18.01.2018 Aufrufe

Gedenkschrift 2018-Endfassung

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

1938<br />

vor 80 Jahren<br />

<strong>Gedenkschrift</strong><br />

C H R ISTLICHE<br />

Israelfreunde<br />

N O R D D E U T S C H L A N D - H A M B U R G e . V.<br />

zum 7. Treffen<br />

der Christlichen<br />

Israelfreunde Norddeutschland<br />

am internationalen<br />

Holocaustgedenktag<br />

27. Januar <strong>2018</strong>


„Der Flath-Altar“ der Marktkirche in Hamburg-Poppenbüttel wurde von dem Künstler und Schnitzer<br />

Otto Flath, Bad Segeberg, in den frühen 50ger Jahren geschaffen und von dem Kirchengemeindevorstand<br />

erworben. Interessanterweise bevor das Kirchengebäude erstellt war.<br />

Ab 1938 können Juden nicht mehr Mitglieder der Evangelischen Kirche werden. Der kirchliche Arierparagraph<br />

wird in den meisten evangelischen Kirchen auch auf die bloße Mitgliedschaft ausgedehnt<br />

(in Thüringen z. B. ab dem 10.2.1939). Das evangelische Programm der "Judenmission" wird damit allmählich<br />

eingestellt. In evangelischen Landeskirchen wird stattdessen damit begonnen, evangelisch<br />

getaufte Juden auszuschließen. Weiterhin wurde 1938 in der Führungsetage der Nazi – Ideologen darüber<br />

nachgedacht ein Zeichen einzuführen, um Juden zu kennzeichnen und somit gesellschaftlich auszugrenzen.<br />

(s. "Daten der Geschichte", S. 8)


Inhalt<br />

Verfasser/<br />

Autoren<br />

Seite<br />

Nachdenkliches<br />

„Was ihr in Memoriam macht ist ein „Kiddush Hashem“, eine Heiligung seines NAMENS“<br />

Theologische Besinnung zum Verhältnis von Christen und Juden gestern und heute<br />

Christen und Juden, eine belastete Beziehung<br />

1938 vor 80 Jahren. Daten der Geschichte aus Kirche und Staat mit weitreichenden Folgen<br />

Der Treueeid der Pastoren auf Hitler<br />

Die Kennzeichnung und somit sichtbare Ausgrenzung der Juden mit dem Judenstern<br />

Zwischen „Führerprinzip“ und Luthertum<br />

Die Altonaer Judenkartei<br />

„500 Jahre Reformation: Es gilt nicht nur zu feiern“<br />

"Martin Luther und die Juden – Notwendige Erinnerung zum Reformationsjubiläum“<br />

Luthers Theologie aus israeltheologischer Perspektive<br />

Verdrängung, Verdruss, Verantwortung? Kriegsurenkel und der lange Schatten unserer Vergangenheit<br />

Aufarbeitung - Was machte der Großvater in der Nazizeit?<br />

Bildnis vom Flath-Altar<br />

Kein Platz für Judenchristen - das Ende naht - 1935<br />

Bußbekenntnis - eine Handreichung für die Gemeinden<br />

Eine alte tiefe Wunde<br />

Antisemitismus - die Angst der Juden in Deutschland wächst<br />

Israel - die Verheißungen erfüllen sich<br />

Die Erfüllung prophetischer Aussagen in unseren Tagen<br />

Premierminister Netanjahu in Brüssel<br />

Mossab Hassan Yousefs Rede vor den UN-Menschenrechtsrat<br />

Die Obsession der UNO gegen Israel<br />

Israelsonntag<br />

Die Einheit von Juden und Nichtjuden<br />

Themen des 7. Israeltages<br />

Das Königreich Gottes<br />

Antisemitismus in neuer Gestalt - Gefahren erkennen ... Verantwortung übernehmen<br />

70 Jahre Israel - Warum diese Zahl so symbolisch ist<br />

Wann und wie mit Kindern in Deutschland interkulturell zur Shoa arbeiten<br />

Wo war Gott während des Holocausts?<br />

Was hat der Holocaust heute noch mit mir zu tun?<br />

Arbeit der christlichen Israelfreunde<br />

Beispiele aus unseren Tätigkeitsbereichen<br />

Wo sind wir mit unserem Anliegen präsent?<br />

Marsch des Lebens<br />

Helfen und Heilen<br />

„Helden des Alltags“<br />

Impulse // Impressum<br />

Warum gehört Israel in unser Glaubensbekenntnis?!<br />

3<br />

Michael Dierks<br />

Dr. Yehuda Bohrer<br />

Friedrich Quaas<br />

Prof. Klaus Wengst<br />

Tobias Krämer<br />

Rasmus Rahn<br />

Jurek Schulz<br />

Benjamin Berger<br />

Christian Unger<br />

Dr. Arthur Falk<br />

Anne - Marie Cejp<br />

Horst Krüger<br />

Alyosha Ryabinov<br />

Jurek Schulz<br />

Uwe Seppmann<br />

Frank Scheerer<br />

Luba Gohr<br />

H. u. E. Kaasmann<br />

Michael Dierks<br />

Klaus Arle<br />

Friedrich Quaas<br />

4<br />

5<br />

6/7<br />

8-10<br />

11<br />

11<br />

12<br />

13<br />

14<br />

15/16<br />

17-20<br />

21-23<br />

24-29<br />

30/31<br />

32/33<br />

33<br />

34<br />

35/36<br />

37<br />

38/39<br />

39<br />

40-42<br />

43<br />

44<br />

45<br />

46/47<br />

47<br />

48<br />

49<br />

49/50<br />

51-53<br />

53<br />

54/55<br />

56/57<br />

57<br />

58<br />

59


Nachdenkliches<br />

Was weiß ich vom jüdischen Hintergrund des Königs der Juden?<br />

Ist Jesus denkbar ohne Israel?<br />

Als König der Juden gestorben, auch für mich und Dich.<br />

Jahrhundertelang gelehrte Judenfeindschaft hat uns blind gemacht.<br />

Sie haben uns sein Jude-Sein, die ewige Erwählung seines Volkes -<br />

mit allen Verheißungen -<br />

ja die Bedeutung Israels, auch des Staates in den Augen Gottes,<br />

ignorieren und vergessen lassen.<br />

Sogar als in unserem Land das Leben des jüdischen Volkes bedroht war<br />

hat auch meine Kirche ihre Mitglieder jüdischer Herkunft<br />

ausgeschlossen und bewußt der Verfolgung ausgeliefert.<br />

Und das alles trotz des Wortes Jesu:<br />

„DAS HEIL KOMMT VON DEN JUDEN" (Joh. 4,22).<br />

Und heute?<br />

Da weltweit und auch überall in Europa sich wieder antisemitisches<br />

Denken breit macht<br />

und unsere jüdischen Brüder und Schwestern wieder<br />

ihren Notkoffer für die Flucht,<br />

die Aliya, bereit halten müssen, fragen wir:<br />

Was macht das mit mir, mit uns?<br />

Leben wir als eingepfropfte Zweige in der Verbindung zum<br />

edlen Ölbaum Israel, getragen von seiner Wurzel?<br />

Stehen wir solidarisch zu Israel?<br />

"Wer hat des HERRN Sinn erkannt?" (Römer 11,34)<br />

EIN RUF:<br />

Notwendig ist<br />

die Umkehr zum Gott Israels!<br />

4


Vorwort<br />

„Was Ihr in Memoriam macht ist ein „Kiddush Hashem“, eine<br />

Heiligung seines NAMENS.“<br />

Dr.Yehuda Bohrer, orthodoxer Rabbiner in Bet-El, Israel. Als kleines Kind konnte er gerade noch mit Kriegsbeginn aus<br />

Deutschland nach Israel fliehen. Sein Vater, Dr. Mordecai Bohrer, Rabbiner in Gailingen, kam im KZ Dachau um.<br />

