Nur ein Abenteuer bis zum Glück - Leseprobe
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Kapitel 1<br />
Leo war <strong>ein</strong>e kl<strong>ein</strong>e Giraffe mit wohl geformten<br />
braunen Flecken und wunderschönen großen Augen,<br />
aber s<strong>ein</strong> Hals war viel zu kurz und das Horn<br />
auf s<strong>ein</strong>er Stirn zu lang.<br />
Obwohl s<strong>ein</strong>e Familie ihn deswegen genauso<br />
liebte und auch Tippy, s<strong>ein</strong>e Freundin, ganz vernarrt<br />
in ihn war, litt er furchtbar unter s<strong>ein</strong>em Aussehen,<br />
denn es gab <strong>ein</strong>ige, die ihn deswegen hänselten, aber<br />
er konnte nichts dagegen tun.<br />
Eines Nachmittags kamen <strong>ein</strong> paar Giraffenkinder<br />
auf ihn zu. »Hey, Leo, hast du Lust mit uns zu<br />
kommen?«, fragte Conrad, <strong>ein</strong> hochnäsiger Junge,<br />
der s<strong>ein</strong>en Kopf dabei in die Höhe reckte und ihn<br />
von oben herab ansah.<br />
Leo war erstaunt. Die anderen hatten ihn noch<br />
nie gefragt, ob er mit ihnen spielen wollte. »Wo<br />
wollt ihr denn hingehen?«, m<strong>ein</strong>te er fröhlich.<br />
»Zur verbotenen Wiese. Vielleicht können wir<br />
dort <strong>ein</strong> paar Blätter der Tonkabäume stibitzen«,<br />
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gab Conrad zurück. Während er das sagte, stupste<br />
er s<strong>ein</strong>en Kumpel Nico an, der neben ihm stand,<br />
und fing an zu grinsen.<br />
Bevor Leo antworten konnte, fielen ihm die beiden<br />
ins Wort. »Nä, nä, nä, kommst ja mit d<strong>ein</strong>em<br />
kurzen Hals ohnehin nicht dran.« Dann drehten<br />
sich die zwei <strong>ein</strong>fach um und ließen ihn all<strong>ein</strong> zurück.<br />
Und so kam es, dass er sich noch mehr von allen<br />
abgrenzte, und in s<strong>ein</strong>e eigene Welt abtauchte. Niemand<br />
schaffte es mehr, ihn auf<strong>zum</strong>untern.<br />
Alle waren ratlos. Wie konnten sie ihm helfen?<br />
Leos Mutter litt besonders darunter, dass Leo<br />
immer trauriger wurde. Ihr Name war Luna und sie<br />
war <strong>ein</strong>e Schönheit, mit ihrem langen, schlanken<br />
Hals und den dunklen Augen, die von langen Wimpern<br />
<strong>ein</strong>gerahmt wurden.<br />
Weil sie k<strong>ein</strong>en Ausweg sah, fasste sie <strong>ein</strong>es Tages<br />
<strong>ein</strong>en Entschluss: Sie musste Dunga finden, denn<br />
er war der Einzige, der Leo vielleicht helfen konnte.<br />
Luna vertraute sich nur ihrer Mutter an und bat<br />
darum, niemandem etwas von ihrem Vorhaben zu<br />
berichten.<br />
Sie beschloss, sich noch in derselben Nacht auf<br />
den Weg zu machen und bevor die Sonne aufging,<br />
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egab sie sich lautlos und auf leisen Hufspitzen auf<br />
<strong>ein</strong>e ungewisse Reise.<br />
***<br />
»Leo, Leo, wach auf.«<br />
Langsam öffnete er die Augen und musste<br />
gegen die Sonne anblinzeln. Leo hatte so tief und<br />
fest geschlafen, dass er <strong>ein</strong> <strong>bis</strong>schen böse auf s<strong>ein</strong>e<br />
Schwester war.<br />
»Ach, Lilly, musstest du mich ausgerechnet jetzt<br />
wecken? In m<strong>ein</strong>em Traum war ich so schön wie alle<br />
anderen.«<br />
»Oh, Leo, du nervst. Es gibt wichtigere Dinge,<br />
als toll auszusehen. Denk doch nicht immer nur an<br />
dich. Vor allem Mama machst du mit d<strong>ein</strong>er ewigen<br />
Heulerei traurig, dabei ist sie seit Papas Tod schon<br />
unglücklich genug«, erwiderte s<strong>ein</strong>e Schwester und<br />
verdrehte dabei genervt ihre Augen. »Sie ist übrigens<br />
verschwunden, deswegen habe ich dich geweckt«,<br />
fügte Lilly noch hinzu.<br />
Plötzlich war Leo hellwach. »Weg? Und das sagst<br />
du mir erst jetzt?« Er schnaubte wütend, stand auf<br />
und knuffte s<strong>ein</strong>er Schwester in die Seite. »Warst du<br />
schon bei Oma?«, wollte er wissen.<br />
4
»Natürlich, du Schlaumeier. Du sollst sofort zu<br />
ihr kommen.«<br />
Und so trottete Leo mit hängendem Kopf über<br />
die saftige Wiese zu s<strong>ein</strong>er Großmutter, die unter<br />
<strong>ein</strong>em der großen Elefantenbäume <strong>ein</strong> schattiges<br />
Plätzchen gefunden hatte. Hier und dort rupfte er<br />
sich <strong>ein</strong> <strong>bis</strong>schen Gras ab und als er bei ihr ankam,<br />
schaute sie mit ernstem Blick auf ihn herab.<br />
»Komm mit, Leo, ich habe dir etwas zu sagen«,<br />
m<strong>ein</strong>te sie, drehte sich um und ging los. Sie wusste,<br />
dass er ihr folgen würde, wortlos liefen sie <strong>ein</strong>e Weile<br />
neben<strong>ein</strong>ander her. Dann begann sie zu erzählen.<br />
»Weißt du, d<strong>ein</strong>e Mutter macht sich große Sorgen,<br />
weil du immer so traurig <strong>bis</strong>t. Und deshalb unternimmt<br />
sie <strong>ein</strong>e lange Reise, weil sie jemanden sucht,<br />
der dir vielleicht helfen kann.«<br />
Entsetzt sah Leo s<strong>ein</strong>e Großmutter an und <strong>zum</strong><br />
ersten Mal wurde ihm bewusst, was er mit s<strong>ein</strong>em<br />
Kummer angerichtet hatte.<br />
»Nun mach nicht so <strong>ein</strong> Gesicht, Leo, sie kommt<br />
ja wieder zurück. Mit d<strong>ein</strong>er Schwester habe ich<br />
geredet, aber sag den anderen bitte nichts.«<br />
»Aber ... kann ich irgendwas tun?«, stotterte Leo.<br />
»N<strong>ein</strong>, wir können nur warten«, erwiderte sie.<br />
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