E_1939_Zeitung_Nr.005
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„Atitomobn-Revnt" — Hr. 5 BERN, Dienstag, 17. Januar <strong>1939</strong><br />
Es ist noch nicht sehr lange her, dass die<br />
kleinste Firma in der bescheidensten Empfehlungskarte<br />
unter keinen Umständen auf die<br />
Erwähnung des «Service» verzichtet hätte.<br />
Kein Bäcker, kein Velo-Reparateur und natürlich<br />
auch keine Garage, die nur das Gerinste<br />
auf sich hielten, Hessen irgendwelche Gelegenheiten<br />
vorbeigehen, ohne mit Nachdruck<br />
auf den «Service» hinzuweisen, den sie ihrer<br />
Kundschaft zu bieten hatten, — Als das Wort<br />
durch die ständig wiederholte Verwendung<br />
seiner ursprünglichen strahlenden Suggestionskraft<br />
beraubt war, verschwand es je länger<br />
je mehr aus Inseraten, Werbebriefen und was<br />
der Reklamemittel noch mehr sein mögen.<br />
Schliesslich blieb seine Verwendung auf die<br />
engere Bedeutung beschränkt, wie sie im Automobilfach<br />
gang und gab ist.<br />
Um von Anfang an mögliche Missverständnisse<br />
zu vermeiden! Das Wort «Service» hat<br />
einen doppelten Sinn, Einmal umfasst es alle<br />
Arbeiten, die im Automobilgewerbe (und analog<br />
auch in andern Gebieten) an Unterhalt<br />
und Pflege des Wagens geleistet wird. Im<br />
weiteren Sinn versteht man darunter jedoch<br />
auch — diesem Umstände verdankte es seine<br />
Popularität für Reklamezwecke — den «Dienst<br />
am Kunden» im allgemeinen.<br />
Schon die Tatsache, dass der Ausdruck<br />
«Service» sich zu einem zügigen Schlagwort<br />
bei der Kundenwerbung entwickeln konnte,<br />
zeigt, dass dahinter ein werbekräftiger Begriff<br />
steckt, der geeignet ist, auf das Publikum<br />
einen nachhaltigen Eindruck zu machen. Anderseits<br />
liefert seine modische Hochkonjunktur<br />
und sein relativ schnelles Verschwinden<br />
aus dem Sprachschatz der Propagandisten den<br />
Beweis, dass es so lange missbräuchlich verwendet<br />
worden war, bis sein Klang nur noch<br />
ein schales und fades Empfinden hervorzurufen<br />
vermochte. — Zeichnet sich aber die<br />
Mode nicht gerade dadurch aus, dass sie etwas<br />
an sich Gutes, Vorteilhaftes und Schönes im<br />
Uebermass verwendet, bis es den Augen,<br />
Ohren und Nerven der Allgemeinheit nichts<br />
mehr zu sagen hat? Was jedoch keineswegs<br />
heissen will, dass darüber das Gute und<br />
Schöne der Sache selbst irgendwie vergessen<br />
oder verleugnet werden soll.<br />
Das Schlagwort vom «Service» ist uns nicht<br />
umsonst aus Amerika zugekommen. Drüben<br />
überm grossen Teich kennt man in geschäftlichen<br />
Dingen nicht nur weniger Hemmungen<br />
und Rücksichten, sondern auch weniger Minderwertigkeitsgefühle<br />
und übersteigerte Sentimentalitäten.<br />
Dort hatten es gewisse gerissene<br />
Geschäftsleute schon seit langem heraus,<br />
dass sie den Verkauf durch den Eindruck fördern<br />
können, als läge ihnen das Interesse der<br />
Kundschaft vor allen übrigen Dingen am Herzen<br />
und als bestände für sie das grösste Vergnügen<br />
darin, ihr nicht nur nützlich zu sein,<br />
sondern auch nach besten Kräften zu dienen.<br />
Mochten solche Geschäftsmethoden auch nach<br />
unseren Begriffen eine unwürdige Liebedienerei<br />
darstellen, so zeigte der Erfolg dieser<br />
Propagandamethoden doch, dass jene Unternehmer<br />
nicht nur richtig spekuliert hatten,<br />
sondern — vielleicht ganz ungewollt — auf<br />
etwas gestossen waren, das wir nur zögernd<br />
und mit Widerwillen bekennen.<br />
Das Wirtschaftsleben hat wohl noch nie besondere<br />
Rücksichten auf Menschen gehabt,<br />
denen aus einem weichen Herzen heraus das<br />
Wohl der andern näher lag als das eigene<br />
(diese Feststellung erfolgt, es sei ausdrücklich<br />
bemerkt, ausschliesslich vom Gesichtspunkt<br />