1938 vor 80 Jahren<br />

Dieses Jahr feiern wir unser 7.<br />

Treffen der Christlichen Israelfreunde<br />

Norddeutschlands mit Teilnehmern<br />

aus unterschiedlichen Denominationen.<br />

Das Besondere am<br />

diesjährigen Treffen ist, dass wir uns<br />

zum ersten Mal am internationalen<br />

Gedenktag des Holocausts / der<br />

Shoah treffen. Als mir das bewusst<br />

wurde, begann in mir der innere<br />

Prozess mit der Frage, wie wir<br />

diesen Tag angemessen begehen<br />

können? Welche Themenstellungen<br />

dazu könnten heute für uns im<br />

christlichen Raum von Bedeutung<br />

sein?<br />

Ein Tag des Erinnerns und Ehrung<br />

der Opfer, bzw. ihrer Nachkommen.<br />

Als Tag des Innehaltens und des fragenden<br />

Besinnens bekommt er nochmal<br />

ein besonderes Gewicht, da<br />

zum einen das Jubiläumsjahr "500<br />

Jahre Reformation" endete, das verhängnisvolle<br />

Geschehen der Reichspogromnacht<br />

sich zum 80. Mal jährt<br />

und wir auf den 70.Geburtstag Israels<br />

zugehen.<br />

Viele Gemeindeglieder mit jüdischem<br />

Hintergrund wurden damals<br />

auch aus unseren christlichen Gemeinden<br />

ausgeschlossen und somit<br />

der Verfolgung preisgegeben. "...die<br />

Heimat des Lichts beging an diesem<br />

Tag das nicht mehr Gutzumachende.<br />

Die Kirche brach ihr Wort und lieferte<br />

die, die von ihr beschützt werden<br />

sollten, ihren Henkern aus.“ „Wir behalten<br />

ihnen gegenüber eine unverzeihliche<br />

Schuld.“ Dieses ist ein verkürztes<br />

und abgewandeltes Zitat von<br />

J. Chirac, das er, auf seine Nation<br />

gemünzt, bei einer Gedenkveranstaltung<br />

an der Stelle des ehemaligen<br />

Pariser Radfahrstadions "Vélodrome<br />

d’Hiver", Sammlungsort zur Deportation<br />

der Juden, äußerte.<br />

Das Geschehen des Ausgestoßenwerdens<br />

hatte und hat weitreichende<br />

Auswirkungen. So leben übrigens<br />

auch in unseren Gemeinden<br />

Nachkommen der Familien, die von<br />

dieser Geschichte schwerst traumatisiert<br />

sind. Noch heute fällt es ihnen<br />

schwer, bzw. ist es ihnen unmöglich,<br />

über ihre jüdischen Familienwurzeln<br />

öffentlich zu sprechen. Das durch<br />

Leid entstandene Familiencredo:<br />

"sag bloß nicht, dass du jüdisch<br />

bist!" (Denn dann kann dein Leben<br />

bedroht sein), bestimmt ihr Denken<br />

und Handeln bis zum heutigen Tag.<br />

Als ich dann mit der Zusammenstellung<br />

von Daten aus dem Jahr 1938<br />

begann und Informationen über<br />

Geschehnisse sammelte, die<br />

letztendlich Teil des Auftaktprozesses<br />

zur Shoah waren und die die<br />

Beziehung Juden – Christen/Kirche<br />

schwer belastete, entwickelten sich<br />

in mir verschiedene Fragestellungen:<br />

Kann es sein, dass auch heute<br />

immer noch der jahrtausendalte<br />

kirchengeschichtlich geprägte<br />

Antisemitismus (Antijudaismus)<br />

Auswirkungen hat? Kann es da<br />

hilfreich sein, sich auch Fragen zu<br />

stellen wie: Gibt es immer noch<br />

Auswirkungen theologischer Lehrprägung<br />

in unseren Kirchen, Gemeinden<br />

und Gruppen, die unser Bibelverständnis<br />

von Israel und dem Alten<br />

Testament beeinflussen und die<br />

Bedeutung, die wir dem heutigen<br />

Staat Israel geben?<br />

Da wir seit Generationen dieses Gift<br />

in die "fromme DNA" aufgenommen<br />

haben, ist unser Verständnis der<br />

Bibel, wie auch unser Verhältnis<br />

Juden gegenüber (wenn wir überhaupt<br />

welche persönlich kennen?)<br />

und unsere Sicht vom heutigen<br />

Israel davon stark beeinflusst. Vieles<br />

wirkt nach, ohne dass wir uns<br />

dessen bewußt sind.<br />

• Ja, könnte es sogar einen Zusammenhang<br />

geben zum Phänomen<br />

heutiger massiver Israelkritik, gerade<br />

auch im Raum der Kirche?!<br />

• Wie könnte unser besonderer<br />

Auftrag aussehen, als "Licht und<br />

Salz" unter unseren Mitchristen/<br />

Mitmenschen wirksam zu leben?!<br />

Aktuell sind die inneren Warnlampen<br />

unserer jüdischen Brüder und<br />

Schwestern wieder sensibilisiert, da<br />

in der Mitte unserer Gesellschaft,<br />

wie in den meisten europäischen<br />

Staaten, ja weltweit, der Judenhass<br />

sichtbar und spürbar zunimmt. Hinzu<br />

kommt der Judenhass der Migranten<br />

aus dem islamischen Kulturkreis. Sie<br />

tragen dazu bei, dass heute erneut<br />

bei Anti-Israel Demonstrationen in<br />

deutschen Städten in unerträglicher<br />

Weise wieder "Juden ins Gas!"<br />

gegrölt wird.<br />

Beim Erstellen dieser <strong>Gedenkschrift</strong><br />

wurde ich auf 2 kirchliche Dokumente<br />

zum Thema aufmerksam.<br />

Den Kommentar eines Synodentreffens<br />

in Bremen 2015 habe ich mit in<br />

diese Zusammenstellung aufgenommen.<br />

Die im November 2017<br />

veröffentlichte EKD-Broschüre zu<br />

"Antisemitismus" ist über das<br />

Kirchenamt Hannover zu beziehen.<br />

So entstand die vorliegende Zusammenstellung<br />

im Bemühen, Beiträge<br />

anzubieten, die auf unserem Weg<br />

der Nachfolge des Königs der Juden<br />

hilfreiche Impulse geben möchte.<br />

Gerade am Holocaustgedenktag<br />

wollen wir dabei innehalten, der<br />

familiären und kirchlichen Aufarbeitung<br />

Raum geben, auch um die<br />

Opfer und deren Nachkommen zu<br />

ehren (s. Kapitel "Juden-Christen,<br />

eine belastete Beziehung").<br />

5


Aber an einem solchen Tag möchten<br />

wir uns auch besinnen und zu Seiner<br />

Ehre bezeugen, wie der Ewige, der<br />

Gott Israels, heute in unseren Tagen<br />

vor unseren Augen handelt. Wir<br />

erleben die Erfüllung jahrtausendjahre<br />

alter Verheißungen (s. Kapitel<br />

" Israel - Verheißungen erfüllen sich")<br />

Denn wie Salomo im Predigerbuch<br />

(1,8 +10 und 3,15) sagt:<br />

"Was war, ist das, was sein wird und<br />

was geschehen ist, ist das, was<br />

geschehen wird.<br />

Und sagt man etwas, was gegenwärtig<br />

ist: "Das ist Neu" - längst ist<br />

es gewesen in den Zeitaltern, die vor<br />

uns gewesen sind. Gott sucht das<br />

Vergangene wieder hervor."<br />

Wir leben in Zeiten der Wiederherstellung.<br />

ER baut Sein Reich.<br />

Michael Dierks,<br />

November 2017 (Hrsg.)<br />

Christliche Israelfreunde<br />

Norddeutschland.HH e.V.<br />

Vorstandsvorsitzender<br />

Theologische Besinnung zum Verhältnis von Christen und Juden<br />

gestern und heute<br />

Friedrich Quaas, Pastor i.R. - Theologischer Berater des CIND-Vorstands<br />

Kirche und Synagoge am Portal des<br />

Straßburger Münsters<br />

Es macht mich immer noch fassungslos,<br />

wenn ich lese, wie die<br />

evang. Kirche in Deutschland in der<br />

Zeit des Nationalsozialismus auf die<br />

Judenverfolgung reagiert hat. Nach<br />

der Verbrennung von Synagogen<br />

und jüdischen Geschäften am 9./10.<br />

Nov. 1938 gab es so gut wie keine<br />

Proteste, im Gegenteil: viele Kirchenführer<br />

begrüßten das Geschehen,<br />

der thüringische Bischof Martin<br />

Sasse sprach sogar von einem<br />

„gottgesegneten Kampf des Führers<br />

zur völligen Befreiung unseres<br />

Volkes.“<br />

Mit dem Brand der Synagogen<br />

wurde dieser Kampf „gekrönt“!<br />

Luthers Schrift „Von den Juden<br />

und ihren Lügen“ (1543) läßt er<br />

nachdrucken und versteht sie als<br />

Rechtfertigung der NS – Maßnahmen<br />

gegen die Juden.<br />

WIE KONNTE ES DAZU<br />

KOMMEN ?<br />

Wir müssen uns heute eingestehen,<br />

dass ohne die jahrhundertealte<br />

christliche Judenfeindschaft<br />

der Holocaust nicht möglich<br />

gewesen wäre. Darauf weisen<br />

auch die Dokumente im Eingangsteil<br />

des Holocaustmuseums<br />

„Yad Vaschem“ in Jerusalem hin.<br />

Ich sehe mehrere Gründe für die<br />

verhängnisvolle Entwicklung der<br />

Beziehung von Christen und<br />

Juden. Ich nenne sie „Erbsünden<br />

der christlichen Theologie“. Ein<br />

Hauptgrund ist die DEUTUNG<br />

DER ZERSTÖRUNG JERUSA-<br />

LEMS im Jahre 70 n. Chr. - durch<br />

die Römer mit der anschließenden<br />

Zerstreuung der Juden in<br />

viele Länder - ALS EIN STRAF-<br />

GERICHT GOTTES über ein<br />

ungläubiges Volk, das seinen<br />

Messias nicht erkannt und zum<br />

Tod am Kreuz gebracht hat<br />

(später Gottesmord genannt).<br />

Der Kirchenvater Augustinus<br />

formuliert diese allgemein<br />

verbreitete Meinung so: “Die<br />

Juden sind unter alle Völker<br />

zerstreut als Zeugen ihrer Bosheit<br />

und unserer Wahrheit.“ Und er fügt<br />

hinzu: „Die Juden haben kein Recht<br />

mehr auf den (Ehren-) Titel `Israel`,<br />

nicht einmal auf den Namen<br />

`Juden`.“ Dazu muss man wissen,<br />

dass Augustinus mit seiner antijüdischen<br />

Haltung – wie andere Kirchenväter<br />

auch - die abendländische<br />

Theologie sehr stark geprägt hat.<br />

Martin Luther ist als Augustinermönch<br />

bei ihm in die Schule gegangen!<br />

Dagegen ist zu sagen, dass<br />

Jesus die kommende Zerstörung<br />

Jerusalems als Ruf zur Umkehr<br />

verstanden hat. Er weint über die<br />

Stadt, weil sie nicht erkannt hat,<br />

„was zu ihrem Frieden dient“ und er<br />

spricht von einer „gnädigen Heimsuchung“<br />

(Luk.19, 41- 44). Und er<br />

kündigt seine Wiederkehr nach<br />

Jerusalem an: “Ich sage euch: Ihr<br />

werdet mich von jetzt an nicht mehr<br />

sehen, bis ihr sprecht: Gelobt sei,<br />

der da kommt im Namen des<br />

HERRN“ (Matth. 23, 39). Für Paulus<br />

ist dieses zweite Kommen Jesu zu<br />

seinem Volk die Rettung „ganz<br />

Israels“: Aus Zion wird der Erlöser<br />

kommen, der alle Gottlosigkeit von<br />

Jakob abwenden wird und das ist<br />

mein Bund mit ihnen, wenn ich ihre<br />

Sünden wegnehmen werde.“ (Röm.<br />

11, 26 f).<br />

Die Diaspora ist für Israel nicht nur<br />

Strafgericht. In der Diaspora ist<br />

Israel - nach der Zerstörung des<br />

1.Tempels - zum Zeugendienst für<br />

den einen und wahren Gott berufen:<br />

„Ihr seid meine Zeugen, spricht der<br />

HERR, und ich bin Gott... Wendet<br />

6


euch zu mir, aller Welt Enden, denn<br />

ich bin Gott und sonst keiner mehr...<br />

Mir sollen sich alle Knie beugen und<br />

alle Zungen schwören und sagen: Im<br />

HERRN habe ich Gerechtigkeit und<br />

Stärke.“ (Jes. 43, 12 u. 45, 22 f). Die<br />

Diaspora Israels wurde - nach der<br />

Zerstörung des 2.Tempels - für die<br />

Heiden zum Segen, weil auf diese<br />

Weise das Evangelium in Kleinasien<br />

und Europa verbreitet wurde! Paulus<br />

war klar, dass das Evangelium<br />

zuerst den Juden gilt und dann den<br />

Heiden (Röm.1,16).<br />

Diese Reihenfolge geriet bald in<br />

Vergessenheit. Eine verhängnisvolle<br />

zweite Irrlehre macht sich breit, die<br />

sog. ERSATZTHEOLOGIE. Sie<br />

hängt eng mit der Deutung der<br />

Zerstörung Jerusalems als Gottes<br />

Strafgericht zusammen. Luther<br />

formuliert diese Irrlehre so: „Nach<br />

dem neuen Bund sind die Juden<br />

nicht mehr Israel. Die Christen sind<br />

die rechten Israeliten und die neuen<br />

Juden“, anders gesagt: Israel ist<br />

keine heilsgeschichtliche Größe<br />

mehr und für die Kirche ohne<br />

Bedeutung (so der ev. Theologe P.<br />

Althaus 1942). Das bedeutet, dass<br />

auch die Verheißungen für Israel auf<br />

die Kirche übergegangen sind.<br />

Die Warnung des Paulus vor dem<br />

Hochmut der Christen verhallt<br />

ungehört: „Rühmst du dich aber<br />

(gegenüber dem ungläubigen Israel),<br />

so sollst wissen: Nicht du trägst die<br />

Wurzel, sondern die Wurzel trägt<br />

dich“ (Röm.11, 18). Wir sind „eingepfropft“<br />

in den Ölbaum Israel<br />

(Röm.11,17). Das können wir nur<br />

immer wieder in Demut bekennen.<br />

Wir haben Anteil an den Verheißungen<br />

Israels und an seinem ewigen<br />

Bund mit Gott.<br />

Aus der Irrlehre der Ersatztheologie<br />

ergibt sich eine dritte „Erbsünde“:<br />

DIE ABWERTUNG DES ALTEN<br />

TESTAMENTES GEGENÜBER<br />

DEM NEUEN – mit der Unterscheidung<br />

von Gesetz und Evangelium.<br />

Luther: “Die Juden sind nun 1500<br />

Jahre außer Jerusalem im Elend,<br />

dass sie weder Tempel, Gottesdienst,<br />

Priestertum noch Fürstentum<br />

haben. Und liegt also ihr Gesetz mit<br />

Jerusalem und allem jüdischen<br />

Reich in der Aschen, so lange her“<br />

(Aus: Sendbrief „Wider die Sabbater“,1538).<br />

Es ist erstaunlich, was<br />

Luther zum „Gesetz des Mose“ zu<br />

sagen hat: „Das Gesetz des Mose<br />

geht die Juden an, es bindet uns<br />

somit von vorneherein nicht mehr.<br />

Denn dieses Gesetz ist allein dem<br />

Volk Israel gegeben. Ich wollte eher<br />

mein Leben lang nicht mehr predigen,<br />

ehe ich Mose wieder einlassen<br />

und Christus aus meinem Herzen<br />

reißen lassen wollte. Dass aber<br />

Mose die Heiden nicht binde, kann<br />

man aus dem Text des 2. Buch Mose<br />

beweisen, wo Gott spricht: “Ich bin<br />

der Herr, dein Gott, der dich aus<br />

Ägyptenland, aus dem Diensthaus,<br />

geführt habe. Aus diesem Text<br />

ersehen wir klar, dass selbst die<br />

zehn Gebote uns nicht angehen,<br />

denn er hat ja nicht uns aus Ägypten<br />

geführt, sondern allein die Juden“<br />

(aus: Eine Unterrichtung, wie sich<br />

die Christen in Mose sollen schicken).<br />

Kein Gedanke daran, dass Jesus in<br />

der Bergpredigt sagt: „Amen, ich<br />

sage euch: bis Himmel und Erde<br />

vergehen, wird weder der kleinste<br />

Buchstabe noch ein Tüpfelchen vom<br />

Gesetz vergehen, bis es alles<br />

geschieht.“ Kein Wort davon, dass<br />

die Tora eine heilsame Lehre ist für<br />

alle Menschen, wie Paulus betont in<br />

Röm. 2, 26 “Wenn (sogar) der<br />

Unbeschnittene tut, was nach dem<br />

Gesetz recht ist, meinst du nicht,<br />

dass er dann vor Gott als Beschnittener<br />

gilt?“ (vgl. Röm. 2,14-15).<br />

Jakobus spricht von der „Tora der<br />

Freiheit“ für jeden, der nicht nur<br />

Hörer, sondern Täter ist: “der wird<br />

glücklich werden in seinem Tun“<br />

(Jak.1, 25). Hat nicht Jesus beim<br />

letzten Abendmahl an den Auszug<br />

seines Volkes aus Ägypten gedacht,<br />

als er die Segensworte über dem<br />

Brot und über den Kelch sprach und<br />

seine Hingabe in den Tod als<br />

Befreiung aus der Sklaverei der<br />

Sünde und des Todes deutete? Nein,<br />

einen Gegensatz zwischen Evangelium<br />

und Gesetz kennt die Bibel nicht,<br />

vielmehr ist in beiden Testamenten<br />

Gesetz / Tora und Evangelium zu<br />

finden. Und Tora bedeutet nicht<br />

Gesetz im Sinne eines Strafgesetzbuches,<br />

sondern „Weisung“, Wegweisung<br />

zum Leben. Gott erweist seine<br />

Barmherzigkeit „an vielen Tausenden,<br />

die mich lieben und meine Gebote<br />

halten“<br />

(2. Mose 20, 6).<br />

Die Gnade überwiegt das Gericht.<br />

„Das aber heißt: Die Tora kann nicht<br />

dem Evangelium gegenübergestellt<br />

werden, vielmehr: Tora i s t Evangelium,<br />

i s t gute Botschaft“ ( Klaus-<br />

Wengst: „Christsein mit Tora und<br />

Evangelium", S.163)<br />

Umkehr von den Irrwegen christlicher<br />

Lehre aus 2000 Jahren<br />

Aus alledem ergibt sich, dass wir<br />

uns als Christen von diesen<br />

„Erbsünden“ lossagen und<br />

umkehren müssen von den<br />

Irrwegen der Vergangenheit. Das<br />

aber nicht nur um unseretwillen,<br />

sondern auch um Israels willen.<br />

Michael BROWN schreibt in seinem<br />

lesenswerten Buch „Unsere Hände<br />

sind mit Blut befleckt“ folgendes:<br />

„Jesus weint noch immer über<br />

Jerusalem.<br />

Es kann keinen Zweifel geben: er<br />

„litt“ mit seinem Volk... Sollten wir da<br />

nicht auch mit ihm leiden? Wie soll<br />

Israel seinen gekreuzigten König<br />

erkennen, wenn es ihn nicht vorher<br />

in uns erkennt? Zuerst muss die<br />

Kirche Tränen vergießen. Lasst uns<br />

h e u t e trauern und weinen, damit<br />

Israel m o r g e n Buße tun kann.<br />

Dann erst „werden sie mich ansehen,<br />

den sie durchbohrt haben. Und<br />

sie werden um ihn klagen , wie man<br />

klagt um den Erstgeborenen...“<br />

(Sach.12,10). Dann wird unser Herr<br />

Jesus wiederkommen und alles Leid<br />

wird ein Ende haben. Und wenn sich<br />

am Ende das angestaute Weinen vor<br />

Kummer mit dem Weinen vor Freude<br />

vermischt, dann wird der Allmächtige<br />

seine Hand ausstrecken und alle<br />

Tränen abwischen – für immer“<br />

(S.122 und 189 -190).<br />

7


Christen - Juden, eine belastete Beziehung<br />

1938 vor 80 Jahren<br />

Daten der Geschichte aus Kirche und Staat mit weitreichenden Folgen<br />

Ab 1938 - Juden können nicht<br />

mehr Mitglieder der Evangelischen<br />

Kirche werden. Der kirchliche<br />

Arierparagraph wird in den<br />

meisten evangelischen Kirchen auch<br />

auf die bloße Mitgliedschaft ausgedehnt<br />

(in Thüringen z. B. ab dem<br />

10.2.1939).<br />

Das evangelische Programm der<br />

"Judenmission" wird damit allmählich<br />

eingestellt. In evangelischen<br />

Landeskirchen wird stattdessen<br />

damit begonnen, evangelisch<br />

getaufte Juden auszuschließen.<br />

März: Einlieferung von Martin<br />

Niemöller in ein Konzentrationslager<br />

Dachau.<br />

13. März: Einmarsch deutscher<br />

Truppen in Österreich.<br />

1. März: Pastor Grüber, Berlin,<br />

beginnt seine Hilfstätigkeit für<br />

»nichtarische« Christen.<br />

26. April:<br />

Mit der Verordnung über die Anmeldung<br />

von jüdischem Vermögen über<br />

5.000,- RM wird die »Arisierung«<br />

jüdischen Eigentums eingeleitet.<br />

Neues Kirchengesetz: Alle evangelischen<br />

Pfarrer müssen den<br />

Treue-Eid auf Adolf Hitler schwören<br />

18. Mai: Der bayrische Landesbischof<br />

Meiser erlässt aufgrund des<br />

kirchlichen "Ermächtigungsgesetzes"<br />

von 1933 freiwillig und ohne dazu<br />

gedrängt zu werden ein Kirchengesetz<br />

über den Treue-Eid der Pfarrer<br />

auf Adolf Hitler. Das Ermächtigungsgesetz<br />

ermöglicht es Meiser seit<br />

1933, kirchliche Gesetze ohne<br />

Zustimmung zu erlassen oder zu<br />

ändern. Das Kirchengesetz lautet:<br />

"Die Pfarrer der bayerischen<br />

Landeskirche haben als Träger eines<br />

öffentlichen Amtes folgenden Eid zu<br />

leisten: "Ich schwöre bei Gott dem<br />

Allmächtigen und Allwissenden: Ich<br />

werde dem Führer des Deutschen<br />

Reiches und Volkes, Adolf Hitler,<br />

treu und gehorsam sein, die<br />

Gesetze beachten und meine<br />

Amtspflichten gewissenhaft erfüllen,<br />

so wahr mir Gott helfe ...` Das<br />

Gesetz tritt sofort in Kraft. Ev.- Luth.<br />

Landeskirchenrat; D. Meiser."<br />

Anmerkung: Der Treue-Eid auf Hitler<br />

wird in allen evangelischen Kirchen<br />

als neues Gesetz eingeführt – auch<br />

in denen, wo die Kirchenleitung<br />

überwiegend zur "Bekennenden<br />

Kirche" gehört. Theoretisch ergänzt<br />

er den formalen Treue-Eid auf<br />

"Christus", praktisch ersetzt er ihn,<br />

da man ja nicht gleichzeitig Christus<br />

und Adolf Hitler gehorchen kann.<br />

Außerdem verlangen alle evangelischen<br />

Kirchen von den Pfarrern<br />

einen Ariernachweis, auch wenn<br />

einige den Arierparagraphen nicht<br />

offiziell einführen<br />

9. Juni: Zerstörung der Synagoge<br />

in München.<br />

14. Juni: Erlass zur Kennzeichnung<br />

und Registrierung jüdischer<br />

Gewerbebetriebe.<br />

17. Juni: Alle Juden müssen als<br />

zweiten Vornamen "Israel" bzw.<br />

"Sara" verwenden, wenn der erste<br />

Vorname nicht in dem Runderlass<br />

des Innenministeriums als jüdischer<br />

Vorname aufgeführt ist. (Anmerkung:<br />

Ein beliebter Vorname dieser Zeit bei<br />

Deutschen ist z. B. der Doppelname<br />

Adolf Martin - Adolf wie Adolf Hitler,<br />

Martin wie Martin Luther.)<br />

25. Juni: Jüdische Ärzte dürfen nur<br />

noch jüdische Patienten behandeln.<br />

6. Juli: Auflösung jüdischer Grundstücks-<br />

und Immobilienagenturen<br />

sowie jüdischer Heiratsvermittlungsinstitute,<br />

die an Nichtjuden vermitteln<br />

(vgl. Konzil von Basel im Jahr 1434:<br />

Juden dürfen nicht als Unterhändler<br />

bei Verträgen zwischen Christen,<br />

insbesondere nicht als Vermittler von<br />

Ehen auftreten).<br />

25. Juli: Deutsche dürfen nicht<br />

mehr zu jüdischen Ärzten (vgl.<br />

Trullanische Synode im Jahr 692).<br />

31. Juli: Jüdische Testamente, die<br />

das "gesunde Volksempfinden"<br />

beleidigen, dürfen für nichtig erklärt<br />

werden (vgl. 3. Laterankonzil im Jahr<br />

1179: Juden dürfen zum Christentum<br />

übergetretene Glaubensbrüder nicht<br />

enterben).<br />

10. August: Zerstörung der<br />

Synagoge in Nürnberg. Sommer: Die<br />

Schweiz regt die Kennzeichnung der<br />

Reisepässe von deutschen und<br />

österreichischen Juden mit einem<br />

»J« an, um an der Grenze zwischen<br />

Juden und deutschen Touristen<br />

unterscheiden zu können.<br />

17. August: Alle Juden und<br />

Jüdinnen müssen einen »typisch<br />

jüdischen« Namenszusatz tragen<br />

(»Sara« bzw. »Israel« (s. 14. Juni).<br />

25. August: Grüber stellt dem<br />

Pfarrernotbund seine Vorstellungen<br />

der Unterstützung »nichtarischer<br />

Christen« vor und bittet um Hilfe.<br />

September - Die vier Landesbischöfe<br />

der Bekennenden Kirche Hans<br />

Meiser, August Marahrens, Theophil<br />

Wurm und Julius Kühlewein entlassen<br />

vier leitende Pfarrer, ebenfalls<br />

aus der Bekennenden Kirche, aus<br />

dem Dienst. Die vier Pfarrer hatten<br />

für einen geplanten Gottesdienst<br />

angesichts der Kriegsgefahr ein<br />

allgemeines Bußgebet verfasst,das<br />

vor allem "die Wehrmacht vor<br />

kriegerischen Exzessen warnen<br />

sollte" (Landesbischof Wurm, zit.<br />

nach Juden-Christen-Deutsche 3/I,<br />

a.a.O., S. 54; Vollnhals, a.a.O., S.<br />

131).<br />

8


Auch die "Pfarrerbruderschaft" der<br />

"Bekennenden Kirche" lehnt das<br />

Gebet ab. Der Krieg selbst wird<br />

dabei aber offenbar nicht als<br />

"unchristlich" betrachtet.<br />

Ab dem 6. September: In der<br />

Schweiz werden alle illegal eingereisten<br />

Flüchtlinge zurückgewiesen.<br />

29. September: Münchener<br />

Abkommen. Die Westmächte<br />

erklären sich mit der Abtretung des<br />

Sudetenlandes an Deutschland<br />

einverstanden<br />

Oktober: Kennzeichnung jüdischer<br />

Geschäfte - Die Schaufenster<br />

werden mit dem Wort "Judengeschäft"<br />

beschmiert.<br />

Die Bornplatzsynagoge<br />

1 . Oktober: Einmarsch deutscher<br />

Truppen in das Sudetenland.<br />

5. Oktober: Reisepässe von<br />

Juden und Jüdinnen werden mit<br />

einem »J« gekennzeichnet.<br />

28. Oktober: Ausweisung von<br />

15.000 – 17.000 sogenannter<br />

»Ostjuden«, die teilweise schon seit<br />

Jahrzehnten in Deutschland leben,<br />

aber nicht die deutsche Staatangehörigkeit<br />

besitzen. An Luthers<br />

Geburtstag (10. Nov.) brennen die<br />

Synagogen - ein evangelischlutherischer<br />

Landesbischof sieht<br />

darin die "Krönung" eines "gottgesegneten"<br />

Kampfes<br />

10. November: Die Ermordung<br />

des Nazi-Diplomaten Ernst Eduard<br />

vom Rath in Paris durch einen<br />

jüdischen Bürger wird in Deutschland<br />

als Anlass für die "Reichspogromnacht"<br />

genutzt - Die Synagogen<br />

werden auf Anweisung in Brand<br />

gesteckt ...(Anmerkung: ... so wie es<br />

Luther in der Schrift „Von den Juden<br />

und ihren Lügen“ fordert: Man soll<br />

ihre "Synagoga oder Schulen mit<br />

Feuer anstecken ... unserem Herrn<br />

und der Christenheit zu Ehren, damit<br />

Gott sehe, dass wir Christen seien<br />

...". Massenverhaftungen von Juden<br />

- erste Massendeportation in<br />

Konzentrationslager. Vielfach Panik<br />

unter den Betroffenen. Im Reichsgebiet<br />

werden 91 Menschen ermordet,<br />

etwa 26.000 Männer verhaftet, ca.<br />

1.400 Beträume und Synagogen<br />

sowie 7.000<br />

Geschäfte zerstört.<br />

Dabei auch: Alle<br />

sechs Synagogen in<br />

Schleswig-Holstein<br />

(Bad Segeberg,<br />

Elmshorn, Friedrichstadt,<br />

Kiel,<br />

Lübeck, Rendsburg)<br />

werden verwüstet<br />

bzw. zerstört. Die<br />

Synagogen in Kiel<br />

und Elmshorn<br />

werden angezündet,<br />

ebenso die<br />

Bornplatzsynagoge<br />

(Hamburg) und die<br />

Synagoge in Harburg. Die Leichenhalle<br />

des jüdischen Friedhofes in<br />

Harburg brennt am 10. November<br />

völlig aus. U.a. kommt es auch in<br />

Ahrensburg, Flensburg und auf Sylt<br />

zu Ausschreitungen gegen Juden<br />

und jüdische Einrichtungen.<br />

Überreste der Bornplatzsynagoge<br />

10. November: Der Berliner<br />

Dompropst Bernhard Lichtenberg<br />

betet öffentlich für die Juden. Der<br />

Thüringer Bischof Martin Sasse<br />

rechtfertigt das Pogrom hingegen als<br />

»gottgesegneten Kampf des Führers<br />

zur völligen Befreiung unseres<br />

Volkes«.<br />

12. November: Verordnung zur<br />

Wiederherstellung des Straßenbildes<br />

bei jüdischen Gewerbebetrieben,<br />

z. B. in Nürnberg: "Alle Schäden,<br />

welche durch die Empörung des<br />

Volkes über die Hetze des internationalen<br />

Judentums gegen das<br />

nationalsozialistische Deutschland<br />

am 8., 9., und 10. November 1938<br />

an jüdischen Gewerbebetrieben und<br />

Wohnungen entstanden sind, sind<br />

von dem jüdischen Gewerbetreibenden<br />

sofort zu beseitigen. Die Kosten<br />

der Wiederherstellung tragen die<br />

Inhaber der betroffenen jüdischen<br />

Gewerbebetriebe und Wohnungen“<br />

(zit. nach: Juden in Nürnberg,<br />

Presse- und Informationsamt 1993)<br />

In Bamberg und anderen Orten<br />

müssen die Israelitischen Kultusgemeinden<br />

auch den anschließenden<br />

Abriss ihrer demolierten und verkohlten<br />

Synagogen bezahlen.<br />

Die jüdische Bevölkerung Deutschlands<br />

wird zu einer "Sühneleistung"<br />

von einer Milliarde Reichsmark<br />

verurteilt. Zu dem Ereignis wird in<br />

der Kirche und in der kirchlichen<br />

Presse überwiegend geschwiegen.<br />

Nur einzelne Pfarrer protestieren,<br />

und wenigstens in einem Entwurf<br />

eines "Fürbittgebets" von den<br />

"Landesbruderräten" der Bekennenden<br />

Kirche wird der Juden gedacht.<br />

Doch welcher Betende hat auch<br />

etwas gesagt oder getan? Sehr viele<br />

Kirchenführer begrüßen das<br />

Geschehen der Reichspogromnacht<br />

und die folgende Verschärfung der<br />

Judenverfolgungen bzw. reagieren<br />

sogar begeistert.<br />

16. November: Erklärung des<br />

Landeskirchenrates in Thüringen, in<br />

der zum »Kampf gegen den volkszersetzenden<br />

Geist des Judentums«<br />

aufgerufen wird.<br />

9


Geschäfte in der Grindelallee<br />

23. November: Zwangsveräußerung<br />

aller jüdischen Betriebe.<br />

Landesbischof Martin Sasse aus<br />

Eisenach schreibt im Vorwort seiner<br />

Neuauflage von Martin Luthers<br />

Schrift „Von den Juden und ihren<br />

Lügen“ mit dem Titel „Martin Luther<br />

über die Juden - Weg mit ihnen!“<br />

(Freiburg 1938): „ Am 10. November<br />

1938, an Luthers Geburtstag,<br />

brennen in Deutschland die Synagogen.<br />

Vom deutschen Volke wird zur<br />

Sühne für die Ermordung des<br />

Gesandtschaftsrates vom Rath<br />

durch Judenhand die Macht der<br />

Juden auf wirtschaftlichem Gebiete<br />

im neuen Deutschland endgültig<br />

gebrochen und damit der gottgesegnete<br />

Kampf des Führers zur völligen<br />

Befreiung unseres Volkes gekrönt ...<br />

In dieser Stunde muss die Stimme<br />

des Mannes gehört werden, der als<br />

der Deutschen Prophet im 16.<br />

Jahrhundert einst als Freund der<br />

Juden begann, der getrieben von<br />

seinem Gewissen, getrieben von<br />

den Erfahrungen und der Wirklichkeit,<br />

der größte Antisemit seiner Zeit<br />

geworden ist, der Warner seines<br />

Volkes wider die Juden ..." Anmerkung:<br />

Von der Schrift werden<br />

150.000 Stück verkauft. Die Schrift<br />

Luthers „Von den Juden und ihren<br />

Lügen“ erfährt auch durch andere<br />

Neuauflagen zahlreiche Verbreitung,<br />

z. B. durch die Volksausgabe von<br />

Hans-Ludolf Parisius. Luther fordert<br />

darin z. B. das Verbrennen der<br />

Synagogen, das Zusammenfassen<br />

der Juden in Lagern, die Zwangsarbeit<br />

und Todesstrafen bei öffentlicher<br />

Religionsausübung. Dass einer der<br />

amtierenden Landesbischöfe der<br />

Proklamation des "Amtsbruders"<br />

Sasse widersprochen hat, ist nicht<br />

bekannt.<br />

Im November: Weitere Massendeportationen<br />

von Juden in Konzentrationslager<br />

28. November: Die Lokalbehörden<br />

werden ermächtigt, Juden an<br />

bestimmten Tagen von den Straßen<br />

zu verbannen.<br />

Dezember: Beginn der »Kindertransporte«.<br />

Jüdische Kinder<br />

erhalten von den westlichen Demokratien<br />

die Erlaubnis, ohne ihre<br />

Eltern einzureisen.<br />

3. Dezember: Zwangsarisierung<br />

jüdischen Haus- und Grundbesitzes.<br />

Juden müssen Häuser und Grundstücke<br />

zu Spottpreisen verkaufen.<br />

Wer vor 1938 ein "Judenhaus"<br />

kaufte, wurde noch als "Judenfreund"<br />

verschrien. Jetzt bedienen<br />

sich immer mehr dank der "günstigen"<br />

Angebote. Umgekehrt ist es<br />

nicht erlaubt, den jüdischen Mitbürgern<br />

zu verkaufen. Massendeportationen<br />

und Misshandlungen von<br />

Juden in den KZs - die evangelischen<br />

Bischöfe möchten dazu nichts<br />

sagen.<br />

12. Dezember: Pfarrer Heinrich<br />

Grüber, der sich für getaufte Juden<br />

einsetzt, schildert den evangelischen<br />

Bischöfen, darunter Landesbischof<br />

Meiser, auf dem Kirchentag in Berlin-<br />

Steglitz die Lage in den Konzentrationslagern.<br />

Der Kirchentag wird<br />

gebeten, eine Erklärung dazu zu<br />

verabschieden. Die Bischöfe hörten<br />

Grüber zwar eine Zeitlang zu, gingen<br />

dann aber zur "Tagesordnung" über,<br />

ohne eine Erklärung zu verabschieden.<br />

Grüber schreibt:<br />

„Vielleicht schilderte ich den versammelten<br />

Bischöfen die Misshandlungen,<br />

denen KZ-Häftlinge ausgesetzt<br />

wurden, etwas zu ausführlich. Ich<br />

hörte jedenfalls, wie einer der<br />

