Gedenkschrift 2018-Endfassung
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1938<br />
vor 80 Jahren<br />
<strong>Gedenkschrift</strong><br />
C H R ISTLICHE<br />
Israelfreunde<br />
N O R D D E U T S C H L A N D - H A M B U R G e . V.<br />
zum 7. Treffen<br />
der Christlichen<br />
Israelfreunde Norddeutschland<br />
am internationalen<br />
Holocaustgedenktag<br />
27. Januar <strong>2018</strong>
„Der Flath-Altar“ der Marktkirche in Hamburg-Poppenbüttel wurde von dem Künstler und Schnitzer<br />
Otto Flath, Bad Segeberg, in den frühen 50ger Jahren geschaffen und von dem Kirchengemeindevorstand<br />
erworben. Interessanterweise bevor das Kirchengebäude erstellt war.<br />
Ab 1938 können Juden nicht mehr Mitglieder der Evangelischen Kirche werden. Der kirchliche Arierparagraph<br />
wird in den meisten evangelischen Kirchen auch auf die bloße Mitgliedschaft ausgedehnt<br />
(in Thüringen z. B. ab dem 10.2.1939). Das evangelische Programm der "Judenmission" wird damit allmählich<br />
eingestellt. In evangelischen Landeskirchen wird stattdessen damit begonnen, evangelisch<br />
getaufte Juden auszuschließen. Weiterhin wurde 1938 in der Führungsetage der Nazi – Ideologen darüber<br />
nachgedacht ein Zeichen einzuführen, um Juden zu kennzeichnen und somit gesellschaftlich auszugrenzen.<br />
(s. "Daten der Geschichte", S. 8)
Inhalt<br />
Verfasser/<br />
Autoren<br />
Seite<br />
Nachdenkliches<br />
„Was ihr in Memoriam macht ist ein „Kiddush Hashem“, eine Heiligung seines NAMENS“<br />
Theologische Besinnung zum Verhältnis von Christen und Juden gestern und heute<br />
Christen und Juden, eine belastete Beziehung<br />
1938 vor 80 Jahren. Daten der Geschichte aus Kirche und Staat mit weitreichenden Folgen<br />
Der Treueeid der Pastoren auf Hitler<br />
Die Kennzeichnung und somit sichtbare Ausgrenzung der Juden mit dem Judenstern<br />
Zwischen „Führerprinzip“ und Luthertum<br />
Die Altonaer Judenkartei<br />
„500 Jahre Reformation: Es gilt nicht nur zu feiern“<br />
"Martin Luther und die Juden – Notwendige Erinnerung zum Reformationsjubiläum“<br />
Luthers Theologie aus israeltheologischer Perspektive<br />
Verdrängung, Verdruss, Verantwortung? Kriegsurenkel und der lange Schatten unserer Vergangenheit<br />
Aufarbeitung - Was machte der Großvater in der Nazizeit?<br />
Bildnis vom Flath-Altar<br />
Kein Platz für Judenchristen - das Ende naht - 1935<br />
Bußbekenntnis - eine Handreichung für die Gemeinden<br />
Eine alte tiefe Wunde<br />
Antisemitismus - die Angst der Juden in Deutschland wächst<br />
Israel - die Verheißungen erfüllen sich<br />
Die Erfüllung prophetischer Aussagen in unseren Tagen<br />
Premierminister Netanjahu in Brüssel<br />
Mossab Hassan Yousefs Rede vor den UN-Menschenrechtsrat<br />
Die Obsession der UNO gegen Israel<br />
Israelsonntag<br />
Die Einheit von Juden und Nichtjuden<br />
Themen des 7. Israeltages<br />
Das Königreich Gottes<br />
Antisemitismus in neuer Gestalt - Gefahren erkennen ... Verantwortung übernehmen<br />
70 Jahre Israel - Warum diese Zahl so symbolisch ist<br />
Wann und wie mit Kindern in Deutschland interkulturell zur Shoa arbeiten<br />
Wo war Gott während des Holocausts?<br />
Was hat der Holocaust heute noch mit mir zu tun?<br />
Arbeit der christlichen Israelfreunde<br />
Beispiele aus unseren Tätigkeitsbereichen<br />
Wo sind wir mit unserem Anliegen präsent?<br />
Marsch des Lebens<br />
Helfen und Heilen<br />
„Helden des Alltags“<br />
Impulse // Impressum<br />
Warum gehört Israel in unser Glaubensbekenntnis?!<br />
3<br />
Michael Dierks<br />
Dr. Yehuda Bohrer<br />
Friedrich Quaas<br />
Prof. Klaus Wengst<br />
Tobias Krämer<br />
Rasmus Rahn<br />
Jurek Schulz<br />
Benjamin Berger<br />
Christian Unger<br />
Dr. Arthur Falk<br />
Anne - Marie Cejp<br />
Horst Krüger<br />
Alyosha Ryabinov<br />
Jurek Schulz<br />
Uwe Seppmann<br />
Frank Scheerer<br />
Luba Gohr<br />
H. u. E. Kaasmann<br />
Michael Dierks<br />
Klaus Arle<br />
Friedrich Quaas<br />
4<br />
5<br />
6/7<br />
8-10<br />
11<br />
11<br />
12<br />
13<br />
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15/16<br />
17-20<br />
21-23<br />
24-29<br />
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40-42<br />
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54/55<br />
56/57<br />
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Nachdenkliches<br />
Was weiß ich vom jüdischen Hintergrund des Königs der Juden?<br />
Ist Jesus denkbar ohne Israel?<br />
Als König der Juden gestorben, auch für mich und Dich.<br />
Jahrhundertelang gelehrte Judenfeindschaft hat uns blind gemacht.<br />
Sie haben uns sein Jude-Sein, die ewige Erwählung seines Volkes -<br />
mit allen Verheißungen -<br />
ja die Bedeutung Israels, auch des Staates in den Augen Gottes,<br />
ignorieren und vergessen lassen.<br />
Sogar als in unserem Land das Leben des jüdischen Volkes bedroht war<br />
hat auch meine Kirche ihre Mitglieder jüdischer Herkunft<br />
ausgeschlossen und bewußt der Verfolgung ausgeliefert.<br />
Und das alles trotz des Wortes Jesu:<br />
„DAS HEIL KOMMT VON DEN JUDEN" (Joh. 4,22).<br />
Und heute?<br />
Da weltweit und auch überall in Europa sich wieder antisemitisches<br />
Denken breit macht<br />
und unsere jüdischen Brüder und Schwestern wieder<br />
ihren Notkoffer für die Flucht,<br />
die Aliya, bereit halten müssen, fragen wir:<br />
Was macht das mit mir, mit uns?<br />
Leben wir als eingepfropfte Zweige in der Verbindung zum<br />
edlen Ölbaum Israel, getragen von seiner Wurzel?<br />
Stehen wir solidarisch zu Israel?<br />
"Wer hat des HERRN Sinn erkannt?" (Römer 11,34)<br />
EIN RUF:<br />
Notwendig ist<br />
die Umkehr zum Gott Israels!<br />
4
Vorwort<br />
„Was Ihr in Memoriam macht ist ein „Kiddush Hashem“, eine<br />
Heiligung seines NAMENS.“<br />
Dr.Yehuda Bohrer, orthodoxer Rabbiner in Bet-El, Israel. Als kleines Kind konnte er gerade noch mit Kriegsbeginn aus<br />
Deutschland nach Israel fliehen. Sein Vater, Dr. Mordecai Bohrer, Rabbiner in Gailingen, kam im KZ Dachau um.<br />
1938 vor 80 Jahren<br />
Dieses Jahr feiern wir unser 7.<br />
Treffen der Christlichen Israelfreunde<br />
Norddeutschlands mit Teilnehmern<br />
aus unterschiedlichen Denominationen.<br />
Das Besondere am<br />
diesjährigen Treffen ist, dass wir uns<br />
zum ersten Mal am internationalen<br />
Gedenktag des Holocausts / der<br />
Shoah treffen. Als mir das bewusst<br />
wurde, begann in mir der innere<br />
Prozess mit der Frage, wie wir<br />
diesen Tag angemessen begehen<br />
können? Welche Themenstellungen<br />
dazu könnten heute für uns im<br />
christlichen Raum von Bedeutung<br />
sein?<br />
Ein Tag des Erinnerns und Ehrung<br />
der Opfer, bzw. ihrer Nachkommen.<br />
Als Tag des Innehaltens und des fragenden<br />
Besinnens bekommt er nochmal<br />
ein besonderes Gewicht, da<br />
zum einen das Jubiläumsjahr "500<br />
Jahre Reformation" endete, das verhängnisvolle<br />
Geschehen der Reichspogromnacht<br />
sich zum 80. Mal jährt<br />
und wir auf den 70.Geburtstag Israels<br />
zugehen.<br />
Viele Gemeindeglieder mit jüdischem<br />
Hintergrund wurden damals<br />
auch aus unseren christlichen Gemeinden<br />
ausgeschlossen und somit<br />
der Verfolgung preisgegeben. "...die<br />
Heimat des Lichts beging an diesem<br />
Tag das nicht mehr Gutzumachende.<br />
Die Kirche brach ihr Wort und lieferte<br />
die, die von ihr beschützt werden<br />
sollten, ihren Henkern aus.“ „Wir behalten<br />
ihnen gegenüber eine unverzeihliche<br />
Schuld.“ Dieses ist ein verkürztes<br />
und abgewandeltes Zitat von<br />
J. Chirac, das er, auf seine Nation<br />
gemünzt, bei einer Gedenkveranstaltung<br />
an der Stelle des ehemaligen<br />
Pariser Radfahrstadions "Vélodrome<br />
d’Hiver", Sammlungsort zur Deportation<br />
der Juden, äußerte.<br />
Das Geschehen des Ausgestoßenwerdens<br />
hatte und hat weitreichende<br />
Auswirkungen. So leben übrigens<br />
auch in unseren Gemeinden<br />
Nachkommen der Familien, die von<br />
dieser Geschichte schwerst traumatisiert<br />
sind. Noch heute fällt es ihnen<br />
schwer, bzw. ist es ihnen unmöglich,<br />
über ihre jüdischen Familienwurzeln<br />
öffentlich zu sprechen. Das durch<br />
Leid entstandene Familiencredo:<br />
"sag bloß nicht, dass du jüdisch<br />
bist!" (Denn dann kann dein Leben<br />
bedroht sein), bestimmt ihr Denken<br />
und Handeln bis zum heutigen Tag.<br />
Als ich dann mit der Zusammenstellung<br />
von Daten aus dem Jahr 1938<br />
begann und Informationen über<br />
Geschehnisse sammelte, die<br />
letztendlich Teil des Auftaktprozesses<br />
zur Shoah waren und die die<br />
Beziehung Juden – Christen/Kirche<br />
schwer belastete, entwickelten sich<br />
in mir verschiedene Fragestellungen:<br />
Kann es sein, dass auch heute<br />
immer noch der jahrtausendalte<br />
kirchengeschichtlich geprägte<br />
Antisemitismus (Antijudaismus)<br />
Auswirkungen hat? Kann es da<br />
hilfreich sein, sich auch Fragen zu<br />
stellen wie: Gibt es immer noch<br />
Auswirkungen theologischer Lehrprägung<br />
in unseren Kirchen, Gemeinden<br />
und Gruppen, die unser Bibelverständnis<br />
von Israel und dem Alten<br />
Testament beeinflussen und die<br />
Bedeutung, die wir dem heutigen<br />
Staat Israel geben?<br />
Da wir seit Generationen dieses Gift<br />
in die "fromme DNA" aufgenommen<br />
haben, ist unser Verständnis der<br />
Bibel, wie auch unser Verhältnis<br />
Juden gegenüber (wenn wir überhaupt<br />
welche persönlich kennen?)<br />
und unsere Sicht vom heutigen<br />
Israel davon stark beeinflusst. Vieles<br />
wirkt nach, ohne dass wir uns<br />
dessen bewußt sind.<br />
• Ja, könnte es sogar einen Zusammenhang<br />
geben zum Phänomen<br />
heutiger massiver Israelkritik, gerade<br />
auch im Raum der Kirche?!<br />
• Wie könnte unser besonderer<br />
Auftrag aussehen, als "Licht und<br />
Salz" unter unseren Mitchristen/<br />
Mitmenschen wirksam zu leben?!<br />
Aktuell sind die inneren Warnlampen<br />
unserer jüdischen Brüder und<br />
Schwestern wieder sensibilisiert, da<br />
in der Mitte unserer Gesellschaft,<br />
wie in den meisten europäischen<br />
Staaten, ja weltweit, der Judenhass<br />
sichtbar und spürbar zunimmt. Hinzu<br />
kommt der Judenhass der Migranten<br />
aus dem islamischen Kulturkreis. Sie<br />
tragen dazu bei, dass heute erneut<br />
bei Anti-Israel Demonstrationen in<br />
deutschen Städten in unerträglicher<br />
Weise wieder "Juden ins Gas!"<br />
gegrölt wird.<br />
Beim Erstellen dieser <strong>Gedenkschrift</strong><br />
wurde ich auf 2 kirchliche Dokumente<br />
zum Thema aufmerksam.<br />
Den Kommentar eines Synodentreffens<br />
in Bremen 2015 habe ich mit in<br />
diese Zusammenstellung aufgenommen.<br />
Die im November 2017<br />
veröffentlichte EKD-Broschüre zu<br />
"Antisemitismus" ist über das<br />
Kirchenamt Hannover zu beziehen.<br />
So entstand die vorliegende Zusammenstellung<br />
im Bemühen, Beiträge<br />
anzubieten, die auf unserem Weg<br />
der Nachfolge des Königs der Juden<br />
hilfreiche Impulse geben möchte.<br />
Gerade am Holocaustgedenktag<br />
wollen wir dabei innehalten, der<br />
familiären und kirchlichen Aufarbeitung<br />
Raum geben, auch um die<br />
Opfer und deren Nachkommen zu<br />
ehren (s. Kapitel "Juden-Christen,<br />
eine belastete Beziehung").<br />
5
Aber an einem solchen Tag möchten<br />
wir uns auch besinnen und zu Seiner<br />
Ehre bezeugen, wie der Ewige, der<br />
Gott Israels, heute in unseren Tagen<br />
vor unseren Augen handelt. Wir<br />
erleben die Erfüllung jahrtausendjahre<br />
alter Verheißungen (s. Kapitel<br />
" Israel - Verheißungen erfüllen sich")<br />
Denn wie Salomo im Predigerbuch<br />
(1,8 +10 und 3,15) sagt:<br />
"Was war, ist das, was sein wird und<br />
was geschehen ist, ist das, was<br />
geschehen wird.<br />
Und sagt man etwas, was gegenwärtig<br />
ist: "Das ist Neu" - längst ist<br />
es gewesen in den Zeitaltern, die vor<br />
uns gewesen sind. Gott sucht das<br />
Vergangene wieder hervor."<br />
Wir leben in Zeiten der Wiederherstellung.<br />
ER baut Sein Reich.<br />
Michael Dierks,<br />
November 2017 (Hrsg.)<br />
Christliche Israelfreunde<br />
Norddeutschland.HH e.V.<br />
Vorstandsvorsitzender<br />
Theologische Besinnung zum Verhältnis von Christen und Juden<br />
gestern und heute<br />
Friedrich Quaas, Pastor i.R. - Theologischer Berater des CIND-Vorstands<br />
Kirche und Synagoge am Portal des<br />
Straßburger Münsters<br />
Es macht mich immer noch fassungslos,<br />
wenn ich lese, wie die<br />
evang. Kirche in Deutschland in der<br />
Zeit des Nationalsozialismus auf die<br />
Judenverfolgung reagiert hat. Nach<br />
der Verbrennung von Synagogen<br />
und jüdischen Geschäften am 9./10.<br />
Nov. 1938 gab es so gut wie keine<br />
Proteste, im Gegenteil: viele Kirchenführer<br />
begrüßten das Geschehen,<br />
der thüringische Bischof Martin<br />
Sasse sprach sogar von einem<br />
„gottgesegneten Kampf des Führers<br />
zur völligen Befreiung unseres<br />
Volkes.“<br />
Mit dem Brand der Synagogen<br />
wurde dieser Kampf „gekrönt“!<br />
Luthers Schrift „Von den Juden<br />
und ihren Lügen“ (1543) läßt er<br />
nachdrucken und versteht sie als<br />
Rechtfertigung der NS – Maßnahmen<br />
gegen die Juden.<br />
WIE KONNTE ES DAZU<br />
KOMMEN ?<br />
Wir müssen uns heute eingestehen,<br />
dass ohne die jahrhundertealte<br />
christliche Judenfeindschaft<br />
der Holocaust nicht möglich<br />
gewesen wäre. Darauf weisen<br />
auch die Dokumente im Eingangsteil<br />
des Holocaustmuseums<br />
„Yad Vaschem“ in Jerusalem hin.<br />
Ich sehe mehrere Gründe für die<br />
verhängnisvolle Entwicklung der<br />
Beziehung von Christen und<br />
Juden. Ich nenne sie „Erbsünden<br />
der christlichen Theologie“. Ein<br />
Hauptgrund ist die DEUTUNG<br />
DER ZERSTÖRUNG JERUSA-<br />
LEMS im Jahre 70 n. Chr. - durch<br />
die Römer mit der anschließenden<br />
Zerstreuung der Juden in<br />
viele Länder - ALS EIN STRAF-<br />
GERICHT GOTTES über ein<br />
ungläubiges Volk, das seinen<br />
Messias nicht erkannt und zum<br />
Tod am Kreuz gebracht hat<br />
(später Gottesmord genannt).<br />
Der Kirchenvater Augustinus<br />
formuliert diese allgemein<br />
verbreitete Meinung so: “Die<br />
Juden sind unter alle Völker<br />
zerstreut als Zeugen ihrer Bosheit<br />
und unserer Wahrheit.“ Und er fügt<br />
hinzu: „Die Juden haben kein Recht<br />
mehr auf den (Ehren-) Titel `Israel`,<br />
nicht einmal auf den Namen<br />
`Juden`.“ Dazu muss man wissen,<br />
dass Augustinus mit seiner antijüdischen<br />
Haltung – wie andere Kirchenväter<br />
auch - die abendländische<br />
Theologie sehr stark geprägt hat.<br />
Martin Luther ist als Augustinermönch<br />
bei ihm in die Schule gegangen!<br />
Dagegen ist zu sagen, dass<br />
Jesus die kommende Zerstörung<br />
Jerusalems als Ruf zur Umkehr<br />
verstanden hat. Er weint über die<br />
Stadt, weil sie nicht erkannt hat,<br />
„was zu ihrem Frieden dient“ und er<br />
spricht von einer „gnädigen Heimsuchung“<br />
(Luk.19, 41- 44). Und er<br />
kündigt seine Wiederkehr nach<br />
Jerusalem an: “Ich sage euch: Ihr<br />
werdet mich von jetzt an nicht mehr<br />
sehen, bis ihr sprecht: Gelobt sei,<br />
der da kommt im Namen des<br />
HERRN“ (Matth. 23, 39). Für Paulus<br />
ist dieses zweite Kommen Jesu zu<br />
seinem Volk die Rettung „ganz<br />
Israels“: Aus Zion wird der Erlöser<br />
kommen, der alle Gottlosigkeit von<br />
Jakob abwenden wird und das ist<br />
mein Bund mit ihnen, wenn ich ihre<br />
Sünden wegnehmen werde.“ (Röm.<br />
11, 26 f).<br />
Die Diaspora ist für Israel nicht nur<br />
Strafgericht. In der Diaspora ist<br />
Israel - nach der Zerstörung des<br />
1.Tempels - zum Zeugendienst für<br />
den einen und wahren Gott berufen:<br />
„Ihr seid meine Zeugen, spricht der<br />
HERR, und ich bin Gott... Wendet<br />
6
euch zu mir, aller Welt Enden, denn<br />
ich bin Gott und sonst keiner mehr...<br />
Mir sollen sich alle Knie beugen und<br />
alle Zungen schwören und sagen: Im<br />
HERRN habe ich Gerechtigkeit und<br />
Stärke.“ (Jes. 43, 12 u. 45, 22 f). Die<br />
Diaspora Israels wurde - nach der<br />
Zerstörung des 2.Tempels - für die<br />
Heiden zum Segen, weil auf diese<br />
Weise das Evangelium in Kleinasien<br />
und Europa verbreitet wurde! Paulus<br />
war klar, dass das Evangelium<br />
zuerst den Juden gilt und dann den<br />
Heiden (Röm.1,16).<br />
Diese Reihenfolge geriet bald in<br />
Vergessenheit. Eine verhängnisvolle<br />
zweite Irrlehre macht sich breit, die<br />
sog. ERSATZTHEOLOGIE. Sie<br />
hängt eng mit der Deutung der<br />
Zerstörung Jerusalems als Gottes<br />
Strafgericht zusammen. Luther<br />
formuliert diese Irrlehre so: „Nach<br />
dem neuen Bund sind die Juden<br />
nicht mehr Israel. Die Christen sind<br />
die rechten Israeliten und die neuen<br />
Juden“, anders gesagt: Israel ist<br />
keine heilsgeschichtliche Größe<br />
mehr und für die Kirche ohne<br />
Bedeutung (so der ev. Theologe P.<br />
Althaus 1942). Das bedeutet, dass<br />
auch die Verheißungen für Israel auf<br />
die Kirche übergegangen sind.<br />
Die Warnung des Paulus vor dem<br />
Hochmut der Christen verhallt<br />
ungehört: „Rühmst du dich aber<br />
(gegenüber dem ungläubigen Israel),<br />
so sollst wissen: Nicht du trägst die<br />
Wurzel, sondern die Wurzel trägt<br />
dich“ (Röm.11, 18). Wir sind „eingepfropft“<br />
in den Ölbaum Israel<br />
(Röm.11,17). Das können wir nur<br />
immer wieder in Demut bekennen.<br />
Wir haben Anteil an den Verheißungen<br />
Israels und an seinem ewigen<br />
Bund mit Gott.<br />
Aus der Irrlehre der Ersatztheologie<br />
ergibt sich eine dritte „Erbsünde“:<br />
DIE ABWERTUNG DES ALTEN<br />
TESTAMENTES GEGENÜBER<br />
DEM NEUEN – mit der Unterscheidung<br />
von Gesetz und Evangelium.<br />
Luther: “Die Juden sind nun 1500<br />
Jahre außer Jerusalem im Elend,<br />
dass sie weder Tempel, Gottesdienst,<br />
Priestertum noch Fürstentum<br />
haben. Und liegt also ihr Gesetz mit<br />
Jerusalem und allem jüdischen<br />
Reich in der Aschen, so lange her“<br />
(Aus: Sendbrief „Wider die Sabbater“,1538).<br />
Es ist erstaunlich, was<br />
Luther zum „Gesetz des Mose“ zu<br />
sagen hat: „Das Gesetz des Mose<br />
geht die Juden an, es bindet uns<br />
somit von vorneherein nicht mehr.<br />
Denn dieses Gesetz ist allein dem<br />
Volk Israel gegeben. Ich wollte eher<br />
mein Leben lang nicht mehr predigen,<br />
ehe ich Mose wieder einlassen<br />
und Christus aus meinem Herzen<br />
reißen lassen wollte. Dass aber<br />
Mose die Heiden nicht binde, kann<br />
man aus dem Text des 2. Buch Mose<br />
beweisen, wo Gott spricht: “Ich bin<br />
der Herr, dein Gott, der dich aus<br />
Ägyptenland, aus dem Diensthaus,<br />
geführt habe. Aus diesem Text<br />
ersehen wir klar, dass selbst die<br />
zehn Gebote uns nicht angehen,<br />
denn er hat ja nicht uns aus Ägypten<br />
geführt, sondern allein die Juden“<br />
(aus: Eine Unterrichtung, wie sich<br />
die Christen in Mose sollen schicken).<br />
Kein Gedanke daran, dass Jesus in<br />
der Bergpredigt sagt: „Amen, ich<br />
sage euch: bis Himmel und Erde<br />
vergehen, wird weder der kleinste<br />
Buchstabe noch ein Tüpfelchen vom<br />
Gesetz vergehen, bis es alles<br />
geschieht.“ Kein Wort davon, dass<br />
die Tora eine heilsame Lehre ist für<br />
alle Menschen, wie Paulus betont in<br />
Röm. 2, 26 “Wenn (sogar) der<br />
Unbeschnittene tut, was nach dem<br />
Gesetz recht ist, meinst du nicht,<br />
dass er dann vor Gott als Beschnittener<br />
gilt?“ (vgl. Röm. 2,14-15).<br />
Jakobus spricht von der „Tora der<br />
Freiheit“ für jeden, der nicht nur<br />
Hörer, sondern Täter ist: “der wird<br />
glücklich werden in seinem Tun“<br />
(Jak.1, 25). Hat nicht Jesus beim<br />
letzten Abendmahl an den Auszug<br />
seines Volkes aus Ägypten gedacht,<br />
als er die Segensworte über dem<br />
Brot und über den Kelch sprach und<br />
seine Hingabe in den Tod als<br />
Befreiung aus der Sklaverei der<br />
Sünde und des Todes deutete? Nein,<br />
einen Gegensatz zwischen Evangelium<br />
und Gesetz kennt die Bibel nicht,<br />
vielmehr ist in beiden Testamenten<br />
Gesetz / Tora und Evangelium zu<br />
finden. Und Tora bedeutet nicht<br />
Gesetz im Sinne eines Strafgesetzbuches,<br />
sondern „Weisung“, Wegweisung<br />
zum Leben. Gott erweist seine<br />
Barmherzigkeit „an vielen Tausenden,<br />
die mich lieben und meine Gebote<br />
halten“<br />
(2. Mose 20, 6).<br />
Die Gnade überwiegt das Gericht.<br />
„Das aber heißt: Die Tora kann nicht<br />
dem Evangelium gegenübergestellt<br />
werden, vielmehr: Tora i s t Evangelium,<br />
i s t gute Botschaft“ ( Klaus-<br />
Wengst: „Christsein mit Tora und<br />
Evangelium", S.163)<br />
Umkehr von den Irrwegen christlicher<br />
Lehre aus 2000 Jahren<br />
Aus alledem ergibt sich, dass wir<br />
uns als Christen von diesen<br />
„Erbsünden“ lossagen und<br />
umkehren müssen von den<br />
Irrwegen der Vergangenheit. Das<br />
aber nicht nur um unseretwillen,<br />
sondern auch um Israels willen.<br />
Michael BROWN schreibt in seinem<br />
lesenswerten Buch „Unsere Hände<br />
sind mit Blut befleckt“ folgendes:<br />
„Jesus weint noch immer über<br />
Jerusalem.<br />
Es kann keinen Zweifel geben: er<br />
„litt“ mit seinem Volk... Sollten wir da<br />
nicht auch mit ihm leiden? Wie soll<br />
Israel seinen gekreuzigten König<br />
erkennen, wenn es ihn nicht vorher<br />
in uns erkennt? Zuerst muss die<br />
Kirche Tränen vergießen. Lasst uns<br />
h e u t e trauern und weinen, damit<br />
Israel m o r g e n Buße tun kann.<br />
Dann erst „werden sie mich ansehen,<br />
den sie durchbohrt haben. Und<br />
sie werden um ihn klagen , wie man<br />
klagt um den Erstgeborenen...“<br />
(Sach.12,10). Dann wird unser Herr<br />
Jesus wiederkommen und alles Leid<br />
wird ein Ende haben. Und wenn sich<br />
am Ende das angestaute Weinen vor<br />
Kummer mit dem Weinen vor Freude<br />
vermischt, dann wird der Allmächtige<br />
seine Hand ausstrecken und alle<br />
Tränen abwischen – für immer“<br />
(S.122 und 189 -190).<br />
7
Christen - Juden, eine belastete Beziehung<br />
1938 vor 80 Jahren<br />
Daten der Geschichte aus Kirche und Staat mit weitreichenden Folgen<br />
Ab 1938 - Juden können nicht<br />
mehr Mitglieder der Evangelischen<br />
Kirche werden. Der kirchliche<br />
Arierparagraph wird in den<br />
meisten evangelischen Kirchen auch<br />
auf die bloße Mitgliedschaft ausgedehnt<br />
(in Thüringen z. B. ab dem<br />
10.2.1939).<br />
Das evangelische Programm der<br />
"Judenmission" wird damit allmählich<br />
eingestellt. In evangelischen<br />
Landeskirchen wird stattdessen<br />
damit begonnen, evangelisch<br />
getaufte Juden auszuschließen.<br />
März: Einlieferung von Martin<br />
Niemöller in ein Konzentrationslager<br />
Dachau.<br />
13. März: Einmarsch deutscher<br />
Truppen in Österreich.<br />
1. März: Pastor Grüber, Berlin,<br />
beginnt seine Hilfstätigkeit für<br />
»nichtarische« Christen.<br />
26. April:<br />
Mit der Verordnung über die Anmeldung<br />
von jüdischem Vermögen über<br />
5.000,- RM wird die »Arisierung«<br />
jüdischen Eigentums eingeleitet.<br />
Neues Kirchengesetz: Alle evangelischen<br />
Pfarrer müssen den<br />
Treue-Eid auf Adolf Hitler schwören<br />
18. Mai: Der bayrische Landesbischof<br />
Meiser erlässt aufgrund des<br />
kirchlichen "Ermächtigungsgesetzes"<br />
von 1933 freiwillig und ohne dazu<br />
gedrängt zu werden ein Kirchengesetz<br />
über den Treue-Eid der Pfarrer<br />
auf Adolf Hitler. Das Ermächtigungsgesetz<br />
ermöglicht es Meiser seit<br />
1933, kirchliche Gesetze ohne<br />
Zustimmung zu erlassen oder zu<br />
ändern. Das Kirchengesetz lautet:<br />
"Die Pfarrer der bayerischen<br />
Landeskirche haben als Träger eines<br />
öffentlichen Amtes folgenden Eid zu<br />
leisten: "Ich schwöre bei Gott dem<br />
Allmächtigen und Allwissenden: Ich<br />
werde dem Führer des Deutschen<br />
Reiches und Volkes, Adolf Hitler,<br />
treu und gehorsam sein, die<br />
Gesetze beachten und meine<br />
Amtspflichten gewissenhaft erfüllen,<br />
so wahr mir Gott helfe ...` Das<br />
Gesetz tritt sofort in Kraft. Ev.- Luth.<br />
Landeskirchenrat; D. Meiser."<br />
Anmerkung: Der Treue-Eid auf Hitler<br />
wird in allen evangelischen Kirchen<br />
als neues Gesetz eingeführt – auch<br />
in denen, wo die Kirchenleitung<br />
überwiegend zur "Bekennenden<br />
Kirche" gehört. Theoretisch ergänzt<br />
er den formalen Treue-Eid auf<br />
"Christus", praktisch ersetzt er ihn,<br />
da man ja nicht gleichzeitig Christus<br />
und Adolf Hitler gehorchen kann.<br />
Außerdem verlangen alle evangelischen<br />
Kirchen von den Pfarrern<br />
einen Ariernachweis, auch wenn<br />
einige den Arierparagraphen nicht<br />
offiziell einführen<br />
9. Juni: Zerstörung der Synagoge<br />
in München.<br />
14. Juni: Erlass zur Kennzeichnung<br />
und Registrierung jüdischer<br />
Gewerbebetriebe.<br />
17. Juni: Alle Juden müssen als<br />
zweiten Vornamen "Israel" bzw.<br />
"Sara" verwenden, wenn der erste<br />
Vorname nicht in dem Runderlass<br />
des Innenministeriums als jüdischer<br />
Vorname aufgeführt ist. (Anmerkung:<br />
Ein beliebter Vorname dieser Zeit bei<br />
Deutschen ist z. B. der Doppelname<br />
Adolf Martin - Adolf wie Adolf Hitler,<br />
Martin wie Martin Luther.)<br />
25. Juni: Jüdische Ärzte dürfen nur<br />
noch jüdische Patienten behandeln.<br />
6. Juli: Auflösung jüdischer Grundstücks-<br />
und Immobilienagenturen<br />
sowie jüdischer Heiratsvermittlungsinstitute,<br />
die an Nichtjuden vermitteln<br />
(vgl. Konzil von Basel im Jahr 1434:<br />
Juden dürfen nicht als Unterhändler<br />
bei Verträgen zwischen Christen,<br />
insbesondere nicht als Vermittler von<br />
Ehen auftreten).<br />
25. Juli: Deutsche dürfen nicht<br />
mehr zu jüdischen Ärzten (vgl.<br />
Trullanische Synode im Jahr 692).<br />
31. Juli: Jüdische Testamente, die<br />
das "gesunde Volksempfinden"<br />
beleidigen, dürfen für nichtig erklärt<br />
werden (vgl. 3. Laterankonzil im Jahr<br />
1179: Juden dürfen zum Christentum<br />
übergetretene Glaubensbrüder nicht<br />
enterben).<br />
10. August: Zerstörung der<br />
Synagoge in Nürnberg. Sommer: Die<br />
Schweiz regt die Kennzeichnung der<br />
Reisepässe von deutschen und<br />
österreichischen Juden mit einem<br />
»J« an, um an der Grenze zwischen<br />
Juden und deutschen Touristen<br />
unterscheiden zu können.<br />
17. August: Alle Juden und<br />
Jüdinnen müssen einen »typisch<br />
jüdischen« Namenszusatz tragen<br />
(»Sara« bzw. »Israel« (s. 14. Juni).<br />
25. August: Grüber stellt dem<br />
Pfarrernotbund seine Vorstellungen<br />
der Unterstützung »nichtarischer<br />
Christen« vor und bittet um Hilfe.<br />
September - Die vier Landesbischöfe<br />
der Bekennenden Kirche Hans<br />
Meiser, August Marahrens, Theophil<br />
Wurm und Julius Kühlewein entlassen<br />
vier leitende Pfarrer, ebenfalls<br />
aus der Bekennenden Kirche, aus<br />
dem Dienst. Die vier Pfarrer hatten<br />
für einen geplanten Gottesdienst<br />
angesichts der Kriegsgefahr ein<br />
allgemeines Bußgebet verfasst,das<br />
vor allem "die Wehrmacht vor<br />
kriegerischen Exzessen warnen<br />
sollte" (Landesbischof Wurm, zit.<br />
nach Juden-Christen-Deutsche 3/I,<br />
a.a.O., S. 54; Vollnhals, a.a.O., S.<br />
131).<br />
8
Auch die "Pfarrerbruderschaft" der<br />
"Bekennenden Kirche" lehnt das<br />
Gebet ab. Der Krieg selbst wird<br />
dabei aber offenbar nicht als<br />
"unchristlich" betrachtet.<br />
Ab dem 6. September: In der<br />
Schweiz werden alle illegal eingereisten<br />
Flüchtlinge zurückgewiesen.<br />
29. September: Münchener<br />
Abkommen. Die Westmächte<br />
erklären sich mit der Abtretung des<br />
Sudetenlandes an Deutschland<br />
einverstanden<br />
Oktober: Kennzeichnung jüdischer<br />
Geschäfte - Die Schaufenster<br />
werden mit dem Wort "Judengeschäft"<br />
beschmiert.<br />
Die Bornplatzsynagoge<br />
1 . Oktober: Einmarsch deutscher<br />
Truppen in das Sudetenland.<br />
5. Oktober: Reisepässe von<br />
Juden und Jüdinnen werden mit<br />
einem »J« gekennzeichnet.<br />
28. Oktober: Ausweisung von<br />
15.000 – 17.000 sogenannter<br />
»Ostjuden«, die teilweise schon seit<br />
Jahrzehnten in Deutschland leben,<br />
aber nicht die deutsche Staatangehörigkeit<br />
besitzen. An Luthers<br />
Geburtstag (10. Nov.) brennen die<br />
Synagogen - ein evangelischlutherischer<br />
Landesbischof sieht<br />
darin die "Krönung" eines "gottgesegneten"<br />
Kampfes<br />
10. November: Die Ermordung<br />
des Nazi-Diplomaten Ernst Eduard<br />
vom Rath in Paris durch einen<br />
jüdischen Bürger wird in Deutschland<br />
als Anlass für die "Reichspogromnacht"<br />
genutzt - Die Synagogen<br />
werden auf Anweisung in Brand<br />
gesteckt ...(Anmerkung: ... so wie es<br />
Luther in der Schrift „Von den Juden<br />
und ihren Lügen“ fordert: Man soll<br />
ihre "Synagoga oder Schulen mit<br />
Feuer anstecken ... unserem Herrn<br />
und der Christenheit zu Ehren, damit<br />
Gott sehe, dass wir Christen seien<br />
...". Massenverhaftungen von Juden<br />
- erste Massendeportation in<br />
Konzentrationslager. Vielfach Panik<br />
unter den Betroffenen. Im Reichsgebiet<br />
werden 91 Menschen ermordet,<br />
etwa 26.000 Männer verhaftet, ca.<br />
1.400 Beträume und Synagogen<br />
sowie 7.000<br />
Geschäfte zerstört.<br />
Dabei auch: Alle<br />
sechs Synagogen in<br />
Schleswig-Holstein<br />
(Bad Segeberg,<br />
Elmshorn, Friedrichstadt,<br />
Kiel,<br />
Lübeck, Rendsburg)<br />
werden verwüstet<br />
bzw. zerstört. Die<br />
Synagogen in Kiel<br />
und Elmshorn<br />
werden angezündet,<br />
ebenso die<br />
Bornplatzsynagoge<br />
(Hamburg) und die<br />
Synagoge in Harburg. Die Leichenhalle<br />
des jüdischen Friedhofes in<br />
Harburg brennt am 10. November<br />
völlig aus. U.a. kommt es auch in<br />
Ahrensburg, Flensburg und auf Sylt<br />
zu Ausschreitungen gegen Juden<br />
und jüdische Einrichtungen.<br />
Überreste der Bornplatzsynagoge<br />
10. November: Der Berliner<br />
Dompropst Bernhard Lichtenberg<br />
betet öffentlich für die Juden. Der<br />
Thüringer Bischof Martin Sasse<br />
rechtfertigt das Pogrom hingegen als<br />
»gottgesegneten Kampf des Führers<br />
zur völligen Befreiung unseres<br />
Volkes«.<br />
12. November: Verordnung zur<br />
Wiederherstellung des Straßenbildes<br />
bei jüdischen Gewerbebetrieben,<br />
z. B. in Nürnberg: "Alle Schäden,<br />
welche durch die Empörung des<br />
Volkes über die Hetze des internationalen<br />
Judentums gegen das<br />
nationalsozialistische Deutschland<br />
am 8., 9., und 10. November 1938<br />
an jüdischen Gewerbebetrieben und<br />
Wohnungen entstanden sind, sind<br />
von dem jüdischen Gewerbetreibenden<br />
sofort zu beseitigen. Die Kosten<br />
der Wiederherstellung tragen die<br />
Inhaber der betroffenen jüdischen<br />
Gewerbebetriebe und Wohnungen“<br />
(zit. nach: Juden in Nürnberg,<br />
Presse- und Informationsamt 1993)<br />
In Bamberg und anderen Orten<br />
müssen die Israelitischen Kultusgemeinden<br />
auch den anschließenden<br />
Abriss ihrer demolierten und verkohlten<br />
Synagogen bezahlen.<br />
Die jüdische Bevölkerung Deutschlands<br />
wird zu einer "Sühneleistung"<br />
von einer Milliarde Reichsmark<br />
verurteilt. Zu dem Ereignis wird in<br />
der Kirche und in der kirchlichen<br />
Presse überwiegend geschwiegen.<br />
Nur einzelne Pfarrer protestieren,<br />
und wenigstens in einem Entwurf<br />
eines "Fürbittgebets" von den<br />
"Landesbruderräten" der Bekennenden<br />
Kirche wird der Juden gedacht.<br />
Doch welcher Betende hat auch<br />
etwas gesagt oder getan? Sehr viele<br />
Kirchenführer begrüßen das<br />
Geschehen der Reichspogromnacht<br />
und die folgende Verschärfung der<br />
Judenverfolgungen bzw. reagieren<br />
sogar begeistert.<br />
16. November: Erklärung des<br />
Landeskirchenrates in Thüringen, in<br />
der zum »Kampf gegen den volkszersetzenden<br />
Geist des Judentums«<br />
aufgerufen wird.<br />
9
Geschäfte in der Grindelallee<br />
23. November: Zwangsveräußerung<br />
aller jüdischen Betriebe.<br />
Landesbischof Martin Sasse aus<br />
Eisenach schreibt im Vorwort seiner<br />
Neuauflage von Martin Luthers<br />
Schrift „Von den Juden und ihren<br />
Lügen“ mit dem Titel „Martin Luther<br />
über die Juden - Weg mit ihnen!“<br />
(Freiburg 1938): „ Am 10. November<br />
1938, an Luthers Geburtstag,<br />
brennen in Deutschland die Synagogen.<br />
Vom deutschen Volke wird zur<br />
Sühne für die Ermordung des<br />
Gesandtschaftsrates vom Rath<br />
durch Judenhand die Macht der<br />
Juden auf wirtschaftlichem Gebiete<br />
im neuen Deutschland endgültig<br />
gebrochen und damit der gottgesegnete<br />
Kampf des Führers zur völligen<br />
