Day off! ...oder bewegt sich Architektur? - cityförster
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DAY OFF !
...<strong>oder</strong> <strong>bewegt</strong> <strong>sich</strong> <strong>Architektur</strong> ?
DAY OFF! ... <strong>oder</strong> <strong>bewegt</strong> <strong>sich</strong> <strong>Architektur</strong> ?<br />
Das Wirkungsfeld des Architekten hat <strong>sich</strong> durch<br />
gesellschaftliche Umbrüche und Neuorientierung<br />
verändert und erweitert,<br />
zusammen mit der derzeitigen wirtschaftlichen Lage erzwingt dies eine<br />
Neuorientierung.<br />
Der heutzutage viel diskutierte Begriff des architektonischen Offs<br />
beschreibt das Agieren in den Randbereichen und Schnittstellen<br />
der <strong>Architektur</strong> mit anderen Tätigkeitsfeldern wie Media, Film, Grafik,<br />
Design, Fashion, Events, Theorie, Soziologie, etc....<br />
Dabei werden Projekte nicht in festen Gruppen,<br />
wie im traditionellen <strong>Architektur</strong>büro üblich, bearbeitet,<br />
sondern je nach Aufgabe finden <strong>sich</strong> variierende Konstellationen<br />
kooperierender Personen aus einem Netzwerk zusammen.<br />
Diese hybriden Strukturen lösen die festen Gruppierungen<br />
konventioneller <strong>Architektur</strong>büros ab.<br />
Der Berufseinstieg führt nicht mehr direkt ins Büro,<br />
sondern wird durch temporäre Kontakte, <strong>sich</strong> spontan ergebende Projekte<br />
und eigenständig organisierte Aufgaben geprägt.<br />
Am DAY OFF! stoppen wir den alltäglichen Unibetrieb und untersuchen<br />
die reale Situation am Markt.<br />
Dazu haben wir junge Architekten als Referenten eingeladen.<br />
OSA - Office for Subversive Architecture (Berlin, Darmstadt, London,<br />
Frankfurt, Wien), mikropolis (Stuttgart), realities:united (Berlin) und<br />
querkraft (Wien) berichten in Vorträgen über ihre Arbeitsweisen,<br />
ihre Motivation und ihre Position zur <strong>Architektur</strong>.<br />
Zusammen mit dem <strong>Architektur</strong>kritiker Dr. Hanno Rauterberg<br />
wollen wir das veränderte Berufsbild des Architekten erforschen<br />
und zukünftige Tätigkeitsfelder aufzeigen und diskutieren.<br />
Das übergeordnete Ziel der Veranstaltung ist das Aufdecken<br />
zukünftiger Arbeits- und Forschungsbereiche heutiger <strong>Architektur</strong>studenten.<br />
Wir, die <strong>Architektur</strong>studenten der Universität Hannover,<br />
wollen mit dem Symposium DAY OFF! unser Lehrangebot bereichern.<br />
Die etablierte Vortragsreihe an unserem Fachbereich “Dienstags um 6”<br />
soll um neue Ge<strong>sich</strong>tspunkte erweitert und<br />
Themen der aktuellen <strong>Architektur</strong> sollen verstärkt<br />
an unserer Universität diskutiert werden.<br />
Mit dem zusätzlichen Event DAY OFF! tragen wir dazu bei.<br />
Vorwort
07.-15. Juni<br />
EinBlick - Ausstellung<br />
Foyer des Fachbereichs <strong>Architektur</strong><br />
15. Juni<br />
<strong>Day</strong> Off! ... <strong>oder</strong> <strong>bewegt</strong> <strong>sich</strong> <strong>Architektur</strong> ?<br />
ganztägiges Symposium der Fachschaft <strong>Architektur</strong><br />
11h<br />
Braucht die Zukunft noch Architekten?<br />
Dr. Hanno Rauterberg, Die Zeit (Hamburg)<br />
12h<br />
transmissions<br />
mikropolis (Stuttgart)<br />
Mittagspause<br />
14.30h<br />
potential orientiertes arbeiten<br />
realities:united (Berlin)<br />
16h<br />
osa - automatic<br />
OSA - <strong>off</strong>ice for subversive architecture<br />
(Berlin, Darmstadt, Frankfurt, London, Wien)<br />
Kaffeepause<br />
18h<br />
metamorphosen<br />
Querkraft (Wien)<br />
ab 19.30h<br />
Podiumsdiskussion<br />
M<strong>oder</strong>ation: Martin Sobota (Rotterdam)<br />
ab 20.45h<br />
EM-Spiel | Deutschland - Niederlande<br />
danach<br />
AusBlick - DieBar<br />
mit Filmprojektionen der FH Hannvoer für Design und Medien<br />
Kommunikationsdesign | Multimedia und Foto<br />
Live - Performance<br />
DJ Badmosphere und Schmiggor<br />
Programm DAY OFF!
Dr. Hanno Rauterberg wurde 1967 in Celle geboren.<br />
Als Redakteur im Feuilleton der ZEIT schreibt er vor allem über Themen der<br />
zeitgenössischen Kunst und der <strong>Architektur</strong>.<br />
Er ist promovierter Kunsthistoriker, Absolvent der<br />
Henri-Nannen-Journalisten-Schule und arbeitete vor seiner<br />
Einstellung bei der ZEIT für den Spiegel Verlag.<br />
www.zeit.de<br />
Ehrungen:<br />
Auszeichnung im Kritikerwettbewerb der<br />
Bundesarchitektenkammer 2001<br />
Deutscher Preis für Denkmalschutz 2001<br />
Autorenpreis des Landesnaturschutzverbandes<br />
Baden-Würtemberg 2003<br />
Ausgewählte Artikel aus Die Zeit<br />
Referenten<br />
Dr. Hanno Rauterberg<br />
27 | 2004<br />
Auf schräg gestellt.<br />
Erstmals gibt es in London ein Rathaus -<br />
ein fulminantes Sinnbild der Demokratie erbaut von<br />
Weltbaumeister Norman Foster.<br />
18 | 2004<br />
Der Weltenwechsler.<br />
In England gilt der Architekt David Adjaye als<br />
H<strong>off</strong>nungsträger - Jetzt wird sein erster großer Bau<br />
eröffnet.<br />
7 | 2004<br />
Nachrichten aus dem architektonischen Wachkoma. Der<br />
Bund will den Architekten eine Nationale Stiftung Baukultur<br />
spendieren. Doch die verspielen das Angebot durch<br />
Knauserigkeit.<br />
5 | 2004<br />
Die Feigheit der Kritiker ruiniert die Kunst.<br />
52 | 2003<br />
Spaß am Bau. Arbeitslose Architekten entdecken den<br />
Humor. Sie üben Aktionskunst in der Krise<br />
40 | 2003<br />
Megapolis im Miniformat. Für Berlin hat der Architekt Rem<br />
Koolhaas die M<strong>oder</strong>ne neu erfunden.<br />
Seine holländische Botschaft ist ein Haus, wie es noch<br />
keines gab.
eye of the kite<br />
Instrument<br />
Hausen<br />
Wohnvision
Unter dem Motto “be bold!” <strong>oder</strong> “just fucking do it” entwickelt mikropolis<br />
in flexibler Struktur (Büro 1 plus x) klar definierte Konzepte, indem<br />
Situationen/ Orte/ Programme voraus gedacht werden, deren Umsetzung<br />
möglichst konsequent von der Gestaltung bis zur Übernahme durch die<br />
Nutzer kontrolliert werden, um dann erobert <strong>oder</strong> auch modifiziert zu<br />
werden.<br />
Parallel gemachte Erfahrungen in der Lehre waren und sind für mikropolis<br />
immer wieder hilfreich, um die eigene Arbeit zu hinterfragen <strong>oder</strong> um <strong>sich</strong><br />
mit ganz neuen Herangehensweisen auseinander zu setzen.<br />
Mikropolis folgt der Motivation “alltägliche Räume” zu gestalten, in denen die<br />
eigenen Vorstellungen subversiv mit denen des Bauherren übereinzubringen<br />
sind und erzeugt so komplette Zufriedenheit der zukünftigen Be-Nutzer,<br />
Be-Wohner und damit aller.<br />
Raum kann laut mikropolis wie ein Bild beschrieben werden,von einem<br />
Standpunkt aus, mit den Augen und Worten des Betrachters - des Planers.<br />
In der Möglichkeit, mehrere Standpunkte einzunehmen und dem<br />
anderen vorausblickend nahezulegen, liegt die Kompetenz der<br />
Architekten, die eine Geschichte um diesen Raum herum schreiben und<br />
damit das Gefüge bis zu einem bestimmten Punkt zu kontrollieren<br />
vermögen.<br />
An diesem Punkt geben sie das Werk weiter an den, der Raum<br />
tatsächlich erlebt. Im Bewusstsein dieses Potentials liegt die<br />
Herausforderung, Raum zu erzeugen, der uns <strong>Architektur</strong> als Wert<br />
erfahren läßt - als lebenswert - als Lebensraum.<br />
(mikropolis)<br />
www.mikropolis.net<br />
Ulrike Mansfeld<br />
(*1971)<br />
1991 - 1995<br />
<strong>Architektur</strong>- und Designstudium<br />
Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart<br />
1995 - 1996<br />
Studium<br />
an der Bartlett School University College London, GB<br />
02 | 1997<br />
Diplom<br />
Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart<br />
02 | 1997<br />
Beginn der selbständigen Tätigkeit<br />
mit ersten gebauten Projekten<br />
11 | 1997<br />
Lehrauftrag<br />
im Fach Grundlagen des Entwerfen bei Prof. Herms,<br />
Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart<br />
05 | 1998<br />
Künstlerische Assistenz, Grundlagen des Enntwerfens<br />
11 | 1998<br />
Gründung von “mikropolis”<br />
05 | 1999<br />
Lehrauftrag für das Fach Planungsmethoden<br />
01 | 2000<br />
Freie Architektin in Stuttgart<br />
2000<br />
Lehrveranstaltungen<br />
im Fach Sonderprobleme der <strong>Architektur</strong><br />
07 | 2001<br />
Wettbewerbsbüro mit MA Dipl. Ing.Tilman Heller<br />
2001<br />
Mitglied des Senats der Hochschule<br />
Referenten<br />
mikropolis
BIX<br />
Medienfassade für das Kunsthaus Graz<br />
2003
ealities:united ist ein Büro | Labor, das im Jahr 2000 aus dem Berliner<br />
Künstler-, Designer- und Architektennetzwerk [kunst und technik]<br />
hervorgegangen ist. Gründer sind die Brüder Jan und Tim Edler.<br />
realities:united arbeitet hauptsächlich in Überlagerungsgebieten von<br />
<strong>Architektur</strong>, Design, Kommunikation, Technologieentwicklung, Marketing und<br />
Kunst.<br />
Das Büro entwickelt ‚opportunistische’ Designprogramme, Technologien<br />
und Strategien, die meistens darauf zielen, isolierte Potentiale, die in den<br />
einzelnen Gebieten bestehen, miteinander zu verknüpfen.<br />
realities:united arbeitet sowohl an kommerziellen Auftragsarbeiten als auch<br />
an selbst initiierten Forschungsprojekten.<br />
Arbeitsgebiete waren in der Vergangenheit:<br />
Kunstinstallationen, Konzepte für die Integration von Informationsund<br />
Kommunikationstechnologien in Kunstmuseen, Lichtplanung,<br />
Medienfassaden, Technologieforschung (wearables | video mediated<br />
communication), Möbeldesign, Lehre (TU Berlin, Bauhaus Dessau,<br />
Pasadena Art Center Los Angeles),<br />
Stadtentwicklung | Wasserbau, mobile Musikevents (Loveparade), Software,<br />
Nutzungskonzepte für Immobilien, u.a..<br />
Die Arbeiten von realities:united wurden auf diversen internationalen<br />
Ausstellungen, Symposien und Workshops gezeigt.<br />
realities:united ist Teil des Berliner Netzwerks<br />
„Young Creative Industries“ und wurde 2004 in den Bund Deutscher<br />
Architekten (BDA) in Berlin berufen.<br />
(realities:united)<br />
www.realities-united.de<br />
Jan Edler (*1970)<br />
Referenten<br />
realities:united<br />
Studium <strong>Architektur</strong><br />
RWTH-Aachen und Bartlett School | London<br />
1997 Diplom-Architekt<br />
