14.12.2012 Aufrufe

Pulmonale Exazerbation

Pulmonale Exazerbation

Pulmonale Exazerbation

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

17. Nordamerikanische Mukoviszidose-Konferenz (NACFC)<br />

in Anaheim, 16.-19. Oktober 2003<br />

<strong>Pulmonale</strong> <strong>Exazerbation</strong><br />

Kongressbericht<br />

von Dr. Thomas Nüßlein<br />

Das Programm der Nordamerikanischen CF-Konferenz bemüht sich üblicherweise um<br />

ein ausgewogenes Verhältnis von Klinik und Wissenschaft. Das Symposium, das hier<br />

vorgestellt wird, ist sicherlich am klinischen Ende des Spektrums einzustufen.<br />

Praxisbezogen sollen die Empfehlungen der Vortragenden sein, so betonen die beiden<br />

Chairmen, Duncan Geddes und Carlos Milla. Die Referentinnen und Referenten weisen<br />

einhellig darauf hin, dass die Evidenz ihrer Daten gering sei.<br />

Dennoch sind gerade diese Präsentationen für die Mehrzahl der Zuhörer von besonderer<br />

Bedeutung. Die Anforderungen des klinischen Alltags verlangen medizinisches Handeln,<br />

auch wenn Zahl und Umfang von randomisierten und kontrollierten Studien mit<br />

ausreichender Power zu gering sind für eine hochwertige Empfehlung. Zwei Ziele hat der<br />

Besucher eines solchen Symposiums in aller Regel: Zum einen besteht die Hoffnung,<br />

trotz des eigenen regelmäßigen Literaturstudiums neue Erkenntnisse für die regelmäßig<br />

verwandten Diagnostik- und Therapie-Schemata zu gewinnen und entsprechende<br />

Korrekturen vorzunehmen. Zum anderen aber ist es beruhigend zu hören, dass das<br />

eigene alltägliche Vorgehen auch in anderen Institutionen üblich ist. Unter beiden<br />

Gesichtspunkten sollen die Vorträge der vier Referentinnen bzw. Referenten<br />

zusammengefasst werden.<br />

WAS IST EINE PULMONALE EXAZERBATION BEI CF?<br />

C. E. Milla<br />

Bereits der erste Vortrag, der sich der vermeintlich banalen Frage nach der Definition<br />

einer pulmonalen <strong>Exazerbation</strong> widmete, musste im wesentlichen ohne „harte Daten“<br />

auskommen. Milla eröffnete das Symposium damit, dass er einige sehr unterschiedliche


<strong>Pulmonale</strong> <strong>Exazerbation</strong> Nüßlein Anaheim.doc, 25. März 2004<br />

Seite 2 von 5<br />

Definitionen ohne Wertung präsentierte, etwa die der nordamerikanischen Cystic Fibrosis<br />

Foundation von 1997 und die von Bonnie Ramsey aus dem Jahr 1994. Gemeinsam sei<br />

diesen, so Milla, dass sie die Diagnose <strong>Exazerbation</strong> letztendlich von der persönlichen<br />

Einschätzung des betreuenden Arztes abhängig machen.<br />

Welche eher objektiven Kriterien könnte man heranziehen, um die Bezeichnung<br />

<strong>Exazerbation</strong> im Einzelfall weniger beliebig zu machen? Ein Reihe von möglichen<br />

Parametern zählte Milla auf: Laboruntersuchungen, Lungenfunktions-Messungen,<br />

Marker aus exhaliertem Atemkondensat, Atemwegssekreten und Blut. Für sich<br />

genommen scheinen diese Marker keinen großen Beitrag zur genaueren Festlegung des<br />

Begriffs <strong>Exazerbation</strong> zu leisten, so Milla. Mehr verspricht sich der Referent von einer<br />

Kombination solcher Parameter. Diese haben sich in Studien bereits für die Definition<br />

einer <strong>Exazerbation</strong> bewährt. Als Beispiel wird die Untersuchung zur Wirksamkeit von<br />

hochdosierten Tobramycin-Inhalationen genannt.<br />

Entsprechend sieht auch das Resümee von Milla aus: Ein großer Fortschritt bestünde<br />

darin, die in klinischen Studien verwendeten Definitionen auf den klinischen Alltag zu<br />

übertragen. Einstweilen kommt es auf die Expertise des betreuenden Arztes an, eine<br />

<strong>Exazerbation</strong> als solche zu erkennen.<br />

PATHOPHYSIOLOGIE DER PULMONALEN EXAZERBATION BEI CF<br />

T. Ferkol<br />

Ferkol begann seinen Vortrag zur Pathophysiologie der pulmonalen <strong>Exazerbation</strong> bei CF<br />

mit der allseits bekannten Übersicht: Ausgangspunkt ist die CFTR-Mutation. Über den<br />

