E_1934_Zeitung_Nr.098
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N° 98 — <strong>1934</strong> AUTOMOBIL-PEVUE<br />
Schweizerische Rundschau<br />
Der Steuervogt geht um!<br />
In den Kantonen ist man zur Zeit mit der<br />
Bereinigung der Budgets für das kommende<br />
Jahr beschäftigt. Ueberall wird wegen krisenhaftem<br />
Rückgang der Einnahmen und gleichzeitigem<br />
Anschwellen der Ansprüche an die<br />
Staatskasse nach neuen Einnahmequellen gefahndet.<br />
Da erinnert man sich mit Vorliebe<br />
des Umstandes, dass die Verkehrsabgaben<br />
bisher recht ergiebig waren und glaubt nun,<br />
der Finanzmisere am einfachsten dadurch abhelfen<br />
zu können, dass auch die Motorfahrzeugsteuern<br />
und -gebühren wieder einmal erhöht<br />
würden. In einzelnen Kantonen versucht<br />
man es gar nicht einmal, die in Aussicht genommene<br />
Massnahme irgendwie beschönigen<br />
zu wollen. Andernorts wieder will man die<br />
bittere Pille entweder mit der Versicherung<br />
versüssen, es handle sich um eine « bescheidene<br />
» Erhöhung, oder dann glaubt man die<br />
Interessenten mit dem Hinweis trösten zu<br />
können, dass der betreffende Kanton noch<br />
lange nicht die höchsten Steuern in der Eidgenossenschaft<br />
habe.<br />
In St. Gallen wurde der Reigen im Grossen<br />
Rat bei der Behandlung der Staatsrechnung<br />
eröffnet. Bern folgte mit seinem Finanzprogramm,<br />
das ebenfalls eine Erhöhung der Motorfahrzeugsteuern<br />
vorsieht. In Graubünden<br />
möchte man zur Verzinsung der noch zu konsolidierenden<br />
Strassenbauschuld die Verkehrsabgaben<br />
hinaufsetzen. Nun kommt auch<br />
Genf und schlägt eine Revision der jetzigen<br />
Besteuerung von Motorfahrzeugen vor. Ueberall<br />
errechnet man eine entsprechende Mehreinnahme<br />
für den Staat. Aber schon der<br />
Rückgang des Motorfahrzeugbestandes in den<br />
letzten beiden Jahren, der geringere Ertrag<br />
des Benzinzolles ,die immer mehr um sich<br />
greifende Betriebseinstellung von Automobilen<br />
in der toten Saison sollten wahrlich genügend<br />
Anzeichen dafür sein, dass die vorerwähnte<br />
Rechnung doch einen Fehler enthalten<br />
muss.<br />
Die fiskalische Belastung des Motorfahrzeuges<br />
hat eben seine obere Grenze fast<br />
durchwegs erreicht. Wird sie überschritten,<br />
so ist für viele Hunderte von Fahrzeughaltern<br />
der Betrieb einfach zu teuer, und es bleibt<br />
ihnen nurmehr die Stillegung des Wagens<br />
oder dann noch dessen beschränkte Benützung<br />
während weniger Monate übrig. Dass<br />
auf diese Weise der Fiskus selbst bei erhöhten<br />
Ansätzen kein besseres Geschäft macht,<br />
Sind die<br />
mechanischen Bremsen<br />
hart betroffenen einheimischen Lastwagenfndustrie<br />
neue Arbeitsgelegenheiten zu vernicht<br />
ganz in Ordnung, dann besser<br />
nicht zuwarten, bis ein Unfall da<br />
ist. Lassen Sie uns einfach Ihren<br />
Wagen jetzt durchsehen! Vielleicht<br />
fehlt's an der mangelhaften Einstellung<br />
der Bremsen, vielleicht<br />
muss der abgenützte Bremsbelag<br />
ersetzt werden. Auf alle Fälle erfolgt<br />
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ausgebildetes Personal unter<br />
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Anruf, wann Ihr Wagen abgeholt<br />
werden darf.<br />
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ist gewiss. Dazu kommt die Schädigung des<br />
Autogewerbes, der Minderertrag des Benzinzolles<br />
wegen geringerem Brennstoffkonsum<br />
und was derlei unerfreuliche Nebenerscheinungen<br />
noch mehr sind.<br />
Wir scheinen in der Schweiz genau den<br />
gleichen Weg einschlagen zu wollen, den<br />
man bis zum politischen Umschwung in<br />
Deutschland beschritt. In der Meinung, dass<br />
das Automobil ein Steuerobjekt sei, das immer<br />
wieder eine neue Drehung der Steuerschraube<br />
ertrage und am leichtesten ertrage,<br />
