Gundelfingen Magazin (Februar 2018)
Vermittlerin zwischen Kulturen: Martina Rode ist Flüchtlingsbeauftragte der Gemeinde Gundelfingen.
Vermittlerin zwischen Kulturen: Martina Rode ist Flüchtlingsbeauftragte der Gemeinde Gundelfingen.
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PORTRAIT<br />
ihnen gerecht werden. „Es sind unglaublich verschiedene Menschen,<br />
die man da kennenlernt – zu sehen, wie sie sich integrieren<br />
oder auch nicht, ist wahnsinnig spannend.“ Gleichzeitig gibt<br />
sie zu: „Der Job frustriert auch, weil viele Dinge einfach nicht so<br />
funktionieren, wie man es sich wünscht“, fasst Martina Rode ihre<br />
Arbeit in Worte, eine Mischung aus lebenskluger Akzeptanz und<br />
aufpoppender Resignation erfüllt den Raum.<br />
Für diesen Morgen hat sich eins ihrer Lieblings-„Projekte“<br />
angesagt. Als es klopft, stehen Mahmoud Sbeinati und seine<br />
ehrenamtliche Betreuerin Ingrid Kristinus in der Tür. Hinter der<br />
verwaltungsrechtlichen Zuordnung des anerkannten Flüchtlings<br />
steckt ein Selfmade-Mann aus Syrien, den der Vater einst mit<br />
zehn Jahren aus der Schule nahm, damit der Sohn etwas Einträgliches<br />
lernen möge. So wurde Mahmoud Sbeinati Bäcker und<br />
Koch. „Isch kann machen alles, isch weiß“, sagt der freundliche<br />
31-Jährige mit der Fels-in-der-Brandung-Ausstrahlung. Er sagt<br />
es in einer Sprache, die zwar mit jedem einzelnen der fremden<br />
Worte ringt und sie nur schwer aus der orientalischen Umklammerung<br />
entlässt, die aber zugleich von unwiderstehlicher Überzeugung<br />
erfüllt ist. „Isch möschte nischt, dass Jobcenter bezahlen<br />
Essen und Wohnung. Das ist nicht gut. Isch hab in Syrien so lange<br />
alleine gemacht. Isch möschte alleine machen.“<br />
Sich in Deutschland selbständig zu machen und der Familie – seiner<br />
Frau und den beiden fünf- und siebenjährigen Töchtern – mit<br />
dem Verkauf selbst hergestellter Backwaren ein neues, sicheres<br />
Zuhause zu bieten, das ist sein Traum. „Die Arbeitssituation<br />
juckt ihn sehr“, sagt Ingrid Kristinus, die Mahmoud Sbeinati<br />
als ehrenamtliche Helferin zur Seite steht. Sie spricht zwar kein<br />
Arabisch, aber ihr war von Anfang an klar, womit der Mann nach<br />
dem Verlust seiner Heimat im fremden Deutschland konfrontiert<br />
war: mit viel Hilfsbereitschaft, aber auch mit viel Unwissen. Einst<br />
kam Ingrid Kristinus selbst als Flüchtling – aus Chile, nach dem<br />
Militärputsch im Jahr 1973. Sie blieb, wurde Lehrerin, engagiert<br />
sich für Menschen in ähnlicher Situation und ist stolz auf das, was<br />
Deutschland in den vergangenen Jahren geleistet hat: „Ich finde<br />
diese Öffnung klasse! Die Deutschen sind so toll und helfen“. Das<br />
Renommée Deutschlands sei, sagt Ingrid Kristinus, gerade in den<br />
vergangenen Jahren durch die Aufnahme der Flüchtlinge enorm<br />
gestiegen. „Trotzdem sollte man bei all der Arbeit, die wir alle machen,<br />
nicht unterschätzen: Es fehlt noch ganz viel. Nämlich das,<br />
was es heißt, sich mit anderen Kulturen auseinanderzusetzen.“<br />
Genau das tut Martina Rode jeden Tag aufs Neue. Eine Arbeit, die<br />
oft nicht zu sehen ist: „Mein Job ist eigentlich total unauffällig.“<br />
Sie bringt die verschiedenen Seiten zusammen und vermittelt<br />
zwischen den Kulturen, sie sucht Wohnungen, um Menschen unterzubringen,<br />
sie schlägt den Weg durchs Verwaltungsdickicht,<br />
initiiert Projekte wie die Anstellung einer arabischsprachigen<br />
Dolmetscherin oder die Verkaufserlaubnis für Mahmoud Sbeinatiz.<br />
„Ich habe die Schulen mit den zuständigen Behörden und<br />
Institutionen – Landratsamt, Polizei, Sozialarbeiter – an einen<br />
Tisch gebracht, damit sich alle kennenlernen und vernetzen. Und<br />
damit die Wege kurz sind, falls es ein Problem gibt“, erzählt sie.<br />
Mahmoud Sbeinati durfte seine Töchter und seine Frau Ende 2017<br />
nach Deutschland nachholen. Alle anfallenden Kosten hat er selbst<br />
bezahlt – die Flüge, die notwendigen Papiere und deren unerwartet<br />
teuren Übersetzungen. Nun arbeitet er gemeinsam mit Martina<br />
Rode und Ingrid Kristinus an dem Projekt, das für ihn und seine Familie<br />
so wichtig ist: die Tätigkeit als selbstständiger Bäcker, um den<br />
Lebensunterhalt zu verdienen. Annette Christine Hoch<br />
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