Rayleigh-Bénard-Konvektion
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Universität Oldenburg<br />
Fachbereich Physik<br />
Fortgeschrittenen-Praktikum<br />
<strong>Rayleigh</strong>-<strong>Bénard</strong>-<strong>Konvektion</strong><br />
Wärmetransport in<br />
konvektiven Strömungen<br />
Malte Siefert<br />
(siefert@uni-oldenburg.de)<br />
& Christoph Renner<br />
<strong>Rayleigh</strong>-<strong>Bénard</strong>-<strong>Konvektion</strong> entsteht, wenn ein geschlossenes, vollständig mit<br />
Wasser gefülltes Gefäß genügend stark von unten erhitzt und von oben gekühlt<br />
wird. Warmes Wasser steigt auf, kaltes sinkt nach unten und es bilden sich<br />
komplexe Strukturen aus. Diese Strukturen sind immer noch ein aktueller Forschungsgegenstand<br />
und lassen sich trotz vieler Fortschritte nur sehr eingeschränkt<br />
theoretisch behandeln.<br />
Am Anfang des Versuches steht ein grundlegendes Verständnis der zugrunde<br />
liegenden Gleichungen und der entscheidenden Größen und Kontrollparametern<br />
des Experimentes. Die bei hohen Temperaturdifferenzen entstehenden komplexen<br />
Strukturen sollen in dem Versuch experimentell untersucht werden. Dabei<br />
werden typische Meßmethoden für schnell veränderliche Strömungen eingesetzt.<br />
Ausgewertet werden die Daten mit statistischen Größen, die sehr typisch für<br />
solche kontinuierlichen und komplexen Strukturen sind.
1 EINLEITUNG 1<br />
1 Einleitung<br />
Wärmetransportphänomene in fluiden Medien spielen in vielen Bereichen von<br />
Wissenschaft und Technik eine wichtige Rolle, so z.B. in der Geophysik bei der<br />
Beschreibung von Vorgängen im flüssigen Mantel der Erde, in der Astrophysik<br />
bei der Modellierung von Sternen oder in der Technik bei der Wärmeabstrahlung<br />
einer jeden Raumheizung. All diesen Systemen ist gemeinsam, daß der<br />
Wärmetransport in ihnen um ein Vielfaches höher ist als der unter vergleichbaren<br />
Bedingungen in einem Festkörper. An Stelle des konduktiven Wärmetransportes,<br />
der in einem Festkörper vorliegt (und bei dem der Wärmefluß durch<br />
ein bestimmtes Volumen direkt proportional zum anliegenden Temperaturgradienten<br />
ist), tritt also in diesen Fällen ein grundsätzlich anderer (und sehr viel<br />
effektiverer) Transportmechanismus.<br />
Der vorliegende Praktikumsversuch will einen ersten Einblick in diese Transportmechanismen<br />
vermitteln. Das dazu untersuchte experimentelle System ist<br />
ein sog. <strong>Konvektion</strong>sexperiment: Wir betrachten ein Fluid (in diesem Fall Wasser)<br />
in einer Zelle, deren Unterseite erwärmt und deren Oberseite gekühlt wird.<br />
Die unteren, warmen Schichten des Fluids dehnen sich aus und erfahren aufgrund<br />
ihrer verringerten Dichte Auftriebskräfte, die schließlich eine Strömung,<br />
die <strong>Konvektion</strong>sströmung, in Gang setzen. Ist die Temperaturdifferenz zwischen<br />
der unteren und der oberen Seite der Zelle gering, bilden sich regelmäßige Strukturen,<br />
die sog. <strong>Konvektion</strong>srollen, mit steigendem Temperaturgradienten wird<br />
die Strömung dann zusehends unregelmäßiger und schließlich turbulent. Das<br />
Experiment bietet die Möglichkeit, über diesen gesamten Bereich hinweg den<br />
Wärmefluss durch die Zelle als Funktion des anliegenden Temperaturgradienten<br />
zu messen. Die gewonnen Messergebnisse sollen dann auf dem Hintergrund theoretischer<br />
Vorhersagen interpretiert werden. Die hierfür notwendigen Grundlagen<br />
können im Rahmen dieser Praktikumsanleitung nur grob umrissen werden, eine<br />
gründliche Einarbeitung in das Themengebiet anhand der angegebenen Literaturstellen<br />
und der am Ende eines jeden Kapitels gestellten Verständnisfragen<br />
ist daher unerläßlich und wird dringend empfohlen.
2 THEORETISCHE GRUNDLAGEN 2<br />
2 Theoretische Grundlagen<br />
2.1 Die Hydrondynamischen Grundgleichungen<br />
• <strong>Rayleigh</strong>-<strong>Bénard</strong>-<strong>Konvektion</strong><br />
• Navier-Stokes-Gleichung<br />
• Boussinesq Näherung<br />
• Wärmetransport-Gleichung<br />
• dimensionslose Gleichung<br />
• <strong>Rayleigh</strong>zahl, Prandtlzahl, Nusseltzahl<br />
• konduktive und konvektive Wärmetransport<br />
Betrachten wir zunächst den Fall einer Strömung, in der von einem Temperaturgradienten<br />
erzeugte Auftriebskräfte keine Rolle spielen. Das Geschwindigkeitsfeld<br />
�v(�r, t) einer solchen Strömung wird durch die Navier-Stokes-<br />
Gleichung (1) beschrieben [2, 3],<br />
∂<br />
∂t �v(�r, t) + (�v · � ∇)�v(�r, t) = ν � ∇ 2 �v(�r, t) − 1<br />
ρ � ∇p. (1)<br />
Gleichung (1) ist im Grunde nichts anderes als die Newtonsche Bewegungsgleichung<br />
für ein sich im Geschwindigkeitsfeld �v(�r(t), t) bewegendes Volumen<br />
dV . Die Terme der linken Seite entsprechen der totalen Zeitableitung des Geschwindigkeitsfeldes<br />
�v(�r(t), t), die Terme der rechten Seite geben die auf das<br />
Volumenelement dV wirkenden Kräfte wieder: 1<br />
ρ � ∇p die aufgrund von Druckgradienten<br />
wirkenden Kräfte (ρ bezeichnet die Dichte des Fluids), ν � ∇ 2 �v(�r, t)<br />
die Reibungskräfte (ν ist die sogenannte kinematische Viskosität; sie hängt mit<br />
der besser bekannten dynamischen Viskosität η über ν = η/ρ zusammen, ihre<br />
Einheit ist [ν] = m2<br />
s ).<br />
In (1) tritt neben den drei Komponenten des Vektors �v(�r, t) noch eine vierte<br />