Befreiung unseres Volkes gekrönt ...<br />
In dieser Stunde muss die Stimme<br />
des Mannes gehört werden, der als<br />
der Deutschen Prophet im 16.<br />
Jahrhundert einst als Freund der<br />
Juden begann, der getrieben von<br />
seinem Gewissen, getrieben von<br />
den Erfahrungen und der Wirklichkeit,<br />
der größte Antisemit seiner Zeit<br />
geworden ist, der Warner seines<br />
Volkes wider die Juden ..." Anmerkung:<br />
Von der Schrift werden<br />
150.000 Stück verkauft. Die Schrift<br />
Luthers „Von den Juden und ihren<br />
Lügen“ erfährt auch durch andere<br />
Neuauflagen zahlreiche Verbreitung,<br />
z. B. durch die Volksausgabe von<br />
Hans-Ludolf Parisius. Luther fordert<br />
darin z. B. das Verbrennen der<br />
Synagogen, das Zusammenfassen<br />
der Juden in Lagern, die Zwangsarbeit<br />
und Todesstrafen bei öffentlicher<br />
Religionsausübung. Dass einer der<br />
amtierenden Landesbischöfe der<br />
Proklamation des "Amtsbruders"<br />
Sasse widersprochen hat, ist nicht<br />
bekannt.<br />
Im November: Weitere Massendeportationen<br />
von Juden in Konzentrationslager<br />
28. November: Die Lokalbehörden<br />
werden ermächtigt, Juden an<br />
bestimmten Tagen von den Straßen<br />
zu verbannen.<br />
Dezember: Beginn der »Kindertransporte«.<br />
Jüdische Kinder<br />
erhalten von den westlichen Demokratien<br />
die Erlaubnis, ohne ihre<br />
Eltern einzureisen.<br />
3. Dezember: Zwangsarisierung<br />
jüdischen Haus- und Grundbesitzes.<br />
Juden müssen Häuser und Grundstücke<br />
zu Spottpreisen verkaufen.<br />
Wer vor 1938 ein "Judenhaus"<br />
kaufte, wurde noch als "Judenfreund"<br />
verschrien. Jetzt bedienen<br />
sich immer mehr dank der "günstigen"<br />
Angebote. Umgekehrt ist es<br />
nicht erlaubt, den jüdischen Mitbürgern<br />
zu verkaufen. Massendeportationen<br />
und Misshandlungen von<br />
Juden in den KZs - die evangelischen<br />
Bischöfe möchten dazu nichts<br />
sagen.<br />
12. Dezember: Pfarrer Heinrich<br />
Grüber, der sich für getaufte Juden<br />
einsetzt, schildert den evangelischen<br />
Bischöfen, darunter Landesbischof<br />
Meiser, auf dem Kirchentag in Berlin-<br />
Steglitz die Lage in den Konzentrationslagern.<br />
Der Kirchentag wird<br />
gebeten, eine Erklärung dazu zu<br />
verabschieden. Die Bischöfe hörten<br />
Grüber zwar eine Zeitlang zu, gingen<br />
dann aber zur "Tagesordnung" über,<br />
ohne eine Erklärung zu verabschieden.<br />
Grüber schreibt:<br />
„Vielleicht schilderte ich den versammelten<br />
Bischöfen die Misshandlungen,<br />
denen KZ-Häftlinge ausgesetzt<br />
wurden, etwas zu ausführlich. Ich<br />
hörte jedenfalls, wie einer der<br />
Würdenträger sagte: ´Wir müssen<br />
nun langsam zum zweiten Punkt der<br />
Tagesordnung übergehen.` Der<br />
Mahnmahl „Kinderverschickung“<br />
Dammtor Bahnhof, Hamburg<br />
Vorsitzende der Konferenz, Bischof<br />
Theophil Wurm ... geleitete mich zur<br />
Tür und sagte: "Ich danke Ihnen im<br />
Namen der Brüder und wünsche<br />
Ihnen und Ihrer Arbeit Gottes<br />
Segen." Das war eine der ganz<br />
großen Enttäuschungen, die ich<br />
erlebt hatte" (zit. nach Juden-<br />
Christen-Deutsche, Band 1).<br />
28. Dezember: Juden müssen in<br />
bestimmten Häusern konzentriert<br />
werden. Anmerkung: ... so ähnlich<br />
wie es Luther in seiner Schrift „Von<br />
den Juden und ihren Lügen fordert:“...<br />
dass man ihre Häuser<br />
desgleichen zerbreche und zerstöre<br />
... Dafür mag man sie etwa unter ein<br />
Dach oder einen Stall tun“<br />
(siehe auch S. 15, Pkt.7)<br />
Quellen:aus dem Internet, z.B.:<br />
https://www.theologe.de/theologe4.htm#24<br />
10
Der Treueeid der Pastoren auf Hitler<br />
Der „Anschluss" Österreichs versetzte<br />
die Deutschen in eine nationale<br />
Euphorie. Die deutschchristlichen<br />
Kirchenleitungen nutzten die Gunst<br />
der Stunde, um so die 1934 gescheiterte<br />
Vereidigung der Pfarrer auf<br />
Hitler doch noch in die Wege zu<br />
leiten. Am 14. März 1938 erließ die<br />
Thüringer Evangelische Kirche ein<br />
Kirchengesetz über die Vereidigung<br />
ihrer Pfarrer, zwei Tage später auch<br />
die mecklenburgische Landeskirche.<br />
Zum „Führergeburtstag" am 20. April<br />
1938 folgten Sachsen und die<br />
Evangelische Kirche der Altpreußischen<br />
Union, die nahezu die Hälfte<br />
des deutschen Protestantismus<br />
umfasste.<br />
In der entsprechenden Verordnung<br />
des Präsidenten des Evangelischen<br />
Oberkirchenrats Berlin, Friedrich<br />
Werner, hieß es: „Ich schwöre: Ich<br />
werde dem Führer des Deutschen<br />
Reichs und Volkes, Adolf Hitler, treu<br />
und gehorsam sein, die Gesetze<br />
beachten und meine Amtspflichten<br />
gewissenhaft erfüllen, so wahr mir<br />
Gott helfe. … Wer sich weigert, den<br />
… vorgeschriebenen Treueid zu<br />
leisten, ist zu entlassen“.<br />
In einer Ansprache vom Mai 1938<br />
deutete der Evangelische Oberkirchenrat<br />
den Eid als Zeichen der<br />
innersten Verbundenheit mit dem<br />
Dritten Reich und der persönliche[n]<br />
Bindung an den Führer.<br />
Treueidverordnungen wurden kurz<br />
nacheinander auch in fast allen<br />
anderen Landeskirchen erlassen<br />
und erstaunlich reibungslos vollzogen,<br />
trotz schwerer Bedenken<br />
einzelner Pfarrer. Dies galt auch für<br />
die zur gemäßigten Bekennenden<br />
Kirche gehörenden intakten Landeskirchen,<br />
deren Führer sich nicht dem<br />
Verdacht der politischen Unzuverlässigkeit<br />
und der Staatsfeindschaft<br />
aussetzen wollten. Obwohl der Eid<br />
nicht vom Staat angeordnet worden<br />
war, folgten sie gewissermaßen im<br />
„vorauseilenden Gehorsam".<br />
Mitverantwortlich dürfte dabei die<br />
Obrigkeitshörigkeit gewesen sein,<br />
die ihren Ursprung auch in den<br />
Bekenntnisschriften der Reformationszeit<br />
hat. Darin wurde dem Staat<br />
das Recht zugebilligt, einen Eid<br />
einzufordern. 90 Prozent der<br />
evangelischen Pfarrer leisteten<br />
schließlich den Eid.<br />
Zur Zerreißprobe wurde die Eidesleistung<br />
in der radikalen Bekennenden<br />
Kirche, vor allem in der Evangelischen<br />
Kirche der Altpreußischen<br />
Union. Dort verweigerten viele<br />
Pfarrer zunächst den Eid. In einem<br />
Schreiben vom 16. Juli 1938 vertrat<br />
der Präses der Reichsbekenntnissynode<br />
Karl Koch jedoch die<br />
Überzeugung, dass der Staat den<br />
Treueid der Pfarrer erwarte und eine<br />
Verweigerung für ihn untragbar<br />
geworden sei. Diese Auffassung<br />
machte sich Ende Juli auch die<br />
Altpreußische Bekenntnissynode zu<br />
eigen und beschloss, die zögernden<br />
Pfarrer in ihrem Gewissen zu lösen.<br />
Nun leisteten auch die meisten<br />
Bekenntnispfarrer den Eid, häufig<br />
unter Bindung an ihr Ordinationsgelübde.<br />
Aus:<br />
Gesetzblatt der Deutschen Evangelischen<br />
Kirche, Ausgabe B, Nr. 12 vom 14.5.1938, S.<br />
49; ©EvAKiZ München<br />
Die Kennzeichnung und somit sichtbare Ausgrenzung der Juden<br />
mit dem Judenstern wurde 1938 vorbereitet<br />
Eine „allgemeine<br />
äußerliche<br />
Kennzeichnung<br />
für Juden" wurde<br />
im Mai<br />
1938 in einer<br />
von Joseph<br />
Goebbels angeregten<br />
Denkschrift<br />
vorgeschlagen, jedoch verworfen:<br />
Noch überwogen die Bedenken<br />
hinsichtlich einer eventuell negativen<br />
außenpolitischen Wirkung.<br />
Nach den Novemberpogromen<br />
schlug Reinhard Heydrich auf einer<br />
Berliner Konferenz am 12. November<br />
1938 die reichsweite Kennzeichnungspflicht<br />
für Juden erneut vor<br />
und ließ sofort Entwürfe für entsprechende<br />
Abzeichen anfertigen.<br />
Hermann Göring teilte den Gaulei-<br />
tern am 6. Dezember 1938 mit, Hitler<br />
habe eine Entscheidung über diese<br />
Kennzeichnung bis auf Weiteres<br />
aufgeschoben.<br />
Am 1. September 1941 verpflichtete<br />
die Polizeiverordnung über die Kennzeichnung<br />
der Juden (RGBl I, S.<br />
547) fast alle Personen im Deutschen<br />
Reich, die nach den Nürnberger<br />
Gesetzen als Juden einschließlich<br />
der Geltungsjuden definiert waren,<br />
vom vollendeten sechsten Lebensjahr<br />
an einen gelben Judenstern<br />
„sichtbar auf der linken Brustseite<br />
des Kleidungsstückes in Herznähe<br />
fest aufgenäht zu tragen" .<br />
Sieben Landeskirchen<br />
begrüßen das:<br />
Am 17. Dezember 1941 begrüßten<br />
die von Deutschen Christen geführten<br />
evangelischen Landeskirchen<br />
von Anhalt, Hessen-Nassau, Lübeck,<br />
Mecklenburg, Sachsen, Schleswig-<br />
Holstein und Thüringen die Einführung<br />
des Judensterns im Deutschen<br />
Reich als „historischen Abwehrkampf".<br />
Sie rechtfertigten diese<br />
Staatsmaßnahme mit judenfeindlichen<br />
Aussagen Martin Luthers, der<br />
bereits 1543 „schärfste Maßnahmen<br />
gegen die Juden zu ergreifen und<br />
sie aus deutschen Landen auszuweisen"<br />
gefordert habe. Die Juden<br />
hätten das Christentum seit Jesu<br />
Kreuzigung bekämpft oder verfälscht;<br />
die Taufe könne nichts an<br />
ihrer „rassischen Eigenart" ändern.<br />
aus :<br />
https://de.wikipedia.org/wiki/Judenstern<br />
11
Zwischen „Führerprinzip“ und Luthertum<br />
"Wir grüßen den Staat, der neu geworden<br />
ist, und danken ihm, daß er<br />
Mut und Kraft gefunden und bewiesen<br />
hat, um unserem Volke den Aufbruch<br />
und den Weg zur Freiheit zu<br />
bahnen.“ Mit diesen Worten bekannte<br />
Simon Schöffel (1880–1959) nach<br />
seiner Wahl zum ersten lutherischen<br />
Testamentes wollte er davon aber<br />
getrennt wissen, denn es sei „das<br />
antisemitischste Buch“ . [60] Der Taufe<br />
von Juden stand Franz Tügel sehr<br />
distanziert gegenüber: Im Mai 1940<br />
warnte er in einem Rundschreiben<br />
alle Pastoren und Hilfsprediger „vor<br />
einem 57jährigen Juden, namens<br />
gesagt, man sollte, um der brutalen<br />
Ausbeutung von Millionen sparsamer<br />
und arbeitstreuer deutscher<br />
Menschen ein schnelles Ende zu<br />
bereiten, die Bankhäuser schließen<br />
und die jüdischen Devisenspekulanten<br />
aufhängen. […] Eine Verantwortung<br />
für die evangelischen Glieder<br />
der jüdischen Rasse habe<br />
ich nicht, denn die Getauften<br />
sind nur in ganz<br />
seltenen Fällen wirkliche<br />
Glieder der Gemeinde<br />
gewesen. Wenn sie heute<br />
mit in das Ghetto abwandern<br />
müssen, dann sollen<br />
sie dort Missionare werden.<br />
Nicht sie bedürfen<br />
der Seelsorge, sondern<br />
ihre unbekehrten Rassegenossen.“<br />
[62]<br />
Mahnmal in Yad Vashem, Jerusalem<br />
Landesbischof Hamburgs in der Sitzung<br />
der Synode am 29. Mai 1933<br />
seine Sympathie für den nationalsozialistischen<br />
Staat.<br />
An der Spitze der Hamburger Landeskirche<br />
stand seit 1934 ein überzeugter<br />
Antisemit. Nach seinem Examen<br />
1914 hatte Franz Tügel sein<br />
hebräisches Altes Testament verbrannt.<br />
Den Kampf gegen das Judentum,<br />
gegen die „jüdische Pest“,<br />
hielt er für berechtigt, denn „durch<br />
den modern jüdischen Geist ist alles<br />
verseucht“, er sei „die große Gefahr“,<br />
meinte er 1932 in seinem an<br />
Antisemitismus reichen Heft „Wer<br />
bist Du?“ Fragen der Kirche an den<br />
Nationalsozialismus.<br />
Die christliche Bewertung des Alten<br />
Weiss, […] der von einem Geistlichen<br />
zum anderen wandert, um sich<br />
taufen zu lassen. Er hat keinerlei religiöse<br />
Gründe, sondern beabsichtigt,<br />
wie ich habe feststellen lassen, eine<br />
dritte Ehe mit einer arischen Frau,<br />
freilich in Stockholm einzugehen. Es<br />
ist unter allen Umständen geboten,<br />
den Gauner abzuweisen.“ [61] Im<br />
November 1941 schrieb Tügel über<br />
die Deportationen von Juden:<br />
In diese Dinge hineinzureden, sollte<br />
sich die Kirche, die in den Zeiten unerhörtester<br />
Bedrückung des deutschen<br />
Volkes durch die jüdische<br />
Weltherrschaft und Hochfinanz geschwiegen<br />
hat, lieber hüten. Ich habe<br />
zwar einmal in der Inflationszeit<br />
auf der Kanzel der Gnadenkirche<br />
[60] Franz Tügel, Wer bist Du?<br />
Fragen der Kirche an den Nationalsozialismus,<br />
Hamburg 1932,<br />
die Zitate (S. 51 f. und 56) sind<br />
im Original gesperrt hervorgehoben;<br />
Hering, Bischöfe, S. (59)<br />
und 73 f.<br />
[61] Archiv der Gemeinde Nord-<br />
Barmbek, 9, Vertrauliches Rundschreiben<br />
vom 4.5.1940; Hervorhebung im<br />
Original.<br />
[62] NEKA, 32.03.01 Personalakten Pastorinnen<br />
und Pastoren, Personalakte Heinrich Wilhelmi,<br />
Bl. 120, Tügel an Wilhelmi Heinrich<br />
Wilhelmi, Wilhelmi 28.11.1941.<br />
Aus: Rainer Hering "Bischofskirche zwischen<br />
„Führerprinzip“ und Luthertum“<br />
http://hup.sub.unihamburg.de/volltexte/2008/7<br />
1/pdf/HamburgUP_AKGH_26_<br />
Zeitgeschichte.pdf<br />
12
Wie die Kirche die Judenverfolgung unterstützte -<br />
Die Altonaer Judenkartei<br />
Informationen zu einem Vortrag des Historikers Dr. S. Linck<br />
Als der nationalsozialistische Staat<br />
1933 eine Volkszählung durchführte,<br />
ergab die Zählung, dass in Deutschland<br />
etwa 500 000 Juden lebten.<br />
Dieser Befund resultierte aus der<br />
Frage nach der Religionszugehörigkeit.<br />
Im Jahr 1939 wurde wieder eine<br />
Volkszählung durchgeführt. Bei<br />
dieser wurde allerdings nicht nur die<br />
Religionszugehörigkeit registriert,<br />
sondern auch nach rassischen<br />
Kriterien gemäß der NS-Ideologie<br />
unterschieden. Für das Gebiet der<br />
heutigen Nordelbischen Kirche<br />
waren zu den 1933 gezählten 20480<br />
Juden noch – nach Definition und<br />
Begrifflichkeit der Nürnberger<br />
Gesetze – 1 948 Juden, 4 484<br />
Mischlinge 1. Grades und 3 636<br />
Mischlinge 2. Grades, zusammen<br />
10 070 Personen hinzugekommen.<br />
Der größte Teil von ihnen, genau 7<br />
731 Menschen – also 76.7 % –<br />
waren evangelische Christinnen und<br />
Christen. Diese alle waren zusammen<br />
mit ihren Ehepartnern und<br />
Angehörigen von der Ausgrenzung,<br />
Diskriminierung und Verfolgung des<br />
NS-Staates betroffen. Etliche fielen<br />
dem Völkermord zum Opfer.<br />
Ariernachweise<br />
Dass diese Menschen von den<br />
Nationalsozialisten erfasst und<br />
verfolgt werden konnten, war nur<br />
durch die Unterstützung der christlichen<br />
Kirchen möglich. Nachdem die<br />
verschiedenen Versuche der<br />
Nationalsozialisten, die vermeintliche<br />
Rasse durch die Augen- und<br />
Haarfarbe und über die Vermessung<br />
von Schädeln oder anderer Körperteile<br />
festzustellen, gescheitert waren,<br />
hatten diese die Rassezugehörigkeit<br />
über die Herkunft bestimmt: Menschen<br />
mit christlichen Vorfahren<br />
wurden als »arisch« angesehen. Die<br />
jüdische »Rassezugehörigkeit«<br />
wurde festgestellt, wenn keine<br />
Taufeinträge der Vorfahren vorlagen<br />
oder bei deren Taufeinträgen eine<br />
»Judentaufe« vermerkt war. Die<br />
Religionszugehörigkeit bestimmte<br />
die vermeintliche Rassezugehörigkeit.<br />
Als 1933 »Arierparagrafen« für<br />
die verschiedensten Berufsgruppen<br />
und in Vereinen und Verbänden<br />
eingeführt wurden, hatten Beamte<br />
und andere entsprechend Registerauszüge<br />
der Kirchenbücher als<br />
Nachweis der »arischen Herkunft«<br />
vorzulegen. Die Gemeindebüros und<br />
Pfarrhäuser wurden in kürzester Zeit<br />
überschüttet mit Anfragen. Schon<br />
bald versuchte man die Kirchenbuchanfragen<br />
effektiver zu bearbeiten.<br />
Es wurden Zweitschriften der<br />
Kirchenbücher zentral in Kirchenbuchstellen<br />
gesammelt und dort die<br />
Anfragen bearbeitet.<br />
Das Altonaer Kirchenbuchamt<br />
Diese Altonaer »Judenkartei« wurde<br />
kontinuierlich durch Recherchen in<br />
älteren Kirchenbüchern erweitert, bis<br />
schließlich 1940 für den Kirchengemeindeverband<br />
Altona eine »Judenliste«<br />
mit 474 Namen vorgelegt<br />
wurde. Zusammen mit den 44<br />
Personen, die für den jüngeren<br />
Kirchengemeindeverband Ottensen<br />
1938 erfaßt worden waren, umfaßte<br />
die »Judenkartei« des Kirchenbuchamtes<br />
Altona also mindestens 518<br />
Personen. Parallel zur Erfassung der<br />
festgestellten Judentaufen wurden<br />
die Rechercheergebnisse jeweils<br />
den Stellen der NSDAP zur Kenntnis<br />
gegeben. So wurde beispielsweise<br />
der Hauptstelle für Sippenforschung<br />
bei der Gauleitung der NSDAP<br />
Hamburg am 28.7.1938 mitgeteilt,<br />
dass ein niedergelassener Reinbeker<br />
Arzt einen Großvater hatte,<br />
dessen Eltern beide getaufte Juden<br />
waren. Vorauseilender Gehorsam<br />
dieser Art ermöglichte dem NS-Staat<br />
die zügige Erfassung auch der von<br />
den Nürnberger Gesetzen als<br />
sogenannte Mischlinge Betroffenen.<br />
Diese Tätigkeiten wurden im vollen<br />
Bewußtsein um die Konsequenzen<br />
durchgeführt<br />
Schuldbewusstsein?<br />
Fehlanzeige<br />
Unabhängig von der kirchenpolitischen<br />
Zugehörigkeit haben Pastoren<br />
und Kirchenverwaltungen durch die<br />
Bereitstellung von Kirchenbuchauszügen<br />
erst die Voraussetzungen<br />
geschaffen, dass die nationalsozialistische<br />
Verfolgung nicht nur die<br />
Angehörigen der jüdischen Religionsgemeinschaft,<br />
sondern auch<br />
das säkularisierte Judentum (konfessionslose<br />
jüdischer Herkunft) und<br />
alle Christinnen und Christen<br />
jüdischer Herkunft betraf.<br />
Auf der Verwaltungsebene ließ sich<br />
sogar klar erkennen, dass die<br />
Unterstützung des NS-Regimes<br />
einfach geleugnet wurde. 1946<br />
erhielt das Kirchenbuchamt Altona<br />
eine Anfrage, die vom Archivamt der<br />
EKD in Hannover ausgegangen<br />
war. [1] Es sei bekannt, dass während<br />
der NS-Zeit „Judenregister” angefertigt<br />
und an die NS-Behörden<br />
weitergegeben worden seien. Um<br />
sich eine Übersicht zu verschaffen,<br />
bat das Archivamt um Mitteilung, wo<br />
derartige Register angefertigt bzw.<br />
abgegeben worden waren. Als<br />
Propst Hildebrand die Anfrage an<br />
das Altonaer Kirchenbuchamt<br />
weiterleitete, wurde die Existenz<br />
derartiger Listen mit der Bemerkung<br />
„Fehlanzeige” verneint. [2] Der<br />
Schriftwechsel wiederum wurde<br />
ordentlich in der Akte „Sippenkanzlei”<br />
abgeheftet, in der die wiederholte<br />
Abgabe der Altonaer „Judenliste”<br />
dokumentiert ist. Eine Angst vor<br />
Überprüfung war sichtbar nicht<br />
vorhanden oder man deutete die<br />
Anfrage rein formal auf die Register<br />
selbst bezogen und teilte hiermit<br />
indirekt mit, dass die Originale<br />
weiterhin vorhanden waren.<br />
[1] Ev.-Luth. Landeskirchenamt Kiel,<br />
15.2.1947, Nr. 1 5245 Dez. III. Abschrift des<br />
Rundschreibens des Archivamtes der EKD<br />
vom 1.11.1946, Betr. Judenregister mit der<br />
Bitte um Stellungnahme. Akte Sippenkanzlei,<br />
KKA Altona, Nr. 2450.<br />
[2] Handschriftlicher Vermerk vom 3.3.1947,<br />
ebd. Vergl. Liesching, Neue Zeit, S. 40-53,<br />
und Stephan Linck, „Fehlanzeige“. Wie die<br />
Kirche in Altona nach 1945 die NS-<br />
Vergangenheit und ihr Verhältnis zum<br />
Judentum aufarbeitete, Hamburg 2006.<br />
13
„500 Jahre Reformation: Es gilt nicht nur zu feiern“<br />
Prof. Klaus Wengst<br />
Ich betone noch einmal: Im Blick auf<br />
Luther gibt es in diesem Punkt für<br />
uns nichts zu feiern. Bei Jubiläen<br />
wird gerne betont, dass es von dem,<br />
was und wer gefeiert wird, zu lernen<br />
gilt. Und das ist ja ganz unbestreitbar,<br />
dass wir in vielen Stücken von<br />
Luther und der Reformation immer<br />
wieder lernen können. Aber manchmal<br />
muss das Lernen so geschehen,<br />
dass man etwas verlernt; und das ist<br />
mit Sicherheit hier der Fall. Luther<br />
selbst, würde er heute leben, müsste<br />
von seinen eigenen Voraussetzungen<br />
her an dieser Stelle umlernen.<br />
Außerordentlich oft hat er betont,<br />
dass die Juden schon seit 1500 Jahren<br />
außerhalb Jerusalems und ihres<br />
Landes im Elend lebten und „ihr Gesetz<br />
mit Jerusalem und allem jüdischen<br />
Reich so lange Zeit her in der<br />
Asche“ liege.[64]<br />
Darin erkannte er „Gottes Zorn“,[65]<br />
aus dem man schließen müsse, die<br />
Juden seien von Gott verworfen. Eine<br />
Rückkehr der Juden ins Land Israel<br />
erschien ihm als so irreal, dass er<br />
spottete, wenn sie ins Land gingen<br />
und nach Jerusalem kämen, den<br />
Tempel bauten, eigene Herrschaft<br />
gewönnen und ein Leben nach dem<br />
Gesetz aufrichteten, dann würde er<br />
sich alsbald auf die Fersen hinter<br />
ihnen her machen und auch ein Jude<br />
werden. [66]<br />
Nun, vielleicht würde er heute doch<br />
nicht gleich ein Jude werden, sondern<br />
sich mehr besinnen, anders<br />
über die Juden denken und ein anderes<br />
Verhältnis zu ihnen suchen. Und<br />
ich hoffe, er würde dann auch das<br />
solus Christus dem soli Deo gloria<br />
unterstellen. Es wäre ernst zu machen<br />
mit der biblisch begründeten<br />
Vorordnung der Theologie vor der<br />
Christologie. Die heilige Schrift, die<br />
ganze heilige Schrift Alten und Neuen<br />
Testaments ist der nicht hintergehbare<br />
Kanon der Kirche – sola<br />
scriptura. Da wir eine Kirche aus vielen<br />
Völkern mit vielen unterschiedlichen<br />
Inkulturationen sind, ist der<br />
ständige Rückbezug auf die Schrift<br />
als ein wesentliches Moment der Einheit<br />
unabdingbar. Erst im Gebrauch,<br />
in der Auslegung kann sich die<br />
Schrift als Wort des lebendigen Gottes<br />
erweisen.<br />
Als die neutestamentlichen Autoren<br />
ihre Schriften verfassten, hatten sie<br />
schon eine Bibel, ihre jüdische Bibel,<br />
in der ihnen Gott, der Schöpfer des<br />
Himmels und der Erde, als Israels<br />
Gott bezeugt war. Diesen Gott und<br />
keinen anderen sahen sie in Jesus<br />
wirken, zuletzt und vor allem darin,<br />
dass er Jesus von den Toten aufgeweckt<br />
hat. Das brachten sie so zum<br />
Ausdruck, dass sie mit Wort und<br />
Geist ihrer Bibel schrieben. So ist die<br />
jüdische heilige Schrift der Raum<br />
des Evangeliums von Jesus Christus<br />
oder – um es mit dem Buchtitel von<br />
Frank Crüsemann auszudrücken –<br />
das Alte Testament der Wahrheitsraum<br />
des Neuen. [67] Die Theologie,<br />
das Reden von Gott, ist daher der<br />
Christologie, dem Reden von Jesus<br />
als Messias, vorgeordnet. Es wird<br />
also nicht erst von der Geschichte<br />
Jesu her erschlossen, wer Gott ist,<br />
sondern umgekehrt erschließt die<br />
Schrift, die jüdische Bibel, die Geschichte<br />
Jesu als das Mitsein von<br />
Israels Gott. Das bedingt es, dass<br />
von Gott nicht abgesehen von Israel,<br />
nicht abgesehen vom jüdischen<br />
Zeugnis geredet werden kann.<br />
Das führt zu einem weiteren Punkt,<br />
der hier zu lernen ist, nämlich die<br />
biblische Grundunterscheidung zwischen<br />
„dem Volk“, also Israel, und<br />
„den Völkern“, allen anderen, wahrzunehmen.<br />
Wir sind „Hinzugekommene“,<br />
hinzugekommen zum Gott<br />
Israels. Das wird in einer christlichen<br />
Schrift der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts,<br />
dem sogenannten Barnabasbrief,<br />
entschieden abgelehnt (Barnabas<br />
3,6). Aber das kann man auf<br />
biblischer Grundlage nur ablehnen,<br />
wenn man sich, wie es in dieser<br />
Schrift geschieht, selbst an die Stelle<br />
Israels setzt und so die besondere<br />
Partikularität Israels auflöst und sie<br />
universalisiert. Sich an die Stelle Israels<br />
zu setzen, haben wir inzwischen<br />
aus guten Gründen verlernt. So<br />
bleibt es dabei, dass wir Hinzugekommene<br />
sind.<br />
Als Hinzugekommene finden wir uns<br />
auch vor im Angesicht und in der Gegenwart<br />
Israels. Diese Situation fordert<br />
dazu heraus, die überlieferte<br />
christliche Theologie mit ihren judenfeindlichen<br />
Potenzialen so umzubauen,<br />
dass ihr diese Potenziale entzogen<br />
sind und entzogen bleiben. Dazu<br />
ist in den letzten fünfzig bis sechzig<br />
Jahren einiges geschehen. Für<br />
die katholische Kirche sei dafür auf<br />
die Erklärung Nostra Aetate auf dem<br />
2. Vatikanischen Konzil von 1965<br />
hingewiesen. Fast alle evangelischen<br />
Landeskirchen Deutschlands<br />
haben einschlägige Synodalbeschlüsse<br />
gefasst und eine ganze Reihe<br />
von ihnen haben auch ihre<br />
Grundordnungen entsprechend ergänzt<br />
und so den Bezug auf Israel<br />
als Teil der eigenen Identität kenntlich<br />
gemacht. Doch darf man sich<br />
keine Illusionen machen, als könnte,<br />
was sich Jahrhunderte lang an negativem<br />
Denken und Verhalten gegenüber<br />
dem Judentum in der christlichen<br />
Tradition eingefressen hat, in<br />
ein bis zwei Generationen überwunden<br />
werden. Es gibt noch viel zu tun.<br />
Aber es hat sich auch gezeigt, dass<br />
Veränderungen möglich sind.<br />
[64] Wider die Sabbater, WA 50,31312–15;<br />
Walch XX 1830 Nr.4.<br />
[65] WA 50,31834–3193; Walch XX 1837 Nr.<br />
24.<br />
[66] Vgl. den ganzen Zusammenhang WA<br />
50,32326–3243; Walch 1842–1843 Nr. 38 und<br />
39, wo das Motiv gleich zweimal begegnet.<br />
[67] Frank Crüsemann, Das Alte Testament<br />
als Wahrheitsraum des Neuen. Die neue Sicht<br />
der christlichen Bibel, Gütersloh 2011.<br />
Entn.: dem Vortrag:<br />
„Martin Luther und die Juden - Über theologische<br />
Judenfeindschaft als Geburtsfehler des<br />
Protestantismus“ von Prof. K. Wengst - am<br />
23. August 2016 in der Georg-von-Volkmar-<br />
Akademie, Kochel am See<br />
14
Kundgebung der 2. Tagung der 12. Synode der EKG, am 11. November 2015 in Bremen<br />
„Martin Luther und die Juden - Notwendige Erinnerung<br />
zum Reformationsjubiläum“<br />
Im Jahr 2017 feiert die Evangelische Kirche 500 Jahre Reformation. Dabei<br />
fragen wir mit Blick auf unser historisches und theologisches Erbe nach<br />
wesentlichen Einsichten für heute. Bei aller Dankbarkeit und Freude<br />
verschließen wir die Augen nicht vor Fehlern und Schuldverstrickungen<br />
der Reformatoren und der reformatorischen Kirchen.<br />
Bedrängende Einsichten<br />
1. Die Reformation zielte auf eine<br />
Reform der Kirche aus der Kraft des<br />
Evangeliums. Nur in wenigen Fällen<br />
kam es dabei zu einer neuen Sicht<br />
auf die Juden. Die Reformatoren<br />
standen in einer Tradition judenfeindlicher<br />
Denkmuster, deren<br />
Wurzeln bis in die Anfänge der<br />
Kirche zurückreichen.<br />
wurden, stellt eine weitere Belastung<br />
für die evangelische Kirche dar<br />
Belastendes Erbe<br />
6. Luthers Urteil über die Juden war<br />
eingebunden in die abendländische<br />
Tradition der Judenfeindschaft.<br />
Zunächst wies er verbreitete Verleumdungen<br />
wie den Vorwurf der<br />
Hostienschändung und des Ritualmords<br />
als Lügengeschichten ab.<br />
Später kehrte er jedoch zu überkommenen<br />
Stereotypen zurück und blieb<br />
in irrationalen Ängsten und Ressentiments<br />
befangen.<br />
2. Wir tragen dafür Verantwortung<br />
zu klären, wie wir mit den judenfeindlichen<br />
Aussagen der Reformationszeit<br />
und ihrer Wirkungs- und<br />
Rezeptionsgeschichte umgehen. Wir<br />
fragen, inwieweit sie eine antijüdische<br />
Grundhaltung in der evangelischen<br />
Kirche gefördert haben und<br />
wie diese heute überwunden werden<br />
kann. Der Auseinandersetzung mit<br />
der Haltung Martin Luthers gegenüber<br />
Juden kommt dabei exemplarische<br />
Bedeutung zu.<br />
3. Luther verknüpfte zentrale<br />
Einsichten seiner Theologie mit<br />
judenfeindlichen Denkmustern.<br />
Seine Empfehlungen für den<br />
konkreten Umgang mit Juden waren<br />
widersprüchlich. Sie reichen vom<br />
Plädoyer für einen freundlich<br />
werbenden Umgang bis hin zu<br />
Schmähungen und Forderungen, die<br />
auf eine vollständige Entrechtung<br />
und Vertreibung der Juden zielten.<br />
4. Im Vorfeld des Reformationsjubiläums<br />
können wir an dieser Schuldgeschichte<br />
nicht vorbeigehen. Die<br />
Tatsache, dass die judenfeindlichen<br />
Ratschläge des späten Luther für<br />
den nationalsozialistischen Antisemitismus<br />
in Anspruch genommen<br />
„Hamburg“-Stein im „Tal der Gemeinden“ Yad Vashem, Jerusalem<br />
Zur Erinnerung aller zerstörter jüdischen Gemeinden im 2. Weltkrieg<br />
5. Zwischen Luthers frühen Äußerungen<br />
und seinen späten Schriften<br />
ab 1538 mit ihrem unverhüllten<br />
Judenhass besteht eine Kontinuität<br />
im theologischen Urteil über die<br />
Juden. Im Judentum seiner Zeit sah<br />
er eine Religion, die ihre eigene<br />
Bestimmung verfehlt. Sie lasse sich<br />
von der Verdienstlichkeit der Werke<br />
leiten und lehne es ab, das Alte<br />
Testament auf Jesus Christus hin zu<br />
lesen. Das Leiden der Juden sei<br />
Ausdruck der Strafe Gottes für die<br />
Verleugnung Jesu Christi.<br />
7. Ein Zusammenleben von Juden<br />
und Christen konnte es für Luther<br />
nur auf Zeit und in der Hoffnung auf<br />
Bekehrung der Juden geben. In deutlicher<br />
Kritik an der üblichen Judenhetze<br />
hoffte er 1523, dass, "wenn<br />
man mit den Juden freundlich handelt<br />
und aus der heiligen Schrift sie<br />
säuberlich unterweist, es sollten ihrer<br />
viel rechte Christen werden ..."<br />
("Dass unser Herr Jesus ein geborener<br />
Jude sei"). 1543 verfasste er die<br />
Schrift "Von den Juden und ihren<br />
Lügen". Aus Angst, die Duldung der<br />
15
jüdischen Religion könne den Zorn<br />
Gottes auch über das christliche Gemeinwesen<br />
heraufbeschwören, empfahl<br />
er am Ende dieser Schrift der<br />
weltlichen Obrigkeit u.a. die Verbrennung<br />
der Synagogen, die Zerstörung<br />
jüdischer Häuser, die Konfiszierung<br />
von Talmud und Gebetbüchern, Handelsverbot<br />
und Zwangsarbeit. Wenn<br />
das nicht helfe, riet er, solle man die<br />
Juden „wie die tollen Hunde<br />
ausjagen".<br />
8. Auf Luthers Ratschläge konnte<br />
Jahrhunderte lang zurückgegriffen<br />
werden. Zum einen hat man sich unter<br />
Berufung auf die bedingt judenfreundliche<br />
Haltung von 1523 für die<br />
Duldung der Juden, aber auch für<br />
eine intensivierte Judenmission ausgesprochen.<br />
Zum andern hat man<br />
sich auf Luthers Spätschriften zur<br />
Ausgebrochene Zweige aus dem<br />
Ölbaum, Röm. 11<br />
Seitenfenster „Christ Churchs“,<br />
Jerusalem<br />
Rechtfertigung von Judenhass und<br />
Verfolgung berufen, insbesondere<br />
mit dem aufkommenden rassischen<br />
Antisemitismus und in der Zeit des<br />
Nationalsozialismus. Einfache Kontinuitätslinien<br />
lassen sich nicht ziehen.<br />
Gleichwohl konnte Luther im 19. und<br />
20. Jahrhundert für theologischen<br />
und kirchlichen Antijudaismus sowie<br />
politischen Antisemitismus in Anspruch<br />
genommen werden.<br />
Erneuernder Aufbruch<br />
9. Nach 1945 kam es in Deutschland<br />
zunächst zögerlich zu einem bis<br />
heute nicht abgeschlossenen Lernprozess<br />
der Kirchen bezüglich ihres<br />
schuldhaften Versagens gegenüber<br />
dem Judentum. Die Evangelische<br />
Kirche in Deutschland hat ihr Verhältnis<br />
zum Judentum theologisch<br />
neu bestimmt, jede Form der Judenfeindschaft<br />
verworfen und zur<br />
Begegnung mit dem Judentum<br />
aufgerufen. Entsprechende Aussagen<br />
sind in die Kirchenverfassungen<br />
vieler Gliedkirchen der<br />
EKD aufgenommen worden.<br />
10. Luthers Sicht des Judentums<br />
und seine Schmähungen<br />
gegen Juden stehen nach unserem<br />
heutigen Verständnis im Widerspruch<br />
zum Glauben an den<br />
einen Gott, der sich in dem Juden<br />
Jesus offenbart hat. Sein<br />
Urteil über Israel entspricht demnach<br />
nicht den biblischen Aussagen<br />
zu Gottes Bundestreue gegenüber<br />
seinem Volk und zur<br />
bleibenden Erwählung Israels.<br />
11. Wir stellen uns in Theologie<br />
und Kirche der Herausforderung,<br />
zentrale theologische Lehren der<br />
Reformation neu zu bedenken und<br />
dabei nicht in abwertende Stereo-<br />
DIE VERHEISSUNG<br />
Das kunstvoll gestaltete Kirchenfenster stellt einen Olivenbaum dar, der eine geheimnisvolle<br />
Botschaft enthält. Unterhalb der Baumwurzeln befinden sich zwei ausgebrochene Zweige, die<br />
durch hebräische Schriftzeichen miteinander verbunden sind. Dort ist zu lesen: "Ba rachamim<br />
asher ha shemesh alechem, jerachamu gam hem ke'at." Ins Deutsche übertragen bedeutet dieser<br />
Zuspruch etwa: "In Gottes Erbarmungen, welcher die Sonne über euch erstrahlen lässt, wird auch<br />
euch noch Barmherzigkeit widerfahren zu dieser Zeit."<br />
Einige der biblischen Propheten und auch König David vergleichen das jüdische Volk mit einem<br />
Ölbaum. So gelten die trostvollen Worte niemand anders als dem Volk Israel. Aufgrund seiner<br />
leidvollen Geschichte fühlte es sich oftmals wie von Gott verlassen und gleicht zwei abgeschnittenen<br />
Zweigen, die scheinbar ohne Hoffnung am Boden liegen.<br />
type zu Lasten des Judentums zu<br />
verfallen. Das betrifft insbesondere<br />
die Unterscheidungen "Gesetz und<br />