1996 Gründung Projektnetzwerks (kunst und technik)<br />
2000 Gründung realities:united<br />
Tim Edler (*1965)<br />
Studium Informatik und <strong>Architektur</strong> TU Berlin<br />
1994 Diplom-Architekt<br />
1994 - 1997 Mitarbeit in <strong>Architektur</strong>büros<br />
1996 Gründung Projektnetzwerks (kunst und technik)<br />
2000 Gründung realities:united<br />
Ausstellungen<br />
2003<br />
Design Berlin!<br />
Vitra Design Museum Berlin<br />
Curves and Spikes<br />
Aedes Gallerie Berlin<br />
any colour you like<br />
Building Center Trust Gallery London<br />
2002<br />
Biennale di Venezia<br />
Off City<br />
Mehrwert e.V. Aachen<br />
2001<br />
4Free | Stadt unter dem Himmel<br />
Büro Friedrich Berlin<br />
Transmediale 01 | DIY<br />
Transmediale Berlin
...nicht wirklich<br />
Installation im UG des Gebäudes der TU Darmstadt<br />
11 | 2002 und 3 | 2003<br />
London Roof<br />
London Trafalgar Square<br />
8 | 2002
OSA repräsentiert eine neue Art von Netzwerkgemeinschaft.<br />
Die Beteiligten kennen <strong>sich</strong> seit der Studienzeit in den frühen neunziger<br />
Jahren am Fachbereich <strong>Architektur</strong> der Technischen Universität<br />
Darmstadt. In alter Freundschaft und lang erprobter Teamarbeit fühlen sie<br />
<strong>sich</strong> auch heute noch verbunden.<br />
Dass sie eher eine soziale und damit auch recht lose und stets temporäre<br />
als eine apriori ideologische <strong>oder</strong> institutionell gefestigte Gemeinschaft sind,<br />
ist das, was OSA als Team mit eigenem Planungsbüro wesentlich von den<br />
klassischen Künstlergemeinschaften unterscheidet. (...)<br />
OSA gehört zu den aktuellen pragmatischen Gruppen im zeitgenössischen<br />
Kunst- und Kulturbereich, die als dynamische, oftmals auch von Projekt<br />
zu Projekt stark fluktuierende Schar kurzfristig operiert. Eine Gruppe, die<br />
bisweilen Handlungsfelder verschiedenster Art mit partizipativen Strukturen<br />
initiiert, wo sonst keiner mehr künstlerisch <strong>oder</strong> gestalterisch agiert, zum<br />
Beispiel in verlassenen Fußgängerunterführungen <strong>oder</strong> sozialen<br />
Brennpunkten: insbesondere also im städtischen Außenraum <strong>oder</strong><br />
architektonischen Innenraum, jüngstens auch in Forschung und Lehre.<br />
Die heute zur Verfügung stehenden Materialien, Formate und Methoden<br />
sowie die alten und neuen Medien werden gleichermaßen genutzt.<br />
Neues Network konvergiert mit klassischem Teamwork:<br />
Künstlerische Intervention und soziale Praxis gehen dabei Hand in Hand.<br />
Das OSA -Team scheint die strikte Trennung der Professionen bewußt zu<br />
unterlaufen, was zwangsläufig auch Auswirkungen auf die aktuelle<br />
Theoriebildung hat. Wir stehen heute tatsächlich vor einer Hybridisierung<br />
von freier und angewandter Kunst. Das stellt den klassischen Gestalter<br />
und Architekten nicht nur vor weitere (künstlerische) Konkurrenz, sondern<br />
zwingt ihn auch zu neuem tranzdisziplinären und medienübergreifenden<br />
Schaffen.<br />
Letztlich aber waren und sind alle Bereiche der Gestaltung<br />
gemeinschaftliche strategische Produktionsstätten von Form und Sinn.<br />
(aus: Pamela C. Scorzin: “...nicht wirklich”, Arch+ 167)<br />
www.osa-online.net<br />
Referenten<br />
osa - <strong>off</strong>ice for subversive architecture<br />
Oliver Langbein<br />
OSA-Darmstadt<br />
Raumstratege<br />
Dipl. Ing. der <strong>Architektur</strong><br />
Assistent von Prof. Stephan Goerner (TU Darmstadt -<br />
FG Stadt | Entwerfen und Stadtentwicklung)<br />
Lehrauftrag osa-workshop<br />
(TU Darmstadt)<br />
Anja Ohliger<br />
OSA-Frankfurt<br />
Dipl. Ing. der <strong>Architektur</strong><br />
freie Architektin<br />
Assistentin von Prof. Markus Gasser (TU Darmstadt -<br />
FG Stadt | Entwerfen und Siedlungsentwicklung)<br />
Lehrauftrag osa-workshop<br />
(TU Darmstadt)<br />
Anke Strittmatter<br />
OSA-Darmstadt<br />
Dipl. Ing. m.a. der <strong>Architektur</strong><br />
freie Architektin<br />
Lehrauftrag osa-workshop<br />
(TU Darmstadt)<br />
Sebastian Appl<br />
OSA-Berlin<br />
Ulrich Beckefeld<br />
OSA-Wien<br />
Britta Eiermann<br />
OSA-Darmstadt<br />
Karsten Huneck<br />
OSA-London<br />
Bernd Trümpler<br />
OSA-London
Betriebsgebäude Trevision<br />
Großhöflein | Burgenland<br />
Einfamilienhaus<br />
Wien | Österreich
Unsere Arbeit ist Teamarbeit.<br />
Querdenken und Hinterfragen steht am Beginn unserer kreativen Strategie,<br />
personelle Vielfalt im Team öffnet den Horizont.<br />
www.querkraft.at<br />
Der Mensch ist Mittelpunkt unserer Arbeit, im Gebrauch erfährt<br />
<strong>Architektur</strong> einen zentralen Sinn, Planung wird als Prozess,<br />
der Bauherr als Partner verstanden.<br />
<strong>Architektur</strong> ist Kunst,<br />
Nachhaltigkeit, Angemessenheit und Berührbarkeit sind elementare<br />
Qualitäten.<br />
Form ist Ausdruck von Inhalt,<br />
Schönheit kommt demnach von innen.<br />
(querkraft)<br />
Jakob Dunkl<br />
Gerd Erhartt<br />
Peter Sapp<br />
Michael Zinner<br />
2004<br />
YOUNG ARCHITECT OF THE YEAR<br />
internationaler Preis<br />
2001 + 2004<br />
Gastprofessur Roger Williams University Bristol | USA<br />
2003 - 2004<br />
Lehrauftrag TU Innsbruck | Österreich<br />
1995 - 2003<br />
Lehrauftrag TU Wien | Österreich<br />
2003<br />
Gastreview Diplomklasse Prof. Lainer<br />
Universität für Bildende Kunst Wien | Österreich<br />
1996<br />
Assistenz <strong>Architektur</strong>workshop<br />
Klagenfurt | Österreich<br />
Referenten<br />
querkraft | architekten
Diskussion<br />
Die abschließende Podiumsdiskussion soll die Frage nach zukünftigen<br />
Perspektiven für Architekten durchleuchten.<br />
Geleitet wird die Diskussion von Martin Sobota, der im Moment seinen<br />
Master am Berlage Institut in Rotterdam macht.<br />
Medieninstallation<br />
Das Rahmenprogramm wird unterstützt durch Filmprojektionen, die in<br />
Zusammenarbeit mit einigen Studenten des Fachbereich<br />
Design und Medien der Fachhochschule Hannover entstanden sind.<br />
Studenten der Abteilungen Fotografie und Multimedia filmten Orte in<br />
Hannover aus anderen <strong>oder</strong> ungewohnten Blickwinkeln. Diese 20-minütigen<br />
Sequenzen setzten <strong>sich</strong> zu drei einstündigen Filmen zusammen, die jeweils<br />
Einblicke in das private, öffentliche und halböffentliche Leben in Hannover<br />
geben. Durch das verstetzte Abspielen der Filme werden so gleichzeitig alle<br />
Bereiche des Lebens widergespiegelt.<br />
Diese Kooperation ist für uns von besonderer Bedeutung, da <strong>sich</strong> Studenten<br />
zweier unterschiedlicher Hochschulen mit unterschiedlichen Studiengängen<br />
auf studentischer Ebene zusammengeschlossen haben, um synergetisch<br />
kreativ zu werden.<br />
Performance<br />
Die neue Hannoveraner Konstellation DJ Badmosphere und Schmiggor<br />
verwöhnen die Ohren mit elektronischen Klängen vom Plattenteller<br />
unterstützt von Liveeinlagen am Saxophon.<br />
www.berlage-institute.nl<br />
www.dm.fh-hannover.de<br />
Diskussion<br />
M<strong>oder</strong>ation<br />
Martin Sobota (*1975)<br />
1995 Studium Landschaftsarchitektur<br />
Universität Hannover<br />
1997 Studium <strong>Architektur</strong><br />
Universität Hannover<br />
2000 Ersamusstipendium Oslo | Norwegen<br />
2003 Diplom in <strong>Architektur</strong><br />
2003 Postgraduiertes Master Studium<br />
Berlage Institut | Rotterdam | NL<br />
Medieninstallationen<br />
Filmsequenzen<br />
Gudrun Bombosch<br />
Christian Heyde<br />
Christian Lutz-Weicken<br />
Jan-Gero Kleist<br />
Marina Hartfelder<br />
FH Hannover für Design und Medien<br />
Abteilung Multimedia<br />
Christian Burkert<br />
FH Hannover für Design und Medien<br />
Abteilung Fotografie<br />
Performance<br />
Plattenteller<br />
DJ Badmosphere<br />
Saxophon<br />
Schmiggor<br />
Rahmenprogramm<br />
Diskussion<br />
Medieninstallation<br />
Performance
Vortrag<br />
Hat die <strong>Architektur</strong> noch eine Zukunft?<br />
Dr. Hanno Rauterberg<br />
Hat die <strong>Architektur</strong> noch eine Zukunft?<br />
Über das Selbstverständnis der Architekten –<br />
und warum es <strong>sich</strong> ändern muss<br />
Vortrag von Hanno Rauterberg für die Fachschaft <strong>Architektur</strong><br />
der Universität Hannover am 15. Juni 2004<br />
Hat die <strong>Architektur</strong> noch eine Zukunft, das klingt nach einer sehr polemischen<br />
Frage. Denn eigentlich gehen ja doch alle - und erst recht diejenigen, die<br />
<strong>Architektur</strong> studieren – ganz selbstverständlich davon aus, dass sie eine<br />
Zukunft hat, ganz klar. Gleichwohl kann man <strong>sich</strong>, glaube ich, nicht <strong>sich</strong>er<br />
sein, ob diese Zukunft auch tatsächlich von Architekten gemacht werden<br />
wird.<br />
Der Bedarf an neuen Bauten, an neuen Rathäusern, Schwimmbädern, Schulen<br />
schrumpft dramatisch, genau in dem Maße, in dem die deutsche Bevölkerung<br />
und ihre Lust am Konsum schrumpft. Und wenn doch noch etwas gebaut<br />
wird, dann stammen die Entwürfe immer häufiger von Zeichenrobotern, von<br />
menschlichen und maschinellen.<br />
Die Großinvestoren der Baubranche sind oft nur noch rein formaljuristisch<br />
auf die Beteiligung von Architekten angewiesen, eigentlich kommen sie längst<br />
ohne deren Hilfe aus, dafür gibt es längst die entsprechende Software. Zudem<br />
erklärt <strong>sich</strong> eine wachsende Zahl von Architekten selbst für überflüssig, indem<br />
sie <strong>off</strong>en für die Wiedererrichtung längst verschwundener Bauten plädieren,<br />
für einen Rückgriff also auf die Entwürfe von Vorgestern, die alles Zutun der<br />
Heutigen obsolet erscheinen lassen. Die Zukunft liegt für diese Architekten<br />
sozusagen in der Vergangenheit, und kein anderes Thema übrigens erregt die<br />
Öffentlichkeit mehr als diese Sehnsucht nach dem Verblichenen. Es beteiligen<br />
<strong>sich</strong> auch keineswegs nur die Altväter, auch Junge tragen den Retrotrend mit,<br />
etwa das Büro Nöfer aus Köln. Und auch in Holland, das eigentlich immer<br />
als Hort des Frechen und Experimentierfreudigen galt, finden <strong>sich</strong> immer<br />
mehr Architekten, die dem Gestrigen huldigen. Gerade ist ein Buch mit dem<br />
vielsagend paradoxen Titel „Contemporary Traditionalism“ erschienen.