Unbekannte, der Druck p auf, das Gleichungssystem ist also unterbestimmt. Es<br />
wird durch die Kontinuitätsgleichung (2) vervollständigt, die hier für den Fall<br />
= 0) formuliert ist:<br />
inkompressibler Fluide ( dρ<br />
dt<br />
�∇ · �v(�r, t) = 0. (2)<br />
Auftriebskräfte, die aufgrund von Temperaturschwankungen θ entstehen, sind<br />
in (1) noch nicht berücksichtigt. Die auf ein Volumenelement wirkende Auftriebskraft<br />
ist proportional zu der Differenz zwischen seiner eigenen Dichte und<br />
der mittleren Dichte. In erster Näherung ist diese Differenz der Dichten proportional<br />
zur Abweichung der Temperatur des Volumenelements vom Mittelwert<br />
(Boussinesq-Näherung):<br />
∂<br />
∂t �v(�r, t) + (�v · � ∇)�v(�r, t) = ν � ∇ 2 �v(�r, t) − 1<br />
ρ � ∇p − α Θ�g. (3)
2 THEORETISCHE GRUNDLAGEN 3<br />
α ist der thermische Ausdehnungskoeffizient ([α] = 1<br />
K ), �g die Erdbeschleunigung.<br />
Gleichung (3) wird als Boussinesq Näherung“ bezeichnet. Der im Ver-<br />
”<br />
gleich zur Gleichung (1) neu auftretende Term beschreibt die Auftriebskraft.<br />
Der Deutlichkeit halber sei nochmals darauf hingewiesen, daß θ nicht die absolute<br />
Temperatur, sondern die Abweichung der Temperatur von ihrem Mittelwert<br />
bezeichnet: Θ = T − 〈T 〉.<br />
Gleichung (3) ist unterbestimmt, da mit der Temperatur eine neue Größe<br />
im Vergleich zu der Navier-Stockes-Gleichung auftaucht. Eine Gleichung für<br />
die Temperatur T (bzw. die Temperaturschwankung Θ) muß hinzugenommen<br />
werden. Es wird angenommen, daß die Wärmekapazität pro Einheitsvolumen,<br />
ρCp, konstant ist. Dann ist ρCp dT<br />
dt die Erwärumungsrate pro Einheitsvolumen.<br />
Diese Wärme wird einem Volumenelement durch Wärmeleitung<br />
�H = −k � ∇T (4)<br />
zugeführt, wobei k die thermische Leitfähigkeit bezeichent (Wärmeproduktion<br />
innerhalb der Strömung wird hier nicht betrachtet). Da die Erwärmungsrate<br />
gleich dem Wärmestrom in ein Volumenelement ist, ergibt sich<br />
dT<br />
ρCp<br />
dt = − � ∇ · � H (5)<br />
oder ausgeschrieben<br />
∂T<br />
∂t + (�v · � ∇)T = κ� ∇ 2 T, (6)<br />
wobei κ = k/ρCp die thermische Diffusivität (bzw. die thermometrische Leitfähigkeit)<br />
ist. Da 〈T 〉 eine Konstante ist, gilt Gleichung (6) auch für die Temperaturschwankungen<br />
Θ.<br />
Einige Interessante Eigenschaften des Gleichungssystems (2,3,6) ergeben<br />
sich bereits aus der dimensionslosen Form der Gleichungen. Man benutzt dazu<br />
eine für das betrachtete System typische Längenskala l0 und eine typische<br />
Temperaturskala (bzw. Temperaturdifferenz) △T . (Bei <strong>Konvektion</strong>sexperimenten<br />
liegt es nahe, als Längenskala den vertikalen Abstand zwischen den beiden<br />
Platten und als Temperaturskala die Differenz der Temperaturen der beiden<br />
Platten zu verwenden.) In den dimensionslosen Größen<br />
lauten die Gleichungen<br />
�u = l0<br />
κ �v<br />
�x = 1<br />
�r<br />
θ =<br />
l0<br />
1<br />
△T Θ<br />
τ = κ<br />
l2 t<br />
0<br />
π =<br />
l2 0<br />
p<br />
ρκ2 (7)<br />
∂<br />
∂τ �u(�x, τ) + (�u · � ∇)�u(�x, τ) = Pr � ∇ 2 �u(�x, τ) − � ∇π − Ra Pr θ�eg
2 THEORETISCHE GRUNDLAGEN 4<br />
∂θ<br />
∂τ + (�u · � ∇)θ = � ∇θ<br />
�∇ · �u(�x, τ) = 0. (8)<br />
In (8) treten zwei für die Beschreibung von <strong>Konvektion</strong>sströmungen wichtige<br />
Parameter auf, die <strong>Rayleigh</strong>zahl Ra und die Prandtlzahl Pr. Sie ergeben sich<br />
aus der Rechnung zu<br />
Ra = g α l3 0 △T<br />
ν κ<br />
Pr = ν<br />
. (9)<br />
κ<br />
Diese beiden Parameter gewinnen ihre besondere Bedeutung aus der Tatsache,<br />
daß nach (8) zwei <strong>Konvektion</strong>sströmungen genau dann identisches Verhalten<br />
zeigen, wenn sie in <strong>Rayleigh</strong>- und Prandtlzahl übereinstimmen (vergleichbare<br />
Randbedingungen und Geometrien vorausgesetzt). Die <strong>Rayleigh</strong>zahl Ra beschreibt<br />
die Stärke des thermischen Auftriebes, die Prandlzahl Pr ist eine reine<br />
Materialgröße und beschreibt die Art des Fluides.<br />
Ein weiterer wichtige Größe zur Beschreibung von <strong>Konvektion</strong>sströmungen<br />
ist die Nusseltzahl Nu. Sie ist das (dimensionslose) Verhältnis des im System<br />
tatsächlich beobachteten Wärmeflusses H zum rein konduktiven Wärmefluss<br />
Hkond:<br />
Nu := H<br />
. (10)<br />
Hkond<br />
Wichtig: In diesem Kapitel werden die Begriffe Wärmestromdichte“ und<br />
”<br />
” Wärmefluß“ nicht in ihrer üblichen Definition verwendet. Für die Wärmestromdichte<br />
�jkond im Fall konduktiven Transports etwa wird folgende Definition<br />
verwendet:<br />
�jkond = κ � ∇T. (11)<br />
Im Unterschied zur allgemein üblichen Definition wird in (11) anstelle der<br />
Wärmeleitfähigkeit k die Temperaturleitfähigkeit κ verwendet. j trägt nach<br />
(11) nicht die Einheit W<br />
m2 sondern die wenig anschauliche Einheit K m<br />
s . Die<br />
Umrechnung zwischen den beiden Größen erfolgt einfach über den Faktor ρ Cp.<br />
Der Wärmefluss H durch eine Fläche F ergibt sich aus der Wärmestromdichte<br />
durch Integration,<br />
�<br />
H = �j d � f. (12)<br />
Fragen zur Vorbereitung<br />
F<br />
• Was ist das grundlegende Konzept bei der Herleitung der Navier-Stokes-<br />
Gleichung?<br />
• Machen Sie sich das Zustandekommen des nichtlinearen Terms in Gleichung<br />
(1) klar.