Chlorid-Kanal-Defekt, Veränderungen in der Zusammensetzung der Atemwegssekrete,<br />

Bronchialobstruktion, Infektion und Inflammation resultiert schließlich der Strukturdefekt<br />

in Form von Bronchiektasen. Diese „allgemeine“ Pathophysiologie der CF in den<br />

Atemwegen gilt grundsätzlich auch für die <strong>Exazerbation</strong>. Einige Akzente werden von<br />

Ferkol dennoch für den speziellen Kontext gesetzt: So ist die im Vergleich zum<br />

Atemwegsgesunden überschießende Entzündung auf vermeintlich geringe Reize ein<br />

wesentliches Charakteristikum der CF. Eine zentrale Rolle spielt dabei der Influx von<br />

Neutrophilen.<br />

Was aber führt beim einzelnen CF-Patienten die pulmonale <strong>Exazerbation</strong> herbei? In<br />

Ermangelung wissenschaftlicher Daten präsentiert Ferkol fünf mögliche Szenarien:


<strong>Pulmonale</strong> <strong>Exazerbation</strong> Nüßlein Anaheim.doc, 25. März 2004<br />

Seite 3 von 5<br />

Die P. aeruginosa-Keimdichte in den Atemwegen des CF-Patienten übersteigt eine<br />

kritische Schwelle.<br />

P. aeruginosa verändert seine Virulenz mit dem Übergang von der planktonischen Form<br />

zum Biofilm.<br />

Ein zweites, nicht-identifiziertes bakterielles Agens setzt sich in den Atemwegen des CF-<br />

Patienten fest.<br />

Auslöser der pulmonalen <strong>Exazerbation</strong> bei CF-Patienten sind Virusinfekte.<br />

Der Zugang von Pathogenen zur basolateralen Seite des Epithels steigert die<br />

entzündliche Antwort.<br />

Eine Bewertung der Szenarios kann und will Ferkol nicht vornehmen. Unmittelbare<br />

praktische Konsequenzen für das tägliche Handeln ergeben sich aus den Erkenntnissen<br />

nicht, so wichtig sie mittelfristig für die Weiterentwicklung von Methoden zur<br />

Früherkennung und Frühtherapie der pulmonalen <strong>Exazerbation</strong> sein werden.<br />

EVIDENZ-BASIERTE THERAPIEEMPFEHLUNGEN FÜR PULMONALE<br />

EXAZERBATIONEN BEI CF<br />

A. Bush<br />

Zur Erinnerung eröffnet Bush seine Präsentation mit der Vorstellung der verschiedenen<br />

Niveaus von Evidenz und warnt die Zuhörerschaft vor überzogenen Erwartungen an<br />

hochwertige Empfehlungen zur Therapie der pulmonalen <strong>Exazerbation</strong> bei CF.<br />

In systematischer Gliederung widmet sich Bush dann einzelnen Teilaspekten des<br />

Themenkomplexes. Die Frage nach dem richtigen Behandlungszeitpunkt kann aus den<br />

vorliegenden Daten nicht beantwortet werden: Die regelmäßige antibiotische Therapie<br />

viermal jährlich hat keine nachweisbaren Vorteile gegenüber der Behandlung der<br />

<strong>Exazerbation</strong>. Auch zur Frage nach Vorteilen der Behandlung im Krankenhaus<br />

gegenüber intravenöser antibiotischer Heimtherapie ergibt sich aus den fünf vorliegenden<br />

kleinen Studien kein einheitliches Bild. Recht eindeutig scheint aber zu sein, dass<br />

Sputum-Untersuchungen der Sensitivität des Erregers keinen Einfluss auf das Outcome<br />

haben. Bei der Anzahl von antibiotischen Wirkstoffen je Therapiezyklus gibt es ebenfalls<br />

recht eindeutige Daten: Eine Monotherapie ist ungünstig wegen der möglichen<br />

Resistenzentwicklung, eine Dreifach-Therapie ist kaum wirksamer als die Zweifach-<br />

Therapie. Bezüglich der Häufigkeit der täglichen Verabreichungen kann für Tobramycin


<strong>Pulmonale</strong> <strong>Exazerbation</strong> Nüßlein Anaheim.doc, 25. März 2004<br />

Seite 4 von 5<br />

eine Empfehlung gegeben werden: Die einmalige Applikation ist zumindest gleichwertig<br />

gegenüber der dreimaligen. Keine Aussage ist hingegen möglich für die Frage, ob<br />

inhalative Antibiotika während der intravenösen Behandlung weiter gegeben werden<br />

sollten oder nicht und wie lange eine intravenöse antibiotische Therapie bei einer<br />