Evangelium", "Verheißung und Erfüllung",<br />
"Glaube und Werke" und "alter<br />
und neuer Bund".<br />
12. Wir erkennen die Notwendigkeit<br />
eines kritischen Umgangs mit unserem<br />
reformatorischen Erbe in der<br />
Auslegung der Heiligen Schrift, insbesondere<br />
des Alten Testaments.<br />
Wir erkennen in der jüdischen Auslegung<br />
des Tenach "eine auch für die<br />
christliche Auslegung nicht nur legitime,<br />
sondern sogar notwendige Perspektive"<br />
(Kirche und Israel, Leuenberger<br />
Texte 6, II, 227); denn die<br />
Wahrnehmung jüdischer Bibelauslegung<br />
erschließt uns tiefer den Reichtum<br />
der Heiligen Schrift.<br />
13. Wir erkennen, welchen Anteil<br />
die reformatorische Tradition an der<br />
schmerzvollen Geschichte der "Vergegnung"<br />
(Martin Buber) von Christen<br />
und Juden hat. Das weitreichende<br />
Versagen der Evangelischen Kirche<br />
gegenüber dem jüdischen Volk<br />
erfüllt uns mit Trauer und Scham.<br />
Aus dem Erschrecken über historische<br />
und theologische Irrwege und<br />
aus dem Wissen um Schuld am Leidensweg<br />
jüdischer Menschen erwächst<br />
heute die besondere Verantwortung,<br />
jeder Form von Judenfeindschaft<br />
und -verachtung zu widerstehen<br />
und ihr entgegenzutreten.<br />
14. Als unser Herr und Meister Jesus<br />
Christus sagte: 'Tut Buße, denn<br />
das Himmelreich ist nahe herbeigekommen',<br />
wollte er, dass das ganze<br />
Leben der Glaubenden Buße sei"<br />
(Martin Luther). Das Reformationsjubiläum<br />
im Jahr 2017 gibt Anlass zu<br />
weiteren Schritten der Umkehr und<br />
Erneuerung.<br />
Bremen, den 11. November 2015<br />
Die Präses der Synode der<br />
Evangelischen Kirche in Deutschland<br />
Dr. Irmgard Schwaetzer<br />
16
500 Jahre Reformation<br />
Luthers Theologie aus israeltheologischer Perspektive<br />
von Tobias Krämer<br />
Als vor 500 Jahren die Reformation begann, hätte kaum jemand gedacht, welche gravierenden Auswirkungen sie haben<br />
würde. Deutschland wurde polarisiert –<br />
in protestantische und katholische<br />
Teile. Deutschland wurde aber auch<br />
geeint - durch die Lutherbibel, die<br />
die vielen Dialekte zu einer gemeinsamen<br />
Sprache zusammenführte.<br />
Die Kirche wurde gespalten. Protestanten<br />
und Katholiken standen sich<br />
feindlich gegenüber. Diese Feindschaft<br />
führte sogar zu kriegerischen<br />
Auseinandersetzungen. Heute sind<br />
die Konflikte der Reformationszeit<br />
weitgehend Vergangenheit - die<br />
Trennung aber besteht fort.<br />
Luthers reformatorische<br />
Entdeckung<br />
Der Grund der Trennung war Jesus<br />
Christus wie die Reformatoren ihn<br />
verkündigten. Ihre Lehre war ein Affront<br />
gegen die katholische Kirche<br />
und katholische Frömmigkeit. Denn<br />
ihr solo Christo (allein durch Christus)<br />
schloss einen menschlichen Beitrag<br />
zur Errettung bzw. Rechtfertigung<br />
aus. Die katholische Kirche<br />
aber betonte diesen Beitrag auf vielfältige<br />
Weise. Sie erntete Protest:<br />
Allein durch Christus, allein durch<br />
Glauben, allein aus Gnade wird der<br />
Mensch laut der Reformatoren gerechtfertigt.<br />
Und so wundert es nicht,<br />
dass diese Kampfparolen die Mitte<br />
protestantischer Theologie wurden.<br />
Auf diese Weise haben die Reformatoren<br />
das Evangelium wieder zum<br />
Leuchten gebracht und zur Botschaft<br />
von der bedingungslosen Retterliebe<br />
Gottes gemacht. Gott rechtfertigt uns<br />
- nicht wir selbst! Davon zehrt die<br />
Christenheit bis heute. Luther hat<br />
dieses „Allein" entschieden vertreten,<br />
weil er es existenziell erlebt hat.<br />
Die Erfahrung der Rechtfertigung -<br />
allein durch Christus, allein durch<br />
Glauben, allein aus Gnade - machte<br />
ihn zum Verfechter dieser Botschaft.<br />
Luther selbst schildert seine "reformatorische<br />
Entdeckung" folgendermaßen:<br />
Nun fühlte ich mich ganz<br />
und gar neugeboren und ich war<br />
durch offene Pforten in das Paradies<br />
selbst eingetreten. Die Angst vor der<br />
ewigen Verdammnis und der Hölle,<br />
die Luther so sehr gepeinigt hatte,<br />
war der Gewissheit des Glaubens<br />
gewichen: Gott hat mich gerecht gemacht,<br />
denn Christus ist für meine<br />
Sünden gestorben; ich bin begnadigt,<br />
ich bin gerechtfertigt worden,<br />
ich bin frei! Darin fand Luther Frieden<br />
für seine Seele. Deshalb gab es<br />
an dieser Stelle für Luther auch keinen<br />
theologischen Spielraum, nicht<br />
einen Millimeter. Im Gegenteil: Für<br />
diese Botschaft musste gekämpft<br />
und gestritten werden: Christus,<br />
Glaube und Gnade allein!<br />
Die Kehrseite<br />
Nun ist es immer so eine Sache,<br />
wenn Kampfparolen dogmatisiert<br />
werden. Kampfparolen sind dringend<br />
nötig, wenn etwas aufgebrochen<br />
werden muss. Sie spitzen eine<br />
Wahrheit zu und entfalten auf diese<br />
Weise ihre Wirkung. Doch haben sie<br />
in der Regel nicht die Weite und die<br />
Reife, das Ganze der Theologie zu<br />
repräsentieren. Folglich holt man<br />
sich leicht Einseitigkeiten oder<br />
Verengungen ins Haus, wenn man<br />
sie zu dogmatischen Glaubenssätzen<br />
erhebt. Solche Verengungen<br />
sind aus meiner Sicht auch Luther<br />
unterlaufen.<br />
Unter anderem im Hinblick auf<br />
Israel. Luther konnte die biblische<br />
Perspektive für Israel nicht sehen,<br />
denn sie hatte in seinem theologischen<br />
Denken keinen Raum. Die<br />
sog. "Ersatztheologie" - dass Gott<br />
mit Israel Schluss gemacht und<br />
als „Ersatz“ nun die Gemeinde Jesu<br />
erwählt habe - hatte Luther ohnehin<br />
verinnerlicht. Damit war er aufgewachsen.<br />
Doch der Gedanke, dass<br />
Gott Israel verworfen habe, wurde<br />
durch Luthers Christologie (seine<br />
Lehre von Jesus Christus) noch<br />
verstärkt. Denn wenn man allein<br />
durch Christus gerecht wird, waren<br />
dann die Juden, die sich doch gegen<br />
das Evangelium gestellt hatten, nicht<br />
der ewigen Verdammnis<br />
preisgegeben? Und hatten sie dann<br />
nicht ihre Erwählung verspielt?<br />
Dieser Gedanke war für Luther<br />
Konsequenz seines Evangeliums<br />
und aus diesem Gedanken fand er<br />
zeitlebens nicht heraus. Luthers<br />
Theologie hatte also - anders als die<br />
des Paulus - eine antijudaistische<br />
bzw. antisemitische Kehrseite. Sie<br />
war gegen das Judentum gerichtet.<br />
Das war und ist ein gravierender<br />
Fehler. Denn die Theologie des<br />
Paulus - Luthers Vorbild - ist dies<br />
nicht! Nicht umsonst bezeichnet<br />
Klaus Wengst die theologische<br />
Judenfeindschaft als "Geburtsfehler<br />
des Protestantismus“[1]<br />
Römer 11: Luthers Probleme<br />
mit Paulus<br />
Schon in seiner frühen Vorlesung<br />
über den Römerbrief bekennt Luther,<br />
dass ihm die letzten Verse aus<br />
Röm. 11, die die bleibende Erwählung<br />
Israels zum Gegenstand haben,<br />
"dunkel bleiben". Luther hat schlicht<br />
nicht verstehen können, dass Israel<br />
noch immer erwähltes Gottesvolk ist,<br />
wo es doch Christus abgelehnt hat.<br />
Hier war Luther mit Paulus im Konflikt<br />
und blieb es sein Leben lang.<br />
Für Paulus war klar, dass Israels<br />
Erwählung nicht zur Debatte stand,<br />
denn "Gottes Gaben und Berufung<br />
können ihn nicht gereuen" (Röm<br />
11,29). Gott hatte Israel erwählt und<br />
sich als Gott Israels offenbart. Das<br />
stand für Paulus fest. Natürlich steht<br />
auch in der Theologie des Paulus<br />
Christus im Mittelpunkt. Doch ist<br />
seine Christologie nicht so aufgebaut,<br />
dass sie den Gott Israels und<br />
damit die Erwählung Israels verdeckt<br />
oder gar auflöst. Das aber ist bei<br />
Luther der Fall.<br />
Für Luther sind Gott und Christus im<br />
Grunde deckungsgleich, so dass<br />
man von Gott nur aus christlicher/<br />
17
christologischer Perspektive sprechen<br />
kann. Bei Paulus ist der<br />
Anmarschweg ein anderer. Er geht<br />
vom Gott Israels aus und kommt von<br />
dort auf Jesus Christus zu sprechen.<br />
Die Folge ist, dass in der Theologie<br />
des Paulus der Gott Israels bzw. die<br />
Erwählung Israels erhalten bleiben,<br />
während Luther diese verliert.<br />
Deshalb konnte Luther den Gedankengang<br />
des Paulus in Röm 11 nicht<br />
verstehen (siehe Grafik 1).<br />
Der Unterschied zwischen den<br />
beiden Gottesmännern wird besonders<br />
an Röm 11,28 deutlich. Während<br />
Paulus über seine Judengenossen<br />
sagt, dass sie Geliebte und<br />
Feinde zugleich sind - Feinde des<br />
Evangeliums und trotzdem Geliebte<br />
Gottes! - sieht Luther nur die<br />
Feindschaft dem Evangelium<br />
gegenüber. Aus dieser Feindschaft<br />
schließt er, dass Israel nun verworfen<br />
sei. Das aber war für Paulus<br />
undenkbar: "Gott hat sein<br />
Volk nicht verstoßen, das<br />
er zuvor erwählt hat!"<br />
(Röm 11,2). Ganz im<br />
Gegenteil. Die Erwählung<br />
Israels wird letztlich dazu<br />
führen, dass "ganz Israel<br />
gerettet werden wird“<br />
(Röm. 11.26). Das wird<br />
laut Paulus schon in der<br />
Schrift verheißen, Israel<br />
und sein Messias Jesus<br />
werden zusamenfinden,<br />
zu Israels Heil. Alles andere<br />
ist für Paulus unvorstellbar<br />
(Grafik 2).<br />
Paulus sieht beides: die bleibende<br />
Erwählung Israels und die<br />
Feindschaft dem Evangelium<br />
gegenüber. Luther<br />
hingegen sieht nur<br />
Letzteres: Feindschaft.<br />
Paulus gibt der Erwählung<br />
sogar das größere<br />
Gewicht und kann<br />
deshalb Gottes Heilsperspektive<br />
für Israel sehen,<br />
während Luther nur eines<br />
wahrnimmt: Feindschaft.<br />
Paulus schaut aus zwei<br />
Blickwinkeln auf Israel.<br />
Hinslchtlich des Evangeliums<br />
sind sie zwar<br />
Feinde, hinsichtlich der<br />
Erwählung aber sind sie Geliebte.<br />
Luther aber nur aus einem: dem<br />
Blickwinkel des Evangeliums. Kurz<br />
gesagt: Luther ist auf einem Auge<br />
blind. Das solus Christus war für ihn<br />
so absolut und dominant, dass<br />
daneben kein Raum mehr für ein<br />
anderes Gotteswirken blieb - das war<br />
ausgeschlossen.<br />
Damit hat Luther unendlich viel an<br />
biblischer Substanz verloren. Er<br />
verlor den Gott Israels, die Erwählung<br />
Israels und die Verheißungen<br />
Gottes für Israel. Damit verlor er<br />
aber auch die Treue Gottes, denn<br />
wenn Gott nicht treu zu seinem Volk,<br />
seiner Erwählung und seinen<br />
Verheißungen steht, wie sollte er uns<br />
Christen gegenüber treu sein?<br />
Entweder ist Gott treu - dann auch<br />
Israel gegenüber - oder er ist es<br />
nicht. Ein Dazwischen gibt es nicht<br />
(Grafik 3).<br />
Luthers Theologie sollte<br />
heute einem Check unterzogen<br />
werden. Luthers<br />
Tiefenerkenntnis des Evangeliums<br />
sollte ganz neu<br />
und dankbar ergriffen werden,<br />
doch sollten zugleich<br />
seine Engstellen und blinden<br />
Flecken überwunden<br />
werden.<br />
Beides zusammen würde<br />
zu einer Reifung der<br />
Theologie und zu einer<br />
geistlichen Gesundung<br />
der evangelischen<br />
Christenheit führen.<br />
Nichts brauchen wir heute mehr als<br />
das (Grafik 4).<br />
Konsequenzen heute<br />
Eine theologische Neubesinnung<br />
müsste m. E. bei Jesus von Nazareth<br />
einsetzen. Jesus war bekanntermaßen<br />
Jude und er ist dies noch<br />
immer. Dies hat schon Karl Barth<br />
betont: "Gottes Sohn wurde nicht<br />
Fleisch, Mensch [. .. ] in irgendeiner<br />
Allgemeinheit, sondern jüdisches<br />
Fleisch. Die ganze kirchliche<br />
Inkarnations- und Versöhnungslehre<br />
wurde abstrakt, billig, bedeutungslos<br />
in dem Maß, als man das für eine<br />
beiläufige und zufällige Bestimmung<br />
zu halten begann." [2] Das heißt:<br />
Jesus ist von seinem Judesein nicht<br />
zu trennen.<br />
Jesu Judesein erschließt Jesus,<br />
18
seine Person, sein Werk und seine<br />
Bedeutung, ja sogar unser Heil.<br />
Wenn wir uns heute der Person<br />
Jesus neu annähern wollen, dann<br />
stoßen wir auf den Juden Jesus. Der<br />
Jude Jesus verbindet uns mit dem<br />
jüdischen Volk, dem Gott Israels und<br />
der Heilsgeschichte, die Gott mit<br />
Israel schreibt. Es gilt also zunächst,<br />
den Juden Jesus kennenzulernen.<br />
Dass an dieser Stelle enormer<br />
Nachholbedarf besteht, hat Guido<br />
Baltes - ausgewiesener Kenner der<br />
Materie - herausgearbeitet. Baltes<br />
zählt sage und schreibe 80 Missverständnisse<br />
auf, die sich in der<br />
Christenheit eingeschlichen habenund<br />
den jüdischen Wurzelgrund des<br />
christlichen Glaubens verstellen. [3]<br />
Exemplarisch seien hier einige<br />
aufgezählt:<br />
Missverständnis 1: Unser Bild von<br />
Jesus kann nur dann hell leuchten,<br />
wenn wir den Hintergrund des<br />
Judentums um ihn herum in dunklen<br />
Farben malen.<br />
Missverständnis 13: Im Judentum<br />
wird man durch eigene Verdienste<br />
gerettet, im Christentum durch die<br />
Gnade Gottes.<br />
Missverständnis 17: Jesus brauchte<br />
nicht zur Schule zu gehen, weil er<br />
als Sohn Gottes ohnehin schon alles<br />
wusste.<br />
Missverständnis 20: Den jüdischen<br />
Lehrern ging es nur um Verbote.<br />
Jesus aber ging es darum, über die<br />
Grenzen des Gebotes hinauszudenken.<br />
Missverständnis 30: Das jüdische<br />
Gesetz wurde dadurch<br />
überflüssig, dass Jesus<br />
es vollständig eingehalten<br />
hat.<br />
Missverständnis 51: Der<br />
Gott des Alten Testaments<br />
ist nicht der<br />
liebende Vater, von dem<br />
Jesus redet.<br />
Missverständnis 52:<br />
Gott hat irgendwann<br />
zwischen dem Alten und<br />
dem Neuen Testament<br />
seine Meinung geändert.<br />
Missverständnis 53:<br />
Man muss das Alte Testament<br />
"durch die Brille des<br />
Neuen" lesen.<br />
Missverständnis 67: Das "Reich<br />
Gottes" ist eine christliche Idee. Es<br />
begann erst, als Jesus in die Welt<br />
kam.<br />
Missverständnis 78: Jesus war<br />
zwar ein Jude, aber schon Paulus<br />
hat die Grenzen des Judentums verlassen<br />
und eine neue Religion gegründet.<br />
Bei all diesen Aussagen handelt es<br />
sich um Irrtümer. Und dennoch sind<br />
sie in christlichen Gemeinden weit<br />
verbreitet. Hier sollte zunächst einmal<br />
gründlich aufgeräumt werden.<br />
Der Jude Jesus muss neu entdeckt<br />
werden, um Jesus richtig verstehen<br />
zu können. Dazu bedarf es eines<br />
neuen (wahrheitsgemäßen!) Bildes<br />
des jüdischen Kontextes. Wenn wir<br />
an Jesus glauben und Jesus Jude<br />
war, dann glauben wir an den Juden<br />
Jesus und sollten ihn kennenlernen.<br />
Im zweiten Schritt sollte dann der<br />
Jude Paulus ins Visier genommen<br />
werden, der von dem Juden Jesus<br />
her seine Theologie aufgezogen und<br />
in die griechisch-römische Welt hinein<br />
kontextualisiert hat. [4] Geht man<br />
diesen Weg, dann erkennt man, was<br />
Paulus damit meinte, dass wir Christen<br />
durch den Glauben an Jesus in<br />
den edlen Ölbaum "eingepfropft"<br />
sind (Röm 11,17-24).<br />
Christen sind in die Heilsgeschichte,<br />
die Gott mit Israel schreibt, mit hineingenommen<br />
und werden deshalb<br />
auch mit Israel zusammen ans Ziel<br />
kommen. Hier geht es um nichts Geringeres<br />
als um unsere christliche<br />
Identität. Die christliche Identität<br />
ist von der Substanz her jüdisch.<br />
Dies muss neu durchdekliniert und<br />
ergriffen werden, Schritt für Schritt.[5]<br />
Luthers Reformation hat Bahnbrechendes<br />
geleistet, denn<br />
es ist ihm gelungen, den<br />
Glauben der Christenheit<br />
vom Kreuz her zu erneuern<br />
(Grafik 5). Dies kann<br />
kaum überschätzt werden.<br />
Heute - 500 Jahre<br />
später - wird man den<br />
Eindruck nicht los, dass<br />
die Kirchen der Reformation<br />
Gefahr laufen, den<br />
Bezug zum Kreuz zu verlieren<br />
(Grafik 6) . Die Reaktion<br />
sollte nun nicht<br />
allein darin zum Kreuz<br />
zurückzurufen. Das natürlich<br />
auch, aber nicht<br />
nur. Der Umkehrruf muss lauten: Zurück<br />
zu Jesus! Zu dem Juden Jesus,<br />
der für uns gestorben und auferweckt<br />
worden ist. Zurück zur jüdischen<br />
Heilsgeschichte, die Gott mit<br />
Israel schreibt, zurück zu den Wurzeln!<br />
Denn von den Wurzeln her wird der<br />
Glaube stabil und bekommt seine<br />
Ausrichtung. Junge Israelfreunde in<br />
meinem Umfeld glauben deshalb,<br />
dass es heute eine zweite Reformation<br />
braucht, die die erste zu Ende<br />
führt. Sie nennen diese sinnigerweise:<br />
ReformaZION<br />
(s. Grafik 7, S. 20).<br />
19
Die Alternative: mit Luther gegen<br />
Luther<br />
Luther hätte zu anderen Schlussfolgerungen<br />
kommen können, wenn er<br />
ein anderes reformatorisches Prinzip,<br />
das er verfochten hat, an die erste<br />
Stelle gesetzt hätte: sola scriptura<br />
- allein die Schrift. Dann hätte er<br />
anhand von Röm 11 feststellen kön-<br />
nen, dass etwas an seiner Theologie<br />
nicht stimmen kann. Er hätte diesem<br />
Hinweis nachgehen und seine Theologie<br />
so aufbereiten können, dass<br />
die Israel perspektive aus Röm. 11<br />
darin Platz hat. Dazu ist es Ieider<br />
nicht gekommen und so wirkt Luthers<br />
blinder Fleck nach. Doch haben<br />
andere Protestanten diesen<br />
Weg eingeschlagen. Sie haben an<br />
den reformatorischen Grundsätzen<br />
festgehalten und dennoch die biblische<br />
Sicht für Israel ergriffen. Die<br />
Rede ist von Teilen des Pietismus<br />
sowie von Theologen der Nachkriegszeit,<br />
die den Holocaust als Auftrag<br />
begreifen, die eigene Theologie<br />
auf den Prüfstand zu steIlen (z.B.<br />
Theologie nach Auschwitz). Hier zeigen<br />
sich Früchte, die hoffen lassen.<br />
[1] Vgl. Wengsts Aufsatz "Martin Luther und die Juden.<br />
Über theologische Judenfeindschaft als Geburtsfehler<br />
des Protestantismus."<br />
In: Klaus Wengst, Christsein mit Tora und Evangelium.<br />
Beiträge zum Umbau christlicher Theologie im Angesicht<br />
Israels, Stuttgart 2014, S. 35-52.<br />
[2] Karl Barth, Kirchliche Dogmatik. Band IV/ 1, Zollikon<br />
1953, S. 18lf.<br />
[3] Guido Baltes, Jesus der Jude und die Missverständnisse<br />
der Christen, Marburg 3 2015.<br />
[4] Diesem Projekt ist das zweite Buch von Guido Baltes<br />
gewidmet: Paulus- Jude mit Mission. Alter Glaube in<br />
einer verändertene Kultur,<br />
Marburg 2016<br />
[5] Persönlich darf ich sagen, dass ich diesen Weg seit nun<br />
11 Jahren gehe und noch immer Neues entdecke.<br />
Olivenbaum, Ölberg Garten Gethsemane<br />
20
Verdrängung, Verdruss, Verantwortung?<br />
Kriegsurenkel und der lange Schatten unserer Vergangenheit<br />
Rasmus Rahn<br />
Ich bin nun 22 Jahre alt und wurde<br />
von vielen Seiten verwundert<br />
gefragt, warum ich mich ausgerechnet<br />
damit befasse, wie die Generation<br />
der Kriegsurenkel mit den Taten<br />
ihrer Vorfahren umgeht. Das Thema<br />
sei längst »ausgelutscht« und schon<br />
1000-fach abgehandelt. Viele haben<br />
die Sorge, dass es ausschließlich<br />
mit der Schuld- und Moralkeule<br />
daherkommt.<br />
Nähert man sich dem Thema<br />
allerdings von einer anderen Seite,<br />
nämlich auf der psychologischemotionalen<br />
Ebene, und beginnt<br />
sich intensiv damit zu beschäftigen,<br />
was in den direkt Betroffenen, den<br />
Kriegskindern und den ihnen<br />
nachfolgenden Generationen<br />
vorgeht, so erkennt man, wie<br />
brandaktuell es eigentlich ist.<br />
Wer dennoch sicher ist, das Thema<br />
beträfe heute niemanden mehr, dem<br />
sei mit der aktuellen Umfrage der<br />
Europäischen Union widersprochen:<br />
Die Agentur der Europäischen Union<br />
für Grundrechte hat die Erfahrungen<br />
von Juden in acht europäischen Ländern<br />
vergleichend untersucht. Die<br />
Befragten stammen aus den acht<br />
europäischen Ländern, in denen<br />
Schätzungen zufolge 90 Prozent der<br />
europäischen Juden leben. Zwei Drittel<br />
der Befragten gaben an, Antisemitismus<br />
sei ein Problem in Europa,<br />
76 Prozent verzeichneten gar einen<br />
Anstieg der Anfeindungen in ihrem<br />
Heimatland in den vergangenen fünf<br />
Jahren, in Deutschland waren es<br />
insgesamt 32 Prozent der Befragten,<br />
die sich über eine deutliche Zunahme<br />
der Judenfeindlichkeit sorgten.<br />
Jeder zweite Befragte fürchtete,<br />
Opfer eines verbalen Angriffes zu<br />
werden. Ein Drittel der Befragten<br />
fürchtete gar, im Heimatland auch<br />
körperlich angegriffen zu werden.<br />
Mehr als jeder zweite Befragte gab<br />
an, in den vergangenen zwölf<br />
Monaten mit der Äußerung konfrontiert<br />
worden zu sein, dass der<br />
Holocaust nicht stattgefunden habe<br />
oder aber übertrieben dargestellt<br />
werde.<br />
Ein Viertel der Befragten gab an, in<br />
den vergangenen Monaten angegriffen<br />
worden zu sein, 4 Prozent<br />
erlebten körperliche Gewalt. Ein<br />
Viertel der Befragten gab an, in den<br />
vergangenen zwölf Monaten<br />
diskriminiert worden zu sein wegen<br />
seines jüdischen Glaubens. Von den<br />
berufstätigen Befragten gab jeder<br />
Zehnte an, an seinem Arbeitsplatz<br />
wegen seines jüdischen Glaubens<br />
schon einmal diskriminiert worden zu<br />
sein. Ebenso wie jeder Zehnte, der<br />
auf Jobsuche war.<br />
Die Journalistin Daria Jablonowska<br />
fragt in einem Artikel im Magazin vor<br />
diesem Hintergrund: »Sind diese<br />
Sorgen nur subjektiv und unbegründet?<br />
Sind antisemitische Anfeindungen<br />
nur ein Instrument gesellschaftlicher<br />
Randgruppen, bekennender<br />
Rechtsradikaler, rechtsorientierter<br />
und gewaltbereiter Fanatiker oder<br />
verkennen wir durch die Abschiebung<br />
der Problematik in bestimmte<br />
Milieus unsere gesamtgesellschaftliche<br />
Verantwortung und überhören<br />
die latent judenfeindlichen Botschaften<br />
im Alltäglichen?« Die 2012<br />
erschienene Studie »Die Mitte im<br />
Umbruch - Rechtextreme Einstellungen<br />
in Deutschland 2012« der<br />
Friedrich-Ebert-Stiftung diagnostiziert,<br />
dass rechtsextreme Einstellungen<br />
von 28 Prozent der Bevölkerung<br />
in Deutschland geteilt werden und<br />
die Zustimmung zu allen in der<br />
Studie vorgelegten Einzelaussagen<br />
deutlich über dem Bevölkerungsanteil<br />
manifest antisemitischer Personen<br />
(8,7 Prozent) liegt.<br />
Ich sehe hier das Ergebnis einer<br />
länger währenden Entwicklung, die<br />
eine mangelnde Beschäftigung mit<br />
den eigenen Wahrnehmungen zur<br />
Folge hat. Verantwortung anzunehmen,<br />
bedeutet in diesem Zusammenhang<br />
nämlich nicht etwa, sich<br />
einer Schuld des deutschen Volkes<br />
und seiner Verantwortung vor der<br />
Geschichte bewusst zu werden,<br />
denn diese ist wahrhaftig.<br />
Hier bedeutet Verantwortung, sich<br />
der eigenen Empfindungen gewahr<br />
zu werden, ihnen nachzugehen und<br />
verantwortlich mit ihnen umzugehen.<br />
Nur wie nimmt man diese Verantwortung<br />
an? Für mich begann dieser<br />
Prozess zunächst mit der Bewältigung<br />
der Geschichte meiner eigenen<br />
Familie. Im Geschichtsunterricht<br />
legte unser Lehrer besonderen Wert<br />
darauf, uns in diesem Zusammenhang<br />
die Geschehnisse vor unserer<br />
eigenen Haustür nahezubringen.<br />
In Friedrichstadt, einer Stadt nur<br />
zehn Kilometer von dem Ort entfernt,<br />
wo ich aufwuchs, verübte die SS ein<br />
grausames Verbrechen an der<br />
jüdischen Gemeinde. Deren Mitglieder<br />
wurden von der SS in die dortige<br />
Synagoge eingesperrt. Anschließend<br />
warfen die SS-Männer Handgranaten<br />
in das Gebäude.<br />
Die Synagoge fing Feuer, und alle in<br />
ihr gefangenen Menschen starben.<br />
Es ist immer besonders furchtbar,<br />
wenn ein Ort des Friedens und der<br />
seelischen Geborgenheit in einen<br />
Ort des Grauens verwandelt wird.<br />
Wenige Jahre später erfuhr ich dann,<br />
dass der Onkel meines Großvaters<br />
Mitglied der SS und maßgeblich an<br />
diesem Verbrechen beteiligt war. Ich<br />
erstarrte. Mir wurde zum ersten Mal<br />
bewusst, dass in unserer Familiengeschichte<br />
so eine Schuld zu finden<br />
war.<br />
Ich begann mich stärker damit auseinanderzusetzen,<br />
und so nahm ich im<br />
April 2012 an einer Bildungsreise in<br />
das Konzentrationslager Auschwitz<br />
21
teil. Im Rahmen dieser Reise fuhren<br />
wir nach Berlin. Dort besuchten wir<br />
das Jüdische Museum und nahmen<br />
an einem Workshop teil. Inhalt dieses<br />
Workshops war es, mit originalen<br />
Archivarien zu arbeiten.<br />
Eine dieser Archivarien war der Abschiedsbrief<br />
der Jüdin Mathilde Bing<br />
an ihre Söhne, die 1938 nach England<br />
fliehen konnten.<br />
Der Brief lautet wie folgt:<br />
27. Juni 1943<br />
Meine geliebten beiden Jungen!<br />
Nun ist es endgültig so weit, morgen<br />
kommen wir fort. Ob ich jemals wieder<br />
aus der Verschollenheit auftauche,<br />
weiß ich nicht. Wo Vati ist, weiß<br />
ich auch nicht, auch wo alle anderen<br />
Verwandten sind. Der Euch meinen<br />
Abschiedsbrief übermittelt, weiß<br />
über mein Schicksal Bescheid. Ich<br />
will nur sagen, dass ich alles versucht<br />
habe, um diese Zeit zu überleben,<br />
ich werde es auch weiter versuchen.<br />
Erst wenn es zu furchtbar<br />
wird, dann mache ich Schluss. Ich<br />
hatte immer nur den Gedanken, wie<br />
kann ich Euch wiedersehen. Immer<br />
hatte ich diese schreckliche Sehnsucht<br />
nach Euch beiden. Ihr müsst<br />
es fühlen, wie lieb ich Euch habe.<br />
Ich bitte Euch beide, haltet zusammen,<br />
auch wenn Ihr Euch nicht immer<br />
versteht in allem, was Ihr tut. In<br />
dieser furchtbaren Zeit war es immer<br />
ein großer, eigentlich der einzige<br />
Trost, dass Ihr beide gerettet und<br />
dass Ihr draußen glücklich seid. Ich<br />
weiß auch, dass Ihr uns für Euer Leben<br />
nicht mehr notwendig habt. Nur<br />
für mich selbst wäre es das größte<br />
Glück, wenn ich dieses alles überlebe<br />
und dann zu Euch kommen könnte.<br />
Bis auf die letzten vier Wochen habe<br />
ich ein schönes Leben gehabt,<br />
schrecklich war immer, dass ich von<br />
Euch nichts mehr hörte. Wir denken,<br />
dass wir ins Arbeitslager nach Oberschlesien,<br />
nach Auschwitz kommen.<br />
Von dort zur Arbeit nach Birkenau<br />
oder Monowitz. Wenn Ihr später einmal<br />
durch eine Behörde Nachforschungen<br />
anstellen lassen wollt. Vati<br />
wird vielleicht auch dort sein. Auch<br />
Tante Minnie und Onkel Max. Ob ich<br />
sie finden kann, ahne ich nicht.<br />
Ich bin so froh, dass Du, lieber<br />
Heinz, mit Gaby glücklich bist und<br />
eben dadurch nicht allein. - Wenn<br />
Du, lieber Gerhard, doch auch heiraten<br />
würdest, dann könnte ich ganz<br />
ruhig sein. Aber vielleicht ist es<br />
schon geschehen, und ich weiß<br />
nichts davon. Ob Ihr diesen Brief jemals<br />
bekommen werdet? Ich weiß<br />
es nicht, aber ich musste ihn schreiben.<br />
Lebet wohl Ihr beiden, ich kann<br />
nun nicht mehr, sonst muss ich weinen,<br />
und ich will stark bleiben bis<br />
zuletzt. In Gedanken küsse ich Euch<br />
tausendmal, Euch beide und Gaby<br />
als mein drittes Kind.<br />
In großer, großer Liebe!<br />
Mutti<br />
(Jüdisches Museum Berlin,<br />
Schenkung von Thomas von Pappritz)<br />
Mathilde Bing starb im Konzentrationslager<br />
Auschwitz-Birkenau.<br />
Ich musste diesen Brief dreimal lesen,<br />
um ihn zu erfassen. Er riss mich<br />
aus der Realität. Vielleicht hat er<br />
mich ihr auch nähergebracht. Jedenfalls<br />
wurde meine Wahrnehmung in<br />
ihrer Intensität derart verstärkt, dass<br />
ich einen emotionalen Zusammenbruch<br />
erlitt. Auf einmal wurde diese<br />
riesige, abstrakte Gestalt des Holocaust<br />
heruntergebrochen auf das<br />
Schicksal eines einzelnen Menschen.<br />
Urplötzlich konnte man all<br />
das buchstäblich greifen.<br />
Ich kam an mein Ziel, Tage bevor wir<br />
den Ground Zero der Shoah überhaupt<br />
erreichten. Ich konnte meine<br />
eigenen Wahrnehmungen annehmen<br />
und verarbeiten. Alle weiteren<br />
Eindrücke, die Gaskammern, die<br />
Gleise, die Baracken, die Berge von<br />
menschlichem Haar, all das hat mich<br />
nicht im Ansatz so getroffen wie dieser<br />
Brief von Mathilde Bing. So kam<br />
ich dazu, mich mit diesem Thema<br />
auseinanderzusetzen. Eine neue<br />
Generation tritt an, das Ruder zu<br />
übernehmen. Diese Generation ist<br />
die dritte nach dem Zweiten Weltkrieg,<br />
die erste nach der Wiedervereinigung.<br />
Eine Generation, die in politischer<br />
Stabilität groß geworden ist<br />
und daher keinen direkten Bezug zu<br />
den gesellschaftlichen Extremen der<br />
Vergangenheit hat.<br />
Die Rahmenbedingungen dieser Generation<br />
unterscheiden sich deutlich<br />
von denen ihrer Vorfahren. Die mediale<br />
Revolution mit dem Aufkommen<br />
des Internets lässt die Welt immer<br />
kleiner werden. Angesichts der Realitäten<br />
vieler Menschen weltweit, die<br />
großer Willkür und furchtbarem<br />
Schrecken ausgesetzt sind, scheinen<br />
lokale Interessen immer trivialer<br />
zu werden. Daher setzen sich viele<br />
junge Menschen, die für dieses Thema<br />
sensibilisiert sind, stärker mit anderen<br />
Problemen auseinander. Diejenigen,<br />
die nicht dafür sensibilisiert<br />
sind, setzen sich ohnehin wenig mit<br />
den Problemen anderer auseinander.<br />
Die wahrgenommene politische Stabilität<br />
im eigenen Land politisiert die<br />
jungen Menschen immer weniger.<br />
Die großen Themen scheinen kleiner,<br />
interessieren die Menschen<br />
kaum noch. Das führt zu Politikverdrossenheit<br />
und in diesem Zusammenhang<br />
auch dazu, dass sich weniger<br />
mit der eigenen Geschichte beschäftigt<br />
wird. Um es mit den Worten<br />
meines Großvaters zu sagen: »Der<br />
Russe steht nicht mehr an der Elbe.«<br />
Wo befindet sich diese Generation?<br />
Sie ist in der Findungsphase. Man<br />
orientiert sich beruflich neu, sucht<br />
seinen Platz in der Gesellschaft.<br />
»Was fange ich jetzt mit mir an?«,<br />
»Wo soll mein Leben hingehen?«<br />
Das sind die Fragen, die sich diese<br />
Generation, zu Recht, stellt. Natürlich<br />
wirkt die Beschäftigung mit der<br />
Vergangenheit, angesichts des Aufbruchs<br />
in das eigene Leben, die eigene<br />
Zukunft, da verhältnismäßig uninteressant.<br />
Deshalb ist sie aber nicht<br />
weniger wichtig.<br />
Wo will diese Generation hin? Die<br />
Generation Y, wie man sie auch<br />
nennt, möchte nicht mehr leben, um<br />
22
zu arbeiten, sondern arbeiten, um zu<br />
leben. Diese Generation will Karriere<br />
machen und dabei genügend Zeit für<br />
Hobbys und die Familie haben. Hedonismus<br />
ist stark verbreitet. Dies<br />
führt dazu, dass sich mit den unangenehmen<br />
Dingen zu beschäftigen<br />
oft vermieden wird.<br />
Und dazu gehört auch, die eigene<br />
Vergangenheit zu erforschen. Stellen<br />
sich für diese Generation die Fragen<br />
Stolpersteine im Hamburger Grindelviertel<br />
nach Schuld und Verantwortung?<br />
Wie geht diese Generation mit der<br />
Vergangenheitsbewältigung um?<br />
Strebt diese Generation überhaupt<br />
an, Vergangenheit zu bewältigen?<br />
Und wenn ja, wie? Ich persönlich<br />
nehme folgende markante Strömungen<br />
wahr: Die einen zeigen starke<br />
Tendenzen, Verantwortung von sich<br />
zu weisen. Sie sind der Meinung, es<br />
sei »früher alles gar nicht so<br />
schlecht gewesen, stehen antisemitischen<br />
Gedanken zumindest nicht<br />
ablehnend gegenüber. Sie betreiben<br />
Verdrängung.<br />
Die anderen sind abweisend, möchten<br />
nicht von der Moralkeule erschlagen<br />
werden, sie haben »genug« davon<br />
und reagieren mit großem Verdruss.<br />
Häufig kommt sogar beides<br />
zusammen, was eine Mischung ergeben<br />
kann, die der Vergangenheitsbewältigung<br />
und Verarbeitung<br />
der eigenen Wahrnehmungen<br />
entgegensteht.<br />
Es gibt aber auch jene,<br />
die sich der Verantwortung<br />
bewusst sind und<br />
sie annehmen. Verantwortung,<br />
das Wahrgenommene<br />
zu verarbeiten,<br />
es anzunehmen<br />
und ihm nachzugehen.<br />
Wichtig zu erwähnen ist<br />
der Unterschied zwischen<br />
der Verantwortung<br />
vor der Geschichte,<br />
die Erinnerung zu<br />
bewahren und zu verhindern,<br />
dass so etwas<br />
jemals wieder geschieht,<br />
und der Verantwortung,<br />
dem nachzugehen,<br />
was einen<br />
emotional einholt, was<br />
man dabei wahrnimmt.<br />
Letzteres spielt für beide<br />
Strömungen keine<br />
größere Rolle, und bei<br />
der Verantwortung vor<br />
der Geschichte zeigen<br />
nur die Verantwortungsbewussten,<br />
dass<br />
sie mit ihr umgehen können.<br />
Daher stellt sich die Frage: Ist diese<br />
Generation auf dem richtigen Weg?<br />
Es kommt darauf an. Zumindest gibt<br />
es einige, die sich mit dem Thema<br />
beschäftigen. Jedoch noch auf der<br />
falschen Ebene.<br />
Das Ziel muss es sein, die Verdrossenen<br />
