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Band41

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2


3<br />

Deutsche Schwimmtrainer – Vereinigung e.V.<br />

S C H W I M M E N<br />

LERNEN UND OPTIMIEREN<br />

Band 41<br />

2017<br />

ISBN 3-934706-40-1<br />

Hrsg./ Red.: Wolfram Sperling<br />

Bearbeitung für den Druck: Winfried Leopold


4<br />

Redaktionsadresse<br />

Dr. Wolfram Sperling<br />

Fachgruppe Schwimmsport<br />

Jahnallee 59<br />

04109 Leipzig


5<br />

Vorwort<br />

Am 22. und 23. September 2016 referierten 15 Trainerlizenzaspiranten im Rahmen eines<br />

Kolloquiums zu Themenstellungen und Ergebnissen ihrer Hausarbeiten als Teil ihrer Prüfung<br />

für den Lizenzerwerb. Das Kolloquium stand am Ende des Ausbildungsmoduls III im<br />

Lehrgang Trainer-A-Lizenz Schwimmen des DSV Jahrgang 2015/16 an der<br />

Sportwissenschaftlichen Fakultät der Universität Leipzig. Zu den Vorträgen waren auch die<br />

Mitglieder der Kommission Schwimmen der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft<br />

(DVS) eingeladen. Sie beteiligten sich rege an der Diskussion zu den Vorträgen und führten<br />

im Anschluss ihre Jahrestagung im Rahmen eines Workshops durch bzw. nahmen teilweise<br />

auch an der DSV - Fortbildung für A- und Jugendtrainer im Schwimmen teil.<br />

Der Workshop der Kommission Schwimmen der DVS stand unter der Thematik:<br />

„Bewegungsraum Wasser – Reflexionen für die akademische Ausbildung“. Die Thematik<br />

resultiert vor allem aus der an Hochschulen und Universitäten zunehmend zu verzeichnenden<br />

Situation, dass die Methodiken der Sportarten (einschließlich der nichtsportiven Bewegungen<br />

und der Spiele im Wasser) mehr und mehr aus dem Lehrgebäude an akademischen<br />

Einrichtungen verdrängt werden, so auch der Schwimmsport in der Gesamtheit seiner<br />

Sportarten. Diese Situation könnte fatale Folgen haben für die Ausbildung von Sportlehrern,<br />

Körper- und Bewegungserziehern beim Vermitteln der Ziele und Inhalte des Schwimmsports<br />

als Kulturgut bzw. auch für akademisch auszubildende Trainer mit ihrem methodischen<br />

Wissen und Können, Sport, Bewegung und Spiel im Wasser zu vermitteln und auch<br />

theoretisch zu reflektieren.<br />

Mit dem vorliegenden Heft in der Reihe „Schwimmen lernen und optimieren“ werden<br />

einzelne Hausarbeiten von A-Lizenztrainern Schwimmen aus dem Ausbildungsdurchgang<br />

2015/16 vorgestellt, gemeinsam mit gehaltenen Beiträgen im Rahmen des Workshops der<br />

Kommission Schwimmen der DVS.<br />

W. Sperling


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7<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

Seite<br />

Teil I<br />

Ausbildungslehrgang Trainer-A-Lizenz Schwimmen des DSV – ausgewählte<br />

Hausarbeiten Jahrgang 2015/16<br />

Sebastian Pfeiffer 810<br />

Steigerung der Belastbarkeit der Schulter im Schwimmen durch<br />

langfristiges belastbarkeitssicherndes Konditionstraining<br />

Ute Lenz 29 31<br />

Notwendigkeit und methodische Anforderungen bei der Ausbildung<br />

von Rumpf- und Schulterstabilität im Schmetterlingsschwimmen<br />

Stephan Wittky 38 40<br />

Zum Einsatz von widerstandsorientierten Trainingsmitteln zur<br />

Entwicklung der Kraftfähigkeiten im Grundlagenausdauertraining<br />

Anne Kuhn 54 56<br />

Anforderungen und ausgewählte Beispiele der methodischen Gestaltung<br />

des Trainings zur Verbesserung des Absprungs beim Schrittstart<br />

Teil II<br />

dvs - Workshop „Bewegungsraum Wasser – Reflexionen für die<br />

akademische Ausbildung“<br />

Detlef Beise 87 89<br />

Bewegungsraum Wasser –Reflexionen für die akademische<br />

Ausbildung<br />

Marcus Perschau 104 102<br />

AUSTSWIM – Ausbildungsschwerpunkte der Schwimmlehrbefähigung<br />

von angehenden Sportlehrern in Australien<br />

Ried, Bettina & Graciele Massoli Rodrigues 107 105<br />

Motorische und perzeptive Vorerfahrungen und ihr Einfluss auf<br />

den Lernprozess des Brustbeinschlages bei verbaler und visueller<br />

Instruktion


8


9<br />

Teil 1<br />

Ausbildungslehrgang<br />

Trainer-A-Lizenz<br />

Schwimmen des DSV<br />

Ausgewählte Hausarbeiten<br />

Jahrgang 2015/16


10<br />

PFEIFFER, SEBASTIAN<br />

Steigerung der Belastbarkeit der Schulter im Schwimmen durch langfristiges<br />

belastbarkeitssicherndes Konditionstraining<br />

Hausarbeit Ausbildung Lizenztrainer A Schwimmen 2015/16<br />

1 Einleitung<br />

Einen der häufigsten Gründe, warum Schwimmer ihre Karriere vorzeitig beenden oder bei<br />

Saisonhöhepunkten ausfallen, stellen anhaltende Schulterprobleme dar. Mit prominenten<br />

Beispielen wie Ian Thorpe (spox.com, 2014), Tim Wallburger (Sport1, 2015), Eamon<br />

Sullivan (dpa, 2014) und Britta Steffen (Eurosport, 2010) sind hier nur einige genannt. Sehr<br />

viel zahlreicher wird die Drop-Out-Quote wegen Schulterproblemen im Bereich vom<br />

Anschlusstraining bzw. beim Übergang in das Hochleistungstraining sein. Dies scheint<br />

aufgrund der hohen Anzahl an Armbewegungen (Bak, 1996; Johnson, 1988) auch wenig<br />

überraschend. Darum stellt die Prävention im Allgemeinen und Schulterprophylaxe im<br />

Speziellen einen entscheidenden Anteil des langfristigen Leistungsaufbaus des Schwimmers<br />

dar (Wilke & Madsen, 2015, S. 189).<br />

Da im langfristigen Trainingsprozess zunächst ein allgemeines Athletiktraining auf der<br />

Tagesordnung steht (Wilke & Madsen, 2015, S. 188; Harre, 2008, S. 321; Grosser, Starischka,<br />

& Zimmermann, 2008, S. 183), stellt sich die Frage, ab welchem Alter eine<br />

schwimmspezifische Konditionierung zur Vermeidung von Schulterproblemen zu erfolgen<br />

hat. Diesem Problem wird in der vorliegenden Arbeit nachgegangen. Zunächst werden die<br />

häufigsten Schulterprobleme bei Leistungsschwimmern vorgestellt sowie die Ursachen dafür<br />

benannt. Es folgen präventive und rehabilitative Behandlungsmaßnahmen.<br />

Im Anschluss daran werden die Ergebnisse einer empirischen Befragung bei Sportlern des<br />

Landesleistungszentrums und des Bundesstützpunktes Schwimmen Berlin dargestellt und<br />

daraus Folgerungen zur Gestaltung des langfristigen Leistungsaufbaus abgeleitet.<br />

Um die aktuelle Misere bei den internationalen Wettkämpfen (wie zuletzt den olympischen<br />

Spielen in Rio de Janeiro) zu beenden, ist das o. g. Thema ein wichtiger Baustein des<br />

Trainings. Vor allem vor dem Hintergrund zu steigernder Belastungsumfänge im Aufbau- und<br />

Anschlusstrainings (Rudolph, 2015) muss ein noch größeres Augenmerk auf eine<br />

entsprechende Belastbarkeit gerichtet werden. Abbildung 1 (Abb.) zeigt, dass in dem Maße,<br />

wie die leistungsfördernde Belastung zunimmt, auch die belastbarkeitssichernden<br />

Maßnahmen gesteigert werden müssen, um am Ziel „individuell mögliche<br />

Leistungsausprägung bei Belastbarkeit“ ankommen zu können.<br />

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird im Text verallgemeinernd das generische<br />

Maskulinum verwendet. Diese Formulierungen umfassen gleichermaßen weibliche und<br />

männliche Personen; alle sind damit selbstverständlich gleichberechtigt angesprochen.


11<br />

Abb. 1: Leistungsfördernde und belastbarkeitssichernde Maßnahmen im langfristigen<br />

Leistungsaufbau (Fröhner, 2008, S. 251)<br />

2 Theoretische Ausgangspositionen<br />

Immer wieder geschieht es, dass Topschwimmer oder Nachwuchsathleten, die sich auf dem<br />

Weg zur Weltklasse befinden, durch verschiedene langfristige und immer wieder auftretende<br />

Verletzungen Saisonhöhepunkte absagen müssen, deren sportliche Entwicklung deutlich<br />

gebremst oder gar beendet wird (vgl. Abschnitt 1). Darum muss ein wichtiger Teil des<br />

langfristigen Leistungsaufbaus (vgl. Abb. 1), die Schaffung der notwendigen Belastbarkeit<br />

des Sportlers umfassen, um die Wahrscheinlichkeit belastungsbedingter Verletzungen zu<br />

minimieren.<br />

Leistungsschwimmen führt zu einer erheblichen Belastung von Muskeln und Sehnen im<br />

Bereich von Schulter-, Knie-, Ellenbogen-, Fuß-, Sprunggelenke sowie des Rückens weit über<br />

das natürliche Bewegungsausmaß hinaus (Fowler, 1997, S. 422). Somit sind<br />

Überlastungsschäden mit dem Leistungsschwimmen fast unausweichlich verbunden. In einem<br />

Vortrag im Rahmen der A-Lizenzausbildung stellte Borchert (2011, zitiert nach Pohl &<br />

Rudolph, 2014, S. 289) die in Abb. 2 gezeigten Anteile des Auftretens von Beschwerden am<br />

Knochen- und Bandapparat bei Schwimmern dar. Die mit Abstand häufigsten Verletzungen<br />

treten an den Knien, der Wirbelsäule und der Schulter auf. Bei jüngeren Sportlern scheinen<br />

die häufigsten Überlastungserscheinungen an der Schulter aufzutreten (Wolf et al., 2009). Aus<br />

diesem Grund beschäftigt sich diese Arbeit mit den Schultern des Schwimmers, jedoch stellt<br />

das Thema Belastungssicherung auch für die Knie (vor allem bei Brustschwimmern) und für<br />

die Wirbelsäule einen wichtigen, wenn nicht den entscheidenden Teil des Aufbau- und<br />

Anschlusstrainings dar.


12<br />

Abb. 2: Häufigkeit der Verletzungen von Schwimmern in Prozent (Pohl & Rudolph, 2014, S.<br />

289)<br />

Dazu werden in diesem Abschnitt zunächst auf die Arten der Schulterverletzungen, die<br />

Ursachen und die Behandlungsmöglichkeiten eingegangen. Auf Grundlage dieser<br />

Überlegungen werden schließlich präventive Maßnahmen zur Verhinderung von<br />

Schulterbeschwerden angestellt.<br />

2.1 Erscheinungsformen<br />

Allgemein werden Überlastungserscheinungen bei Schwimmern gern als<br />

„Schwimmerschulter“ (vgl. Pohl & Rudolph, 2014, S. 290) bezeichnet. Dieser Begriff stellt<br />

mit der Definition „Bezeichnung für schmerzhafte Entzündungserscheinungen, die auf den<br />

Bewegungsablauf beim Kraul- Delfin- und Rückenschwimmen zurückzuführen sind,<br />

insbesondere wenn dies noch unter zusätzlicher Belastung (Paddels, Zugbank) geschieht.“<br />

(Rudolph, 2008, S. 334) jedoch lediglich einen Sammelbegriff für Überlastungserscheinungen<br />

bei Schwimmern und keine hinreichend spezifische Beschreibung der Verletzung dar, die es<br />

erlaubt, zielgerichtet präventive und rehabilitative Maßnahmen durchzuführen.<br />

Nach Geiger (1997, S. 81 ff) sollen darum die beiden häufigsten Erscheinungsformen der<br />

Schwimmerschulter, das subakromiale Impingementsyndrom und der Schaden der langen<br />

Bizepssehne, dargestellt werden.<br />

2.1.1 Subakromiales Engpass-(Impingement-)Syndrom<br />

„Das Impingement-Syndrom ist ein Sammelbegriff für schmerzhafte Funktionsstörungen der<br />

Schulter, bedingt durch Einklemmung von Weichteilgewebe. Der Begriff wird aber auch bei<br />

anderen Gelenken verwendet.“ (Rieger, 2010, S. 156)<br />

Es handelt sich hierbei um ein funktionelles Syndrom, dem im Wesentlichen die Überlastung<br />

und entzündliche Reaktion zweier anatomischer Strukturen im subakromialen Raum zugrunde<br />

liegen: die Bursa subacromialis und die Sehnenplatte der Rotatorenmanschette, vorwiegend die<br />

Supraspinatussehne (vgl. Abb. 3).


13<br />

Abb. 3: Topographische Darstellung des subakromialen Raumes in Armseithebung (von<br />

vorne) (Geiger, 1997, S. 78)<br />

Bei der Abduktion/Elevation des Armes verschwinden die Bursa subacromialis und die Sehne<br />

des M. supraspinatus unter den knöchernen und bandartigen Strukturen des Schulterdaches.<br />

Durch die Rotatorenmanschettenmuskulatur wird dabei normalerweise der Oberarmkopf<br />

heruntergezogen, um den Raum zwischen Schulterdach und Oberarmkopf nicht zu eng<br />

werden zu lassen. Eine funktionelle Insuffizienz der Muskeln der Rotatorenmanschette durch<br />

mangelnde Koordination, infolge ungenügender Technik, Trainingsrückstand oder<br />

rezidivierender Mikrotraumatisierung, kann nun bei vielen Sportarten, die von kraftvollen<br />

Überkopfbewegungen des Armes begleitet sind, zu Einklemmungserscheinungen im<br />

subakromialen Raum führen. Im Vergleich mit anderen diversen Überkopfsportarten, z. B.<br />

Tennis, Volleyball oder Wurfdisziplinen existieren zwei bis drei verschiedene<br />

Bewegungsmuster, beim Schwimmen jedoch viele verschiedene Überkopfbewegungen, die<br />

kontinuierliche Drehungen des Oberarmknochens sowohl im als auch entgegengesetzt dem<br />

Uhrzeiger beinhalten (vgl. Geiger, 1997, S. 81 ff).<br />

Abb. 4: Funktionelle Anatomie des subakromialen Raumes und der Rotatorenmanschettenmuskulatur<br />

(Geiger, 1997, S. 82)<br />

Beim Schwimmen kann es vor allem in der ersten Hälfte des Armzuges, wenn sich der Arm in<br />

einer vorwärtsgebeugten, abduzierten, innenrotierten Stellung befindet, dazu kommen, dass<br />

die wirksamen Kräfte den Oberarmkopf unter das Akromion bzw. das korakoakromiale Band<br />

drücken. Dadurch kann es, besonders dann, wenn die Muskulatur ermüdet ist, die Sehnen des<br />

Supraspinatus und des Bizepses einklemmen (Fowler, 1997, S. 424). Durch die vielfachen


14<br />

Wiederholungen (vgl. Tab. 1) kommt es dabei allmählich zu einer dauerhaften Entzündung<br />

der Sehnen im subakromialen Spalt (Fowler, 1997, S. 424).<br />

Tab.1: Schulterbeanspruchungen (in Wiederholungen pro Woche) in verschiedenen<br />

Sportarten (vgl. Johnson, 1986, S. 38)<br />

golf 150<br />

javelin 200<br />

baseball 600<br />

tennis 1000<br />

swimming 16000<br />

2.1.2 Schaden (Tendopathie) der langen Bizepssehne<br />

Funktionell-anatomisch gesehen verläuft die lange Bizepssehne nach ihrem Ursprung<br />

oberhalb des Pfannenrandes in einer bänderüberdachten Rinne am Oberarmkopf (vgl. Abb. 5).<br />

Abb. 5: Verlauf der langen Bizepssehne (Geiger, 1997, S. 85)<br />

Bei Drehbewegungen, insbesondere der Außenrotation des hochgehaltenen Armes, z.B. beim<br />

Kraul- und Delphinschwimmen, hat die gespannte Sehne die Tendenz, die Knochenrinne nach<br />

innen zu verlassen. Begünstigt wird diese sogenannte Luxationsneigung zusätzlich durch die<br />

konstitutionelle Variation einer zu flachen Rinne mit ungenügender Sehnenführung und durch<br />

eine Bandinsuffizienz, z.B. durch posttraumatische Überdehnung des Ligamentum humeri<br />

transversum oder eine muskuläre Insuffizienz der zur Rotatorenmanschette gehörenden M.<br />

Subscapularis und teres minor.<br />

Durch die Verlagerung der langen Bizepssehne entsteht eine mechanische Irritation, die zur<br />

schmerzhaften entzündlichen Reaktion der Sehne und des umgebenden Gleitgewebes führt.<br />

2.2 Ursachen<br />

Es existieren diverse Faktoren, die die Wahrscheinlichkeit von Überlastungsschäden erhöhen.<br />

Diese reichen vom alltäglichen Umfeld über die Trainingsbedingungen bis hin zu den<br />

anatomischen und physiologischen Voraussetzungen der Sportlerinnen und Sportler. Shapiro<br />

(2001, S. 127ff.) teilt diese Faktoren in intrinsische und extrinsische Faktoren ein. Als


15<br />

intrinsisch bezeichnet er dabei nicht-funktionale Ausrichtungen von Gelenken,<br />

Muskelimbalancen, Unbeweglichkeit, Muskelschwäche und Bänderinstabilität. Als äußere<br />

Einflüsse nennt er schlecht geplant oder durchgeführte Trainingsprogramme, technische<br />

Schwächen, zu hohe Belastungsdichten – sowohl Training als auch Wettkämpfe betreffend –<br />

oder allgemeiner: einem Ungleichgewicht zwischen der Belastbarkeit des Sportlers und der<br />

Beanspruchung. Im Folgenden werden die einzelnen Faktoren genauer betrachtet und auf die<br />

Überlastung der Schulter im Schwimmen bezogen.<br />

2.2.1 Extrinsische Faktoren<br />

Trainingsfehler können eine Quelle für Verletzungen sein. Dies beinhaltet den<br />

unverhältnismäßigen Einsatz von Trainingsmitteln, wie Handplatten und Schwimmbretter<br />

(Shapiro, 2001, S. 127; Pohl & Rudolph, 2014, S. 291; Rudolph, 2015, S. 46) oder auch nicht<br />

durch entsprechende belastungssichernde Maßnahmen abgesicherte Belastungsumfänge und -<br />

intensitäten (Fröhner, 2008, S. 243). Der Sinn der Handplatten liegt in der Vergrößerung der<br />

Abdruckfläche und somit der Erhöhung des Widerstandes beim Abdruck zum Zwecke<br />

entweder des schwimmspezifischen Krafttrainings (Rudolph, 2015, S. 46) oder zur Erhöhung<br />

der Schwimmgeschwindigkeiten in Belastungszone 8 (Wilke & Madsen, 2015, S. 171). Die<br />

auf die Schulter wirkenden Kräfte werden somit erhöht und es entsteht das Potential,<br />

Schulterbeschwerden zu erhöhen. Außerdem kann es beim Training durch unvorbereitete<br />

Belastungssteigerungen – wie durch Belastungsumfang, -intensität oder auch Krafttraining –<br />

zu wiederholten Mikrotraumen und somit zu oben genannten Entzündungen führen. Aber<br />

auch mit progressiv gesteigerte Belastungsumfängen korreliert nach Sein et al. (2008) die<br />

Häufigkeit vom Impingement-Syndrom (r =.34, p = 0.01).<br />

Ebenfalls kann das Schwimmbecken Einfluss nehmen auf die Belastbarkeit der Schulter. Hier<br />

spielen heutzutage die Faktoren wie Wellen, die von der Seite kommen, keine große Rolle<br />

mehr. Als wichtig kann noch der Faktor Wassertemperatur angesehen werden. Mit 25 bis<br />

27°C liegt die Wassertemperatur unter der Körpertemperatur und stellt somit eine zusätzliche<br />

Belastung dar.<br />

Betrachtet man die Wettkämpfe, so beeinflussen diese nicht nur die Art und Weise des<br />

Trainings, sondern auch welche Schwimmarten geschwommen werden, wie lange die<br />

Belastung andauert und in welcher Geschwindigkeit geschwommen wird. Unabhängig von<br />

der Schwimmart, die später im Wettkampf geschwommen wird, werden traditionell viele<br />

Kilometer im Training in Kraul geschwommen. Es ist wichtig für den Schwimmer, dass er sich<br />

eine Widerstandsfähigkeit gegen die hydrodynamischen Anforderungen im Wasser während<br />

des Schwimmens erarbeitet (Fröhner, 2008, S. 244). Diese Beanspruchungen sind<br />

schwimmspezifisch und können in dieser Art und Weise nur im Wasser trainiert werden (Witt,<br />

2014, S. 156). Dies soll allerdings nicht bedeuten, dass es keiner Landtrainingsübungen bedarf,<br />

die Belastbarkeit zu erhöhen und sichern.<br />

2.2.2 Intrinsische Faktoren<br />

Die Kraftausdauer umfasst eine der wichtigen konditionellen Fähigkeiten des<br />

Schwimmsports. Der Grund, warum diese wichtig für die hier dargestellte Thematik ist, dass<br />

es mit steigender Müdigkeit zu einer ansteigenden Aktivierung der Muskeleinheiten kommt,<br />

wenn der Schwimmer versucht, bei zunehmender Streckenlänge die Geschwindigkeit aufrecht


16<br />

zu erhalten (Troup et al., 1991). Es resultiert eine weniger effektive Muskelarbeitsweise, da<br />

die Aktivierungsrate bei sinkendem Output steigt. Somit kommt es also zu einer zusätzlichen<br />

Aktivierung der antriebswirksamen Muskulatur und es wird nötig, dass auch die Muskeln, die<br />

dafür sorgen sollen, dass der subakromiale Spalt nicht verengt wird (vgl. 2.1.1), stärker<br />

arbeiten sollen. Somit begünstigt eine nicht ausreichende Kraftausdauer, sowohl der<br />

antriebswirksamen Muskulatur als auch der Muskulatur, die für die Balance im<br />

Schultergelenk zuständig ist, die Entwicklung des Impingement-Syndroms.<br />

Weitere Faktoren stellen aus den eben genannten Gründen auch Muskelschwäche, muskuläre<br />

Dysbalancen (stärker entwickelte antriebswirksame Muskulatur) und fehlende Beweglichkeit<br />

dar. So wiesen McMaster, Long und Caiozzo (1992) ein gesteigertes Verhältnis von<br />

Adduktion zu Abduktion (p


14<br />

17<br />

benötigte Arbeit der Rotatorenmanschette. Das kann zu ihrer Überforderung führen, was das<br />

Risiko einer Entzündung erhöht.<br />

Als weitere intrinsische Faktoren lassen sich schließlich noch konstitutionelle Gegebenheiten<br />

des Sportlers betrachten, insbesondere Hebelverhältnisse, Beweglichkeit und muskuläre<br />

Ermüdbarkeit. Die letzten beiden Faktoren wurden bereits ausgeführt und sind bedingt durch<br />

den Trainingszustand, aber auch abhängig von den konstitutionellen Voraussetzungen (z. B.<br />

Muskelfaserstruktur). Neu sind die Hebelverhältnisse, welche aus der Extremitätenlänge<br />

resultieren. In unserem Fall interessiert vor allem die Länge der Arme. Je länger der Hebel,<br />

desto größer das Drehmoment und somit die Beanspruchung im Schultergelenk. So kommt es<br />

beispielsweise während des Längenwachstumsschubs in der Pubertät, allein durch das<br />

Körperwachstum, zu gesteigerter Beanspruchung der Schulter (vgl. Abb. 6).<br />

Abb. 6: Wachstumsabschnitte (Grosser, Starischka, & Zimmermann, 2008, S. 178)<br />

Zeitgleich erfolgt zumeist in dieser Phase eine Erhöhung des Belastungsumfangs durch Zeit<br />

und geschwommene Kilometer (vgl. Abb. 7).<br />

Abb. 7: Vorgaben Trainingsumfang maximale Variante des DSV, modifiziert nach (Rudolph,<br />

2015, S. 13)<br />

Dementsprechend kann es bei unzureichender Vorbereitung auf diese Belastungen gerade in<br />

dieser Entwicklungsphase zu Überlastungserscheinungen kommen.


18<br />

Die Verletzungsbiographie des Sportlers ist in diesem Zusammenhang auch nicht<br />

unbedeutend. Wer schon einmal verletzt war, wird sich mit größerer Wahrscheinlichkeit auch<br />

wieder verletzen (Tate, et al., 2012). Vor allem dann, wenn die Maßnahmen gegen die<br />

Schulterbeschwerden nicht hinreichend waren.<br />

2.3 Rehabilitative Maßnahmen<br />

Bei Auftreten von Schulterproblemen sollten folgende Maßnahmen ergriffen werden<br />

(Shapiro, 2001, S. 133f.):<br />

- Differentielle Diagnose<br />

- Kontrolle der akuten Erscheinung<br />

- Heilung<br />

- Vermeidung wiederholter Verletzung<br />

Im Folgenden wird kurz auf die einzelnen Maßnahmen eingegangen.<br />

Differentielle Diagnose<br />

Den ersten Schritt in der Behandlung von Schulterproblemen stellt eine Diagnose der<br />

Beschwerde dar. Wie oben bereits erwähnt, ist die Diagnose „Schwimmerschulter“ keine<br />

ausreichend differenzierte Aussage. Darum sollte beim ersten Auftreten von Schulterproblemen<br />

ein Physiotherapeut oder Arzt aufgesucht werden, vor allem um Ursachen (wie<br />

technische Fehler oder muskulären Dysbalancen herauszufinden). Wichtig ist, dass dies<br />

möglichst zeitnah geschieht und nicht darauf vertraut wird, dass sich das Problem von allein<br />

löst. Eine differenzierte Diagnose ist wichtig, um die der Verletzung zugrundeliegenden<br />

Ursachen erforschen und beeinflussen zu können.<br />

Kontrolle der akuten Erscheinung<br />

Nachdem eine Diagnose gestellt wurde, geht es darum, die schmerzhaften Erscheinungen zu<br />

kontrollieren. Da es sich zumeist um die Kontrolle von Entzündungserscheinungen handelt,<br />

ist ein dauerhafter Zustand weder gut noch normal. Darum stellt die Entzündungshemmung<br />

die wichtigste Maßnahme bei der Behandlung der verletzten Schulter dar. Um dies zu<br />

erreichen, sollten die Maßnahmen Ruhe, Kühlung, Kompression und Hochlagerung (Shapiro,<br />

2001, S. 134) durchgeführt werden. Diese Maßnahmen beinhalten in jedem Fall, dass es zu<br />

Trainingsunterbrechungen bzw. -einschränkungen kommt.<br />

Heilung<br />

Sehr oft beginnen die Athleten mit dem normalen Training, sobald die Schmerzen und<br />

Schwellungen verschwunden sind. Dies führt jedoch häufig zu einer erneuten Verletzung. Es<br />

sollte klar sein, dass Ruhe und Kontrolle der Entzündung nicht mit der tatsächlichen Heilung<br />

des Gewebes einher geht. Dies kann am besten geschehen, wenn man Bewegung als Teil des<br />

Heilungsprozesses etabliert. Hierfür eignen sich spezifisch, therapeutisch geleitete Übungen<br />

zur Kräftigung der Schulterrotatoren und der die Skapula fixierende Muskulatur (Jerosch,<br />

Castro & Sons, 1990, S. 183). Aerobe Ausdauerübungen können die Revaskularisierung<br />

unterstützen indem sie den Sauerstoffgehalt im Blut erhöhen. Ein allgemein-kräftigendes


16<br />

19<br />

Programm unterstützt die neuronalen Prozesse im verletzten Gewebe und stellt propriozeptive<br />

Mechanismen wieder her bzw. erhält sie, minimiert den Kraftverlust der umliegenden<br />

Strukturen und hilft, ungewollten Gewichtszunahmen entgegenzuwirken. Wichtig im weiteren<br />

Verlauf des Heilungsprozesses ist eine progressive Steigerung der spezifischen Belastung,<br />

was zu einer allmählichen Kräftigung des verletzten Gewebes führt. Diese sportspezifischen<br />

Übungen sollten auf die Aufgaben vorbereiten, die im weiteren Trainingsprozess erfüllt<br />

werden müssen. Sollte diese konventionelle Behandlung keinen Erfolg mit sich bringen, kann<br />

als letzter Ausweg eine Operation helfen.<br />

Vermeidung wiederholter Verletzung<br />

Nachdem die Verletzung abgeheilt ist und der Sportler wieder regulär an Training und<br />

Wettkampf teilnehmen kann, ist es wichtig, die Faktoren zu verändern, die zu der Verletzung<br />

geführt haben. Für Schwimmer ist ein wichtiger Baustein, dies zu erreichen, ein<br />

schwimmspezifisches Konditionierungsprogramm durchzuführen (Jerosch, Castro & Sons,<br />

1990; Fu, Harner & Klein, 1991; King, 1995). Jeder Aspekt des Schwimmens, der zu der<br />

Verletzung geführt haben könnte, muss dabei angesteuert werden. Das beinhaltet Übungen für<br />

die Beweglichkeit, Maximalkraft, Kraftausdauer und Ausdauer. Beach, Whitney & Dickoff-<br />

Hoffman zeigten 1992, dass es vor allem zwischen Kraftausdauer der Schulterextensoren<br />

(rechts: r=-0.63; links: r=-0.55; p


20<br />

Hawkins, 1997; Shapiro, 2001; Pohl & Rudolph, 2014) weisen diesen beiden Maßnahmen<br />

(Kräftigung und Erwärmung) entscheidende Wirkung zu.<br />

Weitere Maßnahmen zur Verhinderung der „Schwimmerschulter“ sind laut Marka (2005,<br />

zitiert nach Pohl & Rudolph, 2014, S. 291):<br />

- Technikoptimierung<br />

- Kräftigung der Rumpf- und Hüftmuskulatur zur Stabilisierung der Wasserlage<br />

- Vermeidung von schulterschädigender Aufwärmung<br />

- Dehnung der verkürzten Hüftbeugemuskulatur durch Stärkung der Antagonisten<br />

- Verzicht auf Paddles zu Saisonbeginn, zum Einschwimmen oder auf „schlechte“<br />

Technik<br />

Neben einer guten Schwimmtechnik ist also vor allem ein zielgerichtetes Athletiktraining<br />

ausschlaggebend für die Verhinderung von Schulterproblemen. Dieses umfasst die Dehnung<br />

der Hauptantriebsmuskulatur und die Kräftigung (Kraftausdauertraining) der Schulterrotatoren,<br />

des teres minor, des serratus anterior und des infraspinatus.<br />

2.4 Fazit<br />

Für auftretende Schulterbeschwerden bei Leistungsschwimmern bestehen viele verschiedene<br />

Ursachen. In den häufigsten Fällen sind es Entzündungen aufgrund von muskulären<br />

Dysbalancen (Bak, 1996, S. 132). Diese können durch schlechte Technik oder zu hoher<br />

Beanspruchung bei zu geringer Belastbarkeit bedingt werden. Durch die Vielzahl an<br />

Schwimmzügen, die im Training absolviert werden, neigt der Schwimmer dazu, die<br />

Muskulatur, die am Vortrieb beteiligt ist, zu verstärken, während die andere Muskulatur nicht<br />

im gleichen Maße gekräftigt wird. Sind Schulterbeschwerden erst einmal vorhanden, so<br />

bedarf es einer Reihe zeitaufwendiger Maßnahmen, um die Beschwerden zu beseitigen und<br />

ein erneutes Auftreten zu verhindern. Aus diesem Grunde ist ein gezieltes Krafttraining zur<br />

Prävention von Überlastungserscheinungen nötig und zwingend als Teil des langfristigen<br />

Trainingsprozesses zu etablieren. Als rehabilitative und präventive Krafttrainingsübungen sei<br />

hier verwiesen auf Wilke & Madsen (2015, S. 203 ff), Jankowski (Jankowski, 2015, S. 112<br />

ff.), Salo & Riewald (2008, S. 153 ff) sowie zur Ausführung auf Wilke & Madsen (2015, S.<br />

225 ff). Ein komplettes Programm sowohl für Kraftausdauertraining als auch zur<br />

Verbesserung der Beweglichkeit beschreibt auch Tovin (2006, S. 170 ff).<br />

Um einen langfristigen Trainingsprozess gezielt steuern zu können ist es essentiell, zu wissen, ab<br />

wann ein gewünschtes Niveau erreicht werden soll. Im Folgenden wird, basierend auf einer Umfrage<br />

unter Sportschülern des Berliner Schul- und Leistungssportzentrums, der Frage nachgegangen, in<br />

welchem Altersbereich die meisten Schulterverletzungen auftreten und ab welchem Zeitpunkt ein<br />

gezieltes Schulterstabilisationstraining beginnen muss.<br />

3 Empirische Untersuchung<br />

Stichprobenbeschreibung<br />

Insgesamt nahmen 68 Probanden (42 ♀, 26 ♂) im Zeitraum 11.- 15.07.2016 an einer schriftlichen<br />

Befragung, bestehend aus geschlossenen und offenen Fragestellungen, teil. Alle Befragungsteilnehmer


21<br />

waren Mitglied des Landesleistungszentrums bzw. des Bundesstützpunktes Schwimmen Berlin. Die<br />

waren Verteilung Mitglied der Jahrgänge des Landesleistungszentrums in Tab. 2 dargestellt. bzw. des Bundesstützpunktes Schwimmen Berlin. Die<br />

Verteilung der Jahrgänge ist in Tab. 2 dargestellt.<br />

Tab. 2: Häufigkeitsverteilung der Stichprobenjahrgänge<br />

Tab. 2: Häufigkeitsverteilung der Stichprobenjahrgänge<br />

JAHRGANG m w<br />

JAHRGANG 2005 m 4 w 8<br />

2005 2004 46 10 8<br />

2004 2003 64 10 8<br />

2003 2002 43 89<br />

20012002 u. ä. 39 97<br />

2001 Gesamt u. ä. 26 9 42 7<br />

Gesamt 26 42<br />

Entsprechen der dargestellten Häufigkeitsverteilung besteht der berechnete Mittelwert für das Alter<br />

Entsprechen der Probanden der von dargestellten 13,89 ± 3,10 Häufigkeitsverteilung (♀: 13,69±3,14; ♂: 14,23±3,08) besteht der Jahren. berechnete Mittelwert für das Alter<br />

der Die Probanden Sportler trainierten von 13,89 ± im 3,10 Mittel (♀: 13,69±3,14; 3,54 ± 2,87 ♂: 14,23±3,08) (♀: 3,32 ± Jahren. 2,85; ♂: 3,88 ± 2,93) Jahre am<br />

Landesleistungs- Die Sportler trainierten bzw. Bundesstützpunkt. im Mittel 3,54 ± Hinsichtlich 2,87 (♀: 3,32 der genannten ± 2,85; ♂: Hauptschwimmarten 3,88 ± 2,93) Jahre (zwei am<br />

Landesleistungs- Nennungen waren bzw. möglich) Bundesstützpunkt. ergibt sich folgende Hinsichtlich Verteilung der (vgl. genannten Abb. 8). Hauptschwimmarten (zwei<br />

Nennungen waren möglich) ergibt sich folgende Verteilung (vgl. Abb. 8).<br />

Abb. 8: Verteilung Hauptschwimmarten<br />

Abb. 8: Verteilung Hauptschwimmarten<br />

Aufbau schriftliche Befragung<br />

Die Aufbau schriftliche schriftliche Befragung Befragung der Probanden erfolgte mittels eines Fragebogens, bestehend aus offenen<br />

Die und geschlossenen schriftliche Befragung Fragestellungen. der Probanden Er umfasste erfolgte folgende mittels Fragekomplexe:<br />

eines Fragebogens, bestehend aus offenen<br />

und - geschlossenen Persönliche Fragestellungen. Angaben (Alter, Er Geschlecht, umfasste folgende Trainingsalter Fragekomplexe: an der Sportschule,<br />

- Persönliche Hauptschwimmart) Angaben (Alter, Geschlecht, Trainingsalter an der Sportschule,<br />

- Angaben Hauptschwimmart) zum Training (zeitlicher Umfang Wasser- und Landtraining, zusätzliches Training,<br />

- Angaben Gesamtkilometerumfang zum Training (zeitlicher Saison, Verwendung Umfang Wasser- Paddles und u. Landtraining, a.) zusätzliches Training,<br />

- Auftreten Gesamtkilometerumfang der Schulterbeschwerden Saison, Verwendung (Art, Zeitpunkt Paddles des Auftretens, u. a.) Häufigkeit und Dauer<br />

- Auftreten Trainings- der und Schulterbeschwerden Wettkampfunterbrechung, (Art, Zeitpunkt Bezug zu des Schwimmlagen, Auftretens, Häufigkeit Ursache der und Dauer<br />

Trainings- Beschwerden, und rehabilitative, Wettkampfunterbrechung, präventive Maßnahmen Bezug zu Schwimmlagen, u. a.) Ursache der<br />

Beschwerden, rehabilitative, präventive Maßnahmen u. a.)


