E_1939_Zeitung_Nr.077
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• %'i AUTOMOBIL-REVUE DIENSTAG, 10. OKTOBER <strong>1939</strong> — 77<br />
Unsere Jleaoctaae:<br />
Luftschutzkeller<br />
in England<br />
Abb. 1. Röhren-Unterstarid für eine Familie.<br />
Im Falle eines Luftangriffes stehen der Londoner<br />
Bevölkerung kaum zehn Minuten zur<br />
Verfügung, um sich in Sicherheit zu bringen.<br />
Dieser Nachteil ergibt sich daraus, dass die<br />
Achtmillionenstadt in verhältnismässig geringer<br />
Distanz von der Küste Hegt und ein Anftog<br />
erst spät festgestellt und gemeldet werden<br />
kann.<br />
Man muss sich deshalb nicht wundern, wenn<br />
Notwendigkeit und Möglichkeit von Schutzmassnahmen<br />
in der englischen Oeffentlichkeit<br />
besonders eingehend diskutiert wurden und<br />
energischen Massnahmen gerufen haben. Wie<br />
kürzlich bekannt geworden ist, sollen die nunmehr<br />
bereitgestellten Räumlichkeiten für die<br />
Unterbringung der gesamten Bevölkerung<br />
ausreichend sein.<br />
Noch erinnert man sich, wie während der<br />
Septemberkrise 1938 im Hydepark und anderswo<br />
Laufgräben ausgehoben wurden, deren<br />
Anlage in Zickzackformation erfolgte,<br />
weil diese den Vorzug aufweist, die seitliche<br />
Wirkung einer Bombe praktisch auf die<br />
kurze Distanz eines geraden Teilstückes zu<br />
beschränken.<br />
Die Engländer haben die vergangenen zwölf<br />
Monate gut ausgenützt und Unterstände geschaffen,<br />
die auch gegen starke Sprengwirkung<br />
weitreichenden Schutz bieten.<br />
Die gegenwärtig am meisten gebauten Typen<br />
lassen sich in vier Kategorien einteilen:<br />
1. Der Soussolraum: Er besteht einfach in<br />
einem Kellerraum, der durch verstärkten<br />
Beton besonders geschützt wird. Die Vorrichtungen,<br />
welche einen luft- und gasdichten<br />
Abschluss des Raumes ermöglichen, werden<br />
bereits bei Erstellung des Gebäudes eingefügt.<br />
Im Falle eines Fliegerangriffs sind keine<br />
weiteren Vorkehrungen mehr notwendig als<br />
die Schliessung und Verbarrikadierung des<br />
Fensters. Diese Art Schutzraum kann in Friedenszeiten<br />
gleichzeitig auch als Abstellraum<br />
dienen.<br />
2. Der Röhrenunterstand: Wie aus Abb. 1<br />
ersichtlich ist, handelt es sich dabei um eine<br />
Art Benzintank, der durch einen luftdicht<br />
verschliessbaren Einstieg mit dem Garten in<br />
Verbindung steht. Auch die Herstellung dieses<br />
Unterstandes ist relativ billig, weil die ganze<br />
Anlage aus einzelnen Teilen aus verstärktem<br />
armiertem Beton zusammengesetzt wird. Ihre<br />
Herstellung erfolgt serienmässig; nach Aushub<br />
des Bodens werden sie in diesem selbst<br />
zusammengestellt. Diese Konstruktionsart<br />
eignet sich allerdings eher für Einfamilienhäuser<br />
und dürfte vor allem in den Vororten<br />
der Städte zur Verwendung gelangen.<br />
3. Der Grossröhrenunterstand : Er beruht<br />
auf demselben Prinzip wie der unter 2 genannte<br />
Schutzraum, mit dem Unterschied,<br />
dass die Zusammensetzung auf grössere Längen<br />
erfolgt, so dass jede einzelne Röhre<br />
fünfzig Personen fassen kann. Die Röhrengänge<br />
werden nebeneinandergelegt und unter<br />
sich durch Gänge mit luftdichten Türen verbunden,<br />
wodurch die Wirkung eines Volltreffers,<br />
auch bei Verwendung von Giftgasen, auf<br />
die einzelnen Röhren beschränkt bleibt. Diese<br />
Konstruktionsart wird vor allem für grosse<br />
Unterstände in den Städten verwendet, welche<br />
für Luftangriffe während der Arbeitszeit<br />
Unterkunftsmöglichkeiten bieten sollen. Selbstredend<br />
sind eine grössere Anzahl Ein- und<br />
Ausgänge vorhanden.<br />
4. Einen Luxusunterstand, wie er ebenfalls<br />
in der Nähe von London gegenwärtig gebaut<br />
wird, zeigt die Abbildung Nr. 2. Der Eingang<br />
