E_1938_Zeitung_Nr.039
E_1938_Zeitung_Nr.039
E_1938_Zeitung_Nr.039
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
BERN, Freitag, 13. Mai <strong>1938</strong><br />
Automobil-Revue - II. Blatt, Nr. 39<br />
Industri<br />
des Aberglaubens<br />
&S<br />
Ihrer Würde entsprechend pflegen die Häuptlinge der Goldküste (West-Afrika) ihre Häupter mit<br />
eelbstangefertigten Kronen zu schmücken. Dieser seltsame Schmuck nimmt oft groteske Formen an,<br />
•wie dieses Bild zeigt. In den meisten Fällen bestehen dieselben aus verzierten Holzplättchen, die<br />
mit echtem dünngewalztem Gold überzogen sind und. einen beträchtlichen Wert aufweisen.<br />
Neun Fabriken, mehr als 1600 mittlere und<br />
kleine Betriebe, Bureaux, Organisationen, Vereine<br />
und Einzelpersonen in den U.S.A. leben vom Aberglauben,<br />
indem sie den Hunger der Amerikaner<br />
nach schütz- und glückbringenden Talismanen gegen<br />
schweres Geld zu befriedigen suchen. Denn<br />
— und das bildet für den Europäer die grösste<br />
Ueberraschung — der kaltschnäuzige Businessman<br />
ist genau so abergläubisch wie das hypermoderne<br />
Girl, und beide zusammen sind vielleicht noch<br />
abergläubischer als der ärgste Hinterwäldler in<br />
Europa.<br />
Es gibt in den Vereinigten Staaten tatsächlich<br />
kaum eine Schiffahrtsgesellschaft, die ihre Dampfer<br />
an einem 13. oder an einem Freitag auslaufen<br />
Hesse; nur die allergrössten Linien machen eine<br />
Konzession an den Geist des 20. Jahrhunderts und<br />
lassen auch an den ominösen Tagen Schiffe auslaufen,<br />
die dafür halb- oder dreiviertelleer sind.<br />
Der Freitag ist der stillste Börsentag. Das Gesetz<br />
vom glückbringenden Kaminfeger und der Leiter,<br />
Unter der man nicht hindurchgehen darf, wenn<br />
man kein Unglück haben will, gilt in Washington<br />
ebenso wie in Los Angeles. Eine förmliche Industrie<br />
des Aberglaubens aber, das heisst eine im<br />
grössten Maßstab betriebene Herstellung zur Erzielung<br />
kaufmännischer Gewinne, konnte erst entstehen,<br />
nachdem das Auto zum Massenartikel geworden<br />
war. Findige Köpfe haben die Auto-Talismane<br />
aufgebracht, ohne die weder das schäbigste<br />
Vehikel noch der Super-Stroamline denkbar<br />
ist, nur dass das erstere mit Baumwollpuppen, der<br />
letztere mit echt silbernen oder goldenen Maskotten,<br />
indischen Glückswurzeln und platingefassten<br />
Haaren heiliger Affen ausgestattet ist. Der Verkaufswert<br />
dieser Artikel übersteigt den der zu<br />
ihrer Fabrikation benötigten Rohstoffe im allgemeinen<br />
um einige tausend Prozent. Aber sie schützen<br />
nur das Auto «en general»; daneben gibt es<br />
noch Talismane für den Motor im besonderen, für<br />
das Fensterglas, für die Scheinwerfer, für die Insassen,<br />
für die Sicherheit des Fahrers, gegen die<br />
Schärfe des Auges des Gesetzes — so dass ein<br />
richtig glücksmässig ausgestattetes amerikanisches<br />
Auto einen in solcher Vollständigkeit kaum anderwärts<br />
anzutreffenden Trödlerladen von Kinkerlitzchen<br />
darstellt, die von der Kühlerfigur bis zum<br />
Auspuff den ganzen Wagen in tropischer Pracht<br />
überwuchern.<br />
Glücksschnüre für Studenten, um den Hals zu<br />
binden, sind ein Massenartikel geworden, da sie<br />
unter Garantie vor Durchfall im Examen schützen.<br />
Preis nur 6 Dollars; aber sie sind «nicht übertrag-<br />