für die andere Ebene zu begeistern<br />
und bei den Verantwortungsbewussten<br />
einen Sinn für die<br />
Relevanz der emotionalen Ebene zu<br />
schaffen. Die Verdrängenden müssen<br />
sensibilisiert, um nicht zu sagen,<br />
aufgeklärt werden.<br />
Ihnen, wie auch den Verdrossenen,<br />
muss vor allem die Angst vor dieser<br />
Thematik genommen werden. Es ist<br />
nämlich kein Zeichen von emotionaler<br />
Überlegenheit und Stärke, dieses<br />
Thema zu versachlichen und auf die<br />
Relevanz von Reparationsleistungen<br />
zu reduzieren. Ich halte das vielmehr<br />
für ein Zeichen von Angst, mit der<br />
emotionalen Seite dieses Themas<br />
nicht fertigzuwerden, welche mir als<br />
die wichtigere erscheint. Man muss<br />
zu seinen Wahrnehmungen stehen.<br />
Mit dem, was man wahrnimmt, in<br />
Bezug auf das Thema verantwortungsbewusst<br />
umgehen und dem<br />
nachgehen, was einen da eingeholt<br />
hat.<br />
Quelle: Das Buch "Nebelkinder - Kriegsenkel<br />
treten aus dem Traumaschatten der<br />
Geschichte“<br />
(Michael Schneider/ Joachim Süss (Hg.)<br />
23
Was machte der Großvater in der Nazizeit?<br />
Ein Täter in der Familie? Die eigene Familie in der NS-Zeit? Tipps zur Recherche<br />
Endlich Klarheit haben!<br />
Was haben meine Eltern, Großeltern,<br />
Onkel, Tanten zur Zeit der<br />
Nationalsozialismus gemacht?<br />
Waren sie verstrickt in das Nazisystem?<br />
Waren sie gar an Verbrechen<br />
beteiligt? Das Interesse an diesen<br />
Fragen lässt nicht nach und steigt in<br />
der Kinder- und Enkelgeneration<br />
jetzt sogar noch einmal an. Sie<br />
spüren: Da ist was nicht erledigt.<br />
Woran liegt das gestiegene Interesse?<br />
Zum einen daran, dass viele<br />
ZeitzeugInnen sterben, dass sich<br />
also ihre (erwachsenen) Kinder<br />
endlich frei fühlen zu recherchieren;<br />
die Enkelgeneration hat ohnehin<br />
eine größere emotionale Distanz,<br />
was solch eine Recherche erleichtert.<br />
Das gestiegene Interesse hat<br />
aber vor allem mit der neuesten<br />
Geschichtsforschung zu tun: Die<br />
wendet nämlich seit den 90er Jahren<br />
den Blick von den Spitzen des NS-<br />
Systems immer mehr in Richtung<br />
der ?kleinen? Täter, beschäftigt sich<br />
also mit den gewöhnlichen Deutschen,<br />
den Wehrmachtssoldaten,<br />
den Polizisten, den Verwaltungsangestellten.<br />
Den Anfang machten die<br />
Ausstellung „Verbrechen der<br />
Wehrmacht“ und die Bücher von<br />
Christopher R. Browning oder Daniel<br />
Goldhagen (s.u. Buchtipps).<br />
Falsche Erwartungen<br />
1. „Das geht schnell“. - Nein, eher<br />
nicht. Eine Recherche zur eigenen<br />
Familie in der NS-Zeit dauert fast<br />
immer länger als zwei Monate. Man<br />
sollte mit mindestens einem Jahr<br />
rechnen. Man wartet ja schon<br />
Wochen, bis ein Archiv antwortet.<br />
2. „Am Ende weiß ich alles“. - Eher<br />
nicht. Meist weiß man am Ende<br />
immer noch nicht, wie der Verwandte<br />
dachte, wie er zum Nationalsozialismus<br />
stand, ob sich seine Einstellung<br />
über die Jahre geändert hat.<br />
3. „Am Ende weiß ich doch nichts“.<br />
Auch wenn man am Ende meist<br />
nicht weiß, was ein Verwandter<br />
konkret getan hat, kann man es sich<br />
mit einem Trick ausmalen. Der Trick<br />
heißt: lesen, lesen, lesen. Und<br />
zwar Bücher zum Umfeld. Zum<br />
Beispiel Fachliteratur über einzelne<br />
Dienststellen des NS-Apparates,<br />
über einzelne Feldzüge, über<br />
Verbrechen an bestimmten Bevölkerungsgruppen<br />
usw. So kann man<br />
das Dunkelfeld erhellen und den<br />
Verwandten darin verorten.<br />
Erster Schritt: das Familienwissen<br />
ausschöpfen<br />
Fahnden nach Geschichten sowie<br />
Dokumenten jeder Art, nach<br />
Aktenordnern, Briefen, Ausweisen,<br />
Fotos! Es gibt fast immer mehr an<br />
Erzählungen, Wissen und Dokumenten,<br />
als man denkt oder als die<br />
Angehörigen zunächst erinnern.<br />
Dazu jeden, wirklich jeden der<br />
letzten noch lebenden alten Verwandten<br />
befragen, auch die, mit<br />
denen man noch nie Kontakt hatte<br />
oder nicht mehr. Fast immer haben<br />
sie wertvolle Hinweise beizusteuern.<br />
Und so viele Zeitzeugen gibt es ja<br />
nicht mehr im Jahr 2012. Alte<br />
Menschen freuen sich über Besuch,<br />
Telefonate, Interesse. Aber auch<br />
gleichaltrige Vettern und Cousinen<br />
könnten im Besitz von Dokumenten,<br />
Briefen und Fotos sein!<br />
Unbedingt bei allen mehrfach<br />
nachfragen! Nach Geschichten, aber<br />
auch nach Dokumenten, Fotos Die<br />
erste Antwort ist oft: Nee, ich hab da<br />
nichts. Bis jemand anfängt, doch<br />
nochmal nachzuschauen in Schränken<br />
und Schachteln, das kann<br />
dauern, denn viele Menschen<br />
scheuen vor einer Beschäftigung mit<br />
Vergangenem zurück, vor dem<br />
Wühlen in Kisten und Kästen<br />
sowieso. Denn wollte man die nicht<br />
schon lang mal aufgeräumt haben?<br />
Häufig werden sie dann doch fündig.<br />
Denn solch offizielle Dokumente wie<br />
Personalausweis (“Kennkarte“),<br />
„Wehrpass“, „Ariernachweis“,<br />
Entlassungsschein, Rentenanträge<br />
werfen die meisten Leute nicht<br />
einfach so weg.<br />
Manchmal findet sich sogar ein<br />
Ariernachweis (offiziell: Ahnentafel) -<br />
so was hat man gern aufbewahrt,<br />
weil darin der Stammbaum dokumentiert<br />
ist. „Ariernachweise“<br />
wurden übrigens nicht zentral in<br />
einer Behörde gesammelt, sondern<br />
verblieben immer im persönlichen<br />
Besitz. Vorsicht: Die Angaben nicht<br />
unkritisch übernehmen. Denn einen<br />
„Ariernachweis“ über mehrere<br />
Generationen zurück zu erstellen,<br />
war für viele Betroffene und Pfarrund<br />
Standesämter, die nach<br />
Geburts-, Heirats-, Sterbeurkunden<br />
gefragt wurden, überaus lästig. Nicht<br />
selten sind die Angaben ungenau<br />
recherchiert, schlichtweg falsch oder<br />
sogar bewusst gefälscht, um die<br />
arische Abstammung nachweisen zu<br />
können.<br />
Wie führe ich solche<br />
Gespräche?<br />
Um nicht gleich abgeblockt zu<br />
werden (Opa war kein Nazi! Der war<br />
ein sauberer Soldat!), sollte man<br />
Fragen nach Weshalb, Warum,<br />
Wieso vermeiden. Man will ja nicht<br />
Rechtfertigungen hören (“Jeder<br />
musste mitmachen!“), sondern<br />
Erzählungen. Dazu muss man<br />
verleiten, mit Erzählaufforderungen:<br />
„Wie war das denn damals, als ihr<br />
nach Berlin gezogen seid?“ Als du in<br />
Hannover dein Pflichtjahr angefangen<br />
hast? Man fragt zunächst nicht<br />
direkt nach dem Vorfahr, sondern<br />
geht mit dem/der GesprächspartnerIn<br />
erst einmal in deren eigene<br />
Vergangenheit zurück. Das könnte<br />
sich etwa so anhören: Sag mal, und<br />
dann bist du in Hanau zur Schule<br />
gegangen- musstest du da weit<br />
gehen jeden Morgen? „Wer saß<br />
damals alles mit am Abendbrottisch?<br />
Kannst du dich auch an ein Fest<br />
erinnern?“ Erinnerungen kommen<br />
vor allem dann zurück wenn man<br />
sich an sinnlichen und leiblichen<br />
24
Erinnerungsfragmenten entlanghangelt<br />
(Das ist ein Tipp der Göttinger<br />
Professorin Gabriele Rosenthal, die<br />
eine Methodik der narrativen<br />
Biographieforschung entwickelt hat.)<br />
Wahr oder unwahr? Kaum jemand<br />
kann sich nach Jahrzehnten noch<br />
genau an eine Begebenheit erinnern;<br />
die Erinnerung wird überlagert<br />
von späteren Einschätzungen;<br />
manche der angegebenen Daten<br />
sind falsch; Ereignisse aus verschiedenen<br />
Jahren werden erzählend zu<br />
einem einzigen Ereignis verschmolzen.<br />
Usw. Aber komplett falsch sind<br />
Erzählungen auch selten.<br />
Bei wichtigen Familienerzählungen<br />
jeden Satzteil einzeln recherchieren!<br />
Probeweise auch ersetzen durch<br />
andere Begriffe und Daten. (Eigenes<br />
Beispiel: „Der Opa sollte Zwangsarbeiter<br />
ausheben, das wollte er nicht.“<br />
Tatsächlich sollte er Kriegsgefangene<br />
rekrutieren, als Spione.)<br />
Nächster Schritt<br />
Alles, was man in der Familie<br />
erfahren und gefunden hat, aufschreiben.<br />
Geburtsdatum, alle<br />
Wohn- und Aufenthaltsorte, Ehepartner,<br />
Berufskollegen, Arbeitgeber,<br />
Namen von Freunden, Berufe,<br />
Vereinszugehörigkeiten, Interessen,<br />
überlieferte Erinnerungen, Briefe...<br />
Wichtigste Frage ist dabei: Wo war<br />
dieser Mensch überhaupt? Dann<br />
kann man viel gezielter weiterforschen,<br />
etwa in Landesarchiven.<br />
Problem: Ich kann das nicht<br />
lesen, weil Sütterlinschrift<br />
Manche der alten Dokumente sind<br />
handschriftlich verfasst, in Sütterlin.<br />
Was tun?<br />
1. Einen alten Menschen ums<br />
mündliche Übersetzen bitten<br />
(Nachbarn, Bekannte, Verwandte) -<br />
die freuen sich!<br />
2. Eine der acht ehrenamtlichen<br />
Sütterlinstuben [11] in Deutschland<br />
um Übertragung bitten (kostet nichts,<br />
aber über Spenden freut man sich).<br />
Erste Orientierung<br />
Überaus wertvoll für private<br />
GeschichtsforscherInnen ist die<br />
Wissenssammlung wikipedia [12].<br />
Denn über Wikipedia findet man<br />
erste Infos zu NS-Organisationen, zu<br />
Kriegsschauplätzen, und, sehr<br />
wichtig, man findet die korrekten<br />
Begrifflichkeiten. Zum Beispiel<br />
„Spruchkammerakte“ oder „Generalplan<br />
Ost.“<br />
Lesen, lesen, lesen!<br />
Mit den richtigen Begriffen kann man<br />
weitersuchen - zum Beispiel nach<br />
Buchtiteln, etwa bei Amazon. Bücher<br />
braucht man, um sich detailliertes<br />
Hintergrundwissen anzueignen und<br />
das Umfeld/Wirkungsfeld des Vorfahren<br />
auszuleuchten. Und es gibt<br />
inzwischen eine Menge Fachliteratur<br />
zu den konkreten Aktionsfeldern des<br />
NS-Staates: deutsche Besatzungsherrschaft,<br />
Polizeiapparat, Wehrmacht,<br />
auch nachgeordnete Einheiten<br />
von Militär und Zivilverwaltung.<br />
Die Bücher kann man gebraucht kaufen<br />
(etwa auf Amazon und Antiquariatsportalen<br />
wie www.zvab.de), oder<br />
man bestellt sie in eine Bibliothek<br />
zum Lesen. Über die Digitale Bibliothek<br />
[13] kann man 500 Bibliothekskataloge<br />
nach einem Titel oder einem<br />
Thema durchforsten oder auch<br />
nur den Katalog der nächstgelegenen<br />
Biblitohek.<br />
Problem: Mich macht das<br />
krank<br />
Solche Recherchen sind aufwändig<br />
und nervenaufreibend, können sogar<br />
(vorübergehend) die Gesundheit beeinträchtigen.<br />
Schwer auszuhalten<br />
ist zum Beispiel:<br />
- der Widerstand anderer Familienmitglieder;<br />
- das Suchen in alle nur möglichen<br />
Richtungen, damit verbunden immer<br />
wieder Verlust der Übersicht - das<br />
Lesen grauenvoller Dokumente über<br />
Kriegsverbrechen;<br />
- der feindselige oder kalte Tonfall<br />
von Dokumenten aus der NS-Zeit;<br />
- die gleichzeitige Suche nach entlastendem<br />
wie belastendem Material -<br />
dass man sich den Vorfahr als guten<br />
Menschen wie als Verbrecher vorstellen<br />
muss;<br />
- die gewisse Einsamkeit, wenn man<br />
sich intensiv nur mit Vergangenem<br />
beschäftigt.<br />
Es hilft, sich eine Freundin oder einen<br />
Verwandten zu suchen, der/die<br />
sehr interessiert ist am Fortgang der<br />
Recherche, aber emotional nicht so<br />
nahe dran. Wichtig: Die Recherche<br />
auch mal ruhen lassen. Sich anderen<br />
Dingen und vor allem Menschen<br />
widmen.<br />
Problem: Die Familie findet<br />
dieses „Schnüffeln“ nicht gut<br />
Es ist fast immer eine einzelne Person<br />
in einer Familie, die nun endlich<br />
wirklich wissen will, was ein Vorfahr<br />
„damals“ gemacht hat, und die die<br />
Recherche auf sich nimmt. Das gibt<br />
oft Ärger mit anderen Familienangehörigen<br />
- weil das positive Bild eines<br />
Vorfahren in Frage gestellt wird. Die<br />
Reaktion kann bis zum Beziehungsabruch<br />
führen. Der allerdings nicht<br />
von Dauer sein muss.<br />
Es hilft, sich zu vergegenwärtigen,<br />
dass es richtig ist, so viele Jahrzehnte<br />
danach es „genau“ wissen zu wollen.<br />
Denn sonst verfestigt sich die<br />
Mär, dass die Nazis immer nur die<br />
anderen waren. Viele Nachforschende<br />
sehen sich verpflichtet, der Wahrheit<br />
ins Gesicht zu sehen, sie wollen<br />
sich der Verantwortung stellen. Verwandte<br />
über heikle Rechercheergebnisse<br />
nicht per Brief informieren, sondern<br />
im persönlichen Gespräch.<br />
Denn es ist eine große Herausforderung,<br />
sich vorzustellen, dass jemand,<br />
den man liebt, auch schlecht<br />
gehandelt haben könnte. Menschen<br />
müssen nun mal nicht grundsätzlich<br />
böse sein, um Schlechtes tun zu können.<br />
Es reicht, dass jemand die eigenen<br />
moralischen Werte nicht für alle<br />
Menschen gelten lässt, sondern nur<br />
für „Arier“ - nur mal als Beispiel.<br />
Wenn jemand aus der nunmehr sehr<br />
alten Vorgängergeneration „davon“<br />
partout nichts hören will, sollte man<br />
das respektieren.<br />
Problem: Ich versteh das alles<br />
nicht<br />
Historische Dokumente sind zu einem<br />
anderen Zweck geschrieben als<br />
25
dem, einer Enkelin im Jahr 2012 etwas<br />
zu erklären. Nehmen wir nur die<br />
Kriegstagebücher einzelner Divisionen,<br />
die Rechenschaftsberichte von<br />
SS-Abteilungsleitern an ihre Chefs,<br />
zeitgenössische Zeitungsberichte...<br />
Um solchen Dokumenten eine Antwort<br />
auf die eigenen Fragen entnehmen<br />
zu können, brauchen Laien eine<br />
so genannte „Kontextualisierung“,<br />
also Antwort auf Fragen wie: „War<br />
das damals üblich, dass...?“ „Was<br />
verbirgt sich hinter Floskeln wie der,<br />
jemand sei freigegeben zur Dienstleistung<br />
an der Front?“ „Wie viel<br />
Handlungsspielraum hatte ein Befehlsempfänger<br />
in dieser oder jener<br />
Situation?“<br />
Viel drumherum lesen hilft. Sich mit<br />
anderen Leuten treffen, die zur Familie<br />
in der NS-Zeit recherchieren, hilft.<br />
Und man kann einen Historiker, eine<br />
Historikerin beauftragen mit Teilrecherchen<br />
und vor allem (!) mit der<br />
Interpretation von bestimmten Funden.<br />
Unterstützung HistorikerInnen<br />
Sehr zu empfehlen ist es, die Dienste<br />
von selbständigen HistorikerInnen<br />
in Anspruch zu nehmen, vor allem<br />
für die Recherche in Archiven.<br />
Sie kosten meist nicht mehr als eine<br />
Handwerkerstunde. Um die 40 Euro<br />
plus Mehrwertsteuer. Deren Profirecherche<br />
kommt letztlich unter Umständen<br />
sogar preiswerter, als selbst<br />
in Archive zu reisen oder sich das<br />
gesamte Tagebuch einer Division<br />
teuer kopieren zu lassen, weil man<br />
nicht weiß, wie man die richtigen Seiten<br />
findet?<br />
Ich selbst, die Autorin des chrismon-<br />
Textes, hatte zwei Historiker beauftragt<br />
mit der Recherche im Bundesarchiv.<br />
Hauptsächlich Benjamin<br />
Haas [14] in Freiburg, der schnell und<br />
transparent arbeitet (auch kostenmäßig<br />
transparent), umfassend sucht<br />
und mir im Gespräch hilfreiche Einschätzungen<br />
gab. Eine Ergänzungsrecherche<br />
hatte der Historiker Kristian<br />
Petschko übernommen<br />
(petschko.recherchedienst@googlemail.com';<br />
// --> ) .<br />
Das Bundesarchiv hat eine Liste von<br />
Recherchediensten [15] auf seiner<br />
Homepage, gegliedert nach den<br />
Standorten des Bundesarchivs. Viele<br />
Adressen sind jedoch für die hier<br />
besprochenen Zwecke nicht nützlich,<br />
weil sie z.B. nur Firmengeschichte<br />
recherchieren.<br />
Wer nicht fündig wird, darf gern den<br />
Archivar der Gedenkstätte Topographie<br />
des Terrors um geeignete<br />
Adressen bitten: Ulrich Tempel,<br />
Tel. 030- 25 45 09 27,<br />
tempel@topographie.de'; // --><br />
Fundgrube: Entnazifizierungsakten<br />
Über Mitgliedschaften oder Funktionen<br />
innerhalb des NS-Systems erfährt<br />
man oft etwas in den Entnazifierungsakten<br />
(“Spruchkammerakten“)<br />
- sofern solch eine Akte zu der<br />
Person angelegt worden ist. Die alliierten<br />
Siegermächte hatten nach<br />
Kriegsende etwa 182.000 Deutsche<br />
inhaftiert, um ihre Schuld an den Verbrechen<br />
des NS-Staates zu klären.<br />
Man teilte die Leute dann ein in<br />
Hauptschuldige, Belastete, Minderbelastete,<br />
Mitläufer, Entlastete.<br />
Spruchkammerakten sind mit Vorsicht<br />
zu lesen! Denn die Entnazifizierungsbescheide<br />
sind oft eher aus<br />
Gefälligkeit erstellte Persilscheine<br />
als tatsächlich recherchierte Bescheide.<br />
Man bezeichnete die<br />
Spruchkammern deshalb sogar als<br />
„Mitläuferfabriken“. Hintergrund:<br />
Die Spruchkammerverfahren sahen<br />
eine Umkehr der Beweislast vor, d.h.<br />
die Beklagten mussten selbst Beweise<br />
herbeischaffen dafür, dass sie<br />
trotz allerlei Zugehörigkeiten oder<br />
Ämter etc. den NS-Staat nur unwesentlich<br />
unterstützt oder sogar Widerstand<br />
geleistet hatten. Dafür bat<br />
man Freunde und Bekannte, die Unbescholtenheit<br />
zu bezeugen oder<br />
Begebenheiten zu schildern, aus denen<br />
auf eine gewisse Regimeferne<br />
geschlossen werden konnte. Die Einstufung<br />
als bloßer ?Mitläufer? sollte<br />
man also nicht einfach so übernehmen.<br />
Sonst läuft man Gefahr,aus<br />
den Akten genau das beschönigende<br />
Bild herauszulesen, das über<br />
Jahrzehnte in der Familie tradiert<br />
wurde.<br />
Wertvoll sind die Spruchkammerakten<br />
für Recherchierende dennoch,<br />
da in den Meldebögen die Mitgliedschaften<br />
in der NSDAP oder anderen<br />
parteinahen Organisationen aufgelistet<br />
sind, die allermeist innerhalb<br />
der Verwandtschaft überhaupt nicht<br />
bekannt sind. Die Akten der Spruchkammerverfahren<br />
sind hier gesammelt:<br />
- für die britische Zone im Bundesarchiv<br />
Koblenz<br />
- für die amerikanische Zone in den<br />
Staatsarchiven der einzelnen Bundesländer<br />
- für Baden-Württemberg im Staatssarchiv<br />
Ludwigsburg<br />
- für Bayern im Staatsarchiv München<br />
- (Überblick über die Besatzungszonen:<br />
http://tinyurl.com/c5vpekq )<br />
- Sowjetische Besatzungszone bzw.<br />
DDR: Stasi-Unterlagen-Behörde. Antragsformular<br />
zur Akteneinsicht hier<br />
[16] zu finden.<br />
Hat man die richtige Behörde, das<br />
richtige Archiv gefunden, kann man<br />
seine Anfrage meist per Email stellen.<br />
Wichtig: Alle bekannten Daten<br />
erwähnen, also alle Vornamen, Geburtsdatum,<br />
wo gelebt, welcher Landkreis...<br />
Deutsche Dienststelle (WASt)<br />
Die WASt [17] informiert nicht nur<br />
über Gefallene, sondern über alle<br />
Kriegsteilnehmer - sofern es dazu<br />
Unterlagen gibt. 18 Millionen<br />
Karteikarten von Teilnehmern des II.<br />
Weltkrieges (Wehrmachtsoldaten<br />
und Angehörige anderer militärischer<br />
bzw. militärähnlicher Verbände).<br />
Achtung, die WASt ist kein Archiv,<br />
sondern eine Behörde, man<br />
bekommt keine Unterlagen in Kopie,<br />
sondern nur Bescheide. Der Tonfall<br />
auf der Homepage ist etwas<br />
abschreckend.<br />
Wie ticken Archive und<br />
ArchivarInnen?<br />
Bevor man das erste Archiv anschreibt<br />
oder gar betritt, sollte man<br />
sich mit den Eigenheiten von Archiven<br />
und ArchivarInnen vertraut machen.<br />
Eine großartige Einführung für<br />
26
Laien hat der Verein „historicum.net -<br />
Geschichtswissenschaften im Internet<br />
e.V." hier [18] zusammengestellt.<br />
Der Verein ist angesiedelt an der<br />
bayerischen Staatsbibliothek München<br />
und der Universität Köln.<br />
Ist die Schutzfrist abgelaufen?<br />
Die Schutzfristen für personenbezogene<br />
Daten sind in den einzelnen<br />
Bundesländern unterschiedlich lang.<br />
In Baden-Württemberg und Thüringen<br />
zum Beispiel endet der Schutz<br />
90 Jahre nach Geburt oder 10 Jahre<br />
nach Tod, in Hessen 100 Jahre nach<br />
Geburt. Ist die Schutzfrist abgelaufen,<br />
hat jeder ein Einsichtsrecht. Das<br />
Bundesarchiv gibt erst 30 Jahre<br />
nach dem Tode der Betroffenen Informationen<br />
an Dritte heraus. Ist das<br />
Todesjahr nicht oder nur mit unvertretbarem<br />
Aufwand festzustellen, endet<br />
die Schutzfrist 110 Jahre nach<br />
der Geburt des Betroffenen. Aber:<br />
Bei besonderem Interesse (etwa familiäres<br />
Interesse oder auch Forschung)<br />
kann die Schutzfrist auf Antrag<br />
verkürzt werden.<br />
Personenbezogene<br />
Unterlagen<br />
Einen ersten Überblick, welche Archive<br />
für die eigene Recherche interessant<br />
sein könnten, bieten diese<br />
beiden Seiten:<br />
– Eine Übersichtsliste zur Vewahrung<br />
personenbezogener Unterlagen<br />
zum 2. Weltkrieg finden Sie hier [19].<br />
– Nützliche Ratschläge für die Suche<br />
nach Informationen zur Tätigkeit von<br />
Verwandten im Dritten Reich finden<br />
Sie hier [20].<br />
Mammutarchiv: das<br />
Bundesarchiv<br />
Das Bundesarchiv ist das zentrale<br />
Archiv der Unterlagen des Bundes<br />
und seiner Vorgängerinstitutionen.<br />
Das Bundesachiv teilt sich in verschiedene<br />
Dienststellen (Koblenz,<br />
Freiburg, Ludwigsburg, Berlin, Bayreuth)<br />
mit verschiedenen Beständen<br />
auf. Achtung: Das Bundesarchiv recherchiert<br />
bei Anfragen nicht selbst<br />
in seinen Beständen, sondern<br />
schickt eine Kurzbeschreibung, welche<br />
Bestände bzw. Aktensignaturen<br />
für die Recherche interessant sein<br />
könnten. Fragen kann man aber zum<br />
Beispiel, ob der Verwandte Mitglied<br />
der NSDAP oder anderer NS-<br />
Organisationen war. Das Bundesarchiv<br />
bewahrt diese Mitgliederkarteien<br />
fast vollständig auf.<br />
Welche Bestände zum Dritten Reich<br />
in welchen Teilarchiven liegen, siehe<br />
hier [21]. Selber schon mal rumsurfen<br />
- Dann hier [22]. Liste von Recherchediensten<br />
[15]. Militärarchiv (Teil<br />
des Bundesarchivs) Hilfreich ist es,<br />
wenn man einen Wehrpass gefunden<br />
hat. Darin ist auch notiert, wann<br />
jemand in welcher Einheit wo im Einsatz<br />
war. Damit kann man besser<br />
weitersuchen. Das Militärarchiv [23]<br />
in Freiburg bewahrt an personenbezogenen<br />
Daten auf:<br />
- Die Personalunterlagen der Offiziere<br />
der Wehrmacht (Heer, Luftwaffe,<br />
Marine, nicht Waffen-SS) auf.<br />
- Wehrmachtsgerichtliche Unterlagen<br />
aller Dienstgrade (z.B. bei Fahnenflucht<br />
etc.)<br />
- Verleihungslisten (z. B. Eisernes<br />
Kreuz etc.) von Wehrmachtsangehörigen<br />
aller Dienstgrade<br />
- Vereinzelte Erwähnungen vor allem<br />
von Offizieren in den Kriegstagebüchern<br />
der Einheiten der Wehrmacht<br />
und Waffen-SS<br />
Archivfachlicher Dienst: Telefon<br />
0761/47817-864<br />
Die helfen weiter: Recherchedienste<br />
für Militärisches [24]<br />
Wehrmacht<br />
Die private Initiative Lexikon der<br />
Wehrmacht [25] hat viele Infos zu Einheiten<br />
auf der Seite, wann, wo, unter<br />
welcher Leitung. Auch ein Forum für<br />
Fragen. Sehr umfassend.<br />
Uniformen<br />
Vielleicht hat man ein Foto gefunden<br />
des Angehörigen in Uniform und will<br />
nun wissen, was das für eine Uniform<br />
ist. Uniformen von Wehrmacht<br />
und SS zum Beispiel hier [26] und<br />
hier [27] oder Dienstgradabezeichen<br />
hier [28].<br />
Oft ergiebig: Stadt- und Landesarchive<br />
Die Bundesländer haben eigene Archive,<br />
oft Staatsarchiv genannt. Sie<br />
bewahren die schriftliche Überlieferung<br />
der Landesbehörden und Landeseinrichtungen<br />
auf, oft auch der<br />
Kommunalbehörden (auch Gerichtsakten,<br />
historische Einwohnermeldekarteien,<br />
Personalbüro-Unterlagen,<br />
Dokumente der Entnazifizierungsstellen)<br />
Einzelne Staatsarchive bieten auch<br />
Vorträge oder Seminare an zur<br />
Erforschung der Familiengeschichte<br />
in der NS-Zeit. Besonders aktiv sind<br />
da Archive in Nordrhein-Westfalen<br />
(Landesarchiv NRW) sowie in<br />
Baden- Württemberg.<br />
Quellen für allgemeine Familienforschung<br />
Unter www.genealogienetz.de [29],<br />
einem Internetportal, das von einem<br />
gemeinnützigen Verein betrieben<br />
wird, findet man hilfreiche Hinweise<br />
zur Genealogieforschung allgemein.<br />
Praktisch sind zum Beispiel Vorlagen<br />
für Briefe an Behörden oder Kirchen.<br />
Unter dem Menüpunkt „Vereine“ findet<br />
man regionale Familienforschungsvereine<br />
[30]. Praktische<br />
Tipps auch hier [31]. Ebenfalls nützlich<br />
für Ahnenforschung diese Seite<br />
[32].<br />
Wie andere Kinder und Enkelkinder<br />
recherchiert haben<br />
(kleine Auswahl an Filmen +<br />
Büchern):<br />
- "Meine Familie, die Nazis und ich":<br />
eine sehr persönliche und bewegende<br />
Dokumentation (2012) von Regisseur<br />
Chanoch Ze'evi über die Kinder<br />
und EnkelInnen einiger der bekanntesten<br />
NS-Täter. Die interviewten<br />
Nachfahren von zum Beispiel Himmler,<br />
Göth, Hess, Göring haben sich<br />
diesem "Familienerbe" gestellt und<br />
dabei sehr unterschiedliche Weisen<br />
des Umgangs gefunden. Sehr zu<br />
empfehlen!<br />
U.a. hier ist der Film onlineanzusehen:<br />
http://www.youtube.com/watch?v=74<br />
FSS1FkgN4<br />
27
- Claudia Brunner, Uwe von Seltmann:<br />
„Schweigen die Täter, reden<br />
die Enkel“ (2006). Die dritte Generation<br />
recherchiert. Furchtlos, aber<br />
nicht unbeeindruckt. Uwe von Seltmann,<br />
Jahrgang 1964, muss erkennen,<br />
dass sein Großvater nicht nur<br />
der vergleichsweise harmlose<br />
Schreibtischtäter bei der Volksdeutschen<br />
Mittelstelle in Krakau war, für<br />
den er ihn bislang gehalten hat, sondern<br />
aktiv an der Niederschlagung<br />
des Warschauer Ghetto-Aufstandes<br />
1943 teilnahm. Claudia Brunner,<br />
Jahrgang 1972, die Großnichte von<br />
Alois Brunner, der rechten Hand<br />
Eichmanns, stellt sich den grausamen<br />
Fakten, die über ihren Großonkel<br />
zutage gefördert werden. Man<br />
erfährt einiges darüber, was solche<br />
Recherchen mit einem machen. Und<br />
beide machen die Erfahrung, dass,<br />
wenn sie zu reden beginnen, andere<br />
plötzlich auch zu sprechen anfangen<br />
bzw. wissen wollen, was ihre Großmütter<br />
und Großväter getan haben.<br />
Spannend.<br />
- Moritz Pfeiffer: Mein Großvater im<br />
Krieg 1939-1945. Erinnerung und<br />
Fakten im Vergleich (2012). Der junge<br />
Historiker Moritz Peiffer, Jahrgang<br />
1982, konnte seinen Großvater noch<br />
befragen. Der gab ihm bereitwillig<br />
Auskunft. Das Erinnerte vergleicht<br />
Pfeiffer mit der tatsächlichen Geschichte<br />
und der wissenschaftlichen<br />
Forschung. Pfeiffer stellt fest: Die<br />
Großeltern haben sich dem NS-<br />
Regime weit mehr verschrieben, als<br />
sie es heute sagen. Und: Sie haben<br />
sehr viel mehr gewusst, als sie heute<br />
behaupten. Pfeiffer referiert auch die<br />
aktuelle Forschung dazu, was die<br />
Deutschen tatsächlich gewusst haben,<br />
z.B. über die Judenvernichtung.<br />
Sehr interessant.<br />
- Wibke Bruhns: Meines Vaters Land<br />
(2004). Die Journalistin Wibke<br />
Bruhns, Jahrgang 1938, schreibt<br />
über ihren Vater, der offensichtlich<br />
überzeugter Nazi und zugleich Widerstandskämpfer<br />
war.<br />
- Uwe Timm: Am Beispiel meines<br />
Bruders (2003). Der Autor, Jahrgang<br />
1940, über seinen älteren Bruder,<br />
der als Mitglied der Waffen-SS am<br />
Zweiten Weltkrieg teilnahm und dort<br />
verbotenerweise Tagebuch über seine<br />
Erlebnisse führte.<br />
- Niklas Frank: Meine deutsche Mutter<br />
(2006). Sowie: Der Vater. Eine<br />
Abrechnung (1993). Der Autor, Jahrgang<br />
1939, rechnet voller Emotionen<br />
mit seiner Mutter und seinem Vater<br />
ab, dem einstigen Generalgouverneur<br />
von Polen und Hitlers Gefolgstreuem.<br />
Mit dem Buch unterm Arm<br />
reist Niklas Frank seit Jahren kreuz<br />
und quer durch Deutschland und<br />
liest daraus in Schulen vor. Trotzdem<br />
ist er kein verbitterter Typ, wie man<br />
den 2012 erschienenen Film "Meine<br />
Familie, die Nazis und ich" entnehmen<br />
kann: Da tollt er mit seinen Enkeln<br />
herum und nimmt gerührt das<br />
"Danke" seiner Tochter entgegen -<br />
sie bedankt sich bei ihm, dass er<br />
durch seine hartnäckige Aufarbeitung<br />
zwischen ihr und der NS-Zeit<br />
sozusagen einen Schutzwall aufgebaut<br />
hat.<br />
- Ute Scheub: Das falsche Leben:<br />
eine Vatersuche (2006). Die Autorin,<br />
Jahrgang 1955, recherchiert den<br />
Weg ihres Vaters, eines SS-Manns,<br />
Jahrzehnte nach dessen Suzid, anhand<br />
von Manuskripten und Feldpostbriefen.<br />
Porträt auch einer ganzen<br />
Männergeneration, die nicht<br />
über ihre Kriegserlebnisse geredet<br />
hat.<br />
- Alexandra Senfft: Schweigen tut<br />
weh. Eine deutsche Familiengeschichte<br />
(2008). Die Autorin (Jahrgang<br />
1961) ist die Enkelin von<br />
Hanns Ludin. Der war SA-Mann und<br />
Hitlers "Gesandter" in der Slowakei<br />
und in dieser Funktion verantwortlich<br />
für die Judendeportationen. 1947<br />
wurde er als Kriegsverbrecher hingerichtet.<br />
Zu Unrecht, heißt es über<br />
Jahrzehnte in der Familie, Hanns<br />
Ludin habe ja nicht gewusst, dass<br />
die Juden direkt zur Ermordung deportiert<br />
wurden. Das älteste von<br />
sechs Kindern, Tochter Erika, die<br />
Mutter der Autorin, war 14, als der<br />
Vater starb. Sie wurde zur Vertrauten<br />
von Ludins Witwe. Später schlingerte<br />
sie durchs Leben, überaus charmant<br />
und zugleich haltlos. Ein Buch<br />
darüber, wie Schweigen und Verleugnen<br />
die nachfolgende Generation<br />
fürs Leben geprägt hat.<br />
- Der jüngste Sohn von Hanns Ludin,<br />
nämlich Malte Ludin, hat ein paar<br />
Jahre vor diesem Buch, 2004, die<br />
Dokumentation "Zwei oder drei Dinge,<br />
die ich von ihm weiß" gedreht.<br />
Darin interviewt er vor allem die<br />
Schwestern und seine alte Mutter<br />
und zeigt, wie sie an der Legende<br />
des guten Vaters festhalten. Die Aufarbeitung<br />
der Schuld des Auswärtigen<br />
Amtes während der NS-Zeit begann<br />
damals erst. Der Film ist als<br />
DVD erhältlich, aber in seinen Einzelteilen<br />
auch auf youtube anzuschauen.<br />
Spannende Fachbücher<br />
- Harald Welzer, Sabine Moller, Karoline<br />
Tschuggnall: „Opa war kein Nazi“.<br />
Nationalsozialismus und Holocaust<br />
im Familiengedächtnis (2002).<br />
Das AutorInnenteam führt Interviews<br />
mit verschiedenen Generationen<br />
mehrerer Familien und stellt dabei<br />
fest: Die Erinnerung an den Holocaust<br />
hat im deutschen Familiengedächtnis<br />
keinen Platz. Historisches<br />
Wissen aus Schule und Zeitung wird<br />
nicht in Verbindung gebracht mit der<br />
eigenen Familie. Getrennte Welten.<br />
Die meisten nehmen einfach mal so<br />
an, dass ihre Vorfahren gegen die<br />
Nazis waren.<br />
- Jan Philipp Reemtsma: „Wie hätte<br />
ich mich verhalten und andere nicht<br />
nur deutsche Fragen“ (2001).<br />
Überaus kluger Aufsatz (der erste im<br />
Sammelband) über die Frage, ob<br />
man nur urteilen darf, wenn man<br />
dabei gewesen ist. Und ob das<br />
Misstrauen gegen sich selbst (Wäre<br />
ich stark genug gewesen?) zu einer<br />
Entschuldigung der Vorfahren führen<br />
muss.<br />
- Christian Hartmann: Unternehmen<br />
Barbarossa. Der deutsche Krieg im<br />
Osten 1941 - 1945 (2001). Der Autor,<br />
Historiker am Institut für Zeitge-<br />
28
schichte in München/Berlin, gibt im<br />
Taschenbuchformat einen Überblick<br />
über den Angriffskrieg gegen die<br />
Sowjetunion. Über Motive, Verläufe,<br />
Diskussionen, Verbrechen. Sehr<br />
nützlich zur Orientierung. Es gibt<br />
auch eine Langfassung dieser Arbeit.<br />
- Harald Welzer: TÄTER. Wie aus<br />
ganz normalen Menschen Massenmörder<br />
werden. (2005) Über den<br />
Holocaust ist viel geschrieben<br />
worden, aber die wichtigste Frage,<br />
ist bis heute nicht beantwortet: Wie<br />
waren all die "ganz normalen<br />
Männer", die gutmütigen Familienväter<br />
und harmlosen Durchschnittsmenschen<br />
imstande, massenhaft<br />
Menschen zu töten? Der Sozialforscher<br />
Welzer untersucht Taten aus<br />
dem Holocaust und anderen<br />
Genoziden und zeigt, wie das Töten<br />
innerhalb weniger Wochen zu einer<br />
Arbeit werden kann, die erledigt wird<br />
wie jede andere auch. Und dass<br />
man sich dafür entscheidet. Ein<br />
intellektuell und emotional aufregendes<br />
Buch.<br />
- Peter Longerich: „Davon haben wir<br />
nichts gewusst!“ Die Deutschen und<br />
die Judenverfolgung 1933 - 1945.<br />
(2006) Was genau haben die BürgerInnen<br />
im Dritten Reich gewusst?<br />
Wie diskutierten sie darüber? Die<br />
Ausgrenzung und später Ermordung<br />
der Juden vollzog sich nicht fern der<br />
Öffentlichkeit. Aber nach anfänglichen<br />
Diskussionen machte sich Desinteresse<br />
an ihrem Schicksal breit.<br />
- Christopher Browning: Ganz normale<br />
Männer: Das Reserve-<br />
Polizeibataillon 101 und die "Endlösung"<br />
in Polen. (1998) Opa war Polizist.<br />
So viel weiß man in den meisten<br />
Familien. Und denkt dann gern:<br />
Er hat den Verkehr geregelt und<br />
Diebstähle aufgeklärt. Was normale<br />
