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Feuerwehrreport_Ausgabe_2_2017

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Rössing - Ein Wäschetrockner fängt in einer Hinterhofgarage<br />

in Rössing plötzlich Feuer. Der Hausbesitzer<br />

versucht den Brand eigenständig zu löschen, doch<br />

die Rauchgase behindern die eigenen Löschversuche.<br />

Bei der Flucht aus der als Werkstatt genutzten Garage,<br />

stürzt der Anwohner und reißt dabei ein Regal um. Umstände,<br />

die die anrückenden Erstkräfte der Feuerwehr<br />

noch nicht kennen können. Dem Hausbesitzer kommt<br />

zu diesem Zeitpunkt zugute, dass er vorab selbst den<br />

Notruf getätigt hat. Doch die ortsansässige Feuerwehr<br />

aus Rössing ist mit einem Paralleleinsatz beschäftigt. Nur<br />

Minuten nach dem Notruf trifft dafür die Nachbarfeuerwehr<br />

Barnten ein. Ein Trupp unter Atemschutz dringt in<br />

die Garage vor, findet den Verunglückten und trägt ihn<br />

ins Freie. Er ist nur bedingt ansprechbar und hat vermutlich<br />

Rauchgase inhaliert. Den Einsatzkräften fällt auf, dass<br />

an ihrer Einsatzkleidung feinste Staubrückstände haften.<br />

Erst einmal wird dieser Entdeckung keine Beachtung gewidmet,<br />

da nun die Brandbekämpfung im Vordergrund<br />

steht. Doch beim erneuten Vorgehen in die verrauchte<br />

Garage fällt dem Trupp ein wichtiges Detail auf. Dieses<br />

Detail führt letztlich dazu, dass der vermeintliche Routineeinsatz<br />

eine ganze Kette an Ereignissen auslösen<br />

wird.<br />

Unbekannter Stoff wird als Gefahrstoff<br />

erkannt<br />

Schnell entdeckt der Trupp, dass das Pulver aus einem<br />

zerstörten Karton stammt, welcher mit einem Warnsymbol<br />

und einer Nummer gekennzeichnet ist. Der Trupp<br />

gibt seine Informationen an Tobias Trapp weiter. Trapp<br />

ist an diesem Abend als Gruppenführer eingesetzt und<br />

erkennt die Lage sofort. Es handelt sich nicht etwa um<br />

Waschpulver, sondern um eine hochgiftige Substanz,<br />

wie sie zum Beispiel in Fixierbädern bei der Entwicklung<br />

von Fotos genutzt wird. Der Stoff nennt sich Natriumselenit<br />

und ist hochgiftig, da er sich schnell in der gesamten<br />

Umgebungsluft verteilt. Dies wird auch Tobias Trapp<br />

nach kurzer Recherche schnell bewusst, sodass er den<br />

kommunalen Gefahrgutzug über die Feuerwehrleitstelle<br />

alarmieren lässt.<br />

Gefahrgutzug rückt mit knapp 40 Einsatzkräften<br />

an<br />

Unter der Gesamteinsatzleitung von Gefahrgutzugführer<br />

André Kirchner beginnt wenig später der Lauf gegen<br />

die Zeit, denn die giftigen Dämpfe verteilen sich immer<br />

weiter in der Garage. Doch noch sind nicht alle Vorbereitungen<br />

abgeschlossen. Zelte müssen aufgebaut, ein<br />

Dekontaminationsbereich eingerichtet und Feuerwehrtrupps<br />

mit Chemikalienschutzanzügen ausgerüstet<br />

werden. Nach einer halben Stunde geht der erste Trupp<br />

in seiner Schutzausrüstung vor, löscht den restlichen<br />

Schwelbrand und kümmert sich um die Aufnahme des<br />

giftigen Pulvers. André Kirchner weiß, dass sich eine halbe<br />

Stunde erst einmal lang anhört, doch so ein Gefahrguteinsatz<br />

ist auch nicht innerhalb weniger Minuten abgearbeitet.<br />

„Eine halbe Stunde ist eine völlig akzeptable<br />

Zeit, schneller geht es kaum“, berichtet der Zugführer<br />

während des Einsatzes. Um bereits Zeit und Ressourcen<br />

einzusparen, hat sich Kirchner im Vorfeld dazu entschieden,<br />

den großen Gerätewagen der Ortsfeuerwehr<br />

Nordstemmen kurzerhand als „Ankleidebereich“ für die<br />

Trupps zu nutzen. „Dadurch sparen wir den Aufbau eines<br />

Zeltes ein, denn der Gerätewagen muss so oder so abgepackt<br />

werden“, erklärt Kirchner.<br />

Nach einer Stunde kann Entwarnung<br />

gegeben werden<br />

Gegen 20:30 Uhr verlässt der letzte Trupp die Garage. Zu<br />

diesem Zeitpunkt ist das Pulver bereits aufgenommen<br />

und stellt keine Gefahr mehr dar. Am Rand des Geschehens<br />

steht ein sichtlich zufriedener Jens Bormann. Er<br />

hatte sich von Anfang an im Hintergrund gehalten und<br />

Notizen verfasst. Der Rössinger hatte sich Monate zuvor<br />

bereits mit dieser Übung auseinandergesetzt. Richtig,<br />

es war „nur“ eine Übung und doch war ein großer Erfolg<br />

erkennbar. „Ein wichtiges Ziel war die Zusammenarbeit<br />

mit einer Ortsfeuerwehr, die nicht dem Gefahrgutzug<br />

angehört. Dies ist wichtig, denn wir über sonst immer<br />

nur mit dem Gefahrgutzug“, erklärt der Übungsleiter. Er<br />

wollte an diesem Abend aber realitätsnahe Bedingungen<br />

schaffen. So trifft in der Regel immer erst die Ortsfeuerwehr<br />

am Ort des Geschehens ein. Bei der Übung klappte<br />

dies reibungslos, da schnell die geforderten „Spezialisten“<br />

nachgeordert wurden. Auch André Kirchner, der<br />

absichtlich nicht eingeweiht war, zeigte sich mit der<br />

Leistung seiner Kameradinnen und Kameraden zufrieden.<br />

„Es muss nicht immer der Tanklaster sein oder ein<br />

Chemieunfall an der Zuckerfabrik“, meint der Gefahrgutzugführer.<br />

„Kleine Einsätze, wie dieses Beispiel deutlich<br />

zeigt, können ebenfalls zur Gefahr für Menschen und die<br />

Umwelt werden, auch wenn man anfangs gar keine Gefahrstoffe<br />

vermutet.“<br />

Text und Fotos: Daniel Freitag<br />

Abb. 2: Im Hinteren Teil erfolgt der Aufbau<br />

des Dekontaminationsbereiches<br />

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