Der Goldschmuck eines Häuptlings von der Goldküste<br />
(West-Afrika).<br />
bar», das heisst sie nützen nur ihrem ersten Kaufer.<br />
(Sie sind übrigens zufolge ihrer Suggestivwirkung<br />
und der von ihnen ausstrahlenden Selbstsicherheit<br />
die einzigen wirklich wirksamen Maskottes<br />
I) Hufeisen, künstlich abgenützt, liegen angenagelt<br />
vor vielen Schwellen, denn «es könnte ja<br />
doch sein, dass was dran ist, und schaden kann<br />
es jedenfalls nichts!» Das ist überhaupt die Einstellung,<br />
von der die Fabriken und Kleinglücksgewerbetreibenden<br />
leben; sie schüren sie noch<br />
durch geschickt lancierte Pressemeldungen wie:<br />
«Geoffrey D. Lindeman, Breton, Mass., wurde<br />
Wie schmücken sich<br />
die Schwarzen?<br />
Text und Bilder von Hans Rottmann<br />
In Westafrika, am Golf von Guinea, liegt eine bringen, wobei derselbe nicht selten eine Goldkrone<br />
der blühendsten Kolonien des britischen Weltreiches<br />
imitieren soll als Zeichen der Würde. Bei<br />
—i die Goldküste. Dieses Land ist eines den Frauen bilden farbenfrohe, seidene Kopftücher<br />
der interessantesten Gebiete, weil die Entfaltung<br />
seines Reichtums bei den vielen lokalen Festlichkeiten<br />
einen idealen Abschluss der künstlerisch aufgebauten<br />
und ebenfalls mit Gold besteckten Haar-<br />
der Eingeborenen auffallend zur Geltung frisuren.<br />
kommt. Da die Goldküste ein Hauptlieferant der<br />
An Hals, Handgelenken und Beinen werden<br />
Weltkakao-Ernte ist und die Kakaoplantagen ausschliesslich<br />
von den Eingeborenen selbst verwaltet<br />
Ketten, Spangen, Reife und Ringe aus Gold, Elfenbein,<br />
Muscheln und Elefantenhaar getragen.<br />
werden, so wachsen mit den Geld-Einnahmen in<br />
gleichem Masse die Wünsche nach persönlicher<br />
Aber auch die Jugend will nicht zurückstehen.<br />
Geltung und dem dazugehörenden Schmuck. Gold<br />
Da sich dieselbe bis zu einem gewissen Alter fast<br />
ist ja genügend im Lande, und es muss offen zugegeben<br />
werden, was die schwarzen Goldnen<br />
Glasperlen geziert, die als kurze, durchlochte<br />
nackt zeigt, so werden die Lenden mit bunrfarbeschmiede<br />
mit Hilfe der importierten Spezialwerkzeuge<br />
herzustellen vermögen, das grenzt wahrhaftig<br />
ans Erstaunliche. So finden wir vor allem<br />
unzählige Formen von hübschem, sehr fein ausgearbeitetem<br />
Goldschmuck, der als Zierde auf den<br />
mannigfaltigsten Haarfrisuren einen harmonischen,<br />
Stücke durch eine starke Schnur zusammengehalten<br />
werden.<br />
So findet der aufmerksame Photograph auf diesem<br />
Gebiet ein dankbares Arbeitsfeld, wenn auch<br />
die Auserwählten sich nicht immer ohne kleinere<br />
Schwierigkeiten vor die Kamera stellen. Aber ein<br />
gediegenen Eindruck hinterlässt. Die Häuptlinge «dash> (Trinkgeld) ist in den meisten Fällen das<br />
legen besonderen Wert darauf, ihren Kopf durch<br />
einen auffallend reichen Schmuck zur Geltung zu<br />
geeignete Zaubermittel, um die gewünschte Aufnahmt<br />
ohne Proteste machen zu können.<br />
Die jungen Mädchen in Transvaal (Süd-Afrika) pflegen ihre hübschen Beine mit massiven Kupferoder<br />
Messingiingen zu schmücken,; wobei das Ansehen der Trägerin nach der Anzahl der RiO(?e<br />
bewertet wird. Dieser sonderbare Schmuck dürfte sicher nicht immer als bequem empfunden werden.