28.02.2018 Aufrufe

E_1938_Zeitung_Nr.064

E_1938_Zeitung_Nr.064

E_1938_Zeitung_Nr.064

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

.Automobil-Revue" — Nr. 64<br />

BERN, Dienstag, 9. August <strong>1938</strong><br />

Trotzdem vor längerer Zeit die Benzinvertriebsgesellschaften<br />

einige hundert Tankstellen<br />

geschlossen und eingezogen haben, ist deren<br />

Zahl auch heute noch eher zu gross als zu<br />

klein. Zwar nicht für jene Automobilisten, deren<br />

Brennstoffmesser schon seit einigen Jahren den<br />

Dienst quittiert haben und die sich nun damit<br />

zufrieden geben mit der Begründung, es bestände<br />

doch an jeder Strassenecke Gelegenheit<br />

zum Tanken, wenn sie einmal mit leerem<br />

Benzinbehälter liegen blieben. Was nun nicht<br />

gerade auf offener Strecke der Fall zu sein<br />

brauchte.<br />

Das Problem, das uns beschäftigt, betrifft<br />

die Existenzgrundlage der Tankhalter und<br />

Tankstellenbesitzer,<br />

die eine angemessene Berufsausbildung als<br />

Automobilfachleute durchgemacht haben und<br />

denen ihre Beschäftigung, wie der Volksmund<br />

sagt « zu viel zum Sterben und zu wenig zum<br />

Leben > verschafft. Es gibt gegenwärtig Hunderte<br />

solcher Gewerbler, die nicht nur zu<br />

geringe Verdienstmöglichkeiten haben, sondern<br />

die sich bei objektiver Betrachtung der<br />

Lage auch für die Zukunft keine Verbesserung<br />

versprechen dürfen, weil dafür einfach keine<br />

Aussicht besteht. Der Benzinausschank hat mit<br />

so vielen Faktoren zu rechnen, über welche<br />

der einzelne machtlos ist, dass der Halter der<br />

Säule mehr oder weniger<br />

mit gebundenen Händen im Existenzkampf<br />

steht.<br />

(Wir denken dabei an die Konjunkturschwankungen<br />

im allgemeinen, sowie an diejenigen<br />

der Fremdenindustrie, an die Rückwirkungen<br />

der Benzinpolitik usw.)<br />

Die Situation wäre zwar noch ertragbar,<br />

wenn nicht der Betrieb einer Tankstelle eine<br />

gewisse Summe fester, unvermeidlicher Unkosten<br />

mit sich bringen würde, gleichgültig ob<br />

der Tagesumsatz 50 oder 2000 Liter beträgt.<br />

Diese Unkosten rekrutieren sich aus verschiedenen<br />

Posten, wie Kapital- und Hypothekarzinsen,<br />

Telephonmiete, Amortisation des Inventars,<br />

Unterhalt des Gebäudes usw. — Lässt<br />

sich bei gutem Geschäftsgang über diese Spesen<br />

hinaus ein angemessener Verdienst erzielen,<br />

so verwandelt sich derselbe gar bald in<br />

ein empfindliches Minus, wenn der Umsatz nur<br />

die Hälfte oder gar noch weniger erreicht. —<br />

Wie schon die Bezeichnung « feste Auslagen ><br />

Sin<br />

Autoliniullei»<br />

14<br />

Mein lieber Sohn!<br />

Um die<br />

Rentabilität der Tankstelle<br />

an seinen<br />

Sohn<br />

Das Unbehagen, das sich im Automobilhandel<br />

seit langen Jahren spürbar macht,<br />

hat seine Ursache ohne Zweifel in der<br />

immer schärfer werdenden Konkurrenz<br />

und der dadurch immer weiter schrumpfenden<br />

Verdienstmarge. So sehr ich in<br />

meinem eigenen Interesse und demjenigen<br />

meiner Kollegen wünschte, dass sich die<br />

Lage recht bald ändern mochte, so sehr<br />

bin ich überzeugt, dass dafür vorläufig<br />

keinerlei Aussicht besteht.<br />

Ich kann nicht anders, als immer wieder<br />

den Umstand betonen, dass der Automobilhandel<br />

während der letzten Jahrzehnte<br />

einen grundlegenden Wandel durchgemacht<br />

hat — seit jenen Zeiten, da der<br />

Käufer sich einen Wagen wie einen Massanzug<br />

auf Bestellung anfertigen Hess, eine<br />

sofortige Anzahlung von einigen tausend<br />

Franken als ein Ding der Selbstverständlichkeit<br />

erachtete und ruhig seine zwei,<br />

drei oder sechs Monate wartete, bis der<br />

sagt, können sie in keiner spürbaren Weise<br />