22<br />

Die Befragung der Sportler erfolgte in der Woche nach dem Wettkampfhöhepunkt der Saison, den<br />

Berliner (Jahrgangs-) Meisterschaften.<br />

Die quantitative Datenauswertung erfolgte mittels Excel 2010. Hierbei wurde der Schwerpunkt auf die<br />

Anzahl der Schulterprobleme und deren erstes Auftreten in Verbindung mit dem Alter gelegt.<br />

Für das erstmalige Auftreten der Schulterprobleme wurden die Daten für Jahrgang und Geschlecht<br />

nach positivem Anderson-Darling-Test auf Normalverteilung mittels Gauß’scher Normalverteilung<br />

angenähert. Weiterhin erfolgten Korrelationsberechnungen zwischen dem Auftreten von<br />

Schulterproblemen (Ja=1; Nein=0) und verschiedenen Einflussfaktoren, so z. B. für den Einsatz von<br />

Handplatten im Training (Ja=1; Nein=0) und weiterer mögliche Einflussfaktoren. Die Berechnung der<br />

Korrelationen erfolgte mit Hilfe des Vierfelder-Koeffizient und der Rangkorrelation nach Spearman.<br />

Die Zusammenhänge der Verletzungshäufigkeiten zwischen den beiden Geschlechtern wurden mittels<br />

t-Test für unabhängige Zufallsvariablen mit unterschiedlichen Varianzen durchgeführt. Aufgrund der<br />

geringen Stichprobengröße ab Jahrgang 2001 wurden die Sportler, die 2001 und früher<br />

geboren wurden, zu einer Gruppe zusammengefasst. Primär können also Aussagen über die<br />

Jahrgänge 2005 – 2002 sowie das Alter des erstmaligen Auftretens von Schulterbeschwerden<br />

getroffen werden.<br />

4 Ausgewählte Ergebnisse<br />

Häufigkeit der Schulterbeschwerden<br />

Hinsichtlich der Verteilung der Schulterbeschwerden berichten von den 68 befragten<br />

Sportlern 21 von ihren Schulterbeschwerden (30,9%). Von den 42 weiblichen<br />

Teilnehmerinnen sind es 13 (31,0%) und von den 26 männlichen Befragten sind es 8 (30,7%)<br />

Sportlerinnen bzw. Sportler, die über Schulterbeschwerden berichten. Sowohl hinsichtlich<br />

aller Befragten als auch hinsichtlich der Geschlechterverteilung klagt ca. ein Drittel der<br />

Sportler über Schulterbeschwerden.<br />

Die Antworten nach Schulterbeschwerden, differenziert nach Jahrgängen ergibt folgende<br />

Häufigkeitsverteilung in Tab. 3.<br />

Tab. 3: Relative Häufigkeitsverteilung der Schulterbeschwerden differenziert nach Jahrgang<br />

und Geschlecht<br />

Jahrgang Schmerzen gesamt Schmerzen m Schmerzen w<br />

Relative 2005 17%<br />

0% 25%<br />

Häufigkeit 2004 13% n((n<br />

17% 10%<br />

von<br />

2003 25% =12<br />

0% 38%<br />

Schulterprob<br />

=<br />

lemenJAHR 2002 42% 67% 33%<br />

2001 GANG u. ä. 56% 56% 57%<br />

Aufgrund des positiven Anderson-Darling-Tests auf Normalverteilung beim ersten Auftreten<br />

von Schulterproblemen konnte die Gaußsche Normalverteilung berechnet und dargestellt<br />

werden (vgl. Abb. 9).


23<br />

Abbildung 9: Zeitpunkt des Auftretens von Schulterproblemen<br />

Danach konnten hinsichtlich Zeitpunktes des ersten Auftretens von Schulterproblemen<br />

folgende Mittelwerte berechnet werden, für die weiblichen Befragten (n=42) das Alter von<br />

13,1 ± 2,2 und bei den männlichen Befragten (n=26) das Alter von 14,7 ± 1,9 Jahren.<br />

Demnach entstehen ca. 84% der Verletzungen im Alter ab 10,9 (♀) bzw. 12,9 (♂) Jahren.<br />

Einflussfaktoren<br />

Bei den 21 Sportlern, die über Schulterprobleme berichteten, traten die Probleme bei 20<br />

Sportlern (95,2%) beim Schwimmen, bei 7 (33,3%) beim Schwimmen und Landtraining auf.<br />

10 Schwimmer (47,6%) mussten eine Trainings- bzw. Wettkampfpause einlegen, welche im<br />

Mittel 8 ± 5,2 Tage erforderte.<br />

Abb. 10 enthält die relative Häufigkeitsverteilung von den 18 Sportlern, die Schulterprobleme<br />

beim Schwimmen angeben sowie bei welchen Schwimmarten diese auftreten. Bis zu drei<br />

Schwimmarten konnten angegeben werden.<br />

Abb. 10: Relative Häufigkeit der Schulterprobleme beim Training


24<br />

Nach diesen Ergebnissen haben beim Delphin- und Kraulschwimmen im Training 15 der 18<br />

Schwimmer Schulterbeschwerden und ein Sportler hat die Schulterprobleme ausschließlich<br />

beim Startsprung sowie einer ausschließlich beim Laufen.<br />

11 von diesen 18 Teilnehmern kannten die Ursache ihrer Schulterprobleme. Sieben geben<br />

fehlende muskuläre Entwicklung als Ursachen an. Als weitere Gründe wurden angegeben:<br />

Technik (1), Entzündung der Supraspinatussehne (1), Schleimbeutelentzündung (1) und<br />

Verspannungen der Muskulatur (1).<br />

Die Gegenmaßnahmen bei aufgetretenen Schulterproblemen (21 Sportler) lassen sich (in<br />

Anlehnung an 2.3) folgendermaßen zusammenfassen:<br />

- Differentielle Diagnose: 7x (33,3%)<br />

- Kontrolle der akuten Erscheinung: 10x Pause (47,6%), 0x Kühlung, 1x Kompression<br />

(4,8%), 0x Hochlagerung<br />

- Heilung: 1x allgemeine aerobe Ausdauer (4,8%), 11x Kräftigung/ Stabilisierung der<br />

Schultermuskulatur (52,3%), 2x Operation (9,6%)<br />

- Vermeidung erneuter Verletzung: 15x Kräftigung (inkl. Physiotherapie) zur<br />

Stabilisierung der Schulter (71,4%), 9x Dehnung (inkl. Physiotherapie) zur<br />

Vorbeugung muskulärer Imbalancen (42,8%)<br />

Zwei Sportler haben bisher keinerlei Maßnahmen zur Behebung der Schulterbeschwerden<br />

ergriffen (darunter derjenige, der Schulterbeschwerden beim Laufen angab).<br />

Als präventive Maßnahmen geben insbesondere die beschwerdefreien Sportler (n=47) an (vgl.<br />

Tab. 3):<br />

Tab. 3: Absolute Häufigkeitsverteilung Nennungen Präventive Maßnahmen<br />

Präventive Maßnahme<br />

Anzahl Nennung (f)<br />

Dehnungsübungen 9<br />

Kräftigungsübungen 24<br />

Verabreichung Magnesium 1<br />

Massage 1<br />

Einreibung 1<br />

Technik 1<br />

Rückenschwimmen 15<br />

Vor allem werden von den Befragten Kräftigungsübungen, Rückenkraulschwimmen sowie<br />

Dehnungsübungen als präventive Maßnahmen zur Vermeidung von Rückenbeschwerden<br />

angegeben.<br />

Hinsichtlich des Bestehens von Zusammenhängen zwischen verschiedenen Einflussfaktoren<br />

und Schulterbeschwerden lassen sich aufgrund der geringen Stichprobengröße nur schwach<br />

ausgeprägte Korrelationen in den Berechnungen nachweisen, so insbesondere hinsichtlich:


22<br />

25<br />

- Alter: r = 0,34<br />

- Einsatz von Handplatten: r = 0,28<br />

- Training im LLZ bzw. BSP: r = 0,29<br />

- Kilometerumfang Wasser: r = 0,37<br />

- Zusätzliches Training (Anzahl je Woche): r = -0,26<br />

Unter dem Blickwinkel von geschwommenen Kilometerumfängen und der Zunahme von<br />

Schulterbeschwerden sind für das Verständnis in Tab. 4 die real geschwommenen<br />

Kilometerumfänge der Sportler für die einzelnen Jahrgänge im Vergleich mit den laut DSV<br />

Nachwuchskonzeption geforderten Kilometerumfänge dargestellt (vgl. DSV – Nachwuchskonzeption<br />

Schwimmen 2020, S. 13).<br />

Tabelle 4: Vergleich zwischen IST- Kilometer Saison 15/16 am LLZ bzw. BSP<br />

Schwimmen Berlin und Vorgabe DSV- Nachwuchskonzeption (100%=DSV100;<br />

75%=DSV75)<br />

Jahrgang IST<br />

DSV 100 DSV 75<br />

2005 (km/Jahr) 655<br />

(km/(km/Jahr)<br />

(km/Jahr)<br />

2004 835 1150 875<br />

2003 1094<br />

2002 1461,3 1880 1410<br />

2001 u. ä. 1746,2 2160 1920<br />

Zeitpunkt des Auftretens von Schulterbeschwerden<br />

Hinsichtlich des Zeitpunktes des ersten Auftretens von Schulterbeschwerden lassen sich für<br />

die weiblichen und männlichen befragten Schwimmer folgende Mittelwerte berechnen, so<br />

geben Schwimmerinnen (n= 42) im Mittel das 13,1 und die Schwimmer (n= 26) das 14,7<br />

Lebensjahr an, in dem die ersten Schulterprobleme auftreten.<br />

5. Diskussion<br />

Im Rahmen der Befragung wurden verschiedene Aspekte von Schulterbeschwerden bei<br />

Sportlern des Aufbau-, Anschluss- und Hochleistungstrainings erhoben. Der Schwerpunkt war<br />

gerichtet auf das Auftreten von Schulterproblemen, um darauf aufbauend Hinweise für die<br />

Durchführung von präventiven Maßnahmen im langfristigen Leistungsaufbau geben zu<br />

können. Mit 56% (♂) und 57% (♀) in der Gruppe 2001 u. ä. stimmen diese Ergebnisse zur<br />

relativen Häufigkeit der Schulterprobleme mit bisherigen Studien überein (Salo & Riewald,<br />

2008, S. 149; Sein, et al., 2008, S. 105; Tate, et al., 2012). Dieses Ergebnis unterstreicht<br />

zugleich die Wichtigkeit und Funktion präventiver Maßnahmen im Training der Schwimmer.<br />

Da bei den meisten der Sportler die Beschwerden beim Schwimmen auftreten, ist davon<br />

auszugehen, dass sie auch aufgrund des Trainings entstehen. Dies wird durch andere Studien<br />

unterstützt (Sein, et al., 2008). Es sind somit Überlastungserscheinungen, die in<br />

Entzündungen der Supraspinatus- und der Bizepssehne gründen. Diesem ist<br />

entgegenzusteuern und muss demnach einen essentiellen Bestandteil des langfristigen<br />

Trainingsprozesses darstellen. Betrachtet man die Hauptschwimmarten der Sportler, so zeigt


26<br />

sich, dass lediglich die Brustschwimmer (11,1%) über weniger Schulterprobleme berichten.<br />

Sowohl beim Rücken- (38,9%), Delphin- (44,4%) als auch Kraulschwimmen (55,6%) hatte<br />

ungefähr jeder zweite Teilnehmer Beschwerden. Dieses Ergebnis verweist teilweise auf eine<br />

zu hohe Spezialisierung in den Schwimmarten, die im Nachwuchsbereich erst zum Ende des<br />

Aufbautrainings zunehmen sollte (Rudolph, 2015, S. 36).<br />

Für den vorliegenden Beitrag maßgeblich ist das erstmalige Auftreten von<br />

Schulterbeschwerden. Hier wurde bei den Frauen ein maximaler Zuwachs im Mittelwert bei<br />

13,1 Jahren und bei den Männern bei 14,7 Jahren beobachtet. Dies scheint zum Ende/während<br />

des pubertären Längenwachstums auch sinnvoll zu sein. Durch veränderte Längen- und<br />

Kraftverhältnisse entstehen ungewohnte Beanspruchungen für den Bewegungsapparat<br />

(Rudolph, 2015, S. 36). Wenn keine entsprechenden muskulär ausbalancierten<br />

Voraussetzungen geschaffen wurden, entstehen leicht Imbalancen, Überlastungen und<br />

Entzündungen. Ca. 84% der Verletzungen geschahen in einem Alter über 10,9 (♀) bzw. 12,8<br />

(♂) Jahren. Um diesem vorzubeugen ist ein Reagieren auf erste Symptome des ersten<br />

Auftretens nicht ausreichend, sondern im Training muss dem bereits vorausschauend<br />

begegnet werden. So ist es z. B. erforderlich, dass für den o. g. Altersbereich bereits zur<br />

Vorbereitung des neuen Trainingsjahres spätestens im Sommer (während der Trainingspause)<br />

gezielt Übungen zur Stärkung der Schulterextensoren und -außenrotatoren in das Training<br />

aufgenommen werden und diese zum Standard des Trainingsprozesses werden. Der Zeitpunkt<br />

für Schwimmerinnen besteht mit den Sommerferien vor Klasse 5 und die Schwimmer<br />

spätestens vor Klasse 7, wobei das Beachten von individuellen Voraussetzungen der Sportler<br />

(z. B. bei Akzeleration) Bestandteil des Vorgehens ist, um eher zu agieren. Somit ist es auch<br />

für Vereinstrainer wichtig, dass sie in Vorbereitung einer Delegierung von Sportlern an<br />

sportbetonte Schulen präventiv wirksame Kräftigungsübungen in das Trainingsprogramm<br />

aufnehmen bzw. dass Nachwuchsschwimmer im Grundlagentraining präventive Übungen<br />

erlernen.<br />

In den Befragungsergebnissen zur Inanspruchnahme rehabilitativer Maßnahmen ist auffällig,<br />

dass lediglich ein Drittel der von Schulterbeschwerden betroffenen Sportler angeben,<br />

medizinische Hilfe wie Physiotherapie oder ärztlichen Rat zu nutzen. Um akute<br />

Verletzungserscheinungen zu kontrollieren, nahm knapp die Hälfte eine Pause, während die<br />

restlichen Sportler einfach weiter trainierten.<br />

Fast Dreiviertel der Sportler mit Schulterproblemen nutzten Übungen zur Kräftigung der<br />

Schultermuskulatur, um erneuten Verletzungen vorzubeugen. Dies ist jedoch nur<br />

erfolgsversprechend, wenn auch die nötige Ruhepause für die entzündeten Strukturen gegeben<br />

wird. Entzündungen müssen zuerst komplett abklingen, um dann gegen muskuläre Imbalancen<br />

vorgehen zu können. „Erfolgreiche“ präventive Maßnahmen umfassen in der Mehrheit<br />

Kräftigung und Dehnung der Schultermuskulatur. Inwieweit durchgehendes<br />

„Rückenschwimmen“ als vorbeugende Maßnahmen geeignet ist, ist zu prüfen. Da nahezu 40%<br />

der Schulterbeschwerden beim Rückenschwimmen angegeben werden und die<br />

Beanspruchungen der Schultermuskulatur (Innenrotation und Adduktion) denen des Kraulund<br />

Delphinschwimmens entsprechen, erscheint dies nicht als sinnvoll und<br />

erfolgsversprechend.<br />

Auffällig in den Befragungsergebnissen war auch, dass lediglich eine Person „saubere Technik“ als<br />

vorbeugend bei Schulterbeschwerden angab. Ansonsten wurde die „Technikverbesserung“ als


24<br />

27<br />

rehabilitative Maßnahme überhaupt nicht genannt. Außerdem gab nur Sportler mit<br />

Schulterproblemen seine mangelnde Schwimmtechnik als Ursache an. Technikfehler sind wie o.<br />

g. eine der Hauptursachen für Schulterbeschwerden. Hier besteht akuter Handlungsbedarf in<br />

der Aufklärung der Schwimmer und Trainer.<br />

Bedenklich erscheint die Anzahl der Schulterbeschwerden vor dem Hintergrund, dass die<br />

geschwommenen Kilometer im Aufbau- und Anschlusstraining deutlich unter den vom DSV<br />

geforderten Umfängen lagen. Hier scheinen also nicht die übermäßig hohen Umfänge<br />

Ursache für die Schulterbeschwerden zu sein. Mögliche Gründe könnten in fehlendem/ nicht<br />

in ausreichender Qualität durchgeführtem Athletiktraining oder in einer unzureichenden<br />

Technik liegen.<br />

Eine gemeinsame Betrachtung der Ergebnisse für weibliche und männliche Sportler erscheint<br />

als nicht sinnvoll, da die Wahrscheinlichkeit einer gemeinsamen Verteilung bei lediglich<br />

10,9% liegt. Somit muss hier auch im Trainingsprozess zwingend differenziert an der<br />

Prävention gearbeitet werden.<br />

6. Fazit<br />

In der Hausarbeit wurde der Frage nachgegangen, ab wann eine gezielte Schulterkräftigung<br />

zur Vorbeugung von Schulterbeschwerden nötig ist, um weitere Verletzungen und<br />

Schädigungen zu vermeiden, damit der Weg in das Hochleistungstraining gegangen werden<br />

kann. Hierzu wurde analysiert, in welchem Alter die meisten Schulterprobleme zum ersten<br />

Mal auftreten und wann demnach schwerpunktmäßig dagegen vorgegangen werden muss.<br />

Mittels des Nachweises einer Normalverteilung konnte für die weiblichen Sportler 10,9 und<br />

die männlichen Sportler 12,8 Jahre als das Alter errechnet werden, ab dem die Häufigkeit des<br />

Auftretens von Schulterbeschwerden mit 84% beobachtet werden kann. Ausgehend von dem<br />

Wissen, dass sich die Schulterprobleme im Verlaufe einer Saison durch viele Mikrotraumen<br />

entwickeln und demnach schon vor Beginn der Saison die muskuläre Grundlage zur<br />

Schulterstabilisierung gelegt sein muss, empfiehlt es sich (für die Frauen) die Sommerferien<br />

vor der 5. Klasse bzw. (für die Männer) vor der 7. Klasse als Zeitpunkt zu wählen, ab dem ein<br />

gezieltes Kraftausdauertraining für die betroffene Muskulatur durchgeführt werden sollte und<br />

festgelegt wird. Das bedeutet, dass bereits in der 4. Klasse (♀) bzw. 6. Klasse (♂) an der<br />

allgemeinen Kräftigung in Richtung der schwimmspezifischen Schulterstabilisation gearbeitet<br />

werden muss. Ziel muss ein standardisiertes Kräftigungsprogramm für die<br />

Rotatorenmanschette und weitere Schultermuskulatur sein. Ein Beispiel ist das von Tovin<br />

(2006, S. 170ff.) entwickelte Programm. In Anbetracht der durch die DSV-<br />

Nachwuchskonzeption geforderten Umfangssteigerung in den nächsten Jahren gewinnt diese<br />

belastungssichernde Maßnahme zusätzlich an Bedeutung.<br />

Weiterhin wurden Defizite im Umgang mit Schulterbeschwerden erkannt. Diesem Problem<br />

sollte, da zum größten Teil durch das Schwimmen verursacht, größte Aufmerksamkeit von<br />

Anfang an zukommen, da sich Schulterbeschwerden sonst bis hin zur Zerstörung von<br />

Gewebestrukturen mit operativen Eingriffen ausweiten oder gar das vorzeitige Karriereende<br />

bedeuten kann. Interessant für weiterführende Untersuchungen wäre auch das Befragen von<br />

Sportlern, die wegen Schulterbeschwerden ihre leistungssportliche Karriere vorzeitig beenden<br />

mussten, hier konnten nur aktuelle Sportler am Landesleistungszentrum und<br />

Bundesstützpunkt Schwimmen Berlin befragt werden.


28<br />

Die vorliegenden Untersuchungsergebnisse können gleichzeitig auch dazu beitragen, die<br />

vielfach geforderte Senkung der Drop-Out-Quote von Schwimmern nach dem JEM-Alter<br />

weiter zu senken. Da die Stichprobe mit 68 Sportlern relativ gering ist und die jeweiligen<br />

Jahrgänge nur von einem Trainer abhängig sind, wäre eine deutschlandweite Studie zu diesem<br />

Thema ebenfalls von Interesse, um die vorliegenden Ergebnisse weiter statistisch zu sichern.<br />

Der verwendete Fragebogen kann dafür zur weiteren Verfügung stehen.<br />

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spox.com. (9. April 2014). spox.com. Von<br />

http://www.spox.com/de/sport/mehrsport/schwimmen/1404/News/ia n-thorpe-wird-nicht-insschwimmbecken-zurueckkehren-manager-<br />

bestaetigt-erkrankung-depressionen-klinik.html am<br />

20.08.2016, 20:07 Uhr, abgerufen


30<br />

Sport1. (20. Januar 2015). Sport1. Von<br />

http://www.sport1.de/schwimmen/2015/01/schwimmen-tim-wallburger-beendetseine-karriere<br />

am 20.08.2016, 20:11 Uhr, abgerufen<br />

Autor<br />

Pfeiffer, Sebastian;<br />

Berliner Schwimmverband<br />

Berliner Wasserratten, gegr. 1889 e.V.;<br />

Email: sebastian.pfeiffer@berliner-wasserratten.de


31<br />

LENZ, UTE<br />

Notwendigkeit und methodische Anforderungen bei der Ausbildung von<br />

Rumpf- und Schulterstabilität im Schmetterlingsschwimmen.<br />

Hausarbeit Ausbildung Lizenztrainer A Schwimmen 2015/16<br />

Einleitung<br />

Im Beitrag wird bewusst auf detaillierte Beschreibungen anatomischer Begebenheiten verzichtet.<br />

Sowohl die genannten Gelenke, als auch der Muskel- und Bandapparat werden nicht in ihrer<br />

genauen Arbeitsweise dargestellt, dazu verweise ich auf einschlägige Literatur zur menschlichen<br />

Anatomie und Physiologie. Eine genaue Beschreibung würde den Rahmen sprengen und vielleicht<br />

das eigentliche Thema und die Bearbeitung in den Hintergrund drängen. Dieses heißt jedoch nicht,<br />

dass bei einer gezielten Ausbildung der Rumpf- und Schulterstabilität kein Fachwissen über<br />

Anatomie und Arbeitsweise der Gelenke sowie der Muskulatur unerlässlich ist.<br />

Alle Beschreibungen erfolgen in der maskulinen Form, welches aus Vereinfachungszwecken<br />

geschieht und nicht als Vernachlässigung des weiblichen Geschlechtes aufgefasst werden darf.<br />

Der Rumpf des menschlichen Körpers und die sich angliedernden Gelenke bilden die<br />

Voraussetzung für Bewegungen jeglicher Art. In den meisten Fällen befindet sich der Körper in<br />

vertikaler Position und kann bei Bewegungen auf ein festes Widerlager zurückgreifen. Am<br />

Häufigsten ist dieses der Boden; beim Turnen kann es der Barrenholm oder das Pauschenpferd sein,<br />

beim Radfahren der Lenker oder die Pedalen, beim Rhönradturnen das Rhönrad etc.<br />

Im Schwimmsport ändern sich gleich zwei entscheidende Bedingungen, welche die körperliche<br />

Bewegung beeinflussen:<br />

- die Muskulatur wird aus der horizontalen Position beansprucht<br />

- der Körper kann nicht auf ein Widerlager zurückgreifen und sich daher nicht „verankern“.<br />

(Ausnahmen sind Start und die Wende)<br />

Diese beiden Aspekte sind ausschlaggebend für die hohe Bedeutung der Rumpf- und<br />

Gelenkstabilität im Schwimmsport. Hinzu kommt die Komplexität der Bewegungen.<br />

- Zur Erzeugung einer Vorwärtsbewegung sind nahezu ALLE Muskeln beteiligt, da beim<br />

koordinierten Schwimmen die Muskeln in einer Art „Kettenreaktion“ zusammenarbeiten<br />

müssen. Man bezeichnet dieses als KINETISCHE KETTE 1 .<br />

- Zusätzlich zur Vortriebsaufgabe müssen die Muskeln eine eigene Stabilitätsgrundlage<br />

bilden.<br />

Zeitgleiche Stabilisation und Bewegung stellen ein hohes Anforderungsprofil an den Körper und<br />

somit den Sportler dar.<br />

1 Quelle: Blythe Lucero (2012). Schneller schwimmen durch Krafttraining. Meyer und Meyer Verlag<br />

Seite 29


32<br />

Anatomie und Funktion der beteiligten Knochen und der Muskulatur<br />

Der Rumpf<br />

Die knöchernen Bausteine des Rumpfes sind:<br />

- dorsal die Wirbelsäule als zentrales Stützkorsett mit der Verbindung zum Becken nach<br />

unten und den Schulterblättern, welche die Verbindung zu den Armen herstellen.<br />

- ventral das Brustbein mit dem angegliederten Schlüsselbein, welches wiederum die<br />

Verbindung zu den Armen herstellt, die angegliederten Rippen vervollständigen das<br />

Stützkorsett der Wirbelsäule und schützen Herz und Lunge.<br />

Die muskulären Bausteine des Rumpfes sind:<br />

- dorsal die Rückenmuskeln (M. Erector spinae, M.Trapezius, M.Deltoideus, M.Latissimus<br />

dorsi, M. Rhomboideus major und minor, M.Supraspinatus, M.Infraspinatus, sowie die<br />

Muskeln zwischen den Dornfortsätzen, den Querfortsätzen und solche, die von den<br />

Dornfortsätzen zu den Querfortsätzen ziehen. Die tieferliegenden Muskeln bezeichnet man<br />

als autochthone Rückenmuskulatur.<br />

- ventral die Beckenbodenmuskulatur von unten, die gesamte Bauchmuskulatur von vorne,<br />

der M.Quadratus lumborum als seitliche Stütze, die intercostale Muskulatur, der M.<br />

Pectoralis und der M. Sterno - cleideo - mastoideus<br />

Die hohe Anzahl der gelenkigen Verbindungen der einzelnen Knochen des Rumpfes ist der<br />

Grundstein für seine Beweglichkeit. So können Bewegungsimpulse übertragen und weitergeleitet<br />

werden. Ausschlaggebend ist der Impuls des Beinschlags beim Delfinschwimmen. Er wird über die<br />

Beine auf das Becken übertragen und läuft nun wellenförmig nach oben zum Schultergürtel und<br />

Kopf. Der Schultergürtel überträgt ihn auf die Arme, welche sowohl in der Unterwasser-, als auch<br />

in der Überwasserphase den Vortrieb forcieren. Das intermuskuläre Zusammenspiel ermöglicht<br />

koordinierte und rhythmische Bewegungen, die besonders bei der Delfintechnik erforderlich sind.<br />

Im unteren Rumpfbereich stabilisieren die Beckenboden – und die Bauchmuskulatur, im oberen<br />

Rumpfbereich der Subscapularis und die Rhomboideen.<br />

Für die Armbewegungen und den damit verbundenem Vortrieb sind während der Überwasserphase<br />

der Trapezius und der Deltoideus, während der Unterwasserphase der Pectoralis und der Trizeps<br />

hauptverantwortlich.<br />

Die Schulter<br />

Das Schultergelenk ist das beweglichste Gelenk des menschlichen Körpers und setzt sich aus<br />

folgenden knöchernen Anteilen zusammen:<br />

Von dorsal gesehen bildet das Schulterblatt die Gelenkpfanne, welche von oben gesehen von der<br />

sogenannten Schulterblatthöhe und dem Schlüsselbein begrenzt wird. Der Oberarm geht am Ende<br />

(körpernah) eine halbkugelige Verdickung ein und bildet so den Gelenkkopf. Dieser wiederum ist<br />

größer als die Gelenkpfanne und ermöglicht dem Arm so einen großen Spielraum. Ein umgebender<br />

Schleimbeutel schützt und unterstützt den Gelenkkopf. Die Schultermuskulatur ist einerseits mit<br />

dem Rücken und andererseits mit der Brust verbunden.<br />

Seite 30


30<br />

33<br />

Die Muskeln des Rückens für das Schultergelenk sind:<br />

- M. trapezius - M. serratus anterior<br />

- M. levator scapulae - M. latissimus dorsi<br />

- M. rhomboideus major und minor<br />

Die Muskeln des Brustkorbes für das Schultergelenk sind:<br />

- M. pectoralis major/ minor - M. teres minor<br />

- M. subclavius - M. teres major<br />

- M. supraspinatus - M. subscapularis<br />

- M. infraspinatus - M. deltoideus<br />

Von besonderer Bedeutung für das Schwimmen ist im Bereich der Schulter die sogenannte<br />

Rotatorenmannschette. Sie setzt sich aus den Muskeln M. supraspinatus, M. infraspinatus,<br />

subscapularis und M. teres minor zusammen. Diese sollen den Oberarmkopf in der Gelenkpfanne<br />

zentrieren, um alle Bewegungen „reibungsfrei“ durchführen zu können. Wie beim Rumpf setzt sich<br />

das Schultergelenk aus mehreren Knochen zusammen. Diese wiederum werden von einer Vielzahl<br />

von Sehnen und Muskeln gehalten und bewegt. Das Ausmaß der Beweglichkeit ist sehr gut und<br />

ermöglicht den Armen eine entsprechende Reichweite. Je nach Armlänge entsteht eine<br />

unterschiedliche Hebelwirkung.<br />

Notwendigkeit der Ausbildung von Rumpf- und Schulterstabilität<br />

Rumpfstabilität<br />

Wie bereits beschrieben, umfasst der Rumpfbereich eine hohe Anzahl an Knochen und eine<br />

Vielzahl an Muskulatur. Beim Schwimmen trägt der Rumpf:<br />

- maßgeblich zur Wasserlage bei,<br />

- bildet die Aufhängung und damit das Widerlager der Extremitäten,<br />

- gibt Impulse und leitet diese weiter.<br />

Damit er diesen Funktionen nachkommen und sie bestmöglich erfüllen kann, benötigt er eine gute<br />

und umfassende Ausbildung. Werden einzelne Strukturen vernachlässigt oder „übergangen“,<br />

kommt es zu Dysbalancen. Diese wirken sich auf das gesamte Gefüge und Zusammenspiel aus – die<br />

kinetische Kette wird teilweise unterbrochen und damit das Optimum verlassen.<br />

Beispiele:<br />

Ist die Beckenbodenmuskulatur nicht unzureichend gekräftigt, kann der Impuls des Beinschlages<br />

nicht optimal auf das nächst höher gelegene Segment übertragen werden. Die Tatsache, dass mit<br />

„miederartiger“ Schwimmbekleidung eine Leistungssteigerung einhergeht, verdeutlicht dieses<br />

Problem.<br />

Im Bereich der Brustwirbelsäule ist der Grad der Ausbildung und Funktionstüchtigkeit der M.<br />

Rhomboideen und des M. Supscspularis von großer Bedeutung. Sie richten die BWS auf und<br />

fixieren das Schulterblatt am Rumpf. Dieses wirkt sich auf die Gelenkstellung des Schultergelenkes<br />

aus. Oftmals ist jedoch der Gegenspieler (M. Pectoralis) wesentlich stärker ausgebildet. Er zieht die<br />

Schulter nach vorn, ein sogenannter Rundrücken entsteht. Dieser schränkt u. a. die Freiheitsgrade<br />

Seite 31


34<br />

(Beweglichkeit) der Arme besonders während der Überwasserphase ein. Des Weiteren kann sich<br />

eine Fehlstellung des Schulterblattes ergeben und zum sogenannten „Engelsflügel“ führen. Die<br />

breite und gleichzeitige Rückführung der Arme über Wasser belastet den M. Trapezius im hohen<br />