Es gibt also gute Gründe, einen Vortrag über die Zukunft der <strong>Architektur</strong> in<br />
der Vergangenheit beginnen zu lassen, genauer gesagt mit dem 4. Juli 2002.<br />
Der 4. Juli 2004 war, das ist glaube ich nicht übertrieben, ein grausamer<br />
Tag für die deutschen Architekten. Ein Datum, das zur Wendemarke taugt.<br />
Denn an diesem Tag entschied <strong>sich</strong> Deutschland für eine Rekonstruktion –<br />
mit deutlicher Mehrheit stimmten die Parlamentarier des Bundestags dafür,<br />
das 1950 gesprengte Berliner Stadtschloss neu entstehen zu lassen. Drei<br />
Fassaden sollen einer barocken Vorlage gemäß neu errichtet werden, auch<br />
einige alte Innenräume will man aus nicht mehr vorhandenen Trümmern<br />
wiedergewinnen.<br />
Wenn man so will, war es eine durchaus schicksalhafte Entscheidung für die<br />
Architekten in diesem Land, denn in jahrelanger, oft zäher Debatte war die<br />
Schlossabstimmung zu einer Art Glaubensbekenntnis hoch gespielt worden.<br />
Ein Duell zwischen Restauration und M<strong>oder</strong>nität, zwischen Historismus und<br />
Gegenwart wurde ausgetragen, und endete mit einer Niederlage: Die M<strong>oder</strong>ne<br />
war besiegt, ein unüberhörbares Misstrauensvotum ausgesprochen. Noch<br />
nicht einmal einen Wettbewerb, in dem die Gegenwart ihre eigenen Lösung<br />
vorzeigen dürfte, will man abhalten. Offenbar, so muss man schlussfolgern,<br />
steht die <strong>Architektur</strong> der Gegenwart in keinem guten Ruf. Offenbar überzeugt<br />
sie nicht, <strong>off</strong>enbar versagen viele ihrer Ideale und Maßstäbe.<br />
Just diese Ideale und Maßstäbe sind es, die ich in meinem Vortrag ein wenig<br />
hin und her wenden will. Es scheint mir tatsächlich höchste Zeit, das Wirken<br />
und Schaffen der Architekten einmal kritisch zu hinterfragen. Denn nur durch<br />
dieses Hinterfragen kann es gelingen, eine neue, veränderte Sicht auf die<br />
Zukunft zu gewinnen. Eine solche Selbstbefragung ist schon deshalb überfällig,<br />
weil viele Begriffe nicht mehr greifen, viele Grundlagen bröckeln, und damit das<br />
herkömmliche Selbstverständnis der Architekten dramatisch an Plausibilität<br />
verliert. Gerade dafür steht ja die Schlossdebatte mit ihrem prekären Ende.<br />
Unmissverständlich zeigt sie uns, dass die m<strong>oder</strong>nistische <strong>Architektur</strong> in der<br />
Defensive ist, dass sie eine Bringschuld besitzt. Man verlangt von ihr, dass<br />
sie <strong>off</strong>en legt, wofür sie eigentlich steht. Welche Versprechen sie parat hält.<br />
Was denn ihre Qualitäten sind. Was eigentlich bietet uns die <strong>Architektur</strong> von<br />
heute? Das sind die Fragen, die anstehen, nicht erst seit dem 4. Juli. Und<br />
die in diesem Vortrag erörtert werden sollen.<br />
Ich verzichte dabei bewusst auf eine prachtvolle Diaschau, auch wenn ich<br />
damit Sie, die Bildverwöhnten, vielleicht auf Entzug setze. Doch soll es in<br />
der kommenden Dreiviertelstunde tatsächlich um das Wort gehen, um<br />
ein Nachdenken darüber, was Architekten tun und was sie tun sollten und<br />
tun könnten. Es geht mir darum, Sie zum Hinhören zu ermutigen, zu einer<br />
Wahrnehmung dessen, was so gerne verdrängt wird. Denn verdrängt wird<br />
vieles im Reich der <strong>Architektur</strong>, viel zu sehr traut man den Oberflächen,<br />
viel zu selten geht der Blick ins Innere. Gerne wird daher auch der Streit<br />
auf dem Berliner Schlossplatz, dieser Disput zwischen M<strong>oder</strong>nisten und<br />
Traditionalisten, als Einzelfall abgetan, als ein Beispiel besonderen Stursinns<br />
und ungewöhnlicher Borniertheit. Wer allerdings die Bauwelt aufmerksam<br />
und wach beobachtet, wird rasch erkennen, dass dem keineswegs so ist. Er<br />
wird feststellen, das habe ich ja eingangs schon angedeutet, dass nach einer<br />
Phase, in der <strong>sich</strong> die <strong>Architektur</strong> wieder auf regionale Traditionen besann<br />
und den Kontext neu entdeckte, nun am Beginn des 21. Jahrhunderts auch<br />
Vortrag<br />
Hat die <strong>Architektur</strong> noch eine Zukunft?<br />
Dr. Hanno Rauterberg
Vortrag<br />
Hat die <strong>Architektur</strong> noch eine Zukunft?<br />
Dr. Hanno Rauterberg<br />
ein unverhohlener Historismus wieder gesellschaftsfähig geworden ist.<br />
Zugleich wurde der Hass auf die M<strong>oder</strong>ne, auf alles, was kein Satteldach,<br />
keine stehenden Fenster, keine aufgemauerte und sorgfältig verfugte Fassade<br />
hat, immer spürbarer und ist erstaunlich angeschwollen. Die Zeit des freien<br />
Formenspiels, einer ironisierenden Postm<strong>oder</strong>ne sind vorbei - jetzt wird<br />
wieder ernst gemacht.<br />
Überall ist eine starke Sehnsucht nach dem Alten zu spüren. In Dresden,<br />
wo man nicht nur die Frauenkirche rekonstruiert, die verschollenen Fresken<br />
inklusive; auch der Neumarkt soll möglichst originalgetreu wiederhergestellt<br />
werden, so wünschen es <strong>sich</strong> viele Bürger. In Hannover-Herrenhausen,<br />
das wissen Sie, breitet <strong>sich</strong> diese Freude an der Rückkunft des längst<br />
Verschwundenen ebenso aus wie in Frankfurt, wo man das 1950 gesprengte<br />
Thurn- und Taxis-Palais nachbauen möchte. Potsdam hat beschlossen, die<br />
Paulinerkirche zurückzuholen und das Stadtschloss ebenso, und in Hamburg-<br />
Blankenese möchte man ein ganzes Viertel im Neobiedermeier entstehen<br />
lassen. Dies nicht als Rekonstruktion, sondern als freie Neuschöpfung<br />
dessen, was vielleicht irgendwann einmal so <strong>oder</strong> ähnlich hätte sein können.<br />
In Berlin gar ist das von der Kritik heftig gezauste Hotel Adlon mittlerweile zum<br />
Exemplum des besseren Bauens avanciert; durch den selben Investor und in<br />
ähnlicher Manier soll nun an der Oranienburger Straße gleich ein ganzes<br />
Stadtquartier errichtet werden – diesmal von amerikanischen Architekten<br />
entworfen, weil diese <strong>sich</strong> <strong>off</strong>enbar auf Pariser Neo-Beaux-Arts und einen<br />
Neoklassizismus à la Henselmann besonders gut verstehen.<br />
Da mag die Architektenschaft noch so laut “Kitsch” brüllen, <strong>sich</strong> über die<br />
“Disneyfizierung” und den “Selbstbetrug” erregen. Und die Stadtbauwelt kann<br />
<strong>sich</strong>, so wie in ihrer Ausgabe zum Thema „Dirty Urbanism“, voller Häme<br />
über alles Populäre und Populistische beugen und von „Planern ohne Ehre“<br />
und „Architekten ohne Ehrgeiz“ sprechen. Nein, auch solche Redakteure,<br />
denen die M<strong>oder</strong>ne eine Frage der Ehre ist, müssen anerkennen: Der<br />
Neotraditionalismus, der in England von Prince Charles und in den USA<br />
vom New Urbanism vorangetrieben wird, ist längst auch in Deutschland<br />
angekommen. Architekten wie der Hamburger Axel Siemonsen <strong>oder</strong> Hans<br />
Kollh<strong>off</strong> und Paul Kahlfeld aus Berlin machen aus ihrer Bewunderung für das<br />
18. und 19. Jahrhundert keinen Hehl mehr und zeigen keine Scheu, auch<br />
die Bauaufgaben der Gegenwart – Sportstadien, Flughäfen, Konzernzentralen<br />
– wieder mit Gesims, Halbsäule, Tympanon, Zwerchhaus und Ädikula zu<br />
zieren. Warum sollte das, was etwa hier am Hannoverschen Rathaus vor<br />
rund hundert Jahren wohl gelitten war, heute verwerflich sein? Warum nicht<br />
auf die Bauformen und die Ornamente zurückgreifen, die über Jahrtausende<br />
zum selbstverständlichen Repertoire des Architekten gehörten? Das sind die<br />
Fragen, die Siemonsen, Kollh<strong>off</strong> und Co stellen. Die M<strong>oder</strong>ne hingegen, ihre<br />
Abstraktion, ihren ausgekühlten Rationalismus, ihren weitgehenden Verzicht<br />
auf das Spielerische und Magische, halten sie für einen Irrweg, für eine<br />
Fehlentwicklung, die man abschneiden müsse – und mit dieser Forderung<br />
sind sie nicht allein.<br />
Ange<strong>sich</strong>ts der zahlreichen Attacken müsste doch eigentlich, so sollte<br />
man denken, die Debatte innerhalb der Architektenschaft mächtig wogen<br />
und brodeln. Was ist heute noch m<strong>oder</strong>n? Wieviel Rückgriff ist erlaubt?<br />
Welche Formen sind die richtigen? Alle diese Fragen müssten heiß diskutiert
werden. Doch nichts davon ist zu vernehmen, es herrscht Grabesruh. In<br />
den vielen Fachzeitschriften, die <strong>sich</strong> mit dem Bauwesen befassen, kommt<br />
der Neotraditionalismus für gewöhnlich nicht vor; und auch Kongresse<br />
<strong>oder</strong> Podiumsdiskussionen thematisieren die <strong>sich</strong> häufenden Angriffe auf<br />
das Selbstverständnis der Architekten nur äußerst selten. Obwohl <strong>sich</strong><br />
diese Attacken eigentlich nicht länger ignorieren lassen, hat man <strong>sich</strong><br />
dafür entschieden, vornehm zu schweigen. Man übt <strong>sich</strong> in Pragmatismus,<br />
so wie auch viele der jüngeren <strong>Architektur</strong>büros, die neue Formen der<br />
Vermittlung und andere Medien der Einflussnahme nutzen, oft auf eine<br />
sehr poppige, sehr spielerische Art, die <strong>sich</strong> also von den klassischen<br />
Berufsbildern zu emanzipieren suchen. Auch sie stellen <strong>sich</strong> nur äußerst<br />
selten den Grundsatzfragen, die eigentlich ganzen oben auf der öffentlichen<br />
Agenda stehen. Fast so als hätten auch sie eine gewisse Scheu, <strong>sich</strong> diesen<br />
Entwicklungen kritisch anzunähern.<br />
Dabei gäbe es durchaus gute Argumente, mit denen <strong>sich</strong> die Architektenschaft<br />
zur Wehr setzen könnte. Und wenn Sie mir den kleinen Exkurs erlauben, will<br />
ich einige dieser Argumente kurz darlegen. Zum Beispiel ließe <strong>sich</strong> darauf<br />
hinweisen, dass der Historismus eine Art Selbstmumifizierung betreibt.<br />
Schlimmer noch: Er gibt <strong>sich</strong> aus als ästhetisches Nostalgieverlangen und<br />
leugnet alle gesellschaftspolitischen Ambitionen, betreibt aber unter der<br />
ornamentierten Oberfläche in Wahrheit ein hochideologisches Projekt. Er<br />
verfolgt eine Strategie der Kompensation: Alles verändert <strong>sich</strong>, doch die<br />
Baukunst soll bleiben, wie sie war; wir importieren unser Essen, unsere<br />
Kleidung, unsere Autos aus aller Welt, der <strong>Architektur</strong> aber wird abverlangt,<br />
sie möge <strong>sich</strong> ganz der Region verpflichten; und während das Gen-Zeitalter<br />
anbricht und die völlige Machbarkeit des Menschen <strong>sich</strong> anbahnt, sollen<br />
Häuser so aussehen, als sei nichts gewesen. Während man <strong>sich</strong> also<br />
mit der technisch-wissenschaftlichen M<strong>oder</strong>nisierung abgefunden hat,<br />
da diese allgemein als schicksalhaft und unaufhaltsam gilt, verlangt man<br />
von den Künsten, dass sie <strong>sich</strong> abkoppeln und der Krisenreparatur und<br />
Krisenprävention verschreiben: Sie sollen also die Innovationen der Technik<br />
und Wissenschaft vom Nachweis ihrer Kulturverträglichkeit entlasten.<br />