reduziert werden.<br />

Es gibt nur einen Ausweg: Die fehlenden<br />

Einkünfte auf irgendeine andere Weise zu ersetzen<br />

oder, m. a. W., die Organisation nach<br />

der grundlegenden Forderung der Betriebswirtschaft<br />

auf alle Fälle maximal auszunützen.<br />

Wir kennen zugegebenerweise keinen Tankwart,<br />

der bei einer täglichen Kundenzahl von<br />

10—15 die ihm verbleibende Zeit auf das<br />

Lesen von Kriminalromanen oder das Daumendrehen<br />

beschränkt. Umgekehrt aber wissen<br />

wir von vielen, die noch nie den Versuch gemacht<br />

haben, die ihnen zur Verfügung stehende<br />

Zeit systematisch auszunützen. Es scheint uns<br />

deshalb nützlich, die Möglichkeiten einmal ans<br />

Tageslicht zu ziehen, d. h. zu untersuchen, ob<br />

und in welcher Weise ein solcher Tankhalter<br />

Der<br />

Jeder Garagist kennt ihn, wie er mit gebieterischem<br />

Getute ungeduldig freie Zufahrt verlangt,<br />

trotzdem er sieht, dass alles redlich bemüht<br />

ist, den Eingang freizugeben. Funktioniert<br />

der Motor nicht, wie es ihm im Sinn<br />

steht, so sollten Diagnose und Reparatur erledigt<br />

sein, bevor die Motorhaube richtig geöffnet<br />

ist. Und liegt er gar einmal in irgendeinem<br />

abgelegenen Winkel mit einer Panne<br />

fest, so rechnet er selbstverständlich damit,<br />

dass der Abschleppwagen pro Kilometer Entfernung<br />

höchstens eine Minute benötige, wobei<br />

die Zeit für die Vorbereitung statt dazu- noch<br />

abgezählt wird.<br />

Sicher hat sich Ihr verbindliches<br />

Lächeln<br />

ob solchen Kunden auch schon immer mehr in<br />

ein grimmiges Zähneknirschen verwandelt, je<br />

grösser der Abstand zwischen Ihrem Betrieb<br />

und der Heckansicht des wegfahrenden Wagens<br />

wurde... Sie haben sich masslos geärgert,<br />

weniger wegen der «Hetzerei» an sich.<br />

Fabrikant endlich das Fabriktor öffnete,<br />

um den Wagen herausrollen zu lassen.<br />

Man mache für diese Veränderungen<br />

nicht die Menschen oder die Kultur oder<br />

die Krise verantwortlich, denn diese Umschichtung<br />

liegt im Wesen unseres Wirtschaftslebens<br />

naturnotwendig verankert.<br />

Das Streben um den Platz an der Sonne<br />

zwingt den einzelnen wie die Gesamtheit,<br />

die eigene Arbeit im Interesse der Verbraucher<br />

ständig zu verbessern. So gut<br />

dabei die Fabrikationsmethoden immer<br />

weiter ausgebildet werden, so gut geschieht<br />

es mit dem Vertrieb, dessen Rationalisierung<br />

und Normalisierung sich für<br />

seine Träger notwendigerweise in verminderten<br />

Gewinnmöglichkeiten ausdrückt.<br />

Dazu kommt noch, dass mit der<br />

die Zeit zwischen der Bedienung der einzelnen<br />

Kunden zu seinem eigenen Vorteil besser verwenden<br />

könnte.<br />

Eines muss dabei allerdings gleich von Anfang<br />

an festgelegt werden:<br />

Die Nebenbeschäftigung darf nicht derart<br />

sein,<br />

dass sie die Kundenbedienung an der Säule<br />

in irgendeiner Weise beeinträchtigt — eine<br />

Einschränkung, die sich in der Praxis in verschiedener<br />

Hinsicht ^auswirkt:<br />

Der Tankwart muss die Möglichkeit<br />

haben, auf das erste Glockenzeichen des<br />

Kunden seine Arbeit im Stich zu lassen.<br />

Die Arbeit muss eine, wenn auch nur<br />

relative Sauberkeit der Hände und Kleider<br />

gewährleisten.<br />

Umgekehrt darf sie nicht nach jeder<br />

Bedienung ein Abseifen der Hände notwendig<br />

machen und dadurch einen in seiner<br />

Gesamtheit grösseren Zeitverlust verursachen.<br />

Kunde<br />

sondern weil Sie als freier Mann auf freiem<br />

Boden aus geschäftlichen Gründen genötigt<br />

sind, den ganzen Unmut widerspruchlos über<br />

sich ergehen zu lassen. Dabei klang vielleicht<br />

auch gar ein schriller Ton von Neid mit auf<br />