Maße. Auf diese Aufgabe sollte er bestens vorbereitet werden.<br />

Diese ausgewählten Beispiele zeigen die absolute Notwendigkeit der Ausbildung der<br />

Rumpfmuskulatur. Zum einen wird die schwimmerische Leistung positiv beeinflusst, zum anderen<br />

können Dysbalancen vermieden und „gesundes“ Training gefördert werden.<br />

Schulterstabilität<br />

Wie oben auch beschrieben, kann das Schultergelenk nur auf eine rudimentäre knöcherne Führung<br />

zurückgreifen. Gehalten und stabilisiert wird es über mehrere „weiche“ Anteile, so durch den:<br />

- Schleimbeutel<br />

- Sehnen- Bandapparat<br />

- und die Muskulatur.<br />

Das hat den Vorteil einer guten Beweglichkeit, sowie einer großen Bewegungsamplitude und<br />

Reichweite der Bewegungen. Der Nachteil ist die hohe Verletzungsanfälligkeit bei unausgewogener<br />

Beanspruchung einzelner Strukturen.<br />

Bei „alleinigem“ Training im Wasser kommt es zwangsläufig zu einer unausgewogenen Belastung<br />

der beteiligten Muskelgruppen. Der Krafteinsatz während der Unterwasserphase der Arme ist<br />

wesentlich höher und die arbeitende Muskulatur entsprechend kräftiger als die Gegenspieler.<br />

Zudem werden insbesondere beim Delfinschwimmen die Arme über Wasser schwungvoll nach<br />

vorne gebracht. Daraus resultiert, dass auch die muskuläre Führung des Gelenkes in diesem<br />

Abschnitt verringert ist. Beim Herausstrecken der Arme und dem anschließendem „Wasserfassen“<br />

ist das Gelenk einer hohen Belastung ausgesetzt. Genau in diesem Abschnitt sollte darum eine gute<br />

Stabilisation der Schulter stattfinden. Dazu gehören auf jeden Fall ein bewusstes Wahrnehmen der<br />

Bewegung von Seiten des Athleten, sowie die Möglichkeit einer langsamen Ausführung der<br />

Bewegung. Dieses ist im Wasser nur erschwert möglich. An Land jedoch kann die<br />

Überwasserphase des Delfinarmzuges sowohl bewusst verlangsamt, als auch gegen Widerstand<br />

(z.B. Theraband) ausgeführt werden.<br />

Treten Dysbalancen innerhalb des Gelenkes auf, so kann es zu hochgradigen Verschleißerscheinungen<br />

innerhalb des Gelenkes kommen. Bestens bekannt ist hier die sogenannte<br />

Schwimmerschulter – das Impingement Syndrom.<br />

Es wird deutlich, dass eine gezielte Stabilisation der Schulter für einen Schwimmer zwingend<br />

notwendig ist. Will er über einen langen Zeitraum kontinuierlich und beschwerdefrei trainieren<br />

können, sollte die Schulter mit all ihren Strukturen „gepflegt“ werden. Darüber hinaus sollte<br />

gesundheitsbewusst mit dem eigenen Körper umgegangen werden, damit auch nach der<br />

Schwimmkarriere beschwerdefreies Bewegen möglich ist.<br />

Methodische Anforderungen<br />

Die methodischen Anforderungen gestalten sich ebenso vielfältig, wie die Notwendigkeit Rumpfund<br />

Schulterstabilität auszubilden. Grundvoraussetzungen für die Arbeit in diesem Bereich sind<br />

a. Haltungsschulung<br />

b. Körperwahrnehmung.<br />

Seite 32


32<br />

35<br />

Wie bereits erwähnt, sind die optimale Gelenkstellung der einzelnen Gelenke zueinander und die<br />

ausreichende Dehnfähigkeit der Muskulatur verantwortlich für die Beweglichkeit. Kann darüber<br />

hinaus der Rumpf achsengerecht stabilisiert werden, fungiert er bei optimaler Wasserlage als<br />

Widerlager und Impulsgeber sowie -verteiler.<br />

Der Sportler muss in der Lage sein, eine achsengerechte Haltung einzunehmen. Darüber hinaus<br />

sollte er Abweichungen wahrnehmen, um die Haltung korrigieren zu können. Dazu benötigt er eine<br />

ausgeprägte Körperwahrnehmung. Ist dieses Ziel erreicht, sollte er bewusst seine Muskulatur<br />

ansteuern können. Ein Beispiel, viele Menschen sind in der Lage, ihren Bizeps anzuspannen –<br />

jedoch wenige Menschen sind in der Lage, ihre Beckenbodenmuskulatur zu aktivieren.<br />

Das Training der Haltungsschulung sollte in verschiedenen Ebenen stattfinden, so im Stand mit<br />

vorgebeugtem Oberkörper, Bauch-, Rücken- und Seitenlage sowie darauf aufbauend mit labilen<br />

Unterlagen oder einbeinig (Standwaage).<br />

Es gelten die bekannten didaktischen Prinzipien:<br />

- vom Leichtem zum Schweren<br />

- vom Bekannten zum Unbekannten.<br />

Der nächste Schritt der Haltungsschulung sollte dann im Wasser erfolgen. Die Ansteuerung der<br />

einzelnen Muskelgruppen fließt in diese Übungen mit ein. Am Beispiel der Delfinbewegung könnte<br />

eine methodische Reihe wie folgt aufgebaut werden:<br />

Eine achsengerechte Haltung im Stand<br />

- mit vorgebeugtem Oberkörper<br />

- in Bauchlage<br />

- in Bauchlage auf einer umgedrehten Bank<br />

- in der Standwaage<br />

Die gezielte Ansteuerung der Beckenbodenmuskulatur, der Bauch- und Rückenmuskulatur,<br />

der Rhomboideen, sowie der Muskulatur, die für die Unterwasserphase aktiviert werden<br />

muss, als auch der Muskulatur, die während der Überwasserphase der Arme arbeitet. Die<br />

Unterwasserphase wird vielschichtig trainiert, entweder im Wasser, oder auf der Zugbank.<br />

Die Rückholphase der Arme wird oftmals vernachlässigt. Doch auch hier kann gegen den<br />

Widerstand eines Therabandes in den verschiedenen Ebenen gezielt geschult werden (siehe<br />

Übungsfolgen Anhang)<br />

Im Wasser bieten sich Übungen in Zeitlupe an, um Bewegungsausführungen zu verinnerlichen.<br />

Je bewusster der Schwimmer die Bewegungsausführungen selbst wahrnimmt, desto gezielter kann<br />

er Schwächen bearbeiten und beheben.<br />

Sind die Haltung und die Ansteuerung der Muskulatur möglich, so erfolgt ihre Kräftigung nach dem<br />

Prinzip:<br />

von innen nach außen<br />

von klein zu groß<br />

Oftmals besteht eine Dysbalance zwischen der äußeren, größeren Muskulatur und der inneren,<br />

kleineren. Ein guter Ausgangspunkt zur Aufschulung der kleineren Muskeln bietet sich nach einer<br />

längeren Trainingspause. Die äußere, größere Muskelgruppe ist nicht mehr so stark – daher kann<br />

die tieferliegende Muskulatur besser angesteuert werden. Das Training der tieferen Muskulatur<br />

erfolgt am besten unter sogenannten labilen Bedingungen. Bekannt sind hier der Therapiekreisel,<br />

der Pezziball oder Ähnliches. Zur Schultergelenksstabilisierung findet das Flexibar seinen Einsatz,<br />

jedoch auch Kettleballs und TRX-Bänder sind sehr wirkungsvoll.<br />

Seite 33


36<br />

Für die weitere Kräftigung der Muskulatur ist besonders nach Pausen die Fragestellung<br />

ausschlaggebend:<br />

Welcher Muskel neigt zur schnellen Atrophie?<br />

Welcher Muskel atrophiert langsam?<br />

Dementsprechend sollten die Trainingsreize verteilt sein. Die abgeschwächten Anteile haben in der<br />

Kräftigung Vorrang. Um möglichst alle Fasern eines Muskels zu aktivieren, sollten die Übungen<br />

bewusst langsam ausgeführt werden. So wird zeitgleich das Bewegungsbewusstsein geschult. Beim<br />

schnellen Ausführen einer Übung kann „über einige Fasern hinweg gearbeitet werden“. Ist dieses<br />

Ziel erreicht gehören natürlich auch schnellkräftige Ausführungen ins Trainingsprogramm.<br />

Fazit<br />

Schwimmerische Leistungen auf einem hohen Niveau erfordern eine gute Beweglichkeit sowie eine<br />

gefestigte Stabilität im Rumpf- und Schulterbereich. Isoliert betrachtet widersprechen sich diese<br />

beiden Komponenten. Der Athlet muss lernen, Beweglichkeit und Stabilität zu koordinieren und<br />

gezielt einsetzen zu können. Diese Schulung findet in erster Linie an Land statt und benötigt viel<br />

Zeit. Leider zählt jedoch im Schwimmtraining oftmals nur der „geschwommene“ Kilometer und<br />

fehlende Wasserzeiten werden als Trainingsrückfall betrachtet. Haben sich jedoch bestimmte<br />

„schlechte“ Bewegungsmuster automatisiert, ist es entsprechend schwierig und häufig im<br />

Lernvorgang zeitaufwendiger, diese zu korrigieren.<br />

Daher sollten in jeder Trainingsplanung Übungen zur Beweglichkeit und Stabilisation des Rumpfund<br />

Schulterbereichs enthalten sein. Insbesondere die Übergänge von „Beweglich zu Stabil“<br />

müssen bewusst erarbeitet, ständig wiederholt und gefestigt werden. Nur so kann die<br />

schwimmerische Leistung verbessert und die „Gesunderhaltung“ des Athleten erreicht werden.<br />

Anhang: Übungsfolgen<br />

Ausgewählte methodische Übungen (Reihe) zur Ansteuerung der arbeitenden Muskulatur während<br />

der Überwasserphase der Armbewegung beim Delfinschwimmen.<br />

Ansteuerung der oberen Rückenmuskulatur in Bauchlage<br />

Übung 1: Gestreckte Arme befinden sich neben dem Körper.<br />

Übung 1: Gestreckte Arme befinden sich neben dem Körper.<br />

Seite 34


37<br />

Ansteuerung der oberen Rückenmuskulatur bei seitlicher Armhebung<br />

Ansteuerung der oberen Rückenmuskulatur bei seitlicher Armhebung<br />

Übung 2: Gestreckte Arme befinden sich in Seithalte<br />

Ansteuerung der oberen Rückenmuskulatur bei seitlicher Armhebung<br />

Übung 2: Gestreckte Arme befinden sich in Seithalte<br />

Übung 2: Gestreckte Arme befinden sich in Seithalte<br />

Übung 2: Gestreckte Arme befinden sich in Seithalte.<br />

Aktivierung des oberen Rückens bei gestreckter Armhaltung neben dem Kopf<br />

Aktivierung des oberen Rückens bei gestreckter Armhaltung neben dem Kopf<br />

Aktivierung Übung 3: Gestreckte des oberen Arme Rückens befinden bei gestreckter sich in Hochhalte Armhaltung neben dem Kopf<br />

Übung 3: Gestreckte Arme befinden sich in Hochhalte<br />

Übung 3: Gestreckte Arme befinden sich in Hochhalte<br />

Übung 3: Gestreckte Arme befinden sich in Hochhalte.<br />

Überwasserphase des Delfinarmzuges gegen Widerstand in Bauchlage<br />

Überwasserphase des Delfinarmzuges gegen Widerstand in Bauchlage<br />

Übung 4: Rückholphase gegen Widerstand des Therabandes in Bauchlage unter bewusster<br />

Überwasserphase des Delfinarmzuges gegen Widerstand in Bauchlage<br />

Übung Ansteuerung 4: Rückholphase der Rückenmuskulatur gegen Widerstand - Phase 1 des Therabandes in Bauchlage unter bewusster<br />

Ansteuerung der Rückenmuskulatur - Phase 1<br />

Übung 4: Rückholphase gegen Widerstand des Therabandes in Bauchlage unter bewusster<br />

Ansteuerung der Rückenmuskulatur - Phase 1<br />

Übung 4: Rückholphase gegen Widerstand des Therabandes in Bauchlage unter<br />

bewusster Ansteuerung der Rückenmuskulatur - Phase 1<br />

Seite 35<br />

Seite 35<br />

Seite 35


38<br />

Übung 5: Rückholphase gegen Widerstand des Therabandes in Bauchlage unter bewusster<br />

Ansteuerung der Rückenmuskulatur - Phase 2<br />

Übung 5: Rückholphase gegen Widerstand des Therabandes in Bauchlage unter<br />

bewusster Ansteuerung der Rückenmuskulatur - Phase 2<br />

Übung 6: Rückholphase gegen Widerstand des Therabandes in Bauchlage unter bewusster<br />

Ansteuerung der Rückenmuskulatur - Phase 3<br />

Übung 6: Rückholphase gegen Widerstand des Therabandes in Bauchlage unter<br />

bewusster Ansteuerung der Rückenmuskulatur - Phase 3<br />

Delfinarmzug in Bauchlage auf einer umgedrehten Bank<br />

Übung 7: Delfinarmzug in Bauchlage auf einer umgedrehten Bank<br />

Übung 7: Delfinarmzug in Bauchlage auf einer umgedrehten Bank<br />

Seite 36


39<br />

Delfinarmzug in Bauchlage aus der Standwaage<br />

Übung 8: Standwaage mit Wandunterstützung – Phase 1<br />

Übung 8: Standwaage mit Wandunterstützung - Phase 1<br />

Übung 9: in der freien Standwaage – Phase 2<br />

Übung 9: in der freien Standwaage - Phase 2<br />

Autorin<br />

Lenz, Ute;<br />

Landesschwimmverband NRW; 1.<br />

Paderborner Schwimmverein:<br />

Email: u.lenz@paderborner-sv.de<br />

Seite 37


40<br />

WITTKY, STEPHAN<br />

Zum Einsatz von widerstandsorientierten Trainingsmitteln zur Entwicklung der<br />

Kraftfähigkeiten im Grundlagenausdauertraining<br />

Hausarbeit Ausbildung Lizenztrainer A Schwimmen 2015/16<br />

Einleitung<br />

Im leistungssportorientierten Trainingsprozess werden die verschiedensten Trainingsmittel<br />

angewendet, wenn auch teilweise ohne fundierte sportwissenschaftliche Beweise für deren<br />

Wirksamkeit, dennoch vor einem bestimmten Hintergrundwissen. Im Rahmen dieser Ausarbeitung<br />

zur Trainer A-Lizenz im Deutschen Schwimmverband (DSV) soll ein Einblick in den bisherigen<br />

Forschungsstand zum Thema „widerstandsorientierte Trainingsmittel im Grundlagenausdauertraining“<br />

gegeben werden.<br />

Da sich die Schwimmleistung nicht monokausal erklären lässt, sind mehrere, grundlegende und<br />

leistungsrelevante Faktoren einzubeziehen. Zunächst werden daher kurz die nötigen<br />

sportwissenschaftlichen Grundlagen dargestellt (vgl. Kap. 2).<br />

Ein Grundlagenausdauertraining bezieht sich zumeist auf aerobe Inhalte und somit auf die<br />

Ausdauerfähigkeiten. Widerstandsorientierte Trainingsmittel hingegen rücken die Kraftfähigkeiten<br />

in den Vordergrund. Denn die Anwendung von widerstandsorientierten Trainingsmitteln impliziert,<br />

dass ein Training mit erhöhten oder verringerten Widerständen stattfindet. Den Bezugspunkt stellt<br />

dabei der mittlere im Wettkampf zu erbringende Widerstand dar, wobei azyklische Anteile, wie sie<br />

beim Schwimmen insbesondere im Bereich der Starts und Wenden vorkommen, ausgenommen<br />

sind. Die Kombination von Kraft- und Ausdauertraining stellt ein zentrales Thema in der<br />

Trainingssteuerung des Schwimmsports dar. Beide Fähigkeiten (Kraft und Ausdauer) werden<br />

zumeist parallel zueinander trainiert, unklar ist die optimale Trainingsmethodik sowie<br />

Trainingsperiodisierung (vgl. WITT, 2016).<br />

Es erscheint sinnvoll, im Folgenden die Leistungsfaktoren Kraft und Ausdauer jeweils näher zu<br />

betrachteten (vgl. Kap. 3). Konkrete Anwendungsbeispiele ausgewählter Trainingsmittel werden in<br />

Kapitel 4 überblicksartig vorgestellt. Eventuell können auf Basis der vorhandenen Literatur<br />

Trainingsempfehlungen für die Praxis ausgesprochen werden. Denn der Trainingsprozess soll<br />

keinem Selbstzweck dienen, sondern letztlich einen effizienten Weg zur Verbesserung der<br />

Wettkampfleistung darstellen.<br />

Trainingswissenschaftliche Grundlagen der komplexen schwimmerischen Leistung<br />

An dieser Stelle werden (kurz) die relevanten, trainingswissenschaftlichen Grundlagen vorgestellt,<br />

um Grundlagenausdauer- und Kraftfähigkeiten in einen Kontext zur schwimmerischen<br />

Wettkampfleistung zu setzen.


41<br />

Leistungsstruktur<br />

Nach SCHNABEL 38 et al. (2014, S. 36) ist: „Sportliche Leistung … die „Einheit von Vollzug und<br />

Ergebnis einer sportlichen Handlung bzw. einer komplexen Handlungsfolge, gemessen bzw.<br />

bewertet an bestimmten sozial determinierten Normen“.<br />

Anhand von Strukturmodellen der sportlichen Leistung sollen die maßgeblichen Komponenten<br />

einer sportlichen Leistung identifiziert werden, Voraussetzungen zur Realisation bestimmter<br />

sportlicher Leistungen erkannt werden, sowie deren Beziehung zueinander beschrieben werden.<br />

Dabei ist eine Leistungsstruktur beschrieben als: „Der innere Aufbau (das Gefüge) der sportlichen<br />

Leistung aus bestimmenden Elementen und ihren Wechselbeziehungen (Kopplungen). Zu den<br />

bestimmenden Elementen gehören einerseits die Leistungskomponenten des aktuellen<br />

Leistungsvollzugs, das sind die Teilleistungen und Teilprozesse, ausgedrückt in Kennwerten,<br />

Kennlinien und Merkmalen, sowie bestimmte komplexere Charakteristika wie Inhalt, Komposition<br />

bzw. Choreografie, andererseits die Leistungsfaktoren und die konstituierenden<br />

Leistungsvoraussetzungen“ (SCHNABEL et al. 2014, S. 45).<br />

Das Schwimmen im Spitzenbereich ist bezüglich seiner Leistungsstrukturen als höchst komplex<br />

und anspruchsvoll einzustufen. Der Umgang mit dem Medium Wasser stellt u. a. durch seine<br />

besonderen physikalischen Eigenschaften wie Wasserdichte, Auftrieb, Wasserwiderstand,<br />

veränderte Sicht- und Hörverhältnisse, sowie der Wärmeleitfähigkeit eine Besonderheit dar (vgl.<br />

REISCHLE, 1988, S. 52ff; MAGLISCHO, 2003, S.5 ff; DeMAREES, 2003, S.603 ff). Zugleich<br />

zeigt sich die Vielfalt des Schwimmsports durch die Technik der vier Schwimmarten und die<br />

nötigen koordinativen Fähigkeiten (vgl. FRANK, 1996), wie auch durch diverse Streckenlängen<br />

vom 50 Meter-Sprint im Schwimmbecken, bis hin zu 10 Kilometern im Freiwasser. Dadurch wird<br />

ein breites Spektrum der Ausdauerfähigkeiten wie Kurz-, Mittel- und Langzeitausdauer gefordert<br />

(vgl. HOTTENROTT & NEUMANN, 2010, S. 28 f; ZINTL & EISENHUT, 2013, S. 34 ff). Des<br />

Weiteren werden die unterschiedlichsten Anforderungen, bestehend aus Anteilen zyklischer<br />

Bewegungen auf der Schwimmstrecke, sowie azyklischer Elemente im Bereich der Starts und der<br />

Wenden, an den Sportler gestellt. Ein generalisiertes Leistungsstrukturmodell für die sportliche<br />

Leistung im Schwimmen kann nicht vollständig erfasst werden, sofern nicht zumindest eine<br />

Zielperspektive in Form der zu absolvierenden Schwimmlage und Streckenlänge, unter<br />

Berücksichtigung von Umwelteinflüssen, hinzugezogen wird. Es zeigt sich, dass Ausdauer- und<br />

Kraftfähigkeiten die leistungsrelevanten Merkmale darstellen, deren alleinige Ausprägung jedoch<br />

nicht zwingend zu einer erfolgreichen, komplexen Gesamtleistung über eine Wettkampfstrecke<br />

führen muss (vgl. SCHRAMM, 1987, S.176). Diese Tatsache erschwert die Interpretation von<br />

vorliegenden Studienergebnissen (vgl. Kap. 4).<br />

Sportliches Training<br />

Ein sportliches Training zielt auf die Entwicklung der für einen sportlichen Erfolg relevanten<br />

Leistungsvoraussetzungen ab. Eine Ausprägung der Grundlagenausdauer- und Kraftfähigkeiten im<br />

Trainingsprozess scheint demnach sinnvoll. Der Begriff des Trainings wird von CARL (1989, S.<br />

218) beschrieben: „…als komplexen Handlungsprozess mit dem Ziel der planmäßigen und<br />

sachorientierten Einwirkung auf den sportlichen Leistungszustand und auf die Fähigkeit zur<br />

bestmöglichen Leistungspräsentation in Bewährungssituationen“.<br />

WEINECK (2004, S.18) ergänzt 15 Jahre später dazu: „Je nach Trainingsziel soll durch Training<br />

der Leistungszustand des Sportlers erhöht, erhalten - man spricht von einem sogenannten<br />

Seite 39


42<br />

Erhaltungstraining - oder auch gezielt gemindert werden - man spricht von einem sogenannten<br />

Abtraining“.<br />

Im Schwimmen vollzieht sich dieser Prozess in verschiedenen Stufen, die einen langfristigen<br />

Leistungsaufbau strukturieren. Schon SCHNABEL & THIEß (1993) verstanden unter den<br />

Merkmalen des langfristigen Leistungsaufbaus „einen zielbestimmt gesteuerten<br />

Entwicklungsprozess der sportlichen Leistungsfähigkeit und der Leistungsbereitschaft vom Beginn<br />

des leistungssportlichen Trainings bis zum Erreichen sportlicher Höchstleistungen im<br />

Hochleistungsalter, der als einheitlicher Prozess in inhaltlich akzentuierte und systematisch<br />

aufeinander aufbauende Ausbildungsetappen sportartspezifisch konzipiert und realisiert wird“<br />

(aus: RUDOLPH et al., 2009, S.5).<br />

Aus der Expertise-Forschung, dem Modell der deliberate practice, stammt die Annahme, dass etwa<br />

10 Jahre Training mit ca. 1000 intensiven Übungsstunden im Jahr nötig sind, um Experte auf einem<br />

Gebiet zu werden (vgl. dazu SIMON & CHASE 1973; BLOOM, 1985; ERICSSON et al., 1993).<br />

Erfahrungen aus dem langfristigen Leistungsaufbau von Schwimmern scheinen sich mit dieser<br />

Annahme zu decken, man kann die Empfehlungen so interpretieren, dass etwa 50 Trainingswochen<br />

mit jeweils durchschnittlich 20 Trainingsstunden im Jahr nötig sind, um Spitzenleistungen im<br />

Schwimmsport zu erzielen (vgl. SWEETENHAM & ATKINSON, 2003, S.9; DSV, 2015, S.6 ff;<br />

WILKE & MADSEN, 2015, S.27f). Ein langfristiger Leistungsaufbau von Leistungsschwimmern<br />

ist idealer Weise durch verschiedene Ausbildungsetappen gekennzeichnet, bestehend aus<br />

Grundausbildung, Grundlagen-, Aufbau-, Anschluss- und Hochleistungstraining (vgl. WILKE &<br />

MADSEN, 1988, S.28 ff; SCHNABEL et al., 2014, 409 ff; DSV, 2015, S.17 ff).<br />

Leistungsfaktoren Ausdauer und Kraft<br />

Ausdauer- sowie Kraftfähigkeiten sind Faktoren des übergeordneten Leistungsfaktors der Kondition<br />

eines Sportlers. Dieser Leistungskomplex wird durch Schnelligkeit und Beweglichkeit/<br />

Koordination komplettiert (vgl. auch Kap. 2.2). Ausdauer, Kraft und Schnelligkeit sind energetische<br />

Komponenten und nehmen entscheidenden Einfluss auf die sportliche Leistungsfähigkeit. Um die<br />

bereits in Kapitel 2 angeführten Grundlagen zu vertiefen, sollen im Folgenden<br />

Begriffsbestimmungen für die motorischen Hauptbeanspruchungsformen Ausdauer und Kraft<br />

erfolgen, sowie deren Struktur vorgestellt werden. Wie Abbildung 1 verdeutlicht, bestehen<br />

Wechselbeziehungen der Ausdauer- und Kraftfähigkeiten zu anderen konditionellen sowie<br />

koordinativen Fähigkeiten. Gewisse Überschneidungen werden dabei deutlich (vgl. auch<br />

HOTTENROTT & NEUMANN, 2010, S. 22 ff; WEINECK, 2010, S. 318).<br />

Abb. 1: Systematik der Kondition und Koordination unter besonderer Berücksichtigung der Wechselbezüge bei der<br />

Kraft, Schnelligkeit und Beweglichkeit (modifiziert nach HOHMANN et al., 2014, S. 49)<br />

Seite 40


40<br />

43<br />

Ausdauer<br />

Der Begriff Ausdauer kann im sportwissenschaftlichen Sinne sehr weit gefasst und unterschiedlich<br />

strukturiert werden. So sind in der Literatur zahlreiche Definitionen der Ausdauer vorhanden,<br />

allesamt beschäftigen sich mit der Widerstandsfähigkeit gegen Ermüdung, bzw. der<br />

psychophysischen Ermüdungswiderstandsfähigkeit eines Sportlers (vgl. WEINECK, 2010, S. 319).<br />

Eine der umfassendsten Beschreibungen liefert HOHMANN (2014, S.50):<br />

„Ausdauer wird im Allgemeinen als Ermüdungswiderstandsfähigkeit definiert. In diesem Sinne<br />

ermöglicht sie<br />

- Eine gewählte Intensität möglichst lange aufrecht erhalten zu können,<br />

- Die Verluste an Intensität so gering wie möglich halten zu können,<br />

- Die sportliche Technik und das taktische Verhalten über längere Zeit stabilisieren zu<br />

können.<br />

Die Ausdauer ist direkt und indirekt leistungsbedeutsam, sie ist leistungs- und trainingsbegrenzend<br />

zugleich. Ein umfangreiches und intensives Training ist nur auf Basis einer guten Ausdauer<br />

möglich. Deshalb muss zusätzlich die zentrale Funktion der Ausdauer als Regenerationsfähigkeit<br />

berücksichtigt werden. Die (aerobe) Ausdauer bewirkt also auch, dass man Sich nach einer<br />

Belastung schnell(er) erholen kann.“<br />

Um die Fähigkeit Ausdauer näher zu charakterisieren und trainingsmethodische Interdependenzen<br />

zu verdeutlichen, nehmen HOTTENROTT & NEUMANN (2010, S. 23 ff) die in Tabelle 1<br />

aufgeführte Strukturierung vor:<br />

Tab. 1: Strukturierung der Ausdauer (nach HOTTENROTT & NEUMANN, 2010)<br />

1. Nach der Arbeitsweise der Skelettmuskulatur<br />

(Statische Ausdauer und dynamische Ausdauer)<br />

2. Nach der vorrangigen Energiebereitstellung<br />

(Aerobe Ausdauer und Anaerobe Ausdauer)<br />

3. Nach dem Anteil der beanspruchten Muskulatur<br />

(Allgemeine Ausdauer und Lokale Ausdauer)<br />

4. Nach der Zeitdauer der Belastung<br />

(Kurz-, Mittel-, Langzeitausdauer)<br />

5. Nach den Wechselbezügen zu den konditionellen Fähigkeiten<br />

(Kraft-, Schnellkraft-, Schnelligkeits-, Sprintausdauer)<br />

6. Nach der Bedeutung für die sportartspezifische Leistungsfähigkeit<br />

(Allgemeine Ausdauer und spezielle Ausdauer)<br />

7. Nach der Einteilung der Belastungsbereiche<br />

Schwimmspezifische Ausdauer<br />

Wie bereits oben erwähnt, ist Anforderungsprofil orientiertes Schwimmtraining abhängig von der<br />

Zielperspektive. Verschiedene Erscheinungsformen der Ausdauer sind dabei wie folgt den<br />

Wettkampfstrecken im Schwimmen zuzuordnen (vgl. Tab. 2).<br />

Betrachtet man die in Tabelle 2 dargestellte Form der Energiegewinnung, fällt auf, dass<br />

Schnelligkeits- (SA) (80-90%) und Kurzzeitausdauer (KZA) (53-60%) zu einem Großteil (jeweils<br />

über 50%) vom anaeroben Metabolismus abhängig sind. Alle Schwimmstrecken von 50-200<br />

Metern sind (in allen 4 Lagen und dem Lagenschwimmen) in diesem Bereich anzusiedeln, somit<br />

Seite 41


44<br />

auch ein Großteil der olympischen Strecken. 400 und 800 Meter- Strecken sind der<br />

Mittelzeitausdauer (MZA) zuzuordnen (70-80% aerob), 1500 Freistil der Langzeitausdauer (LZA) I<br />

(75-80% aerob). Streckenlängen in Freiwasserwettbewerben mit einer Länge ab 5 Kilometern<br />

aufwärts wären der der LZA II, III oder IV zuzuordnen. Nach dem energetischen Profil der<br />

Zielstrecke ist ein entsprechend akzentuiertes Training sinnvoll.<br />

Tab. 2. Leistungsstruktur Schwimmen nach Ausdauerform und Funktionssystem (mod. Nach NEUMANN et al., 2013,<br />

S.165)<br />

Grundlagenausdauer<br />

Der Grundlagenausdauer kommt eine besondere Bedeutung zu, denn sie gilt als Basisfähigkeit für<br />

alle Arten der sportartspezifischen Ausdauer und bereitet wettkampfspezifische Ausdauer vor.<br />

EISENHUT & ZINTL (2013, S. 35) nehmen in Abhängigkeit der relevanten Tätigkeit zusätzlich<br />

eine Differenzierung in allgemeine, spezifische und azyklische Grundlagenausdauer vor.<br />

Die Grundlagenausdauer gilt als wichtige Voraussetzung um intensive Trainingsanforderungen<br />

bewältigen zu können, gilt als Indikator für Belastungsverträglichkeit und begünstigt die<br />

körperliche Erholung nach Belastungen. Sie wird beschrieben als „Ausdauerfähigkeit bei lang<br />

dauernden Belastungen in aerober Stoffwechsellage“ (SCHNABEL et al., 2014, S. 181). Direkten<br />

Einfluss auf Wettkampfleistungen hat sie somit in Langzeitausdauerdisziplinen. In solchen<br />

Wettkämpfen, in denen Kurz- und Mittelzeitausdauer gefordert werden, ist das Niveau der aeroben<br />

Grundlagenausdauer mit der wettkampfspezifischen anaeroben Ausdaueranforderung<br />

anforderungsgerecht abzustimmen. (vgl. ebd., S.182).<br />

Ausdauer- (Sportbiologische) Anpassung der Funktionssysteme<br />

Auf eine detaillierte Beschreibung der biologischen Grundlagen und Mechanismen der<br />

Energiebereitstellung sowie der Trainingsprinzipien wird an dieser Stelle verzichtet, da diese<br />

Ausführungen zu sehr vom Thema dieser Arbeit abschweifen. Dennoch sei an dieser Stelle auf<br />

diverse Literatur zum Thema verwiesen (vgl. DeMAREES, 2003; EISENHUT & ZINTL, 2013;<br />

NEUMANN et al., 2013; WEINECK, 2010; HOHMANN, 2014; SCHNABEL, 2014).<br />

Ausdauertraining wirkt auf bestimmte Funktionssysteme mit ausgewählten, meist messbaren,<br />

physiologischen Anpassungen. Systeme und Kenngrößen zeigt Tabelle 3:<br />

Seite 42


42<br />

45<br />

Tab. 3. Wirkung des Ausdauertrainings auf verschiedene Funktionssysteme (nach HOTTENROTT & NEUMANN,<br />

2010, S.186 ff).<br />

1. Herz- Kreislauf- System<br />

(Sportherz, HRV)<br />

2. Atmungssystem<br />

(VO 2 max, VK, AMV, AÄ, RQ, HK)<br />

3. Energiestoffwechsel<br />

(CP, ATP, KH, Fette, Proteine/Aminosäuren mit CK & Serumharnstoff)<br />

4. Hormonsystem<br />

(Peptid- und Glykoproteinhormone, Steroidhormone, Tyrosinderivate)<br />

5. Immunsystem<br />

(Reaktivität, J- Kurve)<br />

6. Muskulatur<br />

(FTF & STF, Muskelfaserfläche, Kapillarisierung, Enzymaktivität, Mitochondrien und<br />

Energievorräte)<br />

Kraft<br />

„Die Kraftfähigkeit drückt sich darin aus, Bewegungswiderstände durch Muskelkontraktion<br />

überwinden bzw. äußeren Kräften entgegen wirken zu können“ (SCHNABEL et al., 2014, S.155)<br />

In den oben beschriebenen Kapitel 2 und 3 wird deutlich, dass die Kraftfähigkeiten zentraler<br />

Bestandteil der konditionellen Leistungsfähigkeit und zugleich Gegenstand des sportlichen<br />

Trainings sind, dabei tritt sie in verschiedenen Aktionsformen auf (vgl. HOHMANN et al., 2014,<br />

S.65). Die Kraftfähigkeit lässt sich unter mehreren Aspekten strukturieren:<br />

• Anteil der beteiligten Muskulatur (allgemeine und lokale Kraft)<br />

• Sportartspezifität (allgemeine und spezielle Kraft)<br />

• Arbeitsweise (dynamisch konzentrisch, dynamisch exzentrisch, statisch isometrisch,<br />

isokinetisch)<br />

• Beteiligung der motorischen Hauptbeanspruchungsformen (Maximalkraft, Schnellkraft,<br />

Kraftausdauer)<br />

• Körpergewichtsbezug (absolute und relative Kraft)<br />

(vgl. dazu WEINECK, 2010, S.351 f).<br />

Kraft- (Sportbiologische) Anpassung der Funktionssysteme<br />

Der Aufbau des Muskels und seine physiologische Wirkungsweise ist Gegenstand vieler<br />

sportwissenschaftlich orientierter Bücher. Die unterschiedlichen Kontraktionsformen der<br />