Erwartet wird von ihnen nicht Kritik, sondern Kompensation, damit <strong>sich</strong> der<br />
Fortschritt nicht länger der Frage stellen muss, ob er denn der Entwicklung<br />
von Humanität und individueller Freiheit eigentlich dienlich ist.<br />
In diesem Sinne wünscht man <strong>sich</strong> auch die Architekten als Fluchthelfer, die<br />
einen dorthin entführen, wo das Leben noch über<strong>sich</strong>tlich, klar gefügt und<br />
dauerhaft ist. Nur wenn uns die Künste stabile Wahrheiten bieten, können wir<br />
die Instabilität des Neoliberalismus ertragen; wenn die Krise schon sozial nicht<br />
zu bewältigen ist, dann soll die Kultur sie zumindest abfedern; <strong>Architektur</strong> soll<br />
heilen in heilloser Zeit – dies ist die Logik, der viele Neohistoristen folgen.<br />
Dass <strong>sich</strong> die Architektenschaft in ihrer Mehrheit an diesem Eskapismus<br />
nicht beteiligen möchte, finde ich durchaus verständlich.<br />
Die Frage ist nur: Was folgt daraus? Ist es richtig, die wachsende Skepsis,<br />
die durch die Neohistoristen geschürt wird, einfach zu ignorieren? Zumindest<br />
halte ich es für einen kapitalen Fehlschluss, die berechtigte Kritik an den<br />
Retroarchitekten als eine Rechtfertigung des eigenen, m<strong>oder</strong>nen Bauens<br />
zu verstehen. Im Gegenteil: Glaubhaft werden die M<strong>oder</strong>nisten nur dann<br />
den wachsenden Wettbewerb mit der neuen Geschichtsseligkeit bestehen<br />
Vortrag<br />
Hat die <strong>Architektur</strong> noch eine Zukunft?<br />
Dr. Hanno Rauterberg
Vortrag<br />
Hat die <strong>Architektur</strong> noch eine Zukunft?<br />
Dr. Hanno Rauterberg<br />
können, wenn sie ihr Selbstverständnis neu überdenken und ihre eigenen<br />
Wertmaßstäbe <strong>off</strong>enlegen. Sie werden, davon bin ich überzeugt, just das<br />
beherzigen müssen, was sie bei den Traditionalisten so sehr vermissen:<br />
Ehrlichkeit und Selbstkritik. Und mit dieser Ehrlichkeit und Selbstkritik möchte<br />
ich im Folgenden beginnen.<br />
Von beidem war ja bislang nur wenig zu bemerken. Lieber rufen Architekten<br />
nach der Volkserziehung, nach mehr Bildung und Öffentlichkeitsarbeit, lieber<br />
fordern sie eine Groß<strong>off</strong>ensive der Politik, ein eigenes <strong>Architektur</strong>ministerium,<br />
um die Baukultur wieder zu einem gesamtgesellschaftlichen Thema zu machen,<br />
statt selbst einmal zu erklären, was denn das Gute am guten Bauen eigentlich<br />
ist. Nie wird dargelegt, worin der Mehrwert von <strong>Architektur</strong> tatsächlich<br />
besteht. Verbessert <strong>sich</strong> denn das Leben einer Durchschnittsfamilie, wenn<br />
sie aus ihrem Durchschnittsfertighaus auszieht und in ein Durchschnittsarchitektenhaus<br />
übersiedelt? Und was genau ist es, das <strong>sich</strong> da verbessert?<br />
Abstrakter gefragt: Gibt ist so etwas wie <strong>Architektur</strong>psychologie? Wenn ja,<br />
wie funktioniert sie? Kann man mit einem Haus tatsächlich einen Menschen<br />
foltern, ihn gar erschlagen, <strong>oder</strong> ist <strong>Architektur</strong> nur etwas für die verfeinerten<br />
Geschmäcker? Wer leidet denn unter den Einfamilienhauswüsten, unter den<br />
hingewürfelten Gewerbegebieten, unter den künstlichen Einkaufsparadiesen<br />
– sind es am Ende nur die Architekten?<br />
Über alle diese Fragen nach den Grundlagen des eigenen Tuns wird in der<br />
Architektenschaft, so habe ich den Eindruck, nur äußerst selten gesprochen:<br />
Lieber hadert man mit der allgemeinen Geschmacklosigkeit, als den eigenen<br />
Geschmack zu diskutieren. Von Qualität ist zwar viel die Rede, doch völlig<br />
unklar ist, was dieses Wörtchen denn bedeutet.<br />
Gewiss, rein formal lässt <strong>sich</strong> auf Firmitas, Utilitas und Venustas verweisen:<br />
Jedes Gebäude sollte regen- und winddicht sein, Dach und Mauern dürfen<br />
nicht wackeln, auch der Umwelt sollte ein Hausbau nicht allzu viel aufbürden.<br />
Doch über die <strong>Architektur</strong> selbst, über ihre Ästhetik, ist damit noch nichts<br />
gesagt: Muss sie schön sein? Oder aber kritisch? Soll sie provozieren?<br />
Darf sie narrativ und bilderreich daherkommen? Oder ist Minimalismus viel<br />
besser? Und was eigentlich bedeutet das: zeitgenössisch bauen? Das sind<br />
die Fragen, die meiner Meinung nach viel zu selten gestellt werden.<br />
Statt dessen hört man ein kategorisches: „Es gibt kein zurück!“ Das ist<br />
einer der Kernsätze, auf die <strong>sich</strong> die meisten Architekten immer noch gerne<br />
berufen. Doch klingt dieses Credo heute ange<strong>sich</strong>ts der Gleichzeitigkeit<br />
des Ungleichzeitigen, ange<strong>sich</strong>ts der immer rascher wechselnden Trends,<br />
der wilden Kompilationen in Mode, Kunst und Populärmusik längst nicht<br />
mehr so markig und überzeugend wie noch vor 80 Jahren. Zwar lassen<br />
<strong>sich</strong> die Kompensationsstrategien der Historisten mit guten Argumenten<br />
kritisieren, doch wäre es naiv, deswegen das Neue prinzipiell dem Alten<br />
vorzuziehen. Immer noch gilt unter Architekten, dass Innovation besser<br />
sei als Tradition, Glas irgendwie zeitgemäßer als Stein, ein Flachdach<br />
progressiver als ein Satteldach, eine Panoramascheibe zukunftsweisender<br />
als ein Sprossenfenster. Doch lässt <strong>sich</strong> anhand von Form und Material<br />
längst nicht mehr eindeutig entscheiden, ob ein Gebäude rückwärtsgewandt<br />
ist <strong>oder</strong> gegenwartsbezogen.<br />
Zumindest hat der alte Gegensatz von Rückschritt und Fortschritt viel von<br />
seiner Strahlkraft eingebüßt und man muss schon sehr genau hinsehen,
um das eine wirklich vom anderen unterscheiden zu können. Längst hat<br />
<strong>sich</strong> unsere Gesellschaft daran gewöhnt, dass auch das Unzeitgemäße<br />
sehr zeitgemäß sein kann. Und so präsentiert <strong>sich</strong> denn zum Beispiel das<br />
aktuelle Möbel- und Autodesign mit seinen Anspielungen auf die siebziger<br />
Jahre zugleich retrospektiv und futuristisch, nostalgisch und zukunftsfroh.<br />
Vor gar nicht allzu langer Zeit wurde ein Hightech-Oldtimer von Rolls-Royce<br />
vorgestellt. Das Modell – Basispreis 380000 Euro – sieht so bullig aus wie<br />
seine Vorgänger, besitzt aber natürlich Satellitennavigation und ähnliche<br />
technische Raffinessen, gut verborgen hinter Edelholzfurnieren. Niemand<br />
scheint <strong>sich</strong> an dieser absurden Doppelcodierung sonderlich zu reiben.<br />
Offenbar sind es nur noch Architekten, denen es merkwürdig vorkommt,<br />
Hightech-Oldtimer zu bauen, also Neorenaissance-Giebel mit m<strong>oder</strong>nsten<br />
Dämmplatten zu hinterfüttern. Sie halten unverdrossen Begriffe wie<br />
Authentizität und Eigenständigkeit als Zentralwerte in Ehren. Ein Großteil der<br />
Bevölkerung indes ist da weniger streng. Gerade die erwähnten Diskussionen<br />
um die Wiederentstehung längst verschwundener Gebäude haben gezeigt,<br />
dass die Skrupel, das Gewesene zu wiederholen, fast ganz verschwunden<br />
sind. Schließlich spiegele <strong>sich</strong> doch auch in einer Rekonstruktion der<br />
authentische Ausdruck einer Zeit, argumentieren die findigen Befürworter.<br />
Lüge, Fake und Simulation sind selbstverständlicher Teil der Alltagsästhetik,<br />
so dass auch der Begriff Kulisse nicht unbedingt mehr als Schimpfwort<br />
verwendet wird; zu Recht übrigens, denn immer schon wurden Fassaden<br />
auch als Ge<strong>sich</strong>ter und Masken begriffen – <strong>Architektur</strong> war immer auch die<br />
Kunst des Theatralischen.<br />
Und eigenständig? Warum sollte jedes Gebäude seinen unverwechselbaren,<br />
der Gegenwart verpflichteten Charakter besitzen? Leiden unsere Städte<br />
nicht unter den vielen <strong>Architektur</strong>-Autisten, die rück<strong>sich</strong>tslos nur <strong>sich</strong><br />
selbst verwirklichen? Sollte man <strong>sich</strong> also nicht die Vergangenheit zum<br />
Vorbild nehmen, wo die Unterordnung des einzelnen unter ein Ganzes noch<br />
selbstverständlich war? So fragen keineswegs nur die Neotraditionalisten,<br />
auch bei vielen anderen hört man den Ruf nach einer Alltagsarchitektur, die<br />
wieder den Typus pflegt und das Gemäßigte, ja das Normale will.<br />
Worauf gründen also die Architekten ihren Begriff von Qualität, wenn nicht<br />
auf das Authentische, das Zeitgemäße, das Eigenständige? Viele versuchen<br />
es mit dem Wahrhaftigen und widmen <strong>sich</strong> ganz den Materialien und<br />
Konstruktionen. Dabei bewegen sie <strong>sich</strong> ihrerseits in einer Tradition, wie sie<br />
zum Beispiel schon von Bruno Taut gepflegt wurde, der die “Sauberkeit und<br />
Glätte des ganzen Hauskörpers” zu seinem Ziel erklärt hatte. Das Uneindeutige<br />
und Überflüssige, das Sentimentale und Unfertige hat in dieser <strong>Architektur</strong><br />
keinen Ort, sie möchte die perfekte, die reinliche und abschließende Lösung.<br />
Bekanntermaßen handelt es <strong>sich</strong> bei dieser Reduktion auf das Wesentliche<br />
und Unverzichtbare um einen Topos, der bis auf Alberti zurückgeht. Und doch<br />
ist die Popularität dieser Bauten, die nichts dem Zufall überlassen und alles<br />
geregelt sehen wollen, wohl nie so groß gewesen wie heute – wohlgemerkt<br />
unter Architekten. Dem verbreiteten Bedürfnis nach Behaglichkeit setzen sie<br />
die Alternative einer ehrlichen Nacktheit entgegen und wollen durch ihren<br />
Purismus eine wohltuende Leere eröffnen und gedankliche Klarheit erst<br />
ermöglichen.<br />
Diesem Anspruch auf Ehrlichkeit und Askese verdanken <strong>sich</strong> die<br />
Vortrag<br />
Hat die <strong>Architektur</strong> noch eine Zukunft?<br />
Dr. Hanno Rauterberg
Vortrag<br />
Hat die <strong>Architektur</strong> noch eine Zukunft?<br />
Dr. Hanno Rauterberg<br />
wunderbarsten Baukunstwerke, das will ich gar nicht bestreiten, auch wenn<br />
diese in Wahrheit natürlich keineswegs ehrlich und asketisch sind. Denn es<br />
ist ja eine sehr aufwendige Einfachheit, die dort entsteht: Der Reduktion, so<br />
könnte man sagen, geht eine gewaltige Induktion voraus, eine Aufladung, die<br />
dem eigentlich unbedeutenden Detail zu ungemeiner Bedeutung verhilft. Das<br />
vermeintlich Funktionale eines Handlaufs <strong>oder</strong> Fensterrahmens bekommt<br />
durch den enormen gestalterischen Aufwand die Züge eines Ornaments,<br />
eines minimalistischen Dekors. Nicht Ehrlichkeit prägt also diese <strong>Architektur</strong>,<br />
sondern Understatement, nicht Askese, sondern Verschwendung. Und sie ist<br />
damit nicht weniger fetischverliebt als die Bauten der Neotraditionalisten, mit<br />
dem einzigen Unterschied, dass die einen Ziegelmauerwerk und die anderen<br />
Sichtbeton zu ihrem Inbild einer besseren Baukunst machen.<br />
Keineswegs will ich bestreiten, dass eine Ästhetik der Reduktion mit ihren<br />