jene, denen das «so ungerechte Geschick» die<br />

Mittel und damit vermeintlich auch die Möglichkeit<br />

gegeben hat, nach Belieben auf die<br />

Mitmenschen zu pfeifen.<br />

Leider werden die nervösen<br />

Kunden von Jahr zu Jahr zahlreicher:<br />

Der Lebensrhythmus unserer Epoche hinterlässt<br />

seine Spuren auf dem menschlichen Nervensystem<br />

immer eindringlicher. Die Schwierigkeiten,<br />

mit denen sich jeder selbständig Erwerbende<br />

ohne Ausnahme herumzuschlagen hat,<br />

sind ebenfalls nicht dazu angetan, die Schwingungen<br />

der Nerven zu beruhigen. Die Nervosität<br />

ist eines der Kennzeichen unseres tempobewussten<br />

Zeitalters.<br />

Verbreiterung der Absatzmöglichkeiten<br />

der Tauschwagen eine immer grössere<br />

Rolle spielt.<br />

Es ist unter diesen Umständen begreiflich,<br />

dass zwecks Sicherstellung eines<br />

minimalen Verdienstes der Ruf nach Reglementierung<br />

des Handels schon seit<br />

langem laut geworden ist — leider bis<br />

heute ohne nennenswerten Erfolg. Im Gegenteil,<br />

dort wo, wie in den Vereinigten<br />

Staaten, im Rahmen der N. R. A. in dieser<br />

Hinsicht bereits eingehende Versuche gemacht<br />

wurden, haben sich die Unzulänglichkeiten<br />

einer zwangsweisen Regulierung<br />

als zu stark erwiesen. (Das Beispiel<br />

Deutschland kann für uns deswegen nicht<br />

ausschlaggebend sein, weil dort die allgemeinen<br />

Voraussetzungen wegen des stärkeren<br />

Eingriffs des Staates in das Erwerbsleben<br />

ganz andere sind.) Ich glaube<br />

auch nicht an die Wirksamkeit der sog.<br />

Gentlemens' Agreements. Ganz abgesehen<br />

davon, dass es nie gelingen dürfte, auch<br />

den letzten Aussenseiter zum Beitritt zu<br />

einem solchen Abkommen zu veranlassen,<br />

spielt die persönliche Einschätzung des<br />

einzelnen Falles eine entscheidende Rolle.<br />

Ein Verkäufer vermag nach formellem<br />

Recht vollständig im Rahmen der Vereinbarung<br />

zu handeln und daneben doch<br />

irgendein Hintertürchen zur Verfügung<br />

haben, durch das er sich Sondervorteile<br />

verschaffen kann.<br />

Meiner Ansicht nach hängt die Lösung<br />

des Problems einzig und allein vom Händler<br />

und vom Verkäufer und von deren<br />

Fähigkeiten ab. Der ganze Handel ist gegenwärtig<br />

unbedingt von der Preisfrage<br />

besessen; ist sie doch augenblicklich das<br />

A und das O, das alles Dominierende. Und<br />

das ist falsch.<br />

Wie ich Dir schon verschiedene Male<br />

dargelegt habe, gibt es auf der ganzen<br />

Welt keinen einzigen Menschen, der imstande<br />

wäre, den geldlichen Wert eines<br />

Wagens auf hundert oder zweihundert<br />

Franken genau zu bestimmen. Trotzdem<br />

nimmt es der Handel als gegeben und<br />

unabänderlich hin, wenn der Käufer<br />

einem Konkurrenzwagen den Vorzug gibt,<br />

nur weil er für einen alten eingetauschten<br />

Klapperkasten eine Hunderternote mehr<br />

Diese Einschränkungen beschneiden die<br />

Möglichkeiten einer nutzbringenden Nebenbeschäftigung<br />

allerdings in bedeutender<br />

Weise; trotzdem lassen sie noch einen weiten<br />

Spielraum für die individuelle Initiative offen.<br />

Welche Art Arbeit sich für den einzelnen Betrieb<br />

eignet, hängt nun aber von so vielen Umständen<br />

ab, dass es nicht möglich ist, eine allgemein<br />

gültige Liste zu erstellen. Nebst der<br />

beruflichen Ausbildung des Tankhalters spielen<br />

die örtlichen Verhältnisse, die Säulenfrequenz<br />

und die Einrichtung der Tankstelle eine Rolle.<br />

Wie<br />

vielfältig für den initiativen Fachmann die<br />

Möglichkeiten sind,<br />

mögen einige Beispiele zeigen:<br />

Dreharbeiten für die Industrie und das<br />

Handwerk, Heimarbeiten für die Waffen- und<br />

