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E_1935_Zeitung_Nr.100

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N° 100 — FREITAG. 13. DEZEMBER <strong>1935</strong> AUTOMOBIL-REVUE<br />

F E U I L L E T O N<br />

Blumenhölle am Jacinto.<br />

Urwalderlebnis.<br />

Fortsetzung von Seite 1.<br />

sie streifen, Gesicht, Brust, Hände und die<br />

nackten Knie mit brennenden Blasen. Ameisen<br />

kneifen empfindlich, Grasblutegel versuchen,<br />

sich an unsern blossen Körperteilen<br />

festzusaugen. Zeitweilig treten wir unversehens<br />

auf einen dicht überwucherten, vermoderten<br />

Baumriesen, versinken unter aufstiebenden<br />

Wolken von Miasmen bis an die<br />

Hüften und erwarten in fatalistischer Ruhe<br />

den Biss einer giftigen Schlange, die wir vielleicht<br />

in ihrem Nest aufstörten. Erst wenn wir<br />

zwei fluchend wieder herauskletterten, krebsen<br />

die Indianer, auf deren Rücken das Gepäck<br />

in Tornisterform hängt, mit ihren dürren<br />

Armen im morschen Holze herum. Und<br />

schmatzend stecken sie die gefundenen, sich<br />

quälvoll krümmenden, daumendicken, fahlen<br />

Maden in den Mund oder in die kleinen Binsentaschen,<br />

die an ihren Hüften baumeln.<br />

Streckenweise ist die Luft des Sertao trokkeii<br />

und stechend wie in der Wüste. Es<br />

scheint dann, als ob man durch eine heisse,<br />

unsichtbare Mauer in einen unsichtbaren<br />

Flammenkessel bricht, ihn durchtaumelt und<br />

dann durch einen neuen, unsichtbaren Wall<br />

in ein ebenso heisses, uns aber feucht und<br />

triefend umklammerndes Treibhaus tritt.<br />

Grosse, bunte Pilze wachsen da in abenteuerlicher)<br />

Formen und Grossen. Merkwürdige<br />

Blumen, mit Stacheln oder wolligen Haaren<br />

bedeckt, stehen in dichten Haufen. Farnrispen<br />

voti vier Meter Länge, an denen oft faustdicke,<br />

ekelhafte, pelzbekleidete Vogelspinnen<br />

hocken, umgeben uns.<br />

Auch erblicken wir gigantische Baumstrünke,<br />

eng bekleidet von purpurnem Efeu.<br />

Und auf diesem roten Untergrund haften Hunderte<br />

walnussgrosser, metallgrüner Fliegen;<br />

tȟt halb angezogenen Schwingen, gespreizten<br />

meinen und langen schwarzen Saugrüsseln.<br />

Aber es sind keine Insekten, o nein! sondern<br />

Orchideen.<br />

Plötzlich rasseln und dröhnen Trommeln<br />

durchs Sertao! «Well, jetzt ist's aus, gleich<br />

fliegen Pfeile!» ruft Henderson und nimmt<br />

das Gewehr handlich.<br />

Wie kindhaft lächerlich und doch gleichzeitig<br />

heimlich drohend sich dieses hölzerne<br />

Klappern anhört! Und langsam ist der<br />

Rhythmus, beinahe im Dreivierteltakt. Tres<br />

hebt die Hand,' flüstert hörbar: «Senhor, es<br />

bedeutet Freundschaft, und wir werden eingeladen,<br />

von-unsern Stammesbrüdern!» Während<br />

ich mich noch wundere, wie dieser<br />

Indianer das alles aus dem monotonen Trommeln<br />

heraushört, und ich auf einmal jetzt erst<br />

bemerke, dass er und seine Genossen ja das<br />

flache Gesicht der Caripunhas haben,<br />

schweigt das harte Dröhnen im Urwalde.<br />

Lautlos, braunen Schatten gleich, schlüpfen<br />

Gestalten aus dem Dunkel der sich verneigenden<br />

Riesenfarne, und über ein Dutzend<br />

Indianer umringen uns. Sie sind völlig nackt,<br />

unter Mittelgrösse und mager, haben Binsentaschen<br />

an den Hüften, in denen, wie ich<br />

weiss, die sorgfältig in grüne Blätter verpackten<br />

Giftpfeile stecken. In der Rechten<br />

tragen sie das ihre Köpfe überragende Blasrohr,<br />