Berufstätige halt so tun. Christopher<br />
Browning hat sich ein Polizeibataillon<br />
mal genauer angeschaut. Sein<br />
Buch schlug ziemlich Wellen. Denn<br />
diese ganz normalen Polizisten waren<br />
an Massenmorden beteiligt (Erschießungen<br />
von Juden in Polen).<br />
Und sie konnten sich entscheiden,<br />
ob sie da mitmachen wollen. Man<br />
bot ihnen an, sonst einen anderen<br />
Job zu übernehmen. Nur 12 von etwa<br />
500 sagten dann: Hier, ich, ich<br />
will was anderes machen.<br />
- Daniel Jonah Goldhagen: „Hitlers<br />
willige Vollstrecker. Ganz gewöhnliche<br />
Deutsche und der Holocaust“.<br />
(1996) Eines der ersten Bücher, die<br />
den Scheinwerfer auf die „kleinen“<br />
Täter richteten. Eine Fallstudie darüber,<br />
wie es möglich war, dass sich so<br />
viele ganz normale Deutsche am<br />
Holocaust beteiligt haben. Das Buch<br />
wurde heftig diskutiert. Manche warfen<br />
Goldhagen eine gewisse Einseitigkeit<br />
vor sowie den staatsanwaltschaftlichen<br />
Ton.<br />
Links<br />
[1]https://chrismon.evangelisch.de/rubriken/hi<br />
ntergrund<br />
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5479<br />
[10]https://chrismon.evangelisch.de/print/1547<br />
9<br />
[11] http://www.suetterlinstube.org<br />
[12] http://www.wikipedia.de<br />
[13] http://www.hbz-nrw.de/recherche/digibib<br />
[14] http://archivrecherchehaas.neuerplan.org<br />
[15]http://www.bundesarchiv.de/benutzung/rec<br />
herchedienste/index.html.de<br />
[16] http://www.bstu.bund.de<br />
[17] http://www.dd-wast.de<br />
[18] http://www.historicum.net/de/lehren lernen/archiveinfuehrung/einleitung<br />
[19]http://archivrecherchehaas.neuerplan.org/<br />
wp content/uploads/2008/12/PDF-2.-WK.pdf<br />
[20] http://www.lexikon-derwehrmacht.de/Suche.htm<br />
[21]http://www.bundesarchiv.de/benutzung/zei<br />
tbezug/nationalsozialismus/index.html.de#top<br />
[22]http://www.bundesarchiv.de/benutzung/sa<br />
chbezug/personenbezogen_genealogie/index.html.<br />
de<br />
[23]http://www.bundesarchiv.de/bundesarchiv/<br />
dienstorte/freiburg/index.html.de<br />
[24]http://www.bundesarchiv.de/imperia/md/co<br />
ntent/abteilungen/abtma/liste_recherchedienst<br />
e__juni_2012_.pdf<br />
[25] http://www.lexikon-der-wehrmacht.de<br />
[26] http://wdienstgrade.tripod.com<br />
[27] http://www.lexikon-der wehrmacht.de/Uniformen/Gliederung.htm<br />
[28] http://www.lexikon-der- wehrmacht.de/Soldat/Dienstgradabzeichen.htm<br />
[29] http://www.genealogienetz.de<br />
[30] http://wikide.genealogy.net/Portal:Vereine<br />
[31] http://wikide.genealogy.net/Portal:Praktische_Hilfe<br />
[32] http://ahnenforschung.net/wissen<br />
[33]http://chrismon.evangelisch.de/artikel/201<br />
2/finde-haika-15339<br />
Veröffentlicht auf Chrismon,<br />
Okt. 2012<br />
(https://chrismon.evangelisch.de)<br />
29
Kein Platz für Judenchristen - das Ende naht - 1935<br />
von Jurek Schulz<br />
In der aufkommenden Diktatur<br />
wurde durch die NSDAP alles<br />
Judenchristliche nach und nach<br />
vernichtet.<br />
Erst heute wieder, im Jahre 2006,<br />
konnte durch die neu entstandene<br />
messianische Bewegung in Deutschland<br />
an manch Vergangenes<br />
angeknüpft werden kann, das<br />
vormals so radikal vernichtet wurde.<br />
Nachdem am 15. September 1935<br />
die „Nürnberger Gesetze" zum<br />
Schutz des deutschen Blutes und<br />
der Ehre erlassen wurden, folgte am<br />
18. Oktober 1935 das Gesetz zum<br />
Schutz der Erbgesundheit des<br />
deutschen Volkes.<br />
Am 14. November 1935 wird die<br />
Verordnung zum Reichsbürgergesetz<br />
erlassen, welche die<br />
offizielle Definition, wer ein Jude<br />
ist, formuliert.<br />
Jeder, der zwei jüdische Großeltern<br />
hat und der jüdischen Religionsgemeinschaft<br />
angehört oder jeder, der<br />
drei oder mehr jüdische Großeltern<br />
hat, ist Jude.<br />
Ebenso wird der Begriff „Mischling"<br />
definiert. Schon vorher ist am<br />
07.04.1933 die Einführung des<br />
Arierparagraphen für das Berufsbeamtentum<br />
eingeführt worden.<br />
Dadurch ist die Evangelische Kirche,<br />
durch das Gesetz über die Rechtsverhältnisse<br />
der Geistlichen und<br />
Kirchenträger, den Beamten gleichgestellt<br />
worden. Das betraf bis zu<br />
rund 500.000 Menschen in der<br />
Kirche, die keinen einwandfreien<br />
Ariernachweis liefern konnten.<br />
Unmittelbar danach beginnen ab<br />
dem 15. November 1935 die<br />
deutschen Kirchen mit den Nationalsozialisten<br />
zusammenzuarbeiten.<br />
Sie stellten Verzeichnisse ihrer<br />
Gemeindeglieder zur Verfügung,<br />
damit geprüft werden konnte, wer<br />
Deutscher im Sinne des Arierparagraphen<br />
ist und wer nicht.<br />
Am 08.05.1936 werden die Namen<br />
aller nicht-arischen Pastoren der<br />
Reichskirche erfasst und in den<br />
folgenden Jahren die Pastoren<br />
entlassen. Ernst Klee spricht von<br />
ca. 200 Pastoren jüdischer Abstammung.<br />
Wiederum müssen wir davon<br />
ausgehen, dass ca. 72.000 Mischlinge<br />
des ersten Grades und 39.000<br />
Personen des zweiten Grades<br />
erfasst wurden.<br />
In einem Artikel der „ZEIT"<br />
(44/2001) wird festgestellt, dass im<br />
kirchlichen Bereich in Berlin exakt<br />
2.612 getaufte Christen jüdischer<br />
Abstammung vorhanden waren,<br />
deren Ariernachweise zum Teil bis<br />
zum Jahre 1874 zurückverfolgt<br />
wurden. So wurde nach und nach in<br />
allen Städten und Dörfern durch die<br />
Hilfe der Kirchen dieser inhumane<br />
Arierparagraph umgesetzt. Durch<br />
die Hilfe der Kirche ist es der<br />
NSDAP erst gelungen, dass die<br />
Nicht-Arier identifiziert wurden,<br />
wovon die meisten später umkamen.<br />
Zuvor ist im Juli 1933 der „Reichsverband<br />
christlich-deutscher<br />
Staatsbürger nicht-arischer oder<br />
nicht rein arischer Abstammung" als<br />
eine Selbsthilfeorganisation gegründet<br />
worden. Diese Arbeit ist später<br />
in den Paulus-Bund übergegangen<br />
und hat nach den Nürnberger<br />
Gesetzen ihre Mitglieder unter<br />
Juden und Mischlingen eingeteilt.<br />
Die religiös orientierten Juden<br />
wurden ausgeschlossen. Diese<br />
umfassten 5.400 Personen, die eine<br />
national-konservative Gesinnung<br />
hatten und das Judentum an sich<br />
ablehnten. Die meisten gehörten<br />
der höheren Bildungsschicht an.<br />
Auch der „Reichsverband der nichtarischen<br />
Christen" Ende 1934 und<br />
der Paulus-Bund als „Vereinigung<br />
nicht-arischer Christen von 1936<br />
wurden beide im Kriegsjahr 1939<br />
verboten und aufgelöst.<br />
Die Anzahl der im gesamten<br />
Reichsgebiet geschätzten Christen<br />
nicht-arischer Herkunft liegt bei<br />
mindestens 160.700 Personen, so<br />
der Forscher Aleksandar-Sasa<br />
Vuletic.<br />
Nach den endgültigen Beschlüssen<br />
der „Wannseekonferenz" am<br />
20.01.1942 sollten insgesamt rund<br />
11 Millionen Juden in den Reichsgebieten<br />
und den besetzten Ländern<br />
sterben. Als 1945 der zweite<br />
Weltkrieg zu Ende ging, sind 56<br />
Millionen Menschen insgesamt<br />
gestorben, davon sechs Millionen<br />
Juden und mit ihnen eine rund<br />
zweihundertjährige Geschichte des<br />
Judenchristentums, das es so in<br />
dieser Form mit Juden westeuropäischer<br />
Kultur nie wieder geben wird.<br />
Letzte Zeugnisse eines Judenchristen<br />
aus dem KZ Theresienstadt<br />
Dr. Arthur Goldschmidt<br />
Bis 1933 war er Obergerichtsrat in<br />
Hamburg, danach durch die<br />
Nürnberger Gesetze als Jude, da<br />
seine Großeltern Juden waren, vom<br />
Beruf ausgeschlossen. Am 20. Juli<br />
1942 wurde er zusammen mit<br />
anderen Hamburger Juden nach<br />
Theresienstadt deportiert. In seinem<br />
Gepäck befand sich ein Evangelium,<br />
das er zu lesen begann, obwohl<br />
er selbst eigentlich kein Kirchgänger<br />
war.<br />
Inmitten dieser Hölle begann er<br />
zusammen mit anderen Juden das<br />
Evangelium auf dem Dachboden<br />
heimlich zu lesen. Sie begannen<br />
sich sonntags zu treffen, es sprach<br />
32
sich herum, so dass die kleine<br />
Gemeinde wuchs. Nun musste er<br />
durch die Lagerverwaltung eine<br />
offizielle Genehmigung für die<br />
Versammlungen einholen. Durch die<br />
Vermittlung der jüdischen Lagerältesten<br />
bekam er dann von der<br />
Lagerverwaltung die Erlaubnis zur<br />
Abhaltung evangelischer Gottesdienste.<br />
Mit ca.150 regelmäßigen Besuchern<br />
wurde der Gottesdienst jeden<br />
Sonntag durchgeführt. Im Laufe der<br />
Zeit erfassten sie bis Ende 1943 ca.<br />
800 Menschen, darunter Gläubige<br />
aller Konfessionen. Durch die<br />
ständigen Zu- u. Abtransporte und<br />
die hohe Sterblichkeit kann er die<br />
genaue Anzahl der Besucher nicht<br />
mehr nennen. Da er selbst kein<br />
Geistlicher war, berief er sich auf<br />
Artikel 67 der Schmalkaldischen<br />
Artikel, worin es heißt: „ … denn wo<br />
die Kirche ist, da ist immer der<br />
Befehl, das Evangelium zu predigen.<br />
Darum müssen die Kirchen<br />
Gewalt haben, ihre Kirchendiener<br />
selbst zu wählen und zu ordinieren."<br />
Er setzte sich gleichzeitig für die<br />
katholischen Christen jüdischer<br />
Abstammung ein. Von den ca.<br />
40.000 Ghettoinsassen sind rund<br />
4.000 Christen beider Konfessionen,<br />
die bis zum Juni 1945, sofern<br />
sie überlebten, durch Arthur<br />
Goldschmidt ermutigt worden sind,<br />
auf Gott zu schauen. Er ist später<br />
nach Reinbek bei Hamburg gezogen.<br />
Viele haben durch ihn die Kraft<br />
des Evangeliums erfahren.<br />
Quelle: Jurek Schulz, Hamburg, 06.09.2006<br />
„Die Entwicklung und das Ende des<br />
Judenchristentums in Deutschland unter<br />
besonderer Berücksichtigung der<br />
Entwicklung des rabbinischen Judentums"<br />
Bußbekenntnis -<br />
eine Handreichung für die Gemeinden<br />
Schämend in tiefer Reue kommen<br />
wir vor Dich, allmächtiger und<br />
barmherziger Gott Israels.<br />
Wir bekennen uns zu der großen<br />
Schuld und dem schweren Unrecht,<br />
die/ das von (unserer/der/den<br />
Kirchen) durch die Jahrhunderte am<br />
jüdischen Volk begangen worden<br />
ist/sind.<br />
Wir bekennen, dass wir und unsere<br />
Vorfahren unserem älteren Bruder<br />
Israel oft mit Vorurteilen und Feindschaft<br />
begegnet sind.<br />
Statt die zu lieben, die Gott in Seiner<br />
Liebe erwählt hat.<br />
Im Lauf der Jahrhunderte sind Juden<br />
immer wieder von Christen als<br />
Gottesmörder diffamiert worden. Die<br />
falsche theologische Lehre, Gott<br />
habe den Bund mit Israel beendet/<br />
aufgehoben, wirkt immer noch in der<br />
Verkündigung weiter, obwohl die<br />
Bibel eindeutig das Gegenteil stetig<br />
bezeugt. (z.B. Römerbrief, Kap.9-11)<br />
Israel ist der Brunnenvergiftung und<br />
der Ritualmorde bezichtigt worden,<br />
wurde und wird entehrt, entrechtet,<br />
„Sproß“ M. Pagendarm<br />
verfolgt und geächtet. Die grausame<br />
Ermordung von 6 Millionen Juden in<br />
der Schoah liegt wie eine schwarze<br />
Wolke noch heute über uns.<br />
Darum wollen wir umkehren -<br />
umdenken (Buße tun) und flehen zu<br />
DIR, dem allmächtigen Gott:<br />
Sei uns bitte gnädig und vergib uns,<br />
was wir und unsere Vorfahren<br />
Deinem auserwählten Eigentumsvolk<br />
angetan haben.<br />
Wir entscheiden uns heute, jeglichem<br />
Antisemitismus entgegenzutreten<br />
und bitten dafür um Deine Hilfe.<br />
Wir setzen uns dafür ein, dass<br />
Deinem Volk Israel in Zukunft in der<br />
Kirche Jesu Christi die Achtung und<br />
Zuwendung entgegengebracht<br />
werden, die ihm aufgrund Deiner<br />
bleibenden Erwählung zusteht.<br />
So erflehen wir Deinen Segen auf<br />
Dein Bundesvolk, das Land Israel<br />
und auch für diejenigen, die in der<br />
Zerstreuung und gerade auch in<br />
unserem Land leben.<br />
Amen<br />
33
Eine alte tiefe Wunde<br />
von Benjamin Berger<br />
Hier nun der offene Brief von<br />
Benjamin Berger, Jerusalem:<br />
„Entfernt die Wittenberger<br />
Judensau"<br />
„Das Bildnis der Judensau ist ganz<br />
klar eine Schande, ein furchtbarer<br />
Fleck. Wir sind dankbar, dass unsere<br />
Flecken und Sünden vergeben werden,<br />
wenn wir sie bekennen und<br />
über sie trauern. Wenn wir im Vertrauen<br />
auf die Kraft des Blutes zum<br />
Kreuz kommen, damit uns vergeben<br />
wird und wir gereinigt und befreit werden<br />
von aller Befleckung der Sünde.<br />
Dieses Judensau-Relief macht nicht<br />
nur eine furchtbare antisemitische<br />
visuelle Aussage. Es ist nicht bloß<br />
eine Beleidigung des jüdischen<br />
Volkes und ein Stolperstein für<br />
Juden, weil es für sie viele Erinnerungen<br />
ihres Leidens in dem<br />
„christlichen" Land in dem sie lebten,<br />
dem heutigen Deutschland, zurückbringt.<br />
Es war auch ein Instrument,<br />
um die Gedankenwelt von zahllosen<br />
Christen im Hinblick darauf, wie sie<br />
über Juden denken sollten, zu<br />
vergiften. Die Folgen dieser<br />
Verhetzung waren katastrophal und<br />
bereiteten den Boden für den<br />
Schrecken des Holocaust.<br />
Die Judensau ist auch eine Diffamierung<br />
der Person unseres Herrn<br />
Yeshua (hebräisch für Jesus) – er ist<br />
der Heilige und Unbefleckte, der<br />
Satan, Sünde und Tod überwand.<br />
Schließlich ist dieses Relief auch<br />
eine Schändung des Gebäudes, das<br />
das Haus Gottes repräsentiert. Der<br />
heilige Name Gottes wird mit einem<br />
unreinen Schwein in Verbindung<br />
gebracht, für Juden das Symbol<br />
der Unreinheit. Es gibt nur eine<br />
Lösung: die vollständige<br />
Entfernung dieses boshaften<br />
Symbols. Das würde Reue<br />
beweisen, dass die schändliche<br />
Geschichte der Kirche Jesu<br />
Christi gegenüber der jüdischen<br />
Nation wirklich bedauert wird.<br />
Das Beste wäre es also, dieses<br />
Relief zu zerstören. Es sollte<br />
wie das goldene Kalb, das<br />
Mose zu Pulver mahlte,<br />
vollständig vernichtet werden, damit<br />
kein Überrest davon erhalten bleibt.<br />
Die einzige Alternative bestünde<br />
darin, das Relief in ein Museum<br />
umzusiedeln, verbunden mit<br />
einem klaren Bekenntnis der Reue<br />
und Scham über der fürchterlichen<br />
Skulptur.<br />
Gott ist der große, gerechte und<br />
heilige Richter, der aber auch voller<br />
Zorn ist, wenn Umkehr verweigert<br />
wird. Angesichts des Jahres 2017<br />
sind seine Augen ganz besonders<br />
auf Deutschland gerichtet. Deutschland<br />
befindet sich im Tal der Entscheidung<br />
– welche Entscheidung<br />
wird die Kirche, welche die Reformation<br />
und das deutsche Volk repräsentiert,<br />
treffen? Was wird die Kirche<br />
letztlich machen?“<br />
von Benjamin Berger, Jerusalem<br />
(übersetzt von Franz Rathmair)<br />
„Es ist hier zu Wittenberg an unserer<br />
Pfarrkirchen eine Sau in Stein<br />
gehauen, da liegen junge Ferkel und<br />
Juden drunter, die saugen. Hinter<br />
der Sau stehet ein Rabbiner, der<br />
hebt der Sau das rechte Bein empor,<br />
und mit seiner linken Hand zeucht er<br />
den Pürzel über sich, bückt und<br />
kuckt mit großem Fleiß der Sau<br />
unter dem Bürzel in den Talmud<br />
hinein, als wollt er etwas Scharfes<br />
und Sonderliches lesen und ersehen.<br />
Daselbsther haben sie gewißlich<br />
ihr Schem Hamphoras. Denn es<br />
sind vorzeiten sehr viele Juden in<br />
diesen Landen gewesen. ...“<br />
Im Folgenden ein Beispiel von vielen:<br />
Mahnwachen mit Pfarrer Thomas<br />
Piehler (Pavillon der Hoffnung,<br />
Leipzig) und Schwester Joela Krüger<br />
(Evangelische Marienschwesternschaft,<br />
Darmstadt). Die Initiatoren<br />
sind überzeugt, dass im Jahr des<br />
Reformationsjubiläums die Zeit<br />
gekommen ist, ein deutliches<br />
Zeichen gegen den neu aufflammenden<br />
Antisemitismus in<br />
Deutschland zu setzen.<br />
„Wir rufen die Verantwortlichen auf,<br />
das Schmährelief Judensau von der<br />
Kirche zu entfernen und in ein<br />
Museum gegen Antisemitismus zu<br />
integrieren. Luthers Antisemitismus<br />
sollte nicht länger „in Stein gehauen"<br />
bleiben. Die Evangelische Kirche in<br />
Deutschland trägt eine besondere<br />
Verantwortung, Antisemitismus in<br />
jeglicher Form entschieden entgegen<br />
zu treten.“<br />
Das Festhalten an der dargestellten<br />
Judensau wäre ein tragisches<br />
Fehlsignal an die Gesellschaft und<br />
für unsere jüdischen Mitbürger.<br />
Schwester Joela Krüger schreibt:<br />
„Martin Luthers späte Schriften<br />
gehören zum Beleidigendsten und<br />
Verletzendsten, was jemals von<br />
einem anerkannten christlichen<br />
Theologen Juden gegenüber<br />
geäußert wurde. Angesichts des neu<br />
aufflammenden Antisemitismus in<br />
der Gegenwart sind die Verantwortlichen<br />
gerufen, ein unübersehbares<br />
Zeichen der Achtung und Freundschaft<br />
gegenüber jüdischer Religion<br />
und Kultur zu setzen.<br />
Die Welt schaut 2017 nach Wittenberg.<br />
Weltweit würde dieses Signal<br />
(Abnahme der Judensau) im<br />
Jubiläumsjahr zur Reformation<br />
wahrgenommen und verstanden: Nie<br />
wieder Antisemitismus und Judenhass!“<br />
34
Antisemitismus - Die Angst der Juden in Deutschland wächst<br />
Christian Unger, Hamburger Abendblatt, 29. 11. 2017<br />
Jüdischer Friedhof in Berlin-Weißensee:<br />
Unbekannte haben ein Grab geschändet, an<br />
dem ein Davidstern hängt.<br />
Foto: dpa/PA/Eventpress Hoensch<br />
Mehr Menschen werden Zielscheibe<br />
von Antisemitismus. Vorurteile<br />
und Hetze kommen von Neonazis,<br />
auch von jungen Muslimen – und<br />
zunehmend aus der Mitte der Gesellschaft.<br />
BERLIN. Eine Meldung von Anfang<br />
November: Eine Schülerin aus<br />
Dresden erhält einen Preis für<br />
Zivilcourage. Sie hatte einen<br />
Mitschüler angezeigt, weil er und<br />
andere Witze über den Holocaust<br />
gemacht oder den Hitlergruß gezeigt<br />
haben sollen. Die Ermittlungen<br />
gegen den Jungen wurden eingestellt.<br />
Dafür prangt das Foto des<br />
Mädchens schon bald auf Facebook,<br />
in Kommentaren wird sie als "Denunziantin"<br />
und als "indoktriniert"<br />
beschimpft.<br />
Am 9. November, Gedenktag an die<br />
Reichspogromnacht der Nationalsozialisten,<br />
stehlen mutmaßlich<br />
Rechtsextremisten an mehreren Orten<br />
in Deutschland Stolpersteine aus<br />
den Gehwegen, die an ermordete<br />
Juden erinnern.<br />
Sommer 2014: Eine Pro Palästinakundgebung<br />
im Ruhrgebiet eskaliert.<br />
Demonstranten rufen: "Hamas, Hamas,<br />
Juden ins Gas." Im Frühjahr<br />
2017 verlässt ein jüdischer Junge<br />
seine Berliner Schule, nachdem Mitschüler<br />
aus türkischen und arabischen<br />
Familien ihn bedrohten. Die<br />
Schulleitung steht in der Kritik. Sie<br />
habe weggeschaut. Und dann urteilt<br />
ein Frankfurter Gericht, dass eine<br />
kuwaitische Fluglinie rechtens handelt,<br />
wenn sie Israelis die Mitreise<br />
verweigert. Die Klage eines israelischen<br />
Passagiers lehnen die Richter<br />
ab, da der kuwaitische Staat die Mitnahme<br />
von israelischen Fluggästen<br />
verbiete. Daran müsse sich die Airline<br />
halten, befindet das Gericht. Auch<br />
in der Bundesrepublik.<br />
681 antisemitische Straftaten registrierte<br />
die Polizei im ersten Halbjahr<br />
2017. Vier Prozent mehr als in den<br />
ersten sechs Monaten im Vorjahr.<br />
Doch die Dunkelziffer dürfte viel höher<br />
liegen. So zählte die Rechercheund<br />
Informationsstelle Antisemitismus<br />
(RIAS) in 2016 allein für Berlin<br />
496 Vorfälle. "Noch immer werden<br />
mangels Vertrauen in die Sicherheitsbehörden<br />
zahlreiche antisemitische<br />
Attacken nicht angezeigt", sagt<br />
Deidre Berger, Direktorin des American<br />
Jewish Committee (AJC)<br />
in Berlin.<br />
Lila Postkarten kleben an der Wand.<br />
"Mir wurde gesagt, ich provoziere,<br />
wenn ich mich als Jude zu erkennen<br />
gebe", steht dort in weißer Schrift.<br />
Oder: "Es kommt häufig vor, dass<br />
mir Handlungen der israelischen Regierung<br />
persönlich vorgeworfen werden."<br />
Und: "Ich möchte die Chance<br />
haben, offen über Alltagsantisemitismus<br />
zu sprechen, ohne diskreditiert<br />
zu werden." Jüdischer Alltag, gedruckt<br />
auf Papier, 10 mal 15 Zentimeter.<br />
Es sind Aussagen junger Studierender,<br />
die aus jüdischen Familien<br />
kommen. Sie berichten von ihrem<br />
Leben in Deutschland. Von den<br />
Sprüchen und der Hetze, die sie in<br />
der S-Bahn, im Büro, auf Facebook<br />
hören und lesen. Manche erzählen<br />
auch von Gewalt. "Doch häufig sagt<br />
dann niemand etwas, niemand<br />
schreitet ein. Es mangelt an Solidarität<br />
mit Menschen, die Opfer von<br />
Antisemitismus geworden sind", sagt<br />
Marina Chernivsky. In ihrem Büro<br />
hängen die Postkarten. Chernivsky<br />
und ihre Mitarbeiter von der Zentralwohlfahrtsstelle<br />
der Juden in<br />
Deutschland beraten Menschen, die<br />
Hetze oder auch Gewalt erleben. Sie<br />
haben die Studenten interviewt, sie<br />
hören die Geschichten von Eltern<br />
und deren Kindern, denen Antisemitismus<br />
etwa auf dem Schulhof<br />
entgegenschlägt.<br />
Menschen wie Chernivsky sagen,<br />
dass Deutschland viel und intensiv<br />
über Antisemitismus debattiert. Häufig<br />
geht es dabei um Definitionen:<br />
Wo hört Kritik an der israelischen<br />
Regierung auf, wo beginnt Judenhass?<br />
Oft geht es um die Vergangenheit<br />
und die NS-Zeit. Viel Theorie,<br />
viel Historie. Dabei würden sich<br />
Angriffe im Alltag "immer offener und<br />
hemmungsloser" zeigen, sagt Chernivsky.<br />
Nur: Wer nicht Jude sei, bekomme<br />
davon wenig mit. Andere dagegen<br />
direkt am eigenen Leib. "Das<br />
Gefühl der Unsicherheit in der 'jüdischen<br />
Gemeinde wächst seit Jahren",<br />
sagt Berger vom AJC. Auch<br />
weil Terroranschläge zunehmen,<br />
nicht selten gezielt gegen Juden, so<br />
wie in Paris, Brüssel oder<br />
Kopenhagen.<br />
Jeremy Issacharoff sei "beeindruckt<br />
von der Entschlossenheit, mit der die<br />
Entscheidungsträger in Deutschland<br />
gegen jegliche antisemitische Angriffe<br />
und Erscheinungen vorgehen",<br />
sagt er dieser Redaktion. Seit August<br />
ist Issacharoff Israels neuer Botschafter.<br />
Doch er sagt auch: "Natürlich<br />
beobachten wir mit größter Sorge<br />
den wachsenden Antisemitismus<br />
in der deutschen Gesellschaft und in<br />
Europa." Antisemitismus und Israelhass<br />
gehören noch immer zur DNA<br />
der rechtsextremen Ideologie. Neonazis<br />
seien "der politische Hauptträger<br />
der Judenfeindschaft", hält eine<br />
unabhängige Kommission des Bundestags<br />
fest. Ein Ziel der Rechten:<br />
Die "moralische Last des Holocaust"<br />
müsse überwunden werden - der<br />
"Schuldabwehr- Antisemitismus".<br />
Das färbt ab.<br />
Nach Ansicht von Benjamin Steinitz,<br />
vom RIAS gebe es in Deutschland<br />
35
heute eine größere Selbstverständlichkeit,<br />
die Verbrechen der Nazis zu<br />
relativieren oder zu leugnen. Brandbeschleuniger<br />
dieses Antisemitismus<br />
seien auch Politiker der AfD. Der baden-württembergische<br />
Landtagsabgeordnete<br />
Wolfgang Gedeon machte<br />
in seinen umstrittenen Publikationen<br />
das Judentum als "inneren" und den<br />
Islam als "äußeren" Feind des<br />
"christlichen Abendlandes" aus. Der<br />
Thüringer AfD-Fraktionschef Björn<br />
Höcke forderte eine "erinnerungspolitische<br />
Wende um 180 Grad".<br />
Von rechts schallen die radikalen<br />
Töne - in der Mitte der Gesellschaft<br />
stoßen sie auf Widerhall. Eine Studie<br />
der Bertelsmann-Stiftung gibt an,<br />
dass 81 Prozent der Deutschen die<br />
Geschichte der Judenverfolgung<br />
"hinter sich lassen" möchten. 58<br />
Prozent wollen definitiv einen<br />
"Schlussstrich" ziehen. Eine Folge<br />
dieser Schuldabwehr ist eine<br />
übersteigerte Israelkritik, ein zunehmender<br />
Antizionismus. Israel mache<br />
"Profit vom Holocaust-Gedenken",<br />
heißt es. Israel wolle mit dem "Krieg<br />
in Gaza" die Palästinenser<br />
„auslöschen".<br />
Teilweise sei eine Gleichsetzung Israels<br />
mit dem NS-Regime zu sehen,<br />
hält eine nun erschienene Analyse<br />
im Auftrag des hessischen Verfassungsschutzes<br />
fest. Die Autorin untersuchte<br />
7.000 Kommentare von<br />
Nutzern auf Facebook, Twitter, Youtube<br />
und Medienportalen im Internet.<br />
Die eigene Geschichte abschließen<br />
dadurch, dass man die Juden und<br />
Israel diskreditiert und zu Tätern<br />
macht - so entledige man sich als<br />
Deutscher der "unliebsamen Gefühle",<br />
die viele mit den Morden des<br />
NS-Staates verbinden, sagen Experten<br />
wie Chernivsky. In den Straftaten<br />
gegen jüdische Menschen und Einrichtungen<br />
geht es um Körperverletzung<br />
und Sachbeschädigung, um<br />
Drohungen und Propagandadelikte<br />
wie Hakenkreuz-Schmierereien. Laut<br />
Polizei sind 93 Prozent der Täter extreme<br />
Rechte. Doch daran haben<br />
Experten Zweifel. So rechnet die Polizei<br />
einen Schriftzug ,,Juden raus"<br />
automatisch der rechten Szene zu,<br />
sofern nicht explizit ein anderer Absender<br />
genannt ist.<br />
„Das Gefühl der Unsicherheit in<br />
der jüdischen Gemeinde wächst<br />
seit Jahren.“<br />
Deidre Berger, Direktorin des<br />
American Jewish Committee (AJC)<br />
in Berlin<br />
Zu wenig zeige sich in diesen Angaben<br />
der Sicherheitsbehörden, dass<br />
immer mehr Menschen aus muslimischen<br />
Familien gegen Juden wettern,<br />
kritisieren Experten. Jüdische<br />
Gemeinden würden sich "besonders<br />
besorgt" über Antisemitismus aus<br />
dieser Richtung zeigen, sagt Berger<br />
vom AJC. Der Zuzug Hunderttausender<br />
Flüchtlinge vor allem aus Ländern<br />
wie Syrien, in denen der Antisemitismus<br />
Staatsdoktrin sei, verschärfe<br />
dieses "Gefühl der Unsicherheit",<br />
so Berger.<br />
Wie stark Geflüchtete antisemitisch<br />
eingestellt sind, ist kaum bekannt.<br />
Es fehlen Studien und Statistiken.<br />
Seit 2016 erfasst die Polizei Straftaten<br />
dieser Gruppe. In dem Jahr registrierten<br />
die Beamten zwölf<br />
antisemitische Delikte, bei denen der<br />
Tatverdächtige ein Asylbewerber<br />
war.<br />
Die Kriege in Staaten wie Syrien<br />
oder Irak, der Konflikt zwischen<br />
Israel und den Palästinensern, der<br />
Machtkampf zwischen Iran und<br />
Saudi-Arabien - all das rückt den<br />
Nahen Osten in den Fokus der<br />
deutschen Öffentlichkeit. Und damit<br />
auch die Verschwörungstheorien, die<br />
behaupten, Israel habe die Terrororganisationen<br />
Hamas und "Islamischer<br />
Staat" selbst erschaffen.<br />
Laut der Studie des Verfassungsschutzes<br />
haben die untersuchten<br />
antisemitischen Kommentare zum<br />
Nahost-Konflikt etwa zur Hälfte Muslime<br />
als Absender. Nur zehn Prozent<br />
sind demnach der rechtsextremen<br />
Szene zuzurechnen. "Es kommt vor,<br />
dass Gewalt gegen jüdische Jugendliche<br />
durch den Konflikt legitimiert<br />
wird", sagt Chernivsky von der Beratungsstelle.<br />
Die Krisen in Nahost, sie<br />
wirken auch auf deutsche Klassenzimmer.<br />
Das AJC startete eine Umfrage an<br />
21 Berliner Schulen. Ein Ergebnis:<br />
"Du Jude" ist ein weitverbreitetes<br />
Schimpfwort - oft, aber nicht nur bei<br />
jungen Muslimen. Manchmal wurde<br />
Israel von Schülern aus den Atlanten<br />
gekritzelt und der Staat in den Schulbüchern<br />
auf ein "kriegsführendes<br />
Land" reduziert. Die Lehrkräfte seien<br />
zudem meist überfordert, den Schülern<br />
den Konflikt in Nahost unverkürzt<br />
beizubringen. Der Zentralrat<br />
der Muslime warnt vor "Entlastungsdebatte",<br />
Aiman Mazyek, der Vorsitzende<br />
des Zentralrats der Muslime<br />
(ZMD), sagt, dass er die Sorgen der<br />
Juden in Deutschland vor Übergriffen<br />
etwa von Flüchtlingen aus arabischen<br />
Diktaturen teile, die "zum Teil<br />
leider antijüdisch" sozialisiert seien.<br />
"Andererseits warnen wir vor einer<br />
Entlastungsdebatte." Schon seit Jahren<br />
würden viele Muslime mit jüdischen<br />
Gemeinden eng zusammenarbeiten,<br />
es gebe zahlreiche Projekte,<br />
die Jugendliche über radikale<br />
Ideologien aufklären sollen.<br />
Doch auch Mazyek weiß, dass immer<br />
wieder Kritik an einzelnen muslimischen<br />
Verbänden aufkommt, sie<br />
würden sich nicht klar genug von<br />
judenfeindlichen Parolen ihrer Mitglieder<br />
distanzieren.<br />
Mazyek sagt: "Antisemitismus ist im<br />
Islam eine große Sünde. Aus unserer<br />
Religion erwächst der Aufruf, sich<br />
nicht über Menschen oder einen anderen<br />
Glauben herabzulassen."<br />
Doch es gehe nicht nur um Religion,<br />
sondern auch um Bildung. Das Wissen<br />
etwa um die Geschichte des<br />
Nationalsozialismus nehme ab, stellt<br />
das AJC fest.<br />
Vier von zehn Schülern wissen demnach<br />
nicht, dass Auschwitz ein Konzentrationslager<br />
war. Der Holocaust<br />
verblasst. Gerade arbeite Mazyek<br />
deshalb an einem Projekt. Er möchte<br />
nach Auschwitz reisen, das Lager<br />
besuchen. Mit dabei: junge Flüchtlinge<br />
aus Syrien.<br />
36
Israel Verheißungen erfüllen sich<br />
Die Erfüllung prophetischer Aussagen in unseren Tagen<br />
Rabbiner Dr. Arthur Falk, (jüdisch-orthodox) Bene-Berak, Israel<br />
Collage, R. Weiss<br />
Ein Stufengesang. Wenn der HERR<br />
die Zurückkehrenden Zions zurückbringt,<br />
da wird es sein, als wenn wir<br />
vorher davon geträumt hätten (nämlich<br />
während all der Jahrhunderte<br />
des Galuths).<br />
Da wird unser Mund voll Lachens<br />
sein und unsere Zunge voll JubeIns.<br />
Da werden unter den Nationen Menschen<br />
sprechen: Großes hat der<br />
HERR an diesen getan!<br />
Ja, Großes hat der HERR an uns<br />
getan! (sagen dann nachher auch<br />
die Juden). Darum waren wir so froh.<br />
Psalm 126, 1-3<br />
Neu ist jedoch auch für uns, was hier<br />
über die Nationen gesagt ist. Dazu<br />
möchte ich bemerken, dass die<br />
wörtliche übersetzung des Textes,<br />
wie Sie sie in Ihren Bibeln finden:<br />
"Man sagt unter den Nationen"<br />
irreführend ist, weil der Sinn nicht ist,<br />
daß die Nationen untereinander so<br />
sprechen, sondern daß es unter den<br />
Nationen - d. h. innerhalb derselben<br />
- viele oder einige geben wird, die<br />
sprechen, d. h. verkünden werden:<br />
"Großes hat der HERR an den<br />
Juden getan."<br />
Wie steht es nun mit dieser Voraussage?<br />
Hat sie sich schon erfüllt, oder<br />
haben wir ihre Erfüllung erst noch in<br />
der Zukunft zu erwarten? Nun, ich<br />
bin mir ganz sicher, wie die richtige<br />
Antwort darauf lautet: Sie selber, meine<br />
lieben christlichen Israel-Freunde,<br />
sind es, deren Erscheinen in unserer<br />
Zeit hier vorausgesagt ist. Sie sind ja<br />
die einzigen unter "den Nationen",<br />
die verkünden, daß "der HERR es<br />
war, der Großes an uns getan" und<br />
die große Wende im Schicksal des<br />
jüdischen Volkes herbeigeführt hat.<br />
Daß Ihr Erscheinen in unserer Zeit -<br />
trotz der entgegenstehenden Dogmen<br />
der christlichen Kirchen - hier<br />
vorausgesagt ist, ist für mich ein weiterer<br />
eklatanter Beweis dafür, daß<br />
wir es hier in den drei ersten Versen<br />
dieses Psalms mit göttlich inspirierter<br />
Prophetie zu tun haben.<br />
Diese Worte des Psalms 126, in denen<br />
vor Tausenden von Jahren Ihr<br />
Erscheinen in unserer Zeit vorausgesagt<br />
wurde, ist Ihr Adelsbrief, meine<br />
lieben christlichen Israel-Freunde.<br />
Das kann Ihnen auch eine Richtschnur<br />
abgeben, wo Ihre Hauptaufgabe<br />
liegt. Sie nennen sich Freunde<br />
Israels und bemühen sich, uns zu<br />
zeigen, daß wir auch Freunde in der<br />
Welt haben, nicht bloß Feinde, deren<br />
Menge ist wie Sand am Meer. Das<br />
ist gewiß sehr lieb von Ihnen und<br />
sehr anerkennenswert. Aber das sollte<br />
für Sie, denke ich, nicht die Hauptsache<br />
sein. Denn, wie wir durch den<br />
Propheten Hesekiel wissen, nicht um<br />
Israels Schicksal handelt es sich in<br />
erster Linie bei den Geschehnissen<br />
unserer Zeit, sondern um das<br />
Schicksal des großen heiligen<br />
N a m e n s G o t t e s, dem in unserer<br />
"modernen" Welt so wenig Achtung<br />
gezollt wird und der nach der<br />
Absicht des Höchsten "durch das<br />
Haus Israel wieder geheiligt werden<br />
soll vor den Augen der Nationen".<br />
Mehr als ein Viertel-Jahrhundert ist<br />
bereits verstrichen, ohne daß das<br />
Haus Israel auch nur begonnen hätte,<br />
diese ihm vom Höchsten zugewiesene<br />
Aufgabe zu erfüllen, und,<br />
wie wir wissen, können wir auch<br />
nicht erwarten, daß es in der nahen<br />
Zukunft geschehen wird; vielmehr<br />
wird Gottes Absicht erst durch die<br />
nachfolgende Generation erfüllt werden.<br />
Aber der Höchste wollte anscheinend<br />
nicht, daß so lange Zeit nichts<br />
zur Wiederherstellung der Heiligkeit<br />
Seines großen Namens geschehe,<br />
darum hat Er "unter den Nationen<br />