Würdenträger sagte: ´Wir müssen<br />

nun langsam zum zweiten Punkt der<br />

Tagesordnung übergehen.` Der<br />

Mahnmahl „Kinderverschickung“<br />

Dammtor Bahnhof, Hamburg<br />

Vorsitzende der Konferenz, Bischof<br />

Theophil Wurm ... geleitete mich zur<br />

Tür und sagte: "Ich danke Ihnen im<br />

Namen der Brüder und wünsche<br />

Ihnen und Ihrer Arbeit Gottes<br />

Segen." Das war eine der ganz<br />

großen Enttäuschungen, die ich<br />

erlebt hatte" (zit. nach Juden-<br />

Christen-Deutsche, Band 1).<br />

28. Dezember: Juden müssen in<br />

bestimmten Häusern konzentriert<br />

werden. Anmerkung: ... so ähnlich<br />

wie es Luther in seiner Schrift „Von<br />

den Juden und ihren Lügen fordert:“...<br />

dass man ihre Häuser<br />

desgleichen zerbreche und zerstöre<br />

... Dafür mag man sie etwa unter ein<br />

Dach oder einen Stall tun“<br />

(siehe auch S. 15, Pkt.7)<br />

Quellen:aus dem Internet, z.B.:<br />

https://www.theologe.de/theologe4.htm#24<br />

10


Der Treueeid der Pastoren auf Hitler<br />

Der „Anschluss" Österreichs versetzte<br />

die Deutschen in eine nationale<br />

Euphorie. Die deutschchristlichen<br />

Kirchenleitungen nutzten die Gunst<br />

der Stunde, um so die 1934 gescheiterte<br />

Vereidigung der Pfarrer auf<br />

Hitler doch noch in die Wege zu<br />

leiten. Am 14. März 1938 erließ die<br />

Thüringer Evangelische Kirche ein<br />

Kirchengesetz über die Vereidigung<br />

ihrer Pfarrer, zwei Tage später auch<br />

die mecklenburgische Landeskirche.<br />

Zum „Führergeburtstag" am 20. April<br />

1938 folgten Sachsen und die<br />

Evangelische Kirche der Altpreußischen<br />

Union, die nahezu die Hälfte<br />

des deutschen Protestantismus<br />

umfasste.<br />

In der entsprechenden Verordnung<br />

des Präsidenten des Evangelischen<br />

Oberkirchenrats Berlin, Friedrich<br />

Werner, hieß es: „Ich schwöre: Ich<br />

werde dem Führer des Deutschen<br />

Reichs und Volkes, Adolf Hitler, treu<br />

und gehorsam sein, die Gesetze<br />

beachten und meine Amtspflichten<br />

gewissenhaft erfüllen, so wahr mir<br />

Gott helfe. … Wer sich weigert, den<br />

… vorgeschriebenen Treueid zu<br />

leisten, ist zu entlassen“.<br />

In einer Ansprache vom Mai 1938<br />

deutete der Evangelische Oberkirchenrat<br />

den Eid als Zeichen der<br />

innersten Verbundenheit mit dem<br />

Dritten Reich und der persönliche[n]<br />

Bindung an den Führer.<br />

Treueidverordnungen wurden kurz<br />

nacheinander auch in fast allen<br />

anderen Landeskirchen erlassen<br />

und erstaunlich reibungslos vollzogen,<br />

trotz schwerer Bedenken<br />

einzelner Pfarrer. Dies galt auch für<br />

die zur gemäßigten Bekennenden<br />

Kirche gehörenden intakten Landeskirchen,<br />

deren Führer sich nicht dem<br />

Verdacht der politischen Unzuverlässigkeit<br />

und der Staatsfeindschaft<br />

aussetzen wollten. Obwohl der Eid<br />

nicht vom Staat angeordnet worden<br />

war, folgten sie gewissermaßen im<br />

„vorauseilenden Gehorsam".<br />

Mitverantwortlich dürfte dabei die<br />

Obrigkeitshörigkeit gewesen sein,<br />

die ihren Ursprung auch in den<br />

Bekenntnisschriften der Reformationszeit<br />

hat. Darin wurde dem Staat<br />

das Recht zugebilligt, einen Eid<br />

einzufordern. 90 Prozent der<br />

evangelischen Pfarrer leisteten<br />

schließlich den Eid.<br />

Zur Zerreißprobe wurde die Eidesleistung<br />

in der radikalen Bekennenden<br />

Kirche, vor allem in der Evangelischen<br />

Kirche der Altpreußischen<br />

Union. Dort verweigerten viele<br />

Pfarrer zunächst den Eid. In einem<br />

Schreiben vom 16. Juli 1938 vertrat<br />

der Präses der Reichsbekenntnissynode<br />

Karl Koch jedoch die<br />

Überzeugung, dass der Staat den<br />

Treueid der Pfarrer erwarte und eine<br />

Verweigerung für ihn untragbar<br />

geworden sei. Diese Auffassung<br />

machte sich Ende Juli auch die<br />

Altpreußische Bekenntnissynode zu<br />

eigen und beschloss, die zögernden<br />

Pfarrer in ihrem Gewissen zu lösen.<br />

Nun leisteten auch die meisten<br />

Bekenntnispfarrer den Eid, häufig<br />

unter Bindung an ihr Ordinationsgelübde.<br />

Aus:<br />

Gesetzblatt der Deutschen Evangelischen<br />

Kirche, Ausgabe B, Nr. 12 vom 14.5.1938, S.<br />

49; ©EvAKiZ München<br />

Die Kennzeichnung und somit sichtbare Ausgrenzung der Juden<br />

mit dem Judenstern wurde 1938 vorbereitet<br />

Eine „allgemeine<br />

äußerliche<br />

Kennzeichnung<br />

für Juden" wurde<br />

im Mai<br />

1938 in einer<br />

von Joseph<br />

Goebbels angeregten<br />

Denkschrift<br />

vorgeschlagen, jedoch verworfen:<br />

Noch überwogen die Bedenken<br />

hinsichtlich einer eventuell negativen<br />

außenpolitischen Wirkung.<br />

Nach den Novemberpogromen<br />

schlug Reinhard Heydrich auf einer<br />

Berliner Konferenz am 12. November<br />

1938 die reichsweite Kennzeichnungspflicht<br />

für Juden erneut vor<br />

und ließ sofort Entwürfe für entsprechende<br />

Abzeichen anfertigen.<br />

Hermann Göring teilte den Gaulei-<br />

tern am 6. Dezember 1938 mit, Hitler<br />

habe eine Entscheidung über diese<br />

Kennzeichnung bis auf Weiteres<br />

aufgeschoben.<br />

Am 1. September 1941 verpflichtete<br />

die Polizeiverordnung über die Kennzeichnung<br />

der Juden (RGBl I, S.<br />

547) fast alle Personen im Deutschen<br />

Reich, die nach den Nürnberger<br />

Gesetzen als Juden einschließlich<br />

der Geltungsjuden definiert waren,<br />

vom vollendeten sechsten Lebensjahr<br />

an einen gelben Judenstern<br />

„sichtbar auf der linken Brustseite<br />

des Kleidungsstückes in Herznähe<br />

fest aufgenäht zu tragen" .<br />

Sieben Landeskirchen<br />

begrüßen das:<br />

Am 17. Dezember 1941 begrüßten<br />

die von Deutschen Christen geführten<br />

evangelischen Landeskirchen<br />

von Anhalt, Hessen-Nassau, Lübeck,<br />

Mecklenburg, Sachsen, Schleswig-<br />

Holstein und Thüringen die Einführung<br />

des Judensterns im Deutschen<br />

Reich als „historischen Abwehrkampf".<br />

Sie rechtfertigten diese<br />

Staatsmaßnahme mit judenfeindlichen<br />

Aussagen Martin Luthers, der<br />

bereits 1543 „schärfste Maßnahmen<br />

gegen die Juden zu ergreifen und<br />

sie aus deutschen Landen auszuweisen"<br />

gefordert habe. Die Juden<br />

hätten das Christentum seit Jesu<br />

Kreuzigung bekämpft oder verfälscht;<br />

die Taufe könne nichts an<br />

ihrer „rassischen Eigenart" ändern.<br />

aus :<br />

https://de.wikipedia.org/wiki/Judenstern<br />

11


Zwischen „Führerprinzip“ und Luthertum<br />

"Wir grüßen den Staat, der neu geworden<br />

ist, und danken ihm, daß er<br />

Mut und Kraft gefunden und bewiesen<br />

hat, um unserem Volke den Aufbruch<br />

und den Weg zur Freiheit zu<br />

bahnen.“ Mit diesen Worten bekannte<br />

Simon Schöffel (1880–1959) nach<br />

seiner Wahl zum ersten lutherischen<br />

Testamentes wollte er davon aber<br />

getrennt wissen, denn es sei „das<br />

antisemitischste Buch“ . [60] Der Taufe<br />

von Juden stand Franz Tügel sehr<br />

distanziert gegenüber: Im Mai 1940<br />

warnte er in einem Rundschreiben<br />

alle Pastoren und Hilfsprediger „vor<br />

einem 57jährigen Juden, namens<br />

gesagt, man sollte, um der brutalen<br />

Ausbeutung von Millionen sparsamer<br />

und arbeitstreuer deutscher<br />

Menschen ein schnelles Ende zu<br />

bereiten, die Bankhäuser schließen<br />

und die jüdischen Devisenspekulanten<br />

aufhängen. […] Eine Verantwortung<br />

für die evangelischen Glieder<br />

der jüdischen Rasse habe<br />

ich nicht, denn die Getauften<br />

sind nur in ganz<br />

seltenen Fällen wirkliche<br />

Glieder der Gemeinde<br />

gewesen. Wenn sie heute<br />

mit in das Ghetto abwandern<br />

müssen, dann sollen<br />

sie dort Missionare werden.<br />

Nicht sie bedürfen<br />

der Seelsorge, sondern<br />

ihre unbekehrten Rassegenossen.“<br />

[62]<br />

Mahnmal in Yad Vashem, Jerusalem<br />

Landesbischof Hamburgs in der Sitzung<br />

der Synode am 29. Mai 1933<br />

seine Sympathie für den nationalsozialistischen<br />

Staat.<br />

An der Spitze der Hamburger Landeskirche<br />

stand seit 1934 ein überzeugter<br />

Antisemit. Nach seinem Examen<br />

1914 hatte Franz Tügel sein<br />

hebräisches Altes Testament verbrannt.<br />

Den Kampf gegen das Judentum,<br />

gegen die „jüdische Pest“,<br />

hielt er für berechtigt, denn „durch<br />

den modern jüdischen Geist ist alles<br />

verseucht“, er sei „die große Gefahr“,<br />

meinte er 1932 in seinem an<br />

Antisemitismus reichen Heft „Wer<br />

bist Du?“ Fragen der Kirche an den<br />

Nationalsozialismus.<br />

Die christliche Bewertung des Alten<br />

Weiss, […] der von einem Geistlichen<br />

zum anderen wandert, um sich<br />

taufen zu lassen. Er hat keinerlei religiöse<br />

Gründe, sondern beabsichtigt,<br />

wie ich habe feststellen lassen, eine<br />

dritte Ehe mit einer arischen Frau,<br />

freilich in Stockholm einzugehen. Es<br />

ist unter allen Umständen geboten,<br />

den Gauner abzuweisen.“ [61] Im<br />

November 1941 schrieb Tügel über<br />

die Deportationen von Juden:<br />

In diese Dinge hineinzureden, sollte<br />

sich die Kirche, die in den Zeiten unerhörtester<br />

Bedrückung des deutschen<br />

Volkes durch die jüdische<br />

Weltherrschaft und Hochfinanz geschwiegen<br />

hat, lieber hüten. Ich habe<br />

zwar einmal in der Inflationszeit<br />

auf der Kanzel der Gnadenkirche<br />

[60] Franz Tügel, Wer bist Du?<br />

Fragen der Kirche an den Nationalsozialismus,<br />

Hamburg 1932,<br />

die Zitate (S. 51 f. und 56) sind<br />

im Original gesperrt hervorgehoben;<br />

Hering, Bischöfe, S. (59)<br />

und 73 f.<br />

[61] Archiv der Gemeinde Nord-<br />

Barmbek, 9, Vertrauliches Rundschreiben<br />

vom 4.5.1940; Hervorhebung im<br />

Original.<br />

[62] NEKA, 32.03.01 Personalakten Pastorinnen<br />

und Pastoren, Personalakte Heinrich Wilhelmi,<br />

Bl. 120, Tügel an Wilhelmi Heinrich<br />

Wilhelmi, Wilhelmi 28.11.1941.<br />

Aus: Rainer Hering "Bischofskirche zwischen<br />

„Führerprinzip“ und Luthertum“<br />

http://hup.sub.unihamburg.de/volltexte/2008/7<br />

1/pdf/HamburgUP_AKGH_26_<br />

Zeitgeschichte.pdf<br />

12


Wie die Kirche die Judenverfolgung unterstützte -<br />

Die Altonaer Judenkartei<br />

Informationen zu einem Vortrag des Historikers Dr. S. Linck<br />

Als der nationalsozialistische Staat<br />

1933 eine Volkszählung durchführte,<br />

ergab die Zählung, dass in Deutschland<br />

etwa 500 000 Juden lebten.<br />

Dieser Befund resultierte aus der<br />

Frage nach der Religionszugehörigkeit.<br />

Im Jahr 1939 wurde wieder eine<br />

Volkszählung durchgeführt. Bei<br />

dieser wurde allerdings nicht nur die<br />

Religionszugehörigkeit registriert,<br />

sondern auch nach rassischen<br />

Kriterien gemäß der NS-Ideologie<br />

unterschieden. Für das Gebiet der<br />

heutigen Nordelbischen Kirche<br />

waren zu den 1933 gezählten 20480<br />

Juden noch – nach Definition und<br />

Begrifflichkeit der Nürnberger<br />

Gesetze – 1 948 Juden, 4 484<br />

Mischlinge 1. Grades und 3 636<br />

Mischlinge 2. Grades, zusammen<br />

10 070 Personen hinzugekommen.<br />

Der größte Teil von ihnen, genau 7<br />

731 Menschen – also 76.7 % –<br />

waren evangelische Christinnen und<br />

Christen. Diese alle waren zusammen<br />

mit ihren Ehepartnern und<br />

Angehörigen von der Ausgrenzung,<br />

Diskriminierung und Verfolgung des<br />

NS-Staates betroffen. Etliche fielen<br />

dem Völkermord zum Opfer.<br />

Ariernachweise<br />

Dass diese Menschen von den<br />

Nationalsozialisten erfasst und<br />

verfolgt werden konnten, war nur<br />

durch die Unterstützung der christlichen<br />

Kirchen möglich. Nachdem die<br />

verschiedenen Versuche der<br />

Nationalsozialisten, die vermeintliche<br />

Rasse durch die Augen- und<br />

Haarfarbe und über die Vermessung<br />

von Schädeln oder anderer Körperteile<br />

festzustellen, gescheitert waren,<br />

hatten diese die Rassezugehörigkeit<br />

über die Herkunft bestimmt: Menschen<br />

mit christlichen Vorfahren<br />

wurden als »arisch« angesehen. Die<br />

jüdische »Rassezugehörigkeit«<br />

wurde festgestellt, wenn keine<br />

Taufeinträge der Vorfahren vorlagen<br />

oder bei deren Taufeinträgen eine<br />

»Judentaufe« vermerkt war. Die<br />

Religionszugehörigkeit bestimmte<br />

die vermeintliche Rassezugehörigkeit.<br />

Als 1933 »Arierparagrafen« für<br />

die verschiedensten Berufsgruppen<br />

und in Vereinen und Verbänden<br />

eingeführt wurden, hatten Beamte<br />

und andere entsprechend Registerauszüge<br />

der Kirchenbücher als<br />

Nachweis der »arischen Herkunft«<br />

vorzulegen. Die Gemeindebüros und<br />

Pfarrhäuser wurden in kürzester Zeit<br />

überschüttet mit Anfragen. Schon<br />

bald versuchte man die Kirchenbuchanfragen<br />

effektiver zu bearbeiten.<br />

Es wurden Zweitschriften der<br />

Kirchenbücher zentral in Kirchenbuchstellen<br />

gesammelt und dort die<br />

Anfragen bearbeitet.<br />

Das Altonaer Kirchenbuchamt<br />

Diese Altonaer »Judenkartei« wurde<br />

kontinuierlich durch Recherchen in<br />

älteren Kirchenbüchern erweitert, bis<br />

schließlich 1940 für den Kirchengemeindeverband<br />

Altona eine »Judenliste«<br />

mit 474 Namen vorgelegt<br />

wurde. Zusammen mit den 44<br />

Personen, die für den jüngeren<br />

Kirchengemeindeverband Ottensen<br />

1938 erfaßt worden waren, umfaßte<br />

die »Judenkartei« des Kirchenbuchamtes<br />

Altona also mindestens 518<br />

Personen. Parallel zur Erfassung der<br />

festgestellten Judentaufen wurden<br />

die Rechercheergebnisse jeweils<br />

den Stellen der NSDAP zur Kenntnis<br />

gegeben. So wurde beispielsweise<br />

der Hauptstelle für Sippenforschung<br />

bei der Gauleitung der NSDAP<br />

Hamburg am 28.7.1938 mitgeteilt,<br />

dass ein niedergelassener Reinbeker<br />

Arzt einen Großvater hatte,<br />

dessen Eltern beide getaufte Juden<br />

waren. Vorauseilender Gehorsam<br />

dieser Art ermöglichte dem NS-Staat<br />

die zügige Erfassung auch der von<br />

den Nürnberger Gesetzen als<br />

sogenannte Mischlinge Betroffenen.<br />

Diese Tätigkeiten wurden im vollen<br />

Bewußtsein um die Konsequenzen<br />

durchgeführt<br />

Schuldbewusstsein?<br />

Fehlanzeige<br />

Unabhängig von der kirchenpolitischen<br />

Zugehörigkeit haben Pastoren<br />

und Kirchenverwaltungen durch die<br />

Bereitstellung von Kirchenbuchauszügen<br />

erst die Voraussetzungen<br />

geschaffen, dass die nationalsozialistische<br />

Verfolgung nicht nur die<br />

Angehörigen der jüdischen Religionsgemeinschaft,<br />

sondern auch<br />

das säkularisierte Judentum (konfessionslose<br />

jüdischer Herkunft) und<br />

alle Christinnen und Christen<br />

jüdischer Herkunft betraf.<br />

Auf der Verwaltungsebene ließ sich<br />

sogar klar erkennen, dass die<br />

Unterstützung des NS-Regimes<br />

einfach geleugnet wurde. 1946<br />

erhielt das Kirchenbuchamt Altona<br />

eine Anfrage, die vom Archivamt der<br />

EKD in Hannover ausgegangen<br />

war. [1] Es sei bekannt, dass während<br />

der NS-Zeit „Judenregister” angefertigt<br />

und an die NS-Behörden<br />

weitergegeben worden seien. Um<br />

sich eine Übersicht zu verschaffen,<br />

bat das Archivamt um Mitteilung, wo<br />

derartige Register angefertigt bzw.<br />

abgegeben worden waren. Als<br />

Propst Hildebrand die Anfrage an<br />

das Altonaer Kirchenbuchamt<br />

weiterleitete, wurde die Existenz<br />

derartiger Listen mit der Bemerkung<br />

„Fehlanzeige” verneint. [2] Der<br />

Schriftwechsel wiederum wurde<br />

ordentlich in der Akte „Sippenkanzlei”<br />

abgeheftet, in der die wiederholte<br />

Abgabe der Altonaer „Judenliste”<br />

dokumentiert ist. Eine Angst vor<br />

Überprüfung war sichtbar nicht<br />

vorhanden oder man deutete die<br />

Anfrage rein formal auf die Register<br />

selbst bezogen und teilte hiermit<br />

indirekt mit, dass die Originale<br />

weiterhin vorhanden waren.<br />

[1] Ev.-Luth. Landeskirchenamt Kiel,<br />

15.2.1947, Nr. 1 5245 Dez. III. Abschrift des<br />

Rundschreibens des Archivamtes der EKD<br />

vom 1.11.1946, Betr. Judenregister mit der<br />

Bitte um Stellungnahme. Akte Sippenkanzlei,<br />

KKA Altona, Nr. 2450.<br />

[2] Handschriftlicher Vermerk vom 3.3.1947,<br />

ebd. Vergl. Liesching, Neue Zeit, S. 40-53,<br />

und Stephan Linck, „Fehlanzeige“. Wie die<br />

Kirche in Altona nach 1945 die NS-<br />

Vergangenheit und ihr Verhältnis zum<br />

Judentum aufarbeitete, Hamburg 2006.<br />

13


„500 Jahre Reformation: Es gilt nicht nur zu feiern“<br />

Prof. Klaus Wengst<br />

Ich betone noch einmal: Im Blick auf<br />

Luther gibt es in diesem Punkt für<br />

uns nichts zu feiern. Bei Jubiläen<br />

wird gerne betont, dass es von dem,<br />

was und wer gefeiert wird, zu lernen<br />

gilt. Und das ist ja ganz unbestreitbar,<br />

dass wir in vielen Stücken von<br />

Luther und der Reformation immer<br />

wieder lernen können. Aber manchmal<br />

muss das Lernen so geschehen,<br />

dass man etwas verlernt; und das ist<br />

mit Sicherheit hier der Fall. Luther<br />

selbst, würde er heute leben, müsste<br />

von seinen eigenen Voraussetzungen<br />

her an dieser Stelle umlernen.<br />

Außerordentlich oft hat er betont,<br />

dass die Juden schon seit 1500 Jahren<br />

außerhalb Jerusalems und ihres<br />

Landes im Elend lebten und „ihr Gesetz<br />

mit Jerusalem und allem jüdischen<br />

Reich so lange Zeit her in der<br />

Asche“ liege.[64]<br />

Darin erkannte er „Gottes Zorn“,[65]<br />

aus dem man schließen müsse, die<br />

Juden seien von Gott verworfen. Eine<br />

Rückkehr der Juden ins Land Israel<br />

erschien ihm als so irreal, dass er<br />

spottete, wenn sie ins Land gingen<br />

und nach Jerusalem kämen, den<br />

Tempel bauten, eigene Herrschaft<br />

gewönnen und ein Leben nach dem<br />

Gesetz aufrichteten, dann würde er<br />

sich alsbald auf die Fersen hinter<br />

ihnen her machen und auch ein Jude<br />

werden. [66]<br />

Nun, vielleicht würde er heute doch<br />

nicht gleich ein Jude werden, sondern<br />

sich mehr besinnen, anders<br />

über die Juden denken und ein anderes<br />

Verhältnis zu ihnen suchen. Und<br />

ich hoffe, er würde dann auch das<br />

solus Christus dem soli Deo gloria<br />

unterstellen. Es wäre ernst zu machen<br />

mit der biblisch begründeten<br />

Vorordnung der Theologie vor der<br />

Christologie. Die heilige Schrift, die<br />

ganze heilige Schrift Alten und Neuen<br />

Testaments ist der nicht hintergehbare<br />

Kanon der Kirche – sola<br />

scriptura. Da wir eine Kirche aus vielen<br />

Völkern mit vielen unterschiedlichen<br />

Inkulturationen sind, ist der<br />

ständige Rückbezug auf die Schrift<br />

als ein wesentliches Moment der Einheit<br />

unabdingbar. Erst im Gebrauch,<br />

in der Auslegung kann sich die<br />

Schrift als Wort des lebendigen Gottes<br />

erweisen.<br />

Als die neutestamentlichen Autoren<br />

ihre Schriften verfassten, hatten sie<br />

schon eine Bibel, ihre jüdische Bibel,<br />

in der ihnen Gott, der Schöpfer des<br />

Himmels und der Erde, als Israels<br />

Gott bezeugt war. Diesen Gott und<br />

keinen anderen sahen sie in Jesus<br />

wirken, zuletzt und vor allem darin,<br />

dass er Jesus von den Toten aufgeweckt<br />

hat. Das brachten sie so zum<br />

Ausdruck, dass sie mit Wort und<br />

Geist ihrer Bibel schrieben. So ist die<br />

jüdische heilige Schrift der Raum<br />

des Evangeliums von Jesus Christus<br />

oder – um es mit dem Buchtitel von<br />

Frank Crüsemann auszudrücken –<br />

das Alte Testament der Wahrheitsraum<br />

des Neuen. [67] Die Theologie,<br />

das Reden von Gott, ist daher der<br />

Christologie, dem Reden von Jesus<br />

als Messias, vorgeordnet. Es wird<br />

also nicht erst von der Geschichte<br />

Jesu her erschlossen, wer Gott ist,<br />

sondern umgekehrt erschließt die<br />

Schrift, die jüdische Bibel, die Geschichte<br />

Jesu als das Mitsein von<br />

Israels Gott. Das bedingt es, dass<br />

von Gott nicht abgesehen von Israel,<br />

nicht abgesehen vom jüdischen<br />

Zeugnis geredet werden kann.<br />

Das führt zu einem weiteren Punkt,<br />

der hier zu lernen ist, nämlich die<br />

biblische Grundunterscheidung zwischen<br />

„dem Volk“, also Israel, und<br />

„den Völkern“, allen anderen, wahrzunehmen.<br />

Wir sind „Hinzugekommene“,<br />

hinzugekommen zum Gott<br />

Israels. Das wird in einer christlichen<br />

Schrift der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts,<br />

dem sogenannten Barnabasbrief,<br />

entschieden abgelehnt (Barnabas<br />

3,6). Aber das kann man auf<br />

biblischer Grundlage nur ablehnen,<br />

wenn man sich, wie es in dieser<br />

Schrift geschieht, selbst an die Stelle<br />

Israels setzt und so die besondere<br />

Partikularität Israels auflöst und sie<br />

universalisiert. Sich an die Stelle Israels<br />

zu setzen, haben wir inzwischen<br />

aus guten Gründen verlernt. So<br />

bleibt es dabei, dass wir Hinzugekommene<br />

sind.<br />

Als Hinzugekommene finden wir uns<br />

auch vor im Angesicht und in der Gegenwart<br />

Israels. Diese Situation fordert<br />

dazu heraus, die überlieferte<br />

christliche Theologie mit ihren judenfeindlichen<br />

Potenzialen so umzubauen,<br />

dass ihr diese Potenziale entzogen<br />

sind und entzogen bleiben. Dazu<br />

ist in den letzten fünfzig bis sechzig<br />

Jahren einiges geschehen. Für<br />

die katholische Kirche sei dafür auf<br />

die Erklärung Nostra Aetate auf dem<br />

2. Vatikanischen Konzil von 1965<br />

hingewiesen. Fast alle evangelischen<br />

Landeskirchen Deutschlands<br />

haben einschlägige Synodalbeschlüsse<br />

gefasst und eine ganze Reihe<br />

von ihnen haben auch ihre<br />

Grundordnungen entsprechend ergänzt<br />

und so den Bezug auf Israel<br />

als Teil der eigenen Identität kenntlich<br />

gemacht. Doch darf man sich<br />

keine Illusionen machen, als könnte,<br />

was sich Jahrhunderte lang an negativem<br />

Denken und Verhalten gegenüber<br />

dem Judentum in der christlichen<br />

Tradition eingefressen hat, in<br />

ein bis zwei Generationen überwunden<br />

werden. Es gibt noch viel zu tun.<br />

Aber es hat sich auch gezeigt, dass<br />

Veränderungen möglich sind.<br />

[64] Wider die Sabbater, WA 50,31312–15;<br />

Walch XX 1830 Nr.4.<br />

[65] WA 50,31834–3193; Walch XX 1837 Nr.<br />

24.<br />

[66] Vgl. den ganzen Zusammenhang WA<br />

50,32326–3243; Walch 1842–1843 Nr. 38 und<br />

39, wo das Motiv gleich zweimal begegnet.<br />

[67] Frank Crüsemann, Das Alte Testament<br />

als Wahrheitsraum des Neuen. Die neue Sicht<br />

der christlichen Bibel, Gütersloh 2011.<br />

Entn.: dem Vortrag:<br />

„Martin Luther und die Juden - Über theologische<br />

Judenfeindschaft als Geburtsfehler des<br />

Protestantismus“ von Prof. K. Wengst - am<br />

23. August 2016 in der Georg-von-Volkmar-<br />

Akademie, Kochel am See<br />

14


Kundgebung der 2. Tagung der 12. Synode der EKG, am 11. November 2015 in Bremen<br />

„Martin Luther und die Juden - Notwendige Erinnerung<br />

zum Reformationsjubiläum“<br />

Im Jahr 2017 feiert die Evangelische Kirche 500 Jahre Reformation. Dabei<br />

fragen wir mit Blick auf unser historisches und theologisches Erbe nach<br />

wesentlichen Einsichten für heute. Bei aller Dankbarkeit und Freude<br />

verschließen wir die Augen nicht vor Fehlern und Schuldverstrickungen<br />

der Reformatoren und der reformatorischen Kirchen.<br />

Bedrängende Einsichten<br />

1. Die Reformation zielte auf eine<br />

Reform der Kirche aus der Kraft des<br />

Evangeliums. Nur in wenigen Fällen<br />

kam es dabei zu einer neuen Sicht<br />

auf die Juden. Die Reformatoren<br />

standen in einer Tradition judenfeindlicher<br />

Denkmuster, deren<br />

Wurzeln bis in die Anfänge der<br />

Kirche zurückreichen.<br />

wurden, stellt eine weitere Belastung<br />

für die evangelische Kirche dar<br />

Belastendes Erbe<br />

6. Luthers Urteil über die Juden war<br />

eingebunden in die abendländische<br />

Tradition der Judenfeindschaft.<br />

Zunächst wies er verbreitete Verleumdungen<br />

wie den Vorwurf der<br />

Hostienschändung und des Ritualmords<br />

als Lügengeschichten ab.<br />

Später kehrte er jedoch zu überkommenen<br />

Stereotypen zurück und blieb<br />

in irrationalen Ängsten und Ressentiments<br />

befangen.<br />

2. Wir tragen dafür Verantwortung<br />

zu klären, wie wir mit den judenfeindlichen<br />

Aussagen der Reformationszeit<br />

und ihrer Wirkungs- und<br />

Rezeptionsgeschichte umgehen. Wir<br />

fragen, inwieweit sie eine antijüdische<br />

Grundhaltung in der evangelischen<br />

Kirche gefördert haben und<br />

wie diese heute überwunden werden<br />

kann. Der Auseinandersetzung mit<br />

der Haltung Martin Luthers gegenüber<br />

Juden kommt dabei exemplarische<br />

Bedeutung zu.<br />

3. Luther verknüpfte zentrale<br />

Einsichten seiner Theologie mit<br />

judenfeindlichen Denkmustern.<br />

Seine Empfehlungen für den<br />

konkreten Umgang mit Juden waren<br />

widersprüchlich. Sie reichen vom<br />

Plädoyer für einen freundlich<br />

werbenden Umgang bis hin zu<br />

Schmähungen und Forderungen, die<br />

auf eine vollständige Entrechtung<br />

und Vertreibung der Juden zielten.<br />

4. Im Vorfeld des Reformationsjubiläums<br />

können wir an dieser Schuldgeschichte<br />

nicht vorbeigehen. Die<br />

Tatsache, dass die judenfeindlichen<br />

Ratschläge des späten Luther für<br />

den nationalsozialistischen Antisemitismus<br />

in Anspruch genommen<br />

„Hamburg“-Stein im „Tal der Gemeinden“ Yad Vashem, Jerusalem<br />

Zur Erinnerung aller zerstörter jüdischen Gemeinden im 2. Weltkrieg<br />

5. Zwischen Luthers frühen Äußerungen<br />

und seinen späten Schriften<br />

ab 1538 mit ihrem unverhüllten<br />

Judenhass besteht eine Kontinuität<br />

im theologischen Urteil über die<br />

Juden. Im Judentum seiner Zeit sah<br />

er eine Religion, die ihre eigene<br />

Bestimmung verfehlt. Sie lasse sich<br />

von der Verdienstlichkeit der Werke<br />

leiten und lehne es ab, das Alte<br />

Testament auf Jesus Christus hin zu<br />

lesen. Das Leiden der Juden sei<br />

Ausdruck der Strafe Gottes für die<br />

Verleugnung Jesu Christi.<br />

7. Ein Zusammenleben von Juden<br />

und Christen konnte es für Luther<br />

nur auf Zeit und in der Hoffnung auf<br />

Bekehrung der Juden geben. In deutlicher<br />

Kritik an der üblichen Judenhetze<br />

hoffte er 1523, dass, "wenn<br />

man mit den Juden freundlich handelt<br />

und aus der heiligen Schrift sie<br />

säuberlich unterweist, es sollten ihrer<br />

viel rechte Christen werden ..."<br />

("Dass unser Herr Jesus ein geborener<br />

Jude sei"). 1543 verfasste er die<br />

Schrift "Von den Juden und ihren<br />

Lügen". Aus Angst, die Duldung der<br />

15


jüdischen Religion könne den Zorn<br />

Gottes auch über das christliche Gemeinwesen<br />

heraufbeschwören, empfahl<br />

er am Ende dieser Schrift der<br />

weltlichen Obrigkeit u.a. die Verbrennung<br />

der Synagogen, die Zerstörung<br />

jüdischer Häuser, die Konfiszierung<br />

von Talmud und Gebetbüchern, Handelsverbot<br />

und Zwangsarbeit. Wenn<br />

das nicht helfe, riet er, solle man die<br />

Juden „wie die tollen Hunde<br />

ausjagen".<br />

8. Auf Luthers Ratschläge konnte<br />

Jahrhunderte lang zurückgegriffen<br />

werden. Zum einen hat man sich unter<br />

Berufung auf die bedingt judenfreundliche<br />

Haltung von 1523 für die<br />

Duldung der Juden, aber auch für<br />

eine intensivierte Judenmission ausgesprochen.<br />

Zum andern hat man<br />

sich auf Luthers Spätschriften zur<br />

Ausgebrochene Zweige aus dem<br />

Ölbaum, Röm. 11<br />

Seitenfenster „Christ Churchs“,<br />

Jerusalem<br />

Rechtfertigung von Judenhass und<br />

Verfolgung berufen, insbesondere<br />

mit dem aufkommenden rassischen<br />

Antisemitismus und in der Zeit des<br />

Nationalsozialismus. Einfache Kontinuitätslinien<br />

lassen sich nicht ziehen.<br />

Gleichwohl konnte Luther im 19. und<br />

20. Jahrhundert für theologischen<br />

und kirchlichen Antijudaismus sowie<br />

politischen Antisemitismus in Anspruch<br />

genommen werden.<br />

Erneuernder Aufbruch<br />

9. Nach 1945 kam es in Deutschland<br />

zunächst zögerlich zu einem bis<br />

heute nicht abgeschlossenen Lernprozess<br />

der Kirchen bezüglich ihres<br />

schuldhaften Versagens gegenüber<br />

dem Judentum. Die Evangelische<br />

Kirche in Deutschland hat ihr Verhältnis<br />

zum Judentum theologisch<br />

neu bestimmt, jede Form der Judenfeindschaft<br />

verworfen und zur<br />

Begegnung mit dem Judentum<br />

aufgerufen. Entsprechende Aussagen<br />

sind in die Kirchenverfassungen<br />

vieler Gliedkirchen der<br />

EKD aufgenommen worden.<br />

10. Luthers Sicht des Judentums<br />

und seine Schmähungen<br />

gegen Juden stehen nach unserem<br />

heutigen Verständnis im Widerspruch<br />

zum Glauben an den<br />

einen Gott, der sich in dem Juden<br />

Jesus offenbart hat. Sein<br />

Urteil über Israel entspricht demnach<br />

nicht den biblischen Aussagen<br />

zu Gottes Bundestreue gegenüber<br />

seinem Volk und zur<br />

bleibenden Erwählung Israels.<br />

11. Wir stellen uns in Theologie<br />

und Kirche der Herausforderung,<br />

zentrale theologische Lehren der<br />

Reformation neu zu bedenken und<br />

dabei nicht in abwertende Stereo-<br />

DIE VERHEISSUNG<br />

Das kunstvoll gestaltete Kirchenfenster stellt einen Olivenbaum dar, der eine geheimnisvolle<br />

Botschaft enthält. Unterhalb der Baumwurzeln befinden sich zwei ausgebrochene Zweige, die<br />

durch hebräische Schriftzeichen miteinander verbunden sind. Dort ist zu lesen: "Ba rachamim<br />

asher ha shemesh alechem, jerachamu gam hem ke'at." Ins Deutsche übertragen bedeutet dieser<br />