Bauten aus Stahl, Glas <strong>oder</strong> Holz gerade dem geschulten Auge weit mehr<br />
zu bieten vermag, als ein phrasenhafter Historismus. Gleichwohl seien die<br />
Architekten gewarnt, <strong>sich</strong> in einer Diskussion über die Qualitäten ihrer<br />
Häuser auf einen moralischen Standpunkt zurückzuziehen und <strong>sich</strong> auf die<br />
größere Wahrhaftigkeit zu berufen. Ihre Sichtbetonwände mögen ihnen<br />
selbst zwar als schön und richtig erscheinen – doch leitet <strong>sich</strong> daraus nicht<br />
das Recht ab, den eigenen Geschmack zu verallgemeinern und auch anderen<br />
eine schlackenlose <strong>Architektur</strong> zu verordnen. Zumal man den Vertretern des<br />
Purismus die gleiche Frage stellen muss wie den Retroarchitekten: Was<br />
denn eine <strong>Architektur</strong> der Wesentlichkeit heute noch sein kann, wo wir doch<br />
eine ständige Umwertung aller Werte erleben? Spricht nicht auch aus dem<br />
Reduktionismus die H<strong>off</strong>nung auf eine zeitlose <strong>Architektur</strong>, sucht nicht auch<br />
sie nach dem Eigentlichen und will zurück zu einem Ewiggültigen?<br />
Der Unterschied zwischen einem guten und einem schlechten Bauwerk ist<br />
also <strong>off</strong>enbar, wenn ich dieses kleine Zwischenfazit ziehen darf, nur schwer<br />
zu definieren. Und diese Unbestimmtheit ist es, die viele fatale Konsequenzen<br />
zeitigt: Die Architektenschaft nämlich, die eigenen Un<strong>sich</strong>erheiten spürend,<br />
schottet <strong>sich</strong> ab und spricht am liebsten mit <strong>sich</strong> selbst. Die Bauherren<br />
setzen vor allem auf Wirtschaftlichkeit und technische Funktionalität, mithin<br />
auf Faktoren, die <strong>sich</strong> in Zahlen fassen lassen. Und der Rest der Welt? Der<br />
übt <strong>sich</strong> in Ignoranz – und scheint damit nicht unglücklich zu sein.<br />
Um so bedrohlicher ist es, dass ausgerechnet die Historisten mit ihren klaren<br />
Freund-Feind-Bildern an Rückhalt gewinnen. Während <strong>sich</strong> die m<strong>oder</strong>nen<br />
Architekten von der Rolle des H<strong>off</strong>nungsträgers und Visionärs immer mehr<br />
verabschieden, da ihre H<strong>off</strong>nung, durch besseres Bauen auch eine bessere<br />
Gesellschaft errichten zu können, viel zu oft enttäuscht worden ist, zeigen die<br />
Neotraditionalisten keine Scheu, ihre <strong>Architektur</strong> auch als Glücksversprechen<br />
anzupreisen und eine “Heilung der Städte” (Friedrich Dieckmann) und des<br />
Gemeinwesens zu verheißen. Sie fordern eine konventionelle <strong>Architektur</strong><br />
– und damit implizit auch eine Konvention für unsere Gesellschaft, eine<br />
neue verbindliche Werteordnung. Mithin könnte man die Historisten als die<br />
wahren M<strong>oder</strong>nen von heute bezeichnen: So wie die <strong>Architektur</strong>heroen des<br />
Neuen Bauens am Anfang des 20. Jahrhunderts gerieren <strong>sich</strong> heute die<br />
Retroarchitekten als unterdrückte Minderheit, sie meinen die eigentlichen<br />
Bedürfnisse des Volkes zu kennen und wollen sie erfüllen, sie glauben mit<br />
großer Verbissenheit daran, das einzig richtige Rezept gefunden zu haben
und fordern das Gute für alle, eine Standardisierung des Glücks.<br />
Was also bleibt den Studenten und Architekten, denen, die weiterhin an<br />
ein aufgeklärtes, an ein selbstkritisches Bauen glauben wollen? Was bleibt<br />
Ihnen, die als <strong>Architektur</strong>studenten <strong>sich</strong> das Berufsfeld erst noch erobern<br />
müssen?<br />
Natürlich könnten alle weitermachen wie bisher. Sie könnten <strong>sich</strong> damit<br />
begnügen, als bauende Elite den eigenen Regeln treu zu bleiben und weiterhin<br />
auf kunstsinnige Bauherren zu h<strong>off</strong>en. Natürlich können sie auch das Feld des<br />
Eigenheimbaus weiterhin den Fertighausfirmen überlassen, die ja den Markt<br />
zu 98 Prozent beherrschen. Wenn sie indes mehr wollen, wenn sie <strong>sich</strong><br />
mit einer Minderheitenrolle nicht zufrieden geben und neue gesellschaftliche<br />
Bedeutung gewinnen möchten, dann, so glaube ich, werden sie von just jenen<br />
Bedürfnissen lernen müssen, die <strong>sich</strong> im Neohistorismus formulieren. Erst<br />
in der Auseinandersetzung mit den Erwartungen eines großen Publikums<br />
kann <strong>sich</strong> erweisen, ob die eigenen Begriffe und Vorstellungen noch tauglich<br />
sind. Ob die m<strong>oder</strong>ne <strong>Architektur</strong> erhebt, ermuntert, erfreut – <strong>oder</strong> ob ihre<br />
subtilen Anspielungen nur noch den Fachmann erreichen.<br />
Was gefragt wäre, ist also eine neue Bescheidenheit einerseits, und die<br />
Öffnung ins Unbekannte anderseits, um es plump zu sagen – und es gibt diese<br />
Öffnung ja auch in der spielerischen Praxis mancher junger Büros durchaus,<br />
das erwähnte ich schon. Ein Großteil der Architektenschaft allerdings wähnt<br />
<strong>sich</strong> noch immer, wenn auch unausgesprochen, als Avantgarde, immer noch<br />
lebt die von der Athener Charta formulierte Vorstellung fort, dass es der<br />
Architekt sei, der “die vollkommenste Kenntnis vom Menschen” besitze.<br />
Immer noch pflegt man das Gefühl der Überlegenheit und verhöhnt alles<br />
Populäre. Die Hundertwassers, Hellers und Rizzis werden wie die ärgsten<br />
Feinde bekämpft, man missgönnt ihnen Erfolge wie die in Braunschweig <strong>oder</strong><br />
Uelzen, statt diese Erfolge als Symptom zu begreifen. Ich glaube ja in der<br />
Tat, dass eine genauere Beobachtung dieser bauenden Varieté-Künstler zu<br />
der Erkenntnis verhelfen könnte, dass <strong>off</strong>enbar sehr viele Menschen das<br />
Bedürfnis verspüren, <strong>sich</strong> von der <strong>Architektur</strong> beleben und begeistern zu<br />
lassen – dass sie von ihr angesehen werden wollen.<br />
Jedem Architekten steht es <strong>off</strong>en, diese Empfindungen vieler Laien, die <strong>sich</strong><br />
meist auf die Temperatur eines Gebäudes, auf seine Atmosphäre beziehen, als<br />
unqualifiziertes Gefühlsgedusel abzutun – <strong>oder</strong> es ernst zu nehmen, um auch<br />
selbst wieder ernst genommen zu werden. Zumindest für diejenigen, die <strong>sich</strong><br />
immer noch als Universalisten verstehen, sollte es eine Selbstverständlichkeit<br />
sein, <strong>sich</strong> gelegentlich auch in die Rolle des <strong>Architektur</strong>dilettanten zu<br />
versetzten. Die Regel ist ein solches Einfühlungsvermögen indes nicht.<br />
Immer noch lebt das Vermächtnis von Mies van der Rohe, der <strong>sich</strong> als<br />
Erzieher seiner Auftraggeber verstand und deren Möbel gerne am Boden<br />
angeschraubt hätte, um die Kontrolle der Architekten zu wahren. Solches zu<br />
fordern, würde heute niemand mehr wagen – doch ergeht man <strong>sich</strong> weiter<br />
genüsslich darin, über spießige Topfpflanzen, über Troddelgardinen und mit<br />
Postern zugeklebte Bürotüren zu lästern.<br />
Doch eine Architektenschaft, die tatsächlich den Dialog mit den<br />
Normalmenschen suchte, würde nicht länger darüber klagen, dass ihre<br />
Bauten nicht genügend beachtet und bewundert werden und sie in den<br />
Medien nur vergleichsweise selten vorkommen. Statt dessen begänne sie<br />
Vortrag<br />
Hat die <strong>Architektur</strong> noch eine Zukunft?<br />
Dr. Hanno Rauterberg
Vortrag<br />
Hat die <strong>Architektur</strong> noch eine Zukunft?<br />
Dr. Hanno Rauterberg<br />
damit, <strong>sich</strong> verwundert zu fragen, warum eigentlich ein bestimmter Teil der<br />
„Baupublizistik“ durchaus beachtliche Erfolge verbucht. Erstaunt stellten sie<br />
fest, dass <strong>sich</strong> Zeitschriften wie „Schöner Wohnen“ <strong>oder</strong> „Haus und Garten“<br />
blendend verkaufen und alle paar Wochen ein neues Indoor- und Lifestyle-<br />
Magazin gegründet wird? Die Menschen interessieren <strong>sich</strong> <strong>off</strong>enbar sehr<br />
für Gestaltung, für Räume, für ihr Umfeld. Nur merkwürdigerweise erlischt<br />
ihre Neugier, sobald sie Haus und Wohnung verlassen. Bezeichnend für<br />
diese Schizophrenie ist der Erfolg eines Titels wie „<strong>Architektur</strong> und Wohnen“.<br />
Niemand käme auf die Idee, eine Zeitschrift „Weinflasche und Trinken“, „Buch<br />
und Lesen“, „Auto und Fahren“ zu nennen – bei der <strong>Architektur</strong> allerdings wird<br />
die Trennung zwischen Hülle und Inhalt, zwischen Haus und Leben <strong>off</strong>enbar<br />
bereitwillig akzeptiert.<br />
Die bauende Zunft tut hingegen gerne so, als sei die <strong>Architektur</strong> etwas<br />
Unumgängliches, eine Kunst, um die niemand herumkomme, weil sie anders<br />
als Literatur <strong>oder</strong> Musik unseren Alltag präge. Die Wirklichkeit sieht indes<br />
anders aus, denn den meisten Menschen halten ihre gebaute Umwelt für<br />
unbeeinflussbar und somit auch für uninteressant. Allenfalls nehmen sie das<br />
wahr, was neu und noch nicht bekannt ist, der Rest verschwimmt zur diffusen<br />
Kulisse. Stur trotten die Menschen an der <strong>Architektur</strong> vorbei, und wenn sie<br />
<strong>sich</strong> dann doch einmal einer Bürgerbewegung anschließen, dann wendet <strong>sich</strong><br />
diese, so zeigt es die Erfahrung, in den allermeisten Fällen gegen etwas:<br />
gegen die Größe eines Gebäudes <strong>oder</strong> gegen dessen künftige Nutzung; um<br />
Gestaltungsfragen scheint <strong>sich</strong> hingegen kaum jemand zu scheren.<br />
Woran mag das liegen? Und wichtiger noch: Wie lässt <strong>sich</strong> das ändern?<br />
Wie kann die <strong>Architektur</strong> in den Bilderfluten unserer medialen Gesellschaft<br />
auf <strong>sich</strong> aufmerksam machen – ohne dabei zum Logo zu verkommen und nur<br />
noch als Werbeträger zu dienen? Auf diese Zukunftsperspektiven möchte ich<br />
nun im letzten Teil meines Vortrags eingehen – die Krisensymptome habe ich<br />
<strong>off</strong>engelegt. Nun stellt <strong>sich</strong> die Frage nach der Therapie.<br />
Selbstverständlich darf es für die Architekten nicht darum gehen, <strong>sich</strong> zum<br />
Medium der schnellen Moden zu machen. Und niemand würde ernsthaft<br />
fordern, nun Hundertwasser zur neuen Leitfigur auszurufen. Doch erst wenn<br />
die Architekten <strong>sich</strong> nicht mehr als Stilpolizisten aufspielen und <strong>sich</strong> nicht<br />
länger als Märtyrer einer architekturungläubigen Zeit in eine selbstgewählte<br />
Isolation zurückziehen, erst dann wird es ihnen gelingen, die eigene Rolle<br />
wieder lebendig und <strong>off</strong>ensiv zu gestalten.<br />
Zu einer solchen Neudefinition des eigenen Tuns gehörte dann auch, <strong>sich</strong><br />
selbst nicht länger nur als Fachleute vom Bau zu verstehen, sondern<br />
auch in den großen allgemeinen Diskussionen unserer Zeit die Stimme zu<br />
erheben. Es ist durchaus bezeichnend, dass man die Kunst des Essays, die<br />