Munitionsfabrikation, Einregulierungsarbeiten<br />

für die verschiedensten Branchen, Reparaturen<br />

und Neuarbeiten für die Landwirtschaft usw.<br />

In schwachbesuchten Tankstellen wäre es sogar<br />

möglich, Schreibarbeiten zu übernehmen,<br />

wenn sich nämlich der Tankwart angewöhnt,<br />

für die Manipulation am Wagen sogenannte<br />

Schlüpf-Arbeitshandschuhe anzuziehen, die<br />

unter normalen Umständen seine Finger sauber<br />

genug halten, um ihm eine sofortige Wiederaufnahme<br />

seiner Beschäftigung zu ermöglichen.<br />

Auch die kleinste Tankstelle hat noch Möglichkeiten.<br />

Wichtig ist nur, sie ausfindig zu<br />

machen und sie dann mit der zur Verfügung<br />

stehenden Vollkraft auszunützen.<br />

Das Rezept hat schon manche, scheinbar<br />

verlorene Situation gerettet!<br />

Gibt aber nicht schon diese<br />

Feststellung zu denken?<br />

Ist es in manchen Fällen nicht grundfalsch,<br />

den Nervösen für seine aufpeitschende Einstellung<br />

verantwortlich zu machen, sich über sein<br />

Benehmen zu ärgern und sich wegen des Unvermögens<br />

einer Reaktion als unwürdiger<br />

Nachkomme des nackenreckenden Teils zu<br />

halten? — Unser Leben ist gottseidank weniger<br />

kompliziert als wir es nach unserer eigenen,<br />

oft übertriebenen Empfindlichkeit wahr<br />

haben wollen. Es ist gerade so einfach, wie<br />

wir es uns selbst machen.<br />

Der Nervöse ist meist ganz unbewusst<br />

das Opfer<br />

der auf ihn fallenden «Hiebe des Alltags», derer<br />

er sich aus igendeinem Grund nicht mehr<br />

zu erwehren fähig glaubt — sofern er seine<br />

Unruhe nicht gerade aus einer allgemein gehässigen<br />

Einstellung andern Menschen gegenüber<br />

bezieht. — Der bereits erwähnte Rhythmus<br />

zwingt ihn, sein ganzes Fühlen und Denken<br />

den Erfordernissen des Tages unterzuordnen<br />

und benachteiligt ihn in dem Sinne, dass<br />

er ausserhalb seiner eigenen Sphäre liegende<br />

Probleme aus seinem eigenen Gesichtswinkel<br />

betrachtet, der naturgemäss an Tiefenschärfe<br />

mangelt. Soll man sich wundern, wenn der<br />

Arzt sein vormittägliches Tournee einer gesprungenen<br />

Unterbrecherfeder wegen abstoppen<br />

muss und während der Reparatur mehr<br />

vergütet erhält. Das lässt sich doch nur<br />

dadurch erklären, dass der Kunde beim<br />

Abschluss seine Gedanken samt und sonders<br />

auf den Preis konzentriert hatte! Ist<br />

das aber nicht ein Zeichen, das zum Aufsehen<br />

mahnt, weil es zeigt, dass der Käufer<br />

weniger an das denkt, was der Wagen<br />

ihm bietet, als an das, was er im Gegenzug<br />

zu leisten hat? Ganz bestimmt hat<br />

es der Mittelsmann in einem solchen Fall<br />

nicht verstanden, dem Interessenten den<br />

Wagen so lieb und wert zu machen, dass<br />

die Preisfrage nicht mehr die alles überstrahlende<br />

Rolle spielte!<br />

Ich möchte damit dem Händler und Verkäufer<br />

nicht einfach die ganze Schuld am<br />

heutigen Stand der Dinge zuschieben. Ich<br />

weiss aus eigener Erfahrung nur allzugut,<br />

wie die Abnahmeverpflichtungen den Fabriken<br />

gegenüber vielfach schlaflose<br />

Nächte bereiten und wie die Aussicht auf<br />

regelmässige Service- und Reparaturarbeiten<br />

oft zum Nachgeben verleiten. Trotzdem<br />

bleibt die Tatsache bestehen, dass vieles<br />

zu bessern wäre, wenn Händler und Verkäufer<br />

ihre eigentliche, schwierige Aufgabe<br />

gründlicher erfassen und ihre Unterhandlungstaktik<br />

systematisch weiterzubilden<br />

verständen.<br />

Das Problem ist keineswegs einfach, so<br />

wenig als der Beruf. Weshalb ich je länger<br />

je mehr glaube, dass sich wohl viele für<br />

unser Fach berufen fühlen, wenige aber<br />

auserwählt sind. Dein Vater.<br />

•tf

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!