Skelettmuskulatur bilden die sportphysiologische Grundlage für Krafttrainingsmethoden (vgl.<br />

DeMAREES, 2003; EISENHUT & ZINTL, 2013; NEUMANN et al., 2013; WEINECK, 2010;<br />

HOHMANN, 2014; SCHNABEL, 2014).<br />

Krafttraining wirkt, abhängig vom Trainingsreiz, spezifisch auf die Skelettmuskulatur ein. Nicht nur<br />

der Energiestoffwechsel wird dabei gefordert, auch die nervale Ansteuerung der Muskulatur ist<br />

dabei entscheidend. „Die Anpassungen vollziehen sich sowohl in den motorisch-koordinativen<br />

Funktionen als auch im Energiepotenzial des Muskels“ (NEUMANN et al., 2013, S. 112).<br />

Seite 43


46<br />

Muskelbelastung verändert die<br />

• Muskelfaserverteilung (STF und FTF)<br />

• Muskelfaserfläche (Hypertrophie und Verkleinerung)<br />

• Muskelfaserkapillarisierung (Erhöhung der Kapillarenanzahl)<br />

• Enzymaktivität in den Muskelfasern (Zitratsynthase, Phosphoglyzeratkinase,<br />

Laktatdehydrogenase)<br />

• Energievorräte (Kreatinphosphat, Glykogen, Triglyzeride)<br />

• Ultrastruktur (Dichte und Oberflächenzunahme der Mitochondrien) (vgl. ebd., S. 114 ff).<br />

Trainingsmethodische Vorgehensweisen sind aus diesen leistungsbeeinflussenden Funktionssystemen<br />

mit ihren jeweiligen Kennwerten abzuleiten, dazu dient u.a. die Leistungsdiagnostik.<br />

Exkurs zur Leistungsdiagnostik<br />

Um die Wirksamkeit des Trainings zu überprüfen, sollte die Leistungsdiagnostik ein wesentlicher<br />

Bestandteil der zielorientierten Trainings- und Leistungssteuerung sein. Leistungsdiagnostik ist<br />

nach SCHNABEL (2014, S. 52) zu verstehen als: „Lehre und Komplex von Verfahren der<br />

Leistungsdiagnose, d.h. der Erfassung und Beurteilung der sportlichen Leistungen und der<br />

aktuellen Leistungsfähigkeit – des erreichten Leistungszustandes – auf der Grundlage von<br />

Kennwerten, Kennlinien und Merkmalen des Leistungsvollzugs sowie von Kennwerten der<br />

wesentlichsten personalen Leistungsvoraussetzungen. Darin einbezogen sind die Relationen der<br />

ermittelten Daten, d.h. die Struktur des Leistungssystems“.<br />

Um den jeweiligen quantitativen Einfluss der leistungsbeeinflussenden Variablen zu messen,<br />

müssen statistische Verfahren bemüht und Vergleichswerte erhoben werden. Maßgeblich für die<br />

Aussagekraft der vorgenommenen Tests sind die Testgütekriterien:<br />

• Objektivität: Objektiv sind Messungen dann, wenn die Ergebnisse unabhängig von den<br />

Personen sind, die die Untersuchung durchführen.<br />

• Reliabilität: Unter der Reliabilität versteht man den Grad der Genauigkeit, mit der ein Merkmal<br />

erfasst wird.<br />

• Validität: Unter der Validität eines Messverfahrens versteht man die Gültigkeit der Messung in<br />

Bezug auf den Sachverhalt, der gemessen werden soll (vgl. dazu auch WILLIMCZIK, 1999).<br />

Wie messen wir Ausdauer in der komplexen Leistungsdiagnostik (KLD)?<br />

Die Ausdauerfähigkeiten im Schwimmen werden in der KLD des DSV mittels Stufentests nach<br />

PANSOLD gemessen, dabei spielt der Parameter Laktat die ausschlaggebende Rolle, auch für<br />

konkrete Trainingsempfehlungen (DSV, 2000, S.166 ff). Nicht nur WAHL et al. (2009) sehen die<br />

alleinige Anwendung des Laktats als Parameter für die Ausdauerfähigkeit kritisch. Sie kritisieren,<br />

dass „fälschlicherweise Laktatschwellen, z. B. bei 4mmol, festgelegt werden“ und allein aufgrund<br />

von Verschiebungen der Laktatleistungskurven Verbesserungen oder Verschlechterungen der<br />

Ausdauer diagnostiziert werden (ebd., S.101f). Anfechtbar ist die Laktatdiagnostik durch seine<br />

Methodenvielfalt und auch die Anzahl der Einflussgrößen, die zu unterschiedlichen<br />

Messergebnissen führen können. DÖRR (2010, S. 123) geht davon aus, dass die Laktatdiagnostik<br />

vor allem dadurch, dass sie ausschließlich auf energetische bzw. metabolische Prozesse determiniert<br />

ist, an ihre Grenzen stößt. Auch RUDOLPH (2009) beschreibt das nötige Hintergrundwissen zur<br />

Interpretation der gewonnenen Daten aus Laktatleistungstests und reichte bereits Vorschläge zur<br />

Erweiterung der KLD beim DSV ein (vgl. RUDOLPH, 2014, S. 89-94). Denn eine mögliche<br />

Ergänzung zur Bestimmung der Ausdauerfähigkeit könnte die Spirometrie darstellen. Dabei nimmt<br />

die maximale Sauerstoffaufnahme (VO 2max ) im Rahmen der Leistungsdiagnostik<br />

(Ausdauerdiagnostik) eine besondere Stellung ein. Sie beschreibt wie viel Sauerstoff der Körper<br />

unter Belastung in einer bestimmten Zeit aufnehmen, bzw. verarbeiten kann. Ihr kommt bei der<br />

Seite 44


44<br />

47<br />

aeroben Ausdauer die größte Bedeutung zu. Da sie alle an der Leistung mitbestimmenden Faktoren<br />

einschließt, wird sie von Autoren als das Bruttokriterium der Ausdauerleistungsfähigkeit angesehen<br />

(vgl. HOHMANN et al., 2014, S.57f; WEINECK, 2010, S.333 ff). Denn die VO 2 max umfasst die<br />

kardiopulmonal- metabolische Kapazität des Organismus, nämlich die:<br />

• Sauerstoff-Zufuhr (Atmung),<br />

• den Sauerstoff-Transport (Herz-Kreislauf-System) sowie<br />

• die Sauerstoff-Verwertung (Muskelzelle) im Ausbelastungszustand des Organismus<br />

(EISENHUT & ZINTL, 2013, S.61f).<br />

Die aufgenommene Menge an Sauerstoff pro Zeiteinheit ist limitiert durch das Schlagvolumen des<br />

Herzens und die Herzfrequenz (vgl. DeMAREES, 2003, S.651). Die Ausprägung eines<br />

Sportherzens ist demnach für erfolgreiche Ausdauersportler unabdingbar. Die VO 2max wird in<br />

absoluten (l/min) und in relativen (ml/kg/min) Werten angegeben. Vor allem Letztere dienen einer<br />

Vergleichbarkeit unterschiedlicher Personen, Referenzwerte sind in der Literatur dargestellt<br />

(NEUMANN et al., 2013, S.80; HOHMANN et al., 2014, S.58). Die Fähigkeit, einen möglichst<br />

hohen Prozentsatz seiner individuellen VO 2max über einen längeren Zeitraum durchzuhalten, gilt es<br />

durch Training auszubauen. Denn WEINECK (2010, S. 336) stellt fest: „Es ist durchaus möglich,<br />

dass Personen mit einer geringeren absoluten bzw. relativen maximalen Sauerstoffaufnahme eine<br />

Laufstrecke o.Ä. schneller zurücklegen können als Vergleichspersonen mit höheren Werten, weil sie<br />

zu einer prozentual höheren Sauerstoffausnutzung befähigt sind.“<br />

Die VO 2max besitzt somit eine bestimmte Voraussetzungsfunktion (Grundlagenausdauer), aus ihrer<br />

Höhe kann jedoch keine gesicherte Voraussage zur Wettkampfleistung getroffen werden. Dennoch<br />

ist bekannt, dass Spitzenschwimmer im Vergleich zu anderen Sportarten eine relativ hohe VO 2max<br />

von ca. 70 ml/kg/min und mehr aufweisen. Dieser gemittelte Wert berücksichtigt nicht die<br />

Spezialisierung auf bestimmte Wettkampfstrecken im Schwimmen, ebenso wenig<br />

geschlechtsspezifische Unterschiede (vgl. HOHMANN et al., 2014, S. 58). Es ist zu beachten, dass<br />

maximale VO 2max -Werte stets sportartspezifisch erhoben werden sollten, da die sportliche Technik<br />

und ihr Ausprägungsgrad, insbesondere beim Schwimmen, ausschlaggebend für die Höhe des<br />

Messwerts ist.<br />

Wie messen wir Kraft in der KLD?<br />

Die Muskelkraft wird entweder als maximale physikalische Kraft (in N), oder als maximale Masse<br />

(in kg bzw. %) gemessen. Die spezifische Kraft wird sowohl an Land, als auch im Wasser, mittels<br />

der unten angeführten Testverfahren gemessen.<br />

Sprint mit Zusatzlast<br />

Der Schwimmer muss mittels eines Schwimmwiderstandgeräts (Power Rack) eine definierte<br />

Strecke (11,5 m) gegen einen zusätzlichen Widerstand schwimmen. Dieser Test kann sowohl den<br />

Schnelligkeits- als auch den Krafttests zugeordnet werden. Bewegungsfrequenz, Zykluslänge sowie<br />

mittlere Geschwindigkeit werden berechnet. Ziel dieses Tests ist es „zu überprüfen, ob der Sportler<br />

fähig ist, höhere Antriebsimpulse wirksam zu machen“ (DSV 2000, S.171).<br />

Tests auf dem Schwimmbank-Ergometer<br />

Bei der Seilzug-Ergometrie an der isokinetischen „Biokinetic-Schwimmbank“ (seit 2001 „FES-<br />

Schwimmbank“) werden mittels dieses semispezifischen Tests die Kraftvoraussetzungen der oberen<br />

Extremitäten geprüft. Die im Folgenden genannten drei Schwimmbanktests werden vom DSV<br />

routinemäßig bei der KLD durchgeführt (DSV 2000, 188 ff):<br />

• Test der grundlegenden Kraftvoraussetzungen der oberen Extremitäten<br />

• Schnellkraftausdauertest<br />

• Kraftausdauertest<br />

Seite 45


48<br />

Durch die Messung der vortriebswirksamen Kräfte sollen allgemeine Aussagen zu den<br />

Kraftleistungsfähigkeiten getroffen werden, die Hinweise für die Akzentuierung des Krafttrainings<br />

geben. Eine Bewegungsanalyse hinsichtlich technischer Mängel in der Zugbewegung ist dabei<br />

möglich. „Es wird die Relation des Maxwertes und des Mittelwertes der Serie bewertet und der<br />

Zusammenhang zu den Testergebnissen am Power Rack hergestellt. Das Testergebnis dient als<br />

Bezugspunkt für die Bewertung des Kraftausdauertests“. (ebd., S.189).<br />

Sprungkrafttest<br />

Zwischen den azyklischen Anteilen (in Form von Abflug- und Abstoßgeschwindigkeit) der<br />

Wettkampfstrecken bei Start und Wende sowie der Sprungkraft besteht ein enges Verhältnis. Durch<br />

einen Strecksprung aus dem Stand ohne Armeinsatz wird mit einer dynamometrischen Plattform<br />

oder Sprungmatte mit Zeitmesseinrichtung die theoretische Treibhöhe durch die Flugzeit erhoben<br />

(ebd., S.170).<br />

Eine sinnvolle Ergänzung wurde mit dem Athletic Screening im Rahmen des<br />

Perspektivteamprojekts (PTP) nach TSCHOPP (2003) unternommen, indem praktikable<br />

Rumpfkrafttests durchgeführt werden (vgl. SWISS OLYMPIC, 2016, S.58ff). Weitere Screenings<br />

für die Kraftfähigkeiten in den Extremitäten sollten in diesem Rahmen erfolgen.<br />

Trainingsmittel des Kraft- und Ausdauertrainings im Schwimmsport<br />

Abbildung 2 veranschaulicht, dass der Einsatz verschiedenster Trainingsmittel vom Trainingsziel<br />

abhängig ist. Richtig eingesetzt, können verschiedene Trainingsmittel, neben den Möglichkeiten<br />

unterschiedlicher Trainingsinhalte und Trainingsmethoden, über Variationen zu einer Erhöhung der<br />

Reizwirksamkeit einer Trainingsaufgabe führen.<br />

Abb. 2. Das pädagogische- didaktische Modell der Trainingssteuerung (mod. nach HOHMANN et al., 2014, S.171)<br />

Im Folgenden soll ein Überblick über gängige, ausgewählte Trainingsmittel im Schwimmsport und<br />

deren Einsatz erfolgen und je nach Eignung, möglichen Trainingszielen zugeordnet werden.<br />

Anzustreben ist nicht zwangsläufig eine Erhöhung der absoluten Kraft, im Schwimmen ist die<br />

Relativkraft von großer Bedeutung, d.h. eine Kraftzunahme ohne größere Gewichtszunahme.<br />

Außerdem macht die Relativkraft Schwimmer untereinander vergleichbar (modifiziert nach<br />

RUDOLPH, 2015, S.163). Unspezifische Trainingsformen und –mittel tragen zu einer erhöhten<br />

Belastbarkeit des Gesamtorganismus bei. Die Bewegungstechnik sollte beherrscht werden, um<br />

solche Trainingsmittel gewinnbringend im Trainingsprozess anzuwenden und um<br />

Überbeanspruchung und Verletzungen zu vermeiden (vgl. HOTTENROTT & NEUMANN, 2010,<br />

S.107).<br />

Seite 46


46<br />

49<br />

In Anlehnung an die in Kapitel 3 vorgenommene Strukturierung der Kraft und Ausdauer erscheint<br />

es sinnvoll, Trainingsmittel nach diesen Gesichtspunkten zu unterteilen.<br />

Tabelle 4 stellt einen Versuch dar, die ausgewählten Trainingsmittel nach folgenden<br />

Gesichtspunkten in eine Übersicht zu bringen:<br />

• Spezifität (unspezifisch, semispezifisch, spezifisch)<br />

• Kraftart (Kraftausdauer, Schnellkraft, Maximalkraft)<br />

• Muskeleinsatz (lokal oder allgemein)<br />

• Sauerstoffaufnahme (irrelevant, gering, hoch)<br />

• Muskelansteuerung (nervale Besonderheiten & Trainingseffekt nach Zielperspektive)<br />

Tab. 4. Übersicht der Effekte ausgewählter Trainingsmittel nach Kraft- und Ausdauerstruktur (Maximalkraft-MK;<br />

Schnellkraft-SK; Kraftausdauer-KA, Schnelligkeitsausdauer-SA)<br />

Trainingsmittel Spezifität Kraftart<br />

Muskeleinsatz<br />

Sauerstoffaufnahme<br />

in Bezug<br />

zur GSA<br />

Besonderheiten/ Effekt<br />

Übungen mit<br />

eigenem<br />

Körpergewicht<br />

Schlingentraining<br />

unspezif.<br />

(meist<br />

Grundlagentraining)<br />

unspezif.<br />

Allg.<br />

Kraft<br />

(KA)<br />

Allg.<br />

Kraft<br />

(KA)<br />

Komplex =<br />

Allgemein,<br />

Isoliert = lokal<br />

allgemein<br />

Irrelevant, HK-<br />

Akzente im<br />

Zirkeltraining<br />

Irrelevant, HK-<br />

Akzente im<br />

Zirkeltraining<br />

Variationsreich,<br />

Zusatzlasten möglich,<br />

Prävention möglich,<br />

Stabilisationstraining,<br />

Sprungkraft↑<br />

Wirksamkeit gegenüber<br />

klassischem<br />

Stabilisationstraining↑<br />

(RIEGLER,2014)<br />

Langhantel unspezif. MK<br />

Lokal &<br />

allgemein<br />

irrelevant<br />

Allg.<br />

Kraftvoraussetzungen↑,<br />

Explosivkraft↑,<br />

Sprungkraft↑<br />

Skilanglauf,<br />

Kanurennsport,<br />

Rudern,<br />

(+Ergometer)<br />

Schwimmbank<br />

Maximal (SK)<br />

Schwimmbank<br />

Ausdauer (KA)<br />

semispezif.<br />

semispezif.<br />

semispezif.<br />

KA<br />

MK, SK<br />

KA<br />

Lokal (obere<br />

Extremitäten)<br />

+allgemein<br />

Lokal<br />

(Armarbeit)<br />

1/6<br />

Gesamtmuskul<br />

atur<br />

91% VO 2 max von<br />

GSA (OGITA,<br />

1996)<br />

schneller; FQ↓ bei<br />

gleichem<br />

Energieverbrauch<br />

(Zamparo,2006)<br />

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50<br />

Gesamtschwimmart<br />

(GSA)+Flossen<br />

Armeschwimmen<br />

mit Pullbuoy<br />

(Pb)<br />

spezif.<br />

spezif.<br />

KA oder<br />

SA<br />

KA oder<br />

SA<br />

allgemein<br />

lokal ?<br />

Keine Angaben<br />

78,2% VO 2 max<br />

von GSA<br />

(OGITA, 1996)<br />

Gleicher Metabolismus<br />

bei höherer<br />

Geschwindigkeit im<br />

maximalem Schwimmen<br />

(DeMATOS,2014)<br />

Besondere Bedeutung<br />

für Vortrieb in GSA,<br />

Wassergefühl↑(NACHTI<br />

GAHL, 2001,9)<br />

Intensivierung durch<br />

Paddles<br />

Schwimmen mit<br />

Paddles<br />

Schwimmen mit<br />

Fallschirm<br />

Angebundenes<br />

Schwimmen<br />

(tethered) Power<br />

Rack/e-Rack/<br />

Gummiseil<br />

spezif.<br />

spezif.<br />

spezif.<br />

KA oder<br />

SA<br />

KA oder<br />

SA<br />

KA oder<br />

SA<br />

allgemein<br />

allgemein<br />

allgemein<br />

Wie VO 2max in<br />

GSA<br />

submaximal und<br />

maximal<br />

(OGITA,1999)<br />

Keine Angaben<br />

Keine Angaben<br />

FQ↓, Zuglänge↑<br />

(ONGUN, 2013),<br />

Veränderte<br />

Armkoordination<br />

(SIDNEY,2001)<br />

Handgeschwindigkeit↓<br />

Zuglänge↓ Frequenz↓<br />

(LLOP et al.,2006),<br />

Arme-Beine<br />

Koordination in<br />

Schmetterling↑(TELLES<br />

et al.,2015)<br />

Zugmuster<br />

verändert,FQ↓Zuglänge↓<br />

Unterstütztes<br />

Schwimmen:<br />

FQ↑Zuglänge↓<br />

Handgeschw.=<br />

(Maglischo(1985)<br />

Effektivität tethered↑<br />

(GIROLD,2006&2007),<br />

6s- Kraul-Sprint↑<br />

(HOHMANN,2010),<br />

PAP↑(HANCOCK,2012<br />

)<br />

Kombination von aerobem Training und Krafttraining<br />

In der Trainingspraxis werden Kraft- und Ausdauertraining zumeist direkt hintereinander absolviert,<br />

Kraft- und Ausdauerfähigkeiten sollen innerhalb der Trainingszyklen parallel zueinander entwickelt<br />

werden. Es ist zu vermuten, dass die (Kraft-)Trainingsreize und die Trainingsreize der aeroben<br />

schwimmerischen Belastung in Beziehung zueinander stehen. TANAKA et al. (1993) fanden keine<br />

signifikanten Unterschiede der Schwimmleistung zwischen einer Trainingsgruppe, die ausschließlich<br />

Wassertraining absolvierte und einer Vergleichsgruppe, die zusätzlich Krafttraining<br />

absolvierte, obwohl die Kraftwerte bei der Krafttrainingsgruppe deutlich stiegen. Die Kräfte<br />

konnten technisch nicht ins Wasser umgesetzt werden. RAGLIN et al. (1996) empfehlen nach<br />

einem Krafttraining nicht mehr als 5.000 m Schwimmtraining am Tag, um den Effekt des<br />

Krafttrainings nicht entscheidend zu mindern. ASPENES et al. (2009) stellten einen positiven<br />

Zusammenhang zwischen maximalem Krafttraining und der 400 m Freistilzeit her. Sie konnten<br />

somit zumindest einen negativen Zusammenhang zwischen der gewählten, aus Krafttraining an<br />

Land und Ausdauertraining im Schwimmen kombinierten, Trainingsform zur Ausdauerleistung<br />

ausschließen. WARNATZSCH lehnt dennoch ein Mischtraining ab und bevorzugt die in Tabelle 5<br />

aufgeführten Schwerpunkte in der Trainingsgestaltung. Er sieht folgende, miteinander<br />

harmonisierende Trainingsbereiche:<br />

Seite 48


48<br />

51<br />

Tab 5: Miteinander harmonisierende Trainingsbereiche (WARNATZSCH, 2014)<br />

Weitere Hinweise auf miteinander kombinierbare Trainingsformen gibt FUHRMANN (2015), der<br />

durch Hinweise in der Literatur ebenfalls eine Konzentration auf eine begrenzte Anzahl<br />

trainingswirksamer Reize empfiehlt (vgl. Tabelle 6).<br />

Tab. 6: Kompatible Trainingsreize (FUHRMANN, 2015)<br />

Zusammenfassung und Ausblick<br />

Die Arbeit hat sich vor allem mit der Fragestellung beschäftigt, wo Leistungsreserven bezüglich des<br />

Einsatzes von widerstandsorientierten Trainingsmitteln im Grundlagenausdauertraining liegen.<br />

Anhand der Analyse der Leistungsstruktur wurde deutlich, dass Kraft und Ausdauer eine<br />

wesentliche Funktion für eine erfolgreiche schwimmerische Wettkampfleistung erfüllen, eine<br />

Verbesserung der Kraft- und Ausdauerwerte aber nicht zwingend zu einer verbesserten<br />

Wettkampfleitung führt (vgl. Kap. 2). Im Folgenden konnte gezeigt werden, dass die Grundlagen<br />

für entsprechende Trainingsformen zum Kraft- und Ausdauertraining in der Literatur ausreichend<br />

beschrieben sind und bereits seit vielen Jahren Anwendung im schwimmsportlichen Spitzentraining<br />

finden. Die Leistungsdiagnostik hinsichtlich der Kraft- und Ausdauerfähigkeiten sollte, auch im<br />

Rahmen der KLD des DSV, weiterentwickelt werden (vgl. Kap. 3). Es ist darauf zu achten, dass<br />

eine maximale Ausbildung der Kraftfähigkeiten nicht unbedingt zu höheren<br />

Schwimmgeschwindigkeiten führt. Vergrößerte Kraftwerte müssen erst „mittels Schwimmtechnik<br />

in das Wasser“ umgesetzt werden. (RUDOLPH, 2014, S.113). Ausdauerfähigkeiten sollten in<br />

Abhängigkeit zum Anforderungsprofil der jeweiligen Zielstrecke optimal und nicht zwingend<br />

maximal ausgeprägt werden. Die geschwommenen Kilometer in einer Trainingsphase können daher<br />

nicht als alleiniges Kriterium geltend gemacht werden, wenn es darum geht „die Ausdauer“ zu<br />

trainieren. Vielmehr sollte man zukünftig versuchen, den umfassenden Begriff der Ausdauer<br />

(Grundlagenausdauer) besser messbar zu machen, so scheint die Nutzung neuer Messinstrumente<br />

und Messmethoden (z.B. Nachatmungsmethode) im Spitzenbereich sinnvoll. Insbesondere deshalb,<br />

da die Sauerstoffaufnahme Hinweise zur Vortriebsökonomie (Technik) liefern kann (vgl.<br />

Seite 49


52<br />

MOHAMMED, 2002; BREMER, 2003; HÖLTKE, 2011). Denn die größten Leistungsreserven<br />

scheinen im Bereich der Technik zu liegen (vgl. TOUSSAINT, 1994). Dass einzelne<br />

Trainingsmaßnahmen mit widerstandsorientierten Trainingsmitteln an Land und auch im Wasser<br />

auf verschiedene Arten wirksam sind, konnte im Rahmen exemplarisch dargestellter<br />

Studienergebnisse bewiesen werden. Die Wirkungsweise auf die komplexe Schwimmleistung ist<br />

aber weitestgehend unklar (vgl. Kap.4).<br />

Eine Anwendung von widerstandsorientierten Trainingsmitteln im Trainingsalltag ist dann zu<br />

befürworten, wenn sie zweckorientiert im Kontext des komplexen Trainingsprozesses Anwendung<br />

finden. Interessante Ansätze zur Anwendung am Wettkampftag beschreibt HANCOCK (2012)<br />

durch die Verstärkung des Post- Aktivierungseffekts (Effect of postactivation potentiation, PAP).<br />

Der Einsatz von widerstandsorientierten Trainingsmitteln muss aber im Trainingsprozess sowohl<br />

vor-, als auch nachbereitet werden.<br />

Die Vorbereitungen beziehen sich insbesondere auf die Vermeidung von Über- und<br />

Fehltrainingszuständen (NEUMANN et al., 2013, S.327; WILKE & MADSEN, 1988, S.291 ff;<br />

URHAUSEN & KINDERMANN, 2002, S.121f). Gefahr besteht aus sportmedizinischer Sicht in<br />

der Entstehung von muskulären Dysbalancen (DeMAREES, 2003, S.205). Je größer der Eingriff<br />

durch Trainingsmittel in den Bewegungsablauf ist, desto stabiler sollten die technischen Grundvoraussetzungen<br />

in der GSA sein.<br />

In der Nachbereitung ist vor allem die durch Trainingsmittel verfälschte Schwimmtechnik zu<br />

korrigieren. Langsame Bewegungsausführungen (Handgeschwindigkeiten), Veränderungen des<br />

Schwerpunkts im Wasser und ähnliche Bedingungsänderungen für den Bewegungsablauf können<br />

koordinative Störungen nach sich ziehen und letztlich das Abdruck- und Impulsempfinden des<br />

Schwimmers im Wettkampf stören. Das bemerkte MAGLISCHO bereits vor ca. 30 Jahren (vgl.<br />

ebd., 1985). In wettkampfnahen Trainingsphasen sollte demnach auf eine Verwendung von<br />

Trainingsmitteln weitestgehend verzichtet werden.<br />

Es bleibt das Problem, dass man nicht wirklich weiß, wie Trainingsreize aneinander zu reihen sind,<br />

um in einer mittel- und langfristigen Periodisierung einen optimalen Ausprägungsgrad aller<br />

Leistungsfaktoren zu erreichen. Denn die Wirkung einzelner Reize schwächt mit der Zeit ab, neue<br />

Trainingsmethoden und Trainingsreize können gemäß der Trainingsprinzipien einer Leistungsstagnation<br />

entgegensteuern. In diesem Sinne ist auch eine Variation der Trainingsmittel im<br />

Trainingsprozess zu empfehlen.<br />

Im Rahmen dieser Arbeit konnte eine Einführung sowie ein erster Überblick zum Thema gegeben<br />

werden. An dieser Stelle müssen weitere Studien Klarheit verschaffen, auch in der<br />

Trainingsmethodik (Intensität, Dauer, Dichte der Verwendung) und Trainingsperiodisierung von<br />

Kraft- und Ausdauerreizen besteht Forschungsbedarf.<br />

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Aufl.). München<br />

Autor<br />

Wittky; Stephan<br />

LSV NRW,<br />

Trainer am BSP NW<br />

Sonderstützpunkt Dortmund,<br />

Email: stephan.wittky@gmx.de<br />

Seite 53


56<br />

ANNE KUHN<br />

Anforderungen und ausgewählte Beispiele der methodischen Gestaltung des Trainings<br />

zur Verbesserung des Absprungs beim Schrittstart<br />

Hausarbeit Ausbildung Lizenztrainer A Schwimmen 2015/16<br />

Vorwort<br />

Die vorliegende Hausarbeit befasst sich mit den Anforderungen, die für eine Vervollkommnung<br />

des Absprungs beim Schrittstart im Schwimmen bestehen, einschließlich der praktischen<br />

Umsetzung im Training.<br />

Seit Anfang 2010 wird bei internationalen Wettkämpfen ein neues Startblockmodell verwendet<br />

- der Omega Start Block (OSB11). Der Hersteller verspricht, dass durch die längere und<br />

leicht steilere Oberfläche, sowie einer verstellbaren Fußstütze ein „revolutionärer" Schwimmstart<br />

möglich sein soll.<br />

Fest steht, dass sich mit Einführung des neuen Startblocks auch die Starttechnik geändert hat.<br />

Die Ergebnisse, die aus Untersuchungen mit dem OSB11 erlangt wurden, werden in dieser Arbeit<br />

zusammengetragen, sowie die daraus gewonnenen Erkenntnisse bezüglich des Trainings<br />

zur Verbesserung des Absprungs von diesem Startblockmodell.<br />

Seit einigen Jahren führt der Nachwuchslandestrainer des Hessischen Schwimm-Verbandes<br />

Lehrgänge zur Verbesserung des Startsprungs mit Kadersportlern aus Hessen durch. Ich hatte<br />

einige Male die Möglichkeit, ihn bei diesen Maßnahmen zu unterstützen. Die Gestaltung dieses<br />

Startsprungtrainings werde ich in dieser Hausarbeit ebenso vorstellen.<br />

Einleitung<br />

Die ersten Schwimmwettkämpfe wurden um die Jahrhundertwende ausgetragen. Aufgrund<br />

fehlender Startvorrichtungen konnten die Rennen zu dieser Zeit nur aus dem Wasser gestartet<br />

werden. 1912 führte der Deutsche Schwimm-Verband (DSV) Startvorrichtungen, die einen<br />

Start mittels Startsprung ermöglichten, ein. Von 1920 bis 1924 wurden alle Schwimmarten<br />

mit einem Sprung gestartet, danach wurden die Rückenwettkämpfe wieder aus dem Wasser<br />

begonnen. Seit Beginn der 70er Jahre haben sich verschiedene Startsprungtechniken herausgebildet<br />

(vgl. UNGERECHTS/ VOLCK/ FREITAG, 2002).<br />

Die Funktion des Startsprunges liegt darin, den Wettkampf mit einer hohen Bewegungsgeschwindigkeit<br />

einzuleiten. Untersuchungen von internationalen Schwimm-wettkämpfen haben<br />

gezeigt, dass die Werte für die Geschwindigkeit zum Zeitpunkt des Absprungs im Bereich<br />

von 4 bis 5 m/s liegen und somit 2 bis 3 mal höher sind als die Geschwindigkeiten, die während<br />

der zyklischen Schwimmbewegung maximal erreicht werden können (vgl. KÜCHLER/<br />

LEOPOLD, 2000). Während der Start für die längeren Strecken eine nicht ganz so bedeutende<br />

Rolle spielt, hat sich der Start im Sportschwimmen in den vergangenen Jahren zu einem<br />

leistungsentscheidenden Faktor auf den Sprintstrecken entwickelt (vgl. WIEDNER/ PFEIF-<br />

FER, 2006). Bei den 50m-Strecken macht der Startabschnitt auf der Langbahn bis zu 30%<br />

der Wettkampfstrecke aus. Zudem haben Untersuchungsergebnisse (vgl. KÜCHLER, 1998)<br />

von internationalen Wettkämpfen gezeigt, dass bei den Kurzstrecken (50 und 100m) oftmals<br />

schon der Startabschnitt über Sieg und Niederlage entscheidet (vgl. KÜCHLER/ LEOPOLD,<br />

2000) und die Weltbesten vom Start an das Renngeschehen bestimmen (vgl. LYTTLE/ BEN-<br />

JANUVATRA, 2004). Das bedeutet, dass der Zeitverlust im Startabschnitt nur selten durch<br />

eine bessere schwimmerische Leistung kompensiert werden kann (vgl. KÜCHLER/ HOFF-


MANN, 1987). Hinzu kommt, dass die Leistungsdichte in der Weltspitze in allen Disziplinen<br />

weiter zugenommen hat (vgl. GRAUMNITZ/ KÜCHLER, 2009). Oft entscheiden nur wenige<br />

100stel-Sekungen über die Platzierungen. Bei den Olympischen Spielen 2008 in Peking<br />

siegte Britta Steffen über 50m Freistil mit nur 0,01 Sekunden Vorsprung – über 100m mit 0,04<br />

Sekunden.<br />

Gegenstand dieser Arbeit ist es, darzustellen, mit welcher Startsprungtechnik die schnellste<br />

Startzeit erreicht wird, welche Anforderungen bestehen, um einen schnellen Start zu realisieren<br />

und mit welcher Art von Training der Startsprung verbessert werden kann. Außerdem<br />

werden Möglichkeiten zur methodischen Gestaltung des Startsprungtrainings aufgezeigt.<br />

Forschungsstand<br />

Entwicklung der Starttechniken<br />

Seit Beginn der 70er Jahre haben sich verschiedene Startsprungtechniken herausgebildet und<br />

immer weiter entwickelt - vom Armschwungstart, zum Parallel- und Schrittstart und weiter<br />

zum Kickstart.<br />

Zunächst wurden viele Jahre lang verschiedene Varianten des Armschwungstarts praktiziert.<br />

Bei einer der Varianten werden die Arme in der Ausgangsstellung nach hinten oben gehalten<br />

(vgl. Abb. 1). Mit dem Startsignal werden die Arme mit einer Schwungbewegung schnell nach<br />

vorne in Sprungrichtung bewegt.<br />

Bei einer weiteren Variante des Armschwungstarts befinden sich die Arme in der Ausgangsposition<br />

vor dem Körper (vgl. Abb. 2). Hier wird beim Ertönen des Startsignals mit einer Ausholbewegung<br />

der Arme nach hinten begonnen, um sie dann nach vorne in Sprungrichtung zu<br />

beschleunigen (engl.: straight backswing start) (vgl. LEWIS, 1980; MAGLISCHKO, 2003).<br />

Vorteil dieser Technik ist der längere Beschleunigungsweg, der durch die Ausholbewegung<br />

der Arme entsteht und somit eine höhere Absprunggeschwindigkeit ermöglichen soll. Nachteil<br />

dieser Starttechnik ist allerdings, dass sich durch den längeren Beschleunigungsweg auch<br />

die Blockzeit verlängert.<br />

57<br />

Diese Startvariante wurde dann durch den kreisförmigen Schwungstart (engl.: circular backswing<br />

start) ersetzt. Während sich die Ausgangsstellung nicht vom straight backswing start<br />

unterscheidet, differiert die Armbewegung nach dem Startsignal. Beim circular backswing<br />

start werden die Arme schwungvoll mit einer rückwärtsgerichteten Kreisbewegung bis nach<br />

vorne in Sprungrichtung beschleunigt (vgl. LEWIS, 1980; MAGLISCHKO, 2003).<br />

Alle drei Armschwungstarttechniken wurden aufgrund der langen Schwungzeiten und somit<br />

des hohen Zeitverlustes durch den Parallelstart ersetzt.


58<br />

Der Parallelstart (vgl. Abb. 3) zeichnet sich dadurch aus, dass sich die Füße parallel in einem<br />

Abstand von 15-30cm zueinander auf dem Startblock befinden. Die Zehen greifen um die<br />

Vorderkante des Blocks, die Knie sind leicht gebeugt und die Hüfte ist weit nach vorne verlagert.<br />

Die Hände des Schwimmers greifen zwischen oder außerhalb der Füße an bzw. um die<br />

Vorderkante des Blocks und die Arme bauen eine Spannung auf (vgl. BLANKSBY ET AL.,<br />

2002).<br />

Abb. 3: Parallelstart<br />

(UNGERECHTS/VOLCK/FREITAG, 2002, 112)<br />

1973 wurde von Fitzgerald der front-weighted Schrittstart eingeführt. Bei diesem Schrittstart<br />

wird der Körperschwerpunkt möglichst weit nach vorne verlagert – vergleichbar mit dem<br />

Parallelstart. Den Unterschied stellt die Positionierung der Füße auf dem Block dar. Es wird<br />

eine Schrittstellung eingenommen. D.h., ein Fuß wird vorne und der andere hinten auf dem<br />

Startblock platziert (vgl. Abb. 4).<br />

Abb. 4: Front-weighted Schrittstart (http://www.4.bp.blogspot.com)<br />

1995 wurde der Schrittstart von dem amerikanischen Schwimmtrainer Rutemiller modifiziert,<br />

indem das Gewicht auf das hintere Bein verlagert wurde (vgl. Abb. 5). Bei diesem sogenannten<br />

rear-weighted Schrittstart soll der Schwimmer sein Gewicht beim Kommando „Auf die<br />

Plätze“ auf das hintere Bein verlagern und durch Ziehen der Arme an der Startblockvorderkante<br />

eine möglichst große Körperspannung aufbauen. Durch diese Haltung wir dem<br />

Schwimmer ein längerer Beschleunigungsweg für den Absprung ermöglicht (vgl. BLANKS-<br />

BY ET AL., 2002).<br />

Abb. 5: Rear-weighted Schrittstart (http://www.4.bp.blogspot.com)


Bei den Olympischen Spielen 2000 in Sydney wurde der „Anti Wave Olympic 2000 Start<br />

Block“ eingeführt. Dieser Startblock verfügt über zwei fest montierte Haltegriffe an den Seiten<br />

der Startfläche, an denen sich der Schwimmer während der Ausgangsstellung festhalten<br />

kann (vgl. Abb. 6). Diese Starttechnik wird Handlestart genannt und kann als modifizierter<br />

Parallelstart bezeichnet werden. Der Körperschwerpunkt ist beim Handlestart weit nach vorne<br />

verlagert und Untersuchungen zufolge weist diese Starttechnik dadurch Vorteile bzgl. der<br />

Blockzeit auf (vgl. BLANKSBY ET AL., 2002). Trotzdem konnte sich der Handlestart nicht<br />

durchsetzen.<br />

59<br />

Abb. 6: Super Block, Anti Wave, 1996<br />

(nach BLANKSBY/NICHOLSON/ELLIOT, 2002)<br />

Bei den Weltmeisterschaften in Shanghai 2011 wurde erstmals bei einem internationalen Großereignis<br />

vom 2010 neu eigeführten Startblock „OSB 11“ gestartet. Dieser ist durch eine<br />

längere und etwas steilere Standfläche, sowie einer verstellbaren Fußstütze charakterisiert.<br />

Die Fußstütze steht im 30° Winkel zur Oberfläche des Blocks und lässt sich in fünf Stufen<br />

einstellen (vgl. Abb. 7). Der hintere Fuß wird in der Ausgangsstellung erhöht dagegen gestellt.<br />

Dieser modifizierte Schrittstart wird Kickstart genannt. Mit dem neuen Block „OSB 11“ werden<br />

laut Hersteller schnellere Startzeiten erreicht als mit dem Standardblock.<br />

Abb. 7: OSB 11 (http://www.sv-neptun-recklinghausen.de)<br />

Phasen des Starts<br />

In der Literatur findet man bezüglich der Phaseneinteilung des Startabschnittes mehrere Varianten.<br />

UNGERECHTS ET AL. (2002) unterteilen den Start in drei Abschnitte:<br />

• Absprung: (Zeitintervall vom Startsignal bis zum Lösen der Füße)<br />

• Flug: (Zeitintervall vom Lösen der Füße bis zum Eintauchen des Körperschwerpunktes<br />

(KSP))<br />

• Unterwasserabschnitt: (Zeitintervall vom Eintauchen des KSP bis zum Kopfdurchgang<br />

bei 7,5m, 10m oder 15m).<br />

Nach KÜCHLER (1994) wird der Startabschnitt in fünf Phasen unterteilt:<br />

• Ausgangsstellung<br />

• Absprung<br />

• Flug<br />

• Eintauchen<br />

• Übergang


60<br />

HALJAND (2003) unterteilte den Startabschnitt in drei Perioden und sieben (Schmetterlingsund<br />

Freistilstart) bzw. neun (Bruststart) Phasen (vgl. Tab. 1) (http://swim.ee, 2003).<br />

Tab. 1: Unterteilung des Startabschnittes nach HALJAND (2003)<br />

DIETZE/ SABOROWSKI (2005) formulieren: „Ziel des Starts ist es, den Startabschnitt in<br />

möglichst kurzer Zeit zurückzulegen, wobei gleichzeitig eine hohe Geschwindigkeit in die<br />

zyklische Bewegung der Schwimmart (Gesamtkoordination) eingebracht werden soll.“<br />

Um diesen Zielen zu entsprechen, überarbeiteten DIETZE/ SABOROWSKI (2005) die Einteilung<br />

des Starts in folgende sechs Phasen:<br />

1. Ausgangsstellung<br />

Die Körperposition, die der Sportler nach der Aufforderung des Starters zur Einnah<br />

me der Startposition einnimmt und mit der ersten Bewegung als Reaktion auf das<br />

Startsignal verlässt.<br />

Ziel ist es, eine Körperposition einzunehmen, die einerseits einen sicheren Stand<br />

garantiert und andererseits die Möglichkeit bietet, schnell äußere Kräfte für eine<br />

Vorverlagerung des Körperschwerpunktes wirksam zu machen.<br />

2. Auftakt<br />

Beginnt als erste Reaktion auf das Startsignal, bereitet den Absprung vor und endet<br />

mit dem Lösen der Hände vom Startblock.<br />

Ziel ist die schnelle Verlagerung des Körperschwerpunktes in die Schwimmrichtung<br />

und die Vorbereitung des Absprungs.


61<br />

3. Absprung<br />

Beginnt mit dem Lösen der Hände vom Startblock und endet mit dem Lösen der<br />

Füße vom Startblock.<br />

Ziel ist die optimale Nutzung der muskulär zur Verfügung stehenden Antriebsleistung<br />

für eine maximale Beschleunigung des Körpers in Schwimmrichtung.<br />

4. Flug<br />

Beginnt mit dem Lösen der Füße vom Startblock und endet mit der ersten Wasserberührung<br />

(Hände).<br />

Ziel ist die Einnahme einer zweckmäßigen Körperhaltung zur Vorbereitung eines<br />

widerstandsarmen Eintauchens.<br />

5. Eintauchen<br />

Beginnt mit der ersten Wasserberührung und endet, wenn sich der Sportler mit seinem<br />

gesamten Körper im Wasser befindet.<br />

6. Übergang<br />

Beginnt, wenn sich der Sportler mit seinem gesamten Körper im Wasser befindet<br />

und endet mit dem Einsatz der zyklischen Bewegung in der jeweiligen<br />

Schwimmart (Gesamtkoordination) unter Einhaltung der Wettkampfbestimmungen.<br />

Ziel ist die Minimierung des Geschwindigkeitsverlustes in Schwimmrichtung.<br />

Für die Ausführung des Schrittstarts vom OSB11 gibt KÜCHLER (2014) folgende Hinweise<br />

für die Phasen bis zum Verlassen des Blocks:<br />

In der Ausgangsstellung (vor dem Startsignal) soll der Sportler stabil stehen, dabei eine Vorspannung<br />

aufbauen und den Fußballen des hinteren Beines möglichst hoch auf den Balken<br />

setzen.<br />

Während der Auftaktphase (kurz vor dem Lösen der Hände) wird kurz und kraftvoll mit den<br />

Händen an der Startblockvorderkante gezogen, gleichzeitig wird mit der Streckung im Kniegelenk<br />

des hinteren Beines bzw. der Beugung im Knie- und Fußgelenk des vorderen Beines<br />

begonnen. Dabei ist auf Stabilität im Fußgelenk des hinteren Beines zu achten.<br />

Der Absprung wird bei KÜCHLER (2014) in zwei Phasen unterteilt.<br />

Während der ersten Phase des Absprungs (Lösen des hinteren Fußes) wird das Knie- und Fußgelenk<br />

des hinteren Beines gestreckt. Das Knie- und Fußgelenk des vorderen Beines bleiben<br />

bis zum Lösen des hinteren Fußes gebeugt und werden danach gestreckt. Der Sportler beginnt<br />

mit dem Aufrichten des Körpers und die Arme/Hände werden nach vorn/oben bewegt.<br />

In der zweiten Phase des Absprungs (Lösen des vorderen Fußes) wird der Oberkörper gestreckt.<br />

Beim Lösen des vorderen Fußes ist der Oberkörper annähernd in horizontaler Position<br />

und der Kopf befindet sich in Verlängerung des Rumpfes. Das hintere Bein wird aufwärts,<br />

bis mindestens in Verlängerung des Rumpfes, bewegt und die Hände werden möglichst weit<br />

vor den Kopf geführt (vgl. KÜCHLER 2014). Eine Untersuchung von TOR ET AL. (2014)<br />

beschäftigt sich mit der zeitlichen Gewichtung der einzelnen Phasen. Die Ergebnisse der 52<br />

untersuchten Sportler zeigen folgende Prozentverteilung: Blockphase: 11%, Flugphase: 5%,<br />

Unterwasserphase: 56% und freies Schwimmen: 28%.<br />

Die Zeit vom Eintauchen bis zur 15m-Marke wird bei TOR ET AL. (2014) in zwei Phasen<br />

unterteilt, in die Unterwasserphase und das freie Schwimmen. Die Sportler verbringen den


62<br />

größten Teil der Zeit (56%) in der Unterwasserphase. Das zeigt, dass diese Phase die größte<br />

swirkung auf die Startzeit hat.<br />

Untersuchungen zum Startsprung<br />

Seit Jahrzehnten werden Untersuchungen durchgeführt, um herauszufinden, welche Starttechnik<br />

zur besten Startleistung führt. Die Startleistung wird anhand der Startzeit, welche in<br />

verschiedenen Studien zum Teil an unterschiedlichen Marken gemessen wird, bewertet. Außerdem<br />

muss bewertet werden können, welche Phase des Startsprungs welchen Einfluss auf<br />

die Startleistung hat. Dazu müssen die einzelnen Parameter jeder Phase analysiert werden.<br />

Bei Wettkampfanalysen werden Blockzeit, Flugzeit, 5m- bzw. 7,5m-Zeit und 15m-Zeit gemessen.<br />

Zusätzlich kommen bei Leistungsdiagnostiken folgende Parameter hinzu: Kraft-<br />

Zeit-Verläufe von Bodenreaktionskräften, Absprungwinkel, Absprunggeschwindigkeit<br />

(horizontale und vertikale Komponente), Flugweite, Flugzeit, 10m- Zeit und Abschwimmgeschwindigkeit<br />

(vgl. GRAUMNITZ, 2011).<br />

Untersuchungen, die die Startleistung mit dem Parallel- und Schrittstart vom Standardblock<br />

vergleichen, wurden bisher sehr viele durchgeführt.<br />

Insgesamt haben diese Studien gezeigt, dass sich die Vor- und Nachteile der verschiedenen<br />

Starttechniken die Waage halten bzw. sich gegenseitig aufheben.<br />

Obwohl Unterschiede in einzelnen Bewegungsparametern bestehen, weisen Parallelstart,<br />

sowie der front-weighted- als auch der rear-weighted Schrittstart keine wesentlichen Unterschiede<br />

in der Startleistung auf (vgl. KIBELE ET AL., 2011).<br />

Untersuchungen von BENJANUVATRA ET AL.(2004) ergeben z.B. eine kürzere Blockzeit<br />

für den Schrittstart gegenüber dem Parallelstart. Dagegen weist der Parallelstart eine höhere<br />

Abfluggeschwindigkeit auf. Der jeweilige Vorteil war nach dem Eintauchvorgang wieder<br />

aufgehoben (vgl. BENJANUVATRA ET AL. 2004).<br />

Diese Beispiele stehen stellvertretend für viele weitere Studien, die sich dem Vergleich von<br />

Parallel- und Schrittstart widmen.<br />

Neben der Aktion auf dem Block wird nach der vorherrschenden Literaturmeinung (vgl.<br />

ELIPOT ET AL., 2009; BONNAR, 2001; COSSOR & MASON, 2001) insbesondere der<br />

Unter-wasserphase ein erheblicher Einfluss auf die Startleistung zugeschrieben. Das zeigen<br />

auch die Ergebnisse der Studie von NOMURA ET AL. (2010). Diese weisen keine signifikanten<br />

Unterschiede zwischen verschiedenen Starttechniken bis zum Zeitpunkt des Eintauchens<br />

auf. 94 % der Unterschiede in der Startzeit (gemessen bei 9m) sind zurückzuführen auf<br />

die Unterschiede in der Zeit nach dem Kontakt der Finger mit dem Wasser.<br />

Die Antwort auf die Frage nach der effektivsten Starttechnik kann nicht allgemeingültig<br />

beantwortet werden, da die individuell zweckmäßigste Variante durch die Ausprägung individueller<br />

Voraussetzungen bestimmt ist (vgl. KÜCHLER ET AL., 2005; MASON ET AL.,<br />

2007).<br />

Tab. 2 gibt einen Überblick über die jeweils zu bevorzugende Starttechnik verschiedener Untersuchungen.<br />

Auch diese Tabelle verdeutlicht, dass keine eindeutige Empfehlung zugunsten<br />

einer der beiden Starttechniken gegeben werden kann.


63<br />

Tab. 2: Literaturüberblick Parallelstart vs. Schrittstart ( Ben Shlomo, 2012)<br />

2010 wurde vom Weltschwimmverband (FINA) der neue Startblock OSB11 eingeführt. Der<br />

Hersteller dieses Blocks erklärte damals, dass mit diesem Startblockmodell bessere Startleistungen<br />

zu erreichen wären, ohne dies belegen zu können.<br />

KIBELE ET AL. (2011) formulierten, dass sich mit Einführung des neuen Startblocks OSB11<br />

2010 das Bewegungsverhalten beim Schwimmstart ändern wird. Durch den OSB11 könnte<br />

sich die Patt-Situation von Parallel- und Schrittstart auflösen und eine Vereinheitlichung des<br />

Startverhaltens im Spitzenbereich zu beobachten sein.<br />

Der OSB11 ist nun schon seit einigen Jahren im Einsatz und mehrere Untersuchungen zur<br />

Startleistung mit diesem Block wurden durchgeführt. Die Ergebnisse werden hier zusammengetragen.<br />

Um die Effektivität des OSB11 zu messen, wurden 2010 bereits erste Untersuchungen mit<br />

nationalen und internationalen Spitzenschwimmern durchgeführt.<br />

BIEL ET AL. (2010) verglichen die Leistungen von bisherigen Parallelstartern sowie bisherigen<br />

Schrittstartern mit den Leistungen, die diese Schwimmer mit dem Schrittstart vom<br />

neuen Starblock, dem Kickstart, erreichten.<br />

Die Ergebnisse zeigen, dass die bisherigen Parallelstarter mit dem Schrittstart vom OSB11<br />

gleiche Startleistungen (7,5m) erbringen. Sie erreichen mit dem Schrittstart zwar kürzere<br />

Blockzeiten sowie höhere Abfluggeschwindigkeiten, verlieren diesen Zugewinn aber wieder<br />

während der Eintauch- und Unterwasserphase.<br />

Bisherige Schrittstarter erreichen auf dem OSB11 deutliche Steigerungen der Startzeit bei<br />

7,5m. Dies zeigt sich in zeigt sich in einer verkürzten Blockzeit, einer höheren Abfluggeschwindigkeit<br />

sowie in effizienterem Eintauchen.<br />

BIEL ET AL. (2010) fassen zusammen, dass mit dem OSB11 kürzere Blockzeiten und höhere<br />

Abfluggeschwindigkeiten erreicht werden. Das Eintauch- und Umlenkverhalten muss allerdings<br />

optimiert werden, um von den Vorteilen des neuen Startblocks profitieren zu können.


64<br />

HONDA ET AL. (2010) fanden anhand ihrer Untersuchung heraus, dass mit dem Kickstart<br />

im Vergleich zum Schrittstart eine signifikant höhere horizontale Kraft auf dem Block erreicht<br />

wird, welche eine signifikant kürzere Blockzeit sowie eine ebenso signifikant höhere Abfluggeschwindigkeit<br />

erlaubt. Vorteil beim OSB11 ist, dass durch die Fußstütze der hintere Fuß<br />

erhöht ist und dadurch die ausgeübte Kraft mehr in horizontale Richtung wirkt und den Körper<br />

somit direkt mit hoher horizontaler Geschwindigkeit in Vorwärtsrichtung bewegt. Diese<br />

Vorteile halten bis zur 5m- als auch zur 7,5m-Marke an, welche ebenso signifikant schneller<br />

sind als mit dem Schrittstart vom Standardblock. Allerdings betonen HONDA ET AL. (2010)<br />

auch, dass weitere Studien notwendig sind, die die Unterwasserarbeit und den Übergang zur<br />

Gesamtlage mit einbeziehen, um einen positiven Einfluss des Kickstarts bis zur 15m- Marke<br />

zu belegen.<br />

Auch FISCHER ET AL. (2010) weisen in ihrer Studie deutliche Leistungssteigerungen im<br />

Startabschnitt durch den OSB11 nach und empfehlen, dass die Schwimmer auf den Kickstart<br />

umgestellt werden sollten. Dabei muss die optimale Beinstellung sowie der optimale Justierabstand<br />

der Fußstütze individuell gewählt werden.<br />

In einer Studie von KIBELE ET AL. (2014) werden vier verschiedene Kombinationen in der<br />

Ausgangsstellung auf dem Block und deren Einfluss auf die Startleistung untersucht. Folgende<br />

Variationen sind möglich: Körperschwerpunkt hoch oder niedrig; Fußabstand eng oder weit;<br />

Gewichtsverlagerung nach vorne oder nach hinten. Eine Ausgangsstellung mit engem Fußabstand<br />

und einem Körperschwerpunkt nach oben-vorne erreicht die besten Ergebnisse. Mit<br />

dieser Kombination werden die kürzesten Blockzeiten erzielt. Mit einer durchschnittlichen<br />

besseren Zeit von 0,06 Sekunden sind die Unterschiede zwar nicht signifikant, wenn man aber<br />

beachtet, dass Rennen innerhalb von wenigen 100stel Sekunden gewonnen werden, lohnt es<br />

sich, die optimale Ausgangsposition für jeden Einzelnen zu finden.<br />

NOMURA ET AL. (2010) weisen folgende Einflüsse der Fußstütze im Wettkampfschwimmen<br />

nach: in der Ausgangsposition ist der Körperschwerpunkt weiter nach vorne verlagert,<br />

der Kniewinkel des hinteren Beins beträgt in der Ausgangsstellung ca. 90°, auf dem Block<br />

beschleunigt der Körper mehr in horizontaler Richtung und ebenso ist der Absprungwinkel<br />

fast horizontal. Keine signifikanten Unterschiede werden durch die Fußstütze in der Flugphase<br />

nachgewiesen.<br />

Während alle vorherigen Starttechniken keine eindeutige Präferenz zulassen, scheint es so,<br />

als hätte mit dem OSB11 eine neue Ära angefangen. Alle Untersuchungen mit dem neuen<br />

Startblock zeigen signifikant bessere Startleistungen als mit dem Standardblock. Trainern<br />

und Schwimmern ist zu empfehlen, das Startsprungtraining vom OSB11 in den Trainingsplan<br />

zu integrieren, um die Vorteile des Kickstarts auch im Wettkampf realisieren zu können (vgl.<br />

BEN SHLOMO, 2012).<br />

Für einen schnellen Schwimmstart sind Absprung, Eintauchen und Unterwasseraktion wichtig.<br />

Die Unterwassergeschwindigkeit hängt von der horizontalen Geschwindigkeit beim Eintauchen<br />

ab, diese ist wiederum von der horizontalen Geschwindigkeit beim Absprung abhängig.<br />

Von daher ist die Aktion auf dem Block ein wichtiger Faktor für eine schnelle Startzeit, da sie<br />

die nachfolgenden Phasen beeinflusst (vgl. NOMURA ET AL., 2010).<br />

Um eine möglichst schnelle Startzeit zu erreichen, können zusammenfassend folgende Anforderungen<br />

an die Aktion auf dem Block gestellt werden: Realisieren einer kurzen Blockzeit in<br />

Kombination mit einer hohen Absprunggeschwindigkeit in horizontaler Richtung.<br />

Welche Trainingsinhalte in der Literatur empfohlen werden, um einen positiven Einfluss auf die<br />

Faktoren Blockzeit und Absprunggeschwindigkeit zu erwirken, ist Inhalt des nächsten Kapitels.


Untersuchungen zum Startsprungtraining<br />

In der Literatur finden sich mehrere Studien, die versuchen, herauszufinden, ob sich und wenn<br />

ja, durch welche Art von Training die Startleistung verbessern lässt.<br />

Grundlegend wird für die Verbesserung der Startleistung eine systematische und kontrollierte<br />

Erhöhung der Anzahl von Startsprüngen während des Trainings empfohlen (vgl. FUENTE/<br />

ARELLANO, 2010).<br />

HOHMANN ET AL. (2010) betonen, dass ein ganzjähriges und kontinuierliches Starttraining<br />

bereits im Jugendalter erforderlich ist, um später in der Weltspitze zu bestehen.<br />

BLANKSBY ET AL. (2002) konnten mit ihrer Untersuchung nachweisen, dass bereits ein<br />

14-tägiges Startsprungtraining zu einer signifikanten Verbesserung der Startleistung (10m-<br />

Zeit) führt. Folgende Parameter führen zu dieser Verbesserung: die Reaktions- sowie die<br />

Blockzeit wurden verkürzt. Ebenfalls wurde die Flugzeit verkürzt bei gleichzeitiger Verlängerung<br />

der Flugweite – dies resultiert aus der erhöhten Absprunggeschwindigkeit.<br />

FUENTE/ ARELLANO (2010) fanden heraus, dass ein zusätzliches Feedback an den Sportler<br />

zu seinem Startverhalten nach jedem Versuch eine noch größere Verbesserung der Startzeit<br />

zulässt. Nach zehn Trainingseinheiten verbesserten alle untersuchten Sportler ihre Startzeit<br />

signifikant. Die Kontrollgruppe (ohne Feedback) um 2,2% und die Versuchsgruppe (mit Feedback)<br />

um 5,2%.<br />

Zum Thema Krafttraining und dessen Einfluss auf die Startleistung wurden ebenso einige<br />

Studien durchgeführt.<br />

HOHMANN ET AL. (2010) konnten nach einem 4-wöchigen Training bestehend aus Sprungkraft-,<br />

Maximalkraft- und Explosivkrafttraining keinen eindeutigen positiven Einfluss auf<br />

die leistungsrelevanten Parameter der Startsprungleistung nachweisen. Auch weitere Studien<br />

konnten nicht eindeutig bestätigen, dass eine ausgeprägte Sprungkraft an Land auch Ursache<br />

für eine bessere Startleistung im Wasser ist. Nach derzeitigem Forschungsstand kann keine<br />

eindeutige Aussage zugunsten eines sprungkraftorientierten Krafttrainings zur Erzielung einer<br />

besseren Startperformance gemacht werden (vgl. BEN SHLOMO, 2012).<br />

Dass es bei der Verbesserung der Startleistung vielmehr auf motorische und koordinative<br />

Fähigkeiten ankommt, zeigen u.a. Studien von HOHMANN ET AL. (2010) und FUENTE/<br />

ARELLANO (2010).<br />

Diese Befunde geben Anlass dazu, ein gezieltes und funktionales Starttraining in den wöchentlichen<br />

Trainingsplan zu integrieren. Der Schwerpunkt sollte dabei auf dem Automatisieren<br />

des Bewegungsablaufes und der Verbesserung der koordinativen Fähigkeiten liegen,<br />

indem überwiegend der Startsprung vom Block ins Wasser trainiert wird – am besten mit<br />

zusätzlichem Feedback zum Startablauf (vgl. BEN SHLOMO, 2012).<br />

Mit der Optimierung von Bewegungsabläufen während des Absprungvorgangs sowie der inhaltlichen<br />

Gestaltung beschäftigte sich HOFFMANN (1989). Er konnte nachweisen, dass ein<br />

akzentuiertes Techniktraining des Absprungs vom Block über sieben Monate zu einer Verkürzung<br />

der 7,5m-Zeit führt.<br />

Die durchgeführte Untersuchung von GRAUMNITZ (2011) zu dessen Dissertation, ist seit<br />

HOFFMANN (1989) die einzige, die sich mit dem Techniktraining zur Verbesserung der<br />

Startleistung befasst. Im Mittelpunkt seiner Arbeit steht die Herausarbeitung eines effektiven<br />

Techniktrainings, welches eine für die maximale Antriebsleistung beim Absprung vom Block<br />

optimale Bewegungsausführung zum Ziel hat.<br />

Nach GRAUMNITZ (2011) sollten folgende Schlussfolgerungen für ein effektives Starttraining<br />

berücksichtigt werden:<br />

65


66<br />

• Aufgrund des festen Widerlagers in Form des Startblocks werden beim Absprung vom<br />

Block die höchsten Geschwindigkeiten im gesamten Wettkampfverlauf erzielt.<br />

• Die drei ersten Phasen des Starts besitzen damit hohe Relevanz für den gesamten<br />

Wettkampfverlauf.<br />

• Der Absprung vom Block ist eine zeitlich sehr kurze und azyklische Bewegung<br />

und gleicht einer technischen Schnellkraftdisziplin.<br />

• Sportler und Trainer müssen Kenntnisse über den Einfluss des Starts auf die<br />

komplexe Wettkampfleistung sowie über die beim Start wirkenden<br />

biomechanischen Besonderheiten besitzen.<br />

• Nach einer Analyse der die Absprungbewegung vom Block beeinflussenden<br />

individuellen Leistungsvoraussetzungen sind unter Bezug auf wissenschaftlich<br />

fundierte Leitbilder individuelle und messbare Zielstellungen festzulegen.<br />

• Bei der Planung des Techniktrainings müssen sich Inhalte, Mittel und Methoden<br />

an der Zielstellung orientieren. Es ist auf eine sinnvolle Einordnung in den Aufbau<br />

des Trainingsjahres zu achten, wobei individuelle sowie trainingsgruppenspezifische<br />

Voraussetzungen zu berücksichtigen sind.<br />

• Verbesserungen im Bewegungsablauf müssen stabil verfügbar sein. Das erfordert<br />

kontinuierliches Üben über das gesamte Trainingsjahr.<br />

• Durch die Anwendung von Vereinfachungsstrategien kann der Lernprozess<br />

effektiver gestaltet werden. Teilbewegungen werden separat und unter erleichterten<br />

Bedingungen geübt, um anschließend in die komplexe Absprungbewegung integriert<br />

zu werden.<br />

• Die Absprungbewegung vom Block wird in so kurzer Zeit ausgeführt, dass ein<br />

Sollwert-Istwert-Vergleich als Ausgangspunkt einer Regulation während der<br />

Bewegung praktisch unmöglich ist.<br />

• Neben den Eigeninformationen des Sportlers sollen objektive und subjektive<br />

Ergänzungsinformationen den Lernprozess unterstützen. Objektive Ergänzungsinformationen<br />

werden durch die Integration von Messplätzen in das<br />

Techniktraining realisiert. Subjektive Ergänzungsinformationen werden primär durch<br />

den Trainer gegeben und bestehen zur Unterstützung der Antizipation aus<br />

aufmerksamkeitslenkenden Informationen.<br />

Die Untersuchung, die GRAUMNITZ (2011) durchführte, lief über ein Jahr mit Hochleistungsschwimmern<br />

aus dem Nachwuchsbereich. Ziel der Trainingsintervention war es, den<br />

Bewegungsablauf des Absprungvorganges vom Einnehmen der Ausgangsposition bis zum<br />

Verlassen der Füße vom Block so zu optimieren, dass eine Verbesserung der Absprungparameter<br />

„Blockzeit“ und „Absprunggeschwindigkeit (horizontale Komponente)“ erreicht wird.<br />

Das spezielle Techniktrainingsprogramm wurde in dem Jahr zweimal über jeweils sechs Wochen<br />

absolviert. Pro Woche wurden jeweils zwei Trainingseinheiten Wasser- und Landtraining<br />

von je 20 Minuten Dauer an vier verschiedenen Tagen der Woche durchgeführt. Zwischen den<br />

einzelnen Startversuchen erhielten die Sportler Informationen zu ihrer Ausführung.<br />

Für die inhaltliche Gestaltung der Trainingseinheiten hat GRAUMNITZ (2011) einen Übungskatalog<br />

für die ersten drei Phasen des Starts (Ausgangsstellung, Auftakt und Absprung), entsprechend<br />

ihrer Merkmale und Kriterien erarbeitet (vgl. DIETZE/ SABOROWSKI, 2005).<br />

Der Übungskatalog ist nicht speziell auf eine der Startvarianten zugeschnitten.<br />

Diese Übungssammlung von GRAUMNITZ (2011), die zur Verbesserung der Bewegungsausführung<br />

des Absprungs beim Start vom Block verhelfen soll, ist unterteilt nach den drei<br />

verschiedenen Phasen. Das Ziel, das Merkmal, das Kriterium sowie die Wirkung jeder einzelnen<br />

Phase werden in der Übungssammlung beschrieben. Zu jeder Phase werden verschiedene


Übungen aufgeführt, für die jeweils Ausgangsstellung, Aufgabe, Belastung und Hinweise zur<br />

Ausführung beschrieben werden.<br />

Die Frage, welchen Einfluss diese Trainingsintervention auf die Entwicklung der Startleistungs-merkmale<br />

„Blockzeit“ und „Absprunggeschwindigkeit (horizontale Komponente)“<br />

genommen hat, kann folgendermaßen beantwortet werden:<br />

Im Trainingsjahresverlauf können höhere Absprunggeschwindigkeiten (horizontale Komponente)<br />

und kürzere Blockzeiten erwartet werden. Mit dem speziellen Techniktrainingsprogramm<br />

ist mit höheren Entwicklungsraten zu rechnen als mit dem herkömmlichen Training.<br />

Nach Absolvieren des speziellen Techniktrainingsprogramms ist zunächst mit Verbesserungen<br />

bei dem Startleistungsmerkmal zu rechnen, bei welchem groß-motorische Bewegungen dominieren<br />

(horizontale Komponente der Absprunggeschwindigkeit) und erst verzögert bei dem<br />

Startleistungsmerkmal, bei welchen feinmotorische Bewegungen dominieren (Blockzeit).<br />

Eine Erhöhung der Absprunggeschwindigkeit (horizontale Komponente) ist durch das spezielle<br />

Techniktraining auch bei stagnierenden bzw. etwas verringerten Sprungkraftvoraussetzungen<br />

möglich.<br />

Die Durchführung des speziellen Techniktrainingsprogramms übt keinen negativen Einfluss auf<br />

die Entwicklung weiterer relevanter Leistungsvoraussetzungen aus (vgl. GRAUMNITZ, 2011).<br />

GRAUMNITZ (2011) zieht aus seiner Studie folgende trainingsmethodische Schlussfolgerungen:<br />

Die Untersuchung ergibt, dass die Antriebsleistungen beim Absprung vom Block durch Techniktraining<br />

erhöht werden können, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:<br />

• Der Sportler muss über die Bedeutung des Starts für das Wettkampfergebnis aufgeklärt<br />

sein und muss den Einfluss der Blockzeit und der horizontalen Absprungeschwindigkeit<br />

auf die Startleistung nachvollziehen können.<br />

• Das Ausgangsniveau, das Ziel und die inhaltliche Gestaltung des Techniktrainings muss<br />

dem Sportler bekannt sein.<br />

• Für die Absprungbewegung vom Block eignet sich besonders die Ganz-Teil-Ganz-<br />

Methode sowie Elemente des Differentiellen Lernens (vgl. SCHÖLLHORN, 2010).<br />

• Der angestrebte Bewegungsablauf der komplexen Wettkampfübung muss geübt werden.<br />

• Techniktraining für die Optimierung von Bewegungsabläufen des Absprungs vom<br />

Block sollte kontinuierlich über mehrere Wochen durchgeführt und im Verlauf des<br />

Trainingsjahres wiederholt werden und dabei einen Anteil von drei Prozent der<br />

Gesamttrainingszeit im Trainingsjahr nicht unterschreiten (vgl. GRAUMNITZ, 2011).<br />

Des Weiteren lässt sich aus den Ergebnissen und den, während der Untersuchung gemachten<br />

Erfahrungen, ableiten, dass eine erfolgreiche Durchführung des Techniktrainingsprogramms<br />

folgendermaßen unterstützt werden kann:<br />

• Das Techniktraining sollte nach einer ausreichenden Erwärmung zu Beginn einer<br />

Trainingseinheit stattfinden.<br />

• Die Dauer einer Einheit zur Sensibilisierung von Teilbewegungen sollte ca. 20 Minuten<br />

betragen.<br />

• Prägnante, schlagwortartige, aufmerksamkeitslenkende Informationen unterstützen die<br />

Konzentration auf die Eigeninformation.<br />

• Ein Zusammenfassen von Ergebnissen und Setzen von Schwerpunkten für das<br />

selbstständige Üben führen zu höherer Identifikation des Sportlers mit dem<br />

angestrebten Bewegungsablauf (vgl. GRAUMNITZ, 2011).<br />

Zum Abschluss gibt GRAUMNITZ (2011) Hinweise, wie das Techniktraining zur Erhöhung<br />

der Antriebsleistungen beim Absprung vom Block im Anschluss- und Hochleistungstraining<br />

vorbereitet und erleichtert werden soll:<br />

67


68<br />

• Die Voraussetzungen für die Lernfähigkeit der Sportler sind im Grundlagen- und<br />

Aufbautraining zu schaffen.<br />

• Sportler müssen lernen, die eigene Bewegung bewusster wahrzunehmen und gezielter<br />

Einfluss auf sie auszuüben.<br />

• Das Sammeln von vielfältigen Bewegungserfahrungen trägt dazu bei, Bewegungsausführungen<br />

schnell und effektiv den entwicklungsbedingten konstitutionellen<br />

Änderungen anzupassen. Hier empfehlen sich Elemente des variablen Übens und des<br />

Differentiellen Lernens.<br />

• Die Schulung koordinativer Fähigkeiten sollte Trainingsbestandteil jeder Ausbildungsetappe<br />

sein. Zum Beispiel haben die Differenzierungs- und Kopplungsfähigkeit eine<br />

hohe Relevanz für die Startleistungsmerkmale. Außerdem wirkt sich der<br />

Ausprägungsgrad der Reaktions- und Gleichgewichtsfähigkeit auf die Blockzeit aus<br />

(vgl. GRAUMNITZ, 2011).<br />

GRAUMNITZ (2011) resümiert, dass das spezielle Techniktrainingsprogramm die Antriebsleistungen<br />

beim Absprung vom Block im Aufbau- und Anschlusstraining erhöhen kann. Eine<br />

Wirksamkeitsprüfung im Hochleistungstraining steht noch aus.<br />

Vorschlag eines methodischen Vorgehens zur Verbesserung des Absprungs beim Schrittstart<br />

Die hier im Folgenden vorgestellten Übungen zur Verbesserung des Absprungs beim Schrittstart<br />

werden vom Nachwuchslandestrainer bei Lehrgängen des Hessischen Schwimmverbandes<br />

mit Landeskadersportlern in dieser Weise durchgeführt.<br />

Vorbereitende Übungen an Land<br />

Die folgenden Abbildungen zeigen die vorbereitenden Übungen an Land.<br />

Abbildung 8 zeigt das Aufschwingen - hier wird der aktive Einsatz des Schwungbeines bis in<br />

Verlängerung des Rückens geübt.


69<br />

Abb. 8: Aufschwingen des Schwungbeines<br />

Abbildung 9 zeigt das Aufschwingen des Schwungbeines sowie das aktive Nachziehen des<br />

Sprungbeines. Beide Beine sollen am höchsten Punkt geschlossen sein.<br />

Abb. 9: Aufschwingen des Schwung- und Sprungbeines


70<br />

Die nächsten Fotos zeigen verschiedene ergänzende Übungen zur Körperspannung mit dem<br />

Pezziball. Abbildung 10 zeigt unterschiedliche Partnerübungen mit Hilfestellung.<br />

Abb. 10: Verschiedene Partnerübungen auf dem Pezziball zur Körperspannung<br />

Alternativ dazu können folgende Übungen ohne Partner ausgeführt werden. Abbildung 11<br />

zeigt eine Übung zur Verbesserung von Gleichgewicht und Körperspannung in Ruheposition,<br />

Abbildung 12 eine dynamische Variante (Anrollen auf die Wand zu und wieder Abstoßen).<br />

Abb. 11: Übung auf dem Pezziball zur Körperspannung


71<br />

Abb. 12: Dynamische Übung auf dem Pezziball zur Körperspannung<br />

Diesen vorbereitenden Übungen an Land geht ein allgemeines Aufwärmen voran.<br />

Übungen vom Beckenrand<br />

Ein Ziel der Übungen vom Beckenrand ist es, beim Start nicht „aufzustehen“, sondern nach<br />

vorne abzuspringen. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass sich der Unterschenkel des<br />

Sprungbeines zum Zeitpunkt des Absprungs parallel zur Wasseroberfläche befindet. Außerdem<br />

ist auf einen aktiven Einsatz des Schwung- und Sprungbeins zu achten, um die Flugphase<br />

so zu gestalten, dass ein widerstandsarmes Eintauchen möglich ist.<br />

Abbildung 13 zeigt den Startsprung aus dem Kniestand mit den Armen in Vorhalte und Abbildung<br />

14 aus der normalen Startposition.


72<br />

Abb. 13: Startsprung vom Beckenrand aus dem Kniestand mit Armen in Vorhalte<br />

Abb. 14: Startsprung vom Beckenrand<br />

Übungen vom Startblock<br />

Zunächst wird auf dem Startblock die individuell optimale Ausgangsstellung eingestellt. Abbildung<br />

15 zeigt die Positionierung des hinteren Fußes auf der Stütze. Hierbei sollte sich der<br />

Fußballen möglichst stabil knapp unterhalb der oberen Abschlusskante der Fußstütze befinden.<br />

Die Fußstütze sollte so eingestellt werden, dass sich der Unterschenkel in einer horizontalen<br />

Position befindet und dabei mit dem Oberschenkel einen rechten Winkel bildet.


73<br />

Abbildung 16 zeigt die Ausgangsstellung beim Startsprung; der Blick des Schwimmers auf<br />

die vordere Startblockkante gerichtet.<br />

Abb. 15: Positionierung auf dem Block<br />

Abb. 16: Einnehmen der Startposition<br />

Abbildung 17 zeigt einen Startsprung aus der „Abflugposition“ mit passiver Schwungverstärkung.<br />

Es wird die individuell optimale Ausgangsstellung auf dem Block eingenommen. Dabei<br />

wird sich nicht an der Startblockvorderkante festgehalten, sondern die Arme zeigen gestreckt<br />

in Verlängerung des Rumpfes in Absprungrichtung. Ein Partner unterstützt den Schwung des<br />

hinteren Beines (Schwungbein), indem er diesem während des Absprungs einen Impuls nach<br />

oben gibt.


74<br />

Abb. 17: Startsprung aus der „Abflugposition“ mit passiver Schwungverstärkung<br />

Die Übung kann auch aus der regulären Startposition durchgeführt werden (Abb. 18).<br />

Abb. 18: Startsprung mit passiver Schwungverstärkung


75<br />

Die aktive Variante ist in Abbildung 19 dargestellt. Hierbei versucht der Sportler, den Gegenstand,<br />

der ihm von einem Partner an den hinteren Oberschenkel gehalten wird, aktiv mit dem<br />

Fuß des Schwungbeines im Absprung nach oben zu „kicken“<br />

Abb. 19: Startsprung aus der Abflugposition mit aktiver Schwungverstärkung


76<br />

Auch hier gibt es wieder die Möglichkeit, die Übung aus der regulären Startposition auszuführen<br />

(Abb. 20).<br />

Abb. 20: Startsprung mit aktiver Schwungverstärkung


77<br />

In den ersten drei Bildern der Abbildung 21 gibt der Partner mit seiner Hand eine taktile<br />

Hilfe für den idealen Zeitpunkt der Streckung des Sprungbeines (Unterschenkel parallel zur<br />

Wasseroberfläche). Der Sportler hat die Aufgabe, beim Absprung das Sprungbein erst dann zu<br />

strecken, wenn das Schienbein die Hand des Partners berührt.<br />

Erweitert werden kann die Übung wie in den Bildern vier und fünf zu sehen ist, indem der<br />

Partner dem Sprungbein einen Impuls nach oben gibt, und damit das Nachziehen des Sprungbeines<br />

hin zum Schwungbein unterstützt.<br />

Abb. 21: Taktile Hilfe für den Zeitpunkt der Streckung des Sprungbeines<br />

Weitere Aufgaben und Variationen der Übungen sind als Anlage beigefügt.


78<br />

Diskussion des Forschungsstandes<br />

In der, für den Forschungsstand verwendeten Literatur, zeigen sich mehrere Probleme.<br />

Um die Leistung eines Startsprungs bewerten zu können, wird als Messwert die Startzeit<br />

herangezogen. Problematisch ist, dass die Autoren, die Startzeit an unterschiedlichen Punkten<br />

messen. Sinnvoll wäre es, eine einheitliche Distanz für den Startbereich festzulegen. Am<br />

besten eignet sich die 15m-Marke, denn spätestens an diesem Punkt muss der Schwimmer<br />

laut Wettkampfbestimmungen mit der zyklischen Schwimmbewegung beginnen (Ausnahme<br />

Brustschwimmen).<br />

Weiterhin ist zum Teil nicht ersichtlich, zu welchem Zeitpunkt die Startzeit gemessen wurde<br />

(Durchgang der Hände, des Kopfes oder der Hüfte). Von daher ist es schwierig, die Ergebnisse<br />

dieser Studien miteinander zu vergleichen. Weiterhin wurden nur in einer Untersuchung genaue<br />

Angaben bezüglich der Leistungsstärke der Schwimmer gemacht (Finalläufe der Olympischen<br />

Spiele 2000). Die anderen Studien untersuchen z.B. Collegeschwimmer, deutsche<br />

Kaderschwimmer (A-, B-, C-, D-Kader?) oder Wettkampfschwimmer – nur um eine kleine<br />

Auswahl zu nennen. Welches Leistungsniveau diese Schwimmer aber wirklich haben, wurde<br />

weder mit Hilfe von Punkten, noch durch Bestzeiten angegeben, was für die Einschätzung<br />

des Leistungsniveaus hilfreich gewesen wäre. Bezüglich des Vergleiches zwischen Parallelund<br />

Schrittstart kann laut Literatur keine eindeutige Empfehlung für eine dieser beiden Starttechniken<br />

gegeben werden. Durch die Einführung des OSB11 sollte sich das laut Hersteller<br />

Omega ändern. Dieser betont, dass mit dem neuen Startblockmodell bessere Startleistungen<br />

zu erzielen sind. Untersuchungsergebnisse bezüglich der Aktion auf dem Block zeigen eindeutige<br />

Vorteile für den Kickstart vom OSB11 im Vergleich zu den vorherigen Startvarianten.<br />

Diese Vorteile halten bis zur 7,5m-Marke an. Allerdings müssen die Phasen nach dem Verlassen<br />

des Startblocks optimiert werden, sowie weitere Studien durchgeführt werden, die die<br />

Unterwasserarbeit und den Übergang zur Gesamtlage mit einbeziehen, um von den Vorteilen<br />

des OSB11 profitieren zu können bzw. um den Einfluss des Kickstarts bis zur 15m-Marke<br />

belegen zu können.<br />

Die Befunde in der Literatur bezüglich des Trainings zur Verbesserung der Startleistung zeigen<br />

auf, dass es hier vielmehr auf motorische und koordinative Fähigkeiten ankommt als<br />

auf konditionelle. 1989 führte HOFFMANN eine Untersuchung zum Techniktraining des<br />

Absprungs vom Block durch. Die nächste Studie, die sich mit diesem Thema auseinander<br />

setzte, führte nach 22 Jahren GRAUMNITZ (2011) durch. Als Stichprobe dienten 14 Leistungsschwimmer<br />

aus dem Nachwuchsbereich. Aus den erlangten Ergebnissen wurde ein<br />

Übungskatalog zur Sensibilisierung von Teilbewegungen des Absprungs vom Startblock zusammengestellt.<br />

Dies ist die bisher einzige Übungssammlung, die zum Techniktraining für<br />

den Absprung vom Startblock veröffentlicht wurde. Allerdings wurde diese Studie auf einem<br />

Standardblock durchgeführt und auch die Übungen berücksichtigen nicht die Besonderheiten<br />

des neuen Startblockmodells OSB11.<br />

Das vorgestellte eigene methodische Vorgehen zur Verbesserung des Absprungs beim Schrittstart<br />

wird einmal jährlich als Lehrgang mit Nachwuchskaderathleten Hessens durchgeführt.<br />

In der Vergangenheit wurde das Training durch Fotos und Videoaufzeichnungen festgehalten<br />

und durch den „Trainerblick“ ausgewertet. Sinnvoll wäre eine Messung der Startzeit und der<br />

einzelnen Startparameter, um eine objektive Auswertung sicher zu stellen. Des Weiteren wäre<br />

es wichtig, den Lehrgang zu wiederholen, um eine positive Entwicklung der Startleistung zu


79<br />

überprüfen bzw. nachzuweisen. Problematisch ist, obwohl bei nationalen und internationalen<br />

Meisterschaften vom OSB11 gestartet wird, dass ein Großteil der Schwimmhallen (noch)<br />

nicht mit diesem Startblockmodell ausgestattet ist und die Schwimmer nicht die Möglichkeit<br />

haben, regelmäßig mit ihm zu trainieren.<br />

Zusammenfassung<br />

Da Rennen im Schwimmen, gerade auf kurzen Distanzen, oftmals im 100stel-Bereich entschieden<br />

werden, spielt ein schneller Start eine bedeutende Rolle. Gezieltes Startsprungtraining<br />

kann helfen, die entscheidenden 100stel einzusparen. Für die Aktion auf dem Block sind<br />

eine kurze Blockzeit und eine hohe Absprunggeschwindigkeit (horizontale Komponente) die<br />

leistungsbestimmenden Parameter, um eine schnelle Startzeit zu realisieren. Mehrere Untersuchungen<br />

zum Absprung vom Startblock zeigen, dass es für die Verbesserung der leistungsrelevanten<br />

Startparameter eher auf motorische und koordinative Fähigkeiten ankommt, als<br />

auf konditionelle.<br />

GRAUMNITZ (2011) hat ein spezifisches Techniktraining zur Verbesserung des Absprungs<br />

vom Startblock mit Nachwuchssportlern aus dem Hochleistungsbereich über ein Trainingsjahr<br />

durchgeführt. Ziel der Trainingsintervention war es, den Bewegungsablauf des Absprungvorgangs<br />

so zu optimieren, dass die Blockzeit verkürzt und Absprunggeschwindigkeit<br />

(horizontale Komponente) erhöht wird. Beide Ziele wurden erreicht – und zwar mit höheren<br />

Entwicklungsraten als mit herkömmlichen Training. Für dieses spezielle Techniktraining hat<br />

GRAUMNITZ (2011) eine Übungssammlung zusammengestellt – den „Übungskatalog zur<br />

Sensibilisierung von Teilbewegungen des Absprungs vom Startblock“.<br />

Um eine Verbesserung des Absprungs zu erreichen, sollte das Training über mehrere Wochen<br />

durchgeführt werden und im Verlauf eines Trainingsjahres wiederholt werden. Es sollte einen<br />

Anteil von 3% der Gesamttrainingszeit nicht unterschreiten.<br />

Außerdem ist es nach einer Erwärmung zu Beginn einer Trainingseinheit mit einer Dauer<br />

von ca. 20 Minuten zu absolvieren. Eine Rückmeldung bezüglich der Bewegungsausführung<br />

nach jedem Versuch durch den Trainer wirkt sich zusätzlich positiv aus. Auch die theoretische<br />

Schulung des Sportlers hat positive Auswirkungen auf die Verbesserung der Antriebsleistungen<br />

beim Absprung. Wichtig ist es, vielfältige Bewegungserfahrungen durch variables<br />

Üben und Differentielles Lernen zu sammeln und koordinative Fähigkeiten in jeder Ausbildungsetappe<br />

zu schulen.<br />

Das Techniktraining zur Verbesserung des Absprungs vom Startblock, welches in Nachwuchslehrgängen<br />

des Hessischen Schwimmverbandes durchgeführt wird, beruht auf positiven Erfahrungen<br />

in den letzten Jahren. Das Training beginnt mit vorbereitenden Übungen zum Einsatz<br />

des Schwung- und Sprungbeines sowie ergänzenden Übungen zur Körperspannung an<br />

Land. Darauf folgen verschiedene vorbereitende Übungen vom Beckenrand, bevor es dann<br />

auf den Startblock geht. Die Anforderungen, die GRAUMNITZ (2011) an das Training zur<br />

Verbesserung des Absprungs vom Startblock stellt, werden bei dem methodischen Vorgehen<br />

in den Lehrgängen berücksichtigt. Somit ist davon auszugehen, dass dieses Techniktraining<br />

einen positiven Einfluss auf die Startleistung der Sportler hat. Um die Wirksamkeit allerdings<br />

nachzuweisen, ist es nötig die Startzeit sowie die startrelevanten Parameter zu erheben und<br />

auszuwerten.


80<br />

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WIEDNER, H./ PFEIFFER, M.: Schnellkrafttraining bei jugendlichen Schwimmern. In: Leistungssport,<br />

36 (1) 2006<br />

AUTORIN<br />

Anne Kuhn<br />

LSV Hessen<br />

SC Wiesbaden<br />

Anne-kuhn@web.de


82


83


84


85


86


87<br />

Kommission Schwimmen<br />

Workshop<br />

Bewegungsraum Wasser – Reflexionen<br />

für die akademische Trainerausbildung<br />

23. September 2016<br />

Leipzig<br />

Referenten:<br />

Dr. Andreas Hahn<br />

Dr. Detlef Beise<br />

Dr. Bettina Ried<br />

Edgar Sauerbier<br />

Marcus Parschau<br />

Sprecher der dvs, Kommission Schwimmen<br />

Department Sportwissenschaft der MLU Halle-Wittenberg<br />

Fachgebiet Schwimmsport an der Sportwissenschaftlichen Fakultät<br />

der Universität Leipzig<br />

Escola Superior de Educacao Fisica de Jundiai, Brasilien<br />

Institut für Gesundheits-, Ernährungs- und Sportwissenschaften der<br />

Europa-Universität Flensburg<br />

Freiberufler, Austswim<br />

Seite 85


88<br />

86<br />

Übersicht der Teilnehmer workshop dvs, Kommission Schwimmen, 23.09.2016<br />

Leipzig<br />

Titel/Name, Vorname<br />

Einrichtung<br />

Dr. Beise, Detlef<br />

Dr. Bieder, Andreas<br />

Dr. Collette, Robert<br />

Eggers, Ralf<br />

Elbracht, Maike<br />

Fichtel, Bettina<br />

Freier, M. Pia<br />

Götz, Janina-Kristin<br />

Dr. Hahn, Andreas<br />

Dr. Hemmling, Gerlinde<br />

Dr. Hilgner, Miriam<br />

Dr. Hochstein, Stefan<br />

Hoffmann, Christine<br />

Parschau, Marcus<br />

Dr. Ried, Bettina<br />

Rogler, Christina<br />

Sauerbier, Edgar<br />

Dr. Schlapkohl, Nele<br />

PD Dr. Sperling, Wolfram<br />

Dr. Stanek, Sylvia<br />

Staub, Ilka<br />

Prof. Dr. Maren Witt<br />

Universität Leipzig<br />

DSHS Köln<br />

Johannes Gutenberg-Universität Mainz<br />

Universität Landau/Pfalz<br />

Westfälische Wilhelms-Universität Münster<br />

Universität Duisburg-Essen<br />

Ruhr-universität Bochum<br />

Ruhr-Universität Bochum<br />

MLU Halle-Wittenberg<br />

J.-W.-Goethe Universität Frankfurt/Main<br />

TU Darmstadt<br />

Universität Bayreuth<br />

TU München<br />

Freiberufler, Halle, Magdeburg<br />

Escola Superior de Educacao Fisica de Jundiai, Brasilien<br />

Universität Augsburg<br />

Europa-Universität Flensburg<br />

Europa-Universität Flensburg<br />

Universität Leipzig<br />

Universität Jena<br />

DSHS Köln<br />

Universität Leipzig<br />

Seite 86


89 87<br />

DETLEF BEISE<br />

Bewegungsraum Wasser –Reflexionen für die akademische Ausbildung<br />

(2)<br />

Der Bewegungsraum Wasser besitzt schwimmspezifische, sportartübergreifende und<br />

vielfältige anwendungsfähige Bildungspotentiale und eignet sich deshalb prädestiniert für<br />

die Vermittlung unter den Bedingungen von Studium und Lehre an<br />

sportwissenschaftlichen Einrichtungen.<br />

Abb. 1 Bewegungsraum Wasser<br />

Bewegung, Spiel und Sport im Wasser bilden ein unverzichtbares menschliches<br />

Erfahrungsfeld, verschaffen einzigartige Bewegungsgefühle und ermöglichen Generation<br />

unabhängig Aktivität im Leistungsstreben, im Beruf, in der Freizeit und<br />

Gesundheitsförderung bzw. Therapie. (Abb. 1 und 2)<br />

Die Faszination der Bewegung im Wasser zu erleben, zu erfahren und zu entfalten<br />

erfordert jedoch ein Mindestmaß an (Schwimmen) Können. Für die Vermittlung des<br />

Schwimmens werden ausreichend Wasserfläche und fachlich qualifizierte Lehrkräfte<br />

benötigt. In dieser Hinsicht wird von (Schwimm-) Lehrern, Trainern und Mitgliedern in<br />

Trägerschaft von Verbänden Beachtliches, aber nicht Ausreichendes geleistet. Das<br />

widerspiegelt sich in zahlreichen Quellen (DLRG-Emnid 2004, 2009, Forsa 2010, Kurz<br />

& Fritz 2006, Brettschneider 2007). Sie belegen die Tatsache, dass das „Schwimmen<br />

Seite 87


Seite 88<br />

90 88<br />

können“ in allen Bevölkerungsschichten, insbesondere auch bei der heranwachsenden<br />

Jugend , eine Besorgnis erregende rückläufige Tendenz offenbart. Die Ursachen hierfür<br />

sind sehr vielfältig und unterschiedlich (u.a. unzureichende Qualifikationen in der<br />

Grundschullehrer – bzw. Trainerausbildung, zu geringfügige gesellschaftliche Beachtung<br />

und Mindestanforderung an das Niveau des Schwimmen Könnens – „Seepferdchen“, …)<br />

Abb. 2 Niveaustufen und komplexe Handlungsfelder des Schwimmens<br />

Für die qualifizierte Vermittlung des Schwimmens in der Schule, im Verein<br />

…(Sportlehrer, Trainer, Sporttherapeut, Sportmanager, … als Multiplikatoren<br />

zielgerichteter Bewegung im Wasser) ist die Kompetenzentwicklung in Studium und<br />

akademischer Lehre an sportwissenschaftlichen Einrichtungen neben der Ausbildung in<br />

Verbänden von hervorragender Bedeutung. Die Lehrkräfte, vornehmlich des<br />

wissenschaftlichen Mittelbaus, tragen hierfür, sozusagen als „Multiplikatoren der<br />

Multiplikatoren zielgerichteter Bewegung im Wasser“, eine entscheidende<br />

Verantwortung. Wie eine Übersicht der Kommission Schwimmen der Deutschen<br />

Vereinigung für Sportwissenschaft (dvs) über die personelle Situation von Lehrkräften<br />

und Module der Lehre in „Theorie und Praxis des Schwimmens – Bewegungsfeld<br />

Wasser“ jedoch zeigt, kann diese Verantwortung bundesweit nur sehr eingeschränkt bzw.<br />

garnicht wahrgenommen werden. Die derzeitige Problemhaftigkeit, aber auch begründete<br />

Positionen zur Lösung und Perspektive werden in den Positionspapieren der dvs „Theorie<br />

und Praxis der Sportarten und Bewegungsfelder“ (Vgl. Anlage) und des Deutschen<br />

Sportlehrerverbands (DSLV) „Schwimmen im Schulsport“ transparent.


Seite 89<br />

91 89<br />

1 Ableitungen und Empfehlungen<br />

Beide o.g. Materialien sind das Ergebnis einer umfassenden Analyse der derzeitigen<br />

Situation und reflektieren die Interessen und Positionen zum „Schwimmen im<br />

Schulsport“ (DSLV e.V.) bzw. zum Studienbereich „Theorie und Praxis der Sportarten<br />

und Bewegungsfelder“ (dvs-kommissionen Fußball, Gerätturnen, Kampfkunst und<br />

Kampfsport, Leichtathletik, Schneesport, Schwimmen, Sportspiele).<br />

Für die universitäre Sportlehrerausbildung fordert der DSLV ein theoretisches und<br />

praktisches Pflichtprogramm im Schwimmen mit dem Abschluss einer<br />

Schwimmlehrbefähigung und dem Nachweis der Rettungsfähigkeit. Mit dem (unserem)<br />

Positionspapier der dvs können wir uns als „Schwimmer“ und Akteure der Lehre<br />

„Theorie und Praxis der Sportarten und Bewegungsfelder“ in allen Aussagen und<br />

Aspekten, insbesondere zur Einordung in das grundständige sportwissenschaftliche<br />

Studium, in studien- und prüfungsinhaltlicher sowie personaler Hinsicht, identifizieren.<br />

Hierin sehen wir auch unsere Legitimation und die Beitragsfähigkeit unserer Lehre im<br />

Kontext mit dem Gegenstandsfeld, Absolventen auszubilden, die in ihrer späteren<br />

beruflichen Tätigkeit wissenschaftlich fundiert, theoretisch und praktisch reflektiert und<br />

didaktisch-methodisch versiert handeln können. Die Spezifik und Bedeutung unserer<br />

Tätigkeit gründet sich darüber hinaus auf die Tatsache, dass wir mit unserer Lehre in<br />

Theorie und Praxis des Schwimmens und Bewegungsfeld „Wasser“ sehr wesentlich<br />

„multiplizierend“ auf das Niveau und die Breite des Schwimmen Könnens in unserer<br />

Gesellschaft beitragen.<br />

Beide o.g. „Papiere“ fordern geradezu heraus, stetig nach Möglichkeiten zu suchen, um<br />

die Qualität und Effektivität der Lehre, insbesondere in „Theorie und Praxis des<br />

Schwimmens und Bewegungsfeld Wasser“ zu erhöhen. In diesem Zusammenhang<br />

werden zeitlich absehbar durch die Arbeit an „Empfehlungen der Ständigen Konferenz<br />

der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland, der Deutschen<br />

Vereinigung für Sportwissenschaft und dem Bundesverband zur Förderung der<br />

Schwimmausbildung für den Schwimmunterricht in der Schule“ sowie „Konzeption zur<br />

Vermittlung und Grundausbildung im Schwimmen“ Chancen für Entwicklungen,<br />

Evaluationen und (Neu-) Bestimmungen bieten.<br />

2 Fachlich inhaltliche Aspekte zum grundständigen Lehrangebot<br />

Unabhängig vom gewählten sportwissenschaftlichen Studiengang sind Fragen zur<br />

Vermittlung des Schwimmens unbedingter integrierter Bestandteil der Lehre und<br />

umfassen inhaltlich Teile einer Grundausbildung im Schwimmen. (Abb. 3)<br />

Es gilt zu beachten, dass das Erlernen des Schwimmens von unterschiedlichen<br />

Verantwortungsträgern (DSV mit seinen Landesverbänden und Vereinen; DLRG und


92 90<br />

andere Rettungsgesellschaften – ASB, DRK in ihren strukturellen Einheiten; Kultusministerien<br />

in ihren Länderhoheiten und Schulen auf der Grundlage unterschiedlicher<br />

Lehrplanunterlagen; BDS, DTB, VDST in ihren Struktureinheiten sowie Privatanbieter<br />

u.a.), hieraus abgeleiteten mannigfaltigen Interessen, Ziele, Inhalte, Anforderungen und<br />

Bedingungen sowie sehr unterschiedlichen Organisationsformen (Training, Unterricht,<br />

Lehrgang, Kurs …) vermittelt wird.<br />

Auch unter dieser Sicht wird sehr vielfältig der Begriff des „Schwimmers“ diskutiert und<br />

interpretiert.<br />

Die Bedingungen der Schwimmabzeichen reflektieren den gesellschaftlichen Anspruch<br />

an das Könnens Niveau des Schwimmens. Demnach könne z.Z. jeder schwimmen, der<br />

die Bedingungen für den Erwerb des „Seepferdchens“ erfüllt. In unserem Kreise und aus<br />

heutiger Sicht können wir sicher dieser Auffassung nicht folgen!<br />

Abb. 3 Grundausbildung im Schwimmens<br />

Vorliegende Untersuchungsergebnisse weisen deutlich darauf hin, dass Kinder (und<br />

Erwachsene), die im Besitz des „Seepferdchens“ sind und keine angeleitete weitere<br />

schwimmerische Qualifikation erfahren haben, nicht in der Lage sind, unter 0,3 m/s<br />

Gegenstrombedingungen auch nur annähernd kontrollierte Bewegungen im Wasser<br />

auszuführen. (Beise 2015)<br />

Mit dem Nachweis des „Frühschwimmerzeugnisses“ wird allen Beteiligten (Kinder,<br />

Eltern, Angehörige, ...) eine unreale Einschätzung von sicherem Verhalten im tiefen<br />

Wasser vermittelt.<br />

Seite 90


Seite 91<br />

93 91<br />

Zu Recht machen auch Stemper/Kels (2016) darauf aufmerksam, dass die bisherigen<br />

Studien, Befragungen, Statistiken … jeweils unterschiedliche Bezüge und Maßstäbe zum<br />

Schwimmen können aufweisen und fordern deshalb eine „allseits anerkannte (Definition)<br />

und Operationalisierung von Schwimmfähigkeit oder Schwimmen können anhand<br />

konkreter Kriterien und Normen“.<br />

Abb. 4 Komplexer Zusammenhang und Prozess der Entwicklung des Könnens im<br />

Schwimmen<br />

Es kann davon ausgegangen werden, dass die Entwicklung des Könnens im Schwimmen<br />

ein komplexer Prozess ist (Vgl. Abb. 4), der sich als Teil sportlich-motorischer<br />

Handlungsfähigkeit im Grad der ziel-, inhalts- und bedingungsadäquaten Beherrschung<br />

der Bewegung im Wasser zur Erfüllung individueller Leistungsanforderungen äußert.<br />

(Beise, 2016)<br />

Jeweiliges Ergebnis dieses komplexen Prozesses (Vermitteln, Lernen, Üben, Trainieren,<br />

Wettkämpfen …) ist die auf (Vortriebs-) Leistung ausgerichtete Wirkung aller im<br />

Ensemble bestimmender Faktoren. (Abb. 4)<br />

Im fachlich engeren Sinne bezeichnet das Schwimmen-Können die Fähigkeit, sich unter<br />

Ausnutzung der hydrodynamischen Bedingungen mit Hilfe vortriebswirksamer Wechselbzw.<br />

Gleichzugbewegungen der Arme und Wechsel- bzw. Gleichschlagbewegungen der<br />

Beine sowie bei strömungsgünstigem Körperverhalten und zweckmäßiger Atmung<br />

andauernd, zielgerichtet und optimal koordiniert im (tiefen) Wasser in Rücken- bzw.<br />

Brustlage fortzubewegen. (Beise, 2016)


94 92<br />

Schwimmen lässt sich demzufolge in unterschiedlichen Niveaustufen der Könnens<br />

Entwicklung (Vgl. Abb. 1 und 2) beschreiben und definiert sich grundsätzlich über die<br />

Art und Weise, Dauer bzw. Streckenlänge der Fortbewegung im Wasser.<br />

Die Charakteristik der einzelnen Niveaustufen des Schwimmen-Könnens, Möglichkeiten<br />

der Erfassung, Kontrolle und Bewertung und methodische Aspekte der Vermittlung des<br />

Schwimmens werden ihren konkreten Ausdruck in den Empfehlungen der KMK für den<br />

Schwimmunterricht in der Schule sowie in der Konzeption zur Vermittlung und<br />

Grundausbildung des Schwimmens finden. Vorweg genommen werden kann, dass<br />

künftig mehr Aufmerksamkeit auf die (kindliche) motorischen Entwicklung des Könnens<br />

im Schwimmen, auf die Herausbildung des Wassergefühls als komplexe koordinative<br />

Fähigkeit im Wasser in allen Niveaustufen der Entwicklung des Schwimmen-Könnens<br />

sowie auf die systematische, zielgerichtete, vielseitige, vielfältige und vor allem<br />

freudbetonte Gestaltung der Vermittlung des Schwimmens gerichtet wird.<br />

Hieraus können und müssen weiterreichende Ableitungen, Empfehlungen und Positionen<br />

zu grundlegenden fachlichen, methodischen und sozialen Kompetenzen im Rahmen<br />

akademischer Qualifizierung potentieller Trainer, Sportlehrer, Sporttherapeuten,<br />

Sportmanager, … erfolgen. Die kompetente Vermittlung, Organisation und Entwicklung<br />

zielgerichteter Bewegungen im Wasser (z.B. Schwimmen als motorische Basiskompetenz<br />

und grundlegendes Ziel des Schwimmunterrichts) steht dabei im Vordergrund.<br />

Digitale Medien (Abb. 5) können für die Vermittlung und Aneignung des Schwimmens<br />

durchaus methodisch hilfreich sein, ersetzen nachvollziehbar jedoch nicht die angeleitete<br />

(oder selbstbestimmte) Bewegung im Wasser. Eher sollten die o.a. methodischen<br />

Kategorien (Abb. 6) im Kontext und als reversibler Vermittlungs- und<br />

Aneignungsprozess erlebbar und nachhaltig gestaltet werden.<br />

Abb. 5 Erlernen des Schwimmens am Handy?<br />

Seite 92


Seite 93<br />

95 93<br />

Abb. 6 Reversibler Vermittlungs- und Aneignungsprozess<br />

Sowohl für die Vermittlung als auch für die Lehre sind diese Prozesse effektiv, wenn sie<br />

Systematisch: fachlich begründet, in Einheit und Wechselwirkung Leistung<br />

bestimmender Faktoren<br />

Zielgerichtet: adäquat zur ausgerichteten Niveaustufe des Könnens<br />

Vielseitig: unter Berücksichtigung und Einbeziehung möglichst vieler<br />

Leistung bestimmender Faktoren<br />

Vielfältig: mit möglichst vielen, auch unterschiedlichen Übungen<br />

Freudbetont: spielerisch, Spaß und Freude an der Bewegung im Wasser<br />

herausfordernd<br />

geführt werden. Für alle Niveaustufen des Könnens im Schwimmen (Vgl. Abb. 2) sollten<br />

geeignete Verfahren zur Erfassung, Kontrolle und Bewertung des Ausprägungsgrades<br />

sowie Anwendungsformen und Korrekturmaßnahmen aufgezeigt und erprobt werden.<br />

Hierbei ist die kausale Beobachtungsfähigkeit von elementarer Bedeutung.<br />

Die „Grundfertigkeiten des Schwimmens“ bilden eine erste Stufe der Entwicklung von<br />

Handlungskompetenz im Wasser, sind aus koordinationstheoretischer und –praktischer<br />

Sicht anspruchsvoll und grundlegende Voraussetzung für die Aneignung der Technik<br />

einer Schwimmart und somit für die Entwicklung des sicheren Verhaltens und


96 94<br />

Schwimmens. Sie sollten vielfältig und freudbetont, spielerisch und komplex sowie<br />

vorzugsweise unter Tiefwasserbedingungen vermittelt werden.<br />

Aus methodischer Sicht wird weit verbreitet unterschätzt, dass die solide Beherrschung<br />

der Grundfertigkeiten des Schwimmens fundamental und komplex, lernpsychologisch,<br />

motorisch und zeitlich die Entwicklung zielgerichteter und vortriebswirksamer<br />

Bewegungen im Wasser wesentlich optimieren kann.<br />

Die Grundfertigkeiten des Schwimmens sollten deshalb mit hohem Anspruch<br />

charakterisiert, vermittelt und gelehrt werden:<br />

Atmen: Regelmäßiges und kurzzeitiges kräftiges Einatmen durch den Mund und<br />

andauerndes Ausatmen durch Mund und Nase ins Wasser;<br />

Verbindung des rhythmischen Atmens mit dem Fortbewegen<br />

Tauchen: Sicheres Untertauchen unter Wasser in Verbindung mit Abstoß-, Gleitoder<br />

Sprungübungen; Augen geöffnet und Orientierung unter Wasser<br />

Springen: Selbständiges und mutiges Springen fuß- und kopfwärts von einer<br />

erhöhten Absprungstelle in tiefes Wasser<br />

Gleiten: Selbständiges Gleiten in gestreckte(ste)r strömungsgünstiger und stabiler<br />

Körperposition in Brust- und Rückenlage nach kräftigem Abstoß vom<br />

Beckenrand<br />

Fortbewegen:<br />

Körperverhalten: Kontrollierte Einnahme und Änderung der Positionen<br />

des Körpers bzw. Koordination von Körperteilen (Kopf, Rumpf,<br />

Extremitäten) im Tiefwasser<br />

Kontrollierte Bewegungskoordination im (Tief-) Wasser durch Einsatz der<br />

Extremitäten und Kopfsteuerung<br />

Ausführung wechselseitiger Bein- und Armbewegungen in Brust- und<br />

Rückenlage in Verbindung mit dem rhythmischen Atmen<br />

Die Entwicklung des Wassergefühls als komplexe koordinative Fähigkeit im Wasser ist<br />

meines Erachtens nicht nur Ziel und Mittel bei der Entwicklung des Könnens im<br />

Schwimmen (von der Wassergewöhnung über die Beherrschung der Grundfertigkeiten<br />

bis zur Solidität des Schwimmens), sondern fester integrativer Bestandteil grundständiger<br />

und Fach vertiefender Lehre. Eigene empirische Untersuchungen (vgl. Abb. 7) haben u.a.<br />

gezeigt, dass<br />

– Sportstudierende ihr eigenes koordinatives Vermögen im Wasser überschätzen<br />

– Sportstudierende eine vermeintlich einfache koordinative Komplexübung nur<br />

mit Mühe und bei 0,3 m/s bzw. 0,7 m/s Gegenstrom nicht realisieren können<br />

– es keinen korrelativen Zusammenhang zwischen ausgeprägten koordinativen<br />

Fähigkeiten an Land und im Wasser gibt.<br />

Seite 94


97 95<br />

Abb. 7<br />

Koordinative Komplexübung<br />

Mit Hilfe einer selbst konzipierten Komplexübung zur Erfassung, Entwicklung und<br />

Bewertung des Ausprägungsgrades koordinativer Fähigkeiten im Wasser wurden<br />

folgende Zielgruppen untersucht:<br />

Behinderte (Apoplex, 8TN)<br />

Kinder (2. Klasse, Schwimmunterricht)<br />

Kinder (7/8 Jahre Schwimmtraining)<br />

Sportstudierende (29 TN)<br />

ITK-Teilnehmer (ca. 30 TN)<br />

Schwimmer (Grundlagentraining)<br />

Erwachsene (Fußballerinnen)<br />

Erwachsene (Sportlerinnen)<br />

Erwachsene (Nichtsportler)<br />

Jeweils unter abgestuften Gegenstrombedingungen !<br />

Darüber hinaus wurden diesbezüglich Expertenbefragungen, Studierendenbefragungen,<br />

Empirische Ermittlungen der Qualität (+ Quantität) in der Ausführung, Berechnungen zur<br />

Validität/Reliabilität/Objektivität vorgenommen.<br />

Die praktische Erprobung vielfältiger, vor allem koordinativ ausgerichteter Übungen im<br />

Wasser, trägt sehr wesentlich zur eigenen Vervollkommnung des Wassergefühls und des<br />

Schwimmen-Könnens, aber auch zu einer ausgeprägten Vermittlungskompetenz bei …


Seite 96<br />

98 96<br />

Die Herausbildung eines medialen Bewegungsgefühls (Wassergefühl) sollte Gegenstand,<br />

Ziel und Inhalt des Wahrnehmungsorientierten Übens (d.h., den Körper und die<br />

Bewegungen im Wasser fühlen lernen), des Fähigkeitsorientierten Übens (Ausprägung<br />

und Vervollkommnung der kinästhetischen Differenzierungsfähigkeit, d.h. ein Gefühl für<br />

die Bewegung im Wasser entwickeln) sowie des Fertigkeits- und Kompetenzorientierten<br />

Übens (Ausprägung und Vervollkommnung allgemeiner und spezieller<br />

Bewegungsgefühle, d.h. ein Gefühl für bestimmte Bewegungsparameter im Wasser) sein.<br />

(Vgl. Abb. 8 und 9)<br />

Abb. 8 Entwicklung koordinativer Fähigkeiten (Quelle: Rudolph, 2008)<br />

Abb. 9 Bewegungsgefühl


Seite 97<br />

99 97<br />

Unabhängig vom gewählten Studiengang sollten folgende Empfehlungen und Hinweise<br />

Beachtung finden:<br />

– Wissenschaftliche Untersuchungen unter Einbeziehung der Studierenden und<br />

Nachweise (empirische Befunde) zur Evaluation der Lehre im Studienbereich<br />

„Theorie und Praxis des Schwimmens und Bewegungsfeld Wasser“ …?!<br />

– Erhöhte Anforderungen an die Entwicklung des Könnens im Schwimmen der<br />

jüngeren Generation erfordert adäquate Maßstäbe an die Qualität von Studium<br />

und Lehre …<br />

– Das Ausgangsniveau der Studierenden ist auf Grund sehr unterschiedlicher<br />

„Schwimmbiografien“ sehr heterogen!<br />

– Leistungs- und Demonstrationsnachweise sind unerlässliche stimulierende und<br />

motivierende Voraussetzungen für die Realisierung einer anspruchsvollen<br />

Lehre …<br />

– Fähigkeit zur objektiven und kausalen Erkennung, Erfahrung und<br />

Einordnung/Bewertung der eigenen schwimmerischen Bewegungshandlungen<br />

und Leistungen …<br />

– Eigenes aktives sportpraktisches Mitvollziehen fachlich systematischer<br />

Übungsreihen trägt wesentlich und nachhaltig zu einem vertieften Verständnis<br />

des motorischen Lernprozesses und der methodischen Umsetzung bei …<br />

In Einheit von Theorie und Praxis hinterlässt die Lehre (auch bei Studierenden, die am<br />

Beginn ein „gestörtes Verhältnis“ zum Aufenthalt und zur Bewegung im Wasser hatten“<br />

!!!), nachhaltige Eindrücke und tiefe Überzeugungen für die künftige Tätigkeit als<br />

methodisch qualifizierter „Multiplikatoren“ des Schwimmens.<br />

„Schwimmen lernen und vermitteln“ soll nicht neu erfunden werden, sondern es geht um<br />

die Fortführung bewährter und fachlich begründeter Traditionen und Erkenntnisse sowie<br />

darum, zeitgemäße Entwicklungschancen zu erschließen.<br />

Das Bewegungsfeld Wasser – Schwimm(en können)sport – bietet vielfältige Bildungspotenzen,<br />

diese zu ergründen und weiterzugeben, ist ein lohnenswertes Anliegen von<br />

Studium und Lehre in Theorie und Praxis.<br />

Literatur:<br />

beim Verfasser zu erfragen<br />

Autor:<br />

Dr. Detlef Beise<br />

Fachgebiet Schwimmsport an der Sportwissenschaftlichen Fakultät der Universität<br />

Leipzig


Seite 98<br />

100 98<br />

Anlage<br />

„Theorie und Praxis<br />

der Sportarten und Bewegungsfelder“<br />

Positionspapier der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft<br />

Fassung vom 15. Dezember 2016<br />

vorgelegt von den dvs-Kommissionen mit unmittelbarem<br />

Bezug zu dem Studienbereich Theorie und Praxis der Sportarten und<br />

Bewegungsfelder:<br />

Fußball, Gerätturnen, Kampfkunst u.<br />

Kampfsport, Leichtathletik, Schneesport,<br />

Schwimmen, Sportspiele<br />

Ein grundständiges sportwissenschaftliches Studium thematisiert das Gegenstandsfeld<br />

„Bewegung, Spiel und Sport“ so, dass die Absolventen in ihrer späteren beruflichen<br />

Tätigkeit wissenschaftlich fundiert, theoretisch und praktisch reflektiert und didaktischmethodisch<br />

versiert handeln können. Dazu leistet das Lehrangebot in der „Theorie und<br />

Praxis der Sportarten und Bewegungsfelder“ einen zentralen Beitrag, denn die qualitativ<br />

hochwertige Lehre in diesem Ausbildungsbereich ist mitentscheidend für hochqualifizierte<br />

Absolvent/-innen.<br />

Dazu knapp zusammengefasst einige Aspekte:<br />

<br />

<br />

Das Lehrangebot in der „Theorie und Praxis der Sportarten und Bewegungsfelder“<br />

ist in besonderer Weise dazu geeignet, die in den Lehrveranstaltungen<br />

der sportwissenschaftlichen Teilgebiete vermittelten Kenntnisse zu anwendungsbezogenen<br />

Kompetenzen zu erweitern. Der Übergang vom praktischen Akteur<br />

zum auf wissenschaftlicher Grundlage reflektierenden Arrangeur wird hier<br />

deutlich mit angebahnt.<br />

Durch eine wissenschaftlich fundierte Auseinandersetzung mit einer Vielzahl<br />

von Bewegungsformen wird das oft traditionell geprägte eigene<br />

Bewegungskönnen und Bewegungswissen aufgebrochen und erweitert. Durch<br />

diese reflektierte Auseinander-setzung mit Bewegungsaufgaben und (eigenen)<br />

Lernproblemen werden Erfahrungen gemacht, die für das Verständnis von<br />

Sportwissenschaft und Sport im Kontext zukünftiger beruflicher Tätigkeiten<br />

unabdingbar sind. Dies gilt insbesondere für die berufliche Tätigkeit zukünftiger<br />

Sportlehrer/innen in allen Schul- und Hochschulformen; im weiteren Sinne auch<br />

für die Trainings-, Therapie-, Verwaltungs- und Organisationsprozesse, welche<br />

in anderen beruf-lichen Tätigkeiten zur Geltung kommen.


10199<br />

<br />

Die Diagnose und Entwicklungsförderung von Bewegungshandlungen und die<br />

zweckmäßige Gestaltung von Bewegungslernsituationen und deren sportwissenschaftlicher<br />

und damit auch fachdidaktischer Begründung werden kennengelernt,<br />

erprobt und an- gewendet.<br />

In der sportpraktischen Begegnung mit Kommiliton/innen können Erfahrungen<br />

gemacht und sportwissenschaftlich fundiert reflektiert werden, um Zugänge zu<br />

didaktisch-methodischen Verfahren und zum Umgang mit Trainingsprozessen<br />

zu gewinnen. Berufsadäquates Handeln im Gegenstandsfeld Bewegung, Spiel<br />

und Sport wird in theoretischen und praktischen Lernsituationen erlebt. Es<br />

werden Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten im fachwissenschaftlichen und<br />

motorischen sowie fachdidaktischen Bereich entwickelt, die notwendig sind, um<br />

kompetent in sport- und bewegungs-bezogenen Berufsfeldern nachhaltig,<br />

adressaten- und sachgerecht agieren zu können.<br />

Diese Aspekte machen deutlich, dass das Lehrangebot in der „Theorie und Praxis der<br />

Sport- arten und Bewegungsfelder“ nicht in erster Linie der Aneignung weiterer Bewegungsfertigkeiten<br />

verpflichtet ist, sondern die praktische ebenso wie die wissenschaftlich<br />

fundierte theoretische Auseinandersetzung mit dem Erwerb und dem<br />

Vollzug unterschiedlichster Bewegungs- formen unter unterschiedlichsten<br />

Bedingungen und Zielen im Vordergrund stehen. Das Arrangieren und Reflektieren ist<br />

originärer Bestandteil dieser Lehre. Somit erfordern Prüfungsanforderungen in diesem<br />

Bereich weit mehr als die schlichte Demonstration sportlicher Bewegungstechniken<br />

oder Sportspielformen.<br />

Vor dem Hintergrund dieses Verständnisses sollte das Lehrangebot in der „Theorie und<br />

Praxis der Sportarten und Bewegungsfelder“ in universitären Studienkonzepten sowohl<br />

hinsichtlich Qualität als auch Quantität zieladäquat verankert sein. Die Anteile im<br />

Volumen eines grundständigen Studiengangs der Sportwissenschaft sind angemessen<br />

zu veranschlagen. In lehramtsbezogenen Studiengängen sollten nach Möglichkeit<br />

Veranstaltungen mit Theorie/ Praxis-Charakter 40 Prozent am gesamten Unterrichtsumfang<br />

nicht unterschreiten. In außer- schulischen Studienprofilen sollte der Umfang<br />

derartiger Veranstaltungen auch in einem adäquaten Verhältnis zu den intendierten<br />

Studienzielen stehen. Veranstaltungen mit Theorie/Praxis-Charakter sollten so in den<br />

Studienverlauf integriert werden, dass die wechselseitige Verzahnung zwischen<br />

sportwissenschaftlicher Theorie und Praxis auch tatsächlich möglich wird. Dies hat zur<br />

Konsequenz, dass Veranstaltungen zur „Theorie und Praxis der Sport- arten und<br />

Bewegungsfelder“ über die gesamte Studienzeit und nicht nur, wie vielfach realisiert,<br />

zu Beginn des Bachelorstudiums verankert werden sollten.<br />

Darüber hinaus sind die folgenden Überlegungen für die (Aus-)Bildung hochqualifizierter<br />

Absolvent/innen wesentlich:


102 100<br />

In studieninhaltlicher Hinsicht<br />

Sportarten und Bewegungsfelder sind stets mit sportwissenschaftlicher Theorie<br />

verknüpft und der Blickwinkel auf die Sport- und Bewegungskultur wird erweitert.<br />

Der Erwerb und die Eigenrealisation sportlicher Fähigkeiten und Fertigkeiten<br />

werden unter dieser Perspektive zum Instrument der Erkenntnisgewinnung im<br />

Ausbildungs-prozess.<br />

Zwingend sind verschiedenste Formen sportlicher Tätigkeiten zu integrieren:<br />

Wissen, Wollen, Können und Leisten sollten ebenso integraler Bestandteil dieses<br />

Studiengebietes sein wie Kreativität, Gestaltung, Spielen und Kämpfen. Ferner sind<br />

eigene Erfahrungen im Bereich der Natursportarten wichtiger Bestandteil.<br />

Um den Anforderungen im späteren Berufsfeld entsprechen zu können, ist der<br />

exemplarischen Vermittlung von Lehr-/Lernwegen großer Raum zu geben. Damit<br />

verbunden ist die Aufgabe, sportliche Bewegungen in neue und andere Bezüge zu<br />

stellen, um neuartigen Anforderungen gewachsen zu sein.<br />

In prüfungsinhaltlicher Hinsicht:<br />

Im Sinne eines kompetenzorientierten Prüfens haben sich die Prüfungen an den<br />

späteren beruflichen Tätigkeiten zu orientieren, so dass neben eigenmotorischen<br />

auch das künftige Berufsfeld betreffende wissenschaftliche und didaktischmethodische<br />

Fragestellungen thematisiert werden.<br />

Da Prüfungen eine starke Lenkungswirkung für das Studierverhalten besitzen,<br />

sollten diese so gestaltet werden, dass Kompetenzen, die auf das Wissen um die<br />

Bedingungen zum Erwerb sportmotorischen Könnens abzielen, ebenso Beachtung<br />

finden wie Sachkompetenz, Methodenkompetenz, Sozialkompetenz und<br />

Selbstkompetenz.<br />

Um eine sportwissenschaftlich fundierte Auseinandersetzung mit Sportarten und<br />

Bewegungsfeldern zu sichern, ist trotz der Erweiterung der Prüfungsinhalte auf ein<br />

hinreichend hohes motorisches und wissenschaftliches Anforderungsniveau zu<br />

achten. Zumindest die motorischen Voraussetzungen können durch geeignete Eignungsprüfungen<br />

sichergestellt werden.<br />

In personaler Hinsicht<br />

Im Sinne einer kompetenzorientierten Lehre ist sicherzustellen, dass neben der<br />

sportart- spezifischen Kompetenz die notwendige Breite und Tiefe des theoretischen<br />

Wissens vorhanden ist. Zudem muss eine Anbindung an das Kollegium gegeben<br />

sein, um sowohl die „Philosophie der Einrichtung“ als auch die Betreuung der<br />

Studierenden in Prüfungsangelegenheiten gewährleisten zu können. Daher sollte das<br />

Lehrangebot primär durch fest angestellte Mitarbeiter erfolgen. Nur in begrenztem Maße<br />

sollte es durch Lehrbeauftragte ergänzt werden.


103 101<br />

Die sachbezogene Vernetzung der Mitarbeiter/-innen der Institute ist in Zeiten<br />

immer stärker werdender Spezialisierung in der Sportwissenschaft ein „Muss“.<br />

Dabei gilt es, die besondere Expertise der Kolleg/-innen, welche in der „Theorie<br />

und Praxis der Sportarten und Bewegungsfelder“ zum Einsatz kommen, ebenso zu<br />

nutzen und zu achten, wie dies für die Mitarbeiter/-innen mit ihrer Fachkompetenz<br />

in den sportwissenschaftlichen Teilgebieten gilt.<br />

Förderlich für eine intensive Verzahnung zwischen Theorie und sportwissenschaftlich<br />

fundierter Praxis sind Organisationsmodelle, die möglichst vielen Kolleginnen<br />

und Kollegen Lehrveranstaltungen in beiden Bereichen ermöglichen.<br />

Dies kann in sportwissenschaftlichen Einrichtungen durch unterschiedliche Organisationsmodelle<br />

erfolgreich umgesetzt werden. Arbeitsbereiche im Bereich der Theorie<br />

und Praxis des Sports leisten dies ebenso wie lehrstuhlbezogene Organisationsformen.


104 102<br />

MARCUS PARSCHAU<br />

„AUSTSWIM – Ausbildungsschwerpunkte der Schwimmlehrbefähigung von angehenden<br />

Sportlehrern in Australien“<br />

Australien hat sich als eine der erfolgreichsten Schwimm- und Rettungsschwimm-nationen<br />

Rettungsschwimmnationen<br />

weltweit etabliert. Da in vielen Teilen des Landes die Menschen den Gefahren des Ertrinkens<br />

ausgesetzt sind, ist es wichtig, dass die Schulschwimm- und Wassersicherheitsausbildung eine<br />

hervorgehobene Funktion im Schulsport erhält. Für viele angehende Grundschulsportlehrer ist<br />

der Grundlagenkurs ‚AUSTSWIM – Teacher for swimming and water safety’ eine<br />

Pflichtveranstaltung des Lehramtsstudiums und eine spätere Einstellungsvoraussetzung.<br />

Der australische Schwimmlehrerausbilder ‚AUSTSWIM’ hat vor fast 40 Jahren ein<br />

Ausbildungskonzept entwickelt, das sowohl auf das Schwimmen lernen, aber auch auf eine breite<br />

und praxisorientierte Wassersicherheitsausbildung abzielt. Dieses Konzept wurde fortlaufend<br />

optimiert und angepasst. Aufgrund von jahrzehntelanger Erfahrungen und den eigenen hohen<br />

Qualitätsansprüchen in der Ausbildung und Qualifizierung von angehenden Schwimmlehrern<br />

wurde AUSTSWIM weltweit als erstes mit der ISO/ IEC 17024 akkreditiert.<br />

Viele Schwimmlehrer und Grundschulsportlehrer in Australien sind AUSTSWIM qualifiziert.<br />

Bis heute wurden mehr als 215.000 AUSTSWIM Lehrer für Schwimmen und Wassersicherheit<br />

ausgebildet, darunter auch viele aus Neuseeland, Dubai, Südafrika, Indonesien, Hong Kong,<br />

Singapur und anderen Ländern. Die Non-Profit-Organisation AUSTSWIM ist international<br />

anerkannt und genießt weltweit einen sehr guten Ruf. Dies ermöglicht den ausgebildeten<br />

Schwimmlehrer auch in anderen Ländern zu unterrichten und Erfahrungen zu sammeln.<br />

Angehende australische Sportlehrer für Grundschulen müssen im Rahmen ihres Studiums neben<br />

den Qualifikationen in den Bereichen wie z. B. Biomechanik, Schwimmtechniken und<br />

Pädagogik, eine AUSTSWIM Ausbildung vorweisen. Diese kann als eigenständiges Seminar an<br />

der Universität oder an einem der australienweit angebotenen Wochenend-kurse absolviert<br />

werden.<br />

Voraussetzung für die Teilnahme an einem AUSTSWIM Kurs für angehende Sportlehrer ist<br />

unter anderem ein aktueller „Erste Hilfe“ Nachweis, ein Rettungsschwimmerschein und etwas<br />

Grundlagenfitness.<br />

Der AUSTSWIM-Kurs „Lehrer für Schwimmen und Wassersicherheit“ umfasst folgende Inhalte:<br />

- Planung, Durchführung und Nachbereitung einer Schwimmstunde<br />

- Wie Menschen lernen?<br />

- Effektives Unterrichten<br />

- Prinzipien für die Bewegung im Wasser<br />

- Wassersicherheit, Überlebens- und Rettungstechniken<br />

Seite 102


105 103<br />

- Wassergewöhnung, Auftrieb und Bewegung<br />

- Entwicklung einer effizienten Schwimmtechnik<br />

Bei AUSTSWIM Schwimmausbildungen kommt es vielmehr darauf an, dass die Schüler<br />

verschiedene Schwimmtechniken auf hohem Niveau über 50m bis 200m nachweislich<br />

schwimmen können, als das sie weite Entfernungen in bestimmten Zeitvorgaben zurücklegen<br />

müssen. Außerdem spielt die Wassersicherheitsausbildung bzw. die Vorbereitung der Schüler auf<br />

bestimmte Gefahrensituationen im Schul- und im Nachmittagsschwimmen eine ebenso wichtige<br />

Rolle wie das Schwimmen lernen an sich. Es wird zudem viel Wert auf eine breite Ausbildung<br />

gelegt. Das Brustschwimmen, so wie es vorrangig in Deutschland als erste Fortbewegungsart<br />

vermittelt wird, wird in Australien erst nach dem Erlernen von Kraul, Rücken und der hier zu<br />

Lande eher unbekannten Sicherheitsschwimmart ‚Survival Backstroke’ gelehrt. Des Weiteren<br />

vermittelt man neben der Schwimmausbildung auch Wissen im Bereich Selbstrettung,<br />

Rettungstechniken, Sachenschwimmen, Bootssicherheit und den Umgang mit Rettungs-westen<br />

im Wasser.<br />

Zum Ausbildungsangebot von AUSTSWIM gehören jedoch nicht nur die<br />

Schwimmlehrergrundlagenausbildung sondern auch verschiedene Aufbaukurse wie z.B. der<br />

Schwimmlehrerkurs für Babys und Kinder im Vorschulalter, Anschluss und Inklusion sowie die<br />

Vorbereitung auf das Wettkampfschwimmen.<br />

Der erfolgreiche Abschluss der Ausbildung setzt neben der Teilnahme an ca. 16 bis 18<br />

Ausbildungsstunden (Praxis und Theorie), das Bestehen eines Onlinetests sowie Praxiserfahrung<br />

von ca. 20 Stunden in einer Schwimmschule (für Schwimmlehrer) bzw. in einem zweiwöchigen<br />

Schulschwimmprogramm (Lehramtsstudierende) voraus. Beides soll der Anwendung des<br />

theoretischen und praktischen Wissens aus den Seminaren im realen Unterricht dienen. Dies kann<br />

anfangs in Form von Hospitationen und später bis hin zur selbständigen Planung und<br />

Unterrichtsdurchführung des Schwimmunterrichts verschiedener Leistungsgruppen erfolgen. Die<br />

Bandbreite reicht hier von absoluten Schwimmanfängern bis zu Schülern, die sich mit ihren<br />

Kenntnissen und Fähigkeiten auf Vereins- und Wettkampfniveau bewegen.<br />

Hat man die Ausbildung zum AUSTSWIM Lehrer für Schwimmen und Wassersicherheit<br />

erfolgreich bestanden, bekommt jeder Teilnehmer einen Akkreditierungsnachweis, der alle drei<br />

Jahre erneuert werden muss. Dafür müssen ein Mitgliedsbeitrag gezahlt worden sein, ein Passfoto<br />

für den AUSTSWIM Ausweis abgegeben, eine bestimmte Anzahl an Unterrichtsstunden sowie<br />

Weiterbildungen nachgewiesen werden. Diese müssen nicht im Rahmen von AUSTSWIM,<br />

sondern können auch durch die Teilnahme an Workshops, Konferenzen und/oder Seminaren bei<br />

anderen Anbietern erworben worden sein. Allerdings muss dabei ein eindeutiger Zusammenhang<br />

zu den relevanten Themen wie dem Unterrichten von Kindern, Schwimmen lernen oder<br />

Wassersicherheit erkennbar sein.<br />

Seite 103


106 104<br />

Im Gegensatz zur deutschen Schwimmausbildung der vergangenen Jahrzehnte legt man in<br />

Australien viel Wert auf eine intensive Wassergewöhnung. Diese findet in einem flachen Becken<br />

oder auf einem Podest statt auf der sich die Schwimmschüler selbständig ohne Auftriebshilfe frei<br />

bewegen können, sich ausprobieren und ihr eigenes Verhalten unter Kontrolle haben. Jegliche<br />

Art von Fortbewegung im Wasser erfolgt erst dann, wenn Kinder am eigenen Körper erfahren<br />

haben, wie es sich ohne Angst vorm Untergehen anfühlt, auf der Wasseroberfläche zu schweben.<br />

Die Grundlagenschwimmausbildung findet größten Teils in Bereichen des Schwimmbeckens mit<br />

einer maximalen Tiefe von einem Meter statt, denn nur unter dieser Bedingung können<br />

Schwimmlehrer im Wasser ausreichend Hilfestellung und Unterstützung garantieren. Die<br />

Vermittlung der Grundkenntnisse findet in möglichst kleinen Gruppen mit vier bis maximal acht<br />

Teilnehmern statt. Erst wenn bestimmte Fähigkeiten bei den Schwimmschülern gefestigt sind<br />

bzw. eine ausreichenden Körpergröße vorhanden ist (erfahrungsgemäß ab Klasse drei),<br />

unterrichtet der Schwimmlehrer außerhalb des Pools und kann eine Gruppe von acht bis zwölf<br />

Kindern betreuen.<br />

Weitere Informationen zum Thema finden Sie auf http://www.austswim.com.au und<br />

http://wassersicherheit-für-kinder.de oder bei Fragen schicken Sie mir doch bitte eine email an<br />

marcus@wassersicherheit-fuer-kinder.de.<br />

Autor:<br />

Marcus Parschau<br />

Sportwissenschaftler und AUSTSWIM Presenter<br />

Email: marcus@wassersicherheit-fuer-kinder.de<br />

Seite 104


107<br />

105<br />

105<br />

RIED, BETTINA, GRACIELE MASSOLI RODRIGUES<br />

RIED, BETTINA, GRACIELE MASSOLI RODRIGUES<br />

Motorische RIED, BETTINA, GRACIELE und MASSOLI perzeptive RODRIGUES Vorerfahrungen und ihr Einflus<br />

Lernprozess des Brustbeinschlages bei verbaler und visueller In<br />

Motorische und perzeptive Vorerfahrungen und ihr Einfluss auf den<br />

Lernprozess Motorische und des perzeptive Brustbeinschlages Vorerfahrungen bei verbaler und und ihr visueller Einfluss Instruktion<br />

auf den<br />

Lernprozess des Brustbeinschlages bei verbaler und visueller Instruktion<br />

Einleitung<br />

Einleitung<br />

Ein Lernprozess findet nicht “im luftleeren Raum” statt. Jeder Lernprozess, auch der einer<br />

Ein Lernprozess findet nicht “im luftleeren Raum” statt. Jeder Lernprozess, auch der einer<br />

motorischen Fertigkeit, baut auf Vorerfahrungen auf (ROSALIE; MÜLLER, 2012; HODGES;<br />

motorischen Fertigkeit, baut auf Vorerfahrungen auf (ROSALIE; MÜLLER, 2012; HODGES;<br />

FRANKS, 2004; TANI ET AL., 2011). Diese können vielgestaltig sein, und das Erlernen einer<br />

FRANKS, 2004; TANI ET AL., 2011). Diese können vielgestaltig sein, und das Erlernen einer<br />

schwimmerischen Fertigkeit kann durch die verschiedensten Vorerfahrungen positiv, das heißt<br />

FRANKS, schwimmerischen 2004; Fertigkeit TANI kann ET AL., durch 2011). die verschiedensten Diese können Vorerfahrungen vielgestaltig positiv, das sein, heißt und<br />

erleichternd,<br />

erleichternd, oder<br />

oder<br />

aber<br />

aber<br />

auch<br />

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negativ,<br />

den<br />

den<br />

Lernprozess<br />

Lernprozess<br />

erschwerend,<br />

erschwerend,<br />

beeinflusst<br />

beeinflusst<br />

werden.<br />

werden.<br />

Hierbei<br />

Hierbei<br />

ist nicht nicht nur nur wichtig, wichtig, dass dass der der Lehrende Lehrende sich sich über über diese diese Faktoren Faktoren und und deren deren Einfluss Einfluss auf den auf den<br />

Lernprozess bewusst ist, ist, sondern sondern auch, auch, dass dass möglicherweise möglicherweise andere andere wichtige wichtige Einflussfaktoren Einflussfaktoren<br />

daran ausgerichtet werden sollten, sollten, um um den den Lernprozess Lernprozess optimal optimal zu gestalten. zu gestalten. Unter Unter diesen diesen<br />

Einflussfaktoren, die die der der Kontrolle des des Lehrenden unterliegen, ist an ist erster an erster Stelle Stelle die Art die und Art und<br />

Häufigkeit der Instruktion zu zu nennen: so so kann kann die die Instruktion verbal verbal oder oder visuell visuell erfolgen, erfolgen, und und<br />

gewisse Informationen enthalten oder oder entbehren, wie wie z.B. z.B. Informationen über über die rhythmische die rhythmische<br />

Struktur der Fertigkeit. Diese gehört zu zu den den grundlegenden Merkmalen einer einer Fertigkeit, Fertigkeit, die sich die sich<br />

der Lernende als erstes aneignet (MEINEL; SCHNABEL, 2007; 2007; SCHMIDT; SCHMIDT; WRISBERG, WRISBERG, 2001; 2001; MAGILL, MAGILL,<br />

2011)<br />

Die Literatur verweist hierbei hierbei darauf, darauf, dass dass ein ein positiver positiver Transfer Transfer von von Erfahrungen Erfahrungen über über zwei zwei<br />

Wege das das Lernen Lernen erleichtern erleichtern kann: kann: einerseits einerseits können können Ähnlichkeiten Ähnlichkeiten zwischen zwischen den den<br />

Bewegungsmustern<br />

Bewegungsmustern bereits<br />

bereits<br />

beherrschter<br />

beherrschter<br />

Fertigkeiten<br />

Fertigkeiten<br />

und<br />

und<br />

der<br />

der<br />

zu erlernenden<br />

zu erlernenden<br />

Fertigkeit<br />

Fertigkeit<br />

dieses<br />

dieses<br />

Lernen positiv beeinflussen. Dies ist z.B. bei der Delfin-Armbewegung der Fall, wenn der<br />

Lernen positiv beeinflussen. Dies ist z.B. bei der Delfin-Armbewegung der Fall, wenn der<br />

2011) Lernende bereits den Kraul-Armzug beherrscht. Das Gleiche trifft auf den Transfer zwischen<br />

Lernende bereits den Kraul-Armzug beherrscht. Das Gleiche trifft auf den Transfer zwischen<br />

Kraul- und Rückenbewegungen oder zwischen dem Brustbeinschlag und dem Wassertreten im<br />

Kraul- und Rückenbewegungen oder zwischen dem Brustbeinschlag und dem Wassertreten im<br />

Wasserball und Synchronschwimmen zu. Andererseits können auch perzeptiv-motorische<br />

Wasserball und Synchronschwimmen zu. Andererseits können auch perzeptiv-motorische<br />

Analogien das Lernen fördern (ROSALIE; MÜLLER, 2012). In diesem Sinne erleichtern z.B.<br />

Analogien<br />

Erfahrungen<br />

das<br />

mit<br />

Lernen<br />

Ursache-Wirkung-Zusammenhängen<br />

fördern (ROSALIE; MÜLLER,<br />

in Aufbau<br />

2012).<br />

und<br />

In diesem<br />

Nutzung<br />

Sinne<br />

von Widerlagern<br />

erleichtern z.B.<br />

Erfahrungen im Wasser, die mit im Ursache-Wirkung-Zusammenhängen freien Spiel im Wasser gemacht wurden, in Aufbau das Erlernen und Nutzung von Paddel- von Widerlagern und<br />

im anderen Wasser, grundliegenden die im freien Fertigkeiten Spiel im Wasser im Wasser gemacht (MANOEL, wurden, 1995). das Schließlich Erlernen von erleichtern Paddel- und<br />

anderen Erfahrungen grundliegenden mit rhythmischen Fertigkeiten Bewegungen im Wasser die Wahrnehmung (MANOEL, 1995). und Schließlich Wiedergabe erleichtern von<br />

Erfahrungen rhythmischen Strukturen mit rhythmischen (RIEDER ET Bewegungen AL., 1991; HONING, die Wahrnehmung 2012). Obwohl und die Literatur Wiedergabe klare von<br />

rhythmischen Hinweise auf diese Strukturen Verbindungen (RIEDER zwischen ET AL., Vorerfahrungen 1991; HONING, und 2012). Lernprozess Obwohl gibt, die sind Literatur bisher klare<br />