türmten sich die Steuern und Abgaben aller<br />
Art bis ein geradezu katastrophaler Rückgang<br />
der zum Verkehr angemeldeten Fahrzeuge<br />
eintrat, dafür aber sich die ausser Betrieb<br />
gesetzten Wagen in Garagen und Remisen<br />
häuften und der Neuankauf überhaupt<br />
praktisch aufhörte. Die staatlichen Einkünfte<br />
aus dem Kraftverkehr sanken zusehends,<br />
die einheimische Industrie wurde geschwächt,<br />
die Arbeitslosigkeit in der Branche<br />
nahm zu und der Steuervogt musste dem<br />
Betreibungsbeamten Platz machen, aber Geld<br />
floss deshalb nicht mehr in die Staatskasse.<br />
Das neue Regime hat mit diesem wirtschaftlichen<br />
und fiskalischen Unsinn aufgeräumt.<br />
Steuererleichterungen aller Art, Unterstützung<br />
von Automobil-Industrie und Gewerbe,<br />
zweckmässige Aenderung der Verkehrsvorschriften<br />
usw. haben Deutschland nun einen<br />
geradezu amerikanisch anmutenden Aufschwung<br />
des Motorfahrzeugwesens gebracht.<br />
Dabei macht der Staat ein besseres Geschäft<br />
als früher. Müssen wir in der Schweiz<br />
nun wirklich zuerst den nämlichen Leidensweg<br />
gehen, bevor unsere Politiker und Behörden<br />
einsehen, dass sie mit weiteren Steuern<br />
nur die Quellen selbst verstopfen, die<br />
dem Fiskus die so notwendigen Einnahmen<br />
zufliessen Hessen.<br />
Freilich wird sich das Volk da und dort<br />
selbst zur Wehr setzen, bevor es so weit ist.<br />
St. Gallen hat dies erfahren, als die geplanten<br />
Mehrsteuern mit überwältigendem Mehr<br />
abgelehnt wurden, die Genfer Finanzkünstler<br />
haben kürzlich eine ähnliche Schlappe<br />
erlitten. Verkehr, Handel und Gewerbe sind<br />
mit Steuern nachgerade tibersättigt.<br />
Es muss der Finanzausgleich der Ausgabenseite<br />
durch konsequente Angleichung der<br />
Ausgaben an die voraussichtlichen Einnahmen<br />
erfolgen. Was im allgemeinen für die Steuern<br />
überhaupt gilt, trifft im speziellen auch<br />
für die Sonderausgaben aus dem Motorfahrzeugverkehr<br />
zu. Dort liegen die Verhältnisse<br />
für den Staat aber noch um so günstiger,<br />
als bei einer Besteuerung, die sich in wirtschaftlich<br />
tragbaren Rahmen hält, selbst<br />
heute noch sogar mit einer Steigerung der<br />
Erträgnisse gerechnet werden kann. Darum<br />
Schluss mit dieser kurzsichtigen Politik. Sie<br />
schadet mehr als sie auch nur im entferntesten<br />
dem Fiskus nützen kann. ß<br />
Neue Arbeitsbeschaffung durch<br />
Automobilmontage.<br />
Es ist in dieser Richtung bereits ein grundlegender<br />
Vorstoss unternommen und ein<br />
recht erfreuliches Resultat durch die bekannte<br />
Montage von Dodge- und Chrysler-<br />
Automobilen in den- Werkstätten der Ad.<br />
Saurer A.G. in Arbon erzielt worden. Im<br />
dortigen Betriebe selbst konnten mehr als<br />
hundert Mann dauernde Beschäftigung finden.<br />
Im Zusammenhang damit hat auch die<br />
Zubehörindustrie eine willkommene Belebung<br />
erfahren.<br />
Seitdem haben mehrere ausländische Automobilfabriken<br />
mit bedeutenderem Absatz in<br />
der Schweiz die Möglichkeiten einer Montage<br />
in unserem Lande geprüft. Diese waren<br />
zum vorneherein recht beschränkt, indem<br />
der Bundesratsbeschluss vom 26. Januar<br />
<strong>1934</strong> betreffend Förderung der Automobilmontage<br />
die zu gewährenden Erleichterungen<br />
davon abhängig machte, dass die Montage<br />
in einer bereits bestehenden Fabrik oder<br />
Konstruktionswerkstätte stattfinde, wie dies<br />
aus dem nachfolgenden Text des vorerwähnten<br />
Beschlusses hervorgeht:<br />
1. Zwecks Beschaffung von Arbeit wird die Zollverwaltung<br />
ermächtigt, 30—50% des Einfuhrzolles<br />
von zerlegt eingeführten Chassis für Personenautomobile<br />
an bestehende Automobilkonstruktionswerkstätten<br />
oder Maschinenfabriken rückzuvergüten, welche<br />
die Montage und die Karossierung ganz oder<br />
teilweise unter Verwendung von Zubehörteilen<br />