ist durch drei gas- und splittersichere Türen<br />
Abb. 2. Luxusunterstand für 25 Personen.<br />
und zwei Luftabdichtungsräume geschützt;<br />
der Unterstand umfasst Wohnzimmer mit<br />
Schlafgelegenheit sowie Dienstenzimmer. Aus<br />
Sicherheitsgründen sind zwei unabhängige Zugänge<br />
vorgesehen. Die Decke selbst besteht<br />
u. a. aus 400 Tonnen Beton und ist gewölbt,<br />
um direkt auffallende Bomben seitwärts abzuführen.<br />
Selbstredend wird auch die Innenausstattung<br />
dieser Schutzräume entsprechend zusammengestellt.<br />
Sie enthalten u. a. Gasmasken,<br />
Sandkiste, luftdichte Essbehälter, Matratze,<br />
Decken, Kerzen, Gummischuhe, Essgerät,<br />
Hausapotheke, Trinkwasser usw.<br />
Wenn man bedenkt, wie wenig England<br />
noch vor zwölf Monaten auf einen Krieg vorbereitet<br />
war, so zeigen diese ungeheuren Anstrengungen,<br />
welch grosse Wandlung die geistige<br />
Einstellung der gesamten Bevölkerung<br />
Grossbritanniens zu den Problemen des Krieges<br />
gemacht hat. 0<br />
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und Basm&sken<br />
DIE ERSTÜRMUNG DER TUILERIEN<br />
am 10. August 1792<br />
Die Revolution von 1789 war in ihren Anfängen<br />
dem Königtum nicht unbedingt feindlich<br />
gesinnt. Mit jedem Erfolg, den das Volk<br />
errang, wuchs jedoch die Stimmung gegen<br />
den Hof und die königliche Familie.<br />
Plötzlich wurde das Volk durch das Gerücht<br />
aufgereizt, die « Aristokraten > planten<br />
eine Niedermetzehmg der « Patrioten », wie<br />
sich die Revoluzionäre selbst nannten. In<br />
der Nacht vom 4. auf den 5. August 1792 erhielt<br />
die Schweizergarde, deren Bestand nur<br />
noch 950 Mann betrug, Befehl, in Paris einzumarschieren.<br />
Der Einmarsch vollzog sich<br />
in grösster Disziplin und vollkommenster<br />
Ordnung. Am 8. August wurde das Regiment<br />
angewiesen, Stellung in den Tuilerien zu beziehen.<br />
« In der hellen Mondnacht», schreibt P.<br />
de Valliere (« Le 10 aoüt 1792 »), zwischen<br />
2 und 3 Uhr, marschiert die starke rote Kolonne<br />
nach Paris. In der fast menschenleeren<br />
Stadt hallt der feste Marschschritt<br />
der Schweizer auf dem Pflaster wieder. Verängstigte<br />
Bürger erscheinen an den Fenstern.<br />
Hinter den Sappeuren taucht die hohe Gestalt<br />
des Marquis von Maillardoz zu Pferde<br />
auf, hinter ihm der Tambourmajor Chaulet,<br />
ein riesiger Soldat in prächtiger Uniform,<br />
der dein Pfeifern und den kleinen fünfzehnjährigen<br />
Trommlern voranschreitet. Dann folgen<br />
die Bärenmützen der Kompagnie Castella,<br />
die Walliser Kompagnie von Courten,<br />
die Freiburger des Hauptmanns Louis d'Affry,<br />
die Grenadiere von Diesbach, die Graubündner<br />
unter von Salis, die Solothurner<br />
von Rolls, die Solothurner von Dürlers, die<br />
Berner und Waadtländer von Loys' und die<br />
Schwyzer von Redings ... Die Männer, die<br />
vom Volk mit Todesdrohungen empfangen<br />
werden, wissen, dass dieser nächtliche<br />
Marsch ihr letzter ist. ><br />
Am 9. August, um 3 Uhr morgens befinden<br />
sich die 4 Bataillone der Schweizergarde in<br />
den Tuilerien. Man teilt die Truppe in etwa<br />
20 Abteilungen auf, denn das zu bewachende<br />
Gebäude ist ungeheuer gross. Der Kommandant<br />
Graf d'Affry macht die Abteilungsführer<br />
des Regiments ausdrücklich darauf aufmerksam,<br />
dass die Truppe nur auf schriftlichen<br />
Befehl des Königs von der Waffe Gebrauch<br />
machen dürfe. Dann zieht sich der<br />
greise General, der sich krank fühlt, zurück<br />
und überlässt das Kommando dem Oberstleutnant<br />
von Maillardoz.<br />
Beim Lever teilt man dem König mit, dass<br />
die Schweizergarde eingetroffen sei. Der<br />
Tag verläuft verhältnismässig ruhig. Um<br />