in der Linken., eine kurze Keule aus<br />

glänzendem Holze. Ünhörbäre und tückische<br />

Waffen!<br />

Aber die flachen Gesichter unter den Ponyhaaren<br />

sind in freundliche Falten gelegt, von<br />

den breiten Lippen zischen und gurgeln Worte.<br />

Dos übersetzt einsilbig: «Coronel Naimez<br />

tot, Kautschuksklaven frei und dankbar!»<br />

«Was wurde aus Juan und den andern?»<br />

erkundigte ich mich. Wieder plappern und<br />

zischen die Indianer unter sich, und Dos sagt<br />

dann: «Die Köpfe von Numez und Juan sind<br />

in den Hütten der Caripunhas. Die andern<br />

entflohen, alles ist verbrannt!»<br />

Henderson wendet sich an mich:'«Beim<br />

Donner, ich bin doch froh, dass wir die drei<br />

Kerle ziemlich anständig behandelten, sonst<br />

würden unsere Köpfe den beiden andern<br />

bald Gesellschaft leisten. Uebrigens, sicher<br />

sind wir nicht, diese Roten sind so launisch<br />

und wetterwendisch wie Babys, schätze ich!»<br />

Wir folgen den Caripunhas, die schnatternd<br />

voranhüpfen. Leises Rauschen zu beiden<br />

Seiten sowie hinter uns verrät, dass noch<br />

mehr Indianer in der Runde verborgen mit<br />

uns Schritt halten. Zeitweilig schwanken und<br />

zittern die hohen zwanzig Schritt entfernten<br />

Farnwedel.<br />

Greller Sonnenschein fliesst uns plötzlich<br />

entgegen, hüllt uns in heisse, trockene Wogen,<br />

und als meine aus dem grünen Dämmerlichte<br />

kommenden Augen wieder unterscheiden<br />

können, sind wir auf einer kleinen Lichtung,<br />

wo Gras niedrig und fettglänzend<br />

spriesst. Hinter uns, rechts und links ragt<br />

das lianenbehangene Sertao.<br />

würdig hoch. In ihrem Innern schwebt blauer<br />

Rauch nach oben, zerteilt sich zwischen den<br />

vielen Hängematten, die nebeneinander und<br />

zu vieren, fünfen übereinander bis unters<br />

Dach hinauf baumeln. Etwa drei Dutzend<br />

Männer, klein und nackt, freundlich grinsend,<br />

und ebenso viele Frauen, kleine gelbbraune,<br />

ältere und jüngere, blicken aus, scheuen Augen<br />

uns entgegen, drängen sich im Vordergrund.<br />

Kinder spielen, krabbeln im Grase<br />

herum wie braune Riesenkäfer. Sitzen mit<br />

weit aufgerissenen Augen da, brüllen und<br />

schreien plötzlich aus Leibeskräften und verbergen<br />

ihre komischen •Gesichter. Unter dem<br />

Dach der kleinen Hütte hockt vor dem auf<br />

Holzkohlen stehenden Topfe ein verrunzeltes,<br />

scheussliches Wesen, ich weiss nicht, ob<br />

Mann, Affe oder Weib, rührt mit einem Stabe<br />

in dem Gefäss herum und funkelt uns aus<br />

winzigen Pupillen an.<br />

Der Zauberer bei der Pfeilgif tbereitung!<br />

Dahinter breitet sich der seidigblaue, von<br />

einzelnen braunen Schilfbüscheln bekleckste<br />

Spiegel einer Lagune aus. Abgeschlossen vom<br />

Horizont durch die dunkle Wand des drohenden<br />

Sertao.<br />

Die Caripunhas lachten laut, hüpften'uns<br />

mit allen Zeichen von Freundschaft entgegen,<br />

aber gleichzeitig rasselten Trommeln, flache<br />

Kürbisinstrumente, von zähnefletschenden<br />

Männern mit Stöcken bearbeitet.<br />

Ein Gefühl von lauernd verborgener Gefahr,<br />

gleichzeitig wilder Trotz und Kampfesmut<br />

erwachen in mir. Es sind die Trommeln.<br />

Trommeln, Trommeln! Ueberall bei den<br />

primitiven Völkern, unter denen ich weilte, in<br />

allen Erdteilen, finden sich diese scheinbar<br />

eintönigen Instrumente. Und nicht nur zufällig<br />

haben zivilisierte Heeresmächte ebenfalls<br />

Trommeln. Heeresmacht — Zivilisation, wie<br />

