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Wesselinger Stadt Magazin September 2017

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RECHTSMAGAZIN<br />

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Rechtsanwälte<br />

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mit Tipps und Informationen rund um<br />

»Ihr gutes Recht« von Rechtsanwalt<br />

Michael W. Felser<br />

Arbeitnehmerüberwachung – was darf der Chef?<br />

Zunächst mal die gute Nachricht: Die meisten Chefs vertrauen<br />

ihren Arbeitnehmern und kontrollieren nie oder selten. Vereinzelt<br />

machen allerdings auch Fälle Schlagzeilen, bei denen Mitarbeiter<br />

gekündigt wurden, weil sie während der Arbeitszeit private<br />

Angelegenheiten erledigt haben oder zuviel Zeit im Internet,<br />

auf Facebook, mit Whatsapp oder Instagramm verbracht<br />

haben. Zwei aktuelle Entscheidungen zeigen Mitarbeitern aber<br />

auch Chefs Grenzen auf.<br />

Grundsätzlich gilt: Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps,<br />

wie schon die Oma wusste. Das hat sich auch im Zeitalter des<br />

Internets nicht geändert. Am Arbeitsplatz hat man zu arbeiten<br />

und nicht zu chatten oder zu surfen. Raucher wissen das seit<br />

einigen Jahren, Raucherpausen sind Privatvergnügen und werden<br />

nicht bezahlt. Warum sollte das beim Chatten, Tindern oder<br />

surfen anders sein?<br />

Soweit die arbeitsrechtliche Theorie – die meisten Chefs sind<br />

großzügiger und dulden gelegentliche private Aktivitäten am<br />

Arbeitsplatz. Solange man es nicht übertreibt. Verlassen sollte<br />

man sich auf die Großzügigkeit aber nicht, insbesondere, wenn man<br />

beim Chef auf der roten Liste der gefährdeten Mitarbeiter steht,<br />

wie die beiden vom Bundesarbeitsgericht und vom Europaischen<br />

Gerichtshof für Menschenrechte entschiedenen Fälle zeigen.<br />

Im vom Bundesarbeitsgericht jüngst entschiedenen Fall hatte ein<br />

Web-Entwickler eine Kündigung bekommen. Der Arbeitgeber<br />

hatte den Arbeitsplatzrechner des Mitarbeiters mit einem sogenannten<br />

Keylogger präpariert, der sämtliche Tastatureingaben<br />

aufzeichnet und Screenshots des Bildschirms speichert. Es bestand<br />

nämlich der Verdacht, dass der Entwickler während der<br />

Arbeitszeit unerlaubt und in einem großen Umfang anderen<br />

Aktivitäten als seiner eigentlichen Arbeit nachging.<br />

Dadurch wurde festgestellt, dass der Arbeitnehmer privat ein<br />

Raumschiff-Spiel programmierte und damit spielte. Ausserdem<br />

bearbeitete der Entwickler für das Logistikunternehmen seines<br />

Vaters Aufträge und entwickelte ein Tool dafür. Die Arbeitgeberin<br />

fand circa 6.000 E-Mails. Ausserdem soll der Mitarbeiter<br />

ohne Bezug zu seiner Arbeit im Internet nach Flugzeugen und<br />

Freizeitparks gesucht haben. Würden die Vorwürfe zutreffen,<br />

dürfte eine Kündigung wohl gerechtfertigt sein. Der Entwickler<br />

bestritt dies natürlich und behauptete, er habe das während seiner<br />

Pausen erledigt. Ob die Vorwürfe zutrafen, klärte das Bundesarbeitsgericht<br />

aber gar nicht. Die Bundesarbeitsrichter sahen<br />

in dem heimlichen Einsatz der Software durch die Arbeitgeberin<br />

ohne einen auf den Arbeitnehmer bezogenen konkreten, auf<br />

Tatsachen begründeten Verdacht einer Straftat oder anderweitigen<br />

schwerwiegenden Pflichtverletzung als einen unverhältnismäßigen<br />

und rechtswidrigen Eingriff in das Grundrecht des<br />

Klägers auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs.<br />

1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Folge war ein Beweisverwertungsverbot<br />

- ohne die Aufzeichnungen des Keyloggers<br />

konnte der Arbeitgeber die Pflichtverstöße nicht beweisen.<br />

Die Kündigung war nach Ansicht aller Instanzen rechtswidrig. Die<br />

Vorinstanzen waren sogar der Meinung, dass der Einsatz eines<br />

Keyloggers selbst dann unzulässig wäre, wenn der Arbeitnehmer<br />

eine Zustimmung zur regelmäßigen Kontrolle des Arbeitsplatzrechners<br />

z.B. im Arbeitsvertrag oder Zusatzvereinbarungen<br />

gegeben hätte. Das Landesarbeitsgericht war der Ansicht, dass<br />

mildere Mittel auch in diesem Fall genutzt werden müssten, z.B.<br />

die Untersuchung des Arbeitsplatzrechners im Beisein des betroffenen<br />

Arbeitnehmers.<br />

Auf dieser Linie liegt auch eine aktuelle Entscheidung des Europäischen<br />

Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom 5.9.<strong>2017</strong>,<br />

der den Einsatz eines Keyloggers als menschenrechtswidrig ansah.<br />

Im Verfahren ging es um einen rumänischen Vertriebsingenieur,<br />

dem wegen privater Chats gekündigt worden war.<br />

Der EGMR sah in der Überwachung des Mitarbeiters eine Verletzung<br />

des Rechts auf Achtung des Privatlebens und der Korrespondenz<br />

(Art. 8 EMRK). Die Vorinstanz hatte dies noch anders<br />

gesehen, ebenfalls die rumänischen Gerichte, die der Arbeitnehmer<br />

zuvor erfolglos angerufen hatte. Der Ingenieur hatte<br />

den dienstlichen Yahoo Messenger Dienst auch privat genutzt,<br />

was verboten war. Der EGMR war der Meinung, dass der Arbeitgeber<br />

die Mitarbeiter über die eingesetzten Mittel zur Überwachung<br />

konkret informieren und auch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit<br />

wahren muss.<br />

Fazit: Die private Nutzung von Internetdiensten bleibt grundsätzlich<br />

verboten, wenn sie nicht erlaubt ist. Trotzdem sind nicht<br />

alle technischen Überwachungsmaßnahmen erlaubt. Wer seine<br />

Arbeit nicht vernachlässigt wird sicher auch zukünftig nichts zu<br />

befürchten haben. Man sollte es aber nicht übertreiben, auch<br />

wenn es für Arbeitgeber nicht einfacher geworden ist, den Missbrauch<br />

der Arbeitszeit nachzuweisen. Arbeitgeber müssen beachten,<br />

dass nicht jeder Nachweis erlaubt ist.<br />

Rechtsanwalt Felser beschäftigt<br />

sich schwerpunktmäßig mit<br />

dem Kündigungsrecht und hat<br />

als einer der ersten Anwälte<br />

über die Kanzlei mit eigener<br />

Webseite im Internet (seit 1996)<br />

informiert. Als einer der ersten<br />

anwaltlichen Blogger (seit 2004)<br />

hat er zu aktuellen oder spannenden<br />

rechtlichen Themen<br />

mehr als 5000 Beiträge im<br />

Internet veröffentlicht.<br />

Zum Thema Kündigung und Arbeitnehmerüberwachung<br />

hat der<br />

Autor zahlreiche Interviews gegeben,<br />

u.a. für den WDR, Bild.de<br />

und andere Medien.<br />

2 <strong>Wesselinger</strong> <strong>Stadt</strong> <strong>Magazin</strong>

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