argumentierende Stellungnahme lieber anderen überlässt. Unser Umgang mit<br />
der Geschichte? Die Partikularisierung der Gesellschaft? Eine <strong>sich</strong> anbahnende<br />
Reproduzierbarkeit des Menschen? Das sind Fragen, deren ethische<br />
Komplexität man lieber meidet. Sicher ist der Einwand berechtigt, dass die<br />
Architekten von diesen Dingen wenig verständen und deshalb Zurückhaltung<br />
angebracht sei. Vertreter anderer Kunstgattungen allerdings, vor allem<br />
die der Literatur <strong>oder</strong> des Theaters, fühlen <strong>sich</strong> durchaus berufen, auch in<br />
fremde Terrains vorzustoßen und den eigenen Horizont zu überschreiten. Sie<br />
nutzten die Feuilletons der Republik als Resonanzraum, wenn nicht sogar als
Podium – und üben <strong>sich</strong> in gesellschaftlicher Selbstverständigung. Von den<br />
Architekten hingegen war selbst in der Debatte um das Holocaust-Mahnmal<br />
<strong>oder</strong> in der Denkmalschutzdiskussion nur wenig zu hören, denn lieber übt<br />
man <strong>sich</strong> in Lakonie und Zynismus, als in Feuereifer und Kampfeslust.<br />
Doch nicht nur in den politischen Arenen müssten die Architekten wieder<br />
stärker in Erscheinung treten. Auch die ästhetische Auseinandersetzung<br />
bedürfte einer Wiederbelebung, <strong>off</strong>en müsste über die eigenen Wertbegriffe<br />
gestritten werden. Auch die Jungen, die gern als Off-Architekten apostrophiert<br />
werden, haben mit den Fragen nach Form nur selten etwas im Sinn. Auf – wie<br />
ich finde imponierende Weise – nutzen sie das Prozessuale und Aktionistische,<br />
um zu einer neuen Alltagsnähe zu gelangen und den klassischen Anspruch<br />
der Architekten auf Ewigkeit zu unterlaufen. Gleichwohl wird dabei auch die<br />
Frage nachdem, was am Ende stehen soll, nach dem was bleibt und dann als<br />
<strong>Architektur</strong> erlebbar ist, gern umgangen. Man weicht den Grundsatzdebatten<br />
über die ästhetischen, die formalen Qualitäten der <strong>Architektur</strong> lieber aus,<br />
und nur deshalb übrigens konnte Hans Kollh<strong>off</strong> in jüngster Zeit mit seinen<br />
Forderungen nach mehr Gemütlichkeit in der <strong>Architektur</strong> soviel Aufsehen<br />
erregen. Flugs wurde der Berliner Architekt zum neokonservativen<br />
Außenseiter stigmatisiert, statt die Verun<strong>sich</strong>erung, die er auslöste, als<br />
Impuls zu begreifen.<br />
Ähnlich wird auch die Sehnsucht nach Schönheit, diese viel beschworene,<br />
eher verlacht, denn hinterfragt. Dabei würde es <strong>sich</strong> durchaus lohnen, einmal<br />
zu ergründen, ob denn tatsächlich die meisten Menschen das Vertraute,<br />
das Kleinteilige und Spielerische als schön empfinden. Gibt es wirklich, wie<br />
gerne behauptet wird, einen Archetypus des Schönen, eine dem Menschen<br />
eingebrannte Idealvorstellung der Welt? Meint Schönheit nur die Oberfläche<br />
<strong>oder</strong> ist sie auch, was mir deutlich lieber wäre, der Ausdruck eines Inhalts,<br />
der Gestalt annimmt?<br />
Bei einer Debatte solcher Fragen würde man rasch feststellen, dass auch<br />
das Selbstverständnis der Architekten nicht ausgespart bleiben kann. Im<br />
Nachdenken über die eigenen Werte und Maßstäbe wäre er gezwungen,<br />
auch sein Menschenbild <strong>off</strong>en zu legen und die eigenen Ziele zu definieren. Er<br />
könnte nicht länger nur über das „Wie sollen wir bauen?“ streiten, sondern<br />
wird das „Warum sollen wir bauen?“ zum Ausgangspunkt seiner Überlegungen<br />
machen. Und genau darin sehe ich eine große Chance für alle Architekten,<br />
die <strong>sich</strong> der M<strong>oder</strong>ne noch verpflichtet fühlen.<br />
Von einer „inneren Bedeutung“, die für die <strong>Architektur</strong> zurückgewonnen<br />
werden müsste, sprechen zwar auch die Historisten. Doch versuchen ihre<br />
Bauten diese neue Wertigkeit durch alte Formen wiederzugewinnen, so als<br />
könnte man einen Inhalt erschaffen, indem man eine Hülle für diesen erfindet.<br />
Vergleichbaren Argumentationsmustern sind leider viele M<strong>oder</strong>nisten ebenfalls<br />
verfallen, auch sie hängen dem Irrglauben an, es sei vor allem das Aussehen<br />
eines Gebäudes, das über dessen Qualität entscheide. Dabei könnten sie<br />
<strong>sich</strong> ohne weiteres – anders als die Neotraditionalisten, die ganz auf ihre<br />
historischen Formfibeln fixiert sind – von diesen Stilgefechten verabschieden.<br />
Sie müssten dafür nur die eigentliche Leitidee der M<strong>oder</strong>ne reaktivieren und<br />
wieder zu ihrem Hauptanliegen machen: die Frage nach der Funktion.<br />
Damit meine ich natürlich nicht, die Fehleinschätzungen der Klassischen<br />
M<strong>oder</strong>ne zu wiederholen und unter Funktionalität nur das Rationale und<br />
Vortrag<br />
Hat die <strong>Architektur</strong> noch eine Zukunft?<br />
Dr. Hanno Rauterberg
Vortrag<br />
Hat die <strong>Architektur</strong> noch eine Zukunft?<br />
Dr. Hanno Rauterberg<br />
Berechenbare zu verstehen. Zur Funktion guter <strong>Architektur</strong> gehört ja eben<br />
auch, dem Irrationalen seinen Raum zu geben – Häuser zu bauen, die nicht<br />
unbedingt gemütlich, in jedem Falle aber gemütvoll sein müssen. Wenn die<br />
Architektenschaft <strong>sich</strong> nicht weiter wegducken und den Historisten und<br />
Billighausanbietern das Feld überlassen will, dann wären also zwei Strategien<br />
sinnvoll: Sie muss erstens für die eigenen Überzeugungen <strong>off</strong>ensiv werben.<br />
Und sie muss zweitens die Überzeugungen der anderen <strong>off</strong>ensiv einbinden.<br />
Oft hört man das Argument, die Bauten sprächen doch für <strong>sich</strong> und seien<br />
in ihrer Wirkung also Werbung genug. Aber für wen <strong>oder</strong> was eigentlich<br />
sollen Gebäude einstehen, wo sie doch völlig anonymisiert die Straßen der<br />
Städte säumen? Anders als der gewöhnliche Maschendrahtzaun <strong>oder</strong> das<br />
Werbeplakat am Straßenrand trägt die <strong>Architektur</strong> nicht den kleinsten Hinweis,<br />
wer sie in wessen Auftrag entwarf und baute. Warum ist es nicht längst<br />
Vorschrift, dass bei jedem Gebäude am Eingang ein kleines Täfelchen hängt,<br />
wem man eigentlich für die Schönheit danken, wen man für die Scheußlichkeit<br />
verfluchen darf? Warum ist die öffentlichste aller Künste in Wahrheit die<br />
verschwiegendste? Neuerdings vertreibt das Deutsche <strong>Architektur</strong> Museum<br />
in Frankfurt eine solche Plakette, und für die Initiative darf und muss man<br />
dankbar sein. Warum das Schildchen allerdings 350 Euro kosten soll, bleibt<br />
mir unverständlich. Wohl die wenigsten werden bereit sein, wo doch überall<br />
am Bau gespart wird, diese Sonderkosten auf <strong>sich</strong> zu nehmen. Da wären<br />
meiner Meinung nach die Kammern gefragt, sie könnten eine solche Plakette<br />
sponsern <strong>oder</strong> sie zur Pflichtmaßnahme erklären. Ansonsten, so fürchte ich,<br />
wird die Mehrzahl der Bauten weiterhin namenlos bleiben.<br />
Denn, so zeigt es <strong>sich</strong>, viel zu selten treten die Architekten für <strong>sich</strong> selber<br />
ein, viel zu wenig machen sie von <strong>sich</strong> reden – durch Zeitungsanzeigen,<br />
durch Führungen, durch Einladungen zu <strong>off</strong>ener Kritik. Häufig vernimmt<br />
man die Klage, dass vor allem in den Regionalzeitungen zu selten über das<br />
aktuelle Baugeschehen berichtet werde; wenn überhaupt, dann würde einzig<br />
über Abschreibungsbetrug <strong>oder</strong> Baumängel geschrieben, die Namen der<br />
Planungsbüros tauchten höchstens am Rande einmal auf. Natürlich ist diese<br />
Klage berechtigt, doch fällt sie auf die Architekten selbst zurück. Denn so wie<br />
es dem Bürger schwer gemacht wird, einen Weg in die Baukunst zu finden,<br />
so ist auch für viele Zeitungsredakteure die <strong>Architektur</strong> nur eine schwer<br />
greifbare Angelegenheit. Von jedem Theater, jeder Galerie, jedem Buchverlag<br />
werden sie mit Pressemitteilungen überschüttet, sie werden angerufen und<br />
eingeladen, man wirbt um sie. Die Architekten hingegen sind zwar von <strong>sich</strong><br />
selber eingenommen, aber nicht wirklich von <strong>sich</strong> überzeugt – denn wie sonst<br />
sollte man es erklären, dass sie <strong>sich</strong> normalerweise bedeckt halten und nur<br />
ganz selten einmal den Kontakt suchen? Insgeheim scheinen sie die Kritik zu<br />
fürchten, vor allem die eines Normalredakteurs, dem die Regeln und Begriffe<br />
des Eingeweihten nicht vertraut sind, der einfach schreibt, was er so sieht<br />
und empfindet. Da nimmt man es lieber in Kauf, dass gar nichts in den<br />
Zeitungen erscheint – und mault dann darüber.<br />
Aber nicht nur die Medien ließen <strong>sich</strong> viel stärker als Forum nutzen, um<br />
die Wahrnehmung von <strong>Architektur</strong> zu stärken, auch das Wettbewerbswesen<br />
könnte man als eine Möglichkeit begreifen, die Laien zu interessieren und<br />
zu integrieren. Theoretisch sind ja die meisten Ausschreibungen öffentlich<br />
und jeder, der <strong>sich</strong> informieren wollte, könnte <strong>sich</strong> auch informieren. De
facto aber dienen Wettbewerbe fast ausschließlich dem Berufsstand der<br />
Architekten und den Bedürfnissen der Auslober – die Allgemeinheit wird<br />
allenfalls in Kenntnis gesetzt, wenn die Entscheidungen bereits gefallen sind.<br />
Bei geladenen Konkurrenzen werden meist nur die üblichen Verdächtigen zur<br />
Teilnahme aufgefordert, und auch in den Jurys finden <strong>sich</strong> in aller Regel die<br />
vertrauten Ge<strong>sich</strong>ter. Die Kommunalpolitiker, die ebenfalls geladen werden,<br />
sollen zwar die Interessen der Bürger vertreten, doch nur sehr selten treten<br />
sie tatsächlich als Vermittler <strong>oder</strong> M<strong>oder</strong>atoren auf.<br />
Weshalb ist es nicht möglich, in diese Jurys mehrere Laien zu berufen, so<br />
wie man vor Gericht auch Schöffen bei bestimmten Verfahren einbezieht,<br />
um zu einem gerechten Urteil zu gelangen? Warum stellt man die Entwürfe<br />
der letzten Runde nicht öffentlich aus und hält ein Gästebuch parat, in dem<br />
<strong>sich</strong> zumindest ein Stimmungsbild der Bevölkerung abzeichnen könnte? Hat<br />
man Angst vor ihr? Falls nicht, was ich h<strong>off</strong>e, dann ließe <strong>sich</strong> doch erwägen,<br />
dass bei wichtigen Bauvorhaben die Architekten ihren Entwurf in einer Art<br />
öffentlicher Disputation erklären und für ihn werben. Zumindest böte ein<br />
solcher Vortrag die Möglichkeit, die eigenen Kriterien darzulegen und über<br />
die Vorstellungen von Experten wie von Laien kontrovers zu diskutieren.<br />
Sicherlich wäre es unsinnig, künftig nur noch an einer demokratisch<br />
abgefederten, von Volksbefragungen geleiteten <strong>Architektur</strong> zu bauen. Doch<br />