Menschen" bestimmt - eben Sie, meine<br />
lieben Israel-Freunde - die in die<br />
Lücke treten und der Welt vor Augen<br />
und zu Gemüte führen sollen, wie<br />
großartig das ist, was der HERR -<br />
und nur der HERR allein - in unsern<br />
Tagen an Israel getan hat. Ihnen ist<br />
die Aufgabe zugedacht - und das ist<br />
ein großer Vorzug -, mit diesem großen<br />
Verkündigungs-Feldzug Wiederherstellung<br />
der Heiligkeit des göttlichen<br />
Namens den Anfang zu machen,<br />
noch ehe von jüdischer Seite<br />
damit begonnen wird, - das ist aus<br />
der Voraussage von Psalm 126 klar<br />
zu ersehen. Ich glaube und hoffe,<br />
daß es Ihnen gelingen wird, es dahin<br />
zu bringen, daß "alles Fleisch" (d. h.<br />
alles, was nicht allzu sehr "verknöchert"<br />
ist in der Unreligiosität des<br />
"modernen" Geistes)<br />
"zusammen einsehen wird, daß<br />
der Mund des HERRN einst<br />
gesprochen hat" -<br />
nämlich durch den Mund der Propheten,<br />
als diese vor Tausenden von<br />
Jahren dem jüdischen vorausverkündeten,<br />
was in unsern Tagen vor unser<br />
aller Augen Wirklichkeit ist.<br />
Quelle:<br />
Begegnung auf dem Ölberg, Paulus Paperback<br />
Band 8, Auszug eines Referates auf<br />
"Woche der Begegnung unter dem prophetischen<br />
Wort", Aug. 1975<br />
37
Premierminister Netanyahu in Brüssel<br />
11. Dezember 2017<br />
Premierminister Benjamin Netanyahu<br />
ist am Montag im Europäischen<br />
Rat in Brüssel durch die Hohe Vertreterin<br />
der EU für Außen- und Sicherheitspolitik<br />
Federica Mohgerini<br />
empfangen worden.<br />
Netanyahu erklärte: „Ich danke Ihnen<br />
für diese Einladung, Federica,<br />
und auch der Regierung von Litauen.<br />
Es ist ein Vergnügen, hier zu<br />
sein. Europa und Israel sind wichtige<br />
Partner auf drei wichtigen Gebieten:<br />
Sicherheit, Wohlstand, Frieden. Auf<br />
dem Gebiet der Sicherheit haben<br />
israelische Geheimdienste Dutzende<br />
Terroranschläge verhindert, viele von<br />
denen auf europäischem Boden, und<br />
ich denke, dass unzählige Leben im<br />
Ergebnis gerettet wurden, wie den<br />
Sicherheitsdiensten vieler europäischer<br />
Regierungen wohl bekannt ist.<br />
Wir werden dies als Teil unseres gemeinsamen<br />
Kampfes gegen den Terrorismus<br />
fortsetzen. Ebenso denke<br />
ich, dass das größte Problem, vor<br />
dem Europa steht, der Strom von<br />
Menschen ist, die den kriegsgebeutelten<br />
Gebieten im Nahen Osten entfliehen.<br />
Und der Nahe Osten ist bedroht,<br />
sowohl durch den sogenannten<br />
Islamischen Staat, den sunnitischen<br />
militanten Islam und den schiitischen<br />
militanten Islam, der durch<br />
Iran angeführt wird. Israel ist die<br />
stärkste Macht im Nahen Osten, die<br />
die Ausbreitung des militanten Islam<br />
verhindert, was nicht nur Anschläge<br />
des IS in Europa verhindert, sondern<br />
auch den Kollaps vieler Teile des Nahen<br />
Ostens verhindert, die an Israel<br />
angrenzen, die sonst durch diese<br />
militanten Islamisten übernommen<br />
würden, die so viele, viele, viele Millionen<br />
nach Europa bringen. Wir tun<br />
also viel, um uns zu schützen, doch<br />
während wir das tun, glaube ich,<br />
dass Israel auch eine sehr wichtige<br />
Sicherheitsfunktion für die Menschen<br />
in Europa erfüllt, auf Wegen, die<br />
nicht immer verstanden werden,<br />
doch durch die relevanten Regierungen<br />
zunehmend geschätzt werden.<br />
Der zweite Punkt ist der Wohlstand.<br />
Wir befinden uns in einer Revolution,<br />
einer großen Revolution in der Welt.<br />
Die Zukunft gehört denen, die innovativ<br />
sind. Vor zehn Jahren waren<br />
die zehn führenden Unternehmen<br />
der Welt fünf Energiekonzerne und<br />
ein IT-Unternehmen. Im kurzen Zeitraum<br />
einer Dekade hat sich das vollständig<br />
gedreht – fünf IT-<br />
Unternehmen sind jetzt in den Top<br />
Ten, ein Energiekonzern ist noch<br />
übrig, der vom ersten Platz auf den<br />
Goldenes Tor, Jerusalem<br />
fünften abgestiegen ist. Die Revolution<br />
ist Big Data, künstliche Intelligenz,<br />
Konnektivität – das Netz.<br />
Neue Industrien entstehen aus dem<br />
Nichts. Israel hat nun eine Autoindustrie.<br />
Hatte es nie. Europa hat viele<br />
Autoindustrien. Unsere Autoindustrie<br />
erhält zig Milliarden US-Dollar an<br />
Investment, vor wenigen Monaten<br />
allein 15 Milliarden, als Intel eine israelische<br />
Firma für autonomes Fahren<br />
gekauft hat. Wir hatten dies<br />
nicht. Wir haben 500 Startups nur für<br />
autonomes Fahren und Waze und<br />
Crowdsourcing, die wichtig sind, die<br />
das Antlitz des Transports verändern.<br />
Ich werde Ihnen ein Beispiel<br />
geben.<br />
Digitale Gesundheit – ein weiteres<br />
Beispiel, das in Israel entwickelt<br />
wird; precision farming, IT, Cyber –<br />
Israel hat jetzt 20% der weltweiten<br />
privaten Investments in Cybersicherheit<br />
erhalten. Können wir ohne Cybersicherheit<br />
leben? Könnten Sie<br />
Ihre Bankkonten, Ihre Stromnetze,<br />
Ihre zivile Luftfahrt, Ihre Autos in der<br />
Zukunft beschützen? Sie benötigen<br />
Cybersicherheit; Israel ist ein Partner<br />
der Welt. Daher ist die Partnerschaft<br />
zwischen Israel und Europa unverzichtbar;<br />
meiner Meinung nach ist<br />
sie es nicht nur für uns – was sie offensichtlich<br />
ist, sonst wäre ich ja<br />
nicht hier – sondern auch für Europa.<br />
Und viele, viele Länder weltweit<br />
verstehen, dass Israel der Partner<br />
für Innovation ist. Und Innovation<br />
ist die Zukunft. Dies<br />
ist der zweite Punkt.<br />
Wir haben übrigens auch<br />
Erdgas entdeckt, und wir<br />
haben erst jüngst eine Absichtserklärung<br />
mit einigen<br />
europäischen Ländern unterzeichnet:<br />
mit Zypern,<br />
Griechenland und Italien,<br />
Sie kennen sie vielleicht.<br />
Wir klären gerade die Möglichkeit<br />
für die Verlegung<br />
einer Gasleitung von unseren<br />
Offshore-Gasfeldern<br />
nach Italien. Dies wäre, denke ich,<br />
sehr wichtig für die europäische Wirtschaft.<br />
Innovation, Energie und alles<br />
andere, ich glaube, wir sind natürliche<br />
Partner.<br />
Dies ist Frieden. Israel hat seit 100<br />
Jahren unseren palästinensischen<br />
Nachbarn die Hand zum Frieden ausgestreckt,<br />
auch, bereits bevor und<br />
auch nach der Staatsgründung. Und<br />
seit 50 Jahren, bevor es auch nur<br />
eine einzige Siedlung oder ein einziges<br />
territoriales [Konflikt]thema gab,<br />
werden wir konstant angegriffen.<br />
Wir wurden nicht wegen dieses oder<br />
jenes Stückes Land angegriffen, sondern<br />
wegen der Idee eines jeden<br />
Territoriums, dass es einen jüdischen<br />
Staat geben würde, einen Nationalstaat<br />
für das jüdische Volk in<br />
jeglichen Grenzen, diese Idee wurde<br />
von unseren Nachbarn zurückgewiesen.<br />
Dies hat zu dem Konflikt geführt,<br />
und dies ist es, was den<br />
38
Konflikt weiterbestehen lässt. Sie<br />
sehen dies unglücklicherweise in der<br />
fortgesetzten Leugnung der Palästinenser<br />
des Existenzrechts Israels<br />
als jüdischer Staat und der Leugnung<br />
unserer Geschichte. Jerusalem<br />
ist seit 3.000 Jahren die Hauptstadt<br />
des jüdischen Volkes, von der Zeit,<br />
als es durch König David gegründet<br />
wurde, was in der Geschichte der<br />
Bibel sehr gut dokumentiert ist und<br />
danach, als Juden in den Ghettos<br />
von Europa gewispert haben ‚Nächstes<br />
Jahr in Jerusalem, nächstes Jahr<br />
in Jerusalem.‘ Wir haben diese Verbindung<br />
niemals verloren. Doch diese<br />
Verbindung wird geleugnet, in<br />
UN-Foren, in der UNESCO, in lachhaften<br />
Resolutionen, die danach<br />
trachten, die Geschichte zu leugnen<br />
und die historische Wahrheit. Jerusalem<br />
ist seit 70 Jahren die Hauptstadt<br />
Israels. Ich denke, was [US-<br />
]Präsident Trump getan hat, ist, die<br />
Fakten auf den Tisch zu legen. Frieden<br />
basiert auf der Realität. Frieden<br />
basiert auf der Anerkennung der Realität,<br />
und ich denke, die Tatsache,<br />
dass Jerusalem Israels Hauptstadt<br />
ist, ist für Sie alle, die Israel besuchen,<br />
offensichtlich, die sehen, wo<br />
unser Parlament, unsere Knesset<br />
steht, wo der Sitz unserer Regierung<br />
ist, mein Amtssitz, wo der Präsident<br />
sein Amt hat, das Oberste Gericht.<br />
Jerusalem ist die Hauptstadt Israels.<br />
Niemand kann das leugnen. Dies ist<br />
kein Hindernis für den Frieden, es<br />
ermöglicht den Frieden, weil die Anerkennung<br />
der Realität die Substanz<br />
für den Frieden ist, die Grundlage<br />
dafür.<br />
Es gibt nun Bemühungen, eine neue<br />
Friedensinitiative der US-Regierung<br />
voranzubringen. Ich denke, wir sollten<br />
dem Frieden eine Chance geben.<br />
Ich denke, wir sollten sehen,<br />
was dort vorgestellt wird und sehen,<br />
wie wir diesen Frieden voranbringen<br />
können. Doch wenn wir es anfangen<br />
sollten, würde ich sagen, gibt es eine<br />
Sache: erkennen Sie den jüdischen<br />
Staat an. Es ging immer um den jüdischen<br />
Staat. Und es ist an der Zeit,<br />
dass die Palästinenser den jüdischen<br />
Staat anerkennen und auch<br />
die Tatsache anerkennen, dass er<br />
eine Hauptstadt hat. Sie heißt Jerusalem.<br />
Ich glaube, dass obwohl wir<br />
noch kein Abkommen haben, es das<br />
ist, was in der Zukunft geschehen<br />
wird. Ich glaube, dass alle oder doch<br />
die meisten europäischen Ländern<br />
ihre Botschaften nach Jerusalem<br />
umsiedeln, Jerusalem als israelische<br />
Hauptstadt anerkennen und sich mit<br />
uns gemeinsam für Sicherheit, Wohlstand<br />
und Frieden einsetzen werden.<br />
Ich danke Ihnen für die Gelegenheit,<br />
diese Ansichten vorzustellen, ich bin<br />
sicher, es wird zu einer engagierten<br />
Diskussion mit den Außenministern<br />
kommen. Es ist eine wertvolle, eine<br />
wichtige Gelegenheit. Europa ist<br />
wichtig, darum bin ich hier.“<br />
(Amt des Premierministers,<br />
11.12.17)<br />
Mossab Youssefs Rede<br />
der Sohn eines Hamas-Gründers spricht vor dem UN-Menschenrechtsrat. Erklärung von UN-Watch<br />
an der 36. Sitzung des U.N. Menschenrechtsrates,<br />
von Mosab Hassan Yousef.<br />
Danke, Herr Präsident.<br />
Ich ergreife das Wort im Auftrag von<br />
UN-Watch Mein Name ist Mosab<br />
Hassan Yousef. Ich bin in Ramallah<br />
als Mitglied der Hamas aufgewachsen.<br />
Ich richte meine Worte an die<br />
Palästinensische Autonomiebehörde,<br />
die behauptet, der „alleinige<br />
legitime Vertreter“ des palästinensischen<br />
Volkes zu sein. Ich frage Sie:<br />
Woher kommt Ihre Legitimität? Das<br />
palästinensische Volk hat euch nicht<br />
gewählt, und sie haben euch nicht<br />
beauftragt, sie zu vertreten. Ihr habt<br />
euch selbst ernannt. Eure Verantwortlichkeit<br />
richtet sich nicht an eure<br />
eigenen Leute. Dies wird durch eure<br />
totale Verletzung ihrer Menschenrechte<br />
belegt.<br />
Tatsächlich ist das palästinensische<br />
Individuum und deren menschliche<br />
Entwicklung das geringste eurer Anliegen.<br />
Ihr entführt palästinensische Studenten<br />
vom Campus und foltert sie in<br />
euren Gefängnissen. Ihr foltert eure<br />
politischen Gegner. Das Leiden des<br />
palästinensischen Volkes ist das Ergebnis<br />
eurer egoistischen politischen<br />
Interessen. Ihr seid der grösste<br />
Feind des palästinensischen Volkes.<br />
Wenn Israel nicht existieren würde,<br />
gäbe es niemanden, dem ihr die<br />
Schuld geben könntet. Übernehmt<br />
Verantwortung für das Ergebnis eurer<br />
eigenen Handlungen.<br />
Ihr facht die Flammen des Konflikts<br />
an, um eure missbräuchliche Macht<br />
zu erhalten. Schlussendlich benutzt<br />
ihr diese Plattform, um die internationale<br />
Gemeinschaft und die palästinensische<br />
Gesellschaft zu täuschen,<br />
damit sie glauben, dass Israel für die<br />
Probleme verantwortlich ist, die ihr<br />
verursacht.<br />
Vielen Dank.<br />
http://www.audiaturonline.ch/2017/09/28/sohn-eines-hamas<br />
gruenders-spricht-vordemun-menschenrechtsrat/<br />
39
Die Obsession der UNO gegen Israel<br />
Von Redaktion Audiatur -<br />
17. Mai 2017<br />
Unter Generalsekretär Kurt<br />
Waldheim, einem früheren Nazi,<br />
verabschiedeten die Vereinten<br />
Nationen 1975 die berüchtigte<br />
Resolution 3379, „Zionismus ist<br />
eine Form des Rassismus“.<br />
Der UN-Menschenrechtsrat<br />
(UNHRC) kam am 20. März erneut<br />
zusammen, um über den „Tagesordnungspunkt<br />
7“ zu diskutieren.<br />
Dieser ist seit Juni 2006 ein<br />
unabdingliches Diskussionsthema<br />
und hat ausschliesslich zum<br />
Ziel, die israelische Demokratie<br />
systematisch für angebliche<br />
Verbrechen zu verurteilen, deren<br />
Existenz noch nie nachgewiesen<br />
werden konnten.<br />
von Pierre Rehov<br />
Die Agenda – die offiziell erarbeitet<br />
wurde, um unter Berücksichtigung<br />
der von der Fatah, der PLO und<br />
verschiedenen NGOs eingereichten<br />
Berichte die humanitäre Situation in<br />
den Palästinensergebieten zu<br />
beurteilen – ist Teil einer größeren<br />
Kampagne, die von Ländern wie<br />
Libyen, Algerien, Kuwait, Saudi-<br />
Arabien, Irak, Sudan und Jemen<br />
durchgeführt wird. Israel ist somit<br />
das einzige Land der Welt, das das<br />
zweifelhafte Privileg genießt, am<br />
wenigsten an seinen Taten gemessen<br />
zu werden – anhand einer<br />
Agenda, die von seinen Feinden<br />
erstellt wurde.<br />
Wenn es nur darum ginge die<br />
Besessenheit zum Ausdruck zu<br />
bringen – die der alten Gewohnheit<br />
von arabisch-muslimischen<br />
Diktaturen entspringt, den jüdischen<br />
Staat zu ihrem Sündenbock<br />
zu machen, der für alle Schicksalsschläge<br />
verantwortlich ist die sie<br />
heimsuchen, wäre Tagesordnungspunkt<br />
7 nur eine Kuriosität. Zumal<br />
die Sitzung regelmäßig von einer<br />
Mehrheit der westlichen Länder<br />
und systematisch von den Vereinigten<br />
Staaten boykottiert wird.<br />
Leider hat sich diese Israel-Phobie<br />
in den Vereinten Nationen verbreitet.<br />
Als Israel im Jahr 1948, kurz<br />
nachdem das Land von nahezu<br />
allen westlichen Demokratien<br />
offiziell als souveräner Staat<br />
anerkannt worden war, gerade die<br />
völkermörderischen Aggressionen<br />
von fünf Nachbarländern abgewehrt<br />
hatte und Tausende Juden<br />
vor der Unterdrückung durch<br />
arabische Diktaturen flohen, rief<br />
die UN die UNRWA ins Leben, eine<br />
Organisation, die ausschließlich<br />
palästinensischen Flüchtlingen<br />
hilft. Und das, obwohl es bereits<br />
ein UN-Flüchtlingsprogramm gab:<br />
das Hohe Flüchtlingskommissariat<br />
der Vereinten Nationen (UNHCR).<br />
Das Mandat des UNRWA (Hilfswerk<br />
der Vereinten Nationen für Palästina-<br />
Flüchtlinge im Nahen Osten,<br />
englisch United Nations Relief and<br />
Works Agency for Palestine Refugees<br />
in the Near East) galt ursprünglich<br />
für ein Jahr. Siebzig Jahre später<br />
ist aus der Organisation ein verschwenderisches<br />
UN-Arbeitsprogramm<br />
mit einem Budget von fast<br />
einer Milliarde Dollar geworden, das<br />
weiterhin in den Palästinensergebieten<br />
und den Nachbarstaaten tätig ist.<br />
Aus einem Teil des Budgets werden<br />
die Löhne und Rentenfonds von<br />
25.000 bis 27.000 Mitarbeitern<br />
bezahlt (darunter viele Mitglieder der<br />
Hamas). Ausserdem finanziert das<br />
Programm Schulen in Vororten oder<br />
Städten, die als „Lager“ bezeichnet<br />
werden, in denen die Nachkommen<br />
der Nachkommen der „Flüchtlinge“<br />
fälschlicherweise lernen, dass Tel<br />
Aviv und Haifa einst ihnen gehörten<br />
und an sie zurückgegeben werden<br />
sollten, und wo der Mythos eines<br />
unmöglichen „Rückkehrrechts“<br />
immer neue Generationen von<br />
Palästinensern zu Geiseln macht<br />
und den Hass gegen Israel und die<br />
Juden schürt.<br />
Said Aburish, einer von Yasser<br />
Arafats Biografen und ehemaliger<br />
Berater von Saddam Hussein,<br />
berichtete diesem Autor:<br />
Um die Verpflegung durch das<br />
UNRWA sicherzustellen, gewöhnten<br />
sich die Palästinenser an, ihre Toten<br />
nachts zu beerdigen. So starb<br />
niemand in den Flüchtlingslagern –<br />
außer es war möglich, Israel dafür<br />
verantwortlich zu machen. Infolgedessen<br />
wurden die Flüchtlingszahlen<br />
stets verfälscht, und zwar mit<br />
passiver Mithilfe des UNRWA, da<br />
dessen jährliches Budget von der<br />
Anzahl der Seelen abhängt, für die<br />
es verantwortlich ist.“<br />
Es ist kein Geheimnis, dass die UN<br />
Israel in weniger als 70 Jahren<br />
häufiger verurteilt hat, als alle<br />
anderen Staaten der Welt zusammen<br />
– einschliesslich derer, die der<br />
Sklaverei, Massenexekutionen, des<br />
Völkermords und jeder anderen<br />
vorstellbaren Menschenrechtsverletzung<br />
für schuldig befunden wurden.<br />
In einem Ausmass also, dass es fast<br />
klingt wie ein Witz.<br />
Es ist es Wert sich daran zu<br />
erinnern, dass Israel zwischen 1981<br />
und 1986 ein Rahmenprogramm zur<br />
Resozialisierung von arabischen<br />
Flüchtlingen in Gaza ins Leben rief.<br />
Die einzige Antwort der vom Fatah-<br />
Vorsitzenden Yasser Arafat unter<br />
40
Druck gesetzten UN war, den<br />
hebräischen Staat für seine Initiative<br />
zu verurteilen und jede ihrer Resolutionen<br />
mit dem gleichen Befehl zu<br />
beenden: „Bringt die Flüchtlinge<br />
zurück in die Camps.“<br />
Man muss auch nicht bis ins Jahr<br />
1975 zurückblicken, um sich an die<br />
berüchtigte UN-Resolution 3379<br />
„Zionismus ist eine Form des<br />
Rassismus“ zu erinnern. Sie wurde<br />
unter dem Generalsekretär und<br />
früheren Nazi Kurt Waldheim<br />
erlassen – eine Woche, nachdem<br />
man dem brutalen Gewaltherrscher<br />
Ugandas, Idi Amin, einen triumphalen<br />
Empfang im UN-Hauptquartier<br />
bereitet hatte.<br />
Es reicht hingegen, nur auf die<br />
Generalversammlung vom 21.<br />
Dezember 2016 zu verweisen, um<br />
festzustellen, dass Israel wieder<br />
einmal 20-fach verurteilt wurde,<br />
während all die tragischen Vorkommnisse<br />
auf diesem Planeten –<br />
Massaker in Syrien, Drohungen<br />
durch Nordkorea, die Krim- Krise<br />
und die schlechte Behandlung von<br />
Frauen und Minderheiten in Iran und<br />
Saudi-Arabien – fast schon widerwillig<br />
mit lediglich einem halben<br />
Dutzend Resolutionen sanktioniert<br />
wurden.<br />
Die Liste der Ungerechtigkeiten, die<br />
dem jüdischen Staat durch eine<br />
Organisation zugefügt wurden, die<br />
eigentlich den Weltfrieden wahren<br />
soll – und die de Gaulle verächtlich<br />
als „le machin“ („das Ding“) bezeichnete<br />
– ist so lang, dass man damit<br />
problemlos mehrere Bände einer<br />
Enzyklopädie füllen könnte.<br />
Nichts hat jedoch auf der internationalen<br />
Bühne so viel Aufsehen erregt<br />
oder so viel Ablehnung hervorgerufen<br />
wie die Resolution der UNESCO<br />
vom 26. Oktober 2016, gefolgt von<br />
einem ähnlichen Text am 29. April<br />
2017 – dem Tag, an dem Israel den<br />
69. Jahrestag seiner Unabhängigkeit<br />
feierte.<br />
Dieser von Algerien, Ägypten,<br />
Libanon, Marokko, Oman, Katar und<br />
Sudan vorgelegte und von der<br />
automatischen arabischen Mehrheit<br />
ratifizierte Text, der von der Enthaltung<br />
fast aller europäischer Staaten<br />
– einschliesslich Frankreichs –<br />
profitierte, beinhaltete eine neue und<br />
überraschende Umschreibung der<br />
Geschichte. Darin wurde jegliche<br />
Verbindung zwischen dem Judentum<br />
und dem Jerusalemer Tempelberg,<br />
einschliesslich der Klagemauer,<br />
geleugnet, und die Stätten wurden<br />
ausschliesslich bei ihren arabischen<br />
Namen genannt: Haram Al Sharif<br />
und Al-Buraq-Mauer. Die Leugnung<br />
der Tatsachen in dieser Resolution<br />
veranlasste den neuen Generalsekretär<br />
der UNESCO Antonio Guterres<br />
dazu, ihr zu widersprechen. Er<br />
forderte die Palästinensische<br />
Autonomiebehörde dazu auf, die<br />
Resolution zurückziehen und eine<br />
Entschuldigung zu veröffentlichen.<br />
Es mag empörend wirken, dass der<br />
hebräische Staat systematisch ins<br />
Visier genommen wird, doch das<br />
UN-Rahmenwerk macht es möglich.<br />
Zunächst einmal sind da die Zusammensetzung<br />
der Vereinten Nationen,<br />
die aus einem Übergewicht an<br />
antidemokratischen Mitgliedern<br />
besteht und sich den Herausforderungen<br />
des islamistischen Terrors<br />
einerseits und dem Druckmittel Erdöl<br />
andererseits gegenüber sieht.<br />
Und zum Zweiten – warum sollte<br />
sich die UNESCO, deren vorgegebene<br />
Aufgabe eigentlich genau darin<br />
besteht, die Geschichte und den<br />
Frieden zu bewahren, an einer Farce<br />
beteiligen, die streng genommen zu<br />
dem Schluss kommen würde, dass<br />
Jesus sechs Jahrhunderte vor der<br />
Entstehung des Islam, die Händler<br />
von der „Esplanade der Moscheen“<br />
(aus dem Tempelbezirk) verjagte?<br />
Im religiösen Kontext gesehen, ist<br />
Jerusalem – vor allem die Altstadt<br />
und der Tempelberg – für die drei<br />
monotheistischen Religionen ein<br />
heiliger Ort. Als sich dieser Bereich<br />
nach der illegalen Einnahme im Jahr<br />
1948 bis zur Befreiung durch Israel<br />
im Jahr 1967 in jordanischem Besitz<br />
befand, wurden alle Juden aus dem<br />
von Jordanien kontrollierten Teil der<br />
Stadt vertrieben, ihr Hab und Gut<br />
wurde ihnen weggenommen und<br />
ihre heiligen Stätten wurden<br />
geschändet. Laut dem für die Waqf<br />
(die für die heiligen islamischen<br />
Stätten in Jerusalem verantwortliche<br />
muslimische Organisation) zuständigen<br />
Dr. Yussuf Natshe und dem<br />
Scheich Omar Awadallah Kiswani,<br />
Leiter der Al-Aqsa-Moschee, dürfen<br />
diese Orte nicht geteilt werden: „Sie<br />
gehören von Ewigkeit her dem<br />
Islam, Gott und die UNESCO<br />
wünschen es so.“ (Äußerungen<br />
wurden vom Verfasser gesammelt.)<br />
Das Ziel der von der muslimischen<br />
Welt unterstützten Palästinenser<br />
wäre, den Namen der Al-Aqsa-<br />
Moschee auf den gesamten Haram<br />
Al Sharif (Tempelberg) zu übertragen,<br />
damit Nicht-Juden, wie in<br />
Mekka und Medina in Saudi-Arabien,<br />
der Zutritt verwehrt würde. Warum<br />
enthielt sich Frankreich der Abstimmung<br />
am 26. Oktober 2016 und<br />
bezüglich eines ähnlichen Texts am<br />
29. April 2017 und wurde dadurch in<br />
dieser Sache zu einem Komplizen?<br />
Das gehörte zu einem größeren<br />
Programm. Der damalige US-<br />
Präsident Barack Hussein Obama<br />
hatte die Haltung der USA gegenüber<br />
der Muslimbrüderschaft und<br />
dem Iran neu kalibriert. Im Kern von<br />
Obamas Credo schienen die<br />
berühmten israelischen „Siedlungen“<br />
das absolute Böse zu verkörpern,<br />
während der internationale Terrorismus<br />
– einschliesslich des palästinensischen<br />
Terrors – unter keinen<br />
Umständen aus den Auswüchsen<br />
einer Religion hervorgehen könnte<br />
die als Religion der Liebe und des<br />
Friedens beschrieben wird.<br />
Diese Position – ob rational oder<br />
nicht – könnte von vielen auch als<br />
allmählicher Rückzug der Vereinigten<br />
Staaten aus einem todgeweihten<br />
Friedensprozess betrachtet werden,<br />
der 2014 unter Federführung von<br />
US-Aussenminister John Kerry zum<br />
zigsten Mal gescheitert war. Vielleicht<br />
hielt die französische Regierung<br />
unter François Hollande es für<br />
eine gute Gelegenheit, Frankreich<br />
41
wieder an der Frontlinie der internationalen<br />
Diplomatie zu positionieren,<br />
indem sie Dolche in das Herz des<br />
israelisch-arabischen Konflikts stieß.<br />
Daraus entstand der Plan, eine<br />
internationale Konferenz in Paris<br />
abzuhalten – von der man die<br />
Hauptakteure, Israel und die<br />
Palästinenser, jedoch ausschloss.<br />
(Man muss sich fragen, was Frankreich<br />
gesagt hätte, wenn sich andere<br />
Staaten ohne die Franzosen<br />
versammelt hätten, um über die<br />
Zukunft von Paris zu entscheiden.)<br />
In der von de Gaulle im Jahr 1967<br />
eingeführten und von den nachfolgenden<br />
französischen Regierungen<br />
beibehaltenen Arabien-Politik ging<br />
es nicht darum, den jüdischen Staat<br />
am Leben zu halten, obwohl er<br />
offiziell noch immer Israel genannt<br />
wurde. Die neue US-Regierung<br />
unter Präsident Donald J. Trump und<br />
die US-Botschafterin bei den<br />
Vereinten Nationen, Nikki Haley,<br />
brachten die amerikanische Position<br />
(und im weiteren Sinne auch die<br />
Europas und Frankreichs) in einem<br />
Konflikt, der viel zu lange unter einer<br />
wie bereits beschriebenen Doppelmoral<br />
gelitten hatte, wieder ins<br />
Gleichgewicht.<br />
Warum sollten die Palästinenser<br />
auch nur das kleinste Zugeständnis<br />
machen, wenn ihnen die internationale<br />
Gemeinschaft einen Staat<br />
kostenfrei auf dem Silbertablett<br />
serviert?<br />
Bassem Eid, ein palästinensischer<br />
Menschenrechtsaktivist und politischer<br />
Berater, sieht es wie folgt:<br />
„Die Palästinensische Autonomiebehörde<br />
ist wie eine Oppositionspartei.<br />
Es genügt ihr, Israel zu kritisieren<br />
und zu beschuldigen. Sie muss<br />
nichts anderes tun oder beweisen,<br />
um die volle Unterstützung und all<br />
das Geld zu bekommen, das sie<br />
braucht. Und während Frankreich<br />
und Europa Mahmoud Abbas mit<br />
Orden auszeichnen, leidet das<br />
palästinensische Volk weiterhin unter<br />
seiner Diktatur.“<br />
Leider enthielt sich Frankreich am<br />
29. April erneut seiner Stimme bei<br />
der UNESCO.<br />
Es ist jetzt an der Zeit, dass Frankreich<br />
und die Europäische Union<br />
begreifen, dass sie – wenn sie auch<br />
nur einen Funken der Glaubwürdigkeit<br />
bewahren wollen, die sie als<br />
Mitwirkende an einem wie immer<br />
gearteten Friedensprozess noch<br />
besitzen – aufhören sollten, Israel zu<br />
dämonisieren, während sie gleichzeitig<br />
allen Forderungen von<br />
Mahmoud Abbas‘ Palästinensischer<br />
Autonomiebehörde nachgeben.<br />
Dazu gehört auch der Einsatz von<br />
Terror, Terrordrohungen und Zahlungen<br />
für den Terrorismus. All diese<br />
Forderungen werden mit dem<br />
Einverständnis einer Organisation<br />
gemacht, die die Palästinenser<br />
schon vor Langem vereinnahmt<br />
haben: die UN.<br />
Es ist höchste Zeit, dass einer so<br />
gefährlichen Organisation der<br />
Geldhahn zugedreht wird. Wichtig<br />
befundene Organe, wie die Weltgesundheitsorganisation,<br />
können<br />
separat finanziert werden.<br />
Pierre Rehov ist Kriegsreporter, Dokumentarfilmemacher<br />
und Schriftsteller.<br />
Sein letzter Film „Unveiling Jerusalem“<br />
den er für den israelischen Sender<br />
Channel One produzierte, wird bald in<br />
englischsprachigen<br />
Ländern<br />
erscheinen.<br />
Auf Englisch<br />
zuerst<br />
erschienen<br />
bei Gatestone<br />
Institute.<br />
42
Der Israelsonntag in der Evangelischen Kirche -<br />
Wie in EKD-Gemeinden gegen Israel agitiert wird<br />
von Anne-Marie Cejp<br />
Der Israelsonntag (früher Judensonntag)<br />
ist ein Sonntag im Kirchenjahr<br />
der Evangelischen Kirche in<br />
Deutschland (EKD), der das Verhältnis<br />
von Christen und Juden zum<br />
Thema hat. Er wird am zehnten<br />
Sonntag nach Trinitatis – das ist in<br />
der Regel im August – begangen.<br />
Schon seit dem Mittelalter wird in der<br />
Kirche der so genannte Judensonntag<br />
begangen, der die Intention<br />
hatte, störrische Juden zum Christentum<br />
bekehren zu wollen. Im<br />
Verlauf des Luther-Jubiläums wurde<br />
dieses Thema ausgiebig behandelt,<br />
und es gab Stimmen, die besagten,<br />
dass Martin Luthers Traktat „Von den<br />
Juden und ihren Lügen“ keine<br />
Glanzleistung von ihm war, ja es<br />
wurde sogar verurteilt.<br />
Diesen Judensonntag gab es bis in<br />
die 1960er Jahre, bis es auffiel, dass<br />
der Begriff „Jude“ einen unangenehmen<br />
Beigeschmack hatte – immerhin<br />
waren 6 Millionen Juden unter<br />
bestialischen Umständen weniger<br />
als eine Generation zuvor von<br />
Deutschen umgebracht worden. So<br />
gab es den löblichen Vorsatz, diesen<br />
Sonntag umzubenennen und<br />
inhaltlich weiterzuentwickeln. Der<br />
Judensonntag wurde in „Israelsonntag“<br />
umbenannt und hatte nun die<br />
Absicht „ein theologisches Verständnis<br />
des Judentums zu gewinnen, das<br />
frei von Antijudaismus und Antisemitismus<br />
ist“.<br />
Von Antiisraelismus war dabei nicht<br />
die Rede, und so ist es verständlich,<br />
dass dieser Tag auch ausgiebig dazu<br />
genutzt wird „Kritik an Israel“ zu<br />
betreiben, denn es ist ja schließlich<br />
der Israelsonntag. Ja, ein ökumenischer<br />
Gesprächskreis rief im Jahr<br />
2015 sogar dazu auf, über theologische<br />
Fragen hinaus auch dem<br />
Verhältnis zwischen Israel und den<br />
„Palästinensern“ Beachtung zu<br />
schenken und „der arabischen<br />
Schicksale in Palästina zu gedenken“.<br />
In welchem Ausmaß die<br />
Empfehlung des Friedenskreises in<br />
deutschen Kirchen angenommen<br />
wurde, weiß ich nicht (und möchte<br />
es lieber nicht wissen). Im Gottesdienst<br />
unserer Kirchengemeinde am<br />
20. August 2017 wurde jedenfalls<br />
ausgiebig davon Gebrauch gemacht.<br />
Schnell kam der Prediger auf<br />
„...Israeli und Palästinenser…einer<br />
so schlimm wie der andere... die<br />
Mauer... israelische Menschenrechtsverletzungen<br />
…israelische<br />
Soldaten töten unschuldige Menschen…<br />
Terrorattentate sind auch<br />
schlimm…“ und so weiter – eigentlich<br />
alles, was man so oft hört und<br />
liest. Und da man es oft hört, muss<br />
ja etwas daran sein, wie mir manchmal<br />
im DDR-Staatsbürgerunterricht<br />
gesagt wurde, wenn ich als Einzelne<br />
eine andere Meinung als die<br />
vorgegebene kundtat.<br />
So rieselte die Predigt an mir<br />
vorüber, bis der Pfarrer verkündete,<br />
dass israelische Siedler den wasserarmen<br />
Boden Palästinas aufbohren<br />
und Wasser, das für die „palästinensische“<br />
Landwirtschaft bitter nötig<br />
wäre, in jüdische Siedlungen<br />
pumpen, um dort Blumenrabatte und<br />
Swimmingpools für sich zu bewässern.<br />
Nun gäbe es zum Thema<br />
Wasser in Israel viel zu sagen. Es ist<br />
bekannt, dass Israel mit seiner<br />
hervorragenden Wasserwirtschaft<br />
die komplette „palästinensische“<br />
Wasserversorgung gewährleistet,<br />
und es ist auch bekannt, dass Israel<br />
eines der führenden Länder auf der<br />
Welt auf dem Gebiet von Wasserrecycling,<br />
Meerwasserentsalzung und<br />
sparsamer Verwendung von Wasser<br />
ist und dieses Wissen an seine<br />
Nachbarländer weitergibt. Auf<br />
diesem Gebiet arbeiten sogar<br />
feindlich gesinnte arabischen<br />
Nachbarn mit Israel zusammen<br />
.<br />
Die Erwähnung des „Wasserraubs“<br />
schreckte mich auf. Zu oft ist er mir<br />
in den letzten paar Jahren begegnet.<br />
Vor genau einem Jahr (sollte es<br />
vielleicht ein staatlicher Beitrag zum<br />
Israelsonntag sein?) wurde in der<br />
„Tagesschau“ ohne jeglichen Anlass<br />
ein Beitrag gesendet, in dem<br />
berichtet wurde, wie Israelis „Palästinensern“<br />
Wasser vorenthalten. Der<br />
blinde Eifer der ARD ließ dabei in<br />
freudscher Weise den „beweisführenden“<br />
Hydrogeologen Clemens<br />
Messerschmid zu Clemens „Wasserschmid“<br />
mutieren. Der Wassermangel<br />
stellte sich als kurzfristige Folge<br />
eines Wasserrohrbruchs heraus,<br />
was die ARD halbherzig zugab.<br />
Entschuldigt hat sie sich nicht.<br />
In der israelischen Knesset ermahnte<br />
der jetzige SPD-Vorsitzende und<br />
Kanzlerkandidat Martin Schulz seine<br />
Gastgeber, die den „Palästinensern“<br />
angeblich nur 17 Liter Wasser täglich<br />
zur Verfügung stellten. Gleichzeitig<br />
räumte er jedoch ein, dass er die<br />
genauen Zahlen in Wirklichkeit nicht<br />
kenne.<br />
Ein Jahr später bestätigte er diese<br />
seine Haltung, nachdem der (schon<br />
lange nicht mehr legitimierte)<br />
Präsident der „Palästinenser“<br />
Machmud Abbas vor dem Europäischen<br />
Parlament gesprochen hatte.<br />
Diese Rede enthielt die Originallegende<br />
vom Juden als Brunnenvergifter.<br />
Abbas behauptete, dass Rabbiner<br />
vom israelischen Premierminister<br />
forderten, „palästinensische“<br />
Brunnen zu vergiften, um „Palästinenser“<br />
zu töten. Das Europaparlament<br />
samt seinem Vorsteher Martin<br />
Schulz war von der Rede so hingerissen,<br />
dass Ovationen kein Ende<br />
nahmen und Martin Schulz sich laut<br />
eigener Bekundung „inspiriert“ fühlte.<br />
Abbas hat diese Behauptung später<br />
zurückgenommen, aber in die Köpfe<br />
der Menschen war sie gelangt –<br />
ebenso wie die Predigt des evangelischen<br />
Pastors in die Köpfe der<br />
andächtig lauschenden Gottesdienstbesucher<br />
