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Flüchtlingsschicksale - Wie acht afghanische Jungen in Düsseldorf ein neues Leben beginnen wollten

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"<strong>Wie</strong> dann?" Jamil kl<strong>in</strong>gt schneidend.<br />

Auch diese Frage kann Herr Sameeian im Moment nicht beantworten.<br />

Sozialpädagogen kümmern sich nur um den Alltag unbegleiteter M<strong>in</strong>derjähriger,<br />

die rechtlichen Entscheidungen trifft e<strong>in</strong> Vormund, die Hilfen ordnet e<strong>in</strong><br />

Fallführer im Jugendamt an. Und seitdem im Sommer mehr als 400<br />

unbegleitete m<strong>in</strong>derjährige Flüchtl<strong>in</strong>ge nach Düsseldorf kamen, häuft sich die<br />

Arbeit. Immer wieder wechseln Sachbearbeiter. Manchen Vormund erreichen<br />

die Betreuer wochenlang nicht.<br />

Als komme ihm e<strong>in</strong>e Idee, spr<strong>in</strong>gt Herr Sameeian auf und weist auf die<br />

gebrauchten Fahrräder neben der Terrasse. "Genug", sagt er. "lasst uns die<br />

Esel flottmachen!" Er bietet den <strong>Jungen</strong> <strong>in</strong> dieser Zeit lauter D<strong>in</strong>ge an, die sie<br />

aus eigener Kraft verändern können. Sie sollen sich bloß nicht so ohnmächtig<br />

fühlen, dass sie auf dumme Gedanken kommen.<br />

Anfang Juni, Masoom isst wenig und raucht viel. Während die anderen die<br />

Gegend erkunden, zieht er sich <strong>in</strong> se<strong>in</strong> Zimmer zurück. Er fühlt sich schuldig.<br />

Se<strong>in</strong> Cous<strong>in</strong> und er hätten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Lager Kampfe<strong>in</strong>sätze gegen den<br />

sogenannten Islamischen Staat tra<strong>in</strong>ieren müssen, erzählt er. Sie hätten<br />

beschlossen wegzulaufen. Am Ende sei nur er, Masoom, dem Beschuss<br />

entkommen. Es wirkt, als h<strong>in</strong>dere jede Nachricht aus der Heimat den <strong>Jungen</strong><br />

daran, sich e<strong>in</strong>zuleben. E<strong>in</strong> Freund hat sich getötet, dem Bruder geht es<br />

schlecht. Hört Masoom nichts, verzweifelt er genauso.<br />

Auch die anderen kämpfen mit dem Sog von Skype und Facebook. Wenn die<br />

Mütter schluchzen und die Väter von Schleusern berichten, die Geld<br />

nachfordern, we<strong>in</strong>en die <strong>Jungen</strong> <strong>in</strong> ihren Düsseldorfer Zimmern. Masoom weiß<br />

sich an manchen Tagen nur zu helfen, <strong>in</strong>dem er sich verletzt. Über se<strong>in</strong>e Arme<br />

ziehen sich Narben.<br />

An e<strong>in</strong>em Julitag trägt Herr Sameeian Kartons durch das Treppenhaus e<strong>in</strong>es<br />

weitläufigen Wohnblocks. Ashraf und Abdullah sollen nun alle<strong>in</strong> leben, nur noch<br />

zwei Stunden am Tag wird sich e<strong>in</strong> Kollege um die beiden kümmern. Bis zum<br />

Morgengrauen saßen sie mit den anderen <strong>Jungen</strong> im braunen Haus auf dem<br />

Teppich und knackten Sonnenblumenkerne. Sie haben ihr Zimmer für<br />

Flüchtl<strong>in</strong>ge geräumt, die noch immer <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Turnhalle leben.<br />

Sie müssten es als Belohnung ansehen, sie hätten sich bewährt, hatte Herr<br />

Sameeian sie getröstet, als Abdullah traurig sagte: Kaum angekommen und<br />

schon wieder weg. Mittlerweile f<strong>in</strong>det der Junge, dass er se<strong>in</strong>em Ziel nun noch<br />

näher ist - e<strong>in</strong>em <strong>Leben</strong>, wie es die Deutschen führen. Pfeifend räumt er die<br />

Regale e<strong>in</strong>.<br />

http://www.spiegel.de/spiegel/fluechtl<strong>in</strong>ge-<strong>in</strong>-duesseldorf-wol…e-afghanen-e<strong>in</strong>-<strong>neues</strong>-leben-beg<strong>in</strong>nen-a-1195395-druck.html<br />

28.02.18, 11C03<br />

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