E_1936_Zeitung_Nr.002
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N°2 — DIENSTAG, 7. JANUAR <strong>1936</strong><br />
F E U I L L E T O N<br />
Blumenhölle am Jacinto.<br />
Fortsetzung von Seite 2.<br />
Wir sind hundemüde, sinken in die Hänge<br />
matten und starren uns rauchend an. Manch<br />
mal stösst einer etliche Worte hervor, di<<br />
sich auf Kautschuk oder Spiel- und Tanzhöllen<br />
in Remate de Males beziehen. Häufig<br />
wälzen wir uns beide im Fieber. Und manchmal,<br />
sehr selten! wenn wir ganz normal füh<br />
len, werfen wir die Frage auf, ob uns die<br />
Blasrohrindianer wohl zufällig finden werden.<br />
Sehr bequem könnten sie uns abschiessen!<br />
Entweder während wir getrennt unserer<br />
Arbeit nachgehen, oder wenn wir den Schla<br />
der Erschöpfung, der von hässlichen Traum-<br />
«esichten durchzuckt ist, schlafen.<br />
Denn gegen Blasrohrindios ist der Gummisucher,<br />
der oft allein, höchstens zu zweit,<br />
oder wenn es sich um einen Halbindianer<br />
handelt, mit Frau und Kindern in der Wildnis<br />
haust, wehrlos.<br />
Die kleinen, bunten Pfeilchen schwirren<br />
mit einmal aus dem Sertao heraus. Nachher<br />
rasseln ein paar hölzerne Trommeln, und<br />
dann schweigt die Wildnis wieder.<br />
Oder wenn es nicht die hübschen Pfeilchen<br />
sind, dann schwirren vergiftete Dornen<br />
die am breiten Ende in einem Tonkügelchen<br />
stecken, durch die Luft. Und bei diesem Angriff<br />
sieht man nicht einmal den Tod nahen<br />
Selbst ihn zu spüren hat man kaum Zeit<br />
denn die Gifte der Blasrohrmänner wirken<br />
blitzartig!<br />
Tag für Tag schreiten Pedro und ich unsere<br />
«Strasse» ab. Nach gewissen Zeiträumen,<br />
wenn wir genügend zähen, milchweissen<br />
Kautschuksaft haben, räuchern wir ihn, damit<br />
er schön fest gerinnt und nachher in<br />
Blätter verpackt werden kann. Tagelang,<br />
von morgens bis abends und noch in die halbe<br />
Nacht dazu, kauern wir vor den Feuern, über<br />
denen der Kautschuk feste Form annimmt.<br />
Dichte Dämpfe entsteigen dem Projekt und<br />
hüllen uns ein, dringen in unsere Lungen,<br />
beissen in unsere Augen. Und diese Dämpfe<br />
sind äusserst giftig!<br />
Hat der Seringueiro seine Familie bei sich,<br />
so besorgen Frau und Kinder das Räuchergeschäft.<br />
Arme Geschöpfe, die diese gefährlichen<br />
Dämpfe einatmen müssen!<br />
Der Raubbau, den wir an den Gummibäumen<br />
tagtäglich betreiben, bringt sie zum<br />
schnellen Absterben. Bald müssen wir eine<br />
neue Estrada suchen. Und haben wir Glück,<br />
so kehren wir mit vielen Zentnern Kautschuk,<br />
die in gebrechlichen Kanus verstaut<br />
wurden, nach den Ansiedlungen zurück. Der<br />
Händler, der uns ausrüstete, verdient dann<br />
ein paar tausend Prozente, und die Senhoritas<br />
und Pfahlbauspielhöllen bekommen den<br />
Rest des Verdienstes. Der Seringueiro geht<br />
in die Wildnis zurück.<br />
. Doch die Zeiten der «Kautschukfreibeuter»<br />
und der «Gummisklaven» neigen sich rasch<br />
ihrem Ende entgegen. Und es ist gut so!<br />
Allenthalben am Amazonas legte man Plantagen<br />
an, wo der Gummi systematisch und<br />
ökonomisch gewonnen wird. In den britischen<br />
Malaienstaaten, in Borneo und auf den Philippinen<br />
bestehen seit Jahrzehnten gewaltige<br />
Plantagen, deren Erträgnisse mehr und mehr<br />