<strong>Exazerbation</strong> durchgeführt werden sollte.<br />

MANAGEMENT SCHWERER PULMONALER EXAZERBATIONEN UND<br />

KOMPLIKATIONEN BEI CF<br />

M. Aitken<br />

Drei schwere Verläufe greift Aitken aus der Vielzahl möglicher Verläufe von<br />

<strong>Exazerbation</strong>en bei CF heraus und illustriert die Komplexität des Themas anhand dreier<br />

Fallberichte.<br />

Beim ersten Patienten mit rezidivierender Hämoptyse wird kurz das übliche Vorgehen bei<br />

leichteren Formen dieser Komplikation präsentiert, bestehend insbesondere aus<br />

antibiotischer Therpapie. Entscheidungsprobleme treten bei den bedrohlichen Formen<br />

auf. Schon die Frage nach dem Sinn einer Bronchoskopie kann nicht eindeutig<br />

beantwortet werden. Recht kritisch äußert sich Aitken zur Bronchial-Arterien-<br />

Embolisation wegen der damit verbundenen häufigen und schwerwiegenden<br />

Komplikationen, etwa Lungeninfarkte.<br />

Zum zweiten Patienten, einem erwachsenen mit Pneumothorax werden ebenfalls<br />

zunächst die Empfehlungen der U.S.-amerikanischen CF-Foundation vorgestellt, die eine<br />

Thoraxdrainage erst nach fünftägiger Persistenz vorsehen. Kritisch zu diskutieren ist bei<br />

dieser Erkrankung die Pleurodese, die eine im späteren Leben unter Umständen<br />

indizierte Lungentransplantation zumindest erschwert.<br />

Bei Fall 3 handelt es sich ebenfalls um einen jungen Erwachsenen CF-Patienten, bei ihm<br />

kommt es im Rahmen der <strong>Exazerbation</strong> zur respiratorischen Globalinsuffizienz. Aitkens<br />

vorsichtige Abwägung der positiven und negativen Aspekte einer Intubation und<br />

maschinellen Beatmung bestärkt den Zuhörer darin, kritisch zu überprüfen, ob für den<br />

Patienten eine Lungentransplantation infrage käme. Zumindest Überbrückung des<br />

Zeitraums bis zu diesem Eingriff bietet die Transplantation eine Chance.<br />

Was nimmt der Zuhörer dieser Session nun mit nachhause?


<strong>Pulmonale</strong> <strong>Exazerbation</strong> Nüßlein Anaheim.doc, 25. März 2004<br />

Seite 5 von 5<br />

Tatsächlich dürfte sich für die meisten Zuhörer aus dem deutschsprachigen Raum<br />

bewahrheitet haben, dass sie beim regelmäßigen Literaturstudium keine wesentlichen<br />

neueren Erkenntnisse zum Thema <strong>Exazerbation</strong> bei CF übersehen haben.<br />

Grundsätzliche Änderungen im täglichen medizinischen Handeln dürften also kaum<br />

notwendig sein. Andererseits bestätigt sich gerade für ein solches Gebiet mit geringer<br />

Evidenz für die Empfehlungen, wie wichtig es ist, sich auszutauschen. Eine so<br />

ausgewogene und subtile Beschäftigung mit dem Thema erlaubt das eigene Vorgehen<br />

im Spektrum der Möglichkeiten einzuordnen und an der einen oder anderen Stelle doch<br />

Feinkorrekturen vorzunehmen.


Dateiname: <strong>Pulmonale</strong> <strong>Exazerbation</strong> Nüßlein Anaheim.doc<br />

Verzeichnis: D:\## AKTUELLE PROJEKTE ##\muko.net Pflege<br />

Q1_04\Kongressberichte Anaheim<br />

Vorlage: D:\VORLAGEN\Normal.dot<br />

Titel: 26<br />

Thema:<br />

Autor: Prof. Dr. Gratiana Steinkamp<br />

Stichwörter:<br />

Kommentar:<br />

Erstelldatum: 22.03.2004 13:39<br />

Änderung Nummer: 3<br />

Letztes Speicherdatum: 25.03.2004 11:36<br />

Zuletzt gespeichert von: Priv.-Doz. Dr. Gratiana Steinkamp<br />

Letztes Druckdatum: 25.03.2004 11:43<br />

Nach letztem vollständigen Druck<br />

Anzahl Seiten: 5<br />

Anzahl Wörter: 1.282 (ca.)<br />

Anzahl Zeichen: 7.310 (ca.)

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!