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E_1939_Zeitung_Nr.083

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No 83<br />

DIENSTÄG, 21. NOVEMBER <strong>1939</strong> AUTOMOBIL-REVUE III<br />

Statt unseres politischen Kurzberichtes:<br />

DIE SOLDATENWEIHNACHT<br />

Eine tiefe Verbundenheit der Zivilbevölkerung<br />

mit den Soldaten ist in der Schweiz von<br />

jeher vorhanden gewesen. Seit der September-Mobilmachung<br />

kommt sie in der gleichen<br />

ausdrucksvollen Weise wie in den Jahren<br />

19H/18 zur Geltung. Es unterliegt keinem<br />

Zweifel, dass die Widerstandskraft eines Heeres<br />

nicht nur von der Fähigkeit seiner strategischen<br />

Führung und der Qualität des Kriegsmaterials<br />

abhängig ist, sondern dass auch das<br />

Hinterland, d. h. die Zivilbevölkerung ihren<br />

Anteil an den militärischen Ereignissen haben<br />

kann.<br />

Wer in den letzten Wochen Gelegenheit<br />

hatte, unsere Soldaten an der Grenze oder in<br />

den rückwärtigen Verteidigungslinien an der<br />

In der Entwicklungsgeschichte des britischen<br />

Weltreiches gibt es wenige Phasen,<br />

welche den Sinn der Engländer für<br />

Realpolitik, das Eechnen mit den vorhandenen<br />

Grossen eindringlicher veranschaulicht<br />

als ihre Einstellung zum Problem<br />

Suez.<br />

Im Jahre 1833 erfährt ein junger französischer<br />

Vizekonsul, Ferdinand v. Lesseps,<br />

der nach Alexandrien beordert ist,<br />

von den Plänen Napoleons, die vor Jahrtausenden<br />

bestandene Seeverbindung zwischen<br />

dem Roten und dem Mittelmeer<br />

wiederherzustellen. Sie faszinieren ihn,<br />

um so mehr als er, selbst der Sohn eines<br />

Diplomaten, einen Teil seiner Jugend in<br />

Aegypten verbracht hat, dort unter seinen<br />

früheren Spielkameraden einflussreiche<br />

Köpfe zählt und dazu noch mit der Kaiserin<br />

von Frankreich verwandt ist, deren<br />

Einfluss grosse Bedeutung zukommen<br />

kann. Allerdings muss er sich volle 21<br />

Jahre geldulden, bis die Verhältnisse für<br />

die Verwirklichung seiner Absichten günstig<br />

sind: Im Herbst 1854 wird sein Jugendfreund<br />

Said Pascha zum Vizekönig<br />

von Aegypten ernannt. Dieser erteilt ihm<br />

die für den Beginn des Baues notwendige<br />

Konzession, die alllerdings erst dadurch<br />

rechtskräftig wird, dass der Sultan des<br />

türkischen Reiches, der oberste Herr über<br />

Aegypten, sie genehmigt.<br />

Kaum erhält Westeuropa davon Kunde,<br />

setzt heftigster Widerstand seitens<br />

Englands und ein entsprechender<br />

Druck auf Konstantinopel ein.<br />

Der führende Kopf der Londoner Politik,<br />

Lord Palmerston, kann keine Schritte<br />

und Unternehmungen dulden, die eine<br />

Trennung Aegyptens von der Türkei und<br />

damit eine Schwächung der letzteren herbeiführen.<br />

Seit Ende des 17. Jahrhunderts,<br />

seitdem die Macht des ottomanischen<br />

Reiches im Abnehmen ist, lauert im Osten<br />

Europas Russland auf eine passende Gelegenheit,<br />

um sich der Dardanellen zu bemächtigen.<br />

Das britische Reich darf dies<br />

im Hinblick auf seine bereits beträchtlichen<br />

Besitzungen in Asien besonders dem<br />

stärksten seiner Gegenspieler nicht erlauben,<br />

mit dem es übrigens erst vor kurzem<br />

aus ähnlichen Ursachen auf der Krim ,die<br />

Klinge gekreuzt hat. Es verfolgt deshalb<br />

die Politik der Erhaltung des türkischen<br />

Reiches, ja wird nach und nach zu dessen<br />

Arbeit zu sehen, an einer Arbeit, welche für<br />

den Durchschnitts-Schweizer alles andere als<br />

geläufig und alltäglich ist, der wird zur<br />

Ueberzeugung gelangt sein, dass wir für unsere<br />

Soldaten in der heutigen Zeit nie genug<br />

tun können. Wenn man weiss, dass sich Tausende,<br />

vielleicht sogar Zehntausende von Eidgenossen,<br />