anwachsen. Henry Ford kaufte Grundbesitz<br />
in Brasilien, um Gummiplantagen anzulegen.<br />
Die Zeit der romantischen Gummipiraten,<br />
die sich auch nicht scheuen, wenn die Gelegenheit<br />
sich bietet, Indianerkinder zu stehlen,<br />
die man gewinnbringend an Plantagenbesitzer<br />
verkaufen kann — diese Zeit geht zu<br />
Ende. Die Gewinnung des schwarzen Goldes,<br />
das soviel Elend gebar und an dem mehr<br />
Blut klebt, als auf den grössten Schlachtfeldern<br />
Europas geflossen ist, ist in friedliche,<br />
rationelle Bahnen gelenkt worden,<br />
Aber solange der Mensch noch nicht zur mechanisch<br />
denkenden und handelnden Maschine<br />
geworden ist, solange es noch Abenteurer In<br />
der Welt gibt, die ihr Leben auf nichts gestellt<br />
haben ••— solange werden auch gewissenlose<br />
Händler jene Männer, die Vergessenheit<br />
und Romantik im Sertao suchen, mit Kanus<br />
und Proviant ausrüsten. Und ganz wird<br />
der Beruf der «wilden Gummisucher» wohl<br />
nie aussterben. Ebensowenig wie der des Orchideensuchers,<br />
trotz allen Versuchen und<br />
Erfolgen jener Leute im Lande Thüringen!<br />
Drip, drip! tropft das Wasser von den<br />
Paddeln, und langsam weicht das Sertao mit<br />
der Estrada der Gummibäume, wo ein Mensch<br />
das schwarze Gold sucht oder suchte, vor<br />
dem Buge der Curiaria zurück. Der Sumpt<br />
wird zum mächtigen, hellblauen See, durch<br />
den eine Strömung zieht, die uns rasch fortträgt.<br />
Henderson hebt wieder die Hand. Drüben<br />
aus dem Sertao dröhnen Trommeln.<br />
Das Paradies.<br />
Zwei kleine, magere, gänzlich nackte Indianer<br />
und zwei anscheinend der weissen<br />
Rasse zugehörige, grosse vMänner taumeln<br />
und springen durch die teuflische Sumpflandschaft.<br />
T)&i Seewoif<br />
heisst unser neuer Roman, der nocl<br />
diesen Monat beginnt. Es ist eines de<br />
besten Werke von Jack London und<br />
wird unsern geschätzten Lesern ge<br />
wiss ebenso ausgezeichnet gefallen<br />
wie die jetzige Schilderung.<br />
Uno und Dos schleppen die Orchideen<br />
kisten auf dem Rücken. Ihre Lendentüche:<br />
sind längst zerrissen und abgefallen, aber di<br />
beiden fühlen sich im Urzustand viel zufriedener.<br />
Dass dem so ist, merke ich an ihren<br />
Gesichtern.<br />
Henderson und ich sehen aus, als ob un:<br />
ein Vulkan ausgespien hätte. Wir haben un<br />
sere Reservekleider weggeworfen, denn di<br />
Kisten brauchten wir für kostbarere Dinge,<br />
als ein paar durchschwitzte, schmutzsteife<br />
Khakilumpen es sind. Für Orchideen! Und<br />
nun sind wir nur mit kurzen Kniehosen, Wikkelgamaschen<br />
und Schuhen bekleidet. Hern<br />
den besitzen wir nicht mehr, die letzten Fet<br />
zen des meinen blieben gestern an jener Dor<br />
nenstaude hängen, in dessen Dickicht de<br />
seltene Vogel Tukan mit seinem Riesen<br />
Schnabel, der fast die halbe Körperlänge ausmacht,<br />
hockte und uns krächzend nach<br />
schaute.<br />
Brust, Arme und Rücken sind uns, wenn<br />
man die Patronengürtel nicht als Kleidung<br />
rechnet, nackt. Dornen kratzten die Hau<br />
blutig, Schweiss ätzte sie wund, die Sonne<br />
sengte sie an einzelnen Stellen fast schwarz<br />
und rauh. Lehm oder nasser Schlamm, den<br />
wir der Heilkraft wegen auflegten, verleihen<br />
uns ein getigertes Aussehen. Die Haare haben<br />