wer <strong>sich</strong> mit dem Hinweis, auch der Architekt sei schließlich ein Künstler und<br />
beanspruche als solcher Autonomie, der Bürgernähe entziehen und dem Dialog<br />
ausweichen möchte, wird <strong>sich</strong> rasch in völliger Weltentrückung wiederfinden.<br />
Spätestens seit Marcel Duchamp hat ja gerade die Kunst ihr Werte-,<br />
Gattungs- und Funktionsverständnis radikal verändert und in vielen Fällen das<br />
autonome Kunstwerk ausgetauscht gegen Konzepte und Strategien; jüngere<br />
Künstler verstehen <strong>sich</strong> mitunter gar als Dienstleister, sie kochen, verkaufen<br />
Gebrauchtkleider <strong>oder</strong> massieren die Füße der Museumsbesucher. Lange<br />
schon haben sie mit der Vorstellung gebrochen, dass Kunst unantastbar zu<br />
sein habe und vor allem über die Aura ihre eigentliche Wirkung entfalte.<br />
Von diesen Künstlern scheinen viele jüngere Architekten <strong>sich</strong> etwas<br />
abzugucken, wie mir scheint und was mich freut. Sie lernen, wie es gelingen<br />
kann, die Rolle des genialischen Schöpfers aufzugeben, die Autorschaft nicht<br />
mehr als Fetisch zu behandeln und den <strong>Architektur</strong>begriff zu erweitern – ohne<br />
dabei die eigene Identität zu verraten und den eigenen Willen abzugeben. Hier,<br />
in der Kunst, lässt <strong>sich</strong> womöglich auch begreifen, was eine <strong>Architektur</strong> im<br />
Konjunktiv sein müsste: Dass es eben nicht darauf ankommt, was ein Haus<br />
zeigt, sondern was es ermöglicht. Die Vorstellung, es gebe eine absolute<br />
Qualität, ist, so fürchte ich, längst passé – Qualität ist immer subjektiv, sie ist<br />
gebunden an das Verhalten, Erleben und Empfinden des einzelnen.<br />
„Das Gelingen und Nichtgelingen eines neuen Stadtquartiers“, schrieb Gerd<br />
Kähler im Hamburger <strong>Architektur</strong>jahrbuch, „hängt von vielen Faktoren ab –<br />
nicht in erster Linie von der <strong>Architektur</strong>.“ Ich fürchte, er hat recht. Die urbanen<br />
Wirkungen der <strong>Architektur</strong> sind in der Regel gering, sie werden auch meist<br />
nicht weiter diskutiert. Immer noch gelten Scharouns Philharmonie und Mies<br />
van der Rohes Nationalgalerie in Berlin als zwei der besten Bauten des 20.<br />
Jahrhundert. Das sind sie auch, zweifelsohne. Nur für den Stadtraum, für den<br />
Kemperplatz, auf dem sie stehen, sind sie keine Jahrhundertlösung. Mit dem<br />
haben sie nämlich kaum etwas zu tun. Sie stehen einfach da wie abgeworfen,<br />
Vortrag<br />
Hat die <strong>Architektur</strong> noch eine Zukunft?<br />
Dr. Hanno Rauterberg
Vortrag<br />
Hat die <strong>Architektur</strong> noch eine Zukunft?<br />
Dr. Hanno Rauterberg<br />
schön, auratisch, den Rest der Welt ignorierend. Ich erzähle Ihnen das, weil<br />
<strong>sich</strong> an diesem Beispiel symptomatisch zeigt, wie welt- und in diesem Fall<br />
stadtvergessen die <strong>Architektur</strong> oft ist. Warum das so ist? Weil <strong>sich</strong> allzuviele<br />
Architekten immer noch als Formenfinder und Wahrzeichner verstehen und<br />
eben nicht als Ermöglicher. Die Zersplitterung unserer Gesellschaft und die<br />
immer vielfältigeren Lebensstile begreifen sie eher als Bedrohung, denn<br />
als Chance. Statt die pluralisierten Bedürfnissen zu erkunden und diesen<br />
eine bauliche Gestalt zu verleihen, statt neue Wohn- und Lebensgrundrisse<br />
zu entwerfen, verharren sie lieber im angestammten Streit der Stile und<br />
begreifen Kammermitgliedschaft und Bauvorlagenberechtigung als Mittel, um<br />
ihre erodierende Macht zu <strong>sich</strong>ern. Fast so, als hätten sie den Glauben an ihre<br />
Bauten längst verloren, als hielten sie die <strong>Architektur</strong> in einer Welt, die <strong>sich</strong><br />
immer stärker über Datenkabel und Bildschirme vermittelt, für eine ohnehin<br />
vergebliche Anstrengung. Doch das ist falsch. Wenn wir in der <strong>Architektur</strong><br />
mehr sehen als nur einen technisch-rationalen Vorgang, dann GIBT es für sie<br />
einen Bedarf, einen, den man gar nicht hoch genug einschätzen kann. Gerade<br />
die Entst<strong>off</strong>lichung der Wirklichkeit, die Virtualisierung, wird das Bedürfnis<br />
nach realen Raum- und Materialerfahrungen wecken und die <strong>Architektur</strong> als<br />
eine Möglichkeit der Wirklichkeits-Erfahrung wieder wichtig werden lassen.<br />
Doch zurücklehnen und abwarten darf <strong>sich</strong> die Architektenschaft nicht:<br />
Erst wenn Aneignung und Anteilnahme, Evaluation und Selbstkritik zu den<br />
Kernbegriffen der <strong>Architektur</strong>debatte werden, erst dann wird das Gestalten,<br />
Planen und Bauen nicht länger nur die Fachzirkel beschäftigen. Der Architekt<br />
von Morgen darf also, um ein Fazit zu ziehen, nicht nur Designer sein, er<br />
sollte <strong>sich</strong> auch als Entwickler, als Kundschafter des Wohnens, als M<strong>oder</strong>ator<br />
und Berater verstehen. Der Eigensinn der Bewohner, selbst ihr Stursinn,<br />
muss ihm das höchste Gut sein, selbst dann, wenn er darunter leidet. Mit<br />
dem Anschrauben von Tischen und anderen Utensilien des täglichen Bedarfs<br />
wird es zumindest nicht getan sein, mit absolutistischen Verfügungsgesten<br />
ist heute nichts mehr festzudübeln und anzunieten. Dafür, um es flapsig zu<br />
sagen, gibt es in Deutschland, diesem Heimwerkerparadies, auch viel zu<br />
viele Akkuschrauber. Selbst ist der Mann, und der Architekt nur Architekt.<br />
Es sei denn, der 4. Juli würde tatsächlich zur Wendemarke. Und gemeinsam<br />
begännen sie zu schrauben und zu werkeln, an einer neuen, einer anderen<br />
<strong>Architektur</strong>. An einer <strong>Architektur</strong>, die das Off ins On trägt, in der <strong>sich</strong> alle<br />
wieder finden, die Laien und die Profis, die Heimwerkler, Geschichtsgründler<br />
und nicht zuletzt auch die Ästheten.
Resümee<br />
DAY OFF! ...<strong>oder</strong> <strong>bewegt</strong> <strong>sich</strong> <strong>Architektur</strong>? 15. Juni 2004<br />
In welcher Welt leben wir und was sind heutzutage noch die planerischen<br />
Aufgaben? Die <strong>Architektur</strong> steht abermals vor enormen gesellschaftlichen,<br />
politischen und ökonomischen Veränderungen, ähnlich denen zu Beginn der<br />
klassischen M<strong>oder</strong>ne, auf die mit den jetzigen planerischen Mitteln keine<br />
Antwort zu finden ist.<br />
Bei den <strong>Architektur</strong>schaffenden ist das Gefühl der Ohnmacht zu erkennen,<br />
Lähmung gegenüber dem schnellen Wandel unserer Zeit, ohne das Bestehen<br />
von H<strong>off</strong>nungen auf die Möglichkeit neue Utopien zu schaffen - bei der<br />
Entwicklung ganz vorne mit dabei zu sein.<br />
Für große Teile der Wirtschaft sind Architekten nur noch aus formaljuristischen<br />
Gründen interessant, da die eigentliche Planung längst von Fachplanern allein<br />
geleistet werden kann. Die öffentliche Hand hat kein Geld mehr und braucht<br />
auch nicht mehr so viel zu bauen und der Einfamilienhaussektor ist zu 98<br />
Prozent in der Hand von Fertighausfirmen.<br />
Die M<strong>oder</strong>ne scheint in ihrer jetzigen Form ausgedient zu haben – es muss<br />
etwas neues her! Aber was? Wieder zurück zu guten alten Zeiten in Form des<br />
aufblühenden Traditionalismus? Die geschundene Seele mit Uromas Fassaden<br />
beruhigen, damit die dahinter rasend fortschreitende Entwicklung übersehen<br />
werden kann? Oder für den Wiederaufbau alter Gebäude plädieren, damit die<br />
Architekten <strong>sich</strong> selber überflüssig machen? Nein!<br />
Das Bild und Selbstverständnis der Architekten muss neu entwickelt werden.<br />
Dazu müssen Dinge ausprobiert werden und zwar ohne Furcht.<br />
Die Angst scheint überall zu sein, auch in der Universität: Verzweifelt<br />
orientiert <strong>sich</strong> ein Großteil der Lehre am formalen Erbe der Altmeister ohne<br />
die konzeptionellen Gedanken mit einzubeziehen, ohne gesellschaftspolitische<br />
Hintergründe erforschen zu lassen. Es dürfen keine Aufgaben gestellt<br />
werden, die immer nach dem selben Schema abgearbeitet werden, sondern<br />
die Studierenden müssen auf ihrem Weg der Suche unterstützt und gefördert<br />
werden. Nur so ist eine individuelle Entwicklung und Haltung zu erreichen.<br />
Sobald ein schlüssiges Konzept entwickelt wurde, ist es ein leichtes, formale
Kriterien zufriedenstellend zu bearbeiten.<br />
Es geht also nicht mehr darum, formal perfekte Raumkonstellationen in<br />
Beton zu gießen, um <strong>sich</strong> hinterher daran zu ergötzen, sondern darum,<br />
gelebte Umwelt zu gestalten, zu produzieren. Aber dafür muss man wissen,<br />
wie die Welt beschaffen ist, in der wir leben: Internationaler Terrorismus,<br />
Globalisierung, Bio-, Nano-, Gentechnologie, Umweltzerstörung, Informations-<br />
und Telekommunikationstechnologie. Welche Bedürfnisse haben <strong>sich</strong> in der<br />
Gesellschaft entwickelt und wie kann <strong>Architektur</strong> diese befriedigen?<br />
Vor diesem Hintergrund war es an der Zeit, das Lehrangebot an der Uni zu<br />
bereichern und Menschen einzuladen, die auf ganz unterschiedliche Art und<br />
Weise die Zukunft der <strong>Architektur</strong> zu erforschen versuchen.<br />
Erstmals zusammengefasst wurden diese Bemühungen von der arch+<br />
unter dem Titel Off-<strong>Architektur</strong>, die das Agieren in den Randbereichen<br />
und Schnittstellen der <strong>Architektur</strong> mit anderen Tätigkeitsfeldern wie<br />
Soziologie, Medien, Film, Grafik, Design, Mode, Events, Theorie, etc.<br />
beschreibt. Projekte werden nicht immer in festen Gruppen bearbeitet, wie<br />
im traditionellen <strong>Architektur</strong>büro üblich, sondern je nach Aufgabe findet<br />
man <strong>sich</strong> in variierenden Konstellationen aus einem Netz kooperierender<br />
Personen zusammen. Mittlerweile stellt <strong>sich</strong> heraus, dass es <strong>sich</strong> dabei nicht<br />
um Bemühungen einiger weniger handelt, sondern dass dies vielmehr die<br />
zukünftige Arbeit der Architekten beschreibt.<br />
Eröffnet wurde der Tag von Hanno Rauterberg, der in seinem Vortrag<br />
fragte, ob die <strong>Architektur</strong> noch eine Zukunft hat. Die Antwort lautete ja,<br />
aber nur wenn <strong>sich</strong> das Selbstverständnis der Architekten ändert. Nur wenn<br />
Schluss gemacht wird mit dem Märtyrertum, dem elitären Denken, dem<br />
<strong>Architektur</strong>autismus, der nur nach Selbstverwirklichung strebt, und damit<br />
begonnen wird, Stellung zu beziehen, <strong>sich</strong> der breiten Masse verständlich zu<br />
machen, Bedürfnisse zu verstehen, Probleme zu analysieren und Veränderung<br />
herbeizuführen.<br />
Gerade den aufkommenden Neohistorismus sieht Rauterberg als Zeichen<br />
dafür, dass die m<strong>oder</strong>nistische <strong>Architektur</strong> in der Defensive ist, dass man<br />