seltsam sich doch diese zwei Worte gegenüberstehen.<br />

Trommeln überall in der Welt.<br />

Und dieses barbarische Urinstrument peitscht<br />

die niedern Instinkte der Menschen, selbst der<br />

höchstkultivierten, zu heller verzehrender<br />

Flamme an.<br />

Trommeln! Wo Trommeln sind, da ist<br />

auch Krieg!<br />

Hunde zahne.<br />

Der vierte Tag unseres Aufenthaltes bei<br />

den Caripunhas neigt sich dem Ende entgegen.<br />

Es ist ein sonderbares Dorf, und merkwürdige<br />

Menschen bewohnen es.<br />

Manche Affenrasse mag mehr Stammesgefühl<br />

haben als diese Leute. Denn sie hausen<br />

nur deshalb in vielköpfigen Sippen beieinander,<br />

weil das für den einzelnen grössere<br />

Sicherheit,,gewährt. Sonst, kümmert sich kei-<br />

Vor uns erheben sich zwei Hütten, die eigentlich<br />

nur aus Stützpfeilern und Dach bestehen.<br />

Die eine ist winzig, die andere merkner<br />

uin den Nächsten. Ein Oberhaupt oder<br />

den Kaziken gibt es nicht, jeder, tut, was er<br />

will, keiner fragt den andern. Hat die eine<br />

Familie gerade zu essen, weil der Mann einen<br />

Affen mit dem tückischen Blasrohr erlegte,<br />

so hungert vielleicht der Nachbar mit Weib<br />

und Kind, weil er entweder Unglück auf der<br />

Jagd hatte oder zu faul war, ins Sertao auf<br />

die Suche nach Fleisch und Früchten zu<br />

schleichen.<br />

Speer, Pfeil und Bogen, die Angel, womit<br />

sie die in der Lagune wimmelnden Fische<br />

fangen könnten, denn selbst der Piranha ist<br />

fett und sehr schmackhaft!, kennen sie nicht. •<br />

Das Blasrohr mit dem schwachen, meuchelnden<br />

Miniaturpfeil, den der Mund eines sechsjährigen<br />

Knaben auf seinen tödlichen Flug<br />

schicken kann, ist die Waffe, die ihnen Nahrung<br />

verschafft, und die sie verteidigt.<br />

Sie beten das Feuer an, das sie sehr geschickt<br />

mit dem Holzquirl in einem mit Feuerschwammfasern<br />

gefüllten Loch im hohlen<br />

Baum erzeugen. Es ist ihr guter Gott! Böse<br />

Wesen birgt die Nacht, in ihr -wimmelt es von<br />

geheimnisvollen Schatten und Kräften. Und<br />

wenn Urumuha, der elektrische Sturm, mit<br />

Blitz und Donner durchs Sertao rast, verbergen<br />

die Caripunhas ihre Gesichter dn den<br />

Hängematten.<br />

Merkwürdig, die feuchte, dornige, von<br />

feindlichen Tieren wimmelnde Natur hat diesen<br />

Menschen den ersten Pfad, der zur Zivilisation<br />

führt, gewiesen: Häuser zu bauen,<br />

so einfach sie auch sein mögen, und Betten<br />

in Form von Hängematten zu flechten. Sie<br />

braten das Fleisch aiuf glühenden Kohlen,<br />

rösten Bananen, Paranüsse und Maniokwurzeln,<br />

essen sie aber ebenso gern roh. Salz<br />

kennen sie nicht. Kerbtiere und gewisse En-<<br />

gerlinge sind Leckerbissen.<br />

In erster Linie dient das Feuer dazu, Pfeilgift<br />

zu bereiten, die nackten Glieder in den<br />

feuchten Nächten zu wärmen, und mit dichtem<br />

Qualm die gierigen Moskitos zu verjagen.<br />

Einige Männer und Frauen tragen<br />

schmale* Bastgürtel um die Lenden, aber<br />

nicht aus Schamgefühl, das sie überhaupt<br />

nicht kennen, sondern zum Schutz vor Verletzungen<br />

im dornigen Gestrüpp.<br />

Aber seltsam, bei diesen auf so niedriger<br />

Stufe stehenden Menschen ist es Brauch,<br />

dass man Ehebruch, der häufig vorkommt,<br />

bestraft. Die Schuldigen werden an einen<br />

Baum am Ufer des Wassers gebunden, und<br />

das Weitere besorgen die Krokodile.<br />

(Fortsetzung folgt.)<br />

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