wir über der Stirn abgeschnitten, dass<br />
sie uns nicht in die Augen fallen. Formlose,<br />
graugelbe, durchlöcherte Filzhüte sitzen übe<br />
diesen Augen, die misstrauisch ununterbrochen<br />
in die Runde spähen.<br />
So laufen wir hinter Uno und Dos her. Jeder<br />
Meter Vorwärtskommen strengt den<br />
Körper an, wie ein zum äussersten gespannter<br />
Bogen. Ich fühle ein merkwürdiges Zittern<br />
in den Kniekehlen, gegen das meine<br />
ganze Willenskraft vergeblich ankämpft. Mit<br />
Gewalt reisse ich die entzündeten Augen<br />
auf, sie fallen aber oft mechanisch wieder<br />
zu, und dann stolpere ich, falle beinahe hin<br />
Im letzten Augenblick aber ist der Selbsterhaltungstrieb<br />
und die Lebenslust, die noch<br />
nicht tot in mir sind, grösser als die mich<br />
befallende Gleichgültigkeit, und deshalb stolpere<br />
ich nur, aber falle nie.<br />
Denn wer in diesem Sumpf stürzt, der uns<br />
von allen Seiten mit zähem, grundlosem<br />
Schleim umgibt,, den kann keine Macht der<br />
Erde mehr retten. Ehe man die Worte «Ave<br />
Maria» ausgesprochen hätte, würde einen<br />
der tückische Brei wie mit tausend unbarmherzigen<br />
Klammern hinabziehen.<br />
Oh, es ist heiss! Und Henderson murmeit<br />
fortwährend. Manchmal schwillt seine Stimme<br />
an, greint und keift die unflätigsten<br />
Schimpfwörter heraus, bis ihm die Töne röchelnd<br />
in der Kehle ersticken. Aber nach<br />
einer Weile fängt er wieder an.<br />
Ich tue das gleiche. Alle Lästerungen, die<br />
je an mein Ohr gedrungen sind, in einem Dutzend<br />
verschiedener Sprachen, Schimpfreden,<br />
so phantastisch und abenteuerlich, wie sie<br />
nur das Hirn eines Wahnsinnigen aushecken<br />
kann, kommen mir ins Gedächtnis. Und mein<br />
Mund, meine Lippen schleudern sie heraus,<br />
tobend und heulend, dann wieder flüsternd<br />
und zischend und endlich ganz tonlos, nur<br />
die Stimmbänder beben. Und die Seele schreit<br />
unhörbar weiter!<br />
«Nie wieder Orchideen suchen! Nie wieder<br />
ns verdammte Sertao!» brüllt Henderson<br />
plötzlich und dreht sich mir zu.<br />
«Nein! Nie, nie!» kreische ich zurück, und<br />
jetzt laufen wir wieder weiter, hinter den unermüdlichen<br />
Indianern her, ohne die wir<br />
schon längst ertrunken und erstickt im<br />
Sumpfe lägen. Und immer murmeln und flüstern<br />
Flüche aus uns heraus; das Wasser<br />
spritzt unter unsern Tritten, Feuerfunken<br />
gleich umschwirren Kolibris manchmal zu<br />
Hunderten jene selten aus dem Röhricht raenden<br />
Bäume, die nur aus Stamm, Aesten<br />
und unzähligen, gelben Blüten bestehen. Dunkelbraune<br />
Wasserhühner, die widerlich stinken,<br />
huschen uns quer vor die Beine.<br />
«Nie wieder!» tobt Henderson, und kichernd<br />
lache ich in teuflischem Hohn zurück:<br />
«Nie? Glaubst du's wirklich, Yank? Wie oft<br />
hast du schon das ,Nie' gesagt? Und auch<br />
zu Willis?»<br />
Er schweigt eine Weile, nachher meint er<br />
grollend: «Schätzest du, dass wir 'rauskommen?»<br />
Sich im Vorwärtshasten schüttelnd,<br />
dass die Flinte auf seinem knochigen Rükken<br />
klappert, schreit er: «Ein Königreich für<br />
ein... ein... he, Kerl, blöder, ich will nicht<br />
mit meiner Bildung prahlen! Was wusste<br />
Shakespeare von diesem Höllenlande hier.<br />
Fortsetzung folgt.<br />
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