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Flüchtlingsschicksale - Wie acht afghanische Jungen in Düsseldorf ein neues Leben beginnen wollten

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Ashraf will K<strong>in</strong>derarzt werden.<br />

Sie hätten sich <strong>in</strong> Iran kennengelernt, erzählen Abdullah und Ashraf, wo sie als<br />

illegale Tagelöhner gearbeitet hätten, nachdem ihre Familien Afghanistan<br />

wegen der andauernden Kämpfe verlassen hätten. Doch die neue Heimat war<br />

ebenfalls gefährlich. Polizisten hätten sie bei Ausweiskontrollen als Terroristen<br />

beschimpft und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Arrestzelle gesperrt. Sie könnten an der Seite Irans im<br />

Syrienkrieg kämpfen, sonst würden sie nach Afghanistan abgeschoben, hätten<br />

die Männer gesagt. Da, so hat Ashraf berichtet, seien sie geflüchtet.<br />

Jamil spricht von ähnlichen Erlebnissen. Ob die Bruchstücke, die sie sammeln,<br />

immer der Wahrheit entsprechen, wissen die Pädagogen nicht. <strong>Wie</strong> alle, die mit<br />

den <strong>Jungen</strong> umgehen, können sie nur vermuten, ob die Flüchtl<strong>in</strong>ge manches<br />

aus Scham verschweigen oder abwarten, mit welcher Geschichte ihre Chancen<br />

auf Asyl steigen.<br />

Jamil klopft auf das Gras. "Es gibt etwas, das wir nicht kapieren", sagt er. "In<br />

Syrien ist Krieg, ja. Aber wir wären vielleicht ebenfalls tot, wenn wir nicht<br />

geflohen wären! Doch nur Syrer bekommen schnell Ausweise und e<strong>in</strong><br />

Bleiberecht. Warum?"<br />

Herr Sameeian schweigt. Er hat den <strong>Jungen</strong> erklärt, dass die Fluchtgründe von<br />

Afghanen oft weniger schwer wiegen als jene der Syrer. Warum ihre Heimat<br />

e<strong>in</strong>igen Politikern trotz Terror und Taliban dennoch als e<strong>in</strong> Ort gilt, <strong>in</strong> den<br />

abgelehnte Asylbewerber abgeschoben werden können, versteht auch er nicht.<br />

"Wir stehen fest an eurer Seite", sagt er schließlich.<br />

Die Pädagogen haben Mappen angelegt, <strong>in</strong> denen sie alles dokumentieren,<br />

was die <strong>Jungen</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong> positives Licht rückt: Zertifikate über Sprachkurse,<br />

Belege über Praktika. Ashraf lernt stundenlang, notieren sie. Abdullah verkauft<br />

Kuchen im Café e<strong>in</strong>er Kirchengeme<strong>in</strong>de und spielt im Vere<strong>in</strong> Fußball. Karim hält<br />

sich an alle Regeln. Es wird ihnen später hilflos vorkommen, doch noch<br />

rechnen sie damit, dass solche Nachweise die Entscheider im Bundesamt für<br />

Migration und Flüchtl<strong>in</strong>ge bee<strong>in</strong>drucken könnten. Sie hoffen auch auf gute<br />

Zeugnisse, aber bislang können nicht e<strong>in</strong>mal alle <strong>Jungen</strong> täglich e<strong>in</strong>e Schule<br />

besuchen.<br />

Von kle<strong>in</strong> auf hat Jamil vom Vater gehört, wie wichtig Bildung sei. Immer lauter<br />

redet er. "Wann ist es endlich so weit? Wir wollen lernen!" Der Stillstand zehrt,<br />

neulich hat e<strong>in</strong>er Geschirr gegen die Wand geworfen, dann flogen Fäuste.<br />

"Achtung", er<strong>in</strong>nert Herr Sameeian, "unsere Regeln: Respekt im Umgang und<br />

im Ton. So kommen wir nicht weiter."<br />

http://www.spiegel.de/spiegel/fluechtl<strong>in</strong>ge-<strong>in</strong>-duesseldorf-wol…e-afghanen-e<strong>in</strong>-<strong>neues</strong>-leben-beg<strong>in</strong>nen-a-1195395-druck.html<br />

28.02.18, 11C03<br />

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