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WIR AUSGABE 3/2017

Das Mitgliedermagazin der Österreichischen Kinderfreunde

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16 Aktuell<br />

Wir lernen im<br />

Vorwärtsgehen<br />

Wie gesellschaftliche Teilhabe<br />

von jungen Geflüchteten gelingen kann<br />

In der medialen Berichterstattung sind geflüchtete Menschen derzeit<br />

ein Dauerthema. Diskutiert wird dabei v.a. was alles nicht<br />

möglich sein sollte: Schließung von Fluchtrouten, Kürzungen von<br />

Sozialleistungen. Wie gesellschaftliche Teilhabe von Geflüchteten<br />

unterstützt werden kann, wird selten thematisiert und noch seltener<br />

stehen gelungene Teilhabeprozesse im Mittelpunkt. Das Institut<br />

für Kinderrechte & Elternbildung hat sich im Rahmen einer<br />

Studie der Frage nach den Teilhabechancen im Kontext (Aus-)Bildung<br />

und Arbeit gewidmet.<br />

Aus den Interviews, die wir geführt haben, sind etliche Fallgeschichten<br />

entstanden. Die Geschichte von Abu ist besonders beeindruckend.<br />

Sie zeigt, wie schnell und gut Bildungs- und Arbeitsmarktintegration<br />

funktionieren könnte: Abu ist seit Februar 2015<br />

in Österreich. Im Sommer 2016 beginnt er eine Lehre. Im Sommer<br />

<strong>2017</strong> spricht er Deutsch auf B2-Niveau (was z.B. Voraussetzung für<br />

den Zugang zur Uni ist) und hat sein erstes Lehrjahr erfolgreich abgeschlossen.<br />

Außerdem bezieht er seine erste eigene Wohnung. Er<br />

lebt damit unabhängig von staatlicher Unterstützung. Das alles obwohl<br />

sein Asylverfahren noch immer nicht abgeschlossen ist.<br />

Wie hat Abu seine Lehrstelle gefunden?<br />

Im Sommer 2015 kamen VertreterInnen von Berufsschulen in seine<br />

Flüchtlingsunterkunft. Jeder der Interesse hatte, konnte sich für<br />

einen Platz in einer Flüchtlingsklasse anmelden. Abu entschied<br />

sich für die Berufsschule für Gastgewerbe. Er berichtet begeistert,<br />

dass er von da an jeden Wochentag die Schule besuchen konnte:<br />

„Und ich hab die Schule besucht, jeden Tag von Montag bis Freitag.<br />

Und da haben wir (...) das, das war ein Wahnsinn, wir haben auch<br />

Essen bekommen, ein Mittagessen. (...) Das war total nett von unserer<br />

Schule.“ (Abu IP22/1)<br />

In der Flüchtlingsklasse erhielten die Jugendlichen Unterricht in<br />

Deutsch, Mathe und Englisch sowie Praxisunterricht. Im Frühjahr<br />

2016 beginnt Abu dann mit der Suche nach einer Lehrstelle. Dies<br />

gestaltet sich auf Grund des fehlenden freien Arbeitsmarktzugangs<br />

für AsylwerberInnen schwierig, obwohl gerade Berufe im<br />

Gastgewerbe zu den Mangelberufen zählen. Mit sehr engagierter<br />

Unterstützung seiner Lehrerin und des Direktors der Berufsschule<br />

schafft Abu es jedoch eine Lehrstelle als Kellner zu finden.<br />

Im Sommer <strong>2017</strong> erzählt Abu, dass er bald ins zweite Lehrjahr<br />

kommt, d.h. er hat beinahe ein Drittel seiner Lehrzeit absolviert.<br />

Mit seinen KollegInnen versteht er sich gut. Der Dialekt mancher<br />

Hotelgäste, der ihm zu Beginn noch Probleme bereitete, macht<br />

ihm nun nichts mehr aus. Mittlerweile kann er anhand der Aussprache<br />

einordnen woher die Gäste kommen und freut sich,<br />

wenn sie etwas über ihre Heimatdörfer/-städte erzählen.<br />

In der Berufsschule kommt er gut mit. Er berichtet, dass er im Februar<br />

sein erstes reguläres Zeugnis erhalten hat und bis auf eine<br />

Vier mit lauter Einsern, Zweiern und Dreiern benotet wurde. Am<br />

schwersten tut er sich zurzeit mit Französisch. In Deutsch und<br />

den anderen Fächern kommt er gut mit.<br />

Der junge Mann ist mit seiner aktuellen Situation sehr zufrieden.<br />

Er hat eine Lehrstelle als Kellner, besucht die Berufsschule und hat<br />

eine Wohnung. Er meint während des Interviews, dass er sehr<br />

glücklich und dankbar ist. Lediglich, dass er schon so lange auf<br />

seine Einvernahme über die Fluchtgründe beim Bundesamt für<br />

Fremdenwesen und Asyl warten muss, belastet ihn. Er hat Angst,<br />

dass er sich hier ein Leben aufbaut und dann wird ihm gesagt,<br />

dass er nicht bleiben darf. Für seine psychische Gesundheit ist es<br />

deswegen sehr wichtig, diese Lehrstelle und damit einen ausgefüllten<br />

Tagesablauf zu haben. Wenn er nicht in der Arbeit ist, trifft

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