Zuspruch etwa: "In Gottes Erbarmungen, welcher die Sonne über euch erstrahlen lässt, wird auch<br />

euch noch Barmherzigkeit widerfahren zu dieser Zeit."<br />

Einige der biblischen Propheten und auch König David vergleichen das jüdische Volk mit einem<br />

Ölbaum. So gelten die trostvollen Worte niemand anders als dem Volk Israel. Aufgrund seiner<br />

leidvollen Geschichte fühlte es sich oftmals wie von Gott verlassen und gleicht zwei abgeschnittenen<br />

Zweigen, die scheinbar ohne Hoffnung am Boden liegen.<br />

type zu Lasten des Judentums zu<br />

verfallen. Das betrifft insbesondere<br />

die Unterscheidungen "Gesetz und<br />

Evangelium", "Verheißung und Erfüllung",<br />

"Glaube und Werke" und "alter<br />

und neuer Bund".<br />

12. Wir erkennen die Notwendigkeit<br />

eines kritischen Umgangs mit unserem<br />

reformatorischen Erbe in der<br />

Auslegung der Heiligen Schrift, insbesondere<br />

des Alten Testaments.<br />

Wir erkennen in der jüdischen Auslegung<br />

des Tenach "eine auch für die<br />

christliche Auslegung nicht nur legitime,<br />

sondern sogar notwendige Perspektive"<br />

(Kirche und Israel, Leuenberger<br />

Texte 6, II, 227); denn die<br />

Wahrnehmung jüdischer Bibelauslegung<br />

erschließt uns tiefer den Reichtum<br />

der Heiligen Schrift.<br />

13. Wir erkennen, welchen Anteil<br />

die reformatorische Tradition an der<br />

schmerzvollen Geschichte der "Vergegnung"<br />

(Martin Buber) von Christen<br />

und Juden hat. Das weitreichende<br />

Versagen der Evangelischen Kirche<br />

gegenüber dem jüdischen Volk<br />

erfüllt uns mit Trauer und Scham.<br />

Aus dem Erschrecken über historische<br />

und theologische Irrwege und<br />

aus dem Wissen um Schuld am Leidensweg<br />

jüdischer Menschen erwächst<br />

heute die besondere Verantwortung,<br />

jeder Form von Judenfeindschaft<br />

und -verachtung zu widerstehen<br />

und ihr entgegenzutreten.<br />

14. Als unser Herr und Meister Jesus<br />

Christus sagte: 'Tut Buße, denn<br />

das Himmelreich ist nahe herbeigekommen',<br />

wollte er, dass das ganze<br />

Leben der Glaubenden Buße sei"<br />

(Martin Luther). Das Reformationsjubiläum<br />

im Jahr 2017 gibt Anlass zu<br />

weiteren Schritten der Umkehr und<br />

Erneuerung.<br />

Bremen, den 11. November 2015<br />

Die Präses der Synode der<br />

Evangelischen Kirche in Deutschland<br />

Dr. Irmgard Schwaetzer<br />

16


500 Jahre Reformation<br />

Luthers Theologie aus israeltheologischer Perspektive<br />

von Tobias Krämer<br />

Als vor 500 Jahren die Reformation begann, hätte kaum jemand gedacht, welche gravierenden Auswirkungen sie haben<br />

würde. Deutschland wurde polarisiert –<br />

in protestantische und katholische<br />

Teile. Deutschland wurde aber auch<br />

geeint - durch die Lutherbibel, die<br />

die vielen Dialekte zu einer gemeinsamen<br />

Sprache zusammenführte.<br />

Die Kirche wurde gespalten. Protestanten<br />

und Katholiken standen sich<br />

feindlich gegenüber. Diese Feindschaft<br />

führte sogar zu kriegerischen<br />

Auseinandersetzungen. Heute sind<br />

die Konflikte der Reformationszeit<br />

weitgehend Vergangenheit - die<br />

Trennung aber besteht fort.<br />

Luthers reformatorische<br />

Entdeckung<br />

Der Grund der Trennung war Jesus<br />

Christus wie die Reformatoren ihn<br />

verkündigten. Ihre Lehre war ein Affront<br />

gegen die katholische Kirche<br />

und katholische Frömmigkeit. Denn<br />

ihr solo Christo (allein durch Christus)<br />

schloss einen menschlichen Beitrag<br />

zur Errettung bzw. Rechtfertigung<br />

aus. Die katholische Kirche<br />

aber betonte diesen Beitrag auf vielfältige<br />

Weise. Sie erntete Protest:<br />

Allein durch Christus, allein durch<br />

Glauben, allein aus Gnade wird der<br />

Mensch laut der Reformatoren gerechtfertigt.<br />

Und so wundert es nicht,<br />

dass diese Kampfparolen die Mitte<br />

protestantischer Theologie wurden.<br />

Auf diese Weise haben die Reformatoren<br />

das Evangelium wieder zum<br />

Leuchten gebracht und zur Botschaft<br />

von der bedingungslosen Retterliebe<br />

Gottes gemacht. Gott rechtfertigt uns<br />

- nicht wir selbst! Davon zehrt die<br />

Christenheit bis heute. Luther hat<br />

dieses „Allein" entschieden vertreten,<br />

weil er es existenziell erlebt hat.<br />

Die Erfahrung der Rechtfertigung -<br />

allein durch Christus, allein durch<br />

Glauben, allein aus Gnade - machte<br />

ihn zum Verfechter dieser Botschaft.<br />

Luther selbst schildert seine "reformatorische<br />

Entdeckung" folgendermaßen:<br />

Nun fühlte ich mich ganz<br />

und gar neugeboren und ich war<br />

durch offene Pforten in das Paradies<br />

selbst eingetreten. Die Angst vor der<br />

ewigen Verdammnis und der Hölle,<br />

die Luther so sehr gepeinigt hatte,<br />

war der Gewissheit des Glaubens<br />

gewichen: Gott hat mich gerecht gemacht,<br />

denn Christus ist für meine<br />

Sünden gestorben; ich bin begnadigt,<br />

ich bin gerechtfertigt worden,<br />

ich bin frei! Darin fand Luther Frieden<br />

für seine Seele. Deshalb gab es<br />

an dieser Stelle für Luther auch keinen<br />

theologischen Spielraum, nicht<br />

einen Millimeter. Im Gegenteil: Für<br />

diese Botschaft musste gekämpft<br />

und gestritten werden: Christus,<br />

Glaube und Gnade allein!<br />

Die Kehrseite<br />

Nun ist es immer so eine Sache,<br />

wenn Kampfparolen dogmatisiert<br />

werden. Kampfparolen sind dringend<br />

nötig, wenn etwas aufgebrochen<br />

werden muss. Sie spitzen eine<br />

Wahrheit zu und entfalten auf diese<br />

Weise ihre Wirkung. Doch haben sie<br />

in der Regel nicht die Weite und die<br />

Reife, das Ganze der Theologie zu<br />

repräsentieren. Folglich holt man<br />

sich leicht Einseitigkeiten oder<br />

Verengungen ins Haus, wenn man<br />

sie zu dogmatischen Glaubenssätzen<br />

erhebt. Solche Verengungen<br />

sind aus meiner Sicht auch Luther<br />

unterlaufen.<br />

Unter anderem im Hinblick auf<br />

Israel. Luther konnte die biblische<br />

Perspektive für Israel nicht sehen,<br />

denn sie hatte in seinem theologischen<br />

Denken keinen Raum. Die<br />

sog. "Ersatztheologie" - dass Gott<br />

mit Israel Schluss gemacht und<br />

als „Ersatz“ nun die Gemeinde Jesu<br />

erwählt habe - hatte Luther ohnehin<br />

verinnerlicht. Damit war er aufgewachsen.<br />

Doch der Gedanke, dass<br />

Gott Israel verworfen habe, wurde<br />

durch Luthers Christologie (seine<br />

Lehre von Jesus Christus) noch<br />

verstärkt. Denn wenn man allein<br />

durch Christus gerecht wird, waren<br />

dann die Juden, die sich doch gegen<br />

das Evangelium gestellt hatten, nicht<br />

der ewigen Verdammnis<br />

preisgegeben? Und hatten sie dann<br />

nicht ihre Erwählung verspielt?<br />

Dieser Gedanke war für Luther<br />

Konsequenz seines Evangeliums<br />

und aus diesem Gedanken fand er<br />

zeitlebens nicht heraus. Luthers<br />

Theologie hatte also - anders als die<br />

des Paulus - eine antijudaistische<br />

bzw. antisemitische Kehrseite. Sie<br />

war gegen das Judentum gerichtet.<br />

Das war und ist ein gravierender<br />

Fehler. Denn die Theologie des<br />

Paulus - Luthers Vorbild - ist dies<br />

nicht! Nicht umsonst bezeichnet<br />

Klaus Wengst die theologische<br />

Judenfeindschaft als "Geburtsfehler<br />

des Protestantismus“[1]<br />

Römer 11: Luthers Probleme<br />

mit Paulus<br />

Schon in seiner frühen Vorlesung<br />

über den Römerbrief bekennt Luther,<br />

dass ihm die letzten Verse aus<br />

Röm. 11, die die bleibende Erwählung<br />

Israels zum Gegenstand haben,<br />

"dunkel bleiben". Luther hat schlicht<br />

nicht verstehen können, dass Israel<br />

noch immer erwähltes Gottesvolk ist,<br />

wo es doch Christus abgelehnt hat.<br />

Hier war Luther mit Paulus im Konflikt<br />

und blieb es sein Leben lang.<br />

Für Paulus war klar, dass Israels<br />

Erwählung nicht zur Debatte stand,<br />

denn "Gottes Gaben und Berufung<br />

können ihn nicht gereuen" (Röm<br />

11,29). Gott hatte Israel erwählt und<br />

sich als Gott Israels offenbart. Das<br />

stand für Paulus fest. Natürlich steht<br />

auch in der Theologie des Paulus<br />

Christus im Mittelpunkt. Doch ist<br />

seine Christologie nicht so aufgebaut,<br />

dass sie den Gott Israels und<br />

damit die Erwählung Israels verdeckt<br />

oder gar auflöst. Das aber ist bei<br />

Luther der Fall.<br />

Für Luther sind Gott und Christus im<br />

Grunde deckungsgleich, so dass<br />

man von Gott nur aus christlicher/<br />

17


christologischer Perspektive sprechen<br />

kann. Bei Paulus ist der<br />

Anmarschweg ein anderer. Er geht<br />

vom Gott Israels aus und kommt von<br />

dort auf Jesus Christus zu sprechen.<br />

Die Folge ist, dass in der Theologie<br />

des Paulus der Gott Israels bzw. die<br />

Erwählung Israels erhalten bleiben,<br />

während Luther diese verliert.<br />

Deshalb konnte Luther den Gedankengang<br />

des Paulus in Röm 11 nicht<br />

verstehen (siehe Grafik 1).<br />

Der Unterschied zwischen den<br />

beiden Gottesmännern wird besonders<br />

an Röm 11,28 deutlich. Während<br />

Paulus über seine Judengenossen<br />

sagt, dass sie Geliebte und<br />

Feinde zugleich sind - Feinde des<br />

Evangeliums und trotzdem Geliebte<br />

Gottes! - sieht Luther nur die<br />

Feindschaft dem Evangelium<br />

gegenüber. Aus dieser Feindschaft<br />

schließt er, dass Israel nun verworfen<br />

sei. Das aber war für Paulus<br />

undenkbar: "Gott hat sein<br />

Volk nicht verstoßen, das<br />

er zuvor erwählt hat!"<br />

(Röm 11,2). Ganz im<br />

Gegenteil. Die Erwählung<br />

Israels wird letztlich dazu<br />

führen, dass "ganz Israel<br />

gerettet werden wird“<br />

(Röm. 11.26). Das wird<br />

laut Paulus schon in der<br />

Schrift verheißen, Israel<br />

und sein Messias Jesus<br />

werden zusamenfinden,<br />

zu Israels Heil. Alles andere<br />

ist für Paulus unvorstellbar<br />

(Grafik 2).<br />

Paulus sieht beides: die bleibende<br />

Erwählung Israels und die<br />

Feindschaft dem Evangelium<br />

gegenüber. Luther<br />

hingegen sieht nur<br />

Letzteres: Feindschaft.<br />

Paulus gibt der Erwählung<br />

sogar das größere<br />

Gewicht und kann<br />

deshalb Gottes Heilsperspektive<br />

für Israel sehen,<br />

während Luther nur eines<br />

wahrnimmt: Feindschaft.<br />

Paulus schaut aus zwei<br />

Blickwinkeln auf Israel.<br />

Hinslchtlich des Evangeliums<br />

sind sie zwar<br />

Feinde, hinsichtlich der<br />

Erwählung aber sind sie Geliebte.<br />

Luther aber nur aus einem: dem<br />

Blickwinkel des Evangeliums. Kurz<br />

gesagt: Luther ist auf einem Auge<br />

blind. Das solus Christus war für ihn<br />

so absolut und dominant, dass<br />

daneben kein Raum mehr für ein<br />

anderes Gotteswirken blieb - das war<br />

ausgeschlossen.<br />

Damit hat Luther unendlich viel an<br />

biblischer Substanz verloren. Er<br />

verlor den Gott Israels, die Erwählung<br />

Israels und die Verheißungen<br />

Gottes für Israel. Damit verlor er<br />

aber auch die Treue Gottes, denn<br />

wenn Gott nicht treu zu seinem Volk,<br />

seiner Erwählung und seinen<br />

Verheißungen steht, wie sollte er uns<br />

Christen gegenüber treu sein?<br />

Entweder ist Gott treu - dann auch<br />

Israel gegenüber - oder er ist es<br />

nicht. Ein Dazwischen gibt es nicht<br />

(Grafik 3).<br />

Luthers Theologie sollte<br />

heute einem Check unterzogen<br />

werden. Luthers<br />

Tiefenerkenntnis des Evangeliums<br />

sollte ganz neu<br />

und dankbar ergriffen werden,<br />

doch sollten zugleich<br />

seine Engstellen und blinden<br />

Flecken überwunden<br />

werden.<br />

Beides zusammen würde<br />

zu einer Reifung der<br />

Theologie und zu einer<br />

geistlichen Gesundung<br />

der evangelischen<br />

Christenheit führen.<br />

Nichts brauchen wir heute mehr als<br />

das (Grafik 4).<br />

Konsequenzen heute<br />

Eine theologische Neubesinnung<br />

müsste m. E. bei Jesus von Nazareth<br />

einsetzen. Jesus war bekanntermaßen<br />

Jude und er ist dies noch<br />

immer. Dies hat schon Karl Barth<br />

betont: "Gottes Sohn wurde nicht<br />

Fleisch, Mensch [. .. ] in irgendeiner<br />

Allgemeinheit, sondern jüdisches<br />

Fleisch. Die ganze kirchliche<br />

Inkarnations- und Versöhnungslehre<br />

wurde abstrakt, billig, bedeutungslos<br />

in dem Maß, als man das für eine<br />

beiläufige und zufällige Bestimmung<br />

zu halten begann." [2] Das heißt:<br />

Jesus ist von seinem Judesein nicht<br />

zu trennen.<br />

Jesu Judesein erschließt Jesus,<br />

18


seine Person, sein Werk und seine<br />

Bedeutung, ja sogar unser Heil.<br />

Wenn wir uns heute der Person<br />

Jesus neu annähern wollen, dann<br />

stoßen wir auf den Juden Jesus. Der<br />

Jude Jesus verbindet uns mit dem<br />

jüdischen Volk, dem Gott Israels und<br />

der Heilsgeschichte, die Gott mit<br />

Israel schreibt. Es gilt also zunächst,<br />

den Juden Jesus kennenzulernen.<br />

Dass an dieser Stelle enormer<br />

Nachholbedarf besteht, hat Guido<br />

Baltes - ausgewiesener Kenner der<br />

Materie - herausgearbeitet. Baltes<br />

zählt sage und schreibe 80 Missverständnisse<br />

auf, die sich in der<br />

Christenheit eingeschlichen habenund<br />

den jüdischen Wurzelgrund des<br />

christlichen Glaubens verstellen. [3]<br />

Exemplarisch seien hier einige<br />

aufgezählt:<br />

Missverständnis 1: Unser Bild von<br />

Jesus kann nur dann hell leuchten,<br />

wenn wir den Hintergrund des<br />

Judentums um ihn herum in dunklen<br />

Farben malen.<br />

Missverständnis 13: Im Judentum<br />

wird man durch eigene Verdienste<br />

gerettet, im Christentum durch die<br />

Gnade Gottes.<br />

Missverständnis 17: Jesus brauchte<br />

nicht zur Schule zu gehen, weil er<br />

als Sohn Gottes ohnehin schon alles<br />

wusste.<br />

Missverständnis 20: Den jüdischen<br />

Lehrern ging es nur um Verbote.<br />

Jesus aber ging es darum, über die<br />

Grenzen des Gebotes hinauszudenken.<br />

Missverständnis 30: Das jüdische<br />

Gesetz wurde dadurch<br />

überflüssig, dass Jesus<br />

es vollständig eingehalten<br />

hat.<br />

Missverständnis 51: Der<br />

Gott des Alten Testaments<br />

ist nicht der<br />

liebende Vater, von dem<br />

Jesus redet.<br />

Missverständnis 52:<br />

Gott hat irgendwann<br />

zwischen dem Alten und<br />

dem Neuen Testament<br />

seine Meinung geändert.<br />

Missverständnis 53:<br />

Man muss das Alte Testament<br />

"durch die Brille des<br />

Neuen" lesen.<br />

Missverständnis 67: Das "Reich<br />

Gottes" ist eine christliche Idee. Es<br />

begann erst, als Jesus in die Welt<br />

kam.<br />

Missverständnis 78: Jesus war<br />

zwar ein Jude, aber schon Paulus<br />

hat die Grenzen des Judentums verlassen<br />

und eine neue Religion gegründet.<br />

Bei all diesen Aussagen handelt es<br />

sich um Irrtümer. Und dennoch sind<br />

sie in christlichen Gemeinden weit<br />

verbreitet. Hier sollte zunächst einmal<br />

gründlich aufgeräumt werden.<br />

Der Jude Jesus muss neu entdeckt<br />

werden, um Jesus richtig verstehen<br />

zu können. Dazu bedarf es eines<br />

neuen (wahrheitsgemäßen!) Bildes<br />

des jüdischen Kontextes. Wenn wir<br />

an Jesus glauben und Jesus Jude<br />

war, dann glauben wir an den Juden<br />

Jesus und sollten ihn kennenlernen.<br />

Im zweiten Schritt sollte dann der<br />

Jude Paulus ins Visier genommen<br />

werden, der von dem Juden Jesus<br />

her seine Theologie aufgezogen und<br />

in die griechisch-römische Welt hinein<br />

kontextualisiert hat. [4] Geht man<br />

diesen Weg, dann erkennt man, was<br />

Paulus damit meinte, dass wir Christen<br />

durch den Glauben an Jesus in<br />

den edlen Ölbaum "eingepfropft"<br />

sind (Röm 11,17-24).<br />

Christen sind in die Heilsgeschichte,<br />

die Gott mit Israel schreibt, mit hineingenommen<br />

und werden deshalb<br />

auch mit Israel zusammen ans Ziel<br />

kommen. Hier geht es um nichts Geringeres<br />

als um unsere christliche<br />

Identität. Die christliche Identität<br />

ist von der Substanz her jüdisch.<br />

Dies muss neu durchdekliniert und<br />

ergriffen werden, Schritt für Schritt.[5]<br />

Luthers Reformation hat Bahnbrechendes<br />

geleistet, denn<br />

es ist ihm gelungen, den<br />

Glauben der Christenheit<br />

vom Kreuz her zu erneuern<br />

(Grafik 5). Dies kann<br />

kaum überschätzt werden.<br />

Heute - 500 Jahre<br />

später - wird man den<br />

Eindruck nicht los, dass<br />

die Kirchen der Reformation<br />

Gefahr laufen, den<br />

Bezug zum Kreuz zu verlieren<br />

(Grafik 6) . Die Reaktion<br />

sollte nun nicht<br />

allein darin zum Kreuz<br />

zurückzurufen. Das natürlich<br />

auch, aber nicht<br />

nur. Der Umkehrruf muss lauten: Zurück<br />

zu Jesus! Zu dem Juden Jesus,<br />

der für uns gestorben und auferweckt<br />

worden ist. Zurück zur jüdischen<br />

Heilsgeschichte, die Gott mit<br />

Israel schreibt, zurück zu den Wurzeln!<br />

Denn von den Wurzeln her wird der<br />

Glaube stabil und bekommt seine<br />

Ausrichtung. Junge Israelfreunde in<br />

meinem Umfeld glauben deshalb,<br />

dass es heute eine zweite Reformation<br />

braucht, die die erste zu Ende<br />

führt. Sie nennen diese sinnigerweise:<br />

ReformaZION<br />

(s. Grafik 7, S. 20).<br />

19


Die Alternative: mit Luther gegen<br />

Luther<br />

Luther hätte zu anderen Schlussfolgerungen<br />

kommen können, wenn er<br />

ein anderes reformatorisches Prinzip,<br />

das er verfochten hat, an die erste<br />

Stelle gesetzt hätte: sola scriptura<br />

- allein die Schrift. Dann hätte er<br />

anhand von Röm 11 feststellen kön-<br />

nen, dass etwas an seiner Theologie<br />

nicht stimmen kann. Er hätte diesem<br />

Hinweis nachgehen und seine Theologie<br />

so aufbereiten können, dass<br />

die Israel perspektive aus Röm. 11<br />

darin Platz hat. Dazu ist es Ieider<br />

nicht gekommen und so wirkt Luthers<br />

blinder Fleck nach. Doch haben<br />

andere Protestanten diesen<br />

Weg eingeschlagen. Sie haben an<br />

den reformatorischen Grundsätzen<br />

festgehalten und dennoch die biblische<br />

Sicht für Israel ergriffen. Die<br />

Rede ist von Teilen des Pietismus<br />

sowie von Theologen der Nachkriegszeit,<br />

die den Holocaust als Auftrag<br />

begreifen, die eigene Theologie<br />

auf den Prüfstand zu steIlen (z.B.<br />

Theologie nach Auschwitz). Hier zeigen<br />

sich Früchte, die hoffen lassen.<br />

[1] Vgl. Wengsts Aufsatz "Martin Luther und die Juden.<br />

Über theologische Judenfeindschaft als Geburtsfehler<br />

des Protestantismus."<br />

In: Klaus Wengst, Christsein mit Tora und Evangelium.<br />

Beiträge zum Umbau christlicher Theologie im Angesicht<br />

Israels, Stuttgart 2014, S. 35-52.<br />

[2] Karl Barth, Kirchliche Dogmatik. Band IV/ 1, Zollikon<br />

1953, S. 18lf.<br />

[3] Guido Baltes, Jesus der Jude und die Missverständnisse<br />

der Christen, Marburg 3 2015.<br />

[4] Diesem Projekt ist das zweite Buch von Guido Baltes<br />

gewidmet: Paulus- Jude mit Mission. Alter Glaube in<br />

einer verändertene Kultur,<br />

Marburg 2016<br />

[5] Persönlich darf ich sagen, dass ich diesen Weg seit nun<br />

11 Jahren gehe und noch immer Neues entdecke.<br />

Olivenbaum, Ölberg Garten Gethsemane<br />

20


Verdrängung, Verdruss, Verantwortung?<br />

Kriegsurenkel und der lange Schatten unserer Vergangenheit<br />

Rasmus Rahn<br />

Ich bin nun 22 Jahre alt und wurde<br />

von vielen Seiten verwundert<br />

gefragt, warum ich mich ausgerechnet<br />

damit befasse, wie die Generation<br />

der Kriegsurenkel mit den Taten<br />

ihrer Vorfahren umgeht. Das Thema<br />

sei längst »ausgelutscht« und schon<br />

1000-fach abgehandelt. Viele haben<br />

die Sorge, dass es ausschließlich<br />

mit der Schuld- und Moralkeule<br />

daherkommt.<br />

Nähert man sich dem Thema<br />

allerdings von einer anderen Seite,<br />

nämlich auf der psychologischemotionalen<br />

Ebene, und beginnt<br />

sich intensiv damit zu beschäftigen,<br />

was in den direkt Betroffenen, den<br />

Kriegskindern und den ihnen<br />

nachfolgenden Generationen<br />

vorgeht, so erkennt man, wie<br />

brandaktuell es eigentlich ist.<br />

Wer dennoch sicher ist, das Thema<br />

beträfe heute niemanden mehr, dem<br />

sei mit der aktuellen Umfrage der<br />

Europäischen Union widersprochen:<br />

Die Agentur der Europäischen Union<br />

für Grundrechte hat die Erfahrungen<br />

von Juden in acht europäischen Ländern<br />

vergleichend untersucht. Die<br />

Befragten stammen aus den acht<br />

europäischen Ländern, in denen<br />

Schätzungen zufolge 90 Prozent der<br />

europäischen Juden leben. Zwei Drittel<br />

der Befragten gaben an, Antisemitismus<br />

sei ein Problem in Europa,<br />

76 Prozent verzeichneten gar einen<br />

Anstieg der Anfeindungen in ihrem<br />

Heimatland in den vergangenen fünf<br />

Jahren, in Deutschland waren es<br />

insgesamt 32 Prozent der Befragten,<br />

die sich über eine deutliche Zunahme<br />

der Judenfeindlichkeit sorgten.<br />

Jeder zweite Befragte fürchtete,<br />

Opfer eines verbalen Angriffes zu<br />

werden. Ein Drittel der Befragten<br />

fürchtete gar, im Heimatland auch<br />

körperlich angegriffen zu werden.<br />

Mehr als jeder zweite Befragte gab<br />

an, in den vergangenen zwölf<br />

Monaten mit der Äußerung konfrontiert<br />

worden zu sein, dass der<br />

Holocaust nicht stattgefunden habe<br />

oder aber übertrieben dargestellt<br />

werde.<br />

Ein Viertel der Befragten gab an, in<br />

den vergangenen Monaten angegriffen<br />

worden zu sein, 4 Prozent<br />

erlebten körperliche Gewalt. Ein<br />

Viertel der Befragten gab an, in den<br />

vergangenen zwölf Monaten<br />

diskriminiert worden zu sein wegen<br />

seines jüdischen Glaubens. Von den<br />

berufstätigen Befragten gab jeder<br />

Zehnte an, an seinem Arbeitsplatz<br />

wegen seines jüdischen Glaubens<br />

schon einmal diskriminiert worden zu<br />

sein. Ebenso wie jeder Zehnte, der<br />

auf Jobsuche war.<br />

Die Journalistin Daria Jablonowska<br />

fragt in einem Artikel im Magazin vor<br />

diesem Hintergrund: »Sind diese<br />

Sorgen nur subjektiv und unbegründet?<br />

Sind antisemitische Anfeindungen<br />

nur ein Instrument gesellschaftlicher<br />

Randgruppen, bekennender<br />

Rechtsradikaler, rechtsorientierter<br />

und gewaltbereiter Fanatiker oder<br />

verkennen wir durch die Abschiebung<br />

der Problematik in bestimmte<br />

Milieus unsere gesamtgesellschaftliche<br />

Verantwortung und überhören<br />

die latent judenfeindlichen Botschaften<br />

im Alltäglichen?« Die 2012<br />

erschienene Studie »Die Mitte im<br />

Umbruch - Rechtextreme Einstellungen<br />

in Deutschland 2012« der<br />

Friedrich-Ebert-Stiftung diagnostiziert,<br />

dass rechtsextreme Einstellungen<br />

von 28 Prozent der Bevölkerung<br />

in Deutschland geteilt werden und<br />

die Zustimmung zu allen in der<br />

Studie vorgelegten Einzelaussagen<br />

deutlich über dem Bevölkerungsanteil<br />

manifest antisemitischer Personen<br />

(8,7 Prozent) liegt.<br />

Ich sehe hier das Ergebnis einer<br />

länger währenden Entwicklung, die<br />

eine mangelnde Beschäftigung mit<br />

den eigenen Wahrnehmungen zur<br />

Folge hat. Verantwortung anzunehmen,<br />

bedeutet in diesem Zusammenhang<br />

nämlich nicht etwa, sich<br />

einer Schuld des deutschen Volkes<br />

und seiner Verantwortung vor der<br />

Geschichte bewusst zu werden,<br />

denn diese ist wahrhaftig.<br />

Hier bedeutet Verantwortung, sich<br />

der eigenen Empfindungen gewahr<br />

zu werden, ihnen nachzugehen und<br />

verantwortlich mit ihnen umzugehen.<br />

Nur wie nimmt man diese Verantwortung<br />

an? Für mich begann dieser<br />

Prozess zunächst mit der Bewältigung<br />

der Geschichte meiner eigenen<br />

Familie. Im Geschichtsunterricht<br />

legte unser Lehrer besonderen Wert<br />

darauf, uns in diesem Zusammenhang<br />

die Geschehnisse vor unserer<br />

eigenen Haustür nahezubringen.<br />

In Friedrichstadt, einer Stadt nur<br />

zehn Kilometer von dem Ort entfernt,<br />

wo ich aufwuchs, verübte die SS ein<br />

grausames Verbrechen an der<br />

jüdischen Gemeinde. Deren Mitglieder<br />

wurden von der SS in die dortige<br />

Synagoge eingesperrt. Anschließend<br />

warfen die SS-Männer Handgranaten<br />

in das Gebäude.<br />

Die Synagoge fing Feuer, und alle in<br />

ihr gefangenen Menschen starben.<br />

Es ist immer besonders furchtbar,<br />

wenn ein Ort des Friedens und der<br />

seelischen Geborgenheit in einen<br />

Ort des Grauens verwandelt wird.<br />

Wenige Jahre später erfuhr ich dann,<br />

dass der Onkel meines Großvaters<br />

Mitglied der SS und maßgeblich an<br />

diesem Verbrechen beteiligt war. Ich<br />

erstarrte. Mir wurde zum ersten Mal<br />

bewusst, dass in unserer Familiengeschichte<br />

so eine Schuld zu finden<br />

war.<br />

Ich begann mich stärker damit auseinanderzusetzen,<br />

und so nahm ich im<br />

April 2012 an einer Bildungsreise in<br />

das Konzentrationslager Auschwitz<br />

21


teil. Im Rahmen dieser Reise fuhren<br />

wir nach Berlin. Dort besuchten wir<br />

das Jüdische Museum und nahmen<br />

an einem Workshop teil. Inhalt dieses<br />

Workshops war es, mit originalen<br />

Archivarien zu arbeiten.<br />

Eine dieser Archivarien war der Abschiedsbrief<br />

der Jüdin Mathilde Bing<br />

an ihre Söhne, die 1938 nach England<br />

fliehen konnten.<br />

Der Brief lautet wie folgt:<br />

27. Juni 1943<br />

Meine geliebten beiden Jungen!<br />

Nun ist es endgültig so weit, morgen<br />

kommen wir fort. Ob ich jemals wieder<br />

aus der Verschollenheit auftauche,<br />

weiß ich nicht. Wo Vati ist, weiß<br />

ich auch nicht, auch wo alle anderen<br />

Verwandten sind. Der Euch meinen<br />

Abschiedsbrief übermittelt, weiß<br />

über mein Schicksal Bescheid. Ich<br />

will nur sagen, dass ich alles versucht<br />

habe, um diese Zeit zu überleben,<br />

ich werde es auch weiter versuchen.<br />

Erst wenn es zu furchtbar<br />

wird, dann mache ich Schluss. Ich<br />

hatte immer nur den Gedanken, wie<br />

kann ich Euch wiedersehen. Immer<br />

hatte ich diese schreckliche Sehnsucht<br />

nach Euch beiden. Ihr müsst<br />

es fühlen, wie lieb ich Euch habe.<br />

Ich bitte Euch beide, haltet zusammen,<br />

auch wenn Ihr Euch nicht immer<br />

versteht in allem, was Ihr tut. In<br />

dieser furchtbaren Zeit war es immer<br />

ein großer, eigentlich der einzige<br />

Trost, dass Ihr beide gerettet und<br />

dass Ihr draußen glücklich seid. Ich<br />

weiß auch, dass Ihr uns für Euer Leben<br />

nicht mehr notwendig habt. Nur<br />

für mich selbst wäre es das größte<br />

Glück, wenn ich dieses alles überlebe<br />

und dann zu Euch kommen könnte.<br />

Bis auf die letzten vier Wochen habe<br />

ich ein schönes Leben gehabt,<br />

schrecklich war immer, dass ich von<br />

Euch nichts mehr hörte. Wir denken,<br />

dass wir ins Arbeitslager nach Oberschlesien,<br />

nach Auschwitz kommen.<br />

Von dort zur Arbeit nach Birkenau<br />

oder Monowitz. Wenn Ihr später einmal<br />

durch eine Behörde Nachforschungen<br />

anstellen lassen wollt. Vati<br />

wird vielleicht auch dort sein. Auch<br />

Tante Minnie und Onkel Max. Ob ich<br />

sie finden kann, ahne ich nicht.<br />

Ich bin so froh, dass Du, lieber<br />

Heinz, mit Gaby glücklich bist und<br />

eben dadurch nicht allein. - Wenn<br />

Du, lieber Gerhard, doch auch heiraten<br />

würdest, dann könnte ich ganz<br />

ruhig sein. Aber vielleicht ist es<br />

schon geschehen, und ich weiß<br />

nichts davon. Ob Ihr diesen Brief jemals<br />

bekommen werdet? Ich weiß<br />

es nicht, aber ich musste ihn schreiben.<br />

Lebet wohl Ihr beiden, ich kann<br />

nun nicht mehr, sonst muss ich weinen,<br />

und ich will stark bleiben bis<br />

zuletzt. In Gedanken küsse ich Euch<br />

tausendmal, Euch beide und Gaby<br />

als mein drittes Kind.<br />

In großer, großer Liebe!<br />

Mutti<br />

(Jüdisches Museum Berlin,<br />

Schenkung von Thomas von Pappritz)<br />

Mathilde Bing starb im Konzentrationslager<br />

Auschwitz-Birkenau.<br />

Ich musste diesen Brief dreimal lesen,<br />

um ihn zu erfassen. Er riss mich<br />

aus der Realität. Vielleicht hat er<br />

mich ihr auch nähergebracht. Jedenfalls<br />

wurde meine Wahrnehmung in<br />

ihrer Intensität derart verstärkt, dass<br />

ich einen emotionalen Zusammenbruch<br />

erlitt. Auf einmal wurde diese<br />

riesige, abstrakte Gestalt des Holocaust<br />

heruntergebrochen auf das<br />

Schicksal eines einzelnen Menschen.<br />

Urplötzlich konnte man all<br />

das buchstäblich greifen.<br />

Ich kam an mein Ziel, Tage bevor wir<br />

den Ground Zero der Shoah überhaupt<br />

erreichten. Ich konnte meine<br />

eigenen Wahrnehmungen annehmen<br />

und verarbeiten. Alle weiteren<br />

Eindrücke, die Gaskammern, die<br />

Gleise, die Baracken, die Berge von<br />

menschlichem Haar, all das hat mich<br />

nicht im Ansatz so getroffen wie dieser<br />

Brief von Mathilde Bing. So kam<br />

ich dazu, mich mit diesem Thema<br />

auseinanderzusetzen. Eine neue<br />

Generation tritt an, das Ruder zu<br />

übernehmen. Diese Generation ist<br />

die dritte nach dem Zweiten Weltkrieg,<br />

die erste nach der Wiedervereinigung.<br />

Eine Generation, die in politischer<br />

Stabilität groß geworden ist<br />

und daher keinen direkten Bezug zu<br />

den gesellschaftlichen Extremen der<br />

Vergangenheit hat.<br />

Die Rahmenbedingungen dieser Generation<br />

unterscheiden sich deutlich<br />

von denen ihrer Vorfahren. Die mediale<br />

Revolution mit dem Aufkommen<br />

des Internets lässt die Welt immer<br />

kleiner werden. Angesichts der Realitäten<br />

vieler Menschen weltweit, die<br />

großer Willkür und furchtbarem<br />

Schrecken ausgesetzt sind, scheinen<br />

lokale Interessen immer trivialer<br />

zu werden. Daher setzen sich viele<br />

junge Menschen, die für dieses Thema<br />

sensibilisiert sind, stärker mit anderen<br />

Problemen auseinander. Diejenigen,<br />

die nicht dafür sensibilisiert<br />

sind, setzen sich ohnehin wenig mit<br />

den Problemen anderer auseinander.<br />

Die wahrgenommene politische Stabilität<br />

im eigenen Land politisiert die<br />

jungen Menschen immer weniger.<br />

Die großen Themen scheinen kleiner,<br />

interessieren die Menschen<br />

kaum noch. Das führt zu Politikverdrossenheit<br />

und in diesem Zusammenhang<br />

auch dazu, dass sich weniger<br />

mit der eigenen Geschichte beschäftigt<br />

wird. Um es mit den Worten<br />

meines Großvaters zu sagen: »Der<br />

Russe steht nicht mehr an der Elbe.«<br />

Wo befindet sich diese Generation?<br />

Sie ist in der Findungsphase. Man<br />

orientiert sich beruflich neu, sucht<br />

seinen Platz in der Gesellschaft.<br />

»Was fange ich jetzt mit mir an?«,<br />

»Wo soll mein Leben hingehen?«<br />

Das sind die Fragen, die sich diese<br />

Generation, zu Recht, stellt. Natürlich<br />

wirkt die Beschäftigung mit der<br />

Vergangenheit, angesichts des Aufbruchs<br />

in das eigene Leben, die eigene<br />

Zukunft, da verhältnismäßig uninteressant.<br />

Deshalb ist sie aber nicht<br />

weniger wichtig.<br />

Wo will diese Generation hin? Die<br />

Generation Y, wie man sie auch<br />

nennt, möchte nicht mehr leben, um<br />

22


zu arbeiten, sondern arbeiten, um zu<br />

leben. Diese Generation will Karriere<br />

machen und dabei genügend Zeit für<br />

Hobbys und die Familie haben. Hedonismus<br />

ist stark verbreitet. Dies<br />

führt dazu, dass sich mit den unangenehmen<br />

Dingen zu beschäftigen<br />

oft vermieden wird.<br />

Und dazu gehört auch, die eigene<br />

Vergangenheit zu erforschen. Stellen<br />

sich für diese Generation die Fragen<br />

Stolpersteine im Hamburger Grindelviertel<br />

nach Schuld und Verantwortung?<br />

Wie geht diese Generation mit der<br />

Vergangenheitsbewältigung um?<br />

Strebt diese Generation überhaupt<br />

an, Vergangenheit zu bewältigen?<br />

Und wenn ja, wie? Ich persönlich<br />

nehme folgende markante Strömungen<br />

wahr: Die einen zeigen starke<br />

Tendenzen, Verantwortung von sich<br />

zu weisen. Sie sind der Meinung, es<br />

sei »früher alles gar nicht so<br />

schlecht gewesen, stehen antisemitischen<br />

Gedanken zumindest nicht<br />

ablehnend gegenüber. Sie betreiben<br />

Verdrängung.<br />

Die anderen sind abweisend, möchten<br />

nicht von der Moralkeule erschlagen<br />

werden, sie haben »genug« davon<br />

und reagieren mit großem Verdruss.<br />

Häufig kommt sogar beides<br />

zusammen, was eine Mischung ergeben<br />

kann, die der Vergangenheitsbewältigung<br />

und Verarbeitung<br />

der eigenen Wahrnehmungen<br />

entgegensteht.<br />

Es gibt aber auch jene,<br />

die sich der Verantwortung<br />

bewusst sind und<br />

sie annehmen. Verantwortung,<br />

das Wahrgenommene<br />

zu verarbeiten,<br />

es anzunehmen<br />

und ihm nachzugehen.<br />

Wichtig zu erwähnen ist<br />

der Unterschied zwischen<br />

der Verantwortung<br />

vor der Geschichte,<br />

die Erinnerung zu<br />

bewahren und zu verhindern,<br />

dass so etwas<br />

jemals wieder geschieht,<br />

und der Verantwortung,<br />

dem nachzugehen,<br />

was einen<br />

emotional einholt, was<br />

man dabei wahrnimmt.<br />

Letzteres spielt für beide<br />

Strömungen keine<br />

größere Rolle, und bei<br />

der Verantwortung vor<br />

der Geschichte zeigen<br />

nur die Verantwortungsbewussten,<br />

dass<br />

sie mit ihr umgehen können.<br />

Daher stellt sich die Frage: Ist diese<br />

Generation auf dem richtigen Weg?<br />

Es kommt darauf an. Zumindest gibt<br />

es einige, die sich mit dem Thema<br />

beschäftigen. Jedoch noch auf der<br />

falschen Ebene.<br />

Das Ziel muss es sein, die Verdrossenen<br />

für die andere Ebene zu begeistern<br />

und bei den Verantwortungsbewussten<br />

einen Sinn für die<br />

Relevanz der emotionalen Ebene zu<br />

schaffen. Die Verdrängenden müssen<br />

sensibilisiert, um nicht zu sagen,<br />

aufgeklärt werden.<br />

Ihnen, wie auch den Verdrossenen,<br />

muss vor allem die Angst vor dieser<br />

Thematik genommen werden. Es ist<br />

nämlich kein Zeichen von emotionaler<br />

Überlegenheit und Stärke, dieses<br />

Thema zu versachlichen und auf die<br />

Relevanz von Reparationsleistungen<br />

zu reduzieren. Ich halte das vielmehr<br />

für ein Zeichen von Angst, mit der<br />

emotionalen Seite dieses Themas<br />

nicht fertigzuwerden, welche mir als<br />

die wichtigere erscheint. Man muss<br />

zu seinen Wahrnehmungen stehen.<br />

Mit dem, was man wahrnimmt, in<br />

Bezug auf das Thema verantwortungsbewusst<br />

umgehen und dem<br />

nachgehen, was einen da eingeholt<br />

hat.<br />

Quelle: Das Buch "Nebelkinder - Kriegsenkel<br />

treten aus dem Traumaschatten der<br />

Geschichte“<br />

(Michael Schneider/ Joachim Süss (Hg.)<br />

23


Was machte der Großvater in der Nazizeit?<br />

Ein Täter in der Familie? Die eigene Familie in der NS-Zeit? Tipps zur Recherche<br />