2 THEORETISCHE GRUNDLAGEN 5<br />
• Welche Bedeutung haben die einzelnen Terme der rechten Seite von Gleichung<br />
(3)?<br />
• Das Gleichungssystem (2,3,6) ist in der Literatur unter der Bezeichnung<br />
” Boussinesq-Näherung“ bekannt. Welche Näherungen wurden bei der Herleitung<br />
dieser Gleichungen gemacht?<br />
• Steht die Inkompressibilität der Strömung ( dρ<br />
dt = 0) im Widerspruch zu<br />
der Temperaturabhängigkeit der Dichte? ??<br />
• Was ist die praktische Bedeutung der dimensionslosen Parameter Ra und<br />
Pr?<br />
• Welcher mikroskopische Mechanismus liegt der konduktiven Wärmeleitung<br />
zugrunde?<br />
Literatur: [3], [2]<br />
2.2 Der Bereich hoher <strong>Rayleigh</strong>-Zahlen<br />
Für sehr große <strong>Rayleigh</strong>zahlen (ca. 10 8 ) wird experimentell folgende Abhängigkeit<br />
der Nusseltzahl von Ra gefunden [4]:<br />
mit<br />
Nu = N0 Ra β<br />
N0 = 0, 23 ± 0, 03<br />
β = 0, 282 ± 0, 03<br />
(13)<br />
Von Interesse sind in diesem Zusammenhang auch die Fluktuationen der Temperatur<br />
um ihren Mittelwert. Für die Standardabweichungen △c dieser Fluktuationen<br />
findet sich im Zentrum der Zelle folgende Abhängigkeit:<br />
wobei<br />
△c<br />
△T = N1 Ra γ<br />
N1 = 0, 36 ± 0, 04<br />
γ = −0, 147 ± 0, 005.<br />
(14)<br />
△T bezeichnet die Temperaturdifferenz zwischen der unteren und der oberen<br />
Begrenzungsfläche.<br />
Im Folgenden soll ein einfaches Modell vorgestellt werden, das es erlaubt,<br />
den Skalenexponenten β zu erklären. Dem Modell zufolge bilden sich in der<br />
Zelle drei verschiedenartige Zonen aus:<br />
• eine Grenzschicht der Dicke λ in der Nähe der Grenzflächen<br />
• die Zentralregion, die den großteil des Volumens einnimmt
2 THEORETISCHE GRUNDLAGEN 6<br />
Abbildung 1: Skizze zur Modellvorstellung.<br />
• eine sog. Mischungszonen der Dicke dm zwischen den beiden anderen Regionen.<br />
Abbildung 1 illustriert dieses Modell.<br />
In der Zentralregion wird eine homogene und isotrope Strömung angenommen.<br />
Ihre typische Geschwindigkeitsskala sei uc, die typiche Längenskala L und<br />
die Größenordnung typischer Temperaturfluktuationen △c. Aus einer einfachen<br />
Dimensionsanlyse kann man folgenden Zusammenhang abschätzen:<br />
uc ∼ � α g L △c. (15)<br />
” ∼“ bedeutet in diesem Zusammenhang in der Größenordnung von“.<br />
”<br />
Auch für den Zusammenhang zwischen uc und Ra wird ein Potenzgesetz<br />
angenommen:<br />
uc ∼ ν<br />
L Raɛ , (16)<br />
wobei ɛ zunächst unbestimmt bleibt.<br />
Eine weitere Annahme besagt, daß in der Zentralregion der Wärmetransort<br />
vorwiegend von turbulenten Prozessen bestimmt wird, konduktiver Wärmetransport<br />
dagegen zu vernachlässigen sein sollte. Hauptursache des Wärmeflusses<br />
in der Zentralregion ist der Transport warmer Volumina in der Strömung.<br />
Für die z-komponente der Wärmestromdichte jz läßt sich, wiederum aus einer<br />
Dimensionsanalyse, folgende Abschätzung treffen:<br />
jz ∼ uc △c (17)<br />
Aufgrund der Randbedingungen für die Temperatur (die Begrenzungsflächen<br />
haben überall dieselbe, konstante Temperatur) wird man erwarten können, daß<br />
jz im zeitlichen Mittel nicht von den Ortskoordinaten x und y abhängt. Da im<br />
Inneren der Zelle Wärme weder erzeugt noch vernichtet wird, die an der Unterseite<br />
der Zelle zugeführte Wärme also vollständig zur Oberseite transportiert
2 THEORETISCHE GRUNDLAGEN 7<br />
wird, ist jz auch bezüglich der z-Koordinate konstant. Für die Nusseltzahl gilt<br />
daher (F ist eine Fläche in der x − y−Ebene):<br />
Nu = H<br />
�<br />
�jd<br />
F<br />
=<br />
Hkond<br />
� f<br />
�<br />
�jkondd � f =<br />
F jz jz<br />
=<br />
(18)<br />
F jz,kond jz,kond<br />
Aus den Beziehungen (13, 14, 15-18) folgt:<br />
F<br />
ɛ = 1<br />
( 1 + γ )<br />
2<br />
γ = 2<br />
�<br />
β −<br />
3<br />
1<br />
�<br />
2<br />
(19)<br />
Um β berechnen zu können, müssen noch einige zusätzliche Annahmen über<br />
die beiden anderen Regionen gemacht werden.<br />
In der Grenzschicht (Dicke λ) herrscht ausschließlich konduktiver Wärmetransport,<br />
turbulente Transportprozesse spielen hier keine Rolle. Da konduktive<br />
Wärmeleitung um Größenordnungen ineffektiver ist als turbulenter Transport,<br />
muß angenommen werden, daß der Temperaturabfall an der Grenzschicht den<br />
an der Zentralregion um Größenordnungen übersteigt. Der Temperaturabfall<br />
an der Grenzschicht muß demnach in der Größenordnung von ∆T selbst liegen.<br />
Es gilt also<br />
jz ∼ κ ∆T<br />
(20)<br />
λ<br />
und damit<br />
λ ∼ κ∆T<br />
jz<br />
= L<br />
Nu ∼ Ra−β L (21)<br />
Von dieser Grenzschicht lösen sich nun ” Blätter“ heißer Flüssigkeit, die in etwa<br />
die Dicke λ der Grenzschicht sowie deren Temperatur beibehalten und die sich in<br />