schweizerischer Fabrikation besorgen. Der Satz der<br />
Rückvergütung wird von der Oberzolldirektion im<br />
Verhältnis zur geleisteten Schweizerarbeit und zu<br />
den eingebauten Teilen schweizerischer Herkunft bestimmt.<br />
Von der Rückvergütung sind Chassis für Lastwagen,<br />
Cars und Omnibusse ausgeschlossen; ebenso<br />
werden keine Rückvergütungen bewilligt an neu zu<br />
gründende Montagewerkstätten.<br />
2. Die zur Montage und Teilfabrikation von'Personenautomobilen<br />
(Tourenwagen) eingeführten fertigen<br />
Chassis- und Karosseridbestandteile werden<br />
zum Ansatz des fahrbereiten karossierten Wagens<br />
zugelassen.<br />
3. Dieser Beschluss gilt bis Ende 1936.<br />
Die Idee war an und für sich richtig, durch<br />
die Montage bereits bestehenden Betrieben<br />
und vorab der durch die Krise besonders<br />
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gros<br />
schaffen. Nun spielt aber für die Aufnahme<br />
einer grössern Fabrikation oder Montage die<br />
Standortfrage eine ausschlaggebende Rolle,<br />
indem Transportspesen, Arbeitslöhne und<br />
Lebenskosten selbst innerhalb eines kleinen<br />
Landes recht unterschiedlich sind und die<br />
Gestehungskosten entscheidend beeinflussen<br />
können. Im fernem schien es ratsam, besonders<br />
auch auf die durch die Krise am meisten<br />
in Mitleidenschaft gezogenen Gebiete<br />
Rücksicht zu nehmen und diesen die Ansied-<br />
Iung neuer Industrien zu erleichtern. Die ursprünglich<br />
gemachte Einschränkung in Bezug<br />
auf die Automobilmontage wurde daher<br />
fallen gelassen und ein neuer Bundesratsbeschluss<br />
vom 29. November <strong>1934</strong> zur Regelung<br />
der Materie mit folgendem Wortlaut<br />
gefasst :<br />
1. Zwecks Beschaffung von Arbeit wird die Zollverwaltung<br />
ermächtigt, 30—50% des Einfuhrzolles<br />
von zerlegt eingeführten Chassis für Personenautomobile<br />
an Firmen rückzuvergüten, welche die Montage<br />
und die Karossierung ganz oder teilweise unter<br />
Verwendung von Zubehörteilen schweizerischer<br />
Fabrikation besorgen. Der Säte der Rückvergütung<br />
wird von der Oberzolldirektion im Verhältnis zur<br />
geleisteten Schweizerarbeit und den eingebauten<br />
Teilen schweizerischer Herkunft bestimmt. Die Kontrolle<br />
durch die Oberzolldirektion bleibt ausdrücklich<br />
vorbehalten.<br />
Von der Rückvergütung sind besonders Chassis<br />
für Lastwagen, Lieferungswagen, Cars und Omnibusse<br />
ausgeschlossen.<br />
Die Montage von Lastwagen, Lieferungswagen<br />
usw mit aus dem Auslande eingeführten Teilen ist<br />
während der Dauer dieses Beschlusses untersagt.<br />
Auch im Falle des Verzichtes auf die Zollrückvergütung<br />
darf ohne Zustimmung des Bundesrates dia<br />
Fabrikation von Lastwagen nicht aufgenommen werden.<br />
2. Die zur Montage und Teilfabrikation der unter<br />
Ziffer 1 genannten Personenautomobile eingeführten<br />
fertigen Chassis- und Karosseriabestandteils<br />
werden zum Ansätze des fahrbereiten karossierten<br />
Wagens zugelassen.<br />
3. Die Zollrückvergütung kann, pro montierende<br />
Firma, auf eine bestimmte Mindest- oder Höchstzahl<br />
zu montierender Automobile beschränkt werden.<br />
4. Die Vorschriften über die Beschränkung der<br />
Einfuhr bleiben vorbehalten.<br />
5. Dieser Beschluss gilt bis Ende 1939 und tritt<br />
an die Stelle des Beschlusses vom 26. Januar <strong>1934</strong>.<br />
Wie nun in der Zwischenzeit bekannt<br />
wurde, ist das Projekt der General Motors<br />
der eine Anzahl Marken wie Chevrolet,<br />
Buick, Oldsmobile angehören, eine grosse<br />
Montageabteilung in der Schweiz aufzunehmen,<br />
am weitesten gediehen. Bereits fanden<br />
Verhandlungen mit einer Reihe bestehender<br />
Fabriken statt, die aber bisher zu keinem<br />
Abschluss führten.<br />
(Fortsetzung Seite 11.)<br />
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