Hinweise wenig Details auf über diese diese Verbindungen Zusammenhänge zwischen bei Schwimmfertigkeiten Vorerfahrungen und bekannt. Lernprozess gibt, sind bisher<br />

wenig Details über diese Zusammenhänge bei Schwimmfertigkeiten bekannt.<br />

Ein Lernprozess findet nicht “im luftleeren Raum” statt. Jeder Lernproze<br />

motorischen Fertigkeit, baut auf Vorerfahrungen auf (ROSALIE; MÜLLER<br />

schwimmerischen Fertigkeit kann durch die verschiedensten Vorerfahrungen<br />

erleichternd, oder aber auch negativ, den Lernprozess erschwerend, beeinflus<br />

ist nicht nur wichtig, dass der Lehrende sich über diese Faktoren und dere<br />

Lernprozess bewusst ist, sondern auch, dass möglicherweise andere wichtig<br />

daran ausgerichtet werden sollten, um den Lernprozess optimal zu gesta<br />

Einflussfaktoren, die der Kontrolle des Lehrenden unterliegen, ist an erster<br />

Häufigkeit der Instruktion zu nennen: so kann die Instruktion verbal oder vi<br />

gewisse Informationen enthalten oder entbehren, wie z.B. Informationen üb<br />

Struktur der Fertigkeit. Diese gehört zu den grundlegenden Merkmalen einer<br />

der Lernende als erstes aneignet (MEINEL; SCHNABEL, 2007; SCHMIDT; WRISBE<br />

Die Literatur verweist hierbei darauf, dass ein positiver Transfer von Erfah<br />

Wege das Lernen erleichtern kann: einerseits können Ähnlichkeite<br />

Bewegungsmustern bereits beherrschter Fertigkeiten und der zu erlernende<br />

Lernen positiv beeinflussen. Dies ist z.B. bei der Delfin-Armbewegung d<br />

Lernende bereits den Kraul-Armzug beherrscht. Das Gleiche trifft auf den<br />

Kraul- und Rückenbewegungen oder zwischen dem Brustbeinschlag und dem<br />

Wasserball und Synchronschwimmen zu. Andererseits können auch pe<br />

Analogien das Lernen fördern (ROSALIE; MÜLLER, 2012). In diesem Sinn<br />

Erfahrungen mit Ursache-Wirkung-Zusammenhängen in Aufbau und Nutzun<br />

im Wasser, die im freien Spiel im Wasser gemacht wurden, das Erlernen


108<br />

Zielsetzung<br />

Ziel der vorliegenden Arbeit war es, mögliche Zusammenhänge zwischen Vorerfahrungen und<br />

dem Lernprozess des Brustbeinschlages unter besonderer Berücksichtigung der Instruktion zu<br />

untersuchen. Der Lernprozess wurde mittels dreier Leistungsparameter beurteilt:<br />

Vortriebserzeugung (Stroke Index; SANCHEZ; ARELLANO, 2002), sowie der Grad der Annäherung<br />

an die ideale räumliche (Raumindex) 2 und rhythmische (Rhythmusindex 3 ) Konfiguration des<br />

Beinschlages wurden herangezogen.<br />

Methode<br />

Hierfür stellten sich 39 Sportstudenten (20 m. 19 w., 21,2 ± 3,84 Jahre alt) zur Verfügung, die<br />

sich zwar mit Kraul- oder Hundekraulbewegungen im stehtiefen Wasser über ca. 13 m<br />

fortbewegen konnten, jedoch nach eigenen Angaben keine Erfahrungen im Brustschwimmen<br />

hatten. In einem Eingangstest von drei Versuchen über je 13 m wurde die mittlere<br />

Geschwindigkeit festgestellt und auf dieser Grundlage die Probanden in vier gleiche Gruppen<br />

eingeteilt: visuelle und auditive Instruktion, die jeweils die Information über die typische Metrik 4<br />

der Fertigkeit enthielt oder aber eine alternative Metrik darstellte. Außerdem beantworteten die<br />

Probanden einen Fragebogen zu Vorerfahrungen in 1. Unterricht in rhythmusbetonten<br />

Fertigkeiten (Musizieren, Tanz, Capoeira, Rhythmische Gymnastik etc.) über mehr als sechs<br />

Monate mit insgesamt mindestens 40 Unterrichtsstunden, 2. Teilnahme an Schwimmunterricht in<br />

gleicher Menge, und 3. Freies Spielen im Wasser (90 cm tief oder tiefer) im Kindesalter, ab dem<br />

4. Lebensjahr, an wenigstens 30 Tagen pro Jahr. Aus diesen Antworten ergab sich folgende in<br />

Tab. 1 dargestellte Verteilung der Vorerfahrungen auf die vier Gruppen (vgl. Tab. 1).<br />

2<br />

Der Raumindex wurde als Prozentwert der Annäherung an eine ideale räumliche Konfiguration des Beinschlages an Hand<br />

folgender Merkmale ermittelt: gleichzeitige und symmetrische Beugung der Knie, gleichzeitiges und symmetrisches<br />

Auseinanderführen der Füße, gleichzeitiges und symmetrisches Strecken der Knie und gleichzeitiges und symmetrisches<br />

Zusammenführen der Füße. Als Vorbild hierfür wurden die Technikbschreibungen in Standardwerken herangezogen (COLWIN 2000;<br />

BISSIG ET AL. 2004); UNGERECHTS; VOLCK; FREITAG 2002)<br />

3<br />

Der Rhythmusindex wurde in ähnlicher Form an Hand folgender Merkmale ermittelt: Pause nach dem Zusammenführen<br />

der Füße bzw. Streckung der Knie, geringere Beschleunigung der Füße in der Streckphase und stärkere Beschleunigung in der<br />

Streck- bzw. Zusammenführungsphase der Knie. Als Vorbild hierfür wurde die typische rhythmische Konfiguration des Beinschlages<br />

in Lehrvideos dreier Weltklasse-Brustschwimmer herangezogen (siehe Fußnote 3).<br />

4<br />

Als typische Metrik der Fertigkeit wird hier die optimale Verteilung von Krafteinsatzphasen und Pausen und deren<br />

jeweilige relative Dauer (auch relatives Timing genannt) bezeichnet. Beim Brustbeinschlag zeichnet sich die geeignete Metrik durch<br />

eine Verteilung der relativen Dauer wie folgt aus: Gleitphase (45%), Rueckholphase (30%), Öffnungsphase (8%), Schlagphase<br />

(17%). Hierbei liegt der Kraftimpuls in der Schlagphase, in der auch eine maximale Beschleunigung der Füße zu beobachten ist.<br />

Diese Werte wurden durch Analyse der gezeigten Beinschläge in Lehrvideos von drei Weltklasse-Brustschwimmern ermittelt. Als<br />

alternative Metrik wurde eine gleichmäßige relative Dauer dieser Phasen angenommen, ohne Veränderung der Geschwindigkeit und<br />

ohne Betonung, die einen Kraftimpuls vermitteln würde.


109<br />

107<br />

Tabelle 1: Verteilung der Vorerfahrungen auf die Instruktionsgruppen (AT= auditive Instruktion mit typischer<br />

Metrik; AA = auditive Instruktion mit alternativer Metrik; VT = visuelle Instruktion mit typischer Metrik; VA =<br />

visuelle Instruktion mit alternativer Metrik)<br />

Gesamt AT AA VT VA<br />

Gesamtstichprobe 39 11 9 9 10<br />

Ohne Erfahrung in rhythmusbetonten Fertigkeiten 16 3 2 7 4<br />

Mit Erfahrung in rhythmusbetonten Fertigkeiten 23 8 7 2 6<br />

Ohne Erfahrung im Spiel im Wasser 9 1 1 3 4<br />

Mit Erfahrung im Spiel im Wasser 30 10 8 6 6<br />

Ohne Erfahrung im Schwimmunterricht 23 6 5 6 6<br />

Mit Erfahrung im Schwimmunterricht 16 5 4 3 4<br />

Auf Grund der Mehrfachnennungen ergaben sich Kombinationen von Erfahrungen: von den 39<br />

Probanden gaben 10 Erfahrungen in allen drei Bereichen an, sechs verfügten über<br />

Vorerfahrungen in rhythmusbetonten Fertigkeiten, sieben im Spiel im Wasser, sechs im Spiel im<br />

Wasser plus Schwimmunterricht und weitere sieben im Spiel im Wasser plus Erfahrung in<br />

rhythmusbetonten Fertigkeiten. Keiner der Probanden gab an, nur Erfahrung im<br />

Schwimmunterricht ohne Spiel im Wasser zu haben. Drei gaben an, keinerlei Vorerfahrungen in<br />

diesen drei Bereichen zu besitzen; diese Untergruppe wurde aufgrund der geringen<br />

Probandenzahl von den gruppenspezifischen Analysen ausgeklammert.<br />

In dem anschließenden Versuch wurde an drei Tagen, mit jeweils einem Tag Pause dazwischen,<br />

folgendes Lern- bzw. Testprogramm durchgeführt: während der Lernphase (1. und 2. Tag) erhielt<br />

jeder Proband seine gruppenspezifische auditive oder visuelle Instruktion (per Notebook<br />

abgespielte Audio- bzw Videodatei), mit typischer oder alternativer Metrik, und führte im<br />

Anschluß insgesamt vier Blocks von je fünf Zyklen von jeweils zehn aufeinanderfolgenden<br />

Beinschlägen aus. Nach jedem Zyklus begab er sich zum Ausgangspunkt zurück und hatte die<br />

Möglichkeit, nach eigenem Ermessen die Instruktion noch ein- oder mehrmals zu hören bzw. zu<br />

sehen. Es wurde keinerlei Feedback gegeben. Am dritten Testtag wurde keine Instruktion<br />

dargeboten, und der Proband führte fünf Zyklen von je zehn Beinschlägen als Retentionstest aus.<br />

Im Anschluß, nach einer fünfminütigen Pause, wurde ein Transfertest in Rückenlage, auch über<br />

fünf Zyklen von je zehn Beinschlägen, ausgeführt. Alle Versuche wurden gefilmt und jeweils der<br />

erste und letzte Block des ersten und zweiten Tages sowie beide Blocks des dritten Tages<br />

ausgewertet. Ein eigens für die Studie entworfenes Referenzsystem bestehend aus farbig<br />

unterteilten Schwimmleinen ermöglichte es, die genaue Position des Probanden zu jedem<br />

Zeitpunkt während eines Zyklus zu bestimmen, so daß in der Auswertung der Videoaufnahmen<br />

mit Hilfe der Software Kinovea (www.kinovea.org) die über die mittleren acht Beinschläge<br />

zurückgelegte Strecke, die dafür benötigte Zeit und daraus den Stroke Index als<br />

Leistungsparameter festgestellt werden konnte.


110<br />

108<br />

Bild 1: Testumgebung mit Referenzsystem<br />

Bild 2: Probandin vor Beginn des ersten Beinschlages<br />

Bild 2: Probantin vor Beginn des ersten Beinschlages<br />

Bild 1: Testumgebung mit Referenzsystem<br />

Ergebnisse<br />

Für die drei Leistungsparameter wurden die in den folgenden Kurven dargestellten Werte<br />

ermittelt.<br />

Abb. 3: Entwicklung des Stroke Index über die Lern- und Testphasen nach Erfahrungsgruppen. Die rote Markierung<br />

zeigt signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen (p=0,035) an, die violette eine hohe Effektstärke (r=0,541).<br />

Der Unterschied war signifikant für den Faktor Vorerfahrung, jedoch nicht für den Faktor Instruktion.<br />

Der Stroke Index entwickelte sich am steilsten ansteigend während der Lernphase und mit den<br />

höchsten Werten in der Gruppe, die nur über Vorerfahrungen im Spiel im Wasser verfügte, in<br />

allen anderen Gruppen waren die Steigerungen weniger ausdrucksvoll und der Wert fiel zum


111 109<br />

Retentionstest hin ab oder blieb gleich. Andererseits war der Leistungsabfall im Transfertest in<br />

der erstgenannten Gruppe am stärksten. Besonders interessant ist jedoch der signifikante<br />

Unterschied zu Beginn des zweiten Tages der Lernphase: die Probanden, die Erfahrung nur im<br />

Spiel im Wasser bzw. in allen drei Bereichen erklärt hatten, schnitten signifikant besser ab als<br />

alle drei anderen Gruppen, einschließlich der Gruppe, die sowohl Erfahrung im Spiel im Wasser<br />

hatte als auch Schwimmunterricht besucht hatte.<br />

Es zeigte sich kein Unterschied zwischen visueller und auditiver Instruktion, wohingegen<br />

diejenigen Probanden, die Instruktionen mit typischer Metrik erhalten hatten, im Retentionstest<br />

besser abschnitten als diejenigen, die Instruktionen mit alternativer Metrik erhalten hatten<br />

(p=0,075).<br />

Die in der folgenden Abb. 4 dargestellte Entwicklung des Raumindex, d.h. der Grad der<br />

Übereinstimmung mit einem idealen räumlichen Bewegungsmuster (COLWIN, 2000; BISSIG ET AL.<br />

2004); UNGERECHTS; VOLCK; FREITAG 2002), ergibt ein vollkommen anderes Bild. Nach<br />

anfänglichem Anstieg am ersten Lerntag bewegen sich alle Gruppen über alle Lern- und<br />

Testphasen, einschließlich des Transfertests, zwischen 90% und 100% Übereinstimmung, nur die<br />

Gruppe, die Erfahrungen mit Spiel im Wasser erklärte, fällt im Transfertest merklich auf gut 80%<br />

ab, wohingegen die anderen vier Gruppen trotz der einschneidenden Veränderung der<br />

Körperposition immer noch um 100% erreichen.<br />

Abb. 4: Entwicklung des des Raumindex über über die die Lern- Lern- und und Testphasen nach nach Erfahrungsgruppen. Die rote Die Markierung rote Markierung zeigt signifikante zeigt<br />

Unterschiede zwischen den Gruppen (p=0,015 für den Faktor Erfahrung und p=0,017 für die Interaktion zwischen Erfahrung und Instruktion)<br />

signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen (p=0,015 für den Faktor Erfahrung und p=0,017 für die Interaktion<br />

zwischen Erfahrung und Instruktion)<br />

Der Rhythmusindex zeigt eine von den anderen beiden Indizes grundlegend unterschiedliche<br />

Entwicklung (Abb. 5).


112<br />

110<br />

Abb 5: Entwicklung des Rhythmusindex über die Lern- und Testphasen nach Erfahrungsgruppen. Die violetten<br />

Markierungen zeigen mittlere Effektstärken in den Unterschieden zwischen den Gruppen (r=0,289 bis r=0,413).<br />

Wie schon beim Stoke Index zeigt die Gruppe, die Erfahrung nur im Spiel im Wasser berichtete,<br />

die höchsten Übereinstimmungen während der gesamten Lern- und Testphase, nur im<br />

Transfertest liegt die Gruppe derjenigen, die Erfahrungen nur mit rhythmusbasierten Fertigkeiten<br />

berichtete, etwa gleichauf. Jedoch liegen diese beiden Gruppen immer noch weit über den<br />

übrigen Gruppen, einschließlich der Gruppe, die Erfahrungen im Spiel im Wasser mit<br />

Schwimmunterricht vereint. Es verwundert nicht, dass die Gruppe, die von Erfahrungen nur in<br />

rhythmusbasierten Fertigkeiten berichtete, beim Rhythmusindex bessere Ergebnisse zeigt als die<br />

verbleibenden drei Gruppen. Auch wenn in diesem Leistungsparameter die Gruppen hinsichtlich<br />

der statistischen Signifikanz gleich waren, so deutet doch die mittlere Effektstärke des<br />

Unterschiedes darauf hin, dass die unterschiedlichen Vorerfahrungen eine gewisse praktische<br />

Relevanz besitzen.<br />

Angesichts der großen Unterschiede in den Verläufen der Kurven der drei Leistungsparameter<br />

stellte sich die Frage, ob und welche Korrelationen zwischen diesen Parametern bestehen. Die<br />

Literatur aus dem Bereich der Bewegungslehre deutet an, dass die rhythmische Konfiguration bei<br />

vielen Fertigkeiten einen entscheidenden Einfluss auf die objektiv messbare Leistung hat, beim<br />

Schwimmen also auf den Stroke Index, (MEINEL; SCHNABEL, 2007; SCHMIDT; WRISBERG, 2001;<br />

MAGILL, 2011). Andererseits beschäftigt sich die Fachliteratur Schwimmen hauptsächlich mit<br />

den räumlichen Parametern, wohingegen die rhythmischen Merkmale des Brustbeinschlages nur<br />

selten Erwähnung finden, und auch dann nur sehr kurz und oberflächlich (MAKARENKO, 1975;<br />

LEWIN, 1974; COUNSILMAN, 1978). Angesichts der von der Bewegungslehre unterstrichenen<br />

Relevanz der rhythmischen Konfiguration verwundert besonders, dass aktuellere<br />

Technikbeschreibungen sich vollends dieses Aspekts der Fertigkeit enthalten (MAGLISCHO, 1999;<br />

COLWIN, 2000). Auch in entsprechenden Lehrhinweisen (UNGERECHTS; VOLCK; FREITAG, 2002;<br />

BISSIG ET AL., 2004; WILKE, 2007) werden rhythmische Merkmale kaum angesprochen.


113 111<br />

Aus der Betonung der räumlichen Eigenschaften der Fertigkeit und Vernachlässigung der<br />

rhythmischen Konfiguration in den o. g. Technikbeschreibungen und Lehrwerken könnte man die<br />

Annahme ableiten, dass ein enger Zusammenhang zwischen Stroke Index und Raumindex<br />

bestehen müsste. Es wurde jedoch keine solche Korrelation gefunden, desgleichen nicht zwischen<br />

Raumindex und Rhythmusindex. Allerdings ergaben sich interessante Korrelationen zwischen<br />

Rhythmusindex und Stroke Index, die auf einen engen Zusammenhang zwischen der<br />

rhythmischen Konfiguration des Beinschlages und seiner Wirkung, d.h. des erreichten<br />

Vorwärtsschubes, hindeuten (Tabelle 2).<br />

Tabelle 2: Korrelationen zwischen Stroke Index (SI) und Rhythmusindex (RHY) nach Erfahrungsgruppen im Laufe<br />

der Lern- und Testphasen. Mit * gekennzeichnete Werte sind statistisch signifikant, mit @ gekennzeichnete nahe der<br />

Signifikanzschwelle (p=0,05).<br />

Auch die Häufigkeit der Instruktionsanforderung (Gesamtzahl der abgespielten<br />

Instruktionssequenzen während der gesamten Lernphase) wies interessante Korrelationen mit den<br />

erreichten Leistungen auf, allerdings beschränkt auf die Vortriebserzeugung. Die Korrelationen<br />

zwischen Instruktionshäufigkeit und Raumindex sowie Rhythmusindex sind gestreut und nicht<br />

aussagekräftig, wohingegen die Korrelationen mit dem Stroke Index für die Gesamtstichprobe<br />

hochsignifikante negative Korrelationen zu allen Messzeitpunkten zeigten, d. h., je höher der<br />

Stroke Index, desto weniger häufig wurde die Instruktion angefordert (Tabelle 3). Nach<br />

Vorerfahrungen unterschieden, wiesen allerdings nur zwei der Einzelgruppen signifikante<br />

Korrelationen auf, d. h., die Gruppe, die Erfahrungen in allen drei Bereichen berichtete, zeigte die<br />

höchsten negativen Korrelationen mit dem Stroke index auf (in allen Lern- und Testphasen<br />

statistisch signifikant, im Retentionstest sogar hochsignifikant). Fast gleichauf lag die Gruppe,<br />

die Erfahrungen nur im Spiel im Wasser berichtete; hier kommen die Werte der statistischen<br />

Signifikanzschwelle in allen Messzeitpunkten außer im Transfertest sehr nahe. Dies deutet darauf<br />

hin, dass die Probanden mit diesem breiten bzw. auf Spiel im Wasser beschränkten<br />

Erfahrungsspektrum weniger Instruktion benötigten, um einen besseren Stroke Index zu<br />

erreichen.


114<br />

112<br />

Tabelle 3: Korrelationen zwischen der Gesamtzahl der im Laufe der Lernphase angeforderten Instruktionen 112<br />

(INSTOT) und Stroke Index (SI) nach Erfahrungsgruppen im Laufe der Lern- und Testphasen. Mit *<br />

gekennzeichnete Werte sind statistisch signifikant, mit ** gekennzeichnete hochsignifikant und mit @<br />

Tabelle 3: Korrelationen zwischen der Gesamtzahl der im Laufe der Lernphase angeforderten Instruktionen<br />

gekennzeichnete nahe der Signifikanzschwelle (p=0,05).<br />

(INSTOT) und Stroke Index (SI) nach Erfahrungsgruppen im Laufe der Lern- und Testphasen. Mit *<br />

gekennzeichnete Werte sind statistisch signifikant, mit ** gekennzeichnete hochsignifikant und mit @<br />

gekennzeichnete nahe der Signifikanzschwelle (p=0,05).<br />

Diskussion und Ausblick<br />

Diskussion Die von der und Literatur Ausblick 5 in Aussicht gestellten, aber für schwimmerische Fertigkeiten bisher nur<br />

unzureichend nachgeprüften Zusammenhänge von Vorerfahrungen und Lernerfolg konnten<br />

Die größtenteils von der bestätigt Literatur 5 werden. in Aussicht Die tendenziell gestellten, aber besseren für schwimmerische Ergebnisse derjenigen Fertigkeiten Gruppe, bisher die über nur<br />

unzureichend Erfahrungen ausschließlich nachgeprüften im Zusammenhänge Spiel im Wasser berichtet, von Vorerfahrungen lassen den Schluss und Lernerfolg zu, dass bei konnten diesem<br />

größtenteils Transfer von bestätigt Erfahrungen werden. nicht Die so sehr tendenziell das Zurückgreifen besseren Ergebnisse auf bereits derjenigen erlernte Bewegungsmuster,<br />

Gruppe, die über<br />

Erfahrungen sondern viel ausschließlich mehr die Nutzung im Spiel von im Wasser grundlegenden berichtet, perzeptiv-motorischen lassen den Schluss zu, dass Prinzipien bei diesem eine<br />

Transfer entscheidende von Erfahrungen Rolle spielt nicht und so sich sehr positiv das Zurückgreifen auf den Lernerfolg auf bereits auswirkt. erlernte Diese Bewegungsmuster, Erfahrungen<br />

sondern können von viel dem mehr Lernenden die Nutzung unabhängig von grundlegenden von einer Instruktion, perzeptiv-motorischen sei sie auditiv Prinzipien (verbal) oder eine<br />

entscheidende visuell, genutzt Rolle werden. spielt Sie und werden sich offenbar positiv hauptsächlich auf den Lernerfolg im freien auswirkt. Spiel im Diese Wasser Erfahrungen erworben,<br />

können in dem von das dem Ausprobieren Lernenden unabhängig und auf Versuch von einer und Instruktion, Irrtum beruhende sei sie auditiv Kennenlernen (verbal) oder<br />

visuell, Wirkprinzipien genutzt werden. der Körper-Wasser-Interaktion, Sie werden offenbar hauptsächlich z. B. bei Aufbau im freien und Spiel Nutzung im Wasser von Widerlagern erworben,<br />

in im Wasser, dem das eine Ausprobieren entscheidende und Rolle auf spielt. Versuch Möglicherweise und Irrtum ist beruhende der Einfluss Kennenlernen dieser Erfahrung der<br />

Wirkprinzipien auch darauf zurückzuführen, der Körper-Wasser-Interaktion, dass das freie Spiel z. B. im bei Wasser Aufbau auf und der Nutzung von eines Widerlagern impliziten<br />

im Feedbacks Wasser, aufbaut: eine entscheidende das Kind hat Rolle durch spielt. freies Möglicherweise Ausprobieren die ist Gelegenheit, der Einfluss die dieser Reaktionen Erfahrung des<br />

auch Wassers darauf zu testen zurückzuführen, und für sich dass zu nutzen, das freie ohne Spiel sich im dessen Wasser bewusst auf der zu werden. Nutzung Darauf eines deuten impliziten die<br />

Feedbacks deutlich geringeren aufbaut: das Lernleistungen Kind hat durch derjenigen freies Ausprobieren Gruppe hin, die die Erfahrungen Gelegenheit, im die Spiel Reaktionen im Wasser des<br />

Wassers mit Schwimmunterricht zu testen und für sich vereint. zu nutzen, Es ohne drängt sich sich dessen fast bewusst der zu Eindruck werden. Darauf auf, deuten dass die der<br />

deutlich Schwimmunterricht geringeren Lernleistungen eine den Lernprozess derjenigen beeinträchtigende Gruppe hin, die Wirkung Erfahrungen ausübt. im Dies Spiel mag im Wasser darauf<br />

mit zurückzuführen Schwimmunterricht sein, dass an vereint. brasilianischen Es drängt Schwimmschulen sich fast der das Eindruck Hauptziel im auf, Erlernen dass von der<br />

Schwimmunterricht Technikmustern liegt, eine wohingegen den Lernprozess das Erproben beeinträchtigende und spielerische Wirkung Erkunden ausübt. des Dies Mediums mag Wasser darauf<br />

zurückzuführen eher eine Nebenrolle sein, spielt. dass an brasilianischen Schwimmschulen das Hauptziel im Erlernen von<br />

Technikmustern liegt, wohingegen das Erproben und spielerische Erkunden des Mediums Wasser<br />

eher eine Nebenrolle spielt.<br />

5<br />

MANOEL, 1995; LANGENDORFER; BRUYA, 1995; FREUDENHEIM; MADUREIRA, 2010, ROSALIE; MÜLLER, 2013<br />

5<br />

MANOEL, 1995; LANGENDORFER; BRUYA, 1995; FREUDENHEIM; MADUREIRA, 2010, ROSALIE; MÜLLER, 2013


115 113<br />

Offenbar sind die Erfahrungen mit dem Medium Wasser wichtiger für den Lernerfolg als die<br />

Fähigkeit, rhythmische Strukturen in der Instruktion zu erkennen und zu reproduzieren. Selbst<br />

beim Brustbeinschlag, der eine höchst anspruchsvolle rhythmische Struktur besitzt, die zudem<br />

einen signifikanten Zusammenhang mit dem erzeugten Vortrieb aufweist 6 , scheint der Lernerfolg<br />

sowohl im Hinblick auf das Aneignen dieser rhythmischen Struktur als auch im Hinblick auf den<br />

erzeugten Vortrieb, weniger von Erfahrungen im Erkennen und Reproduzieren rhythmischer<br />

Strukturen abzuhängen als von Erfahrungen im freien Spiel im Wasser. Dies widerspricht<br />

Ergebnissen wie sie z. B. von Rieder et al. (1991) für den Tennisaufschlag und das Slalom-<br />

Skifahren nachgewiesen wurden; Fertigkeiten, bei denen die Metrik der Bewegung eine ähnlich<br />

große Rolle spielt wie beim Brustbeinschlag.<br />

Die hohe Korrelation zwischen Stroke Index und Rhythmusindex, zusammen mit den hohen<br />

Stroke Index-Werten derjenigen Gruppen, die keine Erfahrung in rhythmusbasierten Fertigkeiten<br />

erklärten, deutet also darauf hin, dass, wie von Meinel und Schnabel (2007) und anderen für<br />

verschiedenste Fertigkeiten (allerdings nicht für Schwimmfertigkeiten) festgestellt, offenbar auch<br />

für den Brustbeinschlag eine gewisse Metrik ausschlaggebend für die Leistung ist. Diese typische<br />

Metrik wurde jedoch in unserem Falle nicht in erster Linie aus der Instruktion erfahren, sondern<br />

hat sich aus der Interaktion mit dem Wasser gewissermaßen von selbst herausgebildet bzw.<br />

wurde aus der Wahrnehmung der Ursache-Wirkung-Beziehungen im Wasser aufgebaut. Dies war<br />

hauptsächlich dann zu beobachten, wenn die für die Wahrnehmung dieser Interaktion<br />

notwendigen Vorerfahrungen durch Spiel im Wasser erworben wurden. Diese Sichtweise wird<br />

dadurch erhärtet, dass die Korrelationen mit fortschreitendem Lernprozess höher wurden: die<br />

Erfahrung mit der Interaktion Körper-Wasser nahm selbst während der relativ kurzen<br />

Lernerfahrung im Verlauf des Versuchs zu und damit die Effizienz der Bewegung (der Stroke<br />

Index). Dies geschieht zudem offenbar unabhängig von Instruktionen, und auch unabhängig<br />

davon, ob diese Instruktionen die typische Metrik darstellen oder nicht. Eine mögliche Erklärung<br />

für diesen Zusammenhang kann in der Nutzung der intrinsischen Feedbackmechanismen liegen,<br />

die von den Probanden mit Erfahrungen im Spiel im Wasser besser zur Herausarbeitung eines<br />

effektiven Beinschlages genutzt werden konnten als von Probanden ohne diese Erfahrung.<br />

Die vorliegende Studie kann sich auf Grund einiger einschränkender Aspekte nur auf das<br />

Aufzeigen von Tendenzen beschränken. Zum einen war unsere Stichprobe zwar im Hinblick auf<br />

den Eingangstest, nicht aber im Hinblick auf die Vorerfahrungen gleichmäßig verteilt. Zudem<br />

stützte sich die Erhebung der Vorerfahrungen lediglich auf persönliche Erinnerungen, die<br />

naturgemäß der Gefahr der Verfälschung unterliegen. Die relativ große Streuung der<br />

Leistungsparameter innerhalb der Gruppen gebieten es, die Signifikanzberechnungen mit<br />

Vorbehalt zu sehen. So sollten weitere Untersuchungen die hier aufgezeigten Tendenzen<br />

verifizieren.<br />

Diese Ergebnisse bestätigen die in zahlreichen Lehrwerken vertretene Meinung, dass das<br />

spielerische Sichbewegen, oder aber ein breitgefächertes Angebot an Bewegungsmöglichkeiten<br />

im Wasser, besonders in den Frühstadien des Schwimmenlernens, das spätere Erlernen von<br />

6 Siehe Tabelle 3


116 114<br />

spezifischeren Bewegungsfertigkeiten fördert, und geht mit der Kritik an frühzeitiger<br />

Spezialisierung in einer Sportart oder Fertigkeit konform. Mit anderen Worten: die Effizienz des<br />

Brustbeinschlages wird viel mehr durch die Interaktion des Schwimmers mit dem Wasser und<br />

seine Wahrnehmung und die effektive, wenn auch unbewusste Nutzung dieser Interaktion<br />

bestimmt als von Instruktionen oder Vorerfahrungen auf anderen Gebieten einschließlich eines<br />

traditionellen Schwimmunterrichts. Zudem regt die Konzentration auf die Förderung des<br />

Wassergefühls bereits im Anfängerschwimmen die Nutzung propriozeptiver<br />

Feedbackmechanismen an, was der langfristigen autonomen Verbesserung der Fertigkeiten<br />

zuarbeitet. Mehrere Autoren (z.B. UNGERECHTS ET AL., 2000; BISSIG ET AL., 2004; FRANK, 2008;<br />

FREUDENHEIM; MADUREIRA, 2010) haben bereits für das Leistungssport-Training darauf<br />

hingewiesen, dass Kontrasttraining 7 das Wassergefühl fördert und damit direkt leistungssteigernd<br />

wirkt. Für den Anfängerbereich jedoch sind solche Hinweise nur vereinzelt anzutreffen, und<br />

empirisch fundierte Nachweise sind noch selten. Somit dürften die vorliegenden Ergebnisse dazu<br />

anregen, die Lehrmethoden des Brustschwimmens dahingehend zu überdenken, dass auch hier<br />

breitgefächerte Vorerfahrungen, möglichst in spielerischer Form, sowie eine stärkere Betonung<br />

des Bewegungsrhythmus in der Instruktion das Erlernen dieser schwierigen Fertigkeit<br />

wahrscheinlich mehr fördern können als ein Hervorheben der räumlichen Struktur der Bewegung.<br />

Zusammenfassung<br />

Vorerfahrungen können einen Lernprozess erleichtern oder stören, und nicht immer sind diese<br />

Zusammenhänge für den Lehrenden klar erkennbar. Die vorliegende Studie versucht, Tendenzen<br />

für mögliche Zusammenhänge zwischen Vorerfahrungen im freien Spiel im Wasser, mit<br />

Schwimmunterricht und rhythmusbetonten Fertigkeiten und dem Erlernen des Brustbeinschlages<br />

aufzuzeigen. In einem Lernversuch, bestehend aus zweitägiger Lernphase mit insgesamt 40<br />

Durchgängen von je 10 Beinschlägen sowie einem Behaltens- und einem Transfertest wurden 39<br />

Probanden visuelle und auditive Instruktionen dargeboten, die die Bewegung mit typischer oder<br />

alternativer Metrik darstellten. Diejenigen Probanden, die Erfahrungen nur im Spiel im Wasser<br />

berichteten, schnitten sowohl im Stroke Index als auch im Rhythmusindex besser ab, im<br />

Raumindex waren keine Unterschiede festzustellen. Negative Korrelationen zwischen<br />

Instruktionsanforderung und Stroke Index legen die Annahme nahe, dass besonders in dieser<br />

Gruppe sich ein effektiverer Beinschlag herausbildet, weil die Probanden auf vielgestaltige<br />

Erfahrungen in der Interaktion zwischen Körper und Wasser zurückgreifen können. Dies legt ein<br />

Überdenken der traditionell auf die räumlichen Merkmale fokussierten Lehrmethoden nahe,<br />

zugunsten einer größeren Betonung der rhythmischen Merkmale des Brustbeinschlages.<br />

7<br />

Gemeint ist hiermit das absichtliche Entstellen von Bewegungstechniken im Schwimmen durch Verändern der Körperhaltung oder des<br />

Einsatzes von Vortriebsmechanismen zur Ausweitung von Bewegungsrepertoire und Wassergefühl: z.B. Schwimmen mit geschlossenen Fäusten,<br />

„Rückwärtsschwimmen“, Schwimmen mit Vortrieb nur durch einen Arm und ein Bein mit gleichzeitigem Festhalten des anderen Fußes durch die<br />

andere Hand, usw. Frank (2008) nennt diese Übungen „Koordinative Übungen“.


117 115<br />

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118<br />

Autorin:<br />

Bettina Ried<br />

Graciele Massoli Rodrigues<br />

Lehrbeauftragte Sporthochschule der Stadt Jundiaí (Brasilien)<br />

und der Universität São Judas in São Paulo (Brasilien)<br />

Email: bried@esef.br


119


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