der anschließenden Mischungszone mit der darüberliegenden, kälteren Flüssigkeit<br />
mischen. Eine ungefähre Anschauung gibt Abbildung 2. Diese ” Blätter“<br />
bewegen sich nun aufgrund ihres Auftriebs solange beschleunigt aufwärts, bis<br />
ihre Geschwindigkeit wh (in z-Richtung) so groß ist, daß in Gleichung (3) der<br />
Reibungsterm ν � ∇ 2 �v in die Größenordnung des Auftriebsterms kommt. Der Auftriebsterm<br />
kann durch den Ausdruck gα∆T , der Reibungsterm durch νwhλ −2<br />
abgeschätzt werden. Gleichsetzen liefert:<br />
wh ∼ g α λ2 ∆T<br />
. (22)<br />
ν<br />
Schließlich muß noch angenommen werden, daß die Abschätzung wh ∼ uc gilt.<br />
Damit ergibt sich:<br />
uc ∼ g α λ2 ∆T<br />
. (23)<br />
ν<br />
Damit stehen nun genügend Gleichungen zur Verfügung, um β, γ (und auch ɛ)<br />
zu berechnen. Aus den Beziehungen (16), (19), (21) und (23) folgt:<br />
β = 2<br />
≈ 0, 286<br />
7<br />
γ = − 1<br />
≈ − 0, 143,<br />
7<br />
(24)
2 THEORETISCHE GRUNDLAGEN 8<br />
Abbildung 2: Der Übergang von der Grenz- zur Mischungszone.<br />
was mit den experimentellen Werten (13) und (14) bemerkenswert gut übereinstimmt.<br />
Fragen zur Vorbereitung<br />
• Wie hängt (qualitativ) die Temperatur in der Zelle von z ab?<br />
• Warum muß man annehmen, daß an der Grenzschicht der Dicke λ eine<br />
Temperaturdifferenz der Größenordnung ∆T anliegt?<br />
• Was könnte die Rechtfertigung dafür sein, den Reibungsterm in Gleichung<br />
(3) durch den Ausdruck νwhλ −2 abzuschätzen?<br />
• Was berechtigt zu der Annahme wh ∼ uc?
3 VERSUCHSDURCHFÜHRUNG 9<br />
Temperatursensor<br />
Temperatursensor<br />
el. Heizung<br />
K ü hlkreislauf<br />
Abbildung 3: Skizze der <strong>Konvektion</strong>szelle.<br />
3 Versuchsdurchführung<br />
3.1 Versuchsaufbau<br />
Die im Experiment verwendete <strong>Konvektion</strong>szelle besteht im wesentlichen aus<br />
drei Teilen:<br />
• einer elektrisch beheizbaren Metallplatte an der Unterseite der Zelle<br />
• einer wassergekühlten Metallplatte an der Oberseite<br />
• einem oben und unten offenen Mittelteil aus Plexiglas, der eigentlichen<br />
<strong>Konvektion</strong>szelle<br />
In Abbildung 3 ist dieser Aufbau skizziert.<br />
Um die <strong>Rayleigh</strong>zahl über eine weiten Bereich variieren zu können, bietet<br />
das Experiment die Möglichkeit, verschiedene Zellen unterschiedlicher Höhe<br />
und/oder unterschiedlicher Geometrie zu verwenden.<br />
Die Höhen der verschiedenen Zellen liegen zwischen 2 und 300 mm. Damit<br />
ist es möglich, die <strong>Rayleigh</strong>zahl im Bereich 500 ≤ Ra ≤ 10 10 zu variieren. Im<br />
Bereich kleiner <strong>Rayleigh</strong>zahlen kommen Zellen mit rechteckiger (5 × 50 mm 2 ),<br />
quadratischer (Kantenlänge 200 mm) und kreisförmiger (Durchmesser 300 mm)<br />
Grundfläche zur Verwendung, deren Höhen 2 bzw. 5 mm betragen. Um höhere<br />
<strong>Rayleigh</strong>zahlen zu erreichen, stehe Zellen mit Höhen von 43, 100 und 290 mm<br />
zur Verfügung. Diese Zellen sind zylindrisch, wobei ihr Durchmesser gleich ihrer<br />
Höhe l0 ist.<br />
3.2 Messung der Nusseltzahl<br />
Ein Ziel dieses Versuchs ist es, die Nusseltzahl Nu in Abhängigkeit der <strong>Rayleigh</strong>zahl<br />
Ra zu bestimmen. Um diese beiden Größen zu ermitteln, mißt man
3 VERSUCHSDURCHFÜHRUNG 10<br />
ρ Dichte 1002, 755 exp � −2, 244 10 −4 T � kg<br />
m 3<br />
C spez. Wärmekapazität 4181,8 W s<br />
kgK<br />
α therm. Ausdehnungskoeff. ( 0, 09 T + 0, 3 ) 10−4 1<br />
K<br />
ν kinematische Viskosität 1, 679 10−6 exp � −2, 559 10−2 T �<br />
m2 s<br />
κ Temperaturleitfähigkeit 1, 313 10−7 exp � 4, 25 10−3 T �<br />
m2 s<br />
Tabelle 1: Die wichtigsten Materialparameter von Wasser. Die Temperatur T<br />
ist in Grad Celsius einzusetzen.<br />
die über die elektrische Heizung zugeführte Leistung sowie die Temperaturen<br />
der beiden Metallplatten (letztere mittels temperaturabhängiger Widerstände).<br />
Die <strong>Rayleigh</strong>zahl berechnet sich nach (9) aus der Temperaturdifferenz ∆T<br />
zwischen den beiden Platten und deren Abstabnd l0. Die übrigen Größen, die<br />
in die Berechnung eingehen, sind Materialparameter. In Tabelle 1 finden sich<br />
die wichtigsten Werte für Wasser.<br />
Das Experiment wird gegen seine Umgebung mit Styropor isoliert. Man<br />
kann daher annehmen, daß die der unteren Platte zugeführte Heizleistung vollständig<br />
durch die Zelle zur oberen Platte transportiert wird, also gleich dem<br />
Wärmefluss durch die Zelle ist. Um die Nusseltzahl zu bestimmen, muß dieser<br />
gemessene Wärmefluss noch durch den konduktiven dividiert werden. Der kon-<br />
duktive Wärmefluss errechnet sich aus dem anliegenden Temperaturgradienten<br />
( ∆T ), der Wärmeleitfähigkeit k von Wasser (aus den Werten in Tabelle 1 zu<br />
