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s'Magazin usm Ländle, 3. Dezember 2017

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FILM &MUSIK<br />

IstRebellionheutenoch en<br />

vogue,HerrBilgeri?<br />

INTER<br />

VIEW<br />

Der„Rock-Professor“,wie Reinhold Bilgeri gerne genannt wird, denkt auch mit 67 Jahren<br />

nicht an Ruhestand. Er ist wieder „scharf darauf“, neue Projekte zu realisieren.<br />

„Krone“-RedakteurinSandra Nemetschke traf ihn zum Gespräch über seine Verwurzelung<br />

in der Heimat, seine Balance im Leben und den Mut, gegen den Strom zu schwimmen.<br />

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Die Geschichte Vorarlbergs<br />

hat Reinhold<br />

Bilgeri immer schon<br />

interessiert. Mit der<br />

Arbeit am neuen Doku-Drama<br />

im Rahmen der „Universum<br />

History“-Zeitgeschichteserie<br />

„Unser Österreich“vertiefte sichder<br />

67-Jährige nochmals in die Vergangenheit<br />

des Landes. Wir treffen Bilgeri<br />

kurz vor der Vorpremiere im<br />

Landesfunkhaus in Dornbirn.<br />

Wie kommt es, dass Sie sich so intensiv<br />

mit der Geschichte Vorarlbergs<br />

auseinandersetzen?<br />

Das ist eine gute Frage. Es ist eine<br />

Art Aufarbeitung, und ich will wissen,woher<br />

ich komme und wo meine<br />

Wurzeln sind. Darum habeich auch<br />

die Geschichte meiner Mutter aus<br />

dem Großen Walsertal in„Atemdes<br />

Himmels“ erzählt. Nun kam nochmals<br />

eine willkommene Gelegenheit,<br />

mich in die Geschichte einzulesen.<br />

Neben der Sichtung von<br />

Archivmaterial konnte ich auch<br />

Spielfilmszenen gestalten, die es ermöglichen,<br />

tief in die Seele dieser<br />

Menschen von damals einzutauchen.<br />

Die Geschichte wird durch<br />

Beispiele aus dem Volk unheimlich<br />

plastisch erfahrbar. Natürlich ist einiges<br />

fiktional, ich war ja nicht dabei,<br />

aber wir wissen vielüber die Familie<br />

Juen,umdie es inder Doku gehen<br />

wird. Und mit diesem Wissen<br />

habe ich das Drehbuch geschrieben.<br />

Dieses Doku-Drama handelt vonden<br />

Erlebnissen der Montafoner Familie<br />

Juen, die von den dramatischen Entwicklungen<br />

des 20. Jahrhunderts unmittelbar<br />

betroffen war. Welchen<br />

Herausforderungenmussten sie sich<br />

stellen?<br />

Es beginnt 1918 nach dem Ersten<br />

Weltkrieg. Die österreich-ungarische<br />

Monarchie lag zerschmettert<br />

am Boden, und Österreich war nur<br />

noch ein ganz kleiner Staat, den<br />

viele nicht für überlebensfähighielten.<br />

Deswegen hatessehr früh Tendenzen<br />

gegeben, einen Anschluss<br />

an die Schweiz zu wagen. Also war<br />

es nicht immer so, dass diese starke<br />

Identität des Vorarlbergers da war<br />

–aus Angst vor einem weiteren sozialen<br />

Abstieghätte man sich gerne<br />

auch Richtung Westen orientiert.<br />

DieFamilie Juen, besondersMeinrad,<br />

war dann später Fluchthelfer,<br />

Schmuggler und Schwarzschlachter.<br />

Und erwar vor allem<br />

eine von zwei Stimmen in St. Gallenkirch,<br />

die gegen den Anschluss<br />

an Hitlerdeutschland gestimmt haben.<br />

Das war eine höchst mutige<br />

Entscheidung. Das hat mich gereizt<br />

an diesem Mann –seine Haltung,<br />

diese moralisch-ethische Sicherheit<br />

– und er ist gegen den<br />

Strom geschwommen. Eine der<br />

wichtigsten Facetten indieser Familie,<br />

die mich davon überzeugt hat,<br />

dass man diesen Menschen ein<br />

Denkmal setzenmuss.<br />

Wie hallt deren Geschichte in der<br />

Gegenwart nach?<br />

Meinrad Juen hat mit Zivilcourage<br />

undMut in politisch dunklenZeiten<br />

Widerstand geleistet. Das ist eine<br />

sehr aktuelle Message. Heute hat<br />

das Wort Schlepper einen negativen<br />

Beigeschmack. Damals war ein<br />

Schlepper ein Lebensretter, der<br />

unter Todesgefahr jüdische Menschen<br />

über die Grenze, in die Freiheit<br />

geführt hat. Das ist etwas, was<br />

man nicht vergessensollte,inZeiten<br />

wie diesen, wogegen alle möglichen<br />

Flüchtlingegeschimpft wird und auf<br />

deren Rücken Wahlen gewonnen<br />

werden. Man sollte sich besinnen,<br />

dass damals auch Österreicher auf<br />

der Flucht waren. Herzensbildung<br />

sollte gleichzeitig mit der Hirnbildung<br />

stattfinden.<br />

Sie sind Musiker, Schriftsteller und<br />

Filmemacher –wofür schlägt Ihr Herz<br />

am stärksten?<br />

Ich hatte immer schon die Sehnsucht,<br />

alle drei Genres als Künstler<br />

zu bedienen. Dass ich Künstler<br />

werden würde,war sowieso<br />

<br />

6<br />

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