an, denn der britisch-irische Künstler<br />
hat sich diese Antenne in den Kopf<br />
implantieren lassen – fest und irreversibel.<br />
Harbisson nennt sich ein<br />
Cyborg-Künstler, aber die Antenne<br />
ist mehr als nur ein Markenzeichen:<br />
Sie ist sein Instrument.<br />
„Meine Cyborg-Antenne erlaubt<br />
mir, meine Sinne über das Farbspektrum<br />
hinaus zu erweitern, denn ich<br />
fühle beispielsweise auch Infrarot oder<br />
Ultraviolett, die ja für den Menschen<br />
unsichtbar sind. Dieser neue Sinn<br />
erlaubt es mir auch, mich künstlerisch<br />
auszudrücken. So male ich Bilder nach<br />
den Tönen, die ich höre. Das nenne<br />
ich Cyborg-Art, denn es ist Kunst, die<br />
durch die Verbindung von Kybernetik<br />
und meinem Organismus entsteht.“<br />
Neil Harbisson wurde vor 34 Jahren<br />
farbenblind geboren. Bis 2004<br />
sah er die Welt ausschließlich in Graustufen.<br />
Die Antenne entstand als Idee,<br />
Farben wahrzunehmen, ohne sie<br />
zu sehen. Sie sollten hörbar und als<br />
Vibrationen im Körper zu spüren<br />
sein. Über eine Software werden sie<br />
in Töne umgewandelt.<br />
„Am Anfang war es eine Überforderung,<br />
denn mein Gehirn musste<br />
die Farben ja erst neu lernen und<br />
den Tönen zuordnen. Mittlerweile<br />
tönen nicht nur Farben, sondern auch<br />
die Gesichter der Leute. Jedes Gesicht<br />
hat dabei seine ganz eigene Melodie:<br />
Prinz Charles hört sich ähnlich an<br />
wie Nicole Kidman. Es entstehen viele<br />
neue Assoziationen.“<br />
„Ich höre Farben“<br />
“I can hear colour”<br />
Neil Harbisson hat sich kürzlich<br />
die Antenne upgraden lassen. Jetzt<br />
kann er sich sogar mit Bluetooth-<br />
Geräten oder dem Internet vernetzen.<br />
Dabei verbindet er sich am liebsten<br />
mit Satelliten. „Ich erlebe viele überwältigende<br />
Dimensionen, denn ich<br />
sehe oder fühle dabei auch kosmische<br />
Strahlung. Das Weltall komponiert<br />
dabei eine ganz eigene Musik.“<br />
DAY AND NIGHT the antenna bends over<br />
Neil Harbisson’s head like an extra<br />
bodily organ. It’s always there and<br />
constantly on. The device implanted in<br />
the British-Catalan artist’s head converts<br />
light into sound. But more than a<br />
simple “seeing aid”, the antenna is an<br />
artistic tool. Harbisson is a selfdescribed<br />
“cyborg artist”.<br />
“My cyborg antenna allows me to<br />
expand my senses beyond the colour<br />
spectrum because I also sense infrared<br />
and ultraviolet, which are invisible to<br />
humans. This new sense also enables<br />
me to express myself artistically. I paint<br />
pictures according to the tones I hear,<br />
among other things. I call it ‘cyborg art’<br />
because it’s art that emerges from the<br />
connection between cybernetics and<br />
my organism,” he says.<br />
Harbisson, 34, experienced the<br />
world only in shades of grey until 13<br />
years ago. Now the antenna sensor converts<br />
colour frequency into sounds, via<br />
a chip at the back of his head, which he<br />
hears through bone conduction.<br />
“It was overwhelming initially<br />
because my brain had to first learn the<br />
colours from scratch and then match<br />
them to sounds. Today, it’s not just<br />
colours that make sounds but also<br />
people’s faces. And every face has its<br />
own melody: Prince Charles sounds<br />
similar to Nicole Kidman. Lots of new<br />
associations occur,” says the artist.<br />
Harbisson recently had his antenna<br />
upgraded and can now use Bluetooth<br />
devices and connect to satellites.<br />
“I experience many incredible dimensions<br />
because I see, or even feel, cosmic<br />
radiation. That’s space composing its<br />
very own music.”