l0<br />
berechnen) und der Grundfläche F der Zelle.<br />
Nach (8) ist die <strong>Rayleigh</strong>zahl nicht der einzige bestimmende Parameter der<br />
Boussinesq-Gleichungen, die Lösungen dieser Gleichungen hängen außer von<br />
Ra auch noch von der Prandtl-Zahl Pr ab. Die Nusseltzahl wird also im allgemeinen<br />
auch eine Funktion von Pr sein (siehe auch Gleichung (50)). Wie in<br />
Tabelle 1 deutlich wird, sind die Materialparameter ν und κ, die in die Prandtlzahl<br />
eingehen, von der Temperatur abhängig. Da im Verlauf des Experiments<br />
die Temperaturen der Platten geändert werden, um die <strong>Rayleigh</strong>zahl zu variiren,<br />
kann die Prandtlzahl also eigentlich nicht als konstant angesehen werden.<br />
Die Temperaturabhängigkeit von P r ist allerdings schwach; erhöht man die<br />
Temperatur von Wasser von 40 ◦ C um zehn Grad auf 50 ◦ C (das sind für das<br />
Experiment typische Werte), so fällt die Prandtlzahl von 3,88 auf 2,88. Im Vergleich<br />
mit der <strong>Rayleigh</strong>zahl, die im Bereich 10 3 ≤ Ra ≤ 10 10 variiert, kann Pr<br />
in guter Näherung als konstant betrachtet werden.<br />
3.3 Messung der Temperaturfluktuationen<br />
Die Temperatur ist eine wichtige Gröse in diesem Experiment, da sie den Auftriebsterm<br />
in der Boussinesq-Gleichung bestimmt und daher die Bewegung des<br />
Fluides verursacht. Bei hohen <strong>Rayleigh</strong>zahlen Ra fluktuiert die Temperatur<br />
räumlich und zeitlich sehr stark. Daher muß ein Temperatursensor eine hohe<br />
räumliche Auflösung haben und schnell auf zeitliche Schwankungen reagieren
3 VERSUCHSDURCHFÜHRUNG 11<br />
können. In diesem Experiment wird ein ” Kalt-Draht“ verwendet. Dies ist ein<br />
kurzer (2 mm) und sehr feiner (20 µm) Wolframdraht. Da Wolfram einen temperaturabhängigen<br />
Widerstand hat, läßt sich z.B. über die abfallende Spannung<br />
auf die Temperatur des umströmenden Wassers zurückschließen. Der Zusammenhang<br />
zwischen dem Widerstand des Drahtes und der Temperatur des<br />
Wassers muß zunächst bestimmt werden. Dazu wird der Widerstand in Wasserbädern<br />
mit bekannter Temperatur bestimmt und es ergibt sich durch eine<br />
lineare Regression mit einigen Stützstellen die gesuchte mathematische Beziehung.<br />
• Temperaturfluktuationen in verschiedenen Höhen messen. Läßt sich daraus<br />
zurückschließen, wie die zeitliche und räumliche Temperaturverteilung<br />
aussieht?<br />
• Spektrum der Temperaturfluktuationen bestimmen.<br />
• Wahrscheinlichkeitsverteilung der Temperaturfluktuationen bestimmen.<br />
3.4 Laborbuch<br />
Für einen besseren Austausch zwischen den einzelnen Gruppen ist ein Laborbuch<br />
vorhanden, in das jede Gruppe hineinschreiben soll. Dieses Laborbuch<br />
beschreibt die durchgeführten Experimnte und ist während des Experimentierens<br />
zu führen. Die Eintragungen können sehr kurz sein, sollten für andere<br />
jedoch leserlich und verständlich sein. Jeder Eintrag beginnt mit dem eigenen<br />
Namen und dem Datum. Zu jedem Experiment wird zunächst die zugrundeliegende<br />
Fragestellung festgehalten. Es folgen die Untersuchungsschritte und die<br />
Antwort auf die Frage (einschließlich der Ergebnisse). Es können auch Mitteilungen<br />
für andere eingetragen werden. Dazu gehören auch Gerätejustierungen.<br />
Die Versuchsbeschreibung endet oft mit Hinweisen auf weitere Experimente.<br />
Checkliste für das Laborbuch<br />
• Für jeden Experimentierschritt ein Eintrag?<br />
• Datum, Name?<br />
• zugrundeliegende Fragestellung bzw. Ziel der Messung?<br />
• Verlauf des Experimentes festgehalten? Abgelesene Meßwerte eintragen<br />
(nicht nur die umgerechneten)? Benutzte Gleichungen aufgeschrieben?<br />
• Ergebnis des Experimentes dargestellt?<br />
• Antwort auf die Fragestellung?<br />
• Mitteilungen für andere? Tipps, Kniffe und Probleme?<br />
• Wichtige Veränderungen im Experiment?
3 VERSUCHSDURCHFÜHRUNG 12<br />
• Hinweise auf weitere Experimente?<br />
Das ausformulierte und abzugebene Protokoll ist davon zu unterscheiden.<br />
Hier sei nur eine kurze Checkliste angegeben:<br />
Checkliste für das Protokoll<br />
• Motivation/Einleitung.<br />
• kurzer Umriß der Theorie, (besonders wichtig sind Gleichungen, die für<br />
die Auswertung benutzt werden.).<br />
• Beantworten der Fragen der Versuchsanleitung.<br />
• Beschreiben der Fragestellung bzw. des Ziels des Experimentes.<br />
• Versuchsaufbau beschreiben.<br />
• Ergebnisse darstellen mit Fehlern und Fehlerrechnung.<br />
• Ergebnisse diskutieren, mit Theorie vergleichen.<br />
• aufgetauchte Probleme angeben.<br />
• Fazit, Zusammenfassung.<br />
Dieses Protokoll braucht nicht mehr die Zwischenrechnungen zu enthalten, da<br />
diese auch im Laborbuch zu finden sind.