die in Friedenszeiten verlassen<br />

durchs Leben schreiten müssen, unter den<br />

Waffen befinden, so wird jeder, der das Herz<br />

am richtigen Fleck hat, der Meinung beistimmen,<br />

dass gerade diese unsere Soldaten auf<br />

unser Verständnis zählen können müssen. Die<br />

verlässlichster Stütze. Wohl übersehen die<br />

Londoner Politiker die Vorteile einer verkürzten<br />

Verbindung zwischen der östlichen<br />

und westlichen Welt keineswegs,<br />

doch der Bestand ihres Weltreiches ist<br />

nicht darauf angewiesen, weil ihnen der<br />

Verbindungsweg um das Südkap Afrikas<br />

zur Verfügung steht. Als erfahrene Diplomaten<br />

wissen sie, dass sich solche<br />

Schnittpunkte der Interessen, besonders<br />

wenn sie neu entstehen und neue Ausblicke<br />

eröffnen, leicht zu Brandherden entwickeln<br />

können. Da in solchen Fällen die<br />

« Habenden» wenig zu gewinnen, jedoch<br />

viel zu verlieren haben, verlangt die Folgerichtigkeit<br />

der politischen Einstellung<br />

eine Ablehnung des Projektes.<br />

Es bedarf eines Umschwunges in der<br />

englischen .Regierungskoalition und der<br />

tatkräftigen diplomatischen Unterstützung<br />

Napoleons III. bei der Hohen Pforte,<br />

um von ihr im Winter 1859/60 endlich die<br />

definitive Genehmigung zu erhalten. Allerdings<br />

hat Lesseps den Bau bereits Monate<br />

vorher begonnen, darüber aber den<br />

Deckmantel der « Vorstudien » geworfen.<br />

Die Eröffnung des Kanals am 17. November<br />

1869, nachdem ungeheure und<br />

nicht vorauszusehende Hindernisse und<br />

Widerwärtigkeiten technischer, finanzieller<br />

und administrativer Natur bewältigt<br />

sind, stellt die englischen Politiker vor<br />

grundsätzlich neue Verhältnisse. Haben<br />

sie die Ausführung des Werkes bis jetzt<br />

zu verhindern versucht,<br />

so müssen sie es nun unter allen Umständen<br />

in ihren Machtbereich bringen.<br />

Schon der alte Castlereagh, die dominierende<br />

Persönlichkeit des Inselreichs der<br />

Jahre 1812—1822, hatte die Maxime verfochten,<br />

dass « jede Position auf dem Weg<br />

nach Indien uns gehören wird und muss ».<br />

Wohl benötigt England die verkürzte Verbindung<br />

nicht, da fast alle Stützpunkte<br />

der Südroute in seiner Hand vereinigt<br />

liegen; allein aus vitalem Lebensinteresse<br />

heraus kann es keiner anderen Macht<br />

einen zeitlichen und wirtschaftlichen Vorsprung<br />

einräumen, der direkt oder indirekt<br />

zu einer Bedrohung des Kolonialbesitzes<br />

führen und das bestehende Gleichgewicht<br />

der Kräfte stören könnte. Schon<br />

nach wenigen Jahren stellt sich die Möglichkeit<br />

einer solchen Einflussnahme ein.<br />

Soldaten-Weihnacht, die jetzt im<br />

Gange ist und die nicht nur von der praktischen<br />

Seite aus, sondern auch in symbolischer<br />

Hinsicht ausserordentlich wertvoll ist,<br />

bringt in schönster Weise die Verbundenheit<br />

von Volk und Armee und darüber hinaus die<br />

Gleichstellung aller Eidgenossen im Wehrkleid<br />

zum Ausdruck.<br />

Unseren Soldaten ist der bestimmt nicht<br />

leichte, an Entbehrungen und Sorgen vielfach<br />

reiche Dienst fürs Vaterland eine absolute<br />

Selbstverständlichkeit. Es möge auch für diejenigen,<br />

welche das Vaterland nicht gerufen<br />

hat, eine Selbstverständlichkeit sein, den Hütern<br />

unserer Grenze immer wieder, vor allem<br />

aber auf die Festtage hin, Zeichen der Verbundenheit<br />

und der Anteilnahme zu verschaffen.<br />

Das ist nicht nur ein Akt der Nächstenliebe,<br />

sondern unser Denken und Handeln hat<br />

auch praktischen vaterländischen Wert. -id.<br />

Grossbritannien am Suezkanal<br />

Am 15. November 1875 erfährt der damalige<br />

Ministerpräsident Diraeli durch<br />

einen Journalisten, dass der bis über die<br />

Ohