casanostra 117 - Februar 2013
Nun wohnen acht am selben Ort | Verdichten: Enormes Potenzial | Neuerungen Beratungsangebot | Hauseingang | Haustechnik: Tipps gegen Schimmelpilz | Ratgeber: Nebenkosten abrechnen
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porträt__VERDICHTET BAUEN_5<br />
Aus eins mach zwei<br />
Das alte Hüsli an der Stadtgrenze von Luzern beherbergte zuletzt noch eine<br />
Person, die Mutter. Wie der Sohn die Liegenschaft übernimmt, entscheidet er sich<br />
für einen Neubau aus Holz. Heute leben dort zwei Familien mit Kindern.<br />
VERDICHTET BAUEN<br />
g<br />
Vielfalt im Erdgeschoss<br />
durch<br />
verschiedene<br />
Raumhöhen.<br />
ff Lehmputz reguliert<br />
in den<br />
Wohnräumen das<br />
Raumklima.<br />
f<br />
Treppe zu den<br />
Schlafzimmern im<br />
mittleren Geschoss.<br />
dd Die untere<br />
Wohnung hat<br />
direkten Zugang<br />
zum Garten.<br />
__Was tun mit dem Einfamilienhaus? Diese Frage<br />
stellte sich, als die Mutter in eine Wohnung zog. Die<br />
ist angenehm klein, fürs Alter viel praktischer und<br />
beschert weniger Arbeit als das Haus mit seinem<br />
schönen, aber anstrengenden Garten. Wie also lässt<br />
sich das Gebäude von 1938, in dem die Mutter zuletzt<br />
allein wohnte, fortan nutzen? Umbauen, abstossen?<br />
Der eine Sohn winkte früh ab, ihn interessierte<br />
die Liegenschaft nicht sonderlich. Auch sein<br />
Bruder, Jörg Sprecher, zögerte anfänglich. Er wohnte<br />
mit seiner Frau und den beiden Kindern damals in<br />
einem Mehrfamilienhaus. «Das Verhältnis mit den<br />
Nachbarn war toll, in ein Einfamilienhaus zu ziehen,<br />
war für uns keine Option», erinnert er sich. Selbst die<br />
Aussicht, als passionierte Musiker – er ist Cellist, sie<br />
Bratschistin und die beiden Kinder spielen Geige – in<br />
einem alleinstehenden Haus mehr Freiheiten zu haben,<br />
lockte die Familie nicht.<br />
Warum kam es doch nicht zum Verkauf? «Die<br />
Vernunft meldete sich», sagt Sprecher. Die Überlegung:<br />
Auf 700 Quadratmetern Grundstückfläche gäbe<br />
es Platz für mehr. Alle sprechen von verdichtetem<br />
Bauen, um den Boden haushälterisch zu nutzen –<br />
wäre das hier möglich? Jörg Sprecher, Rechtsanwalt<br />
in einer kleinen Kanzlei, machte sich schlau.<br />
Ausnutzungsziffern und Zonenvorschriften zeigten<br />
rasch einmal: zwei Vollgeschosse sind erlaubt, darüber<br />
ein Attikageschoss mit bis zu siebzig Prozent<br />
der Geschossfläche. Damit liesse sich die Kubatur<br />
glatt verdoppeln, ein Zweifamilienhaus wäre möglich<br />
und damit gewann der Standort für die junge<br />
Familie gewaltig an Reiz. Dass sie die Liegenschaft<br />
übernehmen konnte, ist auch dem Entgegenkommen<br />
von Mutter und Bruder zu verdanken. Das Haus<br />
wurde zu null Franken bewertet, und von einem Profi<br />
geschätzten Landwert muss die Schuld für den Anteil<br />
der beiden nicht sofort abgetragen werden.<br />
Vorgabe: ein Holzbau, aber kein Chalet<br />
Jörg Sprecher bat einen befreundeten Architekten,<br />
die Möglichkeiten aufzuzeigen. Gestalterisch wies<br />
das Quartier die Richtung. Um eine typische Einfamilienhausgegend<br />
handelt es sich nicht mehr. Dominante<br />
Wohnblöcke stehen da, die Schule nebenan<br />
ist voluminös und kantig. Bald war klar: Ein urbanes<br />
Zweifamilienhaus soll es sein, am liebsten aus Holz.<br />
«Wir haben Freunde, die in Holzbauten wohnen, das<br />
behagliche Raumklima, die Wohnqualität allgemein<br />
überzeugten uns», lautet die Begründung von Jörg<br />
Sprecher, «doch ein Chalet wollten wir nicht.» Für<br />
den nachwachsenden Baustoff sprach auch die positive<br />
Umweltbilanz, reduziert doch ein Baum pro Kubikmeter<br />
Holz eine Tonne des Treibhausgases CO 2 .<br />
Architekt Lorenz Baumann, der Erfahrungen sowohl<br />
in Holz- als auch Massivbauweise hat, ging unideologisch<br />
an die Sache.<br />
Haus mit Forschungscharakter<br />
Das Resultat überzeugt – nicht nur den Bauherrn.<br />
Der Prix Lignum zeichnete es 2012 mit einem Anerkennungspreis<br />
aus. «In seiner Gestaltung steht dieses<br />
Haus ganz aus Holz für eine bescheidene und<br />
qualitativ hochwertige Wohnkultur», schreibt die<br />
Fachjury. Die Gebäudehülle besteht aus vertikalen,<br />
schwarz lasierten Fichtenbrettern in drei verschiedenen<br />
Breiten. Auf die Fugen zwischen den Brettern<br />
wurden Abdeckleisten genagelt, ähnlich, wie man<br />
das von einer Scheune kennt. Das helle Lindengrün<br />
der Leisten sorgt für einen faszinierenden Effekt, das<br />
gestreifte Kleid verleiht dem Haus trotz seines Volumens<br />
eine gewisse Feinheit, und je nach Blickwinkel<br />
und Lichteinfall verändert sich die Farbwirkung. Die<br />
unterschiedlichen Breiten der Fichtenbretter ergeben<br />
einen angeregten Rhythmus. Die Velogarage<br />
setzt mit ihrer halboffenen Lattenfassade einen<br />
hellgrünen Akzent zur Strasse hin. Das Haus hat<br />
Zweifamilienhaus in Luzern<br />
Der Neubau an der Sternmattstrasse 74 ersetzte 2008 ein<br />
einfaches Einfamilienhaus aus den 1930er-Jahren, in dem<br />
der Bauherr selbst aufgewachsen war. Die Grösse des Grundstücks<br />
machte es möglich, das ursprüngliche Volumen zu verdoppeln.<br />
Die beiden Wohnungen sind im dreigeschossigen<br />
Bau jeweils auf zwei Hauptgeschossen organisiert und so<br />
ineinander verschränkt, dass jede direkten Zugang und einen<br />
eigenen Aussenraum hat: Die untere Wohnung öffnet sich<br />
zum Garten hin, die obere hat eine grosszügige Dachterrasse.<br />
Bauherrschaft<br />
Architektur<br />
Holzbau<br />
Energiekennzahl<br />
Jörg und Petra Sprecher-Goth<br />
Baumann Roserens, Zürich<br />
Schaerholzbau, Altbüron<br />
31 kWh/m 2 pro Jahr<br />
Baukosten CHF 1,5 Mio./ 960 CHF pro m 3<br />
<strong>casanostra</strong>_<strong>117</strong>/<strong>2013</strong>