4 ANHANG: LINEARE STABILITÄTSANALYSE DES RAYLEIGH-B ÉNARD-SYSTEMS13<br />
4 Anhang: Lineare Stabilitätsanalyse des <strong>Rayleigh</strong>-<br />
<strong>Bénard</strong>-Systems<br />
Im Folgenden sollen die Methoden skizziert werden, die es erlauben, das Eintreten<br />
der ersten Instabilitäten in <strong>Konvektion</strong>ssystemen bei kleinen <strong>Rayleigh</strong>-<br />
Zahlen zu beschreiben. Das Vorgehen dieses Kapitels sei kurz umrissen: Typischerweise<br />
wird von einer Lösung der grundlegenden Bewegungsgleichung ausgegangen.<br />
Hier starten wir mit einer Lösung der Boussinesq-Gleichung, bei der<br />
das Fluid ruht. Diese Lösung wird nun ersetzt durch die Lösung selber mit einer<br />
kleinen Störung. Treten dabei höhere Potenzen der Störung auf, so werden diese<br />
vernachlässigt (lineare Stabilitätsanalyse). Die kleine Störung wird in einer<br />
Fourier-Entwicklung dargestellt. Dadurch ergeben sich Gleichungen, in denen<br />
die Fouriermoden der Form exp[i � k�x+σt] auftreten. Ist der Realteil von σ größer<br />
Null, ℜ(σ) > 0, so wachsen die zugehörigen Fouriermoden exponentiell an, das<br />
System ist intabil.<br />
Betrachtet wird eine in der vertikalen Ebene unendlich ausgedehnte Schicht<br />
eines Fluids der Dicke l0. Diese Ebene, bezeichnet durch die kartesischen Koordinaten<br />
X und Y, liege senkrecht zur Richtung der Erdbeschleunigung, die<br />
Z-Achse antiparallel zu �g. In Z-Richtung wird das Fluid durch zwei Flächen<br />
begrenzt, die untere bei Z = 0 hat die Temperatur T0 + △T , die obere bei<br />
Z = l0 die Temperatur T0 (siehe Abb. 4).<br />
�<br />
�<br />
�<br />
�<br />
� �<br />
� � ����<br />
Abbildung 4: Zur Definition des Koordinatensystems.<br />
Der stationäre Zustand dieses Systems ist denkbar einfach: Das Fluid ist in<br />
Ruhe, d.h.: �vs = 0, und die Temperatur fällt von T0 + ∆T bei Z = 0 linear auf<br />
T0 bei Z = l0 (ist das Fluid in Ruhe, verhält es sich, was die Wärmeleitung<br />
betrifft, wie ein gewöhnlicher Festkörper). Die Temperatur Ts im stationären<br />
Fall läßt sich als Funktion der Koordinate Z also folgendermaßen darstellen:<br />
�<br />
Ts(Z) = T0 + ∆T 1 − Z<br />
�<br />
. (25)<br />
Die mittlere Temperatur < Ts > des stationären Zustands ist einfach T0 + ∆T<br />
2 ,<br />
die Abweichung Θs der Temperatur vom Mittelwert ergibt sich zu<br />
� �<br />
1 Z<br />
Θs(Z) = Ts(Z) − < Ts > = ∆T −<br />
2 l0<br />
l0<br />
(26)
4 ANHANG: LINEARE STABILITÄTSANALYSE DES RAYLEIGH-B ÉNARD-SYSTEMS14<br />
Für den Druck ps im stationären Fall ergibt sich aus Gleichung (3) mit �vs = 0<br />
der einfache Zusammenhang<br />
0 = − 1<br />
ρ � ∇ps + α g Θs �ez. (27)<br />
Um die Variablen nach (7) dimensionslos zu machen, benutzt man als charakteristische<br />
Länge die Dicke der Schicht l0 und als Temperaturskala die Differenz<br />
∆T der Temperaturen der beiden Begrenzungsflächen. In den dimensionslosen<br />
Variablen gilt nach (26,27) für den stationären Zustand<br />
�us = 0 (28)<br />
θs = 1<br />
− z<br />
2<br />
(29)<br />
0 = −� ∇πs + Pr Ra θs �ez (30)<br />
Um zu untersuchen, ob dieser Zustand überhaupt existieren kann, betrachtet<br />
man die Reaktion des Systems auf kleine Störungen δ�u, δθ und δπ. Ergibt sich<br />
aus den Gleichungen (8), daß solche Störungen nicht gedämpft werden, sondern<br />
mit der Zeit anwachsen, ist (28) kein stabiler Zustand des Systems, er wird<br />
experimentell nie beobachtet werden.<br />
Der Ansatz für das gestörte System lautet also<br />
�u = �us + δ�u = δ�u<br />
θ = θs + δθ<br />
π = πs + δπ (31)<br />
Um nun eine Gleichung für δ�u zu erhalten, geht man mit diesem Ansatz in<br />
die Gleichungen (8) und nutzt zusätzlich die Bedingungen (28, 29, 30) für die<br />
stationäre Lösung. Wichtig ist dabei, daß die Störungen als klein angenommen<br />
werden, was es erlaubt, Terme zu vernachlässigen, in denen diese kleinen Größen<br />
quadratisch vorkommen (also Terme der Form (δ�u· � ∇) δ�u oder auch (δ�u· � ∇) δθ).<br />
Eine einfache Rechnung ergibt<br />
�∇ · δ�u = 0 (32)<br />
∂<br />
∂τ δθ − w = � ∇ 2 δθ (33)<br />
∂<br />
∂τ δ�u = −� ∇ δπ + Pr � ∇ 2 δ�u + Pr Ra δθ �ez<br />
−� ∇ πs + Pr Ra θs �ez , (34)<br />
� �� �<br />
= 0 nach (30)<br />
wobei w die z-Komponente des Vektors δ�u bezeichnet.<br />
Gleichung (34) liefert eine für die weitere Rechnung sehr hilfreiche Beziehung,<br />
wenn man ihre Divergenz berechnet:<br />
�∇ ·<br />
�<br />
∂<br />
∂τ δ�u<br />
�<br />
= ∂<br />
� �<br />
�∇ · δ�u<br />
∂τ<br />
= 0 nach (32)
4 ANHANG: LINEARE STABILITÄTSANALYSE DES RAYLEIGH-B ÉNARD-SYSTEMS15<br />
= − � ∇ 2 δπ + PrRa � ∇ · (δθ�ez) + � ∇ · (Pr � ∇ 2 δ�u)<br />
= − � ∇ 2 δπ + PrRa � ∇ · (δθ�ez) + Pr � ∇ 2 ( � ∇ · δ�u)<br />
� �� �<br />
= 0<br />
= − � ∇ 2 δπ + PrRa ∂<br />
∂z (δθ)<br />
→ ∇� 2 ∂<br />
(δπ) = PrRa (δθ). (35)<br />
∂z<br />
