Zwergerl Magazin März/April 2018
Das Familienmagazin in der Metropolregion München
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s14-25_red_mar18_Layout-zm 24.02.<strong>2018</strong> 12:29 Seite 16<br />
kaum beantworten. Weil Kinder ihre Mehrsprachigkeit ökonomisch nutzen,<br />
entwickeln sie in den jeweiligen Sprachen unterschiedliche Fähigkeiten.<br />
Was sie in der einen Sprache besonders gut ausdrücken können,<br />
daran hapert es in der anderen. Und was in der anderen ohne Probleme<br />
über die Lippen geht, bringen sie sonst nur schwer heraus. Wenn ein Kind<br />
z.B. auf Englisch schon recht gut Bleistift (pencil) und Füller (pen) auseinander<br />
halten kann, ihm das auf Deutsch aber schwer fällt, ist das noch<br />
lange kein Grund zur Sorge und zunächst einmal normal. Vielleicht bildet<br />
er dafür im Deutschen grammatikalisch öfter korrekte Sätze oder spricht<br />
fließender. Es ist also durchaus möglich, dass ein in Deutschland aufwachsendes<br />
Kind mit der Mutter Italienisch und mit dem Vater Japanisch<br />
spricht, während die Eltern untereinander Englisch reden. Das Kind wird<br />
sowohl in der italienischen, als auch in der japanischen Sprache flüssig<br />
sprechen lernen. Ab der Kindergartenzeit wird es ganz natürlich die deutsche<br />
Sprache erlernen und Englisch durch den täglichen Kontakt im Elternhaus<br />
soweit erwerben, dass es fast alles versteht. Ob es jemals<br />
anfängt, mit den Eltern Englisch zu sprechen, ist dagegen nicht sicher.<br />
Einen Einfluss, den eine Sprache auf eine andere ausübt gibt es sicherlich,<br />
denn jede Sprache hat ihre eigenen Regeln, was Grammatik, Wortbildung,<br />
Satzbildung, Strukturen anbelangt. Während der Mond im<br />
Deutschen männlich ist, ist er im Englischen und in vielen anderen Sprachen<br />
weiblich. Dagegen ist die im Deutschen weibliche Sonne in anderen<br />
Sprachen männlich. Ob es für Nomen ein Geschlecht gibt, zwei, drei<br />
oder gar vier, hängt auch von der Sprache ab. Bei mehrsprachigen<br />
Menschen beeinflussen sich alle erworbenen oder erlernten Sprachen<br />
ab einem gewissen Grad der Präsenz im Alltag gegenseitig. Das ist<br />
völlig normal und kann bei mehrsprachig aufwachsenden Kindern tatsächlich<br />
zu seltsamen sprachlichen Konstruktionen führen. Da kommt<br />
es schon mal vor, dass Eltern bei kreativen Wortschöpfungen wie<br />
“Where is my Lastwagen?” oder “Papa, voglio un kleinen Keks con<br />
Schokolade.” Kopfschmerzen bekommen. Aus der sprachlichen Entwicklung<br />
des Kindes heraus aber lassen sich die amüsanten Sätzchen<br />
aus Kleinkinds Mund einfach erklären: Häufig mischen Kinder zwischen<br />
dem zweiten und dritten Lebensjahr. Das liegt daran, dass ihnen buchstäblich<br />
die Worte fehlen: Was sie in der einen Sprache noch nicht<br />
sagen können, das leihen sie sich aus dem Wortschatz der anderen.<br />
Also: Alles im グリーン (grünen; jap. Anm. d. Red.) Bereich.<br />
Mehrsprachlichkeit in Kita und Schule<br />
Studien aus verschiedenen Ländern zeigen, dass zweisprachige Bildungsangebote<br />
dazu geeignet sind, die Ressourcen von zwei- und<br />
mehrsprachig aufwachsenden Kindern aufzugreifen, mit ihnen zu<br />
arbeiten und sie im Sinne einer Bildungsmehrsprachigkeit auszubauen.<br />
Bilinguale Kindergärten und Schulen oder zumindest Kindergärten und<br />
Schulen, die in den pädagogischen Alltag, in den Regelunterricht mehrsprachige<br />
Vorgehensweisen einbeziehen, wären ideal für zwei- und<br />
mehrsprachig aufwachsende Kinder aus Migrationsfamilien, aber auch<br />
für Kinder, die im Elternhaus deutschsprachig aufwachsen. Dennoch<br />
haben es diese Kinder in der einsprachigen deutschen Regelschule oft<br />
nicht leicht, weil sie den sprachlichen Erwartungen der Schule nicht<br />
entsprechen. Obwohl so viele Kinder zwei- und mehrsprachig aufwachsen,<br />
ist unser Bildungssystem weitestgehend darauf eingerichtet, mit<br />
einsprachig deutschen Kindern zu arbeiten. Es gibt zwar viele gute Einzelprojekte<br />
und verschiedene Maßnahmen für die Aus- und Fortbildung<br />
von Lehrkräften für den Umgang mit Mehrsprachigkeit. Diese Vorkehrungen<br />
genügen jedoch nicht und Kinder, die vor der Einschulung den<br />
sprachlichen Anforderungen ihrer Umgebungen gewachsen waren,<br />
drohen mit Eintritt in die Schule sprachlich – und damit auch leistungsmäßig<br />
– zu scheitern. Kinder können viele Sprachen lernen. Festzuhalten<br />
ist, dass kein Kind aufgrund von bilingualen Förderangeboten<br />
überfordert wird, im Gegenteil: die Kinder bekommen in solchen Angeboten<br />
die Möglichkeit, ihr gesamtes Sprachrepertoire zu benutzen<br />
und auszubauen. Auch der muttersprachliche Unterricht in den Migrationssprachen<br />
und frühe Fremdsprachenangebote sind zu begrüßen –<br />
vorausgesetzt, dass sie die individuellen Zugänge der Kinder berück-<br />
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