von ihr verlangt, <strong>off</strong>en zulegen wofür sie steht. Was bietet die <strong>Architektur</strong> von<br />
heute, was sind ihre Qualitäten, was ist der intellektuelle Hintergrund wird<br />
gefragt. Es wird viel zu oft auf Oberflächen vertraut, aber nur selten ins Innere<br />
geschaut, eine m<strong>oder</strong>ne Fassade ist nicht automatisch gegenwartsbezogene<br />
<strong>Architektur</strong>.<br />
Als weiteres mögliches Problem der M<strong>oder</strong>ne sieht der Referent das Fehlen<br />
der Behaglichkeit in Form vom Uneindeutigen und Überflüssigen, vom<br />
Sentimentalen, es wird nur nach dem perfekten, reinlichen, endgültigen<br />
Ergebnis gestrebt.<br />
Abschließend kommt Hanno Rauterberg zu dem Ergebnis, dass die Zukunft<br />
der <strong>Architektur</strong> darin liegt, <strong>sich</strong> wieder auf die Funktion zu konzentrieren,<br />
auch nach dem Warum zu fragen und nicht nur nach dem Wie und <strong>off</strong>en über<br />
die Werte zu streiten und Stellung zu beziehen. „Der Architekt ... darf also<br />
nicht nur Designer sein, er soll <strong>sich</strong> auch als Kundschafter des Wohnens, als<br />
M<strong>oder</strong>ator und Berater verstehen.“<br />
Der Referent Jan Edler von realities:united geht noch weiter und sieht die<br />
Resümee
Resümee<br />
Zukunft der <strong>Architektur</strong> nicht nur im Bauen selber, sondern auch in der<br />
Entwicklung von Strategien in mehrdimensionalen Beziehungsgeflechten. Das<br />
geht von der Optimierung von Stadtbestandteilen bis hin zu der Entwicklung<br />
und Organisation von virtuellen Märkten.<br />
Der Titel seines Vortrags ‚Potentialorientiertes Arbeiten‘ beschreibt dabei,<br />
dass der Architekt ein Generalist ist, der nicht auf gestellte Aufgaben also<br />
Aufträge wartet, sondern auf Grund seines Wissens Potentiale erkennt und<br />
Perspektiven entwickelt.<br />
Für die Studierenden bedeutet dies, nicht nur dem Lehrplan zu folgen,<br />
sondern <strong>sich</strong> individuelle Perspektiven zu erarbeiten, eigene Interessen und<br />
Potentiale zu erkennen und weiterzuentwickeln.<br />
Die Fähigkeit des Architekten, selbst Arbeitsfelder generieren zu können<br />
und in diesen tätig zu werden, wird laut Edler fälschlich als Off-<strong>Architektur</strong><br />
beschrieben. Genau darin sieht er die Zukunft der <strong>Architektur</strong>. Es sind vielmehr<br />
die klassischen Hausbauarchitekten, die <strong>sich</strong> als Erfüllungsgehilfen am<br />
weitesten vom Generalisten, vom Perspektivenentwickler entfernt haben.<br />
Am breiten Spektrum der Arbeiten von realities:united, die vom Anbaubalkon<br />
über die mobile StereoSoundbühne zur Loveparade, die Rettung des<br />
Kunsthaus Graz mittels der Medienfassade bis hin zur Nutzbarmachung eines<br />
Spreearms als Freibad gehen, wird dieses <strong>Architektur</strong>verständnis deutlich.<br />
Das Verantwortungsgefühl für die gestaltete Umwelt - ob Missstände <strong>oder</strong><br />
Potentiale - ist deutlich weiter gefasst als das der klassischen Architekten.<br />
Besonders die Architekten von OSA - Office for Subversive Architecture<br />
fühlen <strong>sich</strong> an Orten verantwortlich, wo sonst keiner mehr gestalterisch tätig<br />
werden möchte.<br />
Sie versuchen den Ort nicht mit den klassischen, also physischen Mitteln<br />
der <strong>Architektur</strong> zu verändern, sondern arbeiten mit weichen Faktoren. Sie<br />
beschäftigen <strong>sich</strong> mit der Atmosphäre des Ortes, dem soziologischem Raum,<br />
führen Probleme ins Absurde, um sie aufzuzeigen und die Menschen zu<br />
animieren, <strong>sich</strong> mit ihnen auseinanderzusetzen.<br />
Eine Fußgängerunterführung, die auf Grund von absoluter Öffentlichkeit und<br />
Anonymität stark verwahrlost war und zum Angstraum wurde, verwandelten<br />
OSA in eine 3ZKB. Diese jedem bekannte Privatheit brachte die Menschen<br />
dazu, <strong>sich</strong> mit dem Ort zu beschäftigen, <strong>sich</strong> mit ihm zu identifizieren und<br />
sogar für ihn verantwortlich zu fühlen.<br />
Durch atmosphärische Veränderungen kann menschliches Verhalten gezielt<br />
manipuliert werden. Besonders wichtig ist bei allen Projekten das Provozieren<br />
von Kommunikation und Interaktion der Menschen und damit das Stiften von<br />
Identität und gesellschaftlichem Raum.<br />
Oft sind die Projekte spontan erscheinende Aktionen, die Initialzündungen für<br />
langfristige Veränderungen sein können, diese provozieren, aber nicht selber<br />
leisten.<br />
Die Gründerin von Mikropolis, Ulrike Mansfeld, hingegen versucht, mittels<br />
Strategien, mögliche Entwicklungen vorauszudenken und dementsprechende<br />
Voraussetzungen dafür zu schaffen. Der Titel des Vortrags ‚transmissions‘<br />
beschreibt ihr <strong>Architektur</strong>verständnis: Sie sieht <strong>Architektur</strong> mehr als<br />
baubaren Prozess als als fertiges Produkt. Veränderbarkeit und Flexibilität
stehen genauso bei der Arztpraxis im Vordergrund wie bei der Wohnung, die<br />
immer und zu jeder Zeit auf Bedürfnisverschiebungen reagieren können.<br />
Aus den Anforderungen des Nutzers und ihren eigenen Lösungsvorstellungen<br />
entwickelt sie ein Gerüst, das das Projekt in seinen Grundzügen zwar<br />
determiniert, aber nicht abschließt.<br />
„Die Kompetenz des Architekten liegt in der Möglichkeit, mehrere<br />
Standpunkte einzunehmen und dem anderen vorausblickend nahe zu legen,<br />
eine Geschichte um den Raum herumzuschreiben und damit das Gefüge bis<br />
zu einem bestimmten Punkt zu kontrollieren. An diesem Punkt geben sie das<br />
Werk weiter an den der Raum tatsächlich erlebt.“<br />
Sehr großen Wert legt sie dabei auf konzeptionelle Durchgängigkeit. Vor<br />
allem in der Lehre sieht sie das Konzept als Gerüst, mit dem man <strong>sich</strong> auf<br />
ein Ziel hin<strong>bewegt</strong> und das zur Kontrolle des eigenen Entwurfs dient.<br />
Jakob Dunkel und Peter Sapp von Querkraft bestätigen in ihrem Vortrag<br />
die immense Wichtigkeit des Konzeptes, wobei sie zuallererst die an sie<br />
herangetragene Aufgabe hinterfragen und oft erst dadurch die richtige<br />
Antwort finden. Architekten sind keine Erfüllungsgehilfen, sondern Entwickler,<br />
die die eigentliche Frage stellen und dann beantworten.<br />
Für sie besteht die Kunst der <strong>Architektur</strong> darin, nicht nur eine funktionierende<br />
Lösung der Aufgabe zu finden, sondern auch Emotionen, Leben und Poesie<br />
in die gebaute Umwelt zu bringen. Ihre Aufgabe sehen sie vor allem in<br />
der gebauten <strong>Architektur</strong>, in der Umsetzung des Konzeptes und seiner<br />
langfristigen Nachhaltigkeit.<br />
Immer an der Grenze der Machbarkeit, ob durch Uminterpretierung von<br />
Gestaltungssatzungen <strong>oder</strong> aufgrund eines minimalen Budgets, realisieren sie<br />
ihre Projekte. So werden kleine Balkone zu architektonischen Ziergliedern, der<br />
Entwurf wird auf die Größe der Glasscheiben abgestimmt, die als Restposten<br />
zu minimalem Preis erworben wurden <strong>oder</strong> das Gebäude kragt zu 2/3 aus,<br />
um trotz kleiner Grundstücksgröße maximale Gartenfläche zu erhalten.<br />
Sie appellieren an die Architekten, die Themenführerschaft zu übernehmen,<br />
zu delegieren und andere Fachbereiche um <strong>sich</strong> zu scharen, um gute<br />
Dienstleistungen zu erbringen, die über die Befriedigung der Kunden hinaus<br />
gehen.<br />
Es scheint an der Zeit zu sein, den Begriff des Offs als Hilfsmittel für eine<br />
erweiterte Definition von <strong>Architektur</strong> zu verlassen. <strong>Architektur</strong> verändert<br />
<strong>sich</strong> mit den Bedürfnissen der Gesellschaft, ein Phänomen, das nicht neu<br />
ist. Neu ist der Grad der Veränderungen seit dem Beginn der klassischen<br />
M<strong>oder</strong>ne und auch die Vielschichtigkeit der Mittel, mit der Architekten auf<br />
diese reagieren müssen und können. Zu Bauen ist nur eine Möglichkeit von<br />
vielen, die gestaltete Umwelt den Bedürfnissen der Menschen entsprechend<br />
zu modifizieren. Anstatt den Untergang der <strong>Architektur</strong> herbeizuunken ist es<br />
also an der Zeit, <strong>sich</strong> auf die Veränderungen der Gesellschaft einzulassen<br />
und <strong>sich</strong> darauf zu konzentrieren, was die Aufgaben der <strong>Architektur</strong> ist:<br />
Analysieren. Potentiale erkennen. Arbeitsfelder generieren.<br />
Mehrwert schaffen.<br />
Resümee
Presse<br />
HAZ 17.6.2004<br />
Hannoversche Allgemeine Zeitung
Presse<br />
DBZ 7 | 2004<br />
Deutsche BauZeitschrift
Impressum<br />
Das Organisationsteam möchte <strong>sich</strong> herzlich bei allen<br />
Studenten bedanken, die durch ihre Hilfe den DAY OFF! zu<br />
einem erfolgreichen und spannenden Tag gemacht haben!<br />
Dazu gehören<br />
Roman Troppenhagen<br />
Anne Niehüser, Arne Hansen, Carolin Bornhorst, Christina<br />
Krückemeier, Christian Moore, Daniel Roth, Gerrit<br />
Neumann, Jan Frauendorf, Kerstin Wehlitz, M.-P. Nieberg,<br />
Malte Steffens, Molle, Nils Nolting, Pedro Jesus, Phillip<br />
Plassmann, Sanna Richter, Sönke Gebken,<br />
Vanessa Kleinemeier<br />
Vielen Dank auch an Björn Bartel, Christine Säbel und alle<br />
Helfer am Grill und an den Bars!<br />
Herausgeber<br />
Fachschaft <strong>Architektur</strong> | FB <strong>Architektur</strong> Universität Hannover<br />
Autoren<br />
Dr. Hanno Rauterberg<br />
Verena Brehm | Mareike Henschel | Nina Reckeweg | Oliver Seidel<br />
Gestaltung<br />
Verena Brehm | Mareike Henschel | Nina Reckeweg | Oliver Seidel<br />
Fotos<br />
Christian Burkert, Christian Moore, Daniel Roth, Malte Steffens,<br />
M.-P. Nieberg, Sönke Gebken<br />
Auflage<br />
500 Stück, Hannover Oktober 2004<br />
Kontakt<br />
hoch-explosiv@web.de<br />
DAY OFF!<br />
Veranstaltungsort<br />
Universität Hannover<br />
FB <strong>Architektur</strong><br />
Herrenhäuser Straße 8<br />
30419 Hannover<br />
Konzept | Organisation<br />
Fachschaft <strong>Architektur</strong> | FB <strong>Architektur</strong> Universität Hannover<br />
Verena Brehm | Mareike Henschel | Nina Reckeweg | Oliver Seidel<br />
>>><strong>cityförster</strong><br />
Referenten<br />
Dr. Hanno Rauterberg, Hamburg<br />
mikropolis, Stuttgart<br />
realities:united, Berlin<br />
OSA - <strong>off</strong>ice for subversive architecture,<br />
Berlin, Darmstadt, Frankfurt, London, Wien<br />
querkraft, Wien<br />
M<strong>oder</strong>ation<br />
Martin Sobota, Rotterdam<br />
Medieninstallationen<br />
Fachhochschule Hannover | FB Design und Medien<br />
Kommunikationsdesign | Abt. Multimedia und Fotografie<br />
Live-Performance<br />
DJ Badmosphere | Schmiggor
Freunde des Fachbereichs <strong>Architektur</strong><br />
der Universität Hannover e.V.<br />
Klasing Innenausbau<br />
und Dämmtechnik GmbH<br />
Sponsoren<br />
Wir bedanken uns bei allen Sponsoren<br />
des DAY OFF! für die großzügige Unterstützung!
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