Endlich Klarheit haben!<br />

Was haben meine Eltern, Großeltern,<br />

Onkel, Tanten zur Zeit der<br />

Nationalsozialismus gemacht?<br />

Waren sie verstrickt in das Nazisystem?<br />

Waren sie gar an Verbrechen<br />

beteiligt? Das Interesse an diesen<br />

Fragen lässt nicht nach und steigt in<br />

der Kinder- und Enkelgeneration<br />

jetzt sogar noch einmal an. Sie<br />

spüren: Da ist was nicht erledigt.<br />

Woran liegt das gestiegene Interesse?<br />

Zum einen daran, dass viele<br />

ZeitzeugInnen sterben, dass sich<br />

also ihre (erwachsenen) Kinder<br />

endlich frei fühlen zu recherchieren;<br />

die Enkelgeneration hat ohnehin<br />

eine größere emotionale Distanz,<br />

was solch eine Recherche erleichtert.<br />

Das gestiegene Interesse hat<br />

aber vor allem mit der neuesten<br />

Geschichtsforschung zu tun: Die<br />

wendet nämlich seit den 90er Jahren<br />

den Blick von den Spitzen des NS-<br />

Systems immer mehr in Richtung<br />

der ?kleinen? Täter, beschäftigt sich<br />

also mit den gewöhnlichen Deutschen,<br />

den Wehrmachtssoldaten,<br />

den Polizisten, den Verwaltungsangestellten.<br />

Den Anfang machten die<br />

Ausstellung „Verbrechen der<br />

Wehrmacht“ und die Bücher von<br />

Christopher R. Browning oder Daniel<br />

Goldhagen (s.u. Buchtipps).<br />

Falsche Erwartungen<br />

1. „Das geht schnell“. - Nein, eher<br />

nicht. Eine Recherche zur eigenen<br />

Familie in der NS-Zeit dauert fast<br />

immer länger als zwei Monate. Man<br />

sollte mit mindestens einem Jahr<br />

rechnen. Man wartet ja schon<br />

Wochen, bis ein Archiv antwortet.<br />

2. „Am Ende weiß ich alles“. - Eher<br />

nicht. Meist weiß man am Ende<br />

immer noch nicht, wie der Verwandte<br />

dachte, wie er zum Nationalsozialismus<br />

stand, ob sich seine Einstellung<br />

über die Jahre geändert hat.<br />

3. „Am Ende weiß ich doch nichts“.<br />

Auch wenn man am Ende meist<br />

nicht weiß, was ein Verwandter<br />

konkret getan hat, kann man es sich<br />

mit einem Trick ausmalen. Der Trick<br />

heißt: lesen, lesen, lesen. Und<br />

zwar Bücher zum Umfeld. Zum<br />

Beispiel Fachliteratur über einzelne<br />

Dienststellen des NS-Apparates,<br />

über einzelne Feldzüge, über<br />

Verbrechen an bestimmten Bevölkerungsgruppen<br />

usw. So kann man<br />

das Dunkelfeld erhellen und den<br />

Verwandten darin verorten.<br />

Erster Schritt: das Familienwissen<br />

ausschöpfen<br />

Fahnden nach Geschichten sowie<br />

Dokumenten jeder Art, nach<br />

Aktenordnern, Briefen, Ausweisen,<br />

Fotos! Es gibt fast immer mehr an<br />

Erzählungen, Wissen und Dokumenten,<br />

als man denkt oder als die<br />

Angehörigen zunächst erinnern.<br />

Dazu jeden, wirklich jeden der<br />

letzten noch lebenden alten Verwandten<br />

befragen, auch die, mit<br />

denen man noch nie Kontakt hatte<br />

oder nicht mehr. Fast immer haben<br />

sie wertvolle Hinweise beizusteuern.<br />

Und so viele Zeitzeugen gibt es ja<br />

nicht mehr im Jahr 2012. Alte<br />

Menschen freuen sich über Besuch,<br />

Telefonate, Interesse. Aber auch<br />

gleichaltrige Vettern und Cousinen<br />

könnten im Besitz von Dokumenten,<br />

Briefen und Fotos sein!<br />

Unbedingt bei allen mehrfach<br />

nachfragen! Nach Geschichten, aber<br />

auch nach Dokumenten, Fotos Die<br />

erste Antwort ist oft: Nee, ich hab da<br />

nichts. Bis jemand anfängt, doch<br />

nochmal nachzuschauen in Schränken<br />

und Schachteln, das kann<br />

dauern, denn viele Menschen<br />

scheuen vor einer Beschäftigung mit<br />

Vergangenem zurück, vor dem<br />

Wühlen in Kisten und Kästen<br />

sowieso. Denn wollte man die nicht<br />

schon lang mal aufgeräumt haben?<br />

Häufig werden sie dann doch fündig.<br />

Denn solch offizielle Dokumente wie<br />

Personalausweis (“Kennkarte“),<br />

„Wehrpass“, „Ariernachweis“,<br />

Entlassungsschein, Rentenanträge<br />

werfen die meisten Leute nicht<br />

einfach so weg.<br />

Manchmal findet sich sogar ein<br />

Ariernachweis (offiziell: Ahnentafel) -<br />

so was hat man gern aufbewahrt,<br />

weil darin der Stammbaum dokumentiert<br />

ist. „Ariernachweise“<br />

wurden übrigens nicht zentral in<br />

einer Behörde gesammelt, sondern<br />

verblieben immer im persönlichen<br />

Besitz. Vorsicht: Die Angaben nicht<br />

unkritisch übernehmen. Denn einen<br />

„Ariernachweis“ über mehrere<br />

Generationen zurück zu erstellen,<br />

war für viele Betroffene und Pfarrund<br />

Standesämter, die nach<br />

Geburts-, Heirats-, Sterbeurkunden<br />

gefragt wurden, überaus lästig. Nicht<br />

selten sind die Angaben ungenau<br />

recherchiert, schlichtweg falsch oder<br />

sogar bewusst gefälscht, um die<br />

arische Abstammung nachweisen zu<br />

können.<br />

Wie führe ich solche<br />

Gespräche?<br />

Um nicht gleich abgeblockt zu<br />

werden (Opa war kein Nazi! Der war<br />

ein sauberer Soldat!), sollte man<br />

Fragen nach Weshalb, Warum,<br />

Wieso vermeiden. Man will ja nicht<br />

Rechtfertigungen hören (“Jeder<br />

musste mitmachen!“), sondern<br />

Erzählungen. Dazu muss man<br />

verleiten, mit Erzählaufforderungen:<br />

„Wie war das denn damals, als ihr<br />

nach Berlin gezogen seid?“ Als du in<br />

Hannover dein Pflichtjahr angefangen<br />

hast? Man fragt zunächst nicht<br />

direkt nach dem Vorfahr, sondern<br />

geht mit dem/der GesprächspartnerIn<br />

erst einmal in deren eigene<br />

Vergangenheit zurück. Das könnte<br />

sich etwa so anhören: Sag mal, und<br />

dann bist du in Hanau zur Schule<br />

gegangen- musstest du da weit<br />

gehen jeden Morgen? „Wer saß<br />

damals alles mit am Abendbrottisch?<br />

Kannst du dich auch an ein Fest<br />

erinnern?“ Erinnerungen kommen<br />

vor allem dann zurück wenn man<br />

sich an sinnlichen und leiblichen<br />

24


Erinnerungsfragmenten entlanghangelt<br />

(Das ist ein Tipp der Göttinger<br />

Professorin Gabriele Rosenthal, die<br />

eine Methodik der narrativen<br />

Biographieforschung entwickelt hat.)<br />

Wahr oder unwahr? Kaum jemand<br />

kann sich nach Jahrzehnten noch<br />

genau an eine Begebenheit erinnern;<br />

die Erinnerung wird überlagert<br />

von späteren Einschätzungen;<br />

manche der angegebenen Daten<br />

sind falsch; Ereignisse aus verschiedenen<br />

Jahren werden erzählend zu<br />

einem einzigen Ereignis verschmolzen.<br />

Usw. Aber komplett falsch sind<br />

Erzählungen auch selten.<br />

Bei wichtigen Familienerzählungen<br />

jeden Satzteil einzeln recherchieren!<br />

Probeweise auch ersetzen durch<br />

andere Begriffe und Daten. (Eigenes<br />

Beispiel: „Der Opa sollte Zwangsarbeiter<br />

ausheben, das wollte er nicht.“<br />

Tatsächlich sollte er Kriegsgefangene<br />

rekrutieren, als Spione.)<br />

Nächster Schritt<br />

Alles, was man in der Familie<br />

erfahren und gefunden hat, aufschreiben.<br />

Geburtsdatum, alle<br />

Wohn- und Aufenthaltsorte, Ehepartner,<br />

Berufskollegen, Arbeitgeber,<br />

Namen von Freunden, Berufe,<br />

Vereinszugehörigkeiten, Interessen,<br />

überlieferte Erinnerungen, Briefe...<br />

Wichtigste Frage ist dabei: Wo war<br />

dieser Mensch überhaupt? Dann<br />

kann man viel gezielter weiterforschen,<br />

etwa in Landesarchiven.<br />

Problem: Ich kann das nicht<br />

lesen, weil Sütterlinschrift<br />

Manche der alten Dokumente sind<br />

handschriftlich verfasst, in Sütterlin.<br />

Was tun?<br />

1. Einen alten Menschen ums<br />

mündliche Übersetzen bitten<br />

(Nachbarn, Bekannte, Verwandte) -<br />

die freuen sich!<br />

2. Eine der acht ehrenamtlichen<br />

Sütterlinstuben [11] in Deutschland<br />

um Übertragung bitten (kostet nichts,<br />

aber über Spenden freut man sich).<br />

Erste Orientierung<br />

Überaus wertvoll für private<br />

GeschichtsforscherInnen ist die<br />

Wissenssammlung wikipedia [12].<br />

Denn über Wikipedia findet man<br />

erste Infos zu NS-Organisationen, zu<br />

Kriegsschauplätzen, und, sehr<br />

wichtig, man findet die korrekten<br />

Begrifflichkeiten. Zum Beispiel<br />

„Spruchkammerakte“ oder „Generalplan<br />

Ost.“<br />

Lesen, lesen, lesen!<br />

Mit den richtigen Begriffen kann man<br />

weitersuchen - zum Beispiel nach<br />

Buchtiteln, etwa bei Amazon. Bücher<br />

braucht man, um sich detailliertes<br />

Hintergrundwissen anzueignen und<br />

das Umfeld/Wirkungsfeld des Vorfahren<br />

auszuleuchten. Und es gibt<br />

inzwischen eine Menge Fachliteratur<br />

zu den konkreten Aktionsfeldern des<br />

NS-Staates: deutsche Besatzungsherrschaft,<br />

Polizeiapparat, Wehrmacht,<br />

auch nachgeordnete Einheiten<br />

von Militär und Zivilverwaltung.<br />

Die Bücher kann man gebraucht kaufen<br />

(etwa auf Amazon und Antiquariatsportalen<br />

wie www.zvab.de), oder<br />

man bestellt sie in eine Bibliothek<br />

zum Lesen. Über die Digitale Bibliothek<br />

[13] kann man 500 Bibliothekskataloge<br />

nach einem Titel oder einem<br />

Thema durchforsten oder auch<br />

nur den Katalog der nächstgelegenen<br />

Biblitohek.<br />

Problem: Mich macht das<br />

krank<br />

Solche Recherchen sind aufwändig<br />

und nervenaufreibend, können sogar<br />

(vorübergehend) die Gesundheit beeinträchtigen.<br />

Schwer auszuhalten<br />

ist zum Beispiel:<br />

- der Widerstand anderer Familienmitglieder;<br />

- das Suchen in alle nur möglichen<br />

Richtungen, damit verbunden immer<br />

wieder Verlust der Übersicht - das<br />

Lesen grauenvoller Dokumente über<br />

Kriegsverbrechen;<br />

- der feindselige oder kalte Tonfall<br />

von Dokumenten aus der NS-Zeit;<br />

- die gleichzeitige Suche nach entlastendem<br />

wie belastendem Material -<br />

dass man sich den Vorfahr als guten<br />

Menschen wie als Verbrecher vorstellen<br />

muss;<br />

- die gewisse Einsamkeit, wenn man<br />

sich intensiv nur mit Vergangenem<br />

beschäftigt.<br />

Es hilft, sich eine Freundin oder einen<br />

Verwandten zu suchen, der/die<br />

sehr interessiert ist am Fortgang der<br />

Recherche, aber emotional nicht so<br />

nahe dran. Wichtig: Die Recherche<br />

auch mal ruhen lassen. Sich anderen<br />

Dingen und vor allem Menschen<br />

widmen.<br />

Problem: Die Familie findet<br />

dieses „Schnüffeln“ nicht gut<br />

Es ist fast immer eine einzelne Person<br />

in einer Familie, die nun endlich<br />

wirklich wissen will, was ein Vorfahr<br />

„damals“ gemacht hat, und die die<br />

Recherche auf sich nimmt. Das gibt<br />

oft Ärger mit anderen Familienangehörigen<br />

- weil das positive Bild eines<br />

Vorfahren in Frage gestellt wird. Die<br />

Reaktion kann bis zum Beziehungsabruch<br />

führen. Der allerdings nicht<br />

von Dauer sein muss.<br />

Es hilft, sich zu vergegenwärtigen,<br />

dass es richtig ist, so viele Jahrzehnte<br />

danach es „genau“ wissen zu wollen.<br />

Denn sonst verfestigt sich die<br />

Mär, dass die Nazis immer nur die<br />

anderen waren. Viele Nachforschende<br />

sehen sich verpflichtet, der Wahrheit<br />

ins Gesicht zu sehen, sie wollen<br />

sich der Verantwortung stellen. Verwandte<br />

über heikle Rechercheergebnisse<br />

nicht per Brief informieren, sondern<br />

im persönlichen Gespräch.<br />

Denn es ist eine große Herausforderung,<br />

sich vorzustellen, dass jemand,<br />

den man liebt, auch schlecht<br />

gehandelt haben könnte. Menschen<br />

müssen nun mal nicht grundsätzlich<br />

böse sein, um Schlechtes tun zu können.<br />

Es reicht, dass jemand die eigenen<br />

moralischen Werte nicht für alle<br />

Menschen gelten lässt, sondern nur<br />

für „Arier“ - nur mal als Beispiel.<br />

Wenn jemand aus der nunmehr sehr<br />

alten Vorgängergeneration „davon“<br />

partout nichts hören will, sollte man<br />

das respektieren.<br />

Problem: Ich versteh das alles<br />

nicht<br />

Historische Dokumente sind zu einem<br />

anderen Zweck geschrieben als<br />

25


dem, einer Enkelin im Jahr 2012 etwas<br />

zu erklären. Nehmen wir nur die<br />

Kriegstagebücher einzelner Divisionen,<br />

die Rechenschaftsberichte von<br />

SS-Abteilungsleitern an ihre Chefs,<br />

zeitgenössische Zeitungsberichte...<br />

Um solchen Dokumenten eine Antwort<br />

auf die eigenen Fragen entnehmen<br />

zu können, brauchen Laien eine<br />

so genannte „Kontextualisierung“,<br />

also Antwort auf Fragen wie: „War<br />

das damals üblich, dass...?“ „Was<br />

verbirgt sich hinter Floskeln wie der,<br />

jemand sei freigegeben zur Dienstleistung<br />

an der Front?“ „Wie viel<br />

Handlungsspielraum hatte ein Befehlsempfänger<br />

in dieser oder jener<br />

Situation?“<br />

Viel drumherum lesen hilft. Sich mit<br />

anderen Leuten treffen, die zur Familie<br />

in der NS-Zeit recherchieren, hilft.<br />

Und man kann einen Historiker, eine<br />

Historikerin beauftragen mit Teilrecherchen<br />

und vor allem (!) mit der<br />

Interpretation von bestimmten Funden.<br />

Unterstützung HistorikerInnen<br />

Sehr zu empfehlen ist es, die Dienste<br />

von selbständigen HistorikerInnen<br />

in Anspruch zu nehmen, vor allem<br />

für die Recherche in Archiven.<br />

Sie kosten meist nicht mehr als eine<br />

Handwerkerstunde. Um die 40 Euro<br />

plus Mehrwertsteuer. Deren Profirecherche<br />

kommt letztlich unter Umständen<br />

sogar preiswerter, als selbst<br />

in Archive zu reisen oder sich das<br />

gesamte Tagebuch einer Division<br />

teuer kopieren zu lassen, weil man<br />

nicht weiß, wie man die richtigen Seiten<br />

findet?<br />

Ich selbst, die Autorin des chrismon-<br />

Textes, hatte zwei Historiker beauftragt<br />

mit der Recherche im Bundesarchiv.<br />

Hauptsächlich Benjamin<br />

Haas [14] in Freiburg, der schnell und<br />

transparent arbeitet (auch kostenmäßig<br />

transparent), umfassend sucht<br />

und mir im Gespräch hilfreiche Einschätzungen<br />

gab. Eine Ergänzungsrecherche<br />

hatte der Historiker Kristian<br />

Petschko übernommen<br />

(petschko.recherchedienst@googlemail.com';<br />

// --> ) .<br />

Das Bundesarchiv hat eine Liste von<br />

Recherchediensten [15] auf seiner<br />

Homepage, gegliedert nach den<br />

Standorten des Bundesarchivs. Viele<br />

Adressen sind jedoch für die hier<br />

besprochenen Zwecke nicht nützlich,<br />

weil sie z.B. nur Firmengeschichte<br />

recherchieren.<br />

Wer nicht fündig wird, darf gern den<br />

Archivar der Gedenkstätte Topographie<br />

des Terrors um geeignete<br />

Adressen bitten: Ulrich Tempel,<br />

Tel. 030- 25 45 09 27,<br />

tempel@topographie.de'; // --><br />

Fundgrube: Entnazifizierungsakten<br />

Über Mitgliedschaften oder Funktionen<br />

innerhalb des NS-Systems erfährt<br />

man oft etwas in den Entnazifierungsakten<br />

(“Spruchkammerakten“)<br />

- sofern solch eine Akte zu der<br />

Person angelegt worden ist. Die alliierten<br />

Siegermächte hatten nach<br />

Kriegsende etwa 182.000 Deutsche<br />

inhaftiert, um ihre Schuld an den Verbrechen<br />

des NS-Staates zu klären.<br />

Man teilte die Leute dann ein in<br />

Hauptschuldige, Belastete, Minderbelastete,<br />

Mitläufer, Entlastete.<br />

Spruchkammerakten sind mit Vorsicht<br />

zu lesen! Denn die Entnazifizierungsbescheide<br />

sind oft eher aus<br />

Gefälligkeit erstellte Persilscheine<br />

als tatsächlich recherchierte Bescheide.<br />

Man bezeichnete die<br />

Spruchkammern deshalb sogar als<br />

„Mitläuferfabriken“. Hintergrund:<br />

Die Spruchkammerverfahren sahen<br />

eine Umkehr der Beweislast vor, d.h.<br />

die Beklagten mussten selbst Beweise<br />

herbeischaffen dafür, dass sie<br />

trotz allerlei Zugehörigkeiten oder<br />

Ämter etc. den NS-Staat nur unwesentlich<br />

unterstützt oder sogar Widerstand<br />

geleistet hatten. Dafür bat<br />

man Freunde und Bekannte, die Unbescholtenheit<br />

zu bezeugen oder<br />

Begebenheiten zu schildern, aus denen<br />

auf eine gewisse Regimeferne<br />

geschlossen werden konnte. Die Einstufung<br />

als bloßer ?Mitläufer? sollte<br />

man also nicht einfach so übernehmen.<br />

Sonst läuft man Gefahr,aus<br />

den Akten genau das beschönigende<br />

Bild herauszulesen, das über<br />

Jahrzehnte in der Familie tradiert<br />

wurde.<br />

Wertvoll sind die Spruchkammerakten<br />

für Recherchierende dennoch,<br />

da in den Meldebögen die Mitgliedschaften<br />

in der NSDAP oder anderen<br />

parteinahen Organisationen aufgelistet<br />

sind, die allermeist innerhalb<br />

der Verwandtschaft überhaupt nicht<br />

bekannt sind. Die Akten der Spruchkammerverfahren<br />

sind hier gesammelt:<br />

- für die britische Zone im Bundesarchiv<br />

Koblenz<br />

- für die amerikanische Zone in den<br />

Staatsarchiven der einzelnen Bundesländer<br />

- für Baden-Württemberg im Staatssarchiv<br />

Ludwigsburg<br />

- für Bayern im Staatsarchiv München<br />

- (Überblick über die Besatzungszonen:<br />

http://tinyurl.com/c5vpekq )<br />

- Sowjetische Besatzungszone bzw.<br />

DDR: Stasi-Unterlagen-Behörde. Antragsformular<br />

zur Akteneinsicht hier<br />

[16] zu finden.<br />

Hat man die richtige Behörde, das<br />

richtige Archiv gefunden, kann man<br />

seine Anfrage meist per Email stellen.<br />

Wichtig: Alle bekannten Daten<br />

erwähnen, also alle Vornamen, Geburtsdatum,<br />

wo gelebt, welcher Landkreis...<br />

Deutsche Dienststelle (WASt)<br />

Die WASt [17] informiert nicht nur<br />

über Gefallene, sondern über alle<br />

Kriegsteilnehmer - sofern es dazu<br />

Unterlagen gibt. 18 Millionen<br />

Karteikarten von Teilnehmern des II.<br />

Weltkrieges (Wehrmachtsoldaten<br />

und Angehörige anderer militärischer<br />

bzw. militärähnlicher Verbände).<br />

Achtung, die WASt ist kein Archiv,<br />

sondern eine Behörde, man<br />

bekommt keine Unterlagen in Kopie,<br />

sondern nur Bescheide. Der Tonfall<br />

auf der Homepage ist etwas<br />

abschreckend.<br />

Wie ticken Archive und<br />

ArchivarInnen?<br />

Bevor man das erste Archiv anschreibt<br />

oder gar betritt, sollte man<br />

sich mit den Eigenheiten von Archiven<br />

und ArchivarInnen vertraut machen.<br />

Eine großartige Einführung für<br />

26


Laien hat der Verein „historicum.net -<br />

Geschichtswissenschaften im Internet<br />

e.V." hier [18] zusammengestellt.<br />

Der Verein ist angesiedelt an der<br />

bayerischen Staatsbibliothek München<br />

und der Universität Köln.<br />

Ist die Schutzfrist abgelaufen?<br />

Die Schutzfristen für personenbezogene<br />

Daten sind in den einzelnen<br />

Bundesländern unterschiedlich lang.<br />

In Baden-Württemberg und Thüringen<br />

zum Beispiel endet der Schutz<br />

90 Jahre nach Geburt oder 10 Jahre<br />

nach Tod, in Hessen 100 Jahre nach<br />

Geburt. Ist die Schutzfrist abgelaufen,<br />

hat jeder ein Einsichtsrecht. Das<br />

Bundesarchiv gibt erst 30 Jahre<br />

nach dem Tode der Betroffenen Informationen<br />

an Dritte heraus. Ist das<br />

Todesjahr nicht oder nur mit unvertretbarem<br />

Aufwand festzustellen, endet<br />

die Schutzfrist 110 Jahre nach<br />

der Geburt des Betroffenen. Aber:<br />

Bei besonderem Interesse (etwa familiäres<br />

Interesse oder auch Forschung)<br />

kann die Schutzfrist auf Antrag<br />

verkürzt werden.<br />

Personenbezogene<br />

Unterlagen<br />

Einen ersten Überblick, welche Archive<br />

für die eigene Recherche interessant<br />

sein könnten, bieten diese<br />

beiden Seiten:<br />

– Eine Übersichtsliste zur Vewahrung<br />

personenbezogener Unterlagen<br />

zum 2. Weltkrieg finden Sie hier [19].<br />

– Nützliche Ratschläge für die Suche<br />

nach Informationen zur Tätigkeit von<br />

Verwandten im Dritten Reich finden<br />

Sie hier [20].<br />

Mammutarchiv: das<br />

Bundesarchiv<br />

Das Bundesarchiv ist das zentrale<br />

Archiv der Unterlagen des Bundes<br />

und seiner Vorgängerinstitutionen.<br />

Das Bundesachiv teilt sich in verschiedene<br />

Dienststellen (Koblenz,<br />

Freiburg, Ludwigsburg, Berlin, Bayreuth)<br />

mit verschiedenen Beständen<br />

auf. Achtung: Das Bundesarchiv recherchiert<br />

bei Anfragen nicht selbst<br />

in seinen Beständen, sondern<br />

schickt eine Kurzbeschreibung, welche<br />

Bestände bzw. Aktensignaturen<br />

für die Recherche interessant sein<br />

könnten. Fragen kann man aber zum<br />

Beispiel, ob der Verwandte Mitglied<br />

der NSDAP oder anderer NS-<br />

Organisationen war. Das Bundesarchiv<br />

bewahrt diese Mitgliederkarteien<br />

fast vollständig auf.<br />

Welche Bestände zum Dritten Reich<br />

in welchen Teilarchiven liegen, siehe<br />

hier [21]. Selber schon mal rumsurfen<br />

- Dann hier [22]. Liste von Recherchediensten<br />

[15]. Militärarchiv (Teil<br />

des Bundesarchivs) Hilfreich ist es,<br />

wenn man einen Wehrpass gefunden<br />

hat. Darin ist auch notiert, wann<br />

jemand in welcher Einheit wo im Einsatz<br />

war. Damit kann man besser<br />

weitersuchen. Das Militärarchiv [23]<br />

in Freiburg bewahrt an personenbezogenen<br />

Daten auf:<br />

- Die Personalunterlagen der Offiziere<br />

der Wehrmacht (Heer, Luftwaffe,<br />

Marine, nicht Waffen-SS) auf.<br />

- Wehrmachtsgerichtliche Unterlagen<br />

aller Dienstgrade (z.B. bei Fahnenflucht<br />

etc.)<br />

- Verleihungslisten (z. B. Eisernes<br />

Kreuz etc.) von Wehrmachtsangehörigen<br />

aller Dienstgrade<br />

- Vereinzelte Erwähnungen vor allem<br />

von Offizieren in den Kriegstagebüchern<br />

der Einheiten der Wehrmacht<br />

und Waffen-SS<br />

Archivfachlicher Dienst: Telefon<br />

0761/47817-864<br />

Die helfen weiter: Recherchedienste<br />

für Militärisches [24]<br />

Wehrmacht<br />

Die private Initiative Lexikon der<br />

Wehrmacht [25] hat viele Infos zu Einheiten<br />

auf der Seite, wann, wo, unter<br />

welcher Leitung. Auch ein Forum für<br />

Fragen. Sehr umfassend.<br />

Uniformen<br />

Vielleicht hat man ein Foto gefunden<br />

des Angehörigen in Uniform und will<br />

nun wissen, was das für eine Uniform<br />

ist. Uniformen von Wehrmacht<br />

und SS zum Beispiel hier [26] und<br />

hier [27] oder Dienstgradabezeichen<br />

hier [28].<br />

Oft ergiebig: Stadt- und Landesarchive<br />

Die Bundesländer haben eigene Archive,<br />

oft Staatsarchiv genannt. Sie<br />

bewahren die schriftliche Überlieferung<br />

der Landesbehörden und Landeseinrichtungen<br />

auf, oft auch der<br />

Kommunalbehörden (auch Gerichtsakten,<br />

historische Einwohnermeldekarteien,<br />

Personalbüro-Unterlagen,<br />

Dokumente der Entnazifizierungsstellen)<br />

Einzelne Staatsarchive bieten auch<br />

Vorträge oder Seminare an zur<br />

Erforschung der Familiengeschichte<br />

in der NS-Zeit. Besonders aktiv sind<br />

da Archive in Nordrhein-Westfalen<br />

(Landesarchiv NRW) sowie in<br />

Baden- Württemberg.<br />

Quellen für allgemeine Familienforschung<br />

Unter www.genealogienetz.de [29],<br />

einem Internetportal, das von einem<br />

gemeinnützigen Verein betrieben<br />

wird, findet man hilfreiche Hinweise<br />

zur Genealogieforschung allgemein.<br />

Praktisch sind zum Beispiel Vorlagen<br />

für Briefe an Behörden oder Kirchen.<br />

Unter dem Menüpunkt „Vereine“ findet<br />

man regionale Familienforschungsvereine<br />

[30]. Praktische<br />

Tipps auch hier [31]. Ebenfalls nützlich<br />

für Ahnenforschung diese Seite<br />

[32].<br />

Wie andere Kinder und Enkelkinder<br />

recherchiert haben<br />

(kleine Auswahl an Filmen +<br />

Büchern):<br />

- "Meine Familie, die Nazis und ich":<br />

eine sehr persönliche und bewegende<br />

Dokumentation (2012) von Regisseur<br />

Chanoch Ze'evi über die Kinder<br />

und EnkelInnen einiger der bekanntesten<br />

NS-Täter. Die interviewten<br />

Nachfahren von zum Beispiel Himmler,<br />

Göth, Hess, Göring haben sich<br />

diesem "Familienerbe" gestellt und<br />

dabei sehr unterschiedliche Weisen<br />

des Umgangs gefunden. Sehr zu<br />

empfehlen!<br />

U.a. hier ist der Film onlineanzusehen:<br />

http://www.youtube.com/watch?v=74<br />

FSS1FkgN4<br />

27


- Claudia Brunner, Uwe von Seltmann:<br />

„Schweigen die Täter, reden<br />

die Enkel“ (2006). Die dritte Generation<br />

recherchiert. Furchtlos, aber<br />

nicht unbeeindruckt. Uwe von Seltmann,<br />

Jahrgang 1964, muss erkennen,<br />

dass sein Großvater nicht nur<br />

der vergleichsweise harmlose<br />

Schreibtischtäter bei der Volksdeutschen<br />

Mittelstelle in Krakau war, für<br />

den er ihn bislang gehalten hat, sondern<br />

aktiv an der Niederschlagung<br />

des Warschauer Ghetto-Aufstandes<br />

1943 teilnahm. Claudia Brunner,<br />

Jahrgang 1972, die Großnichte von<br />

Alois Brunner, der rechten Hand<br />

Eichmanns, stellt sich den grausamen<br />

Fakten, die über ihren Großonkel<br />

zutage gefördert werden. Man<br />

erfährt einiges darüber, was solche<br />

Recherchen mit einem machen. Und<br />

beide machen die Erfahrung, dass,<br />

wenn sie zu reden beginnen, andere<br />

plötzlich auch zu sprechen anfangen<br />

bzw. wissen wollen, was ihre Großmütter<br />

und Großväter getan haben.<br />

Spannend.<br />

- Moritz Pfeiffer: Mein Großvater im<br />

Krieg 1939-1945. Erinnerung und<br />

Fakten im Vergleich (2012). Der junge<br />

Historiker Moritz Peiffer, Jahrgang<br />

1982, konnte seinen Großvater noch<br />

befragen. Der gab ihm bereitwillig<br />

Auskunft. Das Erinnerte vergleicht<br />

Pfeiffer mit der tatsächlichen Geschichte<br />

und der wissenschaftlichen<br />

Forschung. Pfeiffer stellt fest: Die<br />

Großeltern haben sich dem NS-<br />

Regime weit mehr verschrieben, als<br />

sie es heute sagen. Und: Sie haben<br />

sehr viel mehr gewusst, als sie heute<br />

behaupten. Pfeiffer referiert auch die<br />

aktuelle Forschung dazu, was die<br />

Deutschen tatsächlich gewusst haben,<br />

z.B. über die Judenvernichtung.<br />

Sehr interessant.<br />

- Wibke Bruhns: Meines Vaters Land<br />

(2004). Die Journalistin Wibke<br />

Bruhns, Jahrgang 1938, schreibt<br />

über ihren Vater, der offensichtlich<br />

überzeugter Nazi und zugleich Widerstandskämpfer<br />

war.<br />

- Uwe Timm: Am Beispiel meines<br />

Bruders (2003). Der Autor, Jahrgang<br />

1940, über seinen älteren Bruder,<br />

der als Mitglied der Waffen-SS am<br />

Zweiten Weltkrieg teilnahm und dort<br />

verbotenerweise Tagebuch über seine<br />

Erlebnisse führte.<br />

- Niklas Frank: Meine deutsche Mutter<br />

(2006). Sowie: Der Vater. Eine<br />

Abrechnung (1993). Der Autor, Jahrgang<br />

1939, rechnet voller Emotionen<br />

mit seiner Mutter und seinem Vater<br />

ab, dem einstigen Generalgouverneur<br />

von Polen und Hitlers Gefolgstreuem.<br />

Mit dem Buch unterm Arm<br />

reist Niklas Frank seit Jahren kreuz<br />

und quer durch Deutschland und<br />

liest daraus in Schulen vor. Trotzdem<br />

ist er kein verbitterter Typ, wie man<br />

den 2012 erschienenen Film "Meine<br />

Familie, die Nazis und ich" entnehmen<br />

kann: Da tollt er mit seinen Enkeln<br />

herum und nimmt gerührt das<br />

"Danke" seiner Tochter entgegen -<br />

sie bedankt sich bei ihm, dass er<br />

durch seine hartnäckige Aufarbeitung<br />

zwischen ihr und der NS-Zeit<br />

sozusagen einen Schutzwall aufgebaut<br />

hat.<br />

- Ute Scheub: Das falsche Leben:<br />

eine Vatersuche (2006). Die Autorin,<br />

Jahrgang 1955, recherchiert den<br />

Weg ihres Vaters, eines SS-Manns,<br />

Jahrzehnte nach dessen Suzid, anhand<br />

von Manuskripten und Feldpostbriefen.<br />

Porträt auch einer ganzen<br />

Männergeneration, die nicht<br />

über ihre Kriegserlebnisse geredet<br />

hat.<br />

- Alexandra Senfft: Schweigen tut<br />

weh. Eine deutsche Familiengeschichte<br />

(2008). Die Autorin (Jahrgang<br />

1961) ist die Enkelin von<br />

Hanns Ludin. Der war SA-Mann und<br />

Hitlers "Gesandter" in der Slowakei<br />

und in dieser Funktion verantwortlich<br />

für die Judendeportationen. 1947<br />

wurde er als Kriegsverbrecher hingerichtet.<br />

Zu Unrecht, heißt es über<br />

Jahrzehnte in der Familie, Hanns<br />

Ludin habe ja nicht gewusst, dass<br />

die Juden direkt zur Ermordung deportiert<br />

wurden. Das älteste von<br />

sechs Kindern, Tochter Erika, die<br />

Mutter der Autorin, war 14, als der<br />

Vater starb. Sie wurde zur Vertrauten<br />

von Ludins Witwe. Später schlingerte<br />

sie durchs Leben, überaus charmant<br />

und zugleich haltlos. Ein Buch<br />

darüber, wie Schweigen und Verleugnen<br />

die nachfolgende Generation<br />

fürs Leben geprägt hat.<br />

- Der jüngste Sohn von Hanns Ludin,<br />

nämlich Malte Ludin, hat ein paar<br />

Jahre vor diesem Buch, 2004, die<br />

Dokumentation "Zwei oder drei Dinge,<br />

die ich von ihm weiß" gedreht.<br />

Darin interviewt er vor allem die<br />

Schwestern und seine alte Mutter<br />

und zeigt, wie sie an der Legende<br />

des guten Vaters festhalten. Die Aufarbeitung<br />

der Schuld des Auswärtigen<br />

Amtes während der NS-Zeit begann<br />

damals erst. Der Film ist als<br />

DVD erhältlich, aber in seinen Einzelteilen<br />

auch auf youtube anzuschauen.<br />

Spannende Fachbücher<br />

- Harald Welzer, Sabine Moller, Karoline<br />

Tschuggnall: „Opa war kein Nazi“.<br />

Nationalsozialismus und Holocaust<br />

im Familiengedächtnis (2002).<br />

Das AutorInnenteam führt Interviews<br />

mit verschiedenen Generationen<br />

mehrerer Familien und stellt dabei<br />

fest: Die Erinnerung an den Holocaust<br />

hat im deutschen Familiengedächtnis<br />

keinen Platz. Historisches<br />

Wissen aus Schule und Zeitung wird<br />

nicht in Verbindung gebracht mit der<br />

eigenen Familie. Getrennte Welten.<br />

Die meisten nehmen einfach mal so<br />

an, dass ihre Vorfahren gegen die<br />

Nazis waren.<br />

- Jan Philipp Reemtsma: „Wie hätte<br />

ich mich verhalten und andere nicht<br />

nur deutsche Fragen“ (2001).<br />

Überaus kluger Aufsatz (der erste im<br />

Sammelband) über die Frage, ob<br />

man nur urteilen darf, wenn man<br />

dabei gewesen ist. Und ob das<br />

Misstrauen gegen sich selbst (Wäre<br />

ich stark genug gewesen?) zu einer<br />

Entschuldigung der Vorfahren führen<br />

muss.<br />

- Christian Hartmann: Unternehmen<br />

Barbarossa. Der deutsche Krieg im<br />

Osten 1941 - 1945 (2001). Der Autor,<br />

Historiker am Institut für Zeitge-<br />

28


schichte in München/Berlin, gibt im<br />

Taschenbuchformat einen Überblick<br />

über den Angriffskrieg gegen die<br />

Sowjetunion. Über Motive, Verläufe,<br />

Diskussionen, Verbrechen. Sehr<br />

nützlich zur Orientierung. Es gibt<br />

auch eine Langfassung dieser Arbeit.<br />

- Harald Welzer: TÄTER. Wie aus<br />

ganz normalen Menschen Massenmörder<br />

werden. (2005) Über den<br />

Holocaust ist viel geschrieben<br />

worden, aber die wichtigste Frage,<br />

ist bis heute nicht beantwortet: Wie<br />

waren all die "ganz normalen<br />

Männer", die gutmütigen Familienväter<br />

und harmlosen Durchschnittsmenschen<br />

imstande, massenhaft<br />

Menschen zu töten? Der Sozialforscher<br />

Welzer untersucht Taten aus<br />

dem Holocaust und anderen<br />

Genoziden und zeigt, wie das Töten<br />

innerhalb weniger Wochen zu einer<br />

Arbeit werden kann, die erledigt wird<br />

wie jede andere auch. Und dass<br />

man sich dafür entscheidet. Ein<br />

intellektuell und emotional aufregendes<br />

Buch.<br />

- Peter Longerich: „Davon haben wir<br />

nichts gewusst!“ Die Deutschen und<br />

die Judenverfolgung 1933 - 1945.<br />

(2006) Was genau haben die BürgerInnen<br />

im Dritten Reich gewusst?<br />

Wie diskutierten sie darüber? Die<br />

Ausgrenzung und später Ermordung<br />

der Juden vollzog sich nicht fern der<br />

Öffentlichkeit. Aber nach anfänglichen<br />

Diskussionen machte sich Desinteresse<br />

an ihrem Schicksal breit.<br />

- Christopher Browning: Ganz normale<br />

Männer: Das Reserve-<br />

Polizeibataillon 101 und die "Endlösung"<br />

in Polen. (1998) Opa war Polizist.<br />

So viel weiß man in den meisten<br />

Familien. Und denkt dann gern:<br />

Er hat den Verkehr geregelt und<br />

Diebstähle aufgeklärt. Was normale<br />

Berufstätige halt so tun. Christopher<br />

Browning hat sich ein Polizeibataillon<br />

mal genauer angeschaut. Sein<br />

Buch schlug ziemlich Wellen. Denn<br />

diese ganz normalen Polizisten waren<br />

an Massenmorden beteiligt (Erschießungen<br />

von Juden in Polen).<br />

Und sie konnten sich entscheiden,<br />

ob sie da mitmachen wollen. Man<br />

bot ihnen an, sonst einen anderen<br />

Job zu übernehmen. Nur 12 von etwa<br />

500 sagten dann: Hier, ich, ich<br />

will was anderes machen.<br />

- Daniel Jonah Goldhagen: „Hitlers<br />

willige Vollstrecker. Ganz gewöhnliche<br />

Deutsche und der Holocaust“.<br />

(1996) Eines der ersten Bücher, die<br />

den Scheinwerfer auf die „kleinen“<br />

Täter richteten. Eine Fallstudie darüber,<br />

wie es möglich war, dass sich so<br />

viele ganz normale Deutsche am<br />

Holocaust beteiligt haben. Das Buch<br />

wurde heftig diskutiert. Manche warfen<br />

Goldhagen eine gewisse Einseitigkeit<br />

vor sowie den staatsanwaltschaftlichen<br />

Ton.<br />

Links<br />

[1]https://chrismon.evangelisch.de/rubriken/hi<br />

ntergrund<br />

[2]https://chrismon.evangelisch.de/themensch<br />

werpunkte/politik-und-gesellschaft<br />

[3]https://chrismon.evangelisch.de/themensch<br />

werpunkte/lebenswege<br />

[4]https://chrismon.evangelisch.de/personen/c<br />

hristine-holch-3587<br />

[5]https://www.facebook.com/sharer/sharer.ph<br />

p?URL=https%3A%2F%2Fchrismon.evangeli<br />

sch.de%2Fnode%2F15479<br />

[6]https://twitter.com/intent/tweet?url=https%3<br />

A%2F%2Fchrismon.evangelisch.de%2Fnode<br />

%2F15479&amp;text=Was+<br />

7]https://plusone.google.com/_/+1/confirm?url<br />

=https%3A%2F%2Fchrismon.evangelisch.de<br />

%2Fnode%2F15479&amp;<br />

[8]https://chrismon.evangelisch.de/https%253<br />

A%252F%252Fchrismon.evangelisch.de%25<br />

2Fnode%252F15479<br />

[9]https://chrismon.evangelisch.de/printmail/1<br />

5479<br />

[10]https://chrismon.evangelisch.de/print/1547<br />

9<br />

[11] http://www.suetterlinstube.org<br />

[12] http://www.wikipedia.de<br />

[13] http://www.hbz-nrw.de/recherche/digibib<br />

[14] http://archivrecherchehaas.neuerplan.org<br />

[15]http://www.bundesarchiv.de/benutzung/rec<br />

herchedienste/index.html.de<br />

[16] http://www.bstu.bund.de<br />

[17] http://www.dd-wast.de<br />

[18] http://www.historicum.net/de/lehren lernen/archiveinfuehrung/einleitung<br />