des finanziellen Erfolges aus). — Je schärfer<br />
'der Kampf und je beschränkter die Verdienstmöglichkeiten<br />
werden, desto schlimmer sind<br />
auch die Aussichten für jene, welche als selbständig<br />
Erwerbende ihren eigenen Standpunkt<br />
nicht zu verteidigen wissen. Damit wollen wir<br />
aber keineswegs sagen, dass nur eine machtvolle<br />
Vertretung der eigenen Interessen, d. h.<br />
ein möglichst nachdrücklich betonter Egoismus<br />
geeignet sei, den ersehnten geldlichen<br />
Erfolg herbeizuführen.<br />
Je enger sich das Arbeitsgebiet des einzelnen<br />
gestaltet, desto intensiver müssen die<br />
Räder des wirtschaftlichen Betriebes ineinandergreifen.<br />
Seit der Mensch aufgehört hat,<br />
für seine gesamten Ansprüche zu sorgen, ist<br />
er zu einem Glied in einer ständig wachsenden<br />
und komplizierter werdenden Maschinerie<br />
geworden, die um so mehr hervorzubringen<br />
vermag, je besser der einzelne Teil die ihm<br />
zugewiesenen Aufgaben erfüllt.<br />
Wenn nun das Individuum als ein solches<br />
Glied sich zu einer maximalen Leistung aufraffen<br />
soll, so besteht der beste Und nachhaltigste<br />
Ansporn ohne Zweifel darin, dass<br />
ihm als Kompensation vermehrte Mittel in<br />
Aussicht gestellt werden, durch die er sich<br />
Von Verkäufern hören wir immer wieder,<br />
wie eine ihrer grössten Schwierigkeiten darin<br />
besteht, die erste Kontaktnahme mit der<br />
Kundschaft erfolgreich zu gestalten.<br />
Es handelt sich bei diesen Leuten keineswegs<br />
um die Unerfahrenen und Naiven, die<br />
es in jeder Branche gibt. Im Gegenteil: Weil<br />
sie ihre eigene Arbeit und Leistung systematisch<br />
nach allen Richtungen überprüfen<br />
und objektiv beurteilen, wissen sie über ihre<br />
Schwächen Bescheid und beweisen durch<br />
diese Selbstkritik, dass sie einen überdurchschnittlioh<br />
strengen Maßstab an sich selbst<br />
legen.<br />
Die erste Kontaktnahme gehört unbedingt<br />
zu jenen Problemen der Verkaufskunst, die<br />
am schwierigsten zu lösen sind. — Der Verkäufer,<br />
der an sich selbst arbeitet, wird im<br />
Laufe der Zeit mit den meisten Fragen fertig.<br />
Er weiss, mit welchen Argumenten er<br />
beim eiligen Geschäftsmann am ehesten zum<br />
Ziel kommt, wie er bei einer beschaulichen<br />
Matrone auftreten muss, was für einen<br />
Phlegmatiker angemessen ist und welche<br />
Anforderungen eine repräsentative Persönlichkeit<br />
an ihren Wagen stellt. Seine Routine<br />
ermöglicht ihm, das Tagesprogramm gleichsam<br />
« aus dem Aermel zu schütteln », und<br />
zwar in einer Weise, wie es zweckmässiger<br />
nicht geschehen könnte. Er weiss Auskunft<br />
über die Möglichkeiten der Finanzierung und<br />
kennt alle gesetzlichen Formalitäten wie<br />
seine eigene Westentasche. Darüber hinaus<br />
ist er vertraut mit den Fragen, welche die<br />
Kundschaft in technischer oder touristischer<br />
Hinsicht stellt — kurz, er hat sich dank seiner<br />
Erfahrung und einer nachdenklichen<br />
Selbstschulung einen hübschen Vorrat nützlicher<br />
Kenntnisse angelegt.<br />
Aber all dieses Wissen und Können ist<br />
zwecklos, solange ihm der Kunde nicht jenes<br />
Vertrauen entgegenbringt, das einen verkaufsfördernden<br />
Gedankenaustausch ermöglicht<br />
und das in unserer vielgestaltigen Welt<br />
nun einmal nicht ohne weiteres vorhanden<br />
ist.<br />
Kann man dem Automobilverkäufer, der<br />
verschiedene tausend Franken auslegen soll,<br />
gram sein, wenn er nicht gewillt ist, einem<br />
Unbekannten auf das erste Wort zu glauben<br />
? Es müsste auf der Welt nicht menschlich<br />
her- und zugehen, wenn Jeder restlos<br />
auf einen Jeden bauen könnte. Ein gewisses<br />
Mass von Misstrauen muss darum bei jedem<br />
Käufer schon zum vorneherein angenommen<br />
