Gazette Schöneberg-Friedenau Nr. 3/2018
Gazette für Schöneberg und Friedenau - März 2018
Gazette für Schöneberg und Friedenau - März 2018
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8 | <strong>Gazette</strong> <strong>Schöneberg</strong> & <strong>Friedenau</strong> | März <strong>2018</strong><br />
Mit der Schellackplatte auf musikalische Zeitreise<br />
Exponat des Monats<br />
Ohne Zweifel gehört <strong>Friedenau</strong><br />
mit zu den beliebtesten Wohnlagen<br />
in Berlin. Gesucht, schön<br />
und preisintensiv sind hier die<br />
zutreffenden Attribute. Urbanität<br />
vereint sich hier auf eine<br />
ganz besondere Art mit grünen<br />
Oasen, die zum Verweilen einladen.<br />
Familien finden alles, was<br />
das Herz begehrt. Zudem sind<br />
hier zahlreiche kleine und mittelständische<br />
Unternehmen seit<br />
jeher angesiedelt. Sie schätzen<br />
die exponierte Lage wegen ihrer<br />
guten Anbindung und der hier<br />
herrschenden kreativen Atmosphäre.<br />
Cafés, Bars, kleine Lädchen<br />
mit Manufakturcharakter<br />
und angesagte Eisdielen runden<br />
das Bild. <strong>Friedenau</strong> ist heute chic,<br />
kreativ und frech und an einigen<br />
Stellen auch im Umbruch, denn<br />
an manchen Ecken wächst <strong>Friedenau</strong><br />
entgegen der luftigen<br />
150 Jahre alten Planungsmaxime<br />
von Johann Anton Wilhelm von<br />
Carstenn-Lichterfelde.<br />
„<strong>Friedenau</strong>, die Friedensaue –<br />
eine Aue, auf der es nach dem<br />
Friedensschluss zwischen Frankreich<br />
und Deutschland 1871 so<br />
ruhig und friedlich war“, befand<br />
Auguste Hähnel, die Frau des berühmten<br />
Baumeisters Herrmann<br />
Hähnel.<br />
Frischer Wind statt Industriemief<br />
Nach dem Vorbild der englischen<br />
Vorortkolonien im Landhausstil<br />
hatte Johann Anton Wilhelm<br />
von Carstenn-Lichterfelde schon<br />
1871 die Vision, dass Vororte<br />
„Lungenflügel der Großstädte“<br />
werden sollten. Damit sollte frischer<br />
Wind in die stickigen von<br />
Industrialisierung und Bevölkerungswachstum<br />
gezeichneten<br />
Städte gebracht werden. Für<br />
Carstenn´s Siedlungsplan wurde<br />
der Gartenstadtcharakter prägend:<br />
Von Bäumen gesäumte,<br />
breite Straßen münden da in<br />
zentral gelegene grüne Plätze.<br />
Springbrunnen in kleinen liebevoll<br />
bepflanzten Parkanlagen<br />
runden zusammen mit den Vorund<br />
Hausgärten der stattlichen<br />
Landhäuser dieses Bild. Das bei<br />
allen <strong>Friedenau</strong>ern bekannte Birkenwäldchen<br />
vor dem <strong>Friedenau</strong>er<br />
Gymnasium – am ehemaligen<br />
Maybachplatz – lässt mit seinen<br />
schattigen Baumkronen sogar ein<br />
wenig Waldgefühl aufkommen.<br />
Vielleicht saßen auch Egon Bahr,<br />
Peter Lorenz oder Friedrich Luft<br />
hier nach einem langen Schultag<br />
auf einer Parkbank im idyllischen<br />
Birkenwäldchen mit seinen üppigen<br />
Rhododendren, Magnolien<br />
und Eibenbüschen?<br />
Mit der Schellackplatte ins<br />
<strong>Friedenau</strong> der 30er-Jahre<br />
Das Lied „In <strong>Friedenau</strong>, da weiß<br />
ich eine kleine, süße Frau“ wurde<br />
durch seine einfache Melodie<br />
zu einem echten Ohrwurm. Der<br />
1902 geborene Paul Godwin, der<br />
mit bürgerlichem Namen eigentlich<br />
Pinchas Goldfein hieß, vertonte<br />
den 1927 von einem<br />
gewissen Amel geschrieben<br />
Text zusammen<br />
mit seinen Jazz-Symphonikern<br />
zu einem<br />
witzig-frechen Foxtrott.<br />
Paul Godwin<br />
war mit seinen<br />
unterschiedlichen<br />
Orchestern ein früher<br />
„Popstar“ und<br />
in den angesagten<br />
Berliner Tanzpalästen<br />
und Revuetheatern<br />
ein gefragter<br />
Künstler, beflügelt<br />
durch das damals revolutionäre<br />
neue Medium<br />
Radio. Der Delphipalast in der<br />
Berliner Kantstraße und das Revuetheater<br />
am Kurfürstendamm<br />
wurden zu seiner Bühne. Godwin<br />
spielte auch Kompositionen von<br />
Kurt Weil und arbeitete bis zur<br />
Machtergreifung der Nationalsozialisten<br />
1933 für den Tonfilm<br />
der UFA.<br />
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