gelangt ist.<br />
Quelle:<br />
http://juedischerundschau.de/der-<br />
israelsonntag-in-der-evangelischen-kirche-<br />
135910967/<br />
43
Die Einheit von Juden und Nichtjuden<br />
Horst Krüger<br />
Manchmal führen wir völlig unnötige<br />
Diskussionen, obwohl in der Bibel<br />
bereits klare Aussagen vorliegen.<br />
Immer noch geistert die Frage durch<br />
den Raum: Müssen Juden, wenn sie<br />
sich zu Jesus als ihrem Messias bekehren,<br />
ihre jüdische Lebensweise<br />
aufgeben und sich voll in unsere<br />
nichtjüdischen Gemeinden integrieren?<br />
Zur Zeit von Paulus hieß es<br />
noch: Müssen Nichtjuden, wenn sie<br />
sich bekehren, Juden werden? Müssen<br />
sie sich beschneiden lassen und<br />
sich nach dem jüdischen Religionsgesetz<br />
richten? Paulus hat in einem<br />
Nebensatz, den wir offensichtlich gar<br />
nicht so deutlich wahrnehmen, diese<br />
Frage geklärt:<br />
1. Korinther 7,17-18: Doch wie der<br />
Herr einem jeden zugeteilt hat, wie<br />
Gott einen jeden berufen hat, so<br />
wandle er; und so verordne ich es in<br />
allen Gemeinden. Ist jemand beschnitten<br />
(als Jude) berufen worden,<br />
so bleibe er bei der Beschneidung<br />
(Jude); ist jemand unbeschnitten (als<br />
Nichtjude) berufen worden, so lasse<br />
er sich nicht beschneiden (so bleibe<br />
er Nichtjude).<br />
Kennen wir diese Regel in unseren<br />
Gemeinden? Die Fragen sind gar<br />
nicht so abwegig; denn zur<br />
Zeit des Römischen Reiches<br />
haben in der Tat zahlreiche<br />
Juden ihre völkische<br />
Zugehörigkeit durch chirurgische<br />
Eingriffe auszulöschen<br />
versucht. Ähnlich wie<br />
in der Hitlerzeit. Dadurch<br />
erhofften sie sich Erleichterungen<br />
für ihr tägliches Leben.<br />
Dann wiederum entschieden<br />
sich Nichtjuden für<br />
das Judentum, um jüdisch<br />
zu leben, bekannt unter der<br />
Bezeichnung Proselyten.<br />
Dafür gab es dann das Wort<br />
Beschneidung.<br />
Die Apostel und Ältesten in<br />
Jerusalem hatten mit Paulus<br />
und Barnabas auf dem Apostelkonzil<br />
Apg. 15 beschlossen,<br />
dass Christen aus den Nichtjuden<br />
sich, was die rituelle Seite betrifft,<br />
vor Götzendienst, sexueller Unreinheit,<br />
Blutgenuss und nicht ausgeblutetem<br />
Fleisch hüten sollten. Die<br />
Gemeinschaft des Neuen Bundes<br />
kennt keine Zurücksetzung zwischen<br />
Juden und Nichtjuden. Eine Herabwürdigung<br />
der Anderen darf nicht<br />
sein und steht im Widerspruch zum<br />
Evangelium! Das hat Paulus mehrfach<br />
in seinen Briefen betont. Paulus<br />
sieht darin, dass ein Gläubiger aus<br />
den Heiden zum Judentum übertritt,<br />
Gott auf das Judentum beschränkt,<br />
ihn sozusagen verkleinert und damit<br />
einen schwerwiegenden Irrtum begeht!<br />
Gott ist größer! Wenn Juden<br />
und Nichtjuden gemeinsam und in<br />
Respekt voreinander den Gott Israels<br />
anbeten, kann die Einzigartigkeit<br />
und Größe des lebendigen Gottes<br />
allen Menschen sichtbar werden<br />
(Röm. 3,28-30): Ist Gott etwa nur der<br />
Juden und nicht auch der Heiden<br />
Gott? Jawohl, auch der Heiden, so<br />
gewiss es nur einen einzigen Gott<br />
gibt, der die Beschnittenen (Juden)<br />
aus Glauben (aufgrund des Glaubens)<br />
und die Unbeschnittenen<br />
(Nichtjuden) durch den Glauben (infolge<br />
ihres Glaubens) rechtfertigen<br />
(gerecht sprechen, erlösen) wird.<br />
Nun ergibt sich die Frage: Sind<br />
nichtjüdische Christen jetzt Juden?<br />
In Gal 3,27-29 steht: Ihr alle, die ihr<br />
in (oder: für, oder: auf) Christus getauft<br />
worden seid, habt (damit)<br />
Christus angezogen. Da gibt es nun<br />
nicht mehr Juden und Griechen<br />
(Griechisch redende Heiden), nicht<br />
mehr Knechte und Freie, nicht mehr<br />
Mann und Frau: nein, ihr seid allesamt<br />
Einer (eine Einheit) in Christus<br />
Jesus. Wenn ihr Christus angehört,<br />
so seid ihr damit Abrahams Nachkommenschaft<br />
(Kinder), Erben gemäß<br />
der Verheißung. Interessant ist<br />
hier die Formulierung Mann und<br />
Frau, nicht Mann oder Frau, wie es<br />
meist übersetzt wird. Tatsächlich gebraucht<br />
Paulus das und und bleibt<br />
damit in der biblischen Tradition!<br />
Mann und Frau. In jener Zeit hatten<br />
Taufe und Christus einen anderen<br />
Klang als heute bei uns. Taufe, Untertauchen<br />
war ein jüdisches religiöses<br />
Element. Wer Jude wurde oder<br />
im Namen von Jesus Christus getauft<br />
wurde, bekannte sich zum Gott<br />
Israels. Dieser Vorgang war unter<br />
Heiden unüblich. Nach Paulus wurde<br />
der griechische Mann, die griechische<br />
Frau in realer Weise ein Kind,<br />
ein Miterbe Abrahams. Der äußere<br />
Unterschied zwischen Juden und<br />
Nichtjuden, Mann und Frau war zwar<br />
vorhanden, aber es gab keine Diskriminierung,<br />
Bevorzugung oder Zurücksetzung.<br />
Nichtjüdische Gläubige<br />
sind nicht Juden! Aber Kinder, Same,<br />
Abrahams, um es mit Paulus biblisch<br />
zu sagen! Sie gehören zum Reich<br />
Gottes und sind bei all ihrer Unterschiedlichkeit<br />
eins mit Israel durch<br />
Jesus Christus (Eph 2,12). Gottes<br />
Volk, Erben nach der Verheißung.<br />
Fazit: Wir bleiben bei dem, was Paulus<br />
im 1. Korintherbrief geschrieben<br />
hat. Beten wir auch dafür, dass Juden<br />
in die Gemeinden der Nichtjuden<br />
kommen und sich dort glücklich<br />
fühlen, weil sie voll akzeptiert<br />
sind. Das wäre das eigentliche Urbild,<br />
so wie Paulus es in seinen Gemeinden<br />
kannte.<br />
44
Themen des 7. Israelfreundestages<br />
Das Königreich Gottes<br />
„Israel, der Messias und das Königreich Gottes“<br />
Alyosha Ryabinov<br />
Die Botschaft des Reiches Gottes<br />
war die Hauptbotschaft von Jeschua.<br />
Er begann seinen Dienst mit dieser<br />
Botschaft (Mt. 4:17, Lukas 4:43).<br />
Nachdem er gekreuzigt worden war<br />
und von den Toten auferstand, fuhr<br />
er in den 40 Tage die er mit seinen<br />
Jüngern verbrachte, mit dieser Botschaft<br />
fort.<br />
Auch seine Schüler, die Jünger, verkündeten<br />
diese Botschaft bis zum<br />
Ende ihres Dienstes. Der allerletzte<br />
Vers des letzten Kapitels der Apostelgeschichte<br />
spricht über Paulus,<br />
der in einem gemieteten Haus in<br />
Rom Menschen empfängt und mit<br />
ihnen über das Reich Gottes spricht.<br />
"Paulus blieb zwei volle Jahre in der<br />
von ihm gemieteten Wohnung und<br />
durfte dort so viele Besucher empfangen,<br />
wie er wollte. 31 Er verkündete<br />
ihnen die Botschaft vom Reich<br />
Gottes und lehrte sie alles über Jesus<br />
Christus, den Herrn. Er tat es<br />
frei und offen und wurde von niemand<br />
daran gehindert". Apgesch.<br />
28, 30+ 31(NGÜ)<br />
Mehrere Stellen in der Apostelgeschichte<br />
deuten darauf hin, dass das<br />
Königreich auf Erden bereits in der<br />
Vergangenheit existierte. Apostelgeschichte<br />
19,21 spricht über die Wiederherstellung<br />
aller Dinge, die von<br />
den Propheten der alten Zeit gesprochen<br />
wurden. Dieses Wort: "Wiederherstellung",<br />
erscheint in Vers 6 von<br />
Kapitel 1 der Apostelgeschichte. Die<br />
Jünger fragten Yeshua, ob dies nun<br />
die Zeit sei, dass er das Königreich<br />
Israel "zurückgeben" werde. Was<br />
bedeutet Wiederherstellung? Es gab<br />
etwas in der Vergangenheit, es ist<br />
kaputt gegangen und es<br />
kommt zurück.<br />
Im Vater-unser- Gebet, das Yeshua<br />
seine Jünger lehrte, gibt es eine Zeile:<br />
"Dein Reich komme, dein Wille<br />
geschehe im Himmel, wie auf Erden".<br />
Und jetzt beginnen wir zu sehen,<br />
dass das Reich Gottes nicht nur<br />
eine zukünftige Realität ist, sondern<br />
es existierte auch in der Vergangenheit<br />
auf der Erde. Wann gab es das<br />
Königreich auf Erden? Es scheint,<br />
als hätte es das Königreich zumindest<br />
schon zweimal auf der Erde gegeben.<br />
Das erste Mal, dass das Königreich<br />
existierte, war im Garten Eden. Gott<br />
schuf die Menschheit, dann pflanzte<br />
er den Garten und übergab ihn an<br />
den Menschen. Dabei wurde ihm<br />
alles anvertraut. Jedoch gab es im<br />
Garten etwas, das nicht unter<br />
seine Zuständigkeit gehörte: den<br />
Baum der Erkenntnis von Gut und<br />
Böse. An diesem Geschehen um<br />
den Baum wird eines offensichtlich.<br />
In dieser Zeitspanne der Menschheitsgeschichte,<br />
in der dem Menschen<br />
der Garten Eden anvertraut<br />
war, herrschte Jemand über ihn. Und<br />
dieser Jemand war Gott.<br />
Im Garten galt Gottes Autorität und<br />
Seine Hoheit der Königsherrschaft,<br />
die vom Menschen nicht mehr akzeptiert<br />
wurde und er handelte IHM<br />
zuwider. Nachdem er von diesem<br />
verbotenen Baum gegessen hatte,<br />
wurde er wie Gott, indem er Gutes<br />
und Böses erkannte.<br />
So fing Gott an, sein Reich durch<br />
Menschen wie Abraham, Isaak und<br />
Jakob wieder aufzubauen. Als Israel<br />
aus Ägypten verschleppt wurde,<br />
wurde es eine Nation. Und am Berg<br />
Sinai wurde Israel ein Königreich,<br />
das einzige Königreich auf Erden,<br />
das Gott als König hatte.<br />
Indem wir die Prinzipien erlernen,<br />
wie Gott diese zwei alten Königreiche<br />
aufgebaut hat, können wir lernen,<br />
was er jetzt tut, um sein Königreich<br />
auf Erden wiederherzustellen.<br />
„Die vier Bereiche der<br />
Botschaft vom Königreich“<br />
nach Jesaja 52.7<br />
Es gibt einen Unterschied zwischen<br />
dem Evangelium des Königreichs<br />
und dem Evangelium der Erlösung.<br />
In Matthäus 24,14 heißt es: "Und<br />
dieses Evangelium des Reiches wird<br />
in der ganzen Welt als ein Zeugnis<br />
allen Nationen verkündet werden,<br />
und dann wird das Ende kommen.“<br />
Obwohl die Formulierung: "Evangelium<br />
der Erlösung/ Errettung" in der<br />
Schrift mindestens einmal steht<br />
(z. B. im Epheser 1,13), spricht die<br />
Schrift hauptsächlich über das<br />
"Evangelium des Königreiches". Der<br />
Prophet Jesaja erwähnt 4 Bereiche<br />
im Evangelium des Königreiches<br />
(Jesaja 52,7).<br />
Die Erlösung ist einer der vier Bereiche,<br />
aber es gibt drei weitere sehr<br />
wichtige Bereiche, die zeigen, dass<br />
das Evangelium des Königreichs ohne<br />
Wiederherstellung dieser drei Bereiche<br />
nicht vorangebracht werden<br />
kann. Wenn man diese Bereiche versteht,<br />
kann man sehen, dass die Botschaft<br />
der Wiederherstellung des<br />
Königreichs nicht ohne die Wiederherstellung<br />
der Nation Israel erreicht<br />
werden kann. Wir leben in der heutigen<br />
Zeit, wo es eine große Kluft zwischen<br />
der Kirche und Israel gibt.<br />
Gott hat allen Nationen sein Königreich<br />
verheißen, aber wie ist ihre Beziehung<br />
/ Verhältnis zu Israel ?<br />
Eines der Hauptziele der Lehre über<br />
das Reich Gottes ist es, einem Mann<br />
oder einer Frau, die durch Jeschua,<br />
den Messias, in Gottes Reich eingetreten<br />
sind, dabei zu helfen, zwei<br />
Dinge zu verstehen:<br />
1. Die wahre Identität in Gott und<br />
ihre Berufung erkennen.<br />
2. Und wie dieser Ruf sie mit Israel<br />
verbindet, damit die Botschaft des<br />
Königreichs vorangebracht werden<br />
kann.<br />
45
Antisemitismus in neuer Gestalt - Gefahren erkennen - Stellung beziehen -<br />
Verantwortung übernehmen<br />
Warum toben die Nationen und murren die Völker gegenwärtig?<br />
Jurek Schulz<br />
Offensichtlich muss auch für den Vatikan<br />
Jerusalem geteilt bleiben, bis<br />
eine Lösung gefunden wird.<br />
So kam es weltweit in etlichen Ländern<br />
in den Dezemberwochen 2017<br />
zu Anti-Israel-Demonstrationen.<br />
Doch nicht nur Israelfahnen wurden<br />
verbrannt. Sondern auch jüdische<br />
Einrichtungen wurden massiv bedroht<br />
und fühlen sich nicht mehr sicher.<br />
Kleine jüdische Kinder mussten<br />
den Hass des Antisemitismus erleben,<br />
indem sie bespuckt und geschlagen<br />
wurden. Oder wie in Berlin<br />
und anderen Städten erlebt die jüdische<br />
Fußballmannschaft TuS Makkabi<br />
einen gemeinen „Judenhass“.<br />
Graffiti an einer Hamburger Schule, Herbst 2017, Aufnahme privat<br />
Bei diesem Thema müssten wir eigentlich<br />
die verschiedensten Bereiche<br />
aufdecken, darstellen und benennen,<br />
wo Juden oder der Staat<br />
Israel unverhältnismäßig diffamiert,<br />
isoliert, boykottiert und bedroht werden.<br />
Jedoch aufgrund der Kürze des<br />
Platzes und der Zeit möchte ich nur<br />
die jüngsten Ereignisse als Orientierung<br />
knapp erwähnen. Dann möchte<br />
ich aufzeigen, wie wir Stellung beziehen<br />
können, und ermutigen, als<br />
Staatsbürger und Gläubige in einer<br />
Demokratie Verantwortung zu übernehmen.<br />
1. Der 6. Dezember 2017 markiert<br />
eine neue offizielle Sichtweise auf<br />
den Nahen Osten durch die USA.<br />
Denn der amerikanische Präsident<br />
Donald Trump hat offiziell Jerusalem<br />
als die Hauptstadt Israels anerkannt.<br />
An sich ist das ja nichts Schlechtes.<br />
Doch unmittelbar nach dieser Verlautbarung<br />
hat der türkische Staatspräsident<br />
Recep Tayyip Erdogan einen<br />
Sondergipfel der „Organisation<br />
für Islamische Kooperation (OIC)“,<br />
deren Vorsitz er zurzeit hat, einberufen.<br />
Die OIC umfasst 57 Staaten.<br />
Davon haben 55 Staaten bis zum<br />
heutigen Tag den Staat Israel nicht<br />
anerkannt. Am Mittwoch, den 13.<br />
Dezember 2017, ertönte es dann<br />
aus Istanbul in einer Erklärung: „(…)<br />
Von hier aus lade ich alle Länder, die<br />
für internationales Recht und Gerechtigkeit<br />
eintreten, dazu ein, Jerusalem<br />
als die besetzte Hauptstadt<br />
des palästinensischen Staates anzuerkennen.“<br />
Drohend kann die Welt<br />
es hören und lesen, dass die Entscheidung<br />
der USA ein „äußerst falscher,<br />
provokativer und rechtswidriger<br />
Schritt“ ist, so der Präsident Erdogan<br />
und fügt fast drohend im Namen<br />
der OIC hinzu: „(…) Jerusalem ist<br />
unsere rote Linie.“<br />
Doch nicht nur aus der islamischen<br />
Welt ertönen Drohgebärden. Die gesamte<br />
Welt scheint nach der Entscheidung<br />
der USA in Aufruhr zu geraten,<br />
so dass eine Dringlichkeitssitzung,<br />
wie etwa der UN, der Arabischen<br />
Liga und anderer Weltorganisationen,<br />
die andere jagt. Alle üben<br />
heftigste Kritik. Ja, sogar der eher<br />
um Neutralität bemühte Vatikan hat<br />
sich eingeschaltet. Papst Franziskus<br />
sieht in der Anerkennung Jerusalems<br />
als Hauptstadt Israels eine<br />
„schlechte Idee“, welche dem „Status<br />
laut Völkerrecht“ zuwiderläuft.<br />
Heutzutage gibt es kaum Menschen,<br />
die sich als Antisemiten bezeichnen<br />
würden. Doch in der einseitigen „Israelkritik“<br />
und der meist verzerrten<br />
und verlogenen Darstellung der tatsächlichen<br />
Sachverhalte um Israel<br />
wird eine Form von Antisemitismus<br />
betrieben, die weitaus gefährlicher<br />
ist als alles bisher Dagewesene.<br />
Denn damals lief der Antisemit in<br />
Holzschuhen und war schon von weitem<br />
zu hören. Heute läuft er fast lautlos<br />
in flauschigen Samtschuhen und<br />
ist nicht mehr sofort als Juden- und<br />
Israelhasser auszumachen.<br />
2. Bevor wir Stellung beziehen, müssen<br />
wir uns mit den Details des Themas<br />
beschäftigen. Das macht Arbeit,<br />
das kostet Kraft, das verbraucht unsere<br />
Zeit. Doch ist es wesentlich,<br />
mehr Hintergrundinformationen über<br />
einen Sachverhalt zu bekommen.<br />
Hierzu dienen seriöse Zeitungen und<br />
gute Internetseiten. Ebenso sind<br />
manche TV-Sender mit zahlreichen<br />
Dokumentationen hilfreich. Einiges<br />
werde ich auch im Seminar empfehlen.<br />
Kehren wir zum Thema Jerusalem<br />
zurück. Warum toben jetzt die<br />
Völker nach Trumps Erklärung? Bereits<br />
am 6. April 2017 hatte Russland<br />
Westjerusalem als die Hauptstadt<br />
Israels anerkannt. Niemanden hatte<br />
46
es gestört, niemand hatte sich aufgeregt.<br />
Warum also jetzt die weltweiten<br />
Demonstrationen? Oder fragen<br />
wir uns: Von welchem Völkerecht<br />
spricht der Vatikan? Die UN hatte<br />
durch die Kriegswirren Jerusalem<br />
geteilt. Für Juden war der Zugang<br />
zur ehemaligen jüdischen Altstadt<br />
und zur Klagemauer 19 Jahre lang<br />
verboten. Es war jordanisches Gebiet,<br />
denn es gab bis dato kein Palästina.<br />
Als Israel 1967 den Ostteil<br />
der Stadt eroberte, annektierten sie<br />
diese Gebiete und erklärten 1980<br />
Jerusalem zur ungeteilten Hauptstadt<br />
Israels. Um Jordanien entgegenzukommen,<br />
erklärte sich Israel<br />
bereit, Jordanien die Verwaltung des<br />
Tempelberges mitsamt der Tempelmoschee<br />
und der Al-Aksa-Moschee<br />
zu überlassen. Das bedeutet, sollte<br />
die zwei Staatenlösung umgesetzt<br />
werden, dürfen Juden erneut nicht<br />
mehr an ihrer heiligsten Stätte beten,<br />
denn sie müsste Jordanien zurückgegeben<br />
werden.<br />
Bisher hat Israel die Zwei-Staaten-<br />
Lösung kritisch betrachtet, nun haben<br />
sich die USA dem angeschlossen<br />
und betrachten sie ebenso kritisch,<br />
wie es in ihrer Erklärung heißt.<br />
Doch Russland hält an der Zwei-<br />
Staaten-Lösung fest, wie es in der<br />
Definition „West-Jerusalem“ zum Ausdruck<br />
kommt. Daher hatte sich kei-<br />
ner aufgeregt und alle Nationen waren<br />
in ihrem gemeinsamen Konsens<br />
zufrieden.<br />
3. Heute ist jeder persönlich herausgefordert,<br />
den Mund aufzumachen.<br />
Jeder kann in seinem eigenen Rahmen<br />
jede Form der Einseitigkeit zu<br />
Lasten Israels mündlich oder schriftlich<br />
deutlich machen. Ebenso öffentliche<br />
Leserbriefe schreiben oder bei<br />
unsachgemäßer Berichtserstattung<br />
im Fernsehen dies den Redaktionen<br />
mitteilen. Nur durch eine schweigende<br />
Mehrheit kann sich das Gift des<br />
Judenhasses durch eine Minderheit<br />
verbreiten. Wehren wir uns!<br />
70 Jahre Israel - Warum diese Zahl so<br />
symbolisch ist<br />
Br. Uwe Seppmann<br />
Wenn wir die hebräische Bibel aufschlagen,<br />
werden wir oft mit langen<br />
Namenslisten und Zeitangaben konfrontiert.<br />
Mancher Leser, der sich<br />
vielleicht das erste Mal an einen biblischen<br />
Text wagt, schlägt das Buch<br />
resigniert zu.<br />
Das gleiche erleben wir in den biblischen<br />
Zeitspannen – da ist die “1”,<br />
die “3”, die “40” und die “70” die uns<br />
etwas verdeutlichen will.<br />
Herzliche Einladung<br />
zur Entdeckung!<br />
Wozu dieser l a n g weilige Kram?<br />
Geübte Bibelleser erkennen Zusammenhänge,<br />
merken, dass es auf ein<br />
Ziel hinausgeht – auf Gottes Zielpunkt.<br />
Und dann kommt plötzlich für<br />
sprachinteressierte noch ein weiterer<br />
Aspekt hinzu: Die Namen haben Bedeutung,<br />
sind Programm!<br />
„Israel wird 70", Lea M. Dierks<br />
47
Wann und wie mit Kindern in Deutschland<br />
interkulturell zur Shoa arbeiten<br />
Neue Möglichkeiten für Erziehende,<br />
Eltern/Großeltern, Lehrkräfte an<br />
Grundschulen, Kitas und in christlichen<br />
und jüdischen Gemeinden<br />
durch den Kinderfilm 'Chika, die<br />
Hündin aus dem Ghetto!'<br />
Die letzten Zeitzeugen sind heute<br />
sehr betagt. Sie werden bald nicht<br />
mehr unter uns sein. Wie können wir<br />
mit Kindern und jungen Leuten an<br />
den Holocaust erinnern, daraus lernen<br />
und dabei authentisch bleiben?<br />
Welche Relevanz hat die jüdische<br />
Erfahrung in Europa heute noch für<br />
uns? Vor 80 Jahren flüchteten hunderttausende<br />
Juden aus Europa.<br />
Wer nicht herauskam, wurde interniert<br />
und ermordet. Das NS-<br />
Terrorregime errichtete KZ-Lager im<br />
Deutschen Reich und im besetzten<br />
Ausland sowie Todeslager in Polen.<br />
Zum Ende des Krieges waren die<br />
deutschen und viele europäische<br />
Städte zerstört. Hunderttausende<br />
Deutsche waren auf der Flucht aus<br />
dem Osten. Juden überlebten selten<br />
und mussten auch nach 1945 vor<br />
Pogromen (in Polen) fliehen. Als Heimat<br />
der heimatlos gewordenen Diaspora<br />
entstand 1948 der Staat Israel<br />
im Nahen Osten. Nun kommen im<br />
21. Jahrhundert aus den Brennpunkten<br />
dieser Erde' weltweit Wandernde<br />
nach Europa (oft islamisch geprägte<br />
Flüchtende), besonders gern nach<br />
Deutschland! Das löst Krisen aus!<br />
Junge Menschen sind unsere Zukunft.<br />
Wie wollen wir hier in Zukunft<br />
miteinander umgehen (lernen)? Wir<br />
alle entwickeln eine zukunftsorientierte<br />
Gesellschaft als verantwortliche<br />
Gestalter/Gestalterinnen!!<br />
Im Seminar wird der kindgerechte<br />
Film ‚Chika' (6-12 Jahre) zum Thema<br />
Shoa/Ghetto vorgestellt und didaktisch<br />
aufbereitet. Der Film ist ein Novum<br />
und bietet immense Möglichkeiten<br />
um a) mit herkunfts-deutschen<br />
Kindern, b) mit Kindern mit Migrationshintergrund<br />
und Flüchtlingskindern<br />
und c) in präventiver Arbeit mit<br />
muslimischen Kindern interkulturell<br />
und integrativ zu arbeiten. Er bietet<br />
zudem ein Identifikationsangebot für<br />
muslimische Kinder, die selbst Verfolgung<br />
erlebten und kann dabei helfen<br />
diese jungen Menschen gegen<br />
Judenfeindschaft fit zu machen!<br />
Der Film gibt Kindern die Möglichkeit,<br />
eigene Erfahrungen von<br />
Verfolgung, Krieg, Verlust und Tod<br />
von Angehörigen zu verarbeiten.<br />
Das macht sie sicherer im Umgang<br />
und hilft Vorurteile abzubauen.<br />
PädagogInnen sind aufgerufen, ihre<br />
Unterrichtserfahrung zur Umsetzung<br />
des Konzepts einzubringen!<br />
Chika, die Hündin aus dem<br />
Ghetto<br />
In der Geschichte geht es um Abschiede<br />
und Trennungen, denen ein<br />
Kind ausgesetzt ist. Durch die Beziehung<br />
zwischen dem Jungen und<br />
dem Tier gelingt den jungen ZuschauerInnen<br />
die Identifikation auf<br />
ganz persönlicher Ebene. Die Autorin<br />
entwickelt die psychologisch sensiblen<br />
Momente in der Erzählung<br />
und vermittelt kindgerecht die Zusammenhänge<br />
zur Judenverfolgung<br />
und Shoa. Da Kinder in der Altersgruppe<br />
6-12 Jahre noch nicht über<br />
ein geschlossenes historisches Bewusstsein<br />
verfügen, sind sie grundsätzlich<br />
über die emotionale Identifikation<br />
mit den Protagonisten bereit,<br />
sich auf die ebenfalls für Erwachsene<br />
schwierige und schwer zu<br />
vermittelnde Thematik der<br />
Shoa einzulassen.<br />
„Wir müssen über uns hinausdenken!"<br />
– der Film wurde aufgrund privater<br />
Initiative des Referenten Frank<br />
Scheerer – nach einer schweren Tumorerkrankung<br />
– ins Leben gerufen.<br />
Kontakte zwischen der Autorin aus<br />
Israel und der Filmproduktionsfirma<br />
aus Hamburg wurden etabliert. Der<br />
Referent hatte wiederholt – mit Erfolg<br />
– in Berlin bei Parteien und Stiftungen<br />
dafür geworben, den Film<br />
finanziell zu unterstützen. Mittlerweile<br />
hat ‚Chika' Preise auf internationalen<br />
Kurzfilmfestivals gewonnen. Die<br />
Deutsche Film- und Medienbewertung<br />
verlieh dem Film das Prädikat<br />
‚Besonders wertvoll'!<br />
Batsheva Dagan, Premiere<br />
„Chika“/Wismar 05/2015<br />
Die Filmproduktionsfirma Trikk17<br />
aus HH-Eimsbüttel ist renommiert<br />
und hat u.a. den Grimmepreis (Tomte<br />
Tumetott) gewonnen. Trikk17 ist<br />
auf Kinder- und Werbefilme mit Stop-<br />
Motion-Technik (animated movies)<br />
spezialisiert. Siehe auch das Official<br />
You Tube Video zur Welturaufführung<br />
im Filmbüro MV in Wismar vom<br />
Mai 2015. Es ist die Filmförderung<br />
Mecklenburg-Vorpommerns, dem<br />
Bundesland, aus dem das Drehbuch<br />
stammt. Die Autorin Batsheva Dagan<br />
kam extra aus Israel dazu!<br />
hier der link :<br />
https://www.youtube.com/watch?v=4<br />
PFfI6ayY5Y<br />
48
Wo war Gott während des Holocausts<br />
Luba Gohr, jüdisch-messianische Gemeinde, HH- “Adonai Zidkenu“<br />
Wenn wir über Holocaust nachdenken,<br />
müssen wir vorsichtig sein.<br />
Viele widersprechen dabei sich<br />
selbst, indem sie die Existenz des<br />
Herrschers des Universums leugnen,<br />
aber dennoch Ihm Vorwürfe<br />
machen. Andererseits gibt es die<br />
Versuchung zu behaupten, dass wir<br />
alles verstehen und erklären können:<br />
Juden haben gesündigt und Gott hat<br />
sie bestraft. Wir müssen aber die<br />
Worte des Propheten Jesaja<br />
berücksichtigen „Denn meine<br />
Gedanken sind nicht eure Gedanken“.<br />
Wir können nie ganz verstehen,<br />
was der Allmächtige macht und<br />
warum, aber wir dürfen auch nicht<br />
darauf verzichten, darüber<br />
nachzudenken, denn die Torah<br />
selbst gibt uns Schlüssel – nicht zum<br />
Verständnis, wie der Schöpfer die<br />
Welt regiert, aber zum Verständnis,<br />
wie wir uns verhalten sollen. Unsere<br />
Weisen sagen: Alles, was Gott tut,<br />
dient zu unserem Besten. Wenn Er<br />
uns bestraft, soll es der Widerherstellung<br />
dienen – der Widerherstellung<br />
unserer Seelen oder der<br />
ganzen Welt.<br />
Wenn die Prüfung als grausam<br />
erscheint - wie groß wird erst die<br />
Belohnung sein!<br />
Die furchtbaren Ereignisse der<br />
damaligen Zeit wurden Jahrtausende<br />
vorher in der Torah prophezeit.<br />
Auch Propheten sahen die Zukunft<br />
ihres Volkes für viele Generationen<br />
im Voraus, und die Katastrophe blieb<br />
ihnen nicht verborgen. Gleichzeitig<br />
mit der Katastrophe wurden in der<br />
Bibel die Wege der Errettung und<br />
der Vergeltung den Henkern prophezeit.<br />
In unserer Arbeitsgruppe werden wir<br />
uns mit Bibeltexten befassen und<br />
ihren Auslegungen durch jüdische<br />
Weise, die Jahrhunderte vor dem<br />
Holocaust diese schlimmen Zeiten in<br />
der Torah sehen konnten. Und die<br />
ganz wichtige Frage, mit der wir uns<br />
zum Schluss befassen werden, ist:<br />
Was können wir tun, damit die<br />
Katastrophe nicht noch mal passiert?<br />
Was hat der Holocaust heute noch mit mir zu tun?<br />
Aufarbeitung meiner Familiengeschichte, meine Fragen zur Seelsorge<br />
Workshop von Hinrich und Elke Kaasmann<br />
Christen – so lehrt die Erfahrung -<br />
können innerhalb ihrer Familiengeschichte<br />
mit immer wiederkehrenden<br />
Tragödien oder Krankheitsmustern zu<br />
kämpfen haben, obwohl sie bereits für<br />
persönliche Schuld Buße getan und<br />
Vergebung empfangen haben.<br />
Bei der Mitarbeit im Team von<br />
Christoph und Utta Häselbarth und<br />
bei Seminaren mit John und Paula<br />
Sandford haben wir überwältigend<br />
erlebt, wie solche Christen Heilung<br />
empfingen und frei wurden. John<br />
Sandford schreibt: „Wir und andere<br />
Seelsorger in Christus haben<br />
herausgefunden, dass oft Vernichtung<br />
im Leben von Menschen wütet,<br />
obgleich sie durch nichts in ihnen<br />
mehr ausgelöst wird. Dann erkennen<br />
wir, dass Sünde der Vorfahren der<br />
Grund dafür sein kann.“<br />
Christoph Häselbarth sagt, dass die<br />
Ursache für ein Problem, das nicht<br />
durch „normale“ Seelsorge gelöst<br />
werden kann, oft in der Schuld der<br />
Vorfahren liegt. Christoph spricht<br />
dann von „nicht bereinigten Sünden<br />
und Flüchen der Vorfahren“. Oftmals<br />
geschehen Krankenheilungen erst,<br />
wenn Sünden der Vorfahren detailliert<br />
vor GOTT und Zeugen bekannt<br />
worden sind.<br />
Christoph berichtet von einem Mann,<br />
der an sehr starken Schmerzen in<br />
seiner rechten Schulter litt. Nachdem<br />
er die Schuld seines Vaters in der<br />
Nazizeit und dessen „Heil-Hitler-<br />
Arm“ bekannt und um Vergebung<br />
gebeten hatte, gebot Christoph dem<br />
Nazigeist, den Bruder zu verlassen.<br />
Nach dem Befreiungsgebet hatte er<br />
keine Schmerzen mehr.<br />
Wenn Vorfahren Sünden begangen<br />
und diese nicht vor Gott bereinigt<br />
haben, erhält die Sünde einen<br />
Raum, in dem sie sich sowohl auf<br />
die gegenwärtige Generation als<br />
auch auf zukünftige Generationen<br />
auswirken kann. Besonders gravierend<br />
bei uns Deutschen ist geistliche<br />
Belastung dort, wo Eltern, Großeltern<br />
oder Urgroßeltern durch den<br />
Nationalsozialismus schuldig<br />
geworden sind (oder z.B. in Okkultismus<br />
verstrickt waren). Bindungen<br />
durch noch nicht bekannte Eidesformeln<br />
der Väter, die im 3.Reich ja auf<br />
Hitler persönlich abgelegt wurden,<br />
können Jesus bekannt und dann<br />
gelöst werden.<br />
Häselbarths und Sanfords warnen<br />
aber davor, voreilige Schlüsse zu<br />
ziehen, da sich nicht jede Krankheit<br />
auf Sünden der Vorfahren zurückführen<br />
lässt.<br />
49
Übertragung kann geschehen durch<br />
genetische Vererbung und durch das<br />
Gesetz von Saat und Ernte. Auch die<br />
Vorbildfunktion der Eltern kann die<br />
Folgegeneration negativ prägen.<br />
Christoph Häselbarth sagt, Saat und<br />
Ernte seien ein göttliches Gesetz,<br />
dass sich wie das Gesetz der<br />
Schwerkraft erfüllt. So bringt der<br />
Samen der Sünde vielfältige,<br />
negative Frucht. Unser heutiges<br />
Verhalten kann somit die Ernte<br />
früherer Saat sein. Oft liegt ein<br />
längerer Zeitraum zwischen Saat<br />
und Ernte. So ernten wir heute das,<br />
was unsere Eltern, Großeltern und<br />
Urgroßeltern gesät haben (positiv<br />
und negativ)!<br />
2. Mose 20, 5–7: „ICH, der Herr, dein<br />
Gott, bin ein eifersüchtiger Gott, der<br />
die Schuld der Väter heimsucht an<br />
den Kindern, an der dritten und<br />
vierten Generation von denen, die<br />
mich hassen, der aber Gnade<br />
erweist an tausenden von Generationen<br />
von denen, die mich lieben und<br />
meine Gebote halten.“ Auch Jesus<br />
beschreibt dies im Gleichnis vom<br />
Sämann (Mk 4,1-20).<br />
Um die Folgewirkung vergangener<br />
Sünden zu beseitigen, gibt es die<br />
Möglichkeit eines Bußbekenntnisses<br />
(Daniel 9,8.15, Esra 9,7 und Nehemia<br />
9,2.)<br />
Vor Gott trägt jeder Sünder seine<br />
Schuld allein (Hes18, 20). Die<br />
Nachkommen sind zwar nicht<br />
schuldig (5. Mo 24,16), tragen aber<br />
die Auswirkungen von vergangenen<br />
Sünden. Wie können wir als Nachfahren<br />
davon gelöst werden?<br />
- Indem wir uns unter die begangenen<br />
Sünden stellen,<br />
- sie vor GOTT bekennen,<br />
- um Vergebung bitten, indem wir<br />
uns mit der Schuld der Vorfahren<br />
identifizieren:<br />
„Ich bin nicht besser als meine Väter<br />
– w i r haben gesündigt.“ (siehe<br />
Daniel 9,8.15, Esra 9,7 und Nehemia<br />
9,2.)<br />
Dadurch wird derjenige, der diese<br />
Schuld begangen hat, nicht frei, aber<br />
m e i n e Bindung daran wird gelöst.<br />
Meist reicht etwas Familienforschung<br />
aus, um wichtige „Altlasten“<br />
zu erkennen und dann im Gebet ans<br />
Kreuz JESU zu bringen. Wir bekennen<br />
GOTT diese Sünden und bitten<br />
um Vergebung.<br />
Der Seelsorger spricht dann die<br />
Vergebung nach 1. Joh 1,9 zu:<br />
„Wenn wir unsere Sünden bekennen,<br />
ist ER treu und gerecht, dass<br />
ER uns die Sünden vergibt, und<br />
ER uns reinigt von jeder Ungerechtigkeit.“<br />
Nach empfangener<br />
Vergebung spricht der Seelsorger<br />
den Segen zu, Joh 8,36:<br />
Wenn euch nun der Sohn frei<br />
macht, so seid ihr wirklich frei.<br />
Weiterführende Literatur<br />
Prince, Derek, Segen oder Fluch:<br />
Sie haben die Wahl;<br />
Verlag: Gottfried Bernard,. ISBN 10:<br />
3925968350, 10. Auflage, 12.2003<br />
Häselbarth, Christoph, Befreiung<br />
von Vorfahrenschuld und Wachstum<br />
im Glauben;<br />
Verlag Gottfried Bernard; ISBN: 978-<br />
3-925968-83-9; 4. Auflage, 10.2010<br />
Sandford, John u. Paula, Heilung<br />
für den verwundeten Geist;<br />
Asaph Verlag; ISBN: 978-3-940188-<br />
26-7 ; 1. Auflage 11.2010<br />
Zur Person:<br />
Hinrich (68) und Elke (65) Kaasmann<br />
sind 1993 von Gott in den<br />
Dienst an den Juden gerufen<br />
worden. Als Ehepaar leben sie<br />
Versöhnung vor dem Hintergrund<br />
der eigenen Familienbiographie<br />
sowohl als Leitung des deutschen<br />
„Ebenezer Hilfsfonds Deutschland<br />
e.V.“ und mehrerer Fürbittegruppen,<br />
sowie Hinrich als Vorstandsmitglied<br />
der „Freunde Yad Vashem in<br />
Deutschland e.V.“ Hinrichs Vater war<br />
Artillerieoffizier. Versöhnung zu den<br />
Völkern, die im Zweiten Weltkrieg<br />
von Deutschen angegriffen wurden,<br />
hat GOTT Hinrich aufs Herz gelegt.<br />
Elke und Hinrich sind seit 1994<br />
Mitglieder in der<br />
Christengemeinde Arche Alstertal in<br />
Hamburg.<br />
50
Arbeit der christlichen Israelfreunde<br />
Beispiele aus unseren Tätigkeitsbereichen<br />
Gruppenreise nach Israel<br />
Um ein Verständnis vom heutigen<br />
Israel zu vermitteln, sind uns Kontakte<br />
und Beziehungen zu Israelis<br />
wichtig.<br />
Dazu dienen zum einen unsere Israel<br />
Gruppenreisen, die Begegnungen<br />
mit Israelis als einen wesentlichen<br />
Schwerpunkt haben.<br />
So findet im Mai <strong>2018</strong> zum 70. Jahrestag<br />
der Gründung des Staates<br />
Israel erneut eine Reise<br />
statt. Auch beim<br />
aktuellen Reiseprogramm<br />