Mitternacht wird die Sturmglocke geläutet,<br />
aber wenige folgen ihrem Ruf.<br />
Gegen 5 Uhr hatte die Königin ihre Kinder<br />
geweckt. Eine Stunde später setzte sich<br />
die revolutionäre Armee gegen das Sehloss<br />
in Bewegung. Danton gab den Anführern von<br />
seinem Plan Kenntnis : «Das Schloss belagern<br />
und alles vernichten, besonders die<br />
Schweizer, den König und seine Familie gefangen<br />
nehmen und sie in Vincennes als Geiseln<br />
halten ! »<br />
*<br />
Um 6 Uhr morgens hatte der König noch<br />
über die Nationalgarden und die Schweizergarde<br />
Revue abgehalten. Kurze Zeit darauf<br />
war das ganze Schloss von den andrängenden<br />
Revolutionären belagert. Die Schweizergarde<br />
stand allein dieser ungeheuren Masse<br />
entgegen, die auch Geschütze' mit sich führte.<br />
Bald darauf erschien der Girondist Röderer<br />
vor dem König und bat ihn, er möge sich mit<br />
seiner Familie zur Nationalversammlung begeben,<br />
um unnötiges Blutvergiessen zu vermeiden.<br />
Trotz des Widerstandes der Königin,<br />
die sich tapferer und männlicher zeigte als<br />
der König, fügte sich Ludwig diesem Ansinnen.<br />
Zwischen 8 und 9 Uhr begab er sich<br />
mit seiner Familie in Begleitung von zwei<br />
Bataillonen Nationalgarden und der Generalkompagnie<br />
mit 150 Schweizergardisten<br />
unter dem Kommando des Oberstleutnants<br />
von Maillardoz in den Sitzungssaal der Nationalversammlung.<br />
Damit blieb die Verteidigung<br />
des Schlosses fast ausschliesslich der<br />
Schweizergarde überlassen, die nun auf 800<br />
Mann zusammengeschrumpft war.<br />
Sowie der König das Schloss verlassen<br />
hatte, brachen die Revolutionäre in den<br />
Schlosshof ein. Die Schweizer erhielten Befehl,<br />
sich in das Schloss selbst zurückzuziehen.<br />
In Abwesenheit des Kommandanten<br />
übernahm Major Dürler den Befehl. In ruhiger<br />
Entschlossenheit standen die Schweizer<br />
auf ihrem Posten. Vergebens versuchten die<br />
Revolutionäre sie zu sich hinüberzuziehen.<br />
Als dies erfolglos blieb, Hessen sie Geschütze<br />
auffahren und feuerten sie auf die Garde ab.<br />
Der Kampf begann. Nun schössen auch die<br />
Schweizer, und nach kurzem Feuerkampf<br />
flohen die Revolutionäre in wilder Flucht,<br />
den Schlosshof und die Place du Carroussel<br />
mit einer Unzahl von Toten und Verwundeten<br />
zurücklassend.<br />
Inzwischen war der König im Sitzungssaal<br />
der Nationalversammlung eingetroffen.<br />
Die Generalkompagnie wartete auf weitere<br />
Befehle. Da wurde auch sie mit Geschützfeuer<br />
angegriffen. Im Augenblick schwärmte<br />
die Kompagnie aus, und unter dem Befehl<br />
des Majors von Salis und des Hauptmanns<br />
von Erlach zerstreuten sie in kürzester Frist<br />
die Angreifer.<br />
Nun begannen die Abgeordneten der Nationalversammlung<br />
um ihr eigenes Leben zu<br />
fürchten. Sie drangen in den König, Befehl<br />
zur Einstellung des Feuers zu geben, und der<br />
schwache König kapitulierte auch diesmal<br />
wieder. Er unterzeichnet den verhängnisvollen<br />
Befehl, der ihm den Untergang bringen<br />
sollte : «Der König befiehlt den Schweizern<br />
», so hiess es in diesem berühmten Befehl,<br />
« sich in ihre Kasernen zurückzuziehen.<br />
Er selbst befindet sich im Schosse der Nationalversammlung.<br />
»<br />
*<br />
Der Ueberbringer dieser Order, d'Hervilly,<br />
hatte sich nicht einmal der Mühe unterzogen,<br />
den Befehl richtig zu lesen. Er ruft den Offizieren<br />
der Generalkompagnie eiligst zu :<br />
«Befehl des Königs, zur Nationalversammlung<br />
zu marschieren !» und eilt weiter nach<br />
den Tuilerien. Dort teilt er Dürler den Befehl<br />
mit, die Schweizergarde zur Nationalversammlung<br />
zu führen.<br />
Die Trommeln rufen zum Appell. Unter<br />