Da Auftriebskräfte im hier betrachteten System nur in z-Richtung wirken (siehe<br />
Gleichung (34)), ist zu erwarten, daß Instabilitäten aufgrund dieses Terms<br />
zunächst auch in der z-Komponente der Geschwindigkeit auftreten. Die weiteren<br />
Betrachtungen werden sich daher auch auf die Betrachtung dieser Komponente<br />
beschränken. Wendet man auf die z-Komponente der Gleichung (34)<br />
� ∂<br />
∂τ − Pr � ∇ 2<br />
den Laplace-Operator an, so erhält man:<br />
�∇ 2<br />
�<br />
∂<br />
∂τ − Pr � ∇ 2<br />
�<br />
�<br />
w = − ∂<br />
δπ + Pr Ra δθ (36)<br />
∂z<br />
w = − � 2 ∂<br />
∇<br />
∂z δπ + Pr Ra � ∇ 2 δθ<br />
= − ∂<br />
(35)<br />
= − ∂<br />
∂z<br />
∂z � ∇ 2 δπ + Pr Ra � ∇ 2 δθ<br />
�<br />
∂2 = Pr Ra<br />
�<br />
Pr Ra ∂<br />
∂z δθ<br />
∂2<br />
+<br />
∂x2 ∂y2 � �<br />
∂2 + Pr Ra<br />
∂x2 +<br />
∂2<br />
∂y2 ∂2<br />
+<br />
∂z2 �<br />
�<br />
δθ<br />
δθ (37)<br />
Zusammen mit Gleichung (33) stellt sich nun also das Problem, folgendes Gleichungssystem<br />
zu lösen:<br />
�∇ 2<br />
�<br />
∂<br />
∂τ − Pr � ∇ 2<br />
�<br />
�<br />
∂2 ∂2<br />
w = Pr Ra +<br />
∂x2 ∂y2 �<br />
δθ<br />
�<br />
∂<br />
∂τ − � ∇ 2<br />
�<br />
δθ = w. (38)<br />
Zuvor muß man sich allerdings über die Randbedingungen klar werden. Für<br />
die Temperaturfluktuationen δθ ist das sehr einfach; da die Temperaturen der<br />
Begrenzungsflächen auf konstanten Werten gehalten werden lauten sie<br />
δθ(z = 0) = δθ(z = 1) = 0. (39)<br />
Da die Begrenzungen als starr angenommen werden, muß dort auch das Geschwindigkeitsfeld<br />
verschwinden,<br />
w(z = 0) = w(z = 1) = 0. (40)
4 ANHANG: LINEARE STABILITÄTSANALYSE DES RAYLEIGH-B ÉNARD-SYSTEMS16<br />
Für ein Differentialgleichungssystem zweiter Ordnung ist eine weitere Randgedingung<br />
nötig. Die in der folgenden Rechnung verwendete lautet<br />
� � � �<br />
∂2 ∂2 w = w = 0 (41)<br />
∂z2 ∂z2 z=0<br />
Ohne eine Herleitung zu geben sei hier erwähnt, daß diese Randbedingungen eine<br />
Grenzfläche beschreiben, an der Reibungskräfte zu vernachlässigen sind. Das<br />
im vorliegenden Versuch untersuchte System entspricht diesen Randbedingungen<br />
nicht, die Rechnung mit realistischen Randbedingungen ist jedoch erheblich<br />
aufwendiger. Die relevanten Ergebnisse lassen sich, wenigstens qualitativ, aber<br />
auch mit obigen Randbedingungen gewinnen.<br />
Es erweist sich als günstig, die gesuchten Größen in Fourierdarstellung zu<br />
verwenden:<br />
z=1<br />
i (kxx+kyy) + pτ<br />
w = W (z) e<br />
δθ = ˜ θ(z) e i (kxx+kyy) + pτ . (42)<br />
(42) ist keine vollständige Fourierdarstellung der gesuchten Größen. Da jedoch<br />
die Gleichungen (38) linear in w und δθ sind, entkoppeln die einzelnen Moden<br />
und können einzeln betrachtet werden (der obige Ansatz wäre für nichtlineare<br />
Gleichungen wie etwa (8) unzulässig). Ziel der linearen Stabilitätsanalyse ist<br />
es, die Mode zu finden, die ” als erste“, d.h.: bei der kleinsten <strong>Rayleigh</strong>-Zahl,<br />
instabil wird. Ob eine Mode stabil oder instabil ist, hängt vom Wert der Zeitkonstanten<br />
p ab. Ist p kleiner als Null, klingt die Mode in der Zeit exponentiell<br />
ab, ist p größer als Null, wächst sie exponntiell. Mit anderen Worten: bei kleinen<br />
<strong>Rayleigh</strong>zahlen, wo stabiles Verhalten erwartet werden kann, sollte p negativ<br />
sein, bei großen Werten von Ra dann positiv. Beim Auftreten der ersten Instabilitäten<br />
sollte p also von negativen auf positive Werte umschlagen. Es ist also<br />
ausreichend, im Folgenden Lösungen zu suchen, für die p = 0 gilt.<br />
Die Funktionen W (z) und ˜ θ(z) werden in diskreter Fourierzerlegung dargestellt.<br />
Aus den gewählten Randbedingungen folgt sofort:<br />
W (z) = An sin(nπz)<br />
˜θ(z) = Bn sin(nπz), (43)<br />
wobei n eine ganze Zahl größer Null ist. Wie auch schon in (42) ist dieser Ansatz<br />
nicht vollständig, eigentlich müßte über alle n summiert werden. Analoge<br />
Argumente wie oben erlauben es jedoch, die Betrachtungen auf eine Mode zu<br />
beschränken.<br />
Aus (42, 43) folgt:<br />
� ∂ 2<br />
∂2<br />
+<br />
∂x2 ∂y2 ∂<br />
δθ = p δθ<br />
∂τ<br />
∂<br />
w<br />
∂τ<br />
�<br />
= p w<br />
δθ = a 2 δθ
4 ANHANG: LINEARE STABILITÄTSANALYSE DES RAYLEIGH-B ÉNARD-SYSTEMS17<br />
�∇ 2 δθ = − (a 2 + n 2 π 2 ) δθ<br />
�∇ 2 w = − (a 2 + n 2 π 2 ) w,<br />
mit: a 2 = k 2 x + k 2 y (44)<br />
Eingesetzt in (38) führt dieser Ansatz zu folgendem algebraischen Gleichungssystem:<br />
� p + Pr a 2 + Pr n 2 π 2 � � a 2 + n 2 π 2 � w − Pr Ra a 2 δθ = 0<br />
w − � p a 2 + n 2 π 2 � δθ = 0 (45)<br />
Damit dieses Gleichungssystem eine Lösung haben kann, muß die Determinante<br />
der Matrix<br />
⎛<br />
⎝<br />
�<br />
p + Pr a2 + Pr n2 π2 � � a2 + n2 �<br />
π2 1<br />
Pr Ra a 2<br />
� p a 2 + n 2 π 2 �<br />
verschwinden. Diese Bedingung stellt einen Zusammenhang zwischen Ra, a und<br />