[19]http://archivrecherchehaas.neuerplan.org/<br />

wp content/uploads/2008/12/PDF-2.-WK.pdf<br />

[20] http://www.lexikon-derwehrmacht.de/Suche.htm<br />

[21]http://www.bundesarchiv.de/benutzung/zei<br />

tbezug/nationalsozialismus/index.html.de#top<br />

[22]http://www.bundesarchiv.de/benutzung/sa<br />

chbezug/personenbezogen_genealogie/index.html.<br />

de<br />

[23]http://www.bundesarchiv.de/bundesarchiv/<br />

dienstorte/freiburg/index.html.de<br />

[24]http://www.bundesarchiv.de/imperia/md/co<br />

ntent/abteilungen/abtma/liste_recherchedienst<br />

e__juni_2012_.pdf<br />

[25] http://www.lexikon-der-wehrmacht.de<br />

[26] http://wdienstgrade.tripod.com<br />

[27] http://www.lexikon-der wehrmacht.de/Uniformen/Gliederung.htm<br />

[28] http://www.lexikon-der- wehrmacht.de/Soldat/Dienstgradabzeichen.htm<br />

[29] http://www.genealogienetz.de<br />

[30] http://wikide.genealogy.net/Portal:Vereine<br />

[31] http://wikide.genealogy.net/Portal:Praktische_Hilfe<br />

[32] http://ahnenforschung.net/wissen<br />

[33]http://chrismon.evangelisch.de/artikel/201<br />

2/finde-haika-15339<br />

Veröffentlicht auf Chrismon,<br />

Okt. 2012<br />

(https://chrismon.evangelisch.de)<br />

29


Kein Platz für Judenchristen - das Ende naht - 1935<br />

von Jurek Schulz<br />

In der aufkommenden Diktatur<br />

wurde durch die NSDAP alles<br />

Judenchristliche nach und nach<br />

vernichtet.<br />

Erst heute wieder, im Jahre 2006,<br />

konnte durch die neu entstandene<br />

messianische Bewegung in Deutschland<br />

an manch Vergangenes<br />

angeknüpft werden kann, das<br />

vormals so radikal vernichtet wurde.<br />

Nachdem am 15. September 1935<br />

die „Nürnberger Gesetze" zum<br />

Schutz des deutschen Blutes und<br />

der Ehre erlassen wurden, folgte am<br />

18. Oktober 1935 das Gesetz zum<br />

Schutz der Erbgesundheit des<br />

deutschen Volkes.<br />

Am 14. November 1935 wird die<br />

Verordnung zum Reichsbürgergesetz<br />

erlassen, welche die<br />

offizielle Definition, wer ein Jude<br />

ist, formuliert.<br />

Jeder, der zwei jüdische Großeltern<br />

hat und der jüdischen Religionsgemeinschaft<br />

angehört oder jeder, der<br />

drei oder mehr jüdische Großeltern<br />

hat, ist Jude.<br />

Ebenso wird der Begriff „Mischling"<br />

definiert. Schon vorher ist am<br />

07.04.1933 die Einführung des<br />

Arierparagraphen für das Berufsbeamtentum<br />

eingeführt worden.<br />

Dadurch ist die Evangelische Kirche,<br />

durch das Gesetz über die Rechtsverhältnisse<br />

der Geistlichen und<br />

Kirchenträger, den Beamten gleichgestellt<br />

worden. Das betraf bis zu<br />

rund 500.000 Menschen in der<br />

Kirche, die keinen einwandfreien<br />

Ariernachweis liefern konnten.<br />

Unmittelbar danach beginnen ab<br />

dem 15. November 1935 die<br />

deutschen Kirchen mit den Nationalsozialisten<br />

zusammenzuarbeiten.<br />

Sie stellten Verzeichnisse ihrer<br />

Gemeindeglieder zur Verfügung,<br />

damit geprüft werden konnte, wer<br />

Deutscher im Sinne des Arierparagraphen<br />

ist und wer nicht.<br />

Am 08.05.1936 werden die Namen<br />

aller nicht-arischen Pastoren der<br />

Reichskirche erfasst und in den<br />

folgenden Jahren die Pastoren<br />

entlassen. Ernst Klee spricht von<br />

ca. 200 Pastoren jüdischer Abstammung.<br />

Wiederum müssen wir davon<br />

ausgehen, dass ca. 72.000 Mischlinge<br />

des ersten Grades und 39.000<br />

Personen des zweiten Grades<br />

erfasst wurden.<br />

In einem Artikel der „ZEIT"<br />

(44/2001) wird festgestellt, dass im<br />

kirchlichen Bereich in Berlin exakt<br />

2.612 getaufte Christen jüdischer<br />

Abstammung vorhanden waren,<br />

deren Ariernachweise zum Teil bis<br />

zum Jahre 1874 zurückverfolgt<br />

wurden. So wurde nach und nach in<br />

allen Städten und Dörfern durch die<br />

Hilfe der Kirchen dieser inhumane<br />

Arierparagraph umgesetzt. Durch<br />

die Hilfe der Kirche ist es der<br />

NSDAP erst gelungen, dass die<br />

Nicht-Arier identifiziert wurden,<br />

wovon die meisten später umkamen.<br />

Zuvor ist im Juli 1933 der „Reichsverband<br />

christlich-deutscher<br />

Staatsbürger nicht-arischer oder<br />

nicht rein arischer Abstammung" als<br />

eine Selbsthilfeorganisation gegründet<br />

worden. Diese Arbeit ist später<br />

in den Paulus-Bund übergegangen<br />

und hat nach den Nürnberger<br />

Gesetzen ihre Mitglieder unter<br />

Juden und Mischlingen eingeteilt.<br />

Die religiös orientierten Juden<br />

wurden ausgeschlossen. Diese<br />

umfassten 5.400 Personen, die eine<br />

national-konservative Gesinnung<br />

hatten und das Judentum an sich<br />

ablehnten. Die meisten gehörten<br />

der höheren Bildungsschicht an.<br />

Auch der „Reichsverband der nichtarischen<br />

Christen" Ende 1934 und<br />

der Paulus-Bund als „Vereinigung<br />

nicht-arischer Christen von 1936<br />

wurden beide im Kriegsjahr 1939<br />

verboten und aufgelöst.<br />

Die Anzahl der im gesamten<br />

Reichsgebiet geschätzten Christen<br />

nicht-arischer Herkunft liegt bei<br />

mindestens 160.700 Personen, so<br />

der Forscher Aleksandar-Sasa<br />

Vuletic.<br />

Nach den endgültigen Beschlüssen<br />

der „Wannseekonferenz" am<br />

20.01.1942 sollten insgesamt rund<br />

11 Millionen Juden in den Reichsgebieten<br />

und den besetzten Ländern<br />

sterben. Als 1945 der zweite<br />

Weltkrieg zu Ende ging, sind 56<br />

Millionen Menschen insgesamt<br />

gestorben, davon sechs Millionen<br />

Juden und mit ihnen eine rund<br />

zweihundertjährige Geschichte des<br />

Judenchristentums, das es so in<br />

dieser Form mit Juden westeuropäischer<br />

Kultur nie wieder geben wird.<br />

Letzte Zeugnisse eines Judenchristen<br />

aus dem KZ Theresienstadt<br />

Dr. Arthur Goldschmidt<br />

Bis 1933 war er Obergerichtsrat in<br />

Hamburg, danach durch die<br />

Nürnberger Gesetze als Jude, da<br />

seine Großeltern Juden waren, vom<br />

Beruf ausgeschlossen. Am 20. Juli<br />

1942 wurde er zusammen mit<br />

anderen Hamburger Juden nach<br />

Theresienstadt deportiert. In seinem<br />

Gepäck befand sich ein Evangelium,<br />

das er zu lesen begann, obwohl<br />

er selbst eigentlich kein Kirchgänger<br />

war.<br />

Inmitten dieser Hölle begann er<br />

zusammen mit anderen Juden das<br />

Evangelium auf dem Dachboden<br />

heimlich zu lesen. Sie begannen<br />

sich sonntags zu treffen, es sprach<br />

32


sich herum, so dass die kleine<br />

Gemeinde wuchs. Nun musste er<br />

durch die Lagerverwaltung eine<br />

offizielle Genehmigung für die<br />

Versammlungen einholen. Durch die<br />

Vermittlung der jüdischen Lagerältesten<br />

bekam er dann von der<br />

Lagerverwaltung die Erlaubnis zur<br />

Abhaltung evangelischer Gottesdienste.<br />

Mit ca.150 regelmäßigen Besuchern<br />

wurde der Gottesdienst jeden<br />

Sonntag durchgeführt. Im Laufe der<br />

Zeit erfassten sie bis Ende 1943 ca.<br />

800 Menschen, darunter Gläubige<br />

aller Konfessionen. Durch die<br />

ständigen Zu- u. Abtransporte und<br />

die hohe Sterblichkeit kann er die<br />

genaue Anzahl der Besucher nicht<br />

mehr nennen. Da er selbst kein<br />

Geistlicher war, berief er sich auf<br />

Artikel 67 der Schmalkaldischen<br />

Artikel, worin es heißt: „ … denn wo<br />

die Kirche ist, da ist immer der<br />

Befehl, das Evangelium zu predigen.<br />

Darum müssen die Kirchen<br />

Gewalt haben, ihre Kirchendiener<br />

selbst zu wählen und zu ordinieren."<br />

Er setzte sich gleichzeitig für die<br />

katholischen Christen jüdischer<br />

Abstammung ein. Von den ca.<br />

40.000 Ghettoinsassen sind rund<br />

4.000 Christen beider Konfessionen,<br />

die bis zum Juni 1945, sofern<br />

sie überlebten, durch Arthur<br />

Goldschmidt ermutigt worden sind,<br />

auf Gott zu schauen. Er ist später<br />

nach Reinbek bei Hamburg gezogen.<br />

Viele haben durch ihn die Kraft<br />

des Evangeliums erfahren.<br />

Quelle: Jurek Schulz, Hamburg, 06.09.2006<br />

„Die Entwicklung und das Ende des<br />

Judenchristentums in Deutschland unter<br />

besonderer Berücksichtigung der<br />

Entwicklung des rabbinischen Judentums"<br />

Bußbekenntnis -<br />

eine Handreichung für die Gemeinden<br />

Schämend in tiefer Reue kommen<br />

wir vor Dich, allmächtiger und<br />

barmherziger Gott Israels.<br />

Wir bekennen uns zu der großen<br />

Schuld und dem schweren Unrecht,<br />

die/ das von (unserer/der/den<br />

Kirchen) durch die Jahrhunderte am<br />

jüdischen Volk begangen worden<br />

ist/sind.<br />

Wir bekennen, dass wir und unsere<br />

Vorfahren unserem älteren Bruder<br />

Israel oft mit Vorurteilen und Feindschaft<br />

begegnet sind.<br />

Statt die zu lieben, die Gott in Seiner<br />

Liebe erwählt hat.<br />

Im Lauf der Jahrhunderte sind Juden<br />

immer wieder von Christen als<br />

Gottesmörder diffamiert worden. Die<br />

falsche theologische Lehre, Gott<br />

habe den Bund mit Israel beendet/<br />

aufgehoben, wirkt immer noch in der<br />

Verkündigung weiter, obwohl die<br />

Bibel eindeutig das Gegenteil stetig<br />

bezeugt. (z.B. Römerbrief, Kap.9-11)<br />

Israel ist der Brunnenvergiftung und<br />

der Ritualmorde bezichtigt worden,<br />

wurde und wird entehrt, entrechtet,<br />

„Sproß“ M. Pagendarm<br />

verfolgt und geächtet. Die grausame<br />

Ermordung von 6 Millionen Juden in<br />

der Schoah liegt wie eine schwarze<br />

Wolke noch heute über uns.<br />

Darum wollen wir umkehren -<br />

umdenken (Buße tun) und flehen zu<br />

DIR, dem allmächtigen Gott:<br />

Sei uns bitte gnädig und vergib uns,<br />

was wir und unsere Vorfahren<br />

Deinem auserwählten Eigentumsvolk<br />

angetan haben.<br />

Wir entscheiden uns heute, jeglichem<br />

Antisemitismus entgegenzutreten<br />

und bitten dafür um Deine Hilfe.<br />

Wir setzen uns dafür ein, dass<br />

Deinem Volk Israel in Zukunft in der<br />

Kirche Jesu Christi die Achtung und<br />

Zuwendung entgegengebracht<br />

werden, die ihm aufgrund Deiner<br />

bleibenden Erwählung zusteht.<br />

So erflehen wir Deinen Segen auf<br />

Dein Bundesvolk, das Land Israel<br />

und auch für diejenigen, die in der<br />

Zerstreuung und gerade auch in<br />

unserem Land leben.<br />

Amen<br />

33


Eine alte tiefe Wunde<br />

von Benjamin Berger<br />

Hier nun der offene Brief von<br />

Benjamin Berger, Jerusalem:<br />

„Entfernt die Wittenberger<br />

Judensau"<br />

„Das Bildnis der Judensau ist ganz<br />

klar eine Schande, ein furchtbarer<br />

Fleck. Wir sind dankbar, dass unsere<br />

Flecken und Sünden vergeben werden,<br />

wenn wir sie bekennen und<br />

über sie trauern. Wenn wir im Vertrauen<br />

auf die Kraft des Blutes zum<br />

Kreuz kommen, damit uns vergeben<br />

wird und wir gereinigt und befreit werden<br />

von aller Befleckung der Sünde.<br />

Dieses Judensau-Relief macht nicht<br />

nur eine furchtbare antisemitische<br />

visuelle Aussage. Es ist nicht bloß<br />

eine Beleidigung des jüdischen<br />

Volkes und ein Stolperstein für<br />

Juden, weil es für sie viele Erinnerungen<br />

ihres Leidens in dem<br />

„christlichen" Land in dem sie lebten,<br />

dem heutigen Deutschland, zurückbringt.<br />

Es war auch ein Instrument,<br />

um die Gedankenwelt von zahllosen<br />

Christen im Hinblick darauf, wie sie<br />

über Juden denken sollten, zu<br />

vergiften. Die Folgen dieser<br />

Verhetzung waren katastrophal und<br />

bereiteten den Boden für den<br />

Schrecken des Holocaust.<br />

Die Judensau ist auch eine Diffamierung<br />

der Person unseres Herrn<br />

Yeshua (hebräisch für Jesus) – er ist<br />

der Heilige und Unbefleckte, der<br />

Satan, Sünde und Tod überwand.<br />

Schließlich ist dieses Relief auch<br />

eine Schändung des Gebäudes, das<br />

das Haus Gottes repräsentiert. Der<br />

heilige Name Gottes wird mit einem<br />

unreinen Schwein in Verbindung<br />

gebracht, für Juden das Symbol<br />

der Unreinheit. Es gibt nur eine<br />

Lösung: die vollständige<br />

Entfernung dieses boshaften<br />

Symbols. Das würde Reue<br />

beweisen, dass die schändliche<br />

Geschichte der Kirche Jesu<br />

Christi gegenüber der jüdischen<br />

Nation wirklich bedauert wird.<br />

Das Beste wäre es also, dieses<br />

Relief zu zerstören. Es sollte<br />

wie das goldene Kalb, das<br />

Mose zu Pulver mahlte,<br />

vollständig vernichtet werden, damit<br />

kein Überrest davon erhalten bleibt.<br />

Die einzige Alternative bestünde<br />

darin, das Relief in ein Museum<br />

umzusiedeln, verbunden mit<br />

einem klaren Bekenntnis der Reue<br />

und Scham über der fürchterlichen<br />

Skulptur.<br />

Gott ist der große, gerechte und<br />

heilige Richter, der aber auch voller<br />

Zorn ist, wenn Umkehr verweigert<br />

wird. Angesichts des Jahres 2017<br />

sind seine Augen ganz besonders<br />

auf Deutschland gerichtet. Deutschland<br />

befindet sich im Tal der Entscheidung<br />

– welche Entscheidung<br />

wird die Kirche, welche die Reformation<br />

und das deutsche Volk repräsentiert,<br />

treffen? Was wird die Kirche<br />

letztlich machen?“<br />

von Benjamin Berger, Jerusalem<br />

(übersetzt von Franz Rathmair)<br />

„Es ist hier zu Wittenberg an unserer<br />

Pfarrkirchen eine Sau in Stein<br />

gehauen, da liegen junge Ferkel und<br />

Juden drunter, die saugen. Hinter<br />

der Sau stehet ein Rabbiner, der<br />

hebt der Sau das rechte Bein empor,<br />

und mit seiner linken Hand zeucht er<br />

den Pürzel über sich, bückt und<br />

kuckt mit großem Fleiß der Sau<br />

unter dem Bürzel in den Talmud<br />

hinein, als wollt er etwas Scharfes<br />

und Sonderliches lesen und ersehen.<br />

Daselbsther haben sie gewißlich<br />

ihr Schem Hamphoras. Denn es<br />

sind vorzeiten sehr viele Juden in<br />

diesen Landen gewesen. ...“<br />

Im Folgenden ein Beispiel von vielen:<br />

Mahnwachen mit Pfarrer Thomas<br />

Piehler (Pavillon der Hoffnung,<br />

Leipzig) und Schwester Joela Krüger<br />

(Evangelische Marienschwesternschaft,<br />

Darmstadt). Die Initiatoren<br />

sind überzeugt, dass im Jahr des<br />

Reformationsjubiläums die Zeit<br />

gekommen ist, ein deutliches<br />

Zeichen gegen den neu aufflammenden<br />

Antisemitismus in<br />

Deutschland zu setzen.<br />

„Wir rufen die Verantwortlichen auf,<br />

das Schmährelief Judensau von der<br />

Kirche zu entfernen und in ein<br />

Museum gegen Antisemitismus zu<br />

integrieren. Luthers Antisemitismus<br />

sollte nicht länger „in Stein gehauen"<br />

bleiben. Die Evangelische Kirche in<br />

Deutschland trägt eine besondere<br />

Verantwortung, Antisemitismus in<br />

jeglicher Form entschieden entgegen<br />

zu treten.“<br />

Das Festhalten an der dargestellten<br />

Judensau wäre ein tragisches<br />

Fehlsignal an die Gesellschaft und<br />

für unsere jüdischen Mitbürger.<br />

Schwester Joela Krüger schreibt:<br />

„Martin Luthers späte Schriften<br />

gehören zum Beleidigendsten und<br />

Verletzendsten, was jemals von<br />

einem anerkannten christlichen<br />

Theologen Juden gegenüber<br />

geäußert wurde. Angesichts des neu<br />

aufflammenden Antisemitismus in<br />

der Gegenwart sind die Verantwortlichen<br />

gerufen, ein unübersehbares<br />

Zeichen der Achtung und Freundschaft<br />

gegenüber jüdischer Religion<br />

und Kultur zu setzen.<br />

Die Welt schaut 2017 nach Wittenberg.<br />

Weltweit würde dieses Signal<br />

(Abnahme der Judensau) im<br />

Jubiläumsjahr zur Reformation<br />

wahrgenommen und verstanden: Nie<br />

wieder Antisemitismus und Judenhass!“<br />

34


Antisemitismus - Die Angst der Juden in Deutschland wächst<br />

Christian Unger, Hamburger Abendblatt, 29. 11. 2017<br />

Jüdischer Friedhof in Berlin-Weißensee:<br />

Unbekannte haben ein Grab geschändet, an<br />

dem ein Davidstern hängt.<br />

Foto: dpa/PA/Eventpress Hoensch<br />

Mehr Menschen werden Zielscheibe<br />

von Antisemitismus. Vorurteile<br />

und Hetze kommen von Neonazis,<br />

auch von jungen Muslimen – und<br />

zunehmend aus der Mitte der Gesellschaft.<br />

BERLIN. Eine Meldung von Anfang<br />

November: Eine Schülerin aus<br />

Dresden erhält einen Preis für<br />

Zivilcourage. Sie hatte einen<br />

Mitschüler angezeigt, weil er und<br />

andere Witze über den Holocaust<br />

gemacht oder den Hitlergruß gezeigt<br />

haben sollen. Die Ermittlungen<br />

gegen den Jungen wurden eingestellt.<br />

Dafür prangt das Foto des<br />

Mädchens schon bald auf Facebook,<br />

in Kommentaren wird sie als "Denunziantin"<br />

und als "indoktriniert"<br />

beschimpft.<br />

Am 9. November, Gedenktag an die<br />

Reichspogromnacht der Nationalsozialisten,<br />

stehlen mutmaßlich<br />

Rechtsextremisten an mehreren Orten<br />

in Deutschland Stolpersteine aus<br />

den Gehwegen, die an ermordete<br />

Juden erinnern.<br />

Sommer 2014: Eine Pro Palästinakundgebung<br />

im Ruhrgebiet eskaliert.<br />

Demonstranten rufen: "Hamas, Hamas,<br />

Juden ins Gas." Im Frühjahr<br />

2017 verlässt ein jüdischer Junge<br />

seine Berliner Schule, nachdem Mitschüler<br />

aus türkischen und arabischen<br />

Familien ihn bedrohten. Die<br />

Schulleitung steht in der Kritik. Sie<br />

habe weggeschaut. Und dann urteilt<br />

ein Frankfurter Gericht, dass eine<br />

kuwaitische Fluglinie rechtens handelt,<br />

wenn sie Israelis die Mitreise<br />

verweigert. Die Klage eines israelischen<br />

Passagiers lehnen die Richter<br />

ab, da der kuwaitische Staat die Mitnahme<br />

von israelischen Fluggästen<br />

verbiete. Daran müsse sich die Airline<br />

halten, befindet das Gericht. Auch<br />

in der Bundesrepublik.<br />

681 antisemitische Straftaten registrierte<br />

die Polizei im ersten Halbjahr<br />

2017. Vier Prozent mehr als in den<br />

ersten sechs Monaten im Vorjahr.<br />

Doch die Dunkelziffer dürfte viel höher<br />

liegen. So zählte die Rechercheund<br />

Informationsstelle Antisemitismus<br />

(RIAS) in 2016 allein für Berlin<br />

496 Vorfälle. "Noch immer werden<br />

mangels Vertrauen in die Sicherheitsbehörden<br />

zahlreiche antisemitische<br />

Attacken nicht angezeigt", sagt<br />

Deidre Berger, Direktorin des American<br />

Jewish Committee (AJC)<br />

in Berlin.<br />

Lila Postkarten kleben an der Wand.<br />

"Mir wurde gesagt, ich provoziere,<br />

wenn ich mich als Jude zu erkennen<br />

gebe", steht dort in weißer Schrift.<br />

Oder: "Es kommt häufig vor, dass<br />

mir Handlungen der israelischen Regierung<br />

persönlich vorgeworfen werden."<br />

Und: "Ich möchte die Chance<br />

haben, offen über Alltagsantisemitismus<br />

zu sprechen, ohne diskreditiert<br />

zu werden." Jüdischer Alltag, gedruckt<br />

auf Papier, 10 mal 15 Zentimeter.<br />

Es sind Aussagen junger Studierender,<br />

die aus jüdischen Familien<br />

kommen. Sie berichten von ihrem<br />

Leben in Deutschland. Von den<br />

Sprüchen und der Hetze, die sie in<br />

der S-Bahn, im Büro, auf Facebook<br />

hören und lesen. Manche erzählen<br />

auch von Gewalt. "Doch häufig sagt<br />

dann niemand etwas, niemand<br />

schreitet ein. Es mangelt an Solidarität<br />

mit Menschen, die Opfer von<br />

Antisemitismus geworden sind", sagt<br />

Marina Chernivsky. In ihrem Büro<br />

hängen die Postkarten. Chernivsky<br />

und ihre Mitarbeiter von der Zentralwohlfahrtsstelle<br />

der Juden in<br />

Deutschland beraten Menschen, die<br />

Hetze oder auch Gewalt erleben. Sie<br />

haben die Studenten interviewt, sie<br />

hören die Geschichten von Eltern<br />

und deren Kindern, denen Antisemitismus<br />

etwa auf dem Schulhof<br />

entgegenschlägt.<br />

Menschen wie Chernivsky sagen,<br />

dass Deutschland viel und intensiv<br />

über Antisemitismus debattiert. Häufig<br />

geht es dabei um Definitionen:<br />

Wo hört Kritik an der israelischen<br />

Regierung auf, wo beginnt Judenhass?<br />

Oft geht es um die Vergangenheit<br />

und die NS-Zeit. Viel Theorie,<br />

viel Historie. Dabei würden sich<br />

Angriffe im Alltag "immer offener und<br />

hemmungsloser" zeigen, sagt Chernivsky.<br />

Nur: Wer nicht Jude sei, bekomme<br />

davon wenig mit. Andere dagegen<br />

direkt am eigenen Leib. "Das<br />

Gefühl der Unsicherheit in der 'jüdischen<br />

Gemeinde wächst seit Jahren",<br />

sagt Berger vom AJC. Auch<br />

weil Terroranschläge zunehmen,<br />

nicht selten gezielt gegen Juden, so<br />

wie in Paris, Brüssel oder<br />

Kopenhagen.<br />

Jeremy Issacharoff sei "beeindruckt<br />

von der Entschlossenheit, mit der die<br />

Entscheidungsträger in Deutschland<br />

gegen jegliche antisemitische Angriffe<br />

und Erscheinungen vorgehen",<br />

sagt er dieser Redaktion. Seit August<br />

ist Issacharoff Israels neuer Botschafter.<br />

Doch er sagt auch: "Natürlich<br />

beobachten wir mit größter Sorge<br />

den wachsenden Antisemitismus<br />

in der deutschen Gesellschaft und in<br />

Europa." Antisemitismus und Israelhass<br />

gehören noch immer zur DNA<br />

der rechtsextremen Ideologie. Neonazis<br />

seien "der politische Hauptträger<br />

der Judenfeindschaft", hält eine<br />

unabhängige Kommission des Bundestags<br />

fest. Ein Ziel der Rechten:<br />

Die "moralische Last des Holocaust"<br />

müsse überwunden werden - der<br />

"Schuldabwehr- Antisemitismus".<br />

Das färbt ab.<br />

Nach Ansicht von Benjamin Steinitz,<br />

vom RIAS gebe es in Deutschland<br />

35


heute eine größere Selbstverständlichkeit,<br />

die Verbrechen der Nazis zu<br />

relativieren oder zu leugnen. Brandbeschleuniger<br />

dieses Antisemitismus<br />

seien auch Politiker der AfD. Der baden-württembergische<br />

Landtagsabgeordnete<br />

Wolfgang Gedeon machte<br />

in seinen umstrittenen Publikationen<br />

das Judentum als "inneren" und den<br />

Islam als "äußeren" Feind des<br />

"christlichen Abendlandes" aus. Der<br />

Thüringer AfD-Fraktionschef Björn<br />

Höcke forderte eine "erinnerungspolitische<br />

Wende um 180 Grad".<br />

Von rechts schallen die radikalen<br />

Töne - in der Mitte der Gesellschaft<br />

stoßen sie auf Widerhall. Eine Studie<br />

der Bertelsmann-Stiftung gibt an,<br />

dass 81 Prozent der Deutschen die<br />

Geschichte der Judenverfolgung<br />

"hinter sich lassen" möchten. 58<br />

Prozent wollen definitiv einen<br />

"Schlussstrich" ziehen. Eine Folge<br />

dieser Schuldabwehr ist eine<br />

übersteigerte Israelkritik, ein zunehmender<br />

Antizionismus. Israel mache<br />

"Profit vom Holocaust-Gedenken",<br />

heißt es. Israel wolle mit dem "Krieg<br />

in Gaza" die Palästinenser<br />

„auslöschen".<br />

Teilweise sei eine Gleichsetzung Israels<br />

mit dem NS-Regime zu sehen,<br />

hält eine nun erschienene Analyse<br />

im Auftrag des hessischen Verfassungsschutzes<br />

fest. Die Autorin untersuchte<br />

7.000 Kommentare von<br />

Nutzern auf Facebook, Twitter, Youtube<br />

und Medienportalen im Internet.<br />

Die eigene Geschichte abschließen<br />

dadurch, dass man die Juden und<br />

Israel diskreditiert und zu Tätern<br />

macht - so entledige man sich als<br />

Deutscher der "unliebsamen Gefühle",<br />

die viele mit den Morden des<br />

NS-Staates verbinden, sagen Experten<br />

wie Chernivsky. In den Straftaten<br />

gegen jüdische Menschen und Einrichtungen<br />

geht es um Körperverletzung<br />

und Sachbeschädigung, um<br />

Drohungen und Propagandadelikte<br />

wie Hakenkreuz-Schmierereien. Laut<br />

Polizei sind 93 Prozent der Täter extreme<br />

Rechte. Doch daran haben<br />

Experten Zweifel. So rechnet die Polizei<br />

einen Schriftzug ,,Juden raus"<br />

automatisch der rechten Szene zu,<br />

sofern nicht explizit ein anderer Absender<br />

genannt ist.<br />

„Das Gefühl der Unsicherheit in<br />

der jüdischen Gemeinde wächst<br />

seit Jahren.“<br />

Deidre Berger, Direktorin des<br />

American Jewish Committee (AJC)<br />

in Berlin<br />

Zu wenig zeige sich in diesen Angaben<br />

der Sicherheitsbehörden, dass<br />

immer mehr Menschen aus muslimischen<br />

Familien gegen Juden wettern,<br />

kritisieren Experten. Jüdische<br />

Gemeinden würden sich "besonders<br />

besorgt" über Antisemitismus aus<br />

dieser Richtung zeigen, sagt Berger<br />

vom AJC. Der Zuzug Hunderttausender<br />

Flüchtlinge vor allem aus Ländern<br />

wie Syrien, in denen der Antisemitismus<br />

Staatsdoktrin sei, verschärfe<br />

dieses "Gefühl der Unsicherheit",<br />

so Berger.<br />

Wie stark Geflüchtete antisemitisch<br />

eingestellt sind, ist kaum bekannt.<br />

Es fehlen Studien und Statistiken.<br />

Seit 2016 erfasst die Polizei Straftaten<br />

dieser Gruppe. In dem Jahr registrierten<br />

die Beamten zwölf<br />

antisemitische Delikte, bei denen der<br />

Tatverdächtige ein Asylbewerber<br />

war.<br />

Die Kriege in Staaten wie Syrien<br />

oder Irak, der Konflikt zwischen<br />

Israel und den Palästinensern, der<br />

Machtkampf zwischen Iran und<br />

Saudi-Arabien - all das rückt den<br />

Nahen Osten in den Fokus der<br />

deutschen Öffentlichkeit. Und damit<br />

auch die Verschwörungstheorien, die<br />

behaupten, Israel habe die Terrororganisationen<br />

Hamas und "Islamischer<br />

Staat" selbst erschaffen.<br />

Laut der Studie des Verfassungsschutzes<br />

haben die untersuchten<br />

antisemitischen Kommentare zum<br />

Nahost-Konflikt etwa zur Hälfte Muslime<br />

als Absender. Nur zehn Prozent<br />

sind demnach der rechtsextremen<br />

Szene zuzurechnen. "Es kommt vor,<br />

dass Gewalt gegen jüdische Jugendliche<br />

durch den Konflikt legitimiert<br />

wird", sagt Chernivsky von der Beratungsstelle.<br />

Die Krisen in Nahost, sie<br />

wirken auch auf deutsche Klassenzimmer.<br />

Das AJC startete eine Umfrage an<br />

21 Berliner Schulen. Ein Ergebnis:<br />

"Du Jude" ist ein weitverbreitetes<br />

Schimpfwort - oft, aber nicht nur bei<br />

jungen Muslimen. Manchmal wurde<br />

Israel von Schülern aus den Atlanten<br />

gekritzelt und der Staat in den Schulbüchern<br />

auf ein "kriegsführendes<br />

Land" reduziert. Die Lehrkräfte seien<br />

zudem meist überfordert, den Schülern<br />

den Konflikt in Nahost unverkürzt<br />

beizubringen. Der Zentralrat<br />

der Muslime warnt vor "Entlastungsdebatte",<br />

Aiman Mazyek, der Vorsitzende<br />

des Zentralrats der Muslime<br />

(ZMD), sagt, dass er die Sorgen der<br />

Juden in Deutschland vor Übergriffen<br />

etwa von Flüchtlingen aus arabischen<br />

Diktaturen teile, die "zum Teil<br />

leider antijüdisch" sozialisiert seien.<br />

"Andererseits warnen wir vor einer<br />

Entlastungsdebatte." Schon seit Jahren<br />

würden viele Muslime mit jüdischen<br />

Gemeinden eng zusammenarbeiten,<br />

es gebe zahlreiche Projekte,<br />

die Jugendliche über radikale<br />

Ideologien aufklären sollen.<br />

Doch auch Mazyek weiß, dass immer<br />

wieder Kritik an einzelnen muslimischen<br />

Verbänden aufkommt, sie<br />

würden sich nicht klar genug von<br />

judenfeindlichen Parolen ihrer Mitglieder<br />

distanzieren.<br />

Mazyek sagt: "Antisemitismus ist im<br />

Islam eine große Sünde. Aus unserer<br />

Religion erwächst der Aufruf, sich<br />

nicht über Menschen oder einen anderen<br />

Glauben herabzulassen."<br />

Doch es gehe nicht nur um Religion,<br />

sondern auch um Bildung. Das Wissen<br />

etwa um die Geschichte des<br />

Nationalsozialismus nehme ab, stellt<br />

das AJC fest.<br />

Vier von zehn Schülern wissen demnach<br />

nicht, dass Auschwitz ein Konzentrationslager<br />

war. Der Holocaust<br />

verblasst. Gerade arbeite Mazyek<br />

deshalb an einem Projekt. Er möchte<br />

nach Auschwitz reisen, das Lager<br />

besuchen. Mit dabei: junge Flüchtlinge<br />

aus Syrien.<br />

36


Israel Verheißungen erfüllen sich<br />

Die Erfüllung prophetischer Aussagen in unseren Tagen<br />

Rabbiner Dr. Arthur Falk, (jüdisch-orthodox) Bene-Berak, Israel<br />

Collage, R. Weiss<br />

Ein Stufengesang. Wenn der HERR<br />

die Zurückkehrenden Zions zurückbringt,<br />

da wird es sein, als wenn wir<br />

vorher davon geträumt hätten (nämlich<br />

während all der Jahrhunderte<br />

des Galuths).<br />

Da wird unser Mund voll Lachens<br />

sein und unsere Zunge voll JubeIns.<br />

Da werden unter den Nationen Menschen<br />

sprechen: Großes hat der<br />

HERR an diesen getan!<br />

Ja, Großes hat der HERR an uns<br />

getan! (sagen dann nachher auch<br />

die Juden). Darum waren wir so froh.<br />

Psalm 126, 1-3<br />

Neu ist jedoch auch für uns, was hier<br />

über die Nationen gesagt ist. Dazu<br />

möchte ich bemerken, dass die<br />

wörtliche übersetzung des Textes,<br />

wie Sie sie in Ihren Bibeln finden:<br />

"Man sagt unter den Nationen"<br />

irreführend ist, weil der Sinn nicht ist,<br />

daß die Nationen untereinander so<br />

sprechen, sondern daß es unter den<br />

Nationen - d. h. innerhalb derselben<br />

- viele oder einige geben wird, die<br />

sprechen, d. h. verkünden werden:<br />

"Großes hat der HERR an den<br />

Juden getan."<br />

Wie steht es nun mit dieser Voraussage?<br />

Hat sie sich schon erfüllt, oder<br />

haben wir ihre Erfüllung erst noch in<br />

der Zukunft zu erwarten? Nun, ich<br />

bin mir ganz sicher, wie die richtige<br />

Antwort darauf lautet: Sie selber, meine<br />

lieben christlichen Israel-Freunde,<br />

sind es, deren Erscheinen in unserer<br />

Zeit hier vorausgesagt ist. Sie sind ja<br />

die einzigen unter "den Nationen",<br />

die verkünden, daß "der HERR es<br />

war, der Großes an uns getan" und<br />

die große Wende im Schicksal des<br />

jüdischen Volkes herbeigeführt hat.<br />

Daß Ihr Erscheinen in unserer Zeit -<br />

trotz der entgegenstehenden Dogmen<br />

der christlichen Kirchen - hier<br />

vorausgesagt ist, ist für mich ein weiterer<br />

eklatanter Beweis dafür, daß<br />

wir es hier in den drei ersten Versen<br />

dieses Psalms mit göttlich inspirierter<br />

Prophetie zu tun haben.<br />

Diese Worte des Psalms 126, in denen<br />

vor Tausenden von Jahren Ihr<br />

Erscheinen in unserer Zeit vorausgesagt<br />

wurde, ist Ihr Adelsbrief, meine<br />

lieben christlichen Israel-Freunde.<br />

Das kann Ihnen auch eine Richtschnur<br />

abgeben, wo Ihre Hauptaufgabe<br />

liegt. Sie nennen sich Freunde<br />

Israels und bemühen sich, uns zu<br />

zeigen, daß wir auch Freunde in der<br />

Welt haben, nicht bloß Feinde, deren<br />

Menge ist wie Sand am Meer. Das<br />

ist gewiß sehr lieb von Ihnen und<br />

sehr anerkennenswert. Aber das sollte<br />

für Sie, denke ich, nicht die Hauptsache<br />

sein. Denn, wie wir durch den<br />

Propheten Hesekiel wissen, nicht um<br />

Israels Schicksal handelt es sich in<br />

erster Linie bei den Geschehnissen<br />

unserer Zeit, sondern um das<br />

Schicksal des großen heiligen<br />

N a m e n s G o t t e s, dem in unserer<br />

"modernen" Welt so wenig Achtung<br />

gezollt wird und der nach der<br />

Absicht des Höchsten "durch das<br />

Haus Israel wieder geheiligt werden<br />

soll vor den Augen der Nationen".<br />

Mehr als ein Viertel-Jahrhundert ist<br />

bereits verstrichen, ohne daß das<br />

Haus Israel auch nur begonnen hätte,<br />

diese ihm vom Höchsten zugewiesene<br />

Aufgabe zu erfüllen, und,<br />

wie wir wissen, können wir auch<br />

nicht erwarten, daß es in der nahen<br />

Zukunft geschehen wird; vielmehr<br />

wird Gottes Absicht erst durch die<br />

nachfolgende Generation erfüllt werden.<br />

Aber der Höchste wollte anscheinend<br />

nicht, daß so lange Zeit nichts<br />

zur Wiederherstellung der Heiligkeit<br />

Seines großen Namens geschehe,<br />

darum hat Er "unter den Nationen<br />

Menschen" bestimmt - eben Sie, meine<br />

lieben Israel-Freunde - die in die<br />

Lücke treten und der Welt vor Augen<br />

und zu Gemüte führen sollen, wie<br />

großartig das ist, was der HERR -<br />

und nur der HERR allein - in unsern<br />

Tagen an Israel getan hat. Ihnen ist<br />

die Aufgabe zugedacht - und das ist<br />

ein großer Vorzug -, mit diesem großen<br />

Verkündigungs-Feldzug Wiederherstellung<br />

der Heiligkeit des göttlichen<br />

Namens den Anfang zu machen,<br />

noch ehe von jüdischer Seite<br />

damit begonnen wird, - das ist aus<br />

der Voraussage von Psalm 126 klar<br />

zu ersehen. Ich glaube und hoffe,<br />

daß es Ihnen gelingen wird, es dahin<br />

zu bringen, daß "alles Fleisch" (d. h.<br />

alles, was nicht allzu sehr "verknöchert"<br />

ist in der Unreligiosität des<br />

"modernen" Geistes)<br />

"zusammen einsehen wird, daß<br />

der Mund des HERRN einst<br />

gesprochen hat" -<br />

nämlich durch den Mund der Propheten,<br />

als diese vor Tausenden von<br />

Jahren dem jüdischen vorausverkündeten,<br />

was in unsern Tagen vor unser<br />

aller Augen Wirklichkeit ist.<br />

Quelle:<br />

Begegnung auf dem Ölberg, Paulus Paperback<br />

Band 8, Auszug eines Referates auf<br />

"Woche der Begegnung unter dem prophetischen<br />

Wort", Aug. 1975<br />

37


Premierminister Netanyahu in Brüssel<br />

11. Dezember 2017<br />

Premierminister Benjamin Netanyahu<br />

ist am Montag im Europäischen<br />

Rat in Brüssel durch die Hohe Vertreterin<br />

der EU für Außen- und Sicherheitspolitik<br />

Federica Mohgerini<br />

empfangen worden.<br />

Netanyahu erklärte: „Ich danke Ihnen<br />

für diese Einladung, Federica,<br />

und auch der Regierung von Litauen.<br />

Es ist ein Vergnügen, hier zu<br />

sein. Europa und Israel sind wichtige<br />

Partner auf drei wichtigen Gebieten:<br />

Sicherheit, Wohlstand, Frieden. Auf<br />

dem Gebiet der Sicherheit haben<br />

israelische Geheimdienste Dutzende<br />

Terroranschläge verhindert, viele von<br />

denen auf europäischem Boden, und<br />

ich denke, dass unzählige Leben im<br />

Ergebnis gerettet wurden, wie den<br />

Sicherheitsdiensten vieler europäischer<br />

Regierungen wohl bekannt ist.<br />

Wir werden dies als Teil unseres gemeinsamen<br />

Kampfes gegen den Terrorismus<br />

fortsetzen. Ebenso denke<br />

ich, dass das größte Problem, vor<br />

dem Europa steht, der Strom von<br />

Menschen ist, die den kriegsgebeutelten<br />

Gebieten im Nahen Osten entfliehen.<br />

Und der Nahe Osten ist bedroht,<br />

sowohl durch den sogenannten<br />

Islamischen Staat, den sunnitischen<br />

militanten Islam und den schiitischen<br />

militanten Islam, der durch<br />

Iran angeführt wird. Israel ist die<br />

stärkste Macht im Nahen Osten, die<br />

die Ausbreitung des militanten Islam<br />

verhindert, was nicht nur Anschläge<br />

des IS in Europa verhindert, sondern<br />

auch den Kollaps vieler Teile des Nahen<br />

Ostens verhindert, die an Israel<br />

angrenzen, die sonst durch diese<br />

militanten Islamisten übernommen<br />

würden, die so viele, viele, viele Millionen<br />

nach Europa bringen. Wir tun<br />

also viel, um uns zu schützen, doch<br />

während wir das tun, glaube ich,<br />

dass Israel auch eine sehr wichtige<br />

Sicherheitsfunktion für die Menschen<br />

in Europa erfüllt, auf Wegen, die<br />

nicht immer verstanden werden,<br />

doch durch die relevanten Regierungen<br />

zunehmend geschätzt werden.<br />

Der zweite Punkt ist der Wohlstand.<br />

Wir befinden uns in einer Revolution,<br />

einer großen Revolution in der Welt.<br />

Die Zukunft gehört denen, die innovativ<br />

sind. Vor zehn Jahren waren<br />

die zehn führenden Unternehmen<br />

der Welt fünf Energiekonzerne und<br />

ein IT-Unternehmen. Im kurzen Zeitraum<br />

einer Dekade hat sich das vollständig<br />

gedreht – fünf IT-<br />

Unternehmen sind jetzt in den Top<br />

Ten, ein Energiekonzern ist noch<br />

übrig, der vom ersten Platz auf den<br />

Goldenes Tor, Jerusalem<br />

fünften abgestiegen ist. Die Revolution<br />

ist Big Data, künstliche Intelligenz,<br />

Konnektivität – das Netz.<br />

Neue Industrien entstehen aus dem<br />

Nichts. Israel hat nun eine Autoindustrie.<br />

Hatte es nie. Europa hat viele<br />

Autoindustrien. Unsere Autoindustrie<br />

erhält zig Milliarden US-Dollar an<br />

Investment, vor wenigen Monaten<br />

allein 15 Milliarden, als Intel eine israelische<br />

Firma für autonomes Fahren<br />

gekauft hat. Wir hatten dies<br />

nicht. Wir haben 500 Startups nur für<br />

autonomes Fahren und Waze und<br />

Crowdsourcing, die wichtig sind, die<br />

das Antlitz des Transports verändern.<br />

Ich werde Ihnen ein Beispiel<br />

geben.<br />

Digitale Gesundheit – ein weiteres<br />

Beispiel, das in Israel entwickelt<br />

wird; precision farming, IT, Cyber –<br />

Israel hat jetzt 20% der weltweiten<br />

privaten Investments in Cybersicherheit<br />

erhalten. Können wir ohne Cybersicherheit<br />

leben? Könnten Sie<br />

Ihre Bankkonten, Ihre Stromnetze,<br />

Ihre zivile Luftfahrt, Ihre Autos in der<br />

Zukunft beschützen? Sie benötigen<br />

Cybersicherheit; Israel ist ein Partner<br />

der Welt. Daher ist die Partnerschaft<br />

zwischen Israel und Europa unverzichtbar;<br />

meiner Meinung nach ist<br />

sie es nicht nur für uns – was sie offensichtlich<br />

ist, sonst wäre ich ja<br />

nicht hier – sondern auch für Europa.<br />

Und viele, viele Länder weltweit<br />

verstehen, dass Israel der Partner<br />

für Innovation ist. Und Innovation<br />

ist die Zukunft. Dies<br />

ist der zweite Punkt.<br />

Wir haben übrigens auch<br />

Erdgas entdeckt, und wir<br />

haben erst jüngst eine Absichtserklärung<br />

mit einigen<br />

europäischen Ländern unterzeichnet:<br />

mit Zypern,<br />

Griechenland und Italien,<br />

Sie kennen sie vielleicht.<br />

Wir klären gerade die Möglichkeit<br />

für die Verlegung<br />

einer Gasleitung von unseren<br />

Offshore-Gasfeldern<br />

nach Italien. Dies wäre, denke ich,<br />

sehr wichtig für die europäische Wirtschaft.<br />

Innovation, Energie und alles<br />

andere, ich glaube, wir sind natürliche<br />

Partner.<br />

Dies ist Frieden. Israel hat seit 100<br />

Jahren unseren palästinensischen<br />

Nachbarn die Hand zum Frieden ausgestreckt,<br />

auch, bereits bevor und<br />

auch nach der Staatsgründung. Und<br />

seit 50 Jahren, bevor es auch nur<br />

eine einzige Siedlung oder ein einziges<br />

territoriales [Konflikt]thema gab,<br />

werden wir konstant angegriffen.<br />

Wir wurden nicht wegen dieses oder<br />

jenes Stückes Land angegriffen, sondern<br />

wegen der Idee eines jeden<br />

Territoriums, dass es einen jüdischen<br />

Staat geben würde, einen Nationalstaat<br />

für das jüdische Volk in<br />

jeglichen Grenzen, diese Idee wurde<br />

von unseren Nachbarn zurückgewiesen.<br />

Dies hat zu dem Konflikt geführt,<br />

und dies ist es, was den<br />

38


Konflikt weiterbestehen lässt. Sie<br />

sehen dies unglücklicherweise in der<br />

fortgesetzten Leugnung der Palästinenser<br />

des Existenzrechts Israels<br />

als jüdischer Staat und der Leugnung<br />

unserer Geschichte. Jerusalem<br />

ist seit 3.000 Jahren die Hauptstadt<br />

des jüdischen Volkes, von der Zeit,<br />

als es durch König David gegründet<br />

wurde, was in der Geschichte der<br />

Bibel sehr gut dokumentiert ist und<br />

danach, als Juden in den Ghettos<br />

von Europa gewispert haben ‚Nächstes<br />

Jahr in Jerusalem, nächstes Jahr<br />

in Jerusalem.‘ Wir haben diese Verbindung<br />

niemals verloren. Doch diese<br />

Verbindung wird geleugnet, in<br />

UN-Foren, in der UNESCO, in lachhaften<br />

Resolutionen, die danach<br />

trachten, die Geschichte zu leugnen<br />

und die historische Wahrheit. Jerusalem<br />

ist seit 70 Jahren die Hauptstadt<br />

Israels. Ich denke, was [US-<br />

]Präsident Trump getan hat, ist, die<br />

Fakten auf den Tisch zu legen. Frieden<br />

basiert auf der Realität. Frieden<br />

basiert auf der Anerkennung der Realität,<br />

und ich denke, die Tatsache,<br />

dass Jerusalem Israels Hauptstadt<br />

ist, ist für Sie alle, die Israel besuchen,<br />

offensichtlich, die sehen, wo<br />

unser Parlament, unsere Knesset<br />

steht, wo der Sitz unserer Regierung<br />

ist, mein Amtssitz, wo der Präsident<br />

sein Amt hat, das Oberste Gericht.<br />

Jerusalem ist die Hauptstadt Israels.<br />

Niemand kann das leugnen. Dies ist<br />

kein Hindernis für den Frieden, es<br />

ermöglicht den Frieden, weil die Anerkennung<br />

der Realität die Substanz<br />

für den Frieden ist, die Grundlage<br />

dafür.<br />

Es gibt nun Bemühungen, eine neue<br />

Friedensinitiative der US-Regierung<br />

voranzubringen. Ich denke, wir sollten<br />

dem Frieden eine Chance geben.<br />

Ich denke, wir sollten sehen,<br />

was dort vorgestellt wird und sehen,<br />

wie wir diesen Frieden voranbringen<br />

können. Doch wenn wir es anfangen<br />

sollten, würde ich sagen, gibt es eine<br />

Sache: erkennen Sie den jüdischen<br />

Staat an. Es ging immer um den jüdischen<br />

Staat. Und es ist an der Zeit,<br />

dass die Palästinenser den jüdischen<br />

Staat anerkennen und auch<br />

die Tatsache anerkennen, dass er<br />

eine Hauptstadt hat. Sie heißt Jerusalem.<br />

Ich glaube, dass obwohl wir<br />

noch kein Abkommen haben, es das<br />

ist, was in der Zukunft geschehen<br />

wird. Ich glaube, dass alle oder doch<br />

die meisten europäischen Ländern<br />

ihre Botschaften nach Jerusalem<br />

umsiedeln, Jerusalem als israelische<br />

Hauptstadt anerkennen und sich mit<br />

uns gemeinsam für Sicherheit, Wohlstand<br />

und Frieden einsetzen werden.<br />

Ich danke Ihnen für die Gelegenheit,<br />

diese Ansichten vorzustellen, ich bin<br />

sicher, es wird zu einer engagierten<br />

Diskussion mit den Außenministern<br />

kommen. Es ist eine wertvolle, eine<br />

wichtige Gelegenheit. Europa ist<br />

wichtig, darum bin ich hier.“<br />

(Amt des Premierministers,<br />

11.12.17)<br />

Mossab Youssefs Rede<br />

der Sohn eines Hamas-Gründers spricht vor dem UN-Menschenrechtsrat. Erklärung von UN-Watch<br />