hatten wir vor<br />
einen Besuch beim<br />
orthodoxen Rabbiner<br />
Yehuda Bohrer in Bet -<br />
El zu unternehmen.<br />
Denn er ist Überlebender<br />
des Holocausts,<br />
Mitgründer einer neuen<br />
kleinen Stadt an<br />
historischer biblischer<br />
Stätte in Samaria, die<br />
in Europa als friedenshindernde<br />
"Siedlung"<br />
tituliert und stigmatisiert<br />
wird. Jedoch Dr.<br />
Bohrer verstarb am<br />
13.1.18.<br />
Sein Buch „Spuren<br />
des Höchsten in seinem<br />
Land“ zu biblischen<br />
Orten mit hochinteressanten<br />
Lehrimpulsen<br />
aus der jüdischen Glaubenswelt,<br />
haben wir vor einigen Jahren<br />
übersetzt und in Kooperation mit den<br />
sächsischen Israelfreunden für den<br />
deutschen Sprachraum verlegt.<br />
Dr. Yehuda Bohrer wurde in eine alte jüdische Familie in Gailingen am<br />
Oberrhein geboren. Sein Vater war Dr. Mordecai Bohrer, der im KZ Dachau<br />
umkam, während seine Familie 1940 noch nach Palästina entkommen<br />
konnte. Er selbst wuchs in Tel Aviv auf und studierte in Jerusalem an der<br />
Hebräischen Universität mit Abschluss Staatsexamen. Nach seinem<br />
Militärdienst erhielt er ein Stipendium an der Jeschiva University in New<br />
York und schloss dort seine Studien mit seiner Ordination als Rabbiner und<br />
einem Doktorat in Geschichte ab. Dort lernte er seine Frau kennen, mit der<br />
er 1971 nach Israel immigrierte. Während der nächsten 20 Jahre war er<br />
Dozent an der Hebräischen Universität in Tel Aviv für Jüdische Geschichte<br />
und Israel Studien. 1977 engagierte sich das Ehepaar bei der Neubesiedlung<br />
der Stadt Bet-EI und der Errichtung von Schulen, deren Begründer sie<br />
wurden. Gegenwärtig bekleidet Rabbi Bohrer das Amt des Bildungsleiters in<br />
Bet - EI. Rabbiner Dr. Yehuda Bohrer verstarb am Schabat, 13.1.18. Wir<br />
sind dankbar ihn kennen gelernt zu haben - ein Versöhner und uns ein<br />
Freund.<br />
51
Unsere Aktion zur BDS Kampagne „Boycott – Divestment - Sanctions“<br />
Was ist darunter zu verstehen?<br />
Dazu Rabbi J. Sacks:<br />
„Menschenrechte als Deckmantel für Antisemitismus"<br />
Mehr als 40.000 Klicks in einer Woche erhält der Rabbiner Jonathan<br />
Sacks mit seinem jüngsten Comic-Video. In dem Video-Clip bezieht er<br />
Stellung zur BDS-Kampagne. Kernaussage: Der Boykott ist falsch und<br />
gefährlich.<br />
Dazu mehr; siehe:<br />
https://www.israelnetz.com/gesellschaftkultur/gesellschaft/2017/03/24/menschenrechte-als-deckmantel-fuerantisemitismus/<br />
So entstand auf unseren Reisen<br />
auch der Kontakt zu Father Gabriel<br />
Naddaf, griech.- orthodoxer Priester<br />
in Nazareth. Der sich dann vertiefte,<br />
da wir seine Ausführungen "Prüft<br />
die Geister: ein christlicher Leitfaden<br />
zu den anti-israelischen Boykott-<br />
Bewegung (BDS )" für den<br />
deutschen Sprachraum herausgegeben<br />
haben.<br />
In dieser Schrift macht Gabriel Naddaf<br />
deutlich, dass er arabische, bzw.<br />
genauer, junge aramäische Christen,<br />
ermutigt, Wehrdienst in der israel.<br />
Jüdisches Grindelviertel<br />
Armee (IDF) abzuleisten. Da aus<br />
seiner Sicht der Staat Israel unterstützt<br />
werden muss, da er ihnen Religionsfreiheit<br />
und komfortables Leben<br />
ermöglicht.<br />
In jedem Nachbarstaat wäre ihr Leben<br />
bedroht.<br />
Fazit vieler Reiseteilnehmer ist immer<br />
wieder, dass sie Israel aus diesem<br />
Blickwinkel zuvor noch nicht<br />
kennen gelernt haben.<br />
Ein weiterer Schwerpunkt unserer<br />
Arbeit ist die Aufarbeitung<br />
unserer belasteten<br />
deutsch- jüdischen, bzw.<br />
christlich - jüdischen Geschichte.<br />
Der einwöchige<br />
Marsch des Lebens<br />
2015 von HH nach<br />
Kiel (S. 54) war dabei<br />
eine besondere<br />
Form des Gedenkens<br />
und Ehrens der Opfer,<br />
bzw. ihrer Nachkommen.<br />
Er sollte aber auch ein<br />
deutliches Zeichen gegen<br />
Antisemitismus und Anti-<br />
Israelismus setzen. Da es<br />
auch eine spezielle christlich<br />
- theologische Lehrvariante<br />
„Anti- Judaismus“<br />
gibt, laden wir zu diesem<br />
Thema gerne Referenten<br />
ein. So z. B. im April 2017 Prof. K.<br />
Wengst zum „500 Jahre - Reformationsjubiläum“,<br />
um auch da die dunkle<br />
Seite zu beleuchten. Weiterhin<br />
haben wir im letzten Jahr mit einer<br />
Reihe von verschiedenen "Führungen<br />
zum jüdischen Hamburg" begonnen.<br />
• „jüdisches Grindelviertel“<br />
• „jüdischer Friedhof Altona in der<br />
Königstraße“<br />
Jüdischer Friedhof , Altona in der Königstraße<br />
• „Auswanderung und Deportation“<br />
wird im Frühjahr <strong>2018</strong>, voraussichtlich<br />
am 28. April stattfinden,<br />
(bei Interesse bitte melden.)<br />
Der Flyer unserer Netzwerkarbeit<br />
der Israelfreunde Norddeutschlands<br />
liegt aus. Wer Interesse am „Freundeskreis<br />
der christlichen Israelfreunde“<br />
hat, möge sich melden.<br />
52
Wo sind wir mit unserem Anliegen präsent?<br />
Einige Beispiele unserer Spendenprojekte:<br />
• Unsere homepage:<br />
www.cindev.de<br />
• unser account auf facebook:<br />
unter „Michael Dierks“<br />
• unser YouTube Kanal für Audio-<br />
Vorträge: „Zions Freund“<br />
• 14 tägige aktuelle Israelinfos:<br />
Anmeldung für Verteiler des<br />
„Zions Freund“<br />
• großer Verteiler für Veranstaltungstermine<br />
zu Israel, bzw. Versöhnungsarbeit<br />
zwischen Christen u. Juden<br />
Ÿ<br />
Ÿ<br />
Gemeinde Israelkreis (GIK)<br />
übergemeindlicher Israelgebetskreis<br />
• Unterstützung „bedürftiger<br />
äthiop. Juden“ über Pastor Birlie<br />
Belay (Brille), der verschiedene<br />
messianisch-jüdische, äthiopische<br />
Gemeinden in Israel leitet. Für<br />
Juden, die in Gondar darauf warten,<br />
Aliya zu machen.<br />
• Versöhnungsarbeit von „Christa<br />
Behr“, Jerusalem<br />
• die besondere Lehr-Arbeit von<br />
„Johannes Gerloff“ Jerusalem<br />
• verschiedene „messianischjüdische<br />
Gemeinden in Israel“<br />
Ÿ<br />
Die Auslegung des Markusevangeliums<br />
in deutscher Sprache v.<br />
„Rabbi A. Blend“ verlegen.<br />
• „Holocaustüberlebende“<br />
• die „Arbeit des Vereins“ unter<br />
stützen.<br />
Bei Überweisungen bitte den<br />
jeweiligen Spendenzweck mit<br />
angeben. Kontodaten, siehe<br />
Impressum, S. 58<br />
Messianisches Leben und Lernen Hamburg e.V.<br />
Jüdische Auswanderung<br />
via Hamburg in die weite Welt (1840er - 1930er) + die Shoa<br />
Führung mit Frank Scheerer, Publizist + Museumspädagoge (ca. 3 Std.)<br />
Samstag, 28. April <strong>2018</strong> / 5778 ab 14 h<br />
Treffpunkt: Lohseplatz, ehemals Hannoverscher Bhf.<br />
(Nähe U-Hafencity Universität/U+S HH Hauptbahnhof)<br />
dann ab Alter Elbtunnel - linke Seite (nähe Touristeninfo)<br />
bis hinauf zum Großneumarkt<br />
Wir zeigen die Zusammenhänge zwischen Auswanderung und Shoa am historischen<br />
Orten in Hamburg auf und freuen uns aufs Wiedersehen - Lehitraoth<br />
53
Marsch des Lebens<br />
Was war unser Anliegen, den Marsch des Lebens im April 2015 zu organisieren<br />
und uns ein Jahr später an der Gedenkveranstaltung zu beteiligen?<br />
Eine persönliche Stellungnahme<br />
Weaver, Kulturphilosoph des 20.<br />
Jhd.: "Das Problem mit der Menschheit<br />
ist, dass sie vergisst, sich über<br />
die vorangegangenen Geschehnisse<br />
zu informieren."<br />
Und der Philosoph George Santanya<br />
stellt fest: "Wer sich nicht an die Vergangenheit<br />
erinnern kann, ist dazu<br />
verdammt, sie zu wiederholen."<br />
Wir waren eine Gruppe von Christen<br />
unterschiedlicher Konfessionen aus<br />
Hamburg und Schleswig -Holstein,<br />
die den Versöhnungsmarsch 70 Jahre,<br />
nachdem der historische Todes-<br />
Beim Marsch des Lebens, Hamburg- Norderstedt<br />
marsch stattfand, durchführten. Warum<br />
haben wir das gemacht, in einer<br />
Zeit, wo doch der Ruf immer lauter<br />
wird, das reicht doch endlich, wir haben<br />
doch heute wahrlich genug massive,<br />
aktuellere Probleme.<br />
Aber andererseits: Was sind 70<br />
Jahre bei einer so weitreichenden<br />
Tragödie mit geplantem<br />
Völkermord, in der "unser" historischer<br />
Marsch nur einen Mosaikstein<br />
ausmachte?<br />
In der Bibel wird von einem<br />
Mann namens Daniel geschrieben,<br />
dessen Haltung für uns<br />
bei der Vorbereitung dieses<br />
Marsches von besonderer Bedeutung<br />
war. Er identifiziert<br />
sich mit der Schuld seines Volkes<br />
und tritt vor Seinem Gott<br />
für ein Geschehen ein, dass<br />
ungefähr 70 Jahre zuvor stattgefunden<br />
hatte. Er beginnt<br />
sein Gebet mit den Worten :<br />
"Wir haben gesündigt ..." Er<br />
stellt sich also bewußt mit unter<br />
die Schuld seiner Vorfahren.<br />
Zweitens, aus philosophischer<br />
Sicht, z.B. Ein Wort v. Richard<br />
Drittens der historische Blick: In einer<br />
Dokumentation der Gedenkstätte<br />
Neuengamme heißt es über „Kola-Fu",<br />
eines der KZ-Außenlager, wo<br />
die Gefangenen mit dem Marsch<br />
starteten: "Insgesamt kamen in den<br />
Fuhlsbütteler Haftstätten zwischen<br />
1933 und 1945 annähernd 500 Frauen<br />
und Männer ums Leben." Und<br />
weiter heißt es: "Das am 4. September<br />
1933 eröffnete „Kola-Fu" genannte<br />
KZ Fuhlsbüttel, wurde innerhalb<br />
kürzester Zeit zu einer der berüchtigsten<br />
Terrorstätten im nationalsozialistischen<br />
Deutschland."<br />
Viertens der persönliche Zugang eines<br />
jeden von uns, die familiäre Verflechtung.<br />
Im folgenden 2 persönliche<br />
Beispiele aus meiner Familie:<br />
Mein Großvater war Berufssoldat<br />
und führte schon Agenten zur<br />
Kaiserzeit, im 1. Weltkrieg. Später<br />
war er unter Hitler in Hamburg, als<br />
Major, bzw. Hauptmann im militärischen<br />
Geheimdienst, der sogenannten<br />
"Abwehr" stationiert. In meiner<br />
Familie wurde über seine Tätigkeit<br />
geschwiegen. Er stand wie alle<br />
Wehrmachtsangehörigen unter Eid:<br />
„Ich schwöre bei Gott diesen heiligen<br />
Eid, dass ich dem Führer des Deutschen<br />
Reiches und Volkes, Adolf Hitler,<br />
dem Obersten Befehlshaber der<br />
Wehrmacht, unbedingten Gehorsam<br />
leisten und als tapferer Soldat bereit<br />
sein will, jederzeit für diesen Eid<br />
mein Leben einzusetzen." –<br />
Fassung des Eides vom 20. Juli 1935 (WIKI-<br />
PEDIA)<br />
54
Meine Mutter war im "Bund deutscher<br />
Mädchen" (BdM) und legte<br />
später als Lehrerin, wie alle Beamten,<br />
einen Eid auf Hitler ab: „Ein im<br />
deutschen Volk wurzelndes, von nationalsozialistischer<br />
Weltanschauung<br />
durchdrungenes Berufsbeamtentum,<br />
das dem Führer des Deutschen<br />
Reichs und Volkes, Adolf Hitler, in<br />
Treue verbunden ist, bildet einen<br />
Grundpfeiler des nationalsozialistischen<br />
Staates. Daher hat die<br />
Reichsregierung das folgende Gesetz<br />
beschlossen, das hiermit verkündet<br />
wird:<br />
Die besondere Verbundenheit mit<br />
Führer und Reich bekräftigt der Beamte<br />
mit folgendem Eide, den er bei<br />
Antritt seines ersten Dienstes<br />
zu leisten hat:<br />
‚Ich schwöre: Ich werde dem Führer<br />
des Deutschen Reiches und Volkes,<br />
Adolf Hitler, treu und gehorsam sein,<br />
die Gesetze beachten und meine<br />
Amtspflichten gewissenhaft erfüllen,<br />
so wahr mir Gott helfe.'<br />
Das Deutsche Beamtengesetz vom<br />
26. Januar 1937 (Wikipedia) (nur<br />
wenige Deutsche verweigerten diesen<br />
"Eid auf den Führer").“<br />
Wieviel Leid und Not ging von unserem<br />
Volk aus in die gesamte Welt<br />
und besonders gegen das jüdische<br />
Volk?!<br />
Dieses hat mich in meiner meiner<br />
Identitätssuche als junger Mensch<br />
sehr belastet.<br />
Wie sollte ich mit dieser Bürde umgehen?<br />
Zwei Juden sind mir dabei besonders<br />
hilfreich gewesen. Der eine lebte<br />
vor 2000 Jahren, IHN kennenzulernen,<br />
verschaffte mir Zugang zum<br />
Gott Israels.<br />
Und dann war für meinen Weg eine<br />
französische Jüdin wichtig, in deren<br />
norddeutscher Gemeinschaft ich<br />
nach meinem Sozialpädagogik-<br />
Studium drei prägende Jahre mitlebte.<br />
Sie war eine Holocaustüberlebende.<br />
Als Kind hat sie Mengeles<br />
medizinisches Folterprogramm<br />
durchlitten. Sie lehrte die jüdische<br />
Bibel.<br />
Sie lebte Versöhnung.<br />
Wir verstanden den Marsch 2015,<br />
und auch das Gedenken in diesem<br />
Jahr, als ein deutliches Zeichen gegen<br />
den modernen Antisemitismus<br />
und Fremdenhass in unseren Tagen<br />
und der Solidarität mit dem heutigen<br />
Staat Israel, dem wir uns als christliche.<br />
Israelfreunde besonders verbunden<br />
fühlen.<br />
Michael Dierks<br />
55
Die sächsischen Israelfreunde sind unserer älterer „großer Bruder“ in ihrem Einsatz für Israel. Für uns motivierendes<br />
Vorbild! Insbesondere ihr Arbeitszweig der praktischen ehrenamtlichen Handwerkerdienst - Reisen für<br />
Holocaustüberlebende. Ein Norddeutscher Israelfreund berichtet von seiner Teilnahme<br />
Helfen & Heilen<br />
Meine beiden Einsätze in 2017 mit<br />
dem Handwerkerdienst „Hände zum<br />
Leben“ von den Sächsischen<br />
Israelfreunden (SIF) waren ein<br />
echtes Erlebnis. Nachdem ich schon<br />
Gruppen-, Info- und Privatreisen in<br />
Israel erlebt habe, war diese Form<br />
eine echte Ergänzung, die Israelis im<br />
persönlichen Umfeld zu erleben. Es<br />
geht bei diesem Dienst nicht nur<br />
darum, die zum Teil stark renovierungsbedürftigen<br />
Wohnungen bzw.<br />
Häuser der Holocaustüberlebenden<br />
zu verschönern, sondern sich Zeit<br />
für die Bewohner zu nehmen und zu<br />
versuchen, durch geduldiges<br />
Zuhören und Gespräch verwundete<br />
Herzen zu heilen.<br />
Allein die Zusammensetzung der<br />
Gruppe u. Arbeitsteams bedeutet für<br />
die Verantwortlichen in Sachsen eine<br />
Menge Weisheit und Gebet, ihnen<br />
gilt meine Bewunderung. Da die<br />
optimale Besetzung einer Gruppe<br />
mit ausgebildeten Elektrikern,<br />
Klempnern, Maurern etc. offensichtlich<br />
nicht immer erreicht werden<br />
kann, sind auch handwerklich<br />
vorbelastete Heimwerker wie ich auf<br />
den Reisen zu finden. Die Einsatzdauer<br />
beträgt im Schnitt 2 Wochen,<br />
Start und Ende jeweils am Wochenende.<br />
Bei meinen Reisen im Jahr<br />
2017 hat sich der größte Teil der<br />
Gruppe, die aus 19 Personen<br />
bestand, in Berlin getroffen. Eine<br />
individuelle Anreise ist zwar möglich,<br />
man sollte dann aber auch eigenständig<br />
das Quartier in Givat Ye'arim<br />
(ca. 17 km vor Jerusalem) erreichen.<br />
Nach einem gemeinsamen Auftakt<br />
und Kennenlernen in Givat Ye'arim,<br />
bleibt ca. die Hälfte der Gruppe dort<br />
und jeweils 4 Personen fahren dann<br />
mit PKWs in Standorte im Norden<br />
und Süden Israels.<br />
Einsatzort & Baustellen<br />
In unserem Standort in Maor wurden<br />
die einzelnen Baustellen sehr gut<br />
von dem ortsansässigen Koordinator<br />
Henoch vorbereitet. Die Arbeiten auf<br />
den geplanten Baustellen hatte er für<br />
uns in einer Arbeitsmappe aufgelistet.<br />
Unser Tag begann mit gemeinsamen<br />
Singen und Austausch über den<br />
Römertext 9 -11, anschließend<br />
konnten wir das gemeinsam zubereitete<br />
Frühstück draußen vor dem<br />
Haus genießen.<br />
Am ersten Einsatztag in Maor haben<br />
wir den eigenen Garten auf „Vordermann“<br />
gebracht, bereits gepflanzte<br />
Bäume neu befestigt, drei neue<br />
Bäume gepflanzt, Wasserleitungen<br />
für die neuen Bäume verlegt etc.<br />
Am zweiten Tag fuhr Henoch mit uns<br />
in das Haus einer alten Dame Alisia,<br />
die gehbehindert in einem Rollstuhl<br />
saß und stundenweise eine Pflegerin<br />
brauchte. Nachdem sie uns über ihre<br />
Herkunft von Gadaffi erzählte, war<br />
zu entnehmen, das Libyen ihre<br />
frühere Heimat war. Ein Unfall führte<br />
zur Gehbehinderung und auch zu<br />
einem verkrüppelten Unterarm.<br />
Ihr Haus bestand im wesentlichen<br />
aus einem großen Zimmer, zu dem<br />
Küche, Wohnzimmer und Schlafecke<br />
gehörten. Der Gesamteindruck des<br />
Hauses war trotz der vielen Familienbilder<br />
und einem permanent<br />
laufenden Fernseher eher armselig.<br />
Hier verspachtelten u. malten wir an<br />
den nächsten Tagen die Wände u.<br />
Decken, erneuerten zum Teil<br />
Lampen, Schalter und Steckdosen.<br />
Vom Bad aus ging nur eine kleine<br />
Maueröffnung in einen Abstellraum,<br />
hier wurde in unserem Auftrag ein<br />
passendes Fenster eingesetzt um<br />
evtl. auch die in der Küche befindliche<br />
Mausefalle eines Tages einzusparen.<br />
Verpflegung & Selbstversorgung<br />
Das gute und umfangreiche Mittagessen<br />
wurde uns in einem Begegnungszentrum<br />
angeboten, zu dem<br />
Henoch durch die verschiedenen<br />
Arbeiten gute Kontakte aufgebaut<br />
hat. Für Frühstück (am Freitagmor-<br />
gen für die gesamte Gruppe) und für<br />
das Abendessen kauften wir dann<br />
noch gemeinsam in einem Supermarkt<br />
ein. Wichtig waren dem<br />
Kassenwart, für alle Ausgaben wie<br />
Lebensmittel, Baumaterialien,<br />
Benzin etc. die Belege zu haben und<br />
möglichst das Budget einzuhalten!<br />
Wochenendtouren<br />
Am Freitag und Samstag traf sich<br />
die Gruppe dann zu Ausflügen. Die<br />
Novembergruppe besuchte am<br />
ersten Freitag das Atlit Detention<br />
Camp (Museum) wo nach 1945<br />
sogenannte „illegal eingewanderte“<br />
Juden von den Engländern untergebracht<br />
wurden. Anschließend fand<br />
ein Picknick am Rande des Carmels<br />
statt, hier wurden die morgens<br />
zusammengestellten Speisen bei<br />
herrlichstem Novemberwetter<br />
verspeist. Danach ging es zum<br />
Baden ans Mittelmeer bzw. Einige<br />
wanderten auf dem Israel Trail ins<br />
Künstlerdorf „En Hod“. Zum umfangreichen<br />
Shabatessen trafen wir uns<br />
dann abends alle in der JH „Karei<br />
Deshe“ am See Genezareth.<br />
Nach dem Essen gab es eine erste<br />
Austauschrunde, in der jeder über<br />
seine Eindrücke und Erlebnisse der<br />
ersten Arbeitswoche berichten<br />
konnte. Am Samstag wanderten wir<br />
auf dem Golan zu dem Meshushim<br />
Hexagonpool, mit der Option, dort<br />
ein erfrischendes Bad zu genießen,<br />
was auch bei rund 30° Lufttemperatur<br />
eine Wohltat war.<br />
Zum Mittagessen ging es nach<br />
Magdala, wo die Gruppe sich mit<br />
Pitabrot, Falafel und frischen Salaten<br />
stärken konnte. Bevor sich die<br />
Gruppen wieder in die drei Standorte<br />
verabschiedeten, gab es noch einen<br />
Besuch im Hofladen „Tamar“ vom<br />
Kibbuz Kinneret, wo jeder die<br />
Gelegenheit hatte, Produkte aus der<br />
Region einzukaufen.<br />
Arbeit ohne Ende und Begegnungen<br />
Unsere zweite Arbeitswoche begann<br />
am Sonntag mit einem Tageseinsatz<br />
56
auf dem landwirtschaftlichen<br />
Gelände des Kibbuz Beth El in<br />
Binyamina. Hier waren bereits<br />
zugesägte Hölzer zu lasieren, die im<br />
nächsten Frühjahr auf dem Gelände<br />
einer psychiatrischen Einrichtung<br />
gebraucht werden. Am Montagvormittag<br />
lud uns Henoch ins Cafe<br />
Europa ein, ein Treffpunkt auch von<br />
Holocaustüberlebenden, wo bei<br />
Kaffee & Kuchen ein fröhlicher<br />
Austausch möglich ist.<br />
Hier kamen wir mit der 87-jährigen<br />
Holocaustüberlebenden Frau<br />
Hamburger ins Gespräch, die uns in<br />
eindrücklicher Weise kurz ihre<br />
Lebensgeschichte erzählte. Bei<br />
dieser Gelegenheit zeigte sie uns die<br />
eintätowierte Nr. aus dem KZ<br />
Auschwitz auf ihrem Unterarm, was<br />
uns alle besonders berührte. Auf die<br />
Frage aus unserer Gruppe, wie es<br />
zu verstehen ist, dass wir Deutsche,<br />
trotz dieses schweren Verbrechens<br />
an den Juden in Israel, überwiegend<br />
freundlich aufgenommen werden,<br />
sagte sie:<br />
Sie könne nur für sich sprechen, sie<br />
habe sich entschieden, diese<br />
Vergangenheit hinter sich zu lassen<br />
um nicht zu verbittern, sondern<br />
positiv in die Zukunft zu schauen.<br />
Dieses strahlte sie auch mit ihrem<br />
ganzen Wesen aus. Im Anschluss<br />
versuchten wir noch die Arbeiten auf<br />
der ersten Baustelle, so weit es in<br />
unseren Möglichkeiten lag, abzuschließen.<br />
Zum Abschied erhielten<br />
wir von Alisia Pflanzen aus ihrem<br />
Vorgarten, die wir als Geschenk mit<br />
nach Deutschland nahmen.<br />
Zu zweit ging es dann noch in eine<br />
Wohnung, in der ein alter kranker<br />
Mann und seine Betreuerin lebten,<br />
hier waren ebenfalls Spachtel- u.<br />
Malerarbeiten gefragt. Bei den<br />
Versuchen, mit Arie mit Hebräisch<br />
oder Englisch ins Gespräch zu<br />
kommen, sprach er plötzlich zu<br />
unserer Überraschung kurze<br />
deutsche Sätze, sein Geburtsort liegt<br />
in Ungarn.<br />
Am zweiten Wochenende besuchten<br />
wir als Gesamtgruppe Jerusalem<br />
und am Samstag in Arad die Ausstellung<br />
„The fountain of tears“ ,<br />
anschließend ging es nach „En<br />
Bokek“ ans Tote Meer.<br />
Aussichten für <strong>2018</strong><br />
Im Jahr <strong>2018</strong> plant der Handwerkerdienst<br />
„Hände zum Leben“ sieben<br />
Einsätze, der erste Einsatz startet im<br />
Februar <strong>2018</strong>, der letzte im November.<br />
Da diese Reisen offensichtlich<br />
auch Wiederholungstäter produzieren,<br />
sollte man/frau sich schnell um<br />
einen der begehrten Plätze bewerben.<br />
Die notwendigen Unterlagen<br />
sowie die genauen Reisetermine<br />
und weitere Infos sind unter folgender<br />
homepage zu finden: www.zumleben.de/reisen/handwerkerdienst<br />
Ein überzeugter Teilnehmer:<br />
Klaus Arle<br />
„Helden des Alltags“<br />
Eine Ausstellung, um israelische Sicherheits- und Rettungskräfte zu ehren<br />
„TPS organisiert eine neue Ausstellung,<br />
"Helden des Alltags", die 20<br />
unserer besten Fotos von Soldaten,<br />
Polizisten, Feuerwehrleuten und<br />
anderen Kräften zur Verteidigung<br />
Israels zeigt. Die Ausstellung ehrt die<br />
Menschen, die ihr Leben für die<br />
Sicherheit von uns allen riskieren.“<br />
Ausstellungseröffnung ist bei dem<br />
7. Freundestreffen der Israelfreunde<br />
Norddeutschlands, am 27.01.18 in<br />
www.cindev.de<br />
Hamburg- Poppenbüttel.<br />
Wir möchten diese<br />
Ausstellung gerne<br />
durch Norddeutschland<br />
touren lassen.<br />
Gemeinden und<br />
Werke, die Interesse<br />
haben, diese in<br />
ihren Räumen<br />
auszustellen,<br />
mögen sich bei uns<br />
melden. Christliche<br />
Israelfreunde<br />
Norddeutschland,<br />
HH e.V.<br />
Wer hat die Ausstellung erstellt:<br />
TPS Nachrichtenagentur -<br />
www.tpsnews.co.il<br />
Tazpit Press Service (TPS) ist eine<br />
internationale israelische Nachrichtenagentur,<br />
die internationalen<br />
Medien (USA, Europa, Südamerika<br />
und viele andere) aktuelle, genaue<br />
und verlässliche Nachrichteninformationen<br />
über Israel und den Nahen<br />
Osten liefert. Die Agentur berichtet<br />
über eine breite Palette von Themen:<br />
Wirtschaft, Sicherheit, Politik,<br />
Technologie, wissenschaftliche<br />
Entwicklungen, Landwirtschaft,<br />
menschliche Geschichten und mehr.<br />
Die Mission von TPS besteht darin,<br />
als führende Quelle kritischer<br />
Informationen über israelische<br />
Angelegenheiten zu dienen. Sie will<br />
dabei alle Aspekte der Sicherheit,<br />
Politik, Gesellschaft, Technologie,<br />
Wirtschaft und Kultur Israels abdecken.<br />
Nach eigenem Selbstverständnis<br />
sieht sie ihren besonderen<br />
Auftrag darin, dass sie alle Seiten<br />
der Geschichte versucht zu erzählen<br />
und dazu Bilder liefert, die üblicherweise<br />
sonst nicht gezeigt würden,<br />
und vervollständigt somit die<br />
Wahrnehmungs-Möglichkeiten der<br />
aktuellen Geschehnisse in Israel.<br />
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Als christliche Israelfreunde Norddeutschlands stehen wir in unserem Engagement an der Seite Israels. Eingebunden in ein weltweites<br />
christliches denominationsübergreifendes Netzwerk möchten wir in unsere Kirchen, Werke und Gemeinden hineinwirken.<br />
Impulse<br />
"Christians for Israel International", die weltweite Dachorganisation von „Christen an der Seite Israels“ in Deutschland, Österreich und der<br />
Schweiz, veröffentlichte folgende Impulse. In der Einführung heißt es dazu:<br />
Es gibt 12 Stämme Israels. 12<br />
Apostel wurden in die Welt gesandt,<br />
um das Evangelium vom Königreich<br />
Gottes zu verkündigen. In 12 Artikeln<br />
bekennt die Kirche aller Zeiten ihren<br />
Glauben. Dankbar nehmen wir<br />
Christen diese Worte an, als eine<br />
Zusammenfassung des Schriftzeugnisses<br />
von unserer Erlösung. Jedoch<br />
bezeugt die Schrift noch mehr. Das<br />
klassische Bekenntnis spricht kaum<br />
über die Heilsgeschichte. Wir<br />
können sie nur vermuten hinter dem<br />
Bekenntnis von Gott dem Vater als<br />
Schöpfer und Jesus Christus als<br />
Herrn, der zum Gericht kommen<br />
wird. Die Erwählung Israels, Gottes<br />
Bündnisse mit Israel, das Königreich<br />
Christi auf dem Throne Davids, die<br />
Wiederherstellung Israels und so der<br />
ganzen Schöpfung sind nicht im Bild.<br />
Die klassischen Worte des Bekenntnisses<br />
brauchen Vervollständigung.<br />
Die 12 Artikel ersetzen nicht irgendein<br />
Bekenntnis, sondern sollen ein<br />
Impuls sein, weiter über die biblische<br />
Botschaft von Israel und dem<br />
Königreich Gottes nachzudenken:<br />
1. Wir glauben, dass Israel von Gott<br />
geschaffen und erwählt wurde zum<br />
Segen für die Nationen.<br />
2. Wir glauben, dass die Kirche und<br />
die Nationen Israel segnen sollten.<br />
3. Wir glauben, dass die Kirche<br />
Israel nicht ersetzt hat.<br />
Durch den<br />
Glauben an Jesus sind wir ebenfalls<br />
"Kinder Abrahams" geworden, des<br />
Vaters aller, die glauben.<br />
4. Wir glauben, dass alle Bundesschlüsse<br />
seit Abraham mit Israel<br />
geschlossen wurden.<br />
5. Wir glauben, dass es ein Geheimnis<br />
ist um die Verhärtung eines<br />
Teiles von Israel um unseretwillen,<br />
dass aber auch eine Blindheit<br />
seitens der Kirche gegenüber Israel<br />
vorliegt und eine Decke über den<br />
Nationen hinsichtlich Israel.<br />
6. Wir glauben, dass der HERR treu<br />
zu allen Bundesschlüssen mit Israel<br />
steht, ebenso wie zu allen Seinen<br />
Verheißungen,<br />
die ER der Kirche<br />
gab.<br />
7. Wir glauben, dass die Kirche<br />
Buße tun sollte angesichts des<br />
Antisemitismus über die Jahrhunderte<br />
hinweg und wahre Reue in Wort<br />
und Tat in der Solidarität gegenüber<br />
Israel und dem jüdischen Volk<br />
zeigen und ihre Ersatztheologie und<br />
Erfüllungstheologie ändern sollte.<br />
8. Wir glauben, dass die Wiederherstellung<br />
des jüdischen Volkes im<br />
Verheißenen Land Israel den Beginn<br />
der endgültigen Erlösung darstellt.<br />
Wir glauben, dass die Nationen eine<br />
Verantwortung dafür tragen, bei der<br />
Rückkehr der Juden zu helfen.<br />
9. Wir glauben, dass die Stadt<br />
Jerusalem der Ort ist, an dem der<br />
HERR wieder Seinen Heiligen<br />
Namen wohnen lassen will.<br />
10. Wir glauben, dass der Messias<br />
eines Tages kommen wird, um Sein<br />
weltumspannendes Königreich zu<br />
errichten.<br />
Dann werden die Gerechten<br />
aus den Gräbern leiblich auferstehen<br />
und mit Christus in Seinem<br />
Königreich auf Erden regieren.<br />
Daher beten wir für den Frieden von<br />
Jerusalem.<br />
11. Wir glauben, dass der Menschensohn<br />
über die gottlosen<br />
Nationen Gericht halten wird, wenn<br />
Sein Reich kommt, und Er sie fragen<br />
wird, wie sie mit Israel und dem<br />
jüdischen Volk umgegangen sind.<br />
12. Wir glauben, dass am Ende und<br />
endgültig die Erneuerung aller Dinge<br />
geschehen wird. Die Schöpfung wird<br />
von der Knechtschaft der Vergänglichkeit<br />
befreit und zur herrlichen<br />
Freiheit der Kinder Gottes geführt.<br />
Dann wird Gott alles in allem sein.<br />
-<br />
entn.: Israelaktuell.de, Nr. 103,<br />
Dez. 2017 - Jan. <strong>2018</strong><br />
Impressum<br />
Herausgeber und Bezugsadresse<br />
Christliche Israelfreunde Norddeutschland,<br />
HH e.V.<br />
Ohlendiekskamp 84 – 22399 Hamburg,<br />
Tel. 040 – 6027843<br />
E-Mail: M.Dierks@israelfreunde.de;<br />
www.cindev.de<br />
Vorstand gem. § 26 BGB<br />
Michael Dierks (Vorsitzender),<br />
Ulrike Dierks (stellv. Vorsitzende),<br />
Rüdiger Brakebusch (Schatzmeister).<br />
Alexander Suckert (Schriftführer)<br />
Friedrich Quaas (Beisitzer, Theolog. Berater)<br />
Erscheinungsweise der <strong>Gedenkschrift</strong>:<br />
1. Auflage 500 Exempl., Januar <strong>2018</strong><br />
Die Verfasser der einzelnen Artikel sind für<br />
ihre Artikel selbst verantwortlich. Es gilt die<br />
"Brille" des Verfassers!<br />
Bezugspreis: auf Spendenbasis<br />
Redaktion: Michael Dierks mit Team<br />
Layout und Satz: Detlef Suhr<br />
Druck: Best Copy System<br />
Lektorat: Monika Niemann<br />
Bilder, soweit nicht anders gekennzeichnet:<br />
© Christliche Israelfreunde<br />
Norddeutschland, HH e.V.<br />
Alle Rechte vorbehalten!<br />
Nachdruck, Vervielfältigung, Abschrift oder<br />
sonstige Veröffentlichung - auch auszugsweise<br />
- nur mit schriftlicher Genehmigung des<br />
Herausgebers.<br />
Bankverbindung<br />
IBAN: DE8721 352240 017909 2986<br />
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C H R ISTLICHE<br />
Israelfreunde<br />
N O R D D E U T S C H L A N D - H A M B U R G e . V.<br />
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Warum gehört Israel in unser Glaubensbekenntnis?!<br />
Friedrich Quaas, Pastor i. R.<br />
In den sogenannten "Groß"-Kirchen<br />
wird in den Gottesdiensten ein<br />
verbindliches Glaubensbekenntnis<br />
(Credo) von der Gemeinde gesprochen,<br />
das in dieser Form so in den<br />
meisten Gottesdiensten im liturgischen<br />
Ablauf gleich bekannt wird.<br />
Dieses beeinhaltet Glaubensgrundsätze<br />
unserer Kirchen, die vor vielen<br />
Jahrhunderten der Kirchengeschichte<br />
verbindlich ausformuliert wurden.<br />
So ist das im evangelischen Raum<br />
oft verwendete nizänische Glaubensbekenntnis<br />
in einer Zeit entstanden,<br />
als die Trennung von Kirche<br />
und Synagoge bereits vollzogen war.<br />
Das gilt erst recht für das später<br />
entstandene apostolische Credo.<br />
In Nizäa, wo das ältere Credo<br />
formuliert wurde, waren die jüdischen<br />
Bischöfe bewusst vom Konzil<br />
ausgeschlossen. Das hatte weitreichende<br />
Folgen bis heute – auch für<br />
den fomulierten Credoinhalt.<br />
So klingt die Formulierung:" Ich<br />
glaube an die heilige christliche<br />
Kirche", als wäre sie an die Stelle<br />
des heiligen Volkes Israel getreten!<br />
Da das nizänische Credo entstand,<br />
um falsche Irrlehren abzuwehren, ist<br />
es dogmatisch so festgeschrieben,<br />
dass eine Korrektur kaum möglich<br />
scheint.<br />
Doch ist es uns wichtig, das Werden<br />
des Credo mit seinem geschichtlichen<br />
Hintergrund heute wieder<br />
bewußt zu machen, um einen<br />
Impuls von der Basis der Gläubigen<br />
zu setzen. Uns ist es besonders<br />
wichtig, gottesdienstliche Gemeinschaft<br />
mit den Gläubigen aus den<br />
Juden zu leben, um zu einer neuen<br />
Einheit zusammenzuwachsen. So<br />
haben wir den Begriff "Kirche"<br />
gegen "Gemeinschaft" ausgetauscht.<br />
Dies fiel uns schwer,<br />
weil er doch an die Stelle scheinbar<br />
muss, aber messianische Juden<br />
verstehen sich nicht als Kirche. Und<br />
unser biblischer Auftrag ist, gerade<br />
diese Gemeinschaft einzuüben.<br />
Denn nach Epheser 2,15 ist der<br />
neue Mensch eine Einheit von zwei<br />
Menschengruppen mit unterschiedlicher<br />
Identität: Juden und Nichtjuden.<br />
Was sie verbindet, ist ihr<br />
gemeinsamer Glaube an den<br />
Messias Israels.<br />
Wie könnte ein Glaubensbekenntnis aussehen, in dem die besondere<br />
Beziehung zu Israel berücksichtigt wird? - ein Impuls<br />
Ich glaube an Gott, den Vater,<br />
Schöpfer des Himmels und der Erde,<br />
der sich seinem Volk Israel offenbart hat.<br />
Und an Jesus Christus, Gottes eingeborenen Sohn, unseren Herrn,<br />
der empfangen ist durch den Heiligen Geist<br />
und als Jude geboren wurde, von der Jungfrau Maria.<br />
Er hat gelitten und wurde von den Hohenpriestern ausgeliefert<br />
an Pontius Pilatus und ist unter ihm gekreuzigt, gestorben und begraben.<br />
Er stieg hinab in das Reich des Todes, ist am 3. Tage auferstanden von dem Tod<br />
und aufgefahren in den Himmel.<br />
Er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters;<br />
von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten.<br />
Ich glaube an den Heiligen Geist,<br />
die heilige christlich-messianisch-jüdische Gemeinschaft,<br />
die aus dem Volk Israel hervorgegangen ist.<br />
Ich glaube an die Vergebung der Sünden,<br />
an die Auferstehung der Toten und das ewige Leben.<br />
Amen<br />
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