n her. Er lautet (für p = 0):<br />
Ra(a) =<br />
� n 2 π 2 + a 2 � 3<br />
⎞<br />
⎠<br />
a 2 . (46)<br />
Gleichung (46) bestimmt die <strong>Rayleigh</strong>zahl, bei der die n-te Mode des Wellenvektors<br />
a instabil wird. Um den niedrigsten Wert von Ra zu finden, bei dem<br />
das System instabil werden kann, muß Ra nun noch bezüglich n und a minimiert<br />
werden. Man sieht unmittelbar, daß die Minimierung bezüglich n den<br />
Wert n = 1 ergibt. Das Minimum für Ra bezüglich a bei n = 1 ergibt sich nach<br />
einfacher Rechnung zu:<br />
Rac =<br />
a 2 c<br />
= π2<br />
2<br />
27 π4<br />
4<br />
≈ 657, 5<br />
≈ 4, 935. (47)<br />
Wie bereits erwähnt, sind die oben betrachteten Randbedingungen experimentell<br />
nicht gegeben. Führt man die Rechnung mit realistischen Randbedingungen<br />
durch, ergibt sich jedoch qualitativ nichts neues. Man erhält eine Bedingung für<br />
die Lösbarkeit der Gleichungen, analog zu Gleichung (46). Minimierung nach a<br />
und n liefert in diesem Fall folgende Werte für den Einsatz von Instabilitäten<br />
[6]:<br />
Rac ≈ 1708<br />
a 2 c ≈ 3.12. (48)<br />
Diese Werte werden auch experimentell gefunden.<br />
Die Vorhersagen der linearen Stabilitätsanalyse beschränkt sich auf den Einsatz<br />
der ersten Instabilität und deren Wellenzahl. Um Informationen über das
4 ANHANG: LINEARE STABILITÄTSANALYSE DES RAYLEIGH-B ÉNARD-SYSTEMS18<br />
Verhalten des Systems bei höheren <strong>Rayleigh</strong>zahlen oder über die Abhängigkeit<br />
der Nusseltzahl Nu von Ra zu erhalten, muß man Störungsrechnung betreiben.<br />
Man definiert dazu den Kontrollparameter ɛ:<br />
�<br />
Ra<br />
ɛ = − 1 (49)<br />
Rac<br />
und entwickelt alle interessierenden Größen in einer Taylorreihe um ɛ = 0, d.h.<br />
um den Punkt, an dem das System instabil wird.<br />
Diese sog. schwach nichtlineare Störungsrechnung liefert für die Nusseltzahl<br />
folgendes Ergebnis:<br />
Nu(ɛ) = 1 +<br />
ɛ2 a − b<br />
Pr + c<br />
Pr2 mit: a = 0, 69942<br />
b = 0, 00472<br />
c = 0, 008321<br />
(50)<br />
Theoretisch Interessierte finden weiterführende Literatur zu diesem Thema in<br />
[5] und [6].
4 ANHANG: LINEARE STABILITÄTSANALYSE DES RAYLEIGH-B ÉNARD-SYSTEMS19<br />
Fragen zur Vorbereitung<br />
• Warum bedient man sich der linearen Stabilitätsanalyse, anstatt das Gleichungssystem<br />
(8) direkt zu untersuchen?<br />
• Warum ist der Ansatz (42) zulässig?<br />
• Warum bedient man sich für die x- und die y-Koordinate der Geschwindigkeit<br />
der kontinuierlichen Fouriertransformation, für die z-komponente<br />
aber der diskreten?<br />
• Welcher Mechanismus verhindert, daß das System nicht schon bei sehr<br />
viel kleineren <strong>Rayleigh</strong>zahlen instabil wird?<br />
• Wie kann man sich also erklären, daß sich im betrachteten Fall (Grenzflächen<br />
ohne Reibung) ein zu kleiner Wert für die kritische <strong>Rayleigh</strong>zahl<br />
ergibt?<br />
• Durch welche einfache Maßnahme kann das System auch für unendlich<br />
hohe <strong>Rayleigh</strong>zahlen stabilisiert werden?<br />
• Welcher Mechanismus liegt dem Wärmetransport in konvektiven Strömungen<br />
zugrunde [3]?<br />
• Wie hängt die Temperatur bei <strong>Rayleigh</strong>-<strong>Bénard</strong>-<strong>Konvektion</strong> von der z-<br />
Koordinate ab (qualitativ) [3]?<br />
• Welcher physikalische Effekt liegt der <strong>Konvektion</strong> im offenen <strong>Bénard</strong>-<br />
System zugrunde [3]?
LITERATUR 20<br />
Literatur<br />
[1] G. Ahlers, S. Großmann und D. Lohse, Physik Journal, vol 2, pp 31-37,<br />
2001<br />
[2] H. Vogel, Gerthsen Physik, Springer 1995, 18 Auflage<br />
[3] D.J. Tritton, Physical Fluid Dynamics, Clarendon Press, 1988<br />
• Kap. 4.4, ” Freie <strong>Konvektion</strong> zwischen parallelen Platten; <strong>Konvektion</strong><br />
in horizontalen Schichten“<br />
• Kap. 14.5, ” <strong>Konvektion</strong>; freie <strong>Konvektion</strong>: Grundlagen“<br />
• Kap. 15.4, ” Stratified Flow; interne Wellen“<br />
• Kap. 17.4, ” Instabilitäten; das Prinzip der linearen Theorie von hydrodynamischen<br />
Stabilitäten“<br />
• Kap. 22, ” <strong>Konvektion</strong> in horizontalen Schichten“<br />
• Kap. 22.2, ” <strong>Konvektion</strong> in horizontalen Schichten; Einsatz der <strong>Konvektion</strong>“<br />
• Kap. 24.7, ” dynamisches Chaos; Implikationen für den Übergang in die<br />
Turbulenz“<br />
• Kap. 26.2, 26.5, 26.6, Anwendungen<br />
[4] B. Castaing et al, Scaling of hard thermal turbulence in <strong>Rayleigh</strong>-<br />
Benard convection, J. Fluid Mech., vol 204, pp1-30,1989<br />
[5] H.L. Swinney, J.P. Gollub (Hrsgb.), Topics in Applied Physics, Springer<br />
1981<br />
[6] J.K. Bhattacharjee, Convection and Chaos in Fluids, World Scientific<br />
Publishing Co., 1987<br />
[7] H. Eckelmann, Einführung in die Strömungsmeßtechnik, Teubner<br />
1997