einem Hagel von Kugeln tritt die Truppe wie<br />
bei einer Parade an. Aber der grösste Teil des<br />
Regiments hat den Ruf nicht gehört. Etwa 200<br />
Mann scharen sich um eine Bataillonsfahne.<br />
Dürler führt sie unter entsetzlichen Verlusten<br />
zur Nationalversammlung. Die Generalkompagnie<br />
erkennt kaum die eigenen Karneraden,<br />
so sind sie von Pulver geschwärzt, mit<br />
Schmutz und Blut bedeckt. D'Hervilly aber<br />
sieht zu spät seinen Irrtum ein. Er weiss<br />
nun, dass der Befehl lautete, die Schweizergarde<br />
solle sich in ihre Kasernen zurückziehen.<br />
Einige Abgeordnete verlangen,<br />
dass die Garde entwaffnet werde. Rasend vor<br />
Zorn antwortet Dürler, er gehorche nur einem<br />
Befehl des Königs. Mit dem Degen in der Hand<br />
dringen Dürler und einige Offiziere in die<br />
Nationalversammlung ein; zahlreiche Abgeordnete<br />
der Linken bringen sich rasch durch<br />
die Fenster in Sicherheit, während überall<br />
der Schreckensruf ertönt: < Die Schweizer !<br />
Die Schweizer ! » Dürler und von Salis werden<br />
vor den König geführt, und dieser erteilt<br />
den Befehl : « Uebergeben Sie Ihre Waffen<br />
der Nationalgarde. Ich will nicht, dass so<br />
tapfere Leute wie Sie umkommen. > Verzweifelt,<br />
stumm vor Wut legt ein Teil der<br />
Truppe die Waffen nieder, dem Befehl gemäss,<br />
andere werden abgeführt und später<br />
hingerichtet. Die Hälfte der Generalkompagnie<br />
weigert sich jedoch, die Waffen niederzulegen<br />
und versucht, sich zur Kaserne<br />
durchzuschlagen. Auf der Place Louis XV<br />
werden die Gardisten von Geschütz- und<br />
Gewehrfeuer niedergemäht, der Rest gefangen<br />
genommen und in viehischer Weise abgeschlachtet.<br />
Was nun noch folgte, der Heldenkampf<br />
der zurückgebliebenen 450 Schweizer, steht<br />
einzig in der Geschichte da. Der Angriff der<br />
Revolutionäre begann von neuem. Vom Arsenal<br />
her hatten sie neue Munition erhaHen,<br />
während die Schweizer bei ihren letzten Patronen<br />
angelangt waren. Auf einen Schweizer<br />
kommen 100 Revolutionsmänner, 30 bis<br />
40 Geschütze vereinigen ihr Feuer auf das<br />
Schloss. Der Florapavillon ist bald wie ein<br />
Sieb durchschossen. Die Garde weicht nicht.<br />
An einigen Stellen versucht sie Ausfälle zu<br />
unternehmen, aber die Uebermacht ist zu erdrückend.<br />
Schon dringen Aufständische über<br />
die Haufen von Leichen in das Schloss ein.<br />
Ruhig stehen die Schweizer auf den Treppenstufen<br />
und geben Schuss auf Schuss ab.<br />
Dann kommt es zum Nahkampf. Von den<br />
Treppen wird der Kampf in die Säle des<br />
Schlosses verlegt, überall verfolgt man die<br />
Gardisten. Sie werden niedergemacht, wo<br />
man sie findet. Der Abschaum des Pöbels<br />
hat sich eingefunden. Er wittert, dass es etwas<br />
zum Morden und Plündern gibt. Bis ins<br />
Zimmer der Königin dringt die Mordbande,<br />
wirft die Bedienung der Königin zum Fenster<br />
hinaus und sticht die Gardisten ab, die<br />
sich hieher geflüchtet haben. Nur wenige<br />
vermögen sich auf wunderbare Weise zu<br />
retten, so ein Grenadier, der den Kamin hinaufgeklettert<br />
war und den man nicht herunterholen<br />
konnte. Auch die Frauen werden,<br />
von Ausnahmen abgesehen, nicht geschont.<br />
Eine Abteilung von 200 Mann bahnt sich<br />
einen Weg nach der Place Louis XV. Dort<br />
wird sie von berittener Gendarmerie zerstreut<br />
und der grösste Teil niedergemacht.<br />
Nur wenigen gelingt die Rettung. So war die<br />
Schweizergarde nun vollkommen vernichtet.<br />
Mit ihr ging das französische Königtum zugrunde.<br />
Nicht der Sturm auf die BastiHe,<br />
sondern die Erstürmung der Tuilerien hat<br />
den Untergang Ludwigs XVI besiegelt und<br />
die Schreckensherrschaft herbeigeführt.