werden. Die Schwierigkeit der ersten Kontaktnahme<br />
besteht nun für den Verkäufer<br />
einen vermehrten Lebensgenuss verschaffen<br />
kann.<br />
Unser Erwerbsleben entwickelt sich darum<br />
je länger je stärker zu einer gegenseitigen<br />
Dienstleistung oder einem «Service am andern».<br />
Allerdings unterscheidet sich dieser<br />
von der humanitären Selbstlosigkeit dadurch,<br />
dass nicht die Liebe zu den Mitmenschen, sondern<br />
das eigene egoistische Interesse die Triebfeder<br />
bildet und bleibt. Diese Feststellung tut<br />
aber der Tatsache keinerlei Abbruch, dass die<br />
«Arbeit für den andern» Grundlage und Richtschnur<br />
jeder Weiterentwicklung sind und bleiben<br />
müssen.<br />
Ein solcher «Service» erschöpft sich selbstredend<br />
nicht in einer einwandfreien Schmierung<br />
des Wagens oder einer andern beliebigen<br />
routinemässigen Handreichung. Er setzt vielmehr<br />
eine gewisse geistige Einstellung, oder<br />
vielleicht noch etwas präziser gesagt, ein bestimmtes<br />
Wollen voraus, das auf alle Gelegenheiten,<br />
die sich bieten, erpicht ist. Ja, wir sind<br />
sogar der Ueberzeugung, dass nur dieses Wollen<br />
zum Dienst am Kunden ermöglicht, das<br />
einzelne Unternehmen wie die Allgemeinheit<br />
aus der krisenhaften Stagnation herauszuführen.<br />
Es gibt in der Geschichte der Wirtschaft<br />
wenig Fälle, wo eine erfreuliche Vorwärtsentwicklung<br />
eintrat, ohne, dass damit eine<br />
Nutzleistung zugunsten der Kundschaft verbunden<br />
gewesen wäre.<br />
Wenn auch das Wort «Service» durch seine<br />
konstante Benützung den zauberhaften Klang<br />
verloren hat, der ihm von Natur eigen ist,<br />
so bleibt der Begriff doch die solideste Grundlage,<br />
auf den der Geschäftserfolg aufgebaut<br />
werden kann. Dass die Leistung weder aus<br />
Liebedienerei noch aus Mitleidsgefühl heraus<br />
erfolgt, die im Geschäftsleben nun einmal<br />
keinen Platz haben, ändert nichts an der<br />
Gültigkeit des Grundsatzes, .den wir an dieser<br />
Stelle immer wieder verteidigen: das Möglichste<br />
zu leisten und dafür einen angemessenen<br />
Lohn zu verlangen. :—:<br />
Der erste Kontakt<br />
gerade darin, einen Unbekannten dazu zu<br />
veranlassen, ihm das notwendige Vertrauen<br />
entgegenzubringen.<br />
Eigentlich stellt diese Forderung eine<br />
Selbstverständlichkeit dar, die scheinbar<br />
keine weitere Begründung verlangt. Wer jedoch<br />
einen Einblick in die Praxis hat, wird<br />
ohne weiteres zugeben, dass in dieser Hinsicht<br />
noch viel gesündigt werd. Solange ein<br />
Verkäufer bei einem ihm unbekannten Automobilisten<br />
versucht, gleich von Anfang an<br />
mit einem Wortschwall durchzukommen,<br />
oder irgend einen Haken in seine Taktik einzuschmuggeln,<br />
solange hat er die Bedeutung<br />
des Problems nicht erfasst und wird in gar<br />
zu vielen Fällen gegen eine Mauer anrennen,<br />
deren Vorhandensein er sich nicht zu erklären<br />
vermag.<br />
Selbstredend ist es von grossem Vorteil,<br />
wenn er von Anfang an über gewisse Mittel<br />
verfügt, die ihm den Weg zum Vertrauen<br />
des Kunden ebnen, sei es, dass er sich auf<br />
gemeinsame Bekannte beziehen kann, sei es,<br />
dass einer seiner früheren Kunden sich als<br />
Referenz verwenden lässt usw. Nicht immer<br />
stehen ihm diese jedoch zur Verfügung, so<br />
dass er oft darauf angewiesen ist, den ersten<br />
Kontakt auf anderem Wege zum Erfolg zu<br />
gestalten.<br />
Selbstredend lassen sich bei der Verschiedenheit<br />
der menschlichen Naturen über die<br />
beste Methode keine exakten Formeln aufstellen;<br />
sie werden sich im Gegenteil nach<br />
der Denk- und Empfindungsweise des Kunden<br />
richten müssen. Es gibt aber eine allgemeine<br />
Regel, die mit unfehlbarer Sicherheit<br />
den richtigen Weg weist und an die zu<br />
halten sich noch immer gelohnt hat:<br />
Der Verkäufer mache es sich zur<br />
Pflicht, alles zu tun, um gleich von Anfang<br />
an eine Atmosphäre zu schaffen,<br />
in der sich der Kunde wohl fühlt. Vielleicht<br />
Ist das, was wir mit dieser Formulierung<br />
sagen wollen, noch etwas<br />
deutlicher gekennzeichnet durch den<br />
französischen Ausdruck « mettre le<br />
Client ä l'aise ».<br />
Wenn erreicht wird, dass der Interessent<br />
die Unterhaltung auf seine Probleme, Sorgen<br />
und Wünsche einstellen und seine individuelle<br />
Denkweise zur Geltung bringen<br />
kann, dann wird sich bei ihm das Misstrauen<br />
viel weniger regen. Und hat er erst einmal<br />
die Qewissheit, dass er nicht überzeugt wer-<br />
T>vt<br />
qute&Ui(aM,<br />
Manch ein Geschäftsmann hat die ehrliche<br />
Absicht, seinen Betrieb zum « besten<br />
von allen» zn machen, schiebt aber die<br />
notwendigen Schritte hinaus, unter dem<br />
Vorwand, er möchte zuwarten, bis ihm<br />
eine « besonders gnte Idee » einfalle.<br />
Mit den sog. «guten Einfällen» ist es<br />
ähnlich wie mit den guten Vorsätzen. Sie<br />
bilden ein ideales Pflaster auf dem Weg in<br />
die unteren Regionen. — Einfälle sind,<br />
wie nicht nur die Erfahrung, sondern auch<br />
die praktische Psychologie mit aller<br />
wünschbaren Deutlichkeit nachgewiesen<br />
hat, zn 95 °/o das Ergebnis eines bewussten<br />
Suchens, der Erfolg aber das Resultat<br />
einer unbeugsamen Kraft zur Ausführung.<br />
Es gibt in unserer Wirtschaft manche<br />
kranken Geschäfte, die viel weniger einen<br />
Arzt benötigen, der Diagnose stellt, als<br />
eine energische Krankenschwester, die dafür<br />
sorgt, dass die Medikamente inklusive<br />
Karlsbadersalz wirklich auch genommen<br />
werden... 0<br />
Ist das möglich?<br />
Der Redaktor der «Kleinen Revue» ist<br />
« umgeschmissen ». Ihm ist etwas passiert,<br />
das er in seiner Naivität nicht für möglich<br />
gehalten hat. Er war nämlich bis heute der<br />
sicher verzeihlichen Meinung, dass die Zeiten<br />
auch den letzten selbständigen Geschäftsmann<br />
gelehrt hätten, jede sich bietende Gelegenheit<br />
auszunützen.<br />
Aber er hat sich getäuscht.<br />
Vor einigen Wochen wurde ihm seitens<br />
eines Lesers der «Automobil-Revue» die<br />
Frage gestellt, wo ein bestimmter Artikel<br />
bezogen werden könnte. Sogleich setzte er<br />
sich ans Telephon und hatte auch bald heraus,<br />
dass die Firma X (der Name sei mit<br />
dem Mantel der christlichen Nächstenliebe<br />
zuge deckt) in Frage komme. Mit der Absicht,<br />
noch ein weiteres zur Vermittlung des<br />
Geschäfts zu tun, bat er nun um Zustellung<br />
eines Prospektes, was ihm auch versprochen<br />
wurde. Als nach einigen Tagen noch nichts<br />
eingetroffen war, ersuchte er nochmals in<br />
höflicher Manier um Zustellung, worauf ihm<br />
geantwortet wurde :<br />
«Ich bin sowieso der einzige in der<br />
Schweiz, der diesen Artikel liefern kann;<br />
also pressiert die Sache au! keinen Fall;<br />
Ihr Fragesteller wird wohl noch etwas<br />
warten können. ><br />
Wie gesagt, der Redaktor der « Kleinen<br />
Revue » ist « umgeschmissen ». Er sieht ein,<br />
dass ihm für das Verständnis der Lage die<br />
ausreichende Lebenserfahrung noch fehlt und<br />
lässt seinen Kopf beschämt sinken... =<br />
den, sondern sich selbst eine Meinung bilden<br />
soll, dann ist das grösste Hinderniss aus der<br />
Welt geschafft.<br />
Gewiss, es handelt sich dabei nur um<br />
einen allgemein gültigen Grundsatz. Wenn<br />
sich aber ein Verkäufer bemüht, ihn in jedem<br />
Fall einzuhalten, so wird er ohne weiteres<br />
feststellen, dass sich die erste Kontaktnahme<br />
viel erfolgreicher gestaltet, als wenn er sich<br />
bloss auf seine routinenmässigen Kenntnisse<br />
verlässt.