an der 36. Sitzung des U.N. Menschenrechtsrates,<br />

von Mosab Hassan Yousef.<br />

Danke, Herr Präsident.<br />

Ich ergreife das Wort im Auftrag von<br />

UN-Watch Mein Name ist Mosab<br />

Hassan Yousef. Ich bin in Ramallah<br />

als Mitglied der Hamas aufgewachsen.<br />

Ich richte meine Worte an die<br />

Palästinensische Autonomiebehörde,<br />

die behauptet, der „alleinige<br />

legitime Vertreter“ des palästinensischen<br />

Volkes zu sein. Ich frage Sie:<br />

Woher kommt Ihre Legitimität? Das<br />

palästinensische Volk hat euch nicht<br />

gewählt, und sie haben euch nicht<br />

beauftragt, sie zu vertreten. Ihr habt<br />

euch selbst ernannt. Eure Verantwortlichkeit<br />

richtet sich nicht an eure<br />

eigenen Leute. Dies wird durch eure<br />

totale Verletzung ihrer Menschenrechte<br />

belegt.<br />

Tatsächlich ist das palästinensische<br />

Individuum und deren menschliche<br />

Entwicklung das geringste eurer Anliegen.<br />

Ihr entführt palästinensische Studenten<br />

vom Campus und foltert sie in<br />

euren Gefängnissen. Ihr foltert eure<br />

politischen Gegner. Das Leiden des<br />

palästinensischen Volkes ist das Ergebnis<br />

eurer egoistischen politischen<br />

Interessen. Ihr seid der grösste<br />

Feind des palästinensischen Volkes.<br />

Wenn Israel nicht existieren würde,<br />

gäbe es niemanden, dem ihr die<br />

Schuld geben könntet. Übernehmt<br />

Verantwortung für das Ergebnis eurer<br />

eigenen Handlungen.<br />

Ihr facht die Flammen des Konflikts<br />

an, um eure missbräuchliche Macht<br />

zu erhalten. Schlussendlich benutzt<br />

ihr diese Plattform, um die internationale<br />

Gemeinschaft und die palästinensische<br />

Gesellschaft zu täuschen,<br />

damit sie glauben, dass Israel für die<br />

Probleme verantwortlich ist, die ihr<br />

verursacht.<br />

Vielen Dank.<br />

http://www.audiaturonline.ch/2017/09/28/sohn-eines-hamas<br />

gruenders-spricht-vordemun-menschenrechtsrat/<br />

39


Die Obsession der UNO gegen Israel<br />

Von Redaktion Audiatur -<br />

17. Mai 2017<br />

Unter Generalsekretär Kurt<br />

Waldheim, einem früheren Nazi,<br />

verabschiedeten die Vereinten<br />

Nationen 1975 die berüchtigte<br />

Resolution 3379, „Zionismus ist<br />

eine Form des Rassismus“.<br />

Der UN-Menschenrechtsrat<br />

(UNHRC) kam am 20. März erneut<br />

zusammen, um über den „Tagesordnungspunkt<br />

7“ zu diskutieren.<br />

Dieser ist seit Juni 2006 ein<br />

unabdingliches Diskussionsthema<br />

und hat ausschliesslich zum<br />

Ziel, die israelische Demokratie<br />

systematisch für angebliche<br />

Verbrechen zu verurteilen, deren<br />

Existenz noch nie nachgewiesen<br />

werden konnten.<br />

von Pierre Rehov<br />

Die Agenda – die offiziell erarbeitet<br />

wurde, um unter Berücksichtigung<br />

der von der Fatah, der PLO und<br />

verschiedenen NGOs eingereichten<br />

Berichte die humanitäre Situation in<br />

den Palästinensergebieten zu<br />

beurteilen – ist Teil einer größeren<br />

Kampagne, die von Ländern wie<br />

Libyen, Algerien, Kuwait, Saudi-<br />

Arabien, Irak, Sudan und Jemen<br />

durchgeführt wird. Israel ist somit<br />

das einzige Land der Welt, das das<br />

zweifelhafte Privileg genießt, am<br />

wenigsten an seinen Taten gemessen<br />

zu werden – anhand einer<br />

Agenda, die von seinen Feinden<br />

erstellt wurde.<br />

Wenn es nur darum ginge die<br />

Besessenheit zum Ausdruck zu<br />

bringen – die der alten Gewohnheit<br />

von arabisch-muslimischen<br />

Diktaturen entspringt, den jüdischen<br />

Staat zu ihrem Sündenbock<br />

zu machen, der für alle Schicksalsschläge<br />

verantwortlich ist die sie<br />

heimsuchen, wäre Tagesordnungspunkt<br />

7 nur eine Kuriosität. Zumal<br />

die Sitzung regelmäßig von einer<br />

Mehrheit der westlichen Länder<br />

und systematisch von den Vereinigten<br />

Staaten boykottiert wird.<br />

Leider hat sich diese Israel-Phobie<br />

in den Vereinten Nationen verbreitet.<br />

Als Israel im Jahr 1948, kurz<br />

nachdem das Land von nahezu<br />

allen westlichen Demokratien<br />

offiziell als souveräner Staat<br />

anerkannt worden war, gerade die<br />

völkermörderischen Aggressionen<br />

von fünf Nachbarländern abgewehrt<br />

hatte und Tausende Juden<br />

vor der Unterdrückung durch<br />

arabische Diktaturen flohen, rief<br />

die UN die UNRWA ins Leben, eine<br />

Organisation, die ausschließlich<br />

palästinensischen Flüchtlingen<br />

hilft. Und das, obwohl es bereits<br />

ein UN-Flüchtlingsprogramm gab:<br />

das Hohe Flüchtlingskommissariat<br />

der Vereinten Nationen (UNHCR).<br />

Das Mandat des UNRWA (Hilfswerk<br />

der Vereinten Nationen für Palästina-<br />

Flüchtlinge im Nahen Osten,<br />

englisch United Nations Relief and<br />

Works Agency for Palestine Refugees<br />

in the Near East) galt ursprünglich<br />

für ein Jahr. Siebzig Jahre später<br />

ist aus der Organisation ein verschwenderisches<br />

UN-Arbeitsprogramm<br />

mit einem Budget von fast<br />

einer Milliarde Dollar geworden, das<br />

weiterhin in den Palästinensergebieten<br />

und den Nachbarstaaten tätig ist.<br />

Aus einem Teil des Budgets werden<br />

die Löhne und Rentenfonds von<br />

25.000 bis 27.000 Mitarbeitern<br />

bezahlt (darunter viele Mitglieder der<br />

Hamas). Ausserdem finanziert das<br />

Programm Schulen in Vororten oder<br />

Städten, die als „Lager“ bezeichnet<br />

werden, in denen die Nachkommen<br />

der Nachkommen der „Flüchtlinge“<br />

fälschlicherweise lernen, dass Tel<br />

Aviv und Haifa einst ihnen gehörten<br />

und an sie zurückgegeben werden<br />

sollten, und wo der Mythos eines<br />

unmöglichen „Rückkehrrechts“<br />

immer neue Generationen von<br />

Palästinensern zu Geiseln macht<br />

und den Hass gegen Israel und die<br />

Juden schürt.<br />

Said Aburish, einer von Yasser<br />

Arafats Biografen und ehemaliger<br />

Berater von Saddam Hussein,<br />

berichtete diesem Autor:<br />

Um die Verpflegung durch das<br />

UNRWA sicherzustellen, gewöhnten<br />

sich die Palästinenser an, ihre Toten<br />

nachts zu beerdigen. So starb<br />

niemand in den Flüchtlingslagern –<br />

außer es war möglich, Israel dafür<br />

verantwortlich zu machen. Infolgedessen<br />

wurden die Flüchtlingszahlen<br />

stets verfälscht, und zwar mit<br />

passiver Mithilfe des UNRWA, da<br />

dessen jährliches Budget von der<br />

Anzahl der Seelen abhängt, für die<br />

es verantwortlich ist.“<br />

Es ist kein Geheimnis, dass die UN<br />

Israel in weniger als 70 Jahren<br />

häufiger verurteilt hat, als alle<br />

anderen Staaten der Welt zusammen<br />

– einschliesslich derer, die der<br />

Sklaverei, Massenexekutionen, des<br />

Völkermords und jeder anderen<br />

vorstellbaren Menschenrechtsverletzung<br />

für schuldig befunden wurden.<br />

In einem Ausmass also, dass es fast<br />

klingt wie ein Witz.<br />

Es ist es Wert sich daran zu<br />

erinnern, dass Israel zwischen 1981<br />

und 1986 ein Rahmenprogramm zur<br />

Resozialisierung von arabischen<br />

Flüchtlingen in Gaza ins Leben rief.<br />

Die einzige Antwort der vom Fatah-<br />

Vorsitzenden Yasser Arafat unter<br />

40


Druck gesetzten UN war, den<br />

hebräischen Staat für seine Initiative<br />

zu verurteilen und jede ihrer Resolutionen<br />

mit dem gleichen Befehl zu<br />

beenden: „Bringt die Flüchtlinge<br />

zurück in die Camps.“<br />

Man muss auch nicht bis ins Jahr<br />

1975 zurückblicken, um sich an die<br />

berüchtigte UN-Resolution 3379<br />

„Zionismus ist eine Form des<br />

Rassismus“ zu erinnern. Sie wurde<br />

unter dem Generalsekretär und<br />

früheren Nazi Kurt Waldheim<br />

erlassen – eine Woche, nachdem<br />

man dem brutalen Gewaltherrscher<br />

Ugandas, Idi Amin, einen triumphalen<br />

Empfang im UN-Hauptquartier<br />

bereitet hatte.<br />

Es reicht hingegen, nur auf die<br />

Generalversammlung vom 21.<br />

Dezember 2016 zu verweisen, um<br />

festzustellen, dass Israel wieder<br />

einmal 20-fach verurteilt wurde,<br />

während all die tragischen Vorkommnisse<br />

auf diesem Planeten –<br />

Massaker in Syrien, Drohungen<br />

durch Nordkorea, die Krim- Krise<br />

und die schlechte Behandlung von<br />

Frauen und Minderheiten in Iran und<br />

Saudi-Arabien – fast schon widerwillig<br />

mit lediglich einem halben<br />

Dutzend Resolutionen sanktioniert<br />

wurden.<br />

Die Liste der Ungerechtigkeiten, die<br />

dem jüdischen Staat durch eine<br />

Organisation zugefügt wurden, die<br />

eigentlich den Weltfrieden wahren<br />

soll – und die de Gaulle verächtlich<br />

als „le machin“ („das Ding“) bezeichnete<br />

– ist so lang, dass man damit<br />

problemlos mehrere Bände einer<br />

Enzyklopädie füllen könnte.<br />

Nichts hat jedoch auf der internationalen<br />

Bühne so viel Aufsehen erregt<br />

oder so viel Ablehnung hervorgerufen<br />

wie die Resolution der UNESCO<br />

vom 26. Oktober 2016, gefolgt von<br />

einem ähnlichen Text am 29. April<br />

2017 – dem Tag, an dem Israel den<br />

69. Jahrestag seiner Unabhängigkeit<br />

feierte.<br />

Dieser von Algerien, Ägypten,<br />

Libanon, Marokko, Oman, Katar und<br />

Sudan vorgelegte und von der<br />

automatischen arabischen Mehrheit<br />

ratifizierte Text, der von der Enthaltung<br />

fast aller europäischer Staaten<br />

– einschliesslich Frankreichs –<br />

profitierte, beinhaltete eine neue und<br />

überraschende Umschreibung der<br />

Geschichte. Darin wurde jegliche<br />

Verbindung zwischen dem Judentum<br />

und dem Jerusalemer Tempelberg,<br />

einschliesslich der Klagemauer,<br />

geleugnet, und die Stätten wurden<br />

ausschliesslich bei ihren arabischen<br />

Namen genannt: Haram Al Sharif<br />

und Al-Buraq-Mauer. Die Leugnung<br />

der Tatsachen in dieser Resolution<br />

veranlasste den neuen Generalsekretär<br />

der UNESCO Antonio Guterres<br />

dazu, ihr zu widersprechen. Er<br />

forderte die Palästinensische<br />

Autonomiebehörde dazu auf, die<br />

Resolution zurückziehen und eine<br />

Entschuldigung zu veröffentlichen.<br />

Es mag empörend wirken, dass der<br />

hebräische Staat systematisch ins<br />

Visier genommen wird, doch das<br />

UN-Rahmenwerk macht es möglich.<br />

Zunächst einmal sind da die Zusammensetzung<br />

der Vereinten Nationen,<br />

die aus einem Übergewicht an<br />

antidemokratischen Mitgliedern<br />

besteht und sich den Herausforderungen<br />

des islamistischen Terrors<br />

einerseits und dem Druckmittel Erdöl<br />

andererseits gegenüber sieht.<br />

Und zum Zweiten – warum sollte<br />

sich die UNESCO, deren vorgegebene<br />

Aufgabe eigentlich genau darin<br />

besteht, die Geschichte und den<br />

Frieden zu bewahren, an einer Farce<br />

beteiligen, die streng genommen zu<br />

dem Schluss kommen würde, dass<br />

Jesus sechs Jahrhunderte vor der<br />

Entstehung des Islam, die Händler<br />

von der „Esplanade der Moscheen“<br />

(aus dem Tempelbezirk) verjagte?<br />

Im religiösen Kontext gesehen, ist<br />

Jerusalem – vor allem die Altstadt<br />

und der Tempelberg – für die drei<br />

monotheistischen Religionen ein<br />

heiliger Ort. Als sich dieser Bereich<br />

nach der illegalen Einnahme im Jahr<br />

1948 bis zur Befreiung durch Israel<br />

im Jahr 1967 in jordanischem Besitz<br />

befand, wurden alle Juden aus dem<br />

von Jordanien kontrollierten Teil der<br />

Stadt vertrieben, ihr Hab und Gut<br />

wurde ihnen weggenommen und<br />

ihre heiligen Stätten wurden<br />

geschändet. Laut dem für die Waqf<br />

(die für die heiligen islamischen<br />

Stätten in Jerusalem verantwortliche<br />

muslimische Organisation) zuständigen<br />

Dr. Yussuf Natshe und dem<br />

Scheich Omar Awadallah Kiswani,<br />

Leiter der Al-Aqsa-Moschee, dürfen<br />

diese Orte nicht geteilt werden: „Sie<br />

gehören von Ewigkeit her dem<br />

Islam, Gott und die UNESCO<br />

wünschen es so.“ (Äußerungen<br />

wurden vom Verfasser gesammelt.)<br />

Das Ziel der von der muslimischen<br />

Welt unterstützten Palästinenser<br />

wäre, den Namen der Al-Aqsa-<br />

Moschee auf den gesamten Haram<br />

Al Sharif (Tempelberg) zu übertragen,<br />

damit Nicht-Juden, wie in<br />

Mekka und Medina in Saudi-Arabien,<br />

der Zutritt verwehrt würde. Warum<br />

enthielt sich Frankreich der Abstimmung<br />

am 26. Oktober 2016 und<br />

bezüglich eines ähnlichen Texts am<br />

29. April 2017 und wurde dadurch in<br />

dieser Sache zu einem Komplizen?<br />

Das gehörte zu einem größeren<br />

Programm. Der damalige US-<br />

Präsident Barack Hussein Obama<br />

hatte die Haltung der USA gegenüber<br />

der Muslimbrüderschaft und<br />

dem Iran neu kalibriert. Im Kern von<br />

Obamas Credo schienen die<br />

berühmten israelischen „Siedlungen“<br />

das absolute Böse zu verkörpern,<br />

während der internationale Terrorismus<br />

– einschliesslich des palästinensischen<br />

Terrors – unter keinen<br />

Umständen aus den Auswüchsen<br />

einer Religion hervorgehen könnte<br />

die als Religion der Liebe und des<br />

Friedens beschrieben wird.<br />

Diese Position – ob rational oder<br />

nicht – könnte von vielen auch als<br />

allmählicher Rückzug der Vereinigten<br />

Staaten aus einem todgeweihten<br />

Friedensprozess betrachtet werden,<br />

der 2014 unter Federführung von<br />

US-Aussenminister John Kerry zum<br />

zigsten Mal gescheitert war. Vielleicht<br />

hielt die französische Regierung<br />

unter François Hollande es für<br />

eine gute Gelegenheit, Frankreich<br />

41


wieder an der Frontlinie der internationalen<br />

Diplomatie zu positionieren,<br />

indem sie Dolche in das Herz des<br />

israelisch-arabischen Konflikts stieß.<br />

Daraus entstand der Plan, eine<br />

internationale Konferenz in Paris<br />

abzuhalten – von der man die<br />

Hauptakteure, Israel und die<br />

Palästinenser, jedoch ausschloss.<br />

(Man muss sich fragen, was Frankreich<br />

gesagt hätte, wenn sich andere<br />

Staaten ohne die Franzosen<br />

versammelt hätten, um über die<br />

Zukunft von Paris zu entscheiden.)<br />

In der von de Gaulle im Jahr 1967<br />

eingeführten und von den nachfolgenden<br />

französischen Regierungen<br />

beibehaltenen Arabien-Politik ging<br />

es nicht darum, den jüdischen Staat<br />

am Leben zu halten, obwohl er<br />

offiziell noch immer Israel genannt<br />

wurde. Die neue US-Regierung<br />

unter Präsident Donald J. Trump und<br />

die US-Botschafterin bei den<br />

Vereinten Nationen, Nikki Haley,<br />

brachten die amerikanische Position<br />

(und im weiteren Sinne auch die<br />

Europas und Frankreichs) in einem<br />

Konflikt, der viel zu lange unter einer<br />

wie bereits beschriebenen Doppelmoral<br />

gelitten hatte, wieder ins<br />

Gleichgewicht.<br />

Warum sollten die Palästinenser<br />

auch nur das kleinste Zugeständnis<br />

machen, wenn ihnen die internationale<br />

Gemeinschaft einen Staat<br />

kostenfrei auf dem Silbertablett<br />

serviert?<br />

Bassem Eid, ein palästinensischer<br />

Menschenrechtsaktivist und politischer<br />

Berater, sieht es wie folgt:<br />

„Die Palästinensische Autonomiebehörde<br />

ist wie eine Oppositionspartei.<br />

Es genügt ihr, Israel zu kritisieren<br />

und zu beschuldigen. Sie muss<br />

nichts anderes tun oder beweisen,<br />

um die volle Unterstützung und all<br />

das Geld zu bekommen, das sie<br />

braucht. Und während Frankreich<br />

und Europa Mahmoud Abbas mit<br />

Orden auszeichnen, leidet das<br />

palästinensische Volk weiterhin unter<br />

seiner Diktatur.“<br />

Leider enthielt sich Frankreich am<br />

29. April erneut seiner Stimme bei<br />

der UNESCO.<br />

Es ist jetzt an der Zeit, dass Frankreich<br />

und die Europäische Union<br />

begreifen, dass sie – wenn sie auch<br />

nur einen Funken der Glaubwürdigkeit<br />

bewahren wollen, die sie als<br />

Mitwirkende an einem wie immer<br />

gearteten Friedensprozess noch<br />

besitzen – aufhören sollten, Israel zu<br />

dämonisieren, während sie gleichzeitig<br />

allen Forderungen von<br />

Mahmoud Abbas‘ Palästinensischer<br />

Autonomiebehörde nachgeben.<br />

Dazu gehört auch der Einsatz von<br />

Terror, Terrordrohungen und Zahlungen<br />

für den Terrorismus. All diese<br />

Forderungen werden mit dem<br />

Einverständnis einer Organisation<br />

gemacht, die die Palästinenser<br />

schon vor Langem vereinnahmt<br />

haben: die UN.<br />

Es ist höchste Zeit, dass einer so<br />

gefährlichen Organisation der<br />

Geldhahn zugedreht wird. Wichtig<br />

befundene Organe, wie die Weltgesundheitsorganisation,<br />

können<br />

separat finanziert werden.<br />

Pierre Rehov ist Kriegsreporter, Dokumentarfilmemacher<br />

und Schriftsteller.<br />

Sein letzter Film „Unveiling Jerusalem“<br />

den er für den israelischen Sender<br />

Channel One produzierte, wird bald in<br />

englischsprachigen<br />

Ländern<br />

erscheinen.<br />

Auf Englisch<br />

zuerst<br />

erschienen<br />

bei Gatestone<br />

Institute.<br />

42


Der Israelsonntag in der Evangelischen Kirche -<br />

Wie in EKD-Gemeinden gegen Israel agitiert wird<br />

von Anne-Marie Cejp<br />

Der Israelsonntag (früher Judensonntag)<br />

ist ein Sonntag im Kirchenjahr<br />

der Evangelischen Kirche in<br />

Deutschland (EKD), der das Verhältnis<br />

von Christen und Juden zum<br />

Thema hat. Er wird am zehnten<br />

Sonntag nach Trinitatis – das ist in<br />

der Regel im August – begangen.<br />

Schon seit dem Mittelalter wird in der<br />

Kirche der so genannte Judensonntag<br />

begangen, der die Intention<br />

hatte, störrische Juden zum Christentum<br />

bekehren zu wollen. Im<br />

Verlauf des Luther-Jubiläums wurde<br />

dieses Thema ausgiebig behandelt,<br />

und es gab Stimmen, die besagten,<br />

dass Martin Luthers Traktat „Von den<br />

Juden und ihren Lügen“ keine<br />

Glanzleistung von ihm war, ja es<br />

wurde sogar verurteilt.<br />

Diesen Judensonntag gab es bis in<br />

die 1960er Jahre, bis es auffiel, dass<br />

der Begriff „Jude“ einen unangenehmen<br />

Beigeschmack hatte – immerhin<br />

waren 6 Millionen Juden unter<br />

bestialischen Umständen weniger<br />

als eine Generation zuvor von<br />

Deutschen umgebracht worden. So<br />

gab es den löblichen Vorsatz, diesen<br />

Sonntag umzubenennen und<br />

inhaltlich weiterzuentwickeln. Der<br />

Judensonntag wurde in „Israelsonntag“<br />

umbenannt und hatte nun die<br />

Absicht „ein theologisches Verständnis<br />

des Judentums zu gewinnen, das<br />

frei von Antijudaismus und Antisemitismus<br />

ist“.<br />

Von Antiisraelismus war dabei nicht<br />

die Rede, und so ist es verständlich,<br />

dass dieser Tag auch ausgiebig dazu<br />

genutzt wird „Kritik an Israel“ zu<br />

betreiben, denn es ist ja schließlich<br />

der Israelsonntag. Ja, ein ökumenischer<br />

Gesprächskreis rief im Jahr<br />

2015 sogar dazu auf, über theologische<br />

Fragen hinaus auch dem<br />

Verhältnis zwischen Israel und den<br />

„Palästinensern“ Beachtung zu<br />

schenken und „der arabischen<br />

Schicksale in Palästina zu gedenken“.<br />

In welchem Ausmaß die<br />

Empfehlung des Friedenskreises in<br />

deutschen Kirchen angenommen<br />

wurde, weiß ich nicht (und möchte<br />

es lieber nicht wissen). Im Gottesdienst<br />

unserer Kirchengemeinde am<br />

20. August 2017 wurde jedenfalls<br />

ausgiebig davon Gebrauch gemacht.<br />

Schnell kam der Prediger auf<br />

„...Israeli und Palästinenser…einer<br />

so schlimm wie der andere... die<br />

Mauer... israelische Menschenrechtsverletzungen<br />

…israelische<br />

Soldaten töten unschuldige Menschen…<br />

Terrorattentate sind auch<br />

schlimm…“ und so weiter – eigentlich<br />

alles, was man so oft hört und<br />

liest. Und da man es oft hört, muss<br />

ja etwas daran sein, wie mir manchmal<br />

im DDR-Staatsbürgerunterricht<br />

gesagt wurde, wenn ich als Einzelne<br />

eine andere Meinung als die<br />

vorgegebene kundtat.<br />

So rieselte die Predigt an mir<br />

vorüber, bis der Pfarrer verkündete,<br />

dass israelische Siedler den wasserarmen<br />

Boden Palästinas aufbohren<br />

und Wasser, das für die „palästinensische“<br />

Landwirtschaft bitter nötig<br />

wäre, in jüdische Siedlungen<br />

pumpen, um dort Blumenrabatte und<br />

Swimmingpools für sich zu bewässern.<br />

Nun gäbe es zum Thema<br />

Wasser in Israel viel zu sagen. Es ist<br />

bekannt, dass Israel mit seiner<br />

hervorragenden Wasserwirtschaft<br />

die komplette „palästinensische“<br />

Wasserversorgung gewährleistet,<br />

und es ist auch bekannt, dass Israel<br />

eines der führenden Länder auf der<br />

Welt auf dem Gebiet von Wasserrecycling,<br />

Meerwasserentsalzung und<br />

sparsamer Verwendung von Wasser<br />

ist und dieses Wissen an seine<br />

Nachbarländer weitergibt. Auf<br />

diesem Gebiet arbeiten sogar<br />

feindlich gesinnte arabischen<br />

Nachbarn mit Israel zusammen<br />

.<br />

Die Erwähnung des „Wasserraubs“<br />

schreckte mich auf. Zu oft ist er mir<br />

in den letzten paar Jahren begegnet.<br />

Vor genau einem Jahr (sollte es<br />

vielleicht ein staatlicher Beitrag zum<br />

Israelsonntag sein?) wurde in der<br />

„Tagesschau“ ohne jeglichen Anlass<br />

ein Beitrag gesendet, in dem<br />

berichtet wurde, wie Israelis „Palästinensern“<br />

Wasser vorenthalten. Der<br />

blinde Eifer der ARD ließ dabei in<br />

freudscher Weise den „beweisführenden“<br />

Hydrogeologen Clemens<br />

Messerschmid zu Clemens „Wasserschmid“<br />

mutieren. Der Wassermangel<br />

stellte sich als kurzfristige Folge<br />

eines Wasserrohrbruchs heraus,<br />

was die ARD halbherzig zugab.<br />

Entschuldigt hat sie sich nicht.<br />

In der israelischen Knesset ermahnte<br />

der jetzige SPD-Vorsitzende und<br />

Kanzlerkandidat Martin Schulz seine<br />

Gastgeber, die den „Palästinensern“<br />

angeblich nur 17 Liter Wasser täglich<br />

zur Verfügung stellten. Gleichzeitig<br />

räumte er jedoch ein, dass er die<br />

genauen Zahlen in Wirklichkeit nicht<br />

kenne.<br />

Ein Jahr später bestätigte er diese<br />

seine Haltung, nachdem der (schon<br />

lange nicht mehr legitimierte)<br />

Präsident der „Palästinenser“<br />

Machmud Abbas vor dem Europäischen<br />

Parlament gesprochen hatte.<br />

Diese Rede enthielt die Originallegende<br />

vom Juden als Brunnenvergifter.<br />

Abbas behauptete, dass Rabbiner<br />

vom israelischen Premierminister<br />

forderten, „palästinensische“<br />

Brunnen zu vergiften, um „Palästinenser“<br />

zu töten. Das Europaparlament<br />

samt seinem Vorsteher Martin<br />

Schulz war von der Rede so hingerissen,<br />

dass Ovationen kein Ende<br />

nahmen und Martin Schulz sich laut<br />

eigener Bekundung „inspiriert“ fühlte.<br />

Abbas hat diese Behauptung später<br />

zurückgenommen, aber in die Köpfe<br />

der Menschen war sie gelangt –<br />

ebenso wie die Predigt des evangelischen<br />

Pastors in die Köpfe der<br />

andächtig lauschenden Gottesdienstbesucher<br />

gelangt ist.<br />

Quelle:<br />

http://juedischerundschau.de/der-<br />

israelsonntag-in-der-evangelischen-kirche-<br />

135910967/<br />

43


Die Einheit von Juden und Nichtjuden<br />

Horst Krüger<br />

Manchmal führen wir völlig unnötige<br />

Diskussionen, obwohl in der Bibel<br />

bereits klare Aussagen vorliegen.<br />

Immer noch geistert die Frage durch<br />

den Raum: Müssen Juden, wenn sie<br />

sich zu Jesus als ihrem Messias bekehren,<br />

ihre jüdische Lebensweise<br />

aufgeben und sich voll in unsere<br />

nichtjüdischen Gemeinden integrieren?<br />

Zur Zeit von Paulus hieß es<br />

noch: Müssen Nichtjuden, wenn sie<br />

sich bekehren, Juden werden? Müssen<br />

sie sich beschneiden lassen und<br />

sich nach dem jüdischen Religionsgesetz<br />

richten? Paulus hat in einem<br />

Nebensatz, den wir offensichtlich gar<br />

nicht so deutlich wahrnehmen, diese<br />

Frage geklärt:<br />

1. Korinther 7,17-18: Doch wie der<br />

Herr einem jeden zugeteilt hat, wie<br />

Gott einen jeden berufen hat, so<br />

wandle er; und so verordne ich es in<br />

allen Gemeinden. Ist jemand beschnitten<br />

(als Jude) berufen worden,<br />

so bleibe er bei der Beschneidung<br />

(Jude); ist jemand unbeschnitten (als<br />

Nichtjude) berufen worden, so lasse<br />

er sich nicht beschneiden (so bleibe<br />

er Nichtjude).<br />

Kennen wir diese Regel in unseren<br />

Gemeinden? Die Fragen sind gar<br />

nicht so abwegig; denn zur<br />

Zeit des Römischen Reiches<br />

haben in der Tat zahlreiche<br />

Juden ihre völkische<br />

Zugehörigkeit durch chirurgische<br />

Eingriffe auszulöschen<br />

versucht. Ähnlich wie<br />

in der Hitlerzeit. Dadurch<br />

erhofften sie sich Erleichterungen<br />

für ihr tägliches Leben.<br />

Dann wiederum entschieden<br />

sich Nichtjuden für<br />

das Judentum, um jüdisch<br />

zu leben, bekannt unter der<br />

Bezeichnung Proselyten.<br />

Dafür gab es dann das Wort<br />

Beschneidung.<br />

Die Apostel und Ältesten in<br />

Jerusalem hatten mit Paulus<br />

und Barnabas auf dem Apostelkonzil<br />

Apg. 15 beschlossen,<br />

dass Christen aus den Nichtjuden<br />

sich, was die rituelle Seite betrifft,<br />

vor Götzendienst, sexueller Unreinheit,<br />

Blutgenuss und nicht ausgeblutetem<br />

Fleisch hüten sollten. Die<br />

Gemeinschaft des Neuen Bundes<br />

kennt keine Zurücksetzung zwischen<br />

Juden und Nichtjuden. Eine Herabwürdigung<br />

der Anderen darf nicht<br />

sein und steht im Widerspruch zum<br />

Evangelium! Das hat Paulus mehrfach<br />

in seinen Briefen betont. Paulus<br />

sieht darin, dass ein Gläubiger aus<br />

den Heiden zum Judentum übertritt,<br />

Gott auf das Judentum beschränkt,<br />

ihn sozusagen verkleinert und damit<br />

einen schwerwiegenden Irrtum begeht!<br />

Gott ist größer! Wenn Juden<br />

und Nichtjuden gemeinsam und in<br />

Respekt voreinander den Gott Israels<br />

anbeten, kann die Einzigartigkeit<br />

und Größe des lebendigen Gottes<br />

allen Menschen sichtbar werden<br />

(Röm. 3,28-30): Ist Gott etwa nur der<br />

Juden und nicht auch der Heiden<br />

Gott? Jawohl, auch der Heiden, so<br />

gewiss es nur einen einzigen Gott<br />

gibt, der die Beschnittenen (Juden)<br />

aus Glauben (aufgrund des Glaubens)<br />

und die Unbeschnittenen<br />

(Nichtjuden) durch den Glauben (infolge<br />

ihres Glaubens) rechtfertigen<br />

(gerecht sprechen, erlösen) wird.<br />

Nun ergibt sich die Frage: Sind<br />

nichtjüdische Christen jetzt Juden?<br />

In Gal 3,27-29 steht: Ihr alle, die ihr<br />

in (oder: für, oder: auf) Christus getauft<br />

worden seid, habt (damit)<br />

Christus angezogen. Da gibt es nun<br />

nicht mehr Juden und Griechen<br />

(Griechisch redende Heiden), nicht<br />

mehr Knechte und Freie, nicht mehr<br />

Mann und Frau: nein, ihr seid allesamt<br />

Einer (eine Einheit) in Christus<br />

Jesus. Wenn ihr Christus angehört,<br />

so seid ihr damit Abrahams Nachkommenschaft<br />

(Kinder), Erben gemäß<br />

der Verheißung. Interessant ist<br />

hier die Formulierung Mann und<br />

Frau, nicht Mann oder Frau, wie es<br />

meist übersetzt wird. Tatsächlich gebraucht<br />

Paulus das und und bleibt<br />

damit in der biblischen Tradition!<br />

Mann und Frau. In jener Zeit hatten<br />

Taufe und Christus einen anderen<br />

Klang als heute bei uns. Taufe, Untertauchen<br />

war ein jüdisches religiöses<br />

Element. Wer Jude wurde oder<br />

im Namen von Jesus Christus getauft<br />

wurde, bekannte sich zum Gott<br />

Israels. Dieser Vorgang war unter<br />

Heiden unüblich. Nach Paulus wurde<br />

der griechische Mann, die griechische<br />

Frau in realer Weise ein Kind,<br />

ein Miterbe Abrahams. Der äußere<br />

Unterschied zwischen Juden und<br />

Nichtjuden, Mann und Frau war zwar<br />

vorhanden, aber es gab keine Diskriminierung,<br />

Bevorzugung oder Zurücksetzung.<br />

Nichtjüdische Gläubige<br />

sind nicht Juden! Aber Kinder, Same,<br />

Abrahams, um es mit Paulus biblisch<br />

zu sagen! Sie gehören zum Reich<br />

Gottes und sind bei all ihrer Unterschiedlichkeit<br />

eins mit Israel durch<br />

Jesus Christus (Eph 2,12). Gottes<br />

Volk, Erben nach der Verheißung.<br />

Fazit: Wir bleiben bei dem, was Paulus<br />

im 1. Korintherbrief geschrieben<br />

hat. Beten wir auch dafür, dass Juden<br />

in die Gemeinden der Nichtjuden<br />

kommen und sich dort glücklich<br />

fühlen, weil sie voll akzeptiert<br />

sind. Das wäre das eigentliche Urbild,<br />

so wie Paulus es in seinen Gemeinden<br />

kannte.<br />

44


Themen des 7. Israelfreundestages<br />

Das Königreich Gottes<br />

„Israel, der Messias und das Königreich Gottes“<br />

Alyosha Ryabinov<br />

Die Botschaft des Reiches Gottes<br />

war die Hauptbotschaft von Jeschua.<br />

Er begann seinen Dienst mit dieser<br />

Botschaft (Mt. 4:17, Lukas 4:43).<br />

Nachdem er gekreuzigt worden war<br />

und von den Toten auferstand, fuhr<br />

er in den 40 Tage die er mit seinen<br />

Jüngern verbrachte, mit dieser Botschaft<br />

fort.<br />

Auch seine Schüler, die Jünger, verkündeten<br />

diese Botschaft bis zum<br />

Ende ihres Dienstes. Der allerletzte<br />

Vers des letzten Kapitels der Apostelgeschichte<br />

spricht über Paulus,<br />

der in einem gemieteten Haus in<br />

Rom Menschen empfängt und mit<br />

ihnen über das Reich Gottes spricht.<br />

"Paulus blieb zwei volle Jahre in der<br />

von ihm gemieteten Wohnung und<br />

durfte dort so viele Besucher empfangen,<br />

wie er wollte. 31 Er verkündete<br />

ihnen die Botschaft vom Reich<br />

Gottes und lehrte sie alles über Jesus<br />

Christus, den Herrn. Er tat es<br />

frei und offen und wurde von niemand<br />

daran gehindert". Apgesch.<br />

28, 30+ 31(NGÜ)<br />

Mehrere Stellen in der Apostelgeschichte<br />

deuten darauf hin, dass das<br />

Königreich auf Erden bereits in der<br />

Vergangenheit existierte. Apostelgeschichte<br />

19,21 spricht über die Wiederherstellung<br />

aller Dinge, die von<br />

den Propheten der alten Zeit gesprochen<br />

wurden. Dieses Wort: "Wiederherstellung",<br />

erscheint in Vers 6 von<br />

Kapitel 1 der Apostelgeschichte. Die<br />

Jünger fragten Yeshua, ob dies nun<br />

die Zeit sei, dass er das Königreich<br />

Israel "zurückgeben" werde. Was<br />

bedeutet Wiederherstellung? Es gab<br />

etwas in der Vergangenheit, es ist<br />

kaputt gegangen und es<br />

kommt zurück.<br />

Im Vater-unser- Gebet, das Yeshua<br />

seine Jünger lehrte, gibt es eine Zeile:<br />

"Dein Reich komme, dein Wille<br />

geschehe im Himmel, wie auf Erden".<br />

Und jetzt beginnen wir zu sehen,<br />

dass das Reich Gottes nicht nur<br />

eine zukünftige Realität ist, sondern<br />

es existierte auch in der Vergangenheit<br />

auf der Erde. Wann gab es das<br />

Königreich auf Erden? Es scheint,<br />

als hätte es das Königreich zumindest<br />

schon zweimal auf der Erde gegeben.<br />

Das erste Mal, dass das Königreich<br />

existierte, war im Garten Eden. Gott<br />

schuf die Menschheit, dann pflanzte<br />

er den Garten und übergab ihn an<br />

den Menschen. Dabei wurde ihm<br />

alles anvertraut. Jedoch gab es im<br />

Garten etwas, das nicht unter<br />

seine Zuständigkeit gehörte: den<br />

Baum der Erkenntnis von Gut und<br />

Böse. An diesem Geschehen um<br />

den Baum wird eines offensichtlich.<br />

In dieser Zeitspanne der Menschheitsgeschichte,<br />

in der dem Menschen<br />

der Garten Eden anvertraut<br />

war, herrschte Jemand über ihn. Und<br />

dieser Jemand war Gott.<br />

Im Garten galt Gottes Autorität und<br />

Seine Hoheit der Königsherrschaft,<br />

die vom Menschen nicht mehr akzeptiert<br />

wurde und er handelte IHM<br />

zuwider. Nachdem er von diesem<br />

verbotenen Baum gegessen hatte,<br />

wurde er wie Gott, indem er Gutes<br />

und Böses erkannte.<br />

So fing Gott an, sein Reich durch<br />

Menschen wie Abraham, Isaak und<br />

Jakob wieder aufzubauen. Als Israel<br />

aus Ägypten verschleppt wurde,<br />

wurde es eine Nation. Und am Berg<br />

Sinai wurde Israel ein Königreich,<br />

das einzige Königreich auf Erden,<br />

das Gott als König hatte.<br />

Indem wir die Prinzipien erlernen,<br />

wie Gott diese zwei alten Königreiche<br />

aufgebaut hat, können wir lernen,<br />

was er jetzt tut, um sein Königreich<br />

auf Erden wiederherzustellen.<br />

„Die vier Bereiche der<br />

Botschaft vom Königreich“<br />

nach Jesaja 52.7<br />

Es gibt einen Unterschied zwischen<br />

dem Evangelium des Königreichs<br />

und dem Evangelium der Erlösung.<br />

In Matthäus 24,14 heißt es: "Und<br />

dieses Evangelium des Reiches wird<br />

in der ganzen Welt als ein Zeugnis<br />

allen Nationen verkündet werden,<br />

und dann wird das Ende kommen.“<br />

Obwohl die Formulierung: "Evangelium<br />

der Erlösung/ Errettung" in der<br />

Schrift mindestens einmal steht<br />

(z. B. im Epheser 1,13), spricht die<br />

Schrift hauptsächlich über das<br />

"Evangelium des Königreiches". Der<br />

Prophet Jesaja erwähnt 4 Bereiche<br />

im Evangelium des Königreiches<br />

(Jesaja 52,7).<br />

Die Erlösung ist einer der vier Bereiche,<br />

aber es gibt drei weitere sehr<br />

wichtige Bereiche, die zeigen, dass<br />

das Evangelium des Königreichs ohne<br />

Wiederherstellung dieser drei Bereiche<br />

nicht vorangebracht werden<br />

kann. Wenn man diese Bereiche versteht,<br />

kann man sehen, dass die Botschaft<br />

der Wiederherstellung des<br />

Königreichs nicht ohne die Wiederherstellung<br />

der Nation Israel erreicht<br />

werden kann. Wir leben in der heutigen<br />

Zeit, wo es eine große Kluft zwischen<br />

der Kirche und Israel gibt.<br />

Gott hat allen Nationen sein Königreich<br />

verheißen, aber wie ist ihre Beziehung<br />

/ Verhältnis zu Israel ?<br />

Eines der Hauptziele der Lehre über<br />

das Reich Gottes ist es, einem Mann<br />

oder einer Frau, die durch Jeschua,<br />

den Messias, in Gottes Reich eingetreten<br />

sind, dabei zu helfen, zwei<br />

Dinge zu verstehen:<br />

1. Die wahre Identität in Gott und<br />

ihre Berufung erkennen.<br />

2. Und wie dieser Ruf sie mit Israel<br />

verbindet, damit die Botschaft des<br />

Königreichs vorangebracht werden<br />

kann.<br />

45


Antisemitismus in neuer Gestalt - Gefahren erkennen - Stellung beziehen -<br />

Verantwortung übernehmen<br />

Warum toben die Nationen und murren die Völker gegenwärtig?<br />

Jurek Schulz<br />

Offensichtlich muss auch für den Vatikan<br />

Jerusalem geteilt bleiben, bis<br />

eine Lösung gefunden wird.<br />

So kam es weltweit in etlichen Ländern<br />

in den Dezemberwochen 2017<br />

zu Anti-Israel-Demonstrationen.<br />

Doch nicht nur Israelfahnen wurden<br />

verbrannt. Sondern auch jüdische<br />

Einrichtungen wurden massiv bedroht<br />

und fühlen sich nicht mehr sicher.<br />

Kleine jüdische Kinder mussten<br />

den Hass des Antisemitismus erleben,<br />

indem sie bespuckt und geschlagen<br />

wurden. Oder wie in Berlin<br />

und anderen Städten erlebt die jüdische<br />

Fußballmannschaft TuS Makkabi<br />

einen gemeinen „Judenhass“.<br />

Graffiti an einer Hamburger Schule, Herbst 2017, Aufnahme privat<br />

Bei diesem Thema müssten wir eigentlich<br />

die verschiedensten Bereiche<br />

aufdecken, darstellen und benennen,<br />

wo Juden oder der Staat<br />

Israel unverhältnismäßig diffamiert,<br />

isoliert, boykottiert und bedroht werden.<br />

Jedoch aufgrund der Kürze des<br />

Platzes und der Zeit möchte ich nur<br />

die jüngsten Ereignisse als Orientierung<br />

knapp erwähnen. Dann möchte<br />

ich aufzeigen, wie wir Stellung beziehen<br />

können, und ermutigen, als<br />

Staatsbürger und Gläubige in einer<br />

Demokratie Verantwortung zu übernehmen.<br />

1. Der 6. Dezember 2017 markiert<br />

eine neue offizielle Sichtweise auf<br />

den Nahen Osten durch die USA.<br />

Denn der amerikanische Präsident<br />

Donald Trump hat offiziell Jerusalem<br />

als die Hauptstadt Israels anerkannt.<br />

An sich ist das ja nichts Schlechtes.<br />

Doch unmittelbar nach dieser Verlautbarung<br />

hat der türkische Staatspräsident<br />

Recep Tayyip Erdogan einen<br />

Sondergipfel der „Organisation<br />

für Islamische Kooperation (OIC)“,<br />

deren Vorsitz er zurzeit hat, einberufen.<br />

Die OIC umfasst 57 Staaten.<br />

Davon haben 55 Staaten bis zum<br />

heutigen Tag den Staat Israel nicht<br />

anerkannt. Am Mittwoch, den 13.<br />

Dezember 2017, ertönte es dann<br />

aus Istanbul in einer Erklärung: „(…)<br />

Von hier aus lade ich alle Länder, die<br />

für internationales Recht und Gerechtigkeit<br />

eintreten, dazu ein, Jerusalem<br />

als die besetzte Hauptstadt<br />

des palästinensischen Staates anzuerkennen.“<br />

Drohend kann die Welt<br />

es hören und lesen, dass die Entscheidung<br />

der USA ein „äußerst falscher,<br />

provokativer und rechtswidriger<br />

Schritt“ ist, so der Präsident Erdogan<br />

und fügt fast drohend im Namen<br />

der OIC hinzu: „(…) Jerusalem ist<br />

unsere rote Linie.“<br />

Doch nicht nur aus der islamischen<br />

Welt ertönen Drohgebärden. Die gesamte<br />

Welt scheint nach der Entscheidung<br />

der USA in Aufruhr zu geraten,<br />

so dass eine Dringlichkeitssitzung,<br />

wie etwa der UN, der Arabischen<br />

Liga und anderer Weltorganisationen,<br />

die andere jagt. Alle üben<br />

heftigste Kritik. Ja, sogar der eher<br />

um Neutralität bemühte Vatikan hat<br />

sich eingeschaltet. Papst Franziskus<br />

sieht in der Anerkennung Jerusalems<br />

als Hauptstadt Israels eine<br />

„schlechte Idee“, welche dem „Status<br />

laut Völkerrecht“ zuwiderläuft.<br />

Heutzutage gibt es kaum Menschen,<br />

die sich als Antisemiten bezeichnen<br />

würden. Doch in der einseitigen „Israelkritik“<br />

und der meist verzerrten<br />

und verlogenen Darstellung der tatsächlichen<br />

Sachverhalte um Israel<br />

wird eine Form von Antisemitismus<br />

betrieben, die weitaus gefährlicher<br />

ist als alles bisher Dagewesene.<br />

Denn damals lief der Antisemit in<br />

Holzschuhen und war schon von weitem<br />

zu hören. Heute läuft er fast lautlos<br />

in flauschigen Samtschuhen und<br />

ist nicht mehr sofort als Juden- und<br />

Israelhasser auszumachen.<br />

2. Bevor wir Stellung beziehen, müssen<br />

wir uns mit den Details des Themas<br />

beschäftigen. Das macht Arbeit,<br />

das kostet Kraft, das verbraucht unsere<br />

Zeit. Doch ist es wesentlich,<br />

mehr Hintergrundinformationen über<br />

einen Sachverhalt zu bekommen.<br />

Hierzu dienen seriöse Zeitungen und<br />

gute Internetseiten. Ebenso sind<br />

manche TV-Sender mit zahlreichen<br />

Dokumentationen hilfreich. Einiges<br />

werde ich auch im Seminar empfehlen.<br />

Kehren wir zum Thema Jerusalem<br />

zurück. Warum toben jetzt die<br />

Völker nach Trumps Erklärung? Bereits<br />

am 6. April 2017 hatte Russland<br />

Westjerusalem als die Hauptstadt<br />

Israels anerkannt. Niemanden hatte<br />

46


es gestört, niemand hatte sich aufgeregt.<br />

Warum also jetzt die weltweiten<br />

Demonstrationen? Oder fragen<br />

wir uns: Von welchem Völkerecht<br />

spricht der Vatikan? Die UN hatte<br />

durch die Kriegswirren Jerusalem<br />

geteilt. Für Juden war der Zugang<br />

zur ehemaligen jüdischen Altstadt<br />

und zur Klagemauer 19 Jahre lang<br />

verboten. Es war jordanisches Gebiet,<br />

denn es gab bis dato kein Palästina.<br />

Als Israel 1967 den Ostteil<br />

der Stadt eroberte, annektierten sie<br />

diese Gebiete und erklärten 1980<br />

Jerusalem zur ungeteilten Hauptstadt<br />

Israels. Um Jordanien entgegenzukommen,<br />

erklärte sich Israel<br />

bereit, Jordanien die Verwaltung des<br />

Tempelberges mitsamt der Tempelmoschee<br />

und der Al-Aksa-Moschee<br />

zu überlassen. Das bedeutet, sollte<br />

die zwei Staatenlösung umgesetzt<br />

werden, dürfen Juden erneut nicht<br />

mehr an ihrer heiligsten Stätte beten,<br />

denn sie müsste Jordanien zurückgegeben<br />

werden.<br />

Bisher hat Israel die Zwei-Staaten-<br />

Lösung kritisch betrachtet, nun haben<br />

sich die USA dem angeschlossen<br />

und betrachten sie ebenso kritisch,<br />

wie es in ihrer Erklärung heißt.<br />

Doch Russland hält an der Zwei-<br />

Staaten-Lösung fest, wie es in der<br />

Definition „West-Jerusalem“ zum Ausdruck<br />

kommt. Daher hatte sich kei-<br />

ner aufgeregt und alle Nationen waren<br />

in ihrem gemeinsamen Konsens<br />

zufrieden.<br />

3. Heute ist jeder persönlich herausgefordert,<br />

den Mund aufzumachen.<br />

Jeder kann in seinem eigenen Rahmen<br />

jede Form der Einseitigkeit zu<br />

Lasten Israels mündlich oder schriftlich<br />

deutlich machen. Ebenso öffentliche<br />

Leserbriefe schreiben oder bei<br />

unsachgemäßer Berichtserstattung<br />

im Fernsehen dies den Redaktionen<br />

mitteilen. Nur durch eine schweigende<br />

Mehrheit kann sich das Gift des<br />

Judenhasses durch eine Minderheit<br />

verbreiten. Wehren wir uns!<br />

70 Jahre Israel - Warum diese Zahl so<br />

symbolisch ist<br />

Br. Uwe Seppmann<br />

Wenn wir die hebräische Bibel aufschlagen,<br />

werden wir oft mit langen<br />

Namenslisten und Zeitangaben konfrontiert.<br />

Mancher Leser, der sich<br />

vielleicht das erste Mal an einen biblischen<br />

Text wagt, schlägt das Buch<br />

resigniert zu.<br />

Das gleiche erleben wir in den biblischen<br />

Zeitspannen – da ist die “1”,<br />

die “3”, die “40” und die “70” die uns<br />

etwas verdeutlichen will.<br />

Herzliche Einladung<br />

zur Entdeckung!<br />

Wozu dieser l a n g weilige Kram?<br />

Geübte Bibelleser erkennen Zusammenhänge,<br />

merken, dass es auf ein<br />

Ziel hinausgeht – auf Gottes Zielpunkt.<br />

Und dann kommt plötzlich für<br />

sprachinteressierte noch ein weiterer<br />

Aspekt hinzu: Die Namen haben Bedeutung,<br />

sind Programm!<br />

„Israel wird 70", Lea M. Dierks<br />

47


Wann und wie mit Kindern in Deutschland<br />

interkulturell zur Shoa arbeiten<br />

Neue Möglichkeiten für Erziehende,<br />

Eltern/Großeltern, Lehrkräfte an<br />

Grundschulen, Kitas und in christlichen<br />

und jüdischen Gemeinden<br />

durch den Kinderfilm 'Chika, die<br />

Hündin aus dem Ghetto!'<br />

Die letzten Zeitzeugen sind heute<br />

sehr betagt. Sie werden bald nicht<br />

mehr unter uns sein. Wie können wir<br />

mit Kindern und jungen Leuten an<br />

den Holocaust erinnern, daraus lernen<br />

und dabei authentisch bleiben?<br />

Welche Relevanz hat die jüdische<br />

Erfahrung in Europa heute noch für<br />

uns? Vor 80 Jahren flüchteten hunderttausende<br />

Juden aus Europa.<br />

Wer nicht herauskam, wurde interniert<br />

und ermordet. Das NS-<br />

Terrorregime errichtete KZ-Lager im<br />

Deutschen Reich und im besetzten<br />

Ausland sowie Todeslager in Polen.<br />

Zum Ende des Krieges waren die<br />

deutschen und viele europäische<br />

Städte zerstört. Hunderttausende<br />

Deutsche waren auf der Flucht aus<br />

dem Osten. Juden überlebten selten<br />

und mussten auch nach 1945 vor<br />

Pogromen (in Polen) fliehen. Als Heimat<br />

der heimatlos gewordenen Diaspora<br />

entstand 1948 der Staat Israel<br />

im Nahen Osten. Nun kommen im<br />

21. Jahrhundert aus den Brennpunkten<br />

dieser Erde' weltweit Wandernde<br />

nach Europa (oft islamisch geprägte<br />

Flüchtende), besonders gern nach<br />

Deutschland! Das löst Krisen aus!<br />

Junge Menschen sind unsere Zukunft.<br />

Wie wollen wir hier in Zukunft<br />

miteinander umgehen (lernen)? Wir<br />

alle entwickeln eine zukunftsorientierte<br />

Gesellschaft als verantwortliche<br />

Gestalter/Gestalterinnen!!<br />

Im Seminar wird der kindgerechte<br />

Film ‚Chika' (6-12 Jahre) zum Thema<br />

Shoa/Ghetto vorgestellt und didaktisch<br />

aufbereitet. Der Film ist ein Novum<br />

und bietet immense Möglichkeiten<br />

um a) mit herkunfts-deutschen<br />

Kindern, b) mit Kindern mit Migrationshintergrund<br />

und Flüchtlingskindern<br />

und c) in präventiver Arbeit mit<br />

muslimischen Kindern interkulturell<br />

und integrativ zu arbeiten. Er bietet<br />

zudem ein Identifikationsangebot für<br />

muslimische Kinder, die selbst Verfolgung<br />

erlebten und kann dabei helfen<br />

diese jungen Menschen gegen<br />

Judenfeindschaft fit zu machen!<br />

Der Film gibt Kindern die Möglichkeit,<br />

eigene Erfahrungen von<br />

Verfolgung, Krieg, Verlust und Tod<br />

von Angehörigen zu verarbeiten.<br />

Das macht sie sicherer im Umgang<br />

und hilft Vorurteile abzubauen.<br />

PädagogInnen sind aufgerufen, ihre<br />

Unterrichtserfahrung zur Umsetzung<br />

des Konzepts einzubringen!<br />

Chika, die Hündin aus dem<br />

Ghetto<br />

In der Geschichte geht es um Abschiede<br />

und Trennungen, denen ein<br />

Kind ausgesetzt ist. Durch die Beziehung<br />

zwischen dem Jungen und<br />

dem Tier gelingt den jungen ZuschauerInnen<br />

die Identifikation auf<br />

ganz persönlicher Ebene. Die Autorin<br />

entwickelt die psychologisch sensiblen<br />

Momente in der Erzählung<br />

und vermittelt kindgerecht die Zusammenhänge<br />

zur Judenverfolgung<br />

und Shoa. Da Kinder in der Altersgruppe<br />

6-12 Jahre noch nicht über<br />

ein geschlossenes historisches Bewusstsein<br />

verfügen, sind sie grundsätzlich<br />

über die emotionale Identifikation<br />

mit den Protagonisten bereit,<br />

sich auf die ebenfalls für Erwachsene<br />

schwierige und schwer zu<br />

vermittelnde Thematik der<br />

Shoa einzulassen.<br />

„Wir müssen über uns hinausdenken!"<br />

– der Film wurde aufgrund privater<br />

Initiative des Referenten Frank<br />

Scheerer – nach einer schweren Tumorerkrankung<br />

– ins Leben gerufen.<br />

Kontakte zwischen der Autorin aus<br />

Israel und der Filmproduktionsfirma<br />

aus Hamburg wurden etabliert. Der<br />

Referent hatte wiederholt – mit Erfolg<br />

– in Berlin bei Parteien und Stiftungen<br />

dafür geworben, den Film<br />

finanziell zu unterstützen. Mittlerweile<br />

hat ‚Chika' Preise auf internationalen<br />

Kurzfilmfestivals gewonnen. Die<br />

Deutsche Film- und Medienbewertung<br />

verlieh dem Film das Prädikat<br />

‚Besonders wertvoll'!<br />

Batsheva Dagan, Premiere<br />

„Chika“/Wismar 05/2015<br />

Die Filmproduktionsfirma Trikk17<br />

aus HH-Eimsbüttel ist renommiert<br />

und hat u.a. den Grimmepreis (Tomte<br />

Tumetott) gewonnen. Trikk17 ist<br />

auf Kinder- und Werbefilme mit Stop-<br />

Motion-Technik (animated movies)<br />

spezialisiert. Siehe auch das Official<br />

You Tube Video zur Welturaufführung<br />

im Filmbüro MV in Wismar vom<br />

Mai 2015. Es ist die Filmförderung<br />

Mecklenburg-Vorpommerns, dem<br />

Bundesland, aus dem das Drehbuch<br />

stammt. Die Autorin Batsheva Dagan<br />

kam extra aus Israel dazu!<br />

hier der link :<br />

https://www.youtube.com/watch?v=4<br />

PFfI6ayY5Y<br />

48


Wo war Gott während des Holocausts<br />

Luba Gohr, jüdisch-messianische Gemeinde, HH- “Adonai Zidkenu“<br />

Wenn wir über Holocaust nachdenken,<br />

müssen wir vorsichtig sein.<br />

Viele widersprechen dabei sich<br />

selbst, indem sie die Existenz des<br />

Herrschers des Universums leugnen,<br />

aber dennoch Ihm Vorwürfe<br />

machen. Andererseits gibt es die<br />

Versuchung zu behaupten, dass wir<br />

alles verstehen und erklären können:<br />

Juden haben gesündigt und Gott hat<br />

sie bestraft. Wir müssen aber die<br />

Worte des Propheten Jesaja<br />

berücksichtigen „Denn meine<br />

Gedanken sind nicht eure Gedanken“.<br />

Wir können nie ganz verstehen,<br />

was der Allmächtige macht und<br />

warum, aber wir dürfen auch nicht<br />

darauf verzichten, darüber<br />

nachzudenken, denn die Torah<br />

selbst gibt uns Schlüssel – nicht zum<br />

Verständnis, wie der Schöpfer die<br />

Welt regiert, aber zum Verständnis,<br />

wie wir uns verhalten sollen. Unsere<br />

Weisen sagen: Alles, was Gott tut,<br />

dient zu unserem Besten. Wenn Er<br />

uns bestraft, soll es der Widerherstellung<br />

dienen – der Widerherstellung<br />

unserer Seelen oder der<br />

ganzen Welt.<br />

Wenn die Prüfung als grausam<br />

erscheint - wie groß wird erst die<br />

Belohnung sein!<br />

Die furchtbaren Ereignisse der<br />

damaligen Zeit wurden Jahrtausende<br />

vorher in der Torah prophezeit.<br />

Auch Propheten sahen die Zukunft<br />

ihres Volkes für viele Generationen<br />

im Voraus, und die Katastrophe blieb<br />

ihnen nicht verborgen. Gleichzeitig<br />

mit der Katastrophe wurden in der<br />

Bibel die Wege der Errettung und<br />

der Vergeltung den Henkern prophezeit.<br />

In unserer Arbeitsgruppe werden wir<br />

uns mit Bibeltexten befassen und<br />

ihren Auslegungen durch jüdische<br />

Weise, die Jahrhunderte vor dem<br />

Holocaust diese schlimmen Zeiten in<br />

der Torah sehen konnten. Und die<br />

ganz wichtige Frage, mit der wir uns<br />

zum Schluss befassen werden, ist:<br />

Was können wir tun, damit die<br />

Katastrophe nicht noch mal passiert?<br />

Was hat der Holocaust heute noch mit mir zu tun?<br />

Aufarbeitung meiner Familiengeschichte, meine Fragen zur Seelsorge<br />

Workshop von Hinrich und Elke Kaasmann<br />

Christen – so lehrt die Erfahrung -<br />

können innerhalb ihrer Familiengeschichte<br />

mit immer wiederkehrenden<br />

Tragödien oder Krankheitsmustern zu<br />

kämpfen haben, obwohl sie bereits für<br />

persönliche Schuld Buße getan und<br />

Vergebung empfangen haben.<br />

Bei der Mitarbeit im Team von<br />

Christoph und Utta Häselbarth und<br />

bei Seminaren mit John und Paula<br />

Sandford haben wir überwältigend<br />

erlebt, wie solche Christen Heilung<br />

empfingen und frei wurden. John<br />

Sandford schreibt: „Wir und andere<br />

Seelsorger in Christus haben<br />

herausgefunden, dass oft Vernichtung<br />

im Leben von Menschen wütet,<br />

obgleich sie durch nichts in ihnen<br />

mehr ausgelöst wird. Dann erkennen<br />

wir, dass Sünde der Vorfahren der<br />

Grund dafür sein kann.“<br />

Christoph Häselbarth sagt, dass die<br />

Ursache für ein Problem, das nicht<br />

durch „normale“ Seelsorge gelöst<br />

werden kann, oft in der Schuld der<br />

Vorfahren liegt. Christoph spricht<br />

dann von „nicht bereinigten Sünden<br />

und Flüchen der Vorfahren“. Oftmals<br />

geschehen Krankenheilungen erst,<br />

wenn Sünden der Vorfahren detailliert<br />

vor GOTT und Zeugen bekannt<br />

worden sind.<br />

Christoph berichtet von einem Mann,<br />

der an sehr starken Schmerzen in<br />

seiner rechten Schulter litt. Nachdem<br />

er die Schuld seines Vaters in der<br />

Nazizeit und dessen „Heil-Hitler-<br />

Arm“ bekannt und um Vergebung<br />

gebeten hatte, gebot Christoph dem<br />

Nazigeist, den Bruder zu verlassen.<br />

Nach dem Befreiungsgebet hatte er<br />

keine Schmerzen mehr.<br />

Wenn Vorfahren Sünden begangen<br />

und diese nicht vor Gott bereinigt<br />

haben, erhält die Sünde einen<br />

Raum, in dem sie sich sowohl auf<br />

die gegenwärtige Generation als<br />

auch auf zukünftige Generationen<br />

auswirken kann. Besonders gravierend<br />

bei uns Deutschen ist geistliche<br />

Belastung dort, wo Eltern, Großeltern<br />

oder Urgroßeltern durch den<br />

Nationalsozialismus schuldig<br />

geworden sind (oder z.B. in Okkultismus<br />

verstrickt waren). Bindungen<br />

durch noch nicht bekannte Eidesformeln<br />

der Väter, die im 3.Reich ja auf<br />

Hitler persönlich abgelegt wurden,<br />

können Jesus bekannt und dann<br />

gelöst werden.<br />

Häselbarths und Sanfords warnen<br />

aber davor, voreilige Schlüsse zu<br />

ziehen, da sich nicht jede Krankheit<br />

auf Sünden der Vorfahren zurückführen<br />

lässt.<br />

49


Übertragung kann geschehen durch<br />

genetische Vererbung und durch das<br />

Gesetz von Saat und Ernte. Auch die<br />

Vorbildfunktion der Eltern kann die<br />

Folgegeneration negativ prägen.<br />

Christoph Häselbarth sagt, Saat und<br />

Ernte seien ein göttliches Gesetz,<br />

dass sich wie das Gesetz der<br />

Schwerkraft erfüllt. So bringt der<br />

Samen der Sünde vielfältige,<br />

negative Frucht. Unser heutiges<br />

Verhalten kann somit die Ernte<br />

früherer Saat sein. Oft liegt ein<br />

längerer Zeitraum zwischen Saat<br />

und Ernte. So ernten wir heute das,<br />

was unsere Eltern, Großeltern und<br />

Urgroßeltern gesät haben (positiv<br />

und negativ)!<br />

2. Mose 20, 5–7: „ICH, der Herr, dein<br />

Gott, bin ein eifersüchtiger Gott, der<br />

die Schuld der Väter heimsucht an<br />

den Kindern, an der dritten und<br />

vierten Generation von denen, die<br />

mich hassen, der aber Gnade<br />

erweist an tausenden von Generationen<br />

von denen, die mich lieben und<br />

meine Gebote halten.“ Auch Jesus<br />

beschreibt dies im Gleichnis vom<br />

Sämann (Mk 4,1-20).<br />

Um die Folgewirkung vergangener<br />

Sünden zu beseitigen, gibt es die<br />

Möglichkeit eines Bußbekenntnisses<br />

(Daniel 9,8.15, Esra 9,7 und Nehemia<br />

9,2.)<br />

Vor Gott trägt jeder Sünder seine<br />

Schuld allein (Hes18, 20). Die<br />

Nachkommen sind zwar nicht<br />

schuldig (5. Mo 24,16), tragen aber<br />

die Auswirkungen von vergangenen<br />

Sünden. Wie können wir als Nachfahren<br />

davon gelöst werden?<br />

- Indem wir uns unter die begangenen<br />

Sünden stellen,<br />

- sie vor GOTT bekennen,<br />

- um Vergebung bitten, indem wir<br />

uns mit der Schuld der Vorfahren<br />

identifizieren:<br />

„Ich bin nicht besser als meine Väter<br />

– w i r haben gesündigt.“ (siehe<br />

Daniel 9,8.15, Esra 9,7 und Nehemia<br />

9,2.)<br />

Dadurch wird derjenige, der diese<br />

Schuld begangen hat, nicht frei, aber<br />

m e i n e Bindung daran wird gelöst.<br />

Meist reicht etwas Familienforschung<br />

aus, um wichtige „Altlasten“<br />

zu erkennen und dann im Gebet ans<br />

Kreuz JESU zu bringen. Wir bekennen<br />

GOTT diese Sünden und bitten<br />

um Vergebung.<br />

Der Seelsorger spricht dann die<br />

Vergebung nach 1. Joh 1,9 zu:<br />

„Wenn wir unsere Sünden bekennen,<br />

ist ER treu und gerecht, dass<br />

ER uns die Sünden vergibt, und<br />

ER uns reinigt von jeder Ungerechtigkeit.“<br />

Nach empfangener<br />

Vergebung spricht der Seelsorger<br />

den Segen zu, Joh 8,36:<br />

Wenn euch nun der Sohn frei<br />

macht, so seid ihr wirklich frei.<br />

Weiterführende Literatur<br />

Prince, Derek, Segen oder Fluch:<br />

Sie haben die Wahl;<br />

Verlag: Gottfried Bernard,. ISBN 10:<br />

3925968350, 10. Auflage, 12.2003<br />

Häselbarth, Christoph, Befreiung<br />

von Vorfahrenschuld und Wachstum<br />

im Glauben;<br />

Verlag Gottfried Bernard; ISBN: 978-<br />

3-925968-83-9; 4. Auflage, 10.2010<br />

Sandford, John u. Paula, Heilung<br />

für den verwundeten Geist;<br />

Asaph Verlag; ISBN: 978-3-940188-<br />

26-7 ; 1. Auflage 11.2010<br />

Zur Person:<br />

Hinrich (68) und Elke (65) Kaasmann<br />

sind 1993 von Gott in den<br />

Dienst an den Juden gerufen<br />

worden. Als Ehepaar leben sie<br />

Versöhnung vor dem Hintergrund<br />

der eigenen Familienbiographie<br />

sowohl als Leitung des deutschen<br />

„Ebenezer Hilfsfonds Deutschland<br />

e.V.“ und mehrerer Fürbittegruppen,<br />

sowie Hinrich als Vorstandsmitglied<br />

der „Freunde Yad Vashem in<br />

Deutschland e.V.“ Hinrichs Vater war<br />

Artillerieoffizier. Versöhnung zu den<br />

Völkern, die im Zweiten Weltkrieg<br />

von Deutschen angegriffen wurden,<br />

hat GOTT Hinrich aufs Herz gelegt.<br />

Elke und Hinrich sind seit 1994<br />

Mitglieder in der<br />

Christengemeinde Arche Alstertal in<br />

Hamburg.<br />

50


Arbeit der christlichen Israelfreunde<br />

Beispiele aus unseren Tätigkeitsbereichen<br />

Gruppenreise nach Israel<br />

Um ein Verständnis vom heutigen<br />

Israel zu vermitteln, sind uns Kontakte<br />

und Beziehungen zu Israelis<br />

wichtig.<br />

Dazu dienen zum einen unsere Israel<br />

Gruppenreisen, die Begegnungen<br />

mit Israelis als einen wesentlichen<br />

Schwerpunkt haben.<br />

So findet im Mai <strong>2018</strong> zum 70. Jahrestag<br />

der Gründung des Staates<br />

Israel erneut eine Reise<br />

statt. Auch beim<br />

aktuellen Reiseprogramm<br />

hatten wir vor<br />

einen Besuch beim<br />

orthodoxen Rabbiner<br />

Yehuda Bohrer in Bet -<br />

El zu unternehmen.<br />

Denn er ist Überlebender<br />

des Holocausts,<br />

Mitgründer einer neuen<br />

kleinen Stadt an<br />

historischer biblischer<br />

Stätte in Samaria, die<br />

in Europa als friedenshindernde<br />

"Siedlung"<br />

tituliert und stigmatisiert<br />

wird. Jedoch Dr.<br />

Bohrer verstarb am<br />

13.1.18.<br />

Sein Buch „Spuren<br />

des Höchsten in seinem<br />

Land“ zu biblischen<br />

Orten mit hochinteressanten<br />

Lehrimpulsen<br />

aus der jüdischen Glaubenswelt,<br />

haben wir vor einigen Jahren<br />

übersetzt und in Kooperation mit den<br />

sächsischen Israelfreunden für den<br />

deutschen Sprachraum verlegt.<br />

Dr. Yehuda Bohrer wurde in eine alte jüdische Familie in Gailingen am<br />

Oberrhein geboren. Sein Vater war Dr. Mordecai Bohrer, der im KZ Dachau<br />

umkam, während seine Familie 1940 noch nach Palästina entkommen<br />

konnte. Er selbst wuchs in Tel Aviv auf und studierte in Jerusalem an der<br />

Hebräischen Universität mit Abschluss Staatsexamen. Nach seinem<br />

Militärdienst erhielt er ein Stipendium an der Jeschiva University in New<br />

York und schloss dort seine Studien mit seiner Ordination als Rabbiner und<br />

einem Doktorat in Geschichte ab. Dort lernte er seine Frau kennen, mit der<br />

er 1971 nach Israel immigrierte. Während der nächsten 20 Jahre war er<br />

Dozent an der Hebräischen Universität in Tel Aviv für Jüdische Geschichte<br />

und Israel Studien. 1977 engagierte sich das Ehepaar bei der Neubesiedlung<br />

der Stadt Bet-EI und der Errichtung von Schulen, deren Begründer sie<br />

wurden. Gegenwärtig bekleidet Rabbi Bohrer das Amt des Bildungsleiters in<br />

Bet - EI. Rabbiner Dr. Yehuda Bohrer verstarb am Schabat, 13.1.18. Wir<br />

sind dankbar ihn kennen gelernt zu haben - ein Versöhner und uns ein<br />

Freund.<br />

51


Unsere Aktion zur BDS Kampagne „Boycott – Divestment - Sanctions“<br />

Was ist darunter zu verstehen?<br />

Dazu Rabbi J. Sacks:<br />

„Menschenrechte als Deckmantel für Antisemitismus"<br />

Mehr als 40.000 Klicks in einer Woche erhält der Rabbiner Jonathan<br />

Sacks mit seinem jüngsten Comic-Video. In dem Video-Clip bezieht er<br />

Stellung zur BDS-Kampagne. Kernaussage: Der Boykott ist falsch und<br />

gefährlich.<br />

Dazu mehr; siehe:<br />

https://www.israelnetz.com/gesellschaftkultur/gesellschaft/2017/03/24/menschenrechte-als-deckmantel-fuerantisemitismus/<br />

So entstand auf unseren Reisen<br />

auch der Kontakt zu Father Gabriel<br />

Naddaf, griech.- orthodoxer Priester<br />

in Nazareth. Der sich dann vertiefte,<br />

da wir seine Ausführungen "Prüft<br />

die Geister: ein christlicher Leitfaden<br />

zu den anti-israelischen Boykott-<br />

Bewegung (BDS )" für den<br />

deutschen Sprachraum herausgegeben<br />

haben.<br />

In dieser Schrift macht Gabriel Naddaf<br />

deutlich, dass er arabische, bzw.<br />

genauer, junge aramäische Christen,<br />

ermutigt, Wehrdienst in der israel.<br />

Jüdisches Grindelviertel<br />

Armee (IDF) abzuleisten. Da aus<br />

seiner Sicht der Staat Israel unterstützt<br />

werden muss, da er ihnen Religionsfreiheit<br />

und komfortables Leben<br />

ermöglicht.<br />

In jedem Nachbarstaat wäre ihr Leben<br />

bedroht.<br />

Fazit vieler Reiseteilnehmer ist immer<br />

wieder, dass sie Israel aus diesem<br />

Blickwinkel zuvor noch nicht<br />

kennen gelernt haben.<br />

Ein weiterer Schwerpunkt unserer<br />

Arbeit ist die Aufarbeitung<br />

unserer belasteten<br />

deutsch- jüdischen, bzw.<br />

christlich - jüdischen Geschichte.<br />

Der einwöchige<br />

Marsch des Lebens<br />

2015 von HH nach<br />

Kiel (S. 54) war dabei<br />

eine besondere<br />

Form des Gedenkens<br />

und Ehrens der Opfer,<br />

bzw. ihrer Nachkommen.<br />

Er sollte aber auch ein<br />

deutliches Zeichen gegen<br />

Antisemitismus und Anti-<br />

Israelismus setzen. Da es<br />

auch eine spezielle christlich<br />

- theologische Lehrvariante<br />

„Anti- Judaismus“<br />

gibt, laden wir zu diesem<br />

Thema gerne Referenten<br />

ein. So z. B. im April 2017 Prof. K.<br />

Wengst zum „500 Jahre - Reformationsjubiläum“,<br />

um auch da die dunkle<br />

Seite zu beleuchten. Weiterhin<br />

haben wir im letzten Jahr mit einer<br />

Reihe von verschiedenen "Führungen<br />

zum jüdischen Hamburg" begonnen.<br />

• „jüdisches Grindelviertel“<br />

• „jüdischer Friedhof Altona in der<br />

Königstraße“<br />

Jüdischer Friedhof , Altona in der Königstraße<br />

• „Auswanderung und Deportation“<br />

wird im Frühjahr <strong>2018</strong>, voraussichtlich<br />

am 28. April stattfinden,<br />

(bei Interesse bitte melden.)<br />

Der Flyer unserer Netzwerkarbeit<br />

der Israelfreunde Norddeutschlands<br />

liegt aus. Wer Interesse am „Freundeskreis<br />

der christlichen Israelfreunde“<br />

hat, möge sich melden.<br />

52


Wo sind wir mit unserem Anliegen präsent?<br />

Einige Beispiele unserer Spendenprojekte:<br />

• Unsere homepage:<br />

www.cindev.de<br />

• unser account auf facebook:<br />

unter „Michael Dierks“<br />

• unser YouTube Kanal für Audio-<br />

Vorträge: „Zions Freund“<br />

• 14 tägige aktuelle Israelinfos:<br />

Anmeldung für Verteiler des<br />

„Zions Freund“<br />

• großer Verteiler für Veranstaltungstermine<br />

zu Israel, bzw. Versöhnungsarbeit<br />

zwischen Christen u. Juden<br />

Ÿ<br />

Ÿ<br />

Gemeinde Israelkreis (GIK)<br />

übergemeindlicher Israelgebetskreis<br />

• Unterstützung „bedürftiger<br />

äthiop. Juden“ über Pastor Birlie<br />

Belay (Brille), der verschiedene<br />

messianisch-jüdische, äthiopische<br />

Gemeinden in Israel leitet. Für<br />

Juden, die in Gondar darauf warten,<br />

Aliya zu machen.<br />

• Versöhnungsarbeit von „Christa<br />

Behr“, Jerusalem<br />

• die besondere Lehr-Arbeit von<br />

„Johannes Gerloff“ Jerusalem<br />

• verschiedene „messianischjüdische<br />

Gemeinden in Israel“<br />

Ÿ<br />

Die Auslegung des Markusevangeliums<br />

in deutscher Sprache v.<br />

„Rabbi A. Blend“ verlegen.<br />

• „Holocaustüberlebende“<br />

• die „Arbeit des Vereins“ unter<br />

stützen.<br />

Bei Überweisungen bitte den<br />

jeweiligen Spendenzweck mit<br />

angeben. Kontodaten, siehe<br />

Impressum, S. 58<br />

Messianisches Leben und Lernen Hamburg e.V.<br />

Jüdische Auswanderung<br />

via Hamburg in die weite Welt (1840er - 1930er) + die Shoa<br />

Führung mit Frank Scheerer, Publizist + Museumspädagoge (ca. 3 Std.)<br />

Samstag, 28. April <strong>2018</strong> / 5778 ab 14 h<br />

Treffpunkt: Lohseplatz, ehemals Hannoverscher Bhf.<br />

(Nähe U-Hafencity Universität/U+S HH Hauptbahnhof)<br />

dann ab Alter Elbtunnel - linke Seite (nähe Touristeninfo)<br />

bis hinauf zum Großneumarkt<br />

Wir zeigen die Zusammenhänge zwischen Auswanderung und Shoa am historischen<br />

Orten in Hamburg auf und freuen uns aufs Wiedersehen - Lehitraoth<br />

53


Marsch des Lebens<br />

Was war unser Anliegen, den Marsch des Lebens im April 2015 zu organisieren<br />

und uns ein Jahr später an der Gedenkveranstaltung zu beteiligen?<br />

Eine persönliche Stellungnahme<br />

Weaver, Kulturphilosoph des 20.<br />

Jhd.: "Das Problem mit der Menschheit<br />

ist, dass sie vergisst, sich über<br />

die vorangegangenen Geschehnisse<br />

zu informieren."<br />

Und der Philosoph George Santanya<br />

stellt fest: "Wer sich nicht an die Vergangenheit<br />

erinnern kann, ist dazu<br />

verdammt, sie zu wiederholen."<br />

Wir waren eine Gruppe von Christen<br />

unterschiedlicher Konfessionen aus<br />

Hamburg und Schleswig -Holstein,<br />

die den Versöhnungsmarsch 70 Jahre,<br />

nachdem der historische Todes-<br />

Beim Marsch des Lebens, Hamburg- Norderstedt<br />

marsch stattfand, durchführten. Warum<br />

haben wir das gemacht, in einer<br />

Zeit, wo doch der Ruf immer lauter<br />

wird, das reicht doch endlich, wir haben<br />

doch heute wahrlich genug massive,<br />

aktuellere Probleme.<br />

Aber andererseits: Was sind 70<br />

Jahre bei einer so weitreichenden<br />

Tragödie mit geplantem<br />

Völkermord, in der "unser" historischer<br />

Marsch nur einen Mosaikstein<br />

ausmachte?<br />

In der Bibel wird von einem<br />

Mann namens Daniel geschrieben,<br />

dessen Haltung für uns<br />

bei der Vorbereitung dieses<br />

Marsches von besonderer Bedeutung<br />

war. Er identifiziert<br />

sich mit der Schuld seines Volkes<br />

und tritt vor Seinem Gott<br />

für ein Geschehen ein, dass<br />

ungefähr 70 Jahre zuvor stattgefunden<br />

hatte. Er beginnt<br />

sein Gebet mit den Worten :<br />

"Wir haben gesündigt ..." Er<br />

stellt sich also bewußt mit unter<br />

die Schuld seiner Vorfahren.<br />

Zweitens, aus philosophischer<br />

Sicht, z.B. Ein Wort v. Richard<br />

Drittens der historische Blick: In einer<br />

Dokumentation der Gedenkstätte<br />

Neuengamme heißt es über „Kola-Fu",<br />

eines der KZ-Außenlager, wo<br />

die Gefangenen mit dem Marsch<br />

starteten: "Insgesamt kamen in den<br />

Fuhlsbütteler Haftstätten zwischen<br />

1933 und 1945 annähernd 500 Frauen<br />

und Männer ums Leben." Und<br />

weiter heißt es: "Das am 4. September<br />

1933 eröffnete „Kola-Fu" genannte<br />

KZ Fuhlsbüttel, wurde innerhalb<br />

kürzester Zeit zu einer der berüchtigsten<br />

Terrorstätten im nationalsozialistischen<br />

Deutschland."<br />

Viertens der persönliche Zugang eines<br />

jeden von uns, die familiäre Verflechtung.<br />

Im folgenden 2 persönliche<br />

Beispiele aus meiner Familie:<br />

Mein Großvater war Berufssoldat<br />

und führte schon Agenten zur<br />

Kaiserzeit, im 1. Weltkrieg. Später<br />

war er unter Hitler in Hamburg, als<br />

Major, bzw. Hauptmann im militärischen<br />

Geheimdienst, der sogenannten<br />

"Abwehr" stationiert. In meiner<br />

Familie wurde über seine Tätigkeit<br />

geschwiegen. Er stand wie alle<br />

Wehrmachtsangehörigen unter Eid:<br />

„Ich schwöre bei Gott diesen heiligen<br />

Eid, dass ich dem Führer des Deutschen<br />

Reiches und Volkes, Adolf Hitler,<br />

dem Obersten Befehlshaber der<br />

Wehrmacht, unbedingten Gehorsam<br />

leisten und als tapferer Soldat bereit<br />

sein will, jederzeit für diesen Eid<br />

mein Leben einzusetzen." –<br />

Fassung des Eides vom 20. Juli 1935 (WIKI-<br />

PEDIA)<br />

54


Meine Mutter war im "Bund deutscher<br />

Mädchen" (BdM) und legte<br />

später als Lehrerin, wie alle Beamten,<br />

einen Eid auf Hitler ab: „Ein im<br />

deutschen Volk wurzelndes, von nationalsozialistischer<br />

Weltanschauung<br />

durchdrungenes Berufsbeamtentum,<br />

das dem Führer des Deutschen<br />

Reichs und Volkes, Adolf Hitler, in<br />

Treue verbunden ist, bildet einen<br />

Grundpfeiler des nationalsozialistischen<br />

Staates. Daher hat die<br />

Reichsregierung das folgende Gesetz<br />

beschlossen, das hiermit verkündet<br />

wird:<br />

Die besondere Verbundenheit mit<br />

Führer und Reich bekräftigt der Beamte<br />

mit folgendem Eide, den er bei<br />

Antritt seines ersten Dienstes<br />

zu leisten hat:<br />

‚Ich schwöre: Ich werde dem Führer<br />

des Deutschen Reiches und Volkes,<br />

Adolf Hitler, treu und gehorsam sein,<br />

die Gesetze beachten und meine<br />

Amtspflichten gewissenhaft erfüllen,<br />

so wahr mir Gott helfe.'<br />

Das Deutsche Beamtengesetz vom<br />

26. Januar 1937 (Wikipedia) (nur<br />

wenige Deutsche verweigerten diesen<br />

"Eid auf den Führer").“<br />

Wieviel Leid und Not ging von unserem<br />

Volk aus in die gesamte Welt<br />

und besonders gegen das jüdische<br />

Volk?!<br />

Dieses hat mich in meiner meiner<br />

Identitätssuche als junger Mensch<br />

sehr belastet.<br />

Wie sollte ich mit dieser Bürde umgehen?<br />

Zwei Juden sind mir dabei besonders<br />

hilfreich gewesen. Der eine lebte<br />

vor 2000 Jahren, IHN kennenzulernen,<br />

verschaffte mir Zugang zum<br />

Gott Israels.<br />

Und dann war für meinen Weg eine<br />

französische Jüdin wichtig, in deren<br />

norddeutscher Gemeinschaft ich<br />

nach meinem Sozialpädagogik-<br />

Studium drei prägende Jahre mitlebte.<br />

Sie war eine Holocaustüberlebende.<br />

Als Kind hat sie Mengeles<br />

medizinisches Folterprogramm<br />

durchlitten. Sie lehrte die jüdische<br />

Bibel.<br />

Sie lebte Versöhnung.<br />

Wir verstanden den Marsch 2015,<br />

und auch das Gedenken in diesem<br />

Jahr, als ein deutliches Zeichen gegen<br />

den modernen Antisemitismus<br />

und Fremdenhass in unseren Tagen<br />

und der Solidarität mit dem heutigen<br />

Staat Israel, dem wir uns als christliche.<br />

Israelfreunde besonders verbunden<br />

fühlen.<br />

Michael Dierks<br />

55


Die sächsischen Israelfreunde sind unserer älterer „großer Bruder“ in ihrem Einsatz für Israel. Für uns motivierendes<br />

Vorbild! Insbesondere ihr Arbeitszweig der praktischen ehrenamtlichen Handwerkerdienst - Reisen für<br />

Holocaustüberlebende. Ein Norddeutscher Israelfreund berichtet von seiner Teilnahme<br />

Helfen & Heilen<br />

Meine beiden Einsätze in 2017 mit<br />

dem Handwerkerdienst „Hände zum<br />

Leben“ von den Sächsischen<br />

Israelfreunden (SIF) waren ein<br />

echtes Erlebnis. Nachdem ich schon<br />

Gruppen-, Info- und Privatreisen in<br />

Israel erlebt habe, war diese Form<br />

eine echte Ergänzung, die Israelis im<br />

persönlichen Umfeld zu erleben. Es<br />

geht bei diesem Dienst nicht nur<br />

darum, die zum Teil stark renovierungsbedürftigen<br />

Wohnungen bzw.<br />

Häuser der Holocaustüberlebenden<br />

zu verschönern, sondern sich Zeit<br />

für die Bewohner zu nehmen und zu<br />

versuchen, durch geduldiges<br />

Zuhören und Gespräch verwundete<br />

Herzen zu heilen.<br />

Allein die Zusammensetzung der<br />

Gruppe u. Arbeitsteams bedeutet für<br />

die Verantwortlichen in Sachsen eine<br />

Menge Weisheit und Gebet, ihnen<br />

gilt meine Bewunderung. Da die<br />

optimale Besetzung einer Gruppe<br />

mit ausgebildeten Elektrikern,<br />

Klempnern, Maurern etc. offensichtlich<br />

nicht immer erreicht werden<br />

kann, sind auch handwerklich<br />

vorbelastete Heimwerker wie ich auf<br />

den Reisen zu finden. Die Einsatzdauer<br />

beträgt im Schnitt 2 Wochen,<br />

Start und Ende jeweils am Wochenende.<br />

Bei meinen Reisen im Jahr<br />

2017 hat sich der größte Teil der<br />

Gruppe, die aus 19 Personen<br />

bestand, in Berlin getroffen. Eine<br />

individuelle Anreise ist zwar möglich,<br />

man sollte dann aber auch eigenständig<br />

das Quartier in Givat Ye'arim<br />

(ca. 17 km vor Jerusalem) erreichen.<br />

Nach einem gemeinsamen Auftakt<br />

und Kennenlernen in Givat Ye'arim,<br />

bleibt ca. die Hälfte der Gruppe dort<br />

und jeweils 4 Personen fahren dann<br />

mit PKWs in Standorte im Norden<br />

und Süden Israels.<br />

Einsatzort & Baustellen<br />

In unserem Standort in Maor wurden<br />

die einzelnen Baustellen sehr gut<br />

von dem ortsansässigen Koordinator<br />

Henoch vorbereitet. Die Arbeiten auf<br />

den geplanten Baustellen hatte er für<br />

uns in einer Arbeitsmappe aufgelistet.<br />

Unser Tag begann mit gemeinsamen<br />

Singen und Austausch über den<br />

Römertext 9 -11, anschließend<br />

konnten wir das gemeinsam zubereitete<br />

Frühstück draußen vor dem<br />

Haus genießen.<br />

Am ersten Einsatztag in Maor haben<br />

wir den eigenen Garten auf „Vordermann“<br />

gebracht, bereits gepflanzte<br />

Bäume neu befestigt, drei neue<br />

Bäume gepflanzt, Wasserleitungen<br />

für die neuen Bäume verlegt etc.<br />

Am zweiten Tag fuhr Henoch mit uns<br />

in das Haus einer alten Dame Alisia,<br />

die gehbehindert in einem Rollstuhl<br />

saß und stundenweise eine Pflegerin<br />

brauchte. Nachdem sie uns über ihre<br />

Herkunft von Gadaffi erzählte, war<br />

zu entnehmen, das Libyen ihre<br />

frühere Heimat war. Ein Unfall führte<br />

zur Gehbehinderung und auch zu<br />

einem verkrüppelten Unterarm.<br />

Ihr Haus bestand im wesentlichen<br />

aus einem großen Zimmer, zu dem<br />

Küche, Wohnzimmer und Schlafecke<br />

gehörten. Der Gesamteindruck des<br />

Hauses war trotz der vielen Familienbilder<br />

und einem permanent<br />

laufenden Fernseher eher armselig.<br />

Hier verspachtelten u. malten wir an<br />

den nächsten Tagen die Wände u.<br />

Decken, erneuerten zum Teil<br />

Lampen, Schalter und Steckdosen.<br />

Vom Bad aus ging nur eine kleine<br />

Maueröffnung in einen Abstellraum,<br />

hier wurde in unserem Auftrag ein<br />

passendes Fenster eingesetzt um<br />

evtl. auch die in der Küche befindliche<br />

Mausefalle eines Tages einzusparen.<br />

Verpflegung & Selbstversorgung<br />

Das gute und umfangreiche Mittagessen<br />

wurde uns in einem Begegnungszentrum<br />

angeboten, zu dem<br />

Henoch durch die verschiedenen<br />

Arbeiten gute Kontakte aufgebaut<br />

hat. Für Frühstück (am Freitagmor-<br />

gen für die gesamte Gruppe) und für<br />

das Abendessen kauften wir dann<br />

noch gemeinsam in einem Supermarkt<br />

ein. Wichtig waren dem<br />

Kassenwart, für alle Ausgaben wie<br />

Lebensmittel, Baumaterialien,<br />

Benzin etc. die Belege zu haben und<br />

möglichst das Budget einzuhalten!<br />

Wochenendtouren<br />

Am Freitag und Samstag traf sich<br />

die Gruppe dann zu Ausflügen. Die<br />

Novembergruppe besuchte am<br />

ersten Freitag das Atlit Detention<br />

Camp (Museum) wo nach 1945<br />

sogenannte „illegal eingewanderte“<br />

Juden von den Engländern untergebracht<br />

wurden. Anschließend fand<br />

ein Picknick am Rande des Carmels<br />

statt, hier wurden die morgens<br />

zusammengestellten Speisen bei<br />

herrlichstem Novemberwetter<br />

verspeist. Danach ging es zum<br />

Baden ans Mittelmeer bzw. Einige<br />

wanderten auf dem Israel Trail ins<br />

Künstlerdorf „En Hod“. Zum umfangreichen<br />

Shabatessen trafen wir uns<br />

dann abends alle in der JH „Karei<br />

Deshe“ am See Genezareth.<br />

Nach dem Essen gab es eine erste<br />

Austauschrunde, in der jeder über<br />

seine Eindrücke und Erlebnisse der<br />

ersten Arbeitswoche berichten<br />

konnte. Am Samstag wanderten wir<br />

auf dem Golan zu dem Meshushim<br />

Hexagonpool, mit der Option, dort<br />

ein erfrischendes Bad zu genießen,<br />

was auch bei rund 30° Lufttemperatur<br />

eine Wohltat war.<br />

Zum Mittagessen ging es nach<br />

Magdala, wo die Gruppe sich mit<br />

Pitabrot, Falafel und frischen Salaten<br />

stärken konnte. Bevor sich die<br />

Gruppen wieder in die drei Standorte<br />

verabschiedeten, gab es noch einen<br />

Besuch im Hofladen „Tamar“ vom<br />

Kibbuz Kinneret, wo jeder die<br />

Gelegenheit hatte, Produkte aus der<br />

Region einzukaufen.<br />

Arbeit ohne Ende und Begegnungen<br />

Unsere zweite Arbeitswoche begann<br />

am Sonntag mit einem Tageseinsatz<br />

56


auf dem landwirtschaftlichen<br />

Gelände des Kibbuz Beth El in<br />

Binyamina. Hier waren bereits<br />

zugesägte Hölzer zu lasieren, die im<br />

nächsten Frühjahr auf dem Gelände<br />

einer psychiatrischen Einrichtung<br />

gebraucht werden. Am Montagvormittag<br />

lud uns Henoch ins Cafe<br />

Europa ein, ein Treffpunkt auch von<br />

Holocaustüberlebenden, wo bei<br />

Kaffee & Kuchen ein fröhlicher<br />

Austausch möglich ist.<br />

Hier kamen wir mit der 87-jährigen<br />

Holocaustüberlebenden Frau<br />

Hamburger ins Gespräch, die uns in<br />

eindrücklicher Weise kurz ihre<br />

Lebensgeschichte erzählte. Bei<br />

dieser Gelegenheit zeigte sie uns die<br />

eintätowierte Nr. aus dem KZ<br />

Auschwitz auf ihrem Unterarm, was<br />

uns alle besonders berührte. Auf die<br />

Frage aus unserer Gruppe, wie es<br />

zu verstehen ist, dass wir Deutsche,<br />

trotz dieses schweren Verbrechens<br />

an den Juden in Israel, überwiegend<br />

freundlich aufgenommen werden,<br />

sagte sie:<br />

Sie könne nur für sich sprechen, sie<br />

habe sich entschieden, diese<br />

Vergangenheit hinter sich zu lassen<br />

um nicht zu verbittern, sondern<br />

positiv in die Zukunft zu schauen.<br />

Dieses strahlte sie auch mit ihrem<br />

ganzen Wesen aus. Im Anschluss<br />

versuchten wir noch die Arbeiten auf<br />

der ersten Baustelle, so weit es in<br />

unseren Möglichkeiten lag, abzuschließen.<br />

Zum Abschied erhielten<br />

wir von Alisia Pflanzen aus ihrem<br />

Vorgarten, die wir als Geschenk mit<br />

nach Deutschland nahmen.<br />

Zu zweit ging es dann noch in eine<br />

Wohnung, in der ein alter kranker<br />

Mann und seine Betreuerin lebten,<br />

hier waren ebenfalls Spachtel- u.<br />

Malerarbeiten gefragt. Bei den<br />

Versuchen, mit Arie mit Hebräisch<br />

oder Englisch ins Gespräch zu<br />

kommen, sprach er plötzlich zu<br />

unserer Überraschung kurze<br />

deutsche Sätze, sein Geburtsort liegt<br />

in Ungarn.<br />

Am zweiten Wochenende besuchten<br />

wir als Gesamtgruppe Jerusalem<br />

und am Samstag in Arad die Ausstellung<br />

„The fountain of tears“ ,<br />

anschließend ging es nach „En<br />

Bokek“ ans Tote Meer.<br />

Aussichten für <strong>2018</strong><br />

Im Jahr <strong>2018</strong> plant der Handwerkerdienst<br />

„Hände zum Leben“ sieben<br />

Einsätze, der erste Einsatz startet im<br />

Februar <strong>2018</strong>, der letzte im November.<br />

Da diese Reisen offensichtlich<br />

auch Wiederholungstäter produzieren,<br />

sollte man/frau sich schnell um<br />

einen der begehrten Plätze bewerben.<br />

Die notwendigen Unterlagen<br />

sowie die genauen Reisetermine<br />

und weitere Infos sind unter folgender<br />

homepage zu finden: www.zumleben.de/reisen/handwerkerdienst<br />

Ein überzeugter Teilnehmer:<br />

Klaus Arle<br />

„Helden des Alltags“<br />

Eine Ausstellung, um israelische Sicherheits- und Rettungskräfte zu ehren<br />

„TPS organisiert eine neue Ausstellung,<br />

"Helden des Alltags", die 20<br />

unserer besten Fotos von Soldaten,<br />

Polizisten, Feuerwehrleuten und<br />

anderen Kräften zur Verteidigung<br />

Israels zeigt. Die Ausstellung ehrt die<br />

Menschen, die ihr Leben für die<br />

Sicherheit von uns allen riskieren.“<br />

Ausstellungseröffnung ist bei dem<br />

7. Freundestreffen der Israelfreunde<br />

Norddeutschlands, am 27.01.18 in<br />

www.cindev.de<br />

Hamburg- Poppenbüttel.<br />

Wir möchten diese<br />

Ausstellung gerne<br />

durch Norddeutschland<br />

touren lassen.<br />

Gemeinden und<br />

Werke, die Interesse<br />

haben, diese in<br />

ihren Räumen<br />

auszustellen,<br />

mögen sich bei uns<br />

melden. Christliche<br />

Israelfreunde<br />

Norddeutschland,<br />

HH e.V.<br />

Wer hat die Ausstellung erstellt:<br />

TPS Nachrichtenagentur -<br />

www.tpsnews.co.il<br />

Tazpit Press Service (TPS) ist eine<br />

internationale israelische Nachrichtenagentur,<br />

die internationalen<br />

Medien (USA, Europa, Südamerika<br />

und viele andere) aktuelle, genaue<br />

und verlässliche Nachrichteninformationen<br />

über Israel und den Nahen<br />

Osten liefert. Die Agentur berichtet<br />

über eine breite Palette von Themen:<br />

Wirtschaft, Sicherheit, Politik,<br />

Technologie, wissenschaftliche<br />

Entwicklungen, Landwirtschaft,<br />

menschliche Geschichten und mehr.<br />

Die Mission von TPS besteht darin,<br />

als führende Quelle kritischer<br />

Informationen über israelische<br />

Angelegenheiten zu dienen. Sie will<br />

dabei alle Aspekte der Sicherheit,<br />

Politik, Gesellschaft, Technologie,<br />

Wirtschaft und Kultur Israels abdecken.<br />

Nach eigenem Selbstverständnis<br />

sieht sie ihren besonderen<br />

Auftrag darin, dass sie alle Seiten<br />

der Geschichte versucht zu erzählen<br />

und dazu Bilder liefert, die üblicherweise<br />

sonst nicht gezeigt würden,<br />

und vervollständigt somit die<br />

Wahrnehmungs-Möglichkeiten der<br />

aktuellen Geschehnisse in Israel.<br />

57


Als christliche Israelfreunde Norddeutschlands stehen wir in unserem Engagement an der Seite Israels. Eingebunden in ein weltweites<br />

christliches denominationsübergreifendes Netzwerk möchten wir in unsere Kirchen, Werke und Gemeinden hineinwirken.<br />

Impulse<br />

"Christians for Israel International", die weltweite Dachorganisation von „Christen an der Seite Israels“ in Deutschland, Österreich und der<br />

Schweiz, veröffentlichte folgende Impulse. In der Einführung heißt es dazu:<br />

Es gibt 12 Stämme Israels. 12<br />

Apostel wurden in die Welt gesandt,<br />

um das Evangelium vom Königreich<br />

Gottes zu verkündigen. In 12 Artikeln<br />

bekennt die Kirche aller Zeiten ihren<br />

Glauben. Dankbar nehmen wir<br />

Christen diese Worte an, als eine<br />

Zusammenfassung des Schriftzeugnisses<br />

von unserer Erlösung. Jedoch<br />

bezeugt die Schrift noch mehr. Das<br />

klassische Bekenntnis spricht kaum<br />

über die Heilsgeschichte. Wir<br />

können sie nur vermuten hinter dem<br />

Bekenntnis von Gott dem Vater als<br />

Schöpfer und Jesus Christus als<br />

Herrn, der zum Gericht kommen<br />

wird. Die Erwählung Israels, Gottes<br />

Bündnisse mit Israel, das Königreich<br />

Christi auf dem Throne Davids, die<br />

Wiederherstellung Israels und so der<br />

ganzen Schöpfung sind nicht im Bild.<br />

Die klassischen Worte des Bekenntnisses<br />

brauchen Vervollständigung.<br />

Die 12 Artikel ersetzen nicht irgendein<br />

Bekenntnis, sondern sollen ein<br />

Impuls sein, weiter über die biblische<br />

Botschaft von Israel und dem<br />

Königreich Gottes nachzudenken:<br />

1. Wir glauben, dass Israel von Gott<br />

geschaffen und erwählt wurde zum<br />

Segen für die Nationen.<br />

2. Wir glauben, dass die Kirche und<br />

die Nationen Israel segnen sollten.<br />

3. Wir glauben, dass die Kirche<br />

Israel nicht ersetzt hat.<br />

Durch den<br />

Glauben an Jesus sind wir ebenfalls<br />

"Kinder Abrahams" geworden, des<br />

Vaters aller, die glauben.<br />

4. Wir glauben, dass alle Bundesschlüsse<br />

seit Abraham mit Israel<br />

geschlossen wurden.<br />

5. Wir glauben, dass es ein Geheimnis<br />

ist um die Verhärtung eines<br />

Teiles von Israel um unseretwillen,<br />

dass aber auch eine Blindheit<br />

seitens der Kirche gegenüber Israel<br />

vorliegt und eine Decke über den<br />

Nationen hinsichtlich Israel.<br />

6. Wir glauben, dass der HERR treu<br />

zu allen Bundesschlüssen mit Israel<br />

steht, ebenso wie zu allen Seinen<br />

Verheißungen,<br />

die ER der Kirche<br />

gab.<br />

7. Wir glauben, dass die Kirche<br />

Buße tun sollte angesichts des<br />

Antisemitismus über die Jahrhunderte<br />

hinweg und wahre Reue in Wort<br />

und Tat in der Solidarität gegenüber<br />

Israel und dem jüdischen Volk<br />

zeigen und ihre Ersatztheologie und<br />

Erfüllungstheologie ändern sollte.<br />

8. Wir glauben, dass die Wiederherstellung<br />

des jüdischen Volkes im<br />

Verheißenen Land Israel den Beginn<br />

der endgültigen Erlösung darstellt.<br />

Wir glauben, dass die Nationen eine<br />

Verantwortung dafür tragen, bei der<br />

Rückkehr der Juden zu helfen.<br />

9. Wir glauben, dass die Stadt<br />

Jerusalem der Ort ist, an dem der<br />

HERR wieder Seinen Heiligen<br />

Namen wohnen lassen will.<br />

10. Wir glauben, dass der Messias<br />

eines Tages kommen wird, um Sein<br />

weltumspannendes Königreich zu<br />

errichten.<br />

Dann werden die Gerechten<br />

aus den Gräbern leiblich auferstehen<br />

und mit Christus in Seinem<br />

Königreich auf Erden regieren.<br />

Daher beten wir für den Frieden von<br />

Jerusalem.<br />

11. Wir glauben, dass der Menschensohn<br />

über die gottlosen<br />

Nationen Gericht halten wird, wenn<br />

Sein Reich kommt, und Er sie fragen<br />

wird, wie sie mit Israel und dem<br />

jüdischen Volk umgegangen sind.<br />

12. Wir glauben, dass am Ende und<br />

endgültig die Erneuerung aller Dinge<br />

geschehen wird. Die Schöpfung wird<br />

von der Knechtschaft der Vergänglichkeit<br />

befreit und zur herrlichen<br />

Freiheit der Kinder Gottes geführt.<br />

Dann wird Gott alles in allem sein.<br />

-<br />

entn.: Israelaktuell.de, Nr. 103,<br />

Dez. 2017 - Jan. <strong>2018</strong><br />

Impressum<br />

Herausgeber und Bezugsadresse<br />

Christliche Israelfreunde Norddeutschland,<br />

HH e.V.<br />

Ohlendiekskamp 84 – 22399 Hamburg,<br />

Tel. 040 – 6027843<br />

E-Mail: M.Dierks@israelfreunde.de;<br />

www.cindev.de<br />

Vorstand gem. § 26 BGB<br />

Michael Dierks (Vorsitzender),<br />

Ulrike Dierks (stellv. Vorsitzende),<br />

Rüdiger Brakebusch (Schatzmeister).<br />

Alexander Suckert (Schriftführer)<br />

Friedrich Quaas (Beisitzer, Theolog. Berater)<br />

Erscheinungsweise der <strong>Gedenkschrift</strong>:<br />

1. Auflage 500 Exempl., Januar <strong>2018</strong><br />

Die Verfasser der einzelnen Artikel sind für<br />

ihre Artikel selbst verantwortlich. Es gilt die<br />

"Brille" des Verfassers!<br />

Bezugspreis: auf Spendenbasis<br />

Redaktion: Michael Dierks mit Team<br />

Layout und Satz: Detlef Suhr<br />

Druck: Best Copy System<br />

Lektorat: Monika Niemann<br />

Bilder, soweit nicht anders gekennzeichnet:<br />

© Christliche Israelfreunde<br />

Norddeutschland, HH e.V.<br />

Alle Rechte vorbehalten!<br />

Nachdruck, Vervielfältigung, Abschrift oder<br />

sonstige Veröffentlichung - auch auszugsweise<br />

- nur mit schriftlicher Genehmigung des<br />

Herausgebers.<br />

Bankverbindung<br />

IBAN: DE8721 352240 017909 2986<br />

BIC: NOLADE21HOL<br />

C H R ISTLICHE<br />

Israelfreunde<br />

N O R D D E U T S C H L A N D - H A M B U R G e . V.<br />

58


Warum gehört Israel in unser Glaubensbekenntnis?!<br />

Friedrich Quaas, Pastor i. R.<br />

In den sogenannten "Groß"-Kirchen<br />

wird in den Gottesdiensten ein<br />

verbindliches Glaubensbekenntnis<br />

(Credo) von der Gemeinde gesprochen,<br />

das in dieser Form so in den<br />

meisten Gottesdiensten im liturgischen<br />

Ablauf gleich bekannt wird.<br />

Dieses beeinhaltet Glaubensgrundsätze<br />

unserer Kirchen, die vor vielen<br />

Jahrhunderten der Kirchengeschichte<br />

verbindlich ausformuliert wurden.<br />

So ist das im evangelischen Raum<br />

oft verwendete nizänische Glaubensbekenntnis<br />

in einer Zeit entstanden,<br />

als die Trennung von Kirche<br />

und Synagoge bereits vollzogen war.<br />

Das gilt erst recht für das später<br />

entstandene apostolische Credo.<br />

In Nizäa, wo das ältere Credo<br />

formuliert wurde, waren die jüdischen<br />

Bischöfe bewusst vom Konzil<br />

ausgeschlossen. Das hatte weitreichende<br />

Folgen bis heute – auch für<br />

den fomulierten Credoinhalt.<br />

So klingt die Formulierung:" Ich<br />

glaube an die heilige christliche<br />

Kirche", als wäre sie an die Stelle<br />

des heiligen Volkes Israel getreten!<br />

Da das nizänische Credo entstand,<br />

um falsche Irrlehren abzuwehren, ist<br />

es dogmatisch so festgeschrieben,<br />

dass eine Korrektur kaum möglich<br />

scheint.<br />

Doch ist es uns wichtig, das Werden<br />

des Credo mit seinem geschichtlichen<br />

Hintergrund heute wieder<br />

bewußt zu machen, um einen<br />

Impuls von der Basis der Gläubigen<br />

zu setzen. Uns ist es besonders<br />

wichtig, gottesdienstliche Gemeinschaft<br />

mit den Gläubigen aus den<br />

Juden zu leben, um zu einer neuen<br />

Einheit zusammenzuwachsen. So<br />

haben wir den Begriff "Kirche"<br />

gegen "Gemeinschaft" ausgetauscht.<br />

Dies fiel uns schwer,<br />

weil er doch an die Stelle scheinbar<br />

muss, aber messianische Juden<br />

verstehen sich nicht als Kirche. Und<br />

unser biblischer Auftrag ist, gerade<br />

diese Gemeinschaft einzuüben.<br />

Denn nach Epheser 2,15 ist der<br />

neue Mensch eine Einheit von zwei<br />

Menschengruppen mit unterschiedlicher<br />

Identität: Juden und Nichtjuden.<br />

Was sie verbindet, ist ihr<br />

gemeinsamer Glaube an den<br />

Messias Israels.<br />

Wie könnte ein Glaubensbekenntnis aussehen, in dem die besondere<br />

Beziehung zu Israel berücksichtigt wird? - ein Impuls<br />

Ich glaube an Gott, den Vater,<br />

Schöpfer des Himmels und der Erde,<br />

der sich seinem Volk Israel offenbart hat.<br />

Und an Jesus Christus, Gottes eingeborenen Sohn, unseren Herrn,<br />

der empfangen ist durch den Heiligen Geist<br />

und als Jude geboren wurde, von der Jungfrau Maria.<br />

Er hat gelitten und wurde von den Hohenpriestern ausgeliefert<br />

an Pontius Pilatus und ist unter ihm gekreuzigt, gestorben und begraben.<br />

Er stieg hinab in das Reich des Todes, ist am 3. Tage auferstanden von dem Tod<br />

und aufgefahren in den Himmel.<br />

Er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters;<br />

von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten.<br />

Ich glaube an den Heiligen Geist,<br />

die heilige christlich-messianisch-jüdische Gemeinschaft,<br />

die aus dem Volk Israel hervorgegangen ist.<br />

Ich glaube an die Vergebung der Sünden,<br />

an die Auferstehung der Toten und das ewige Leben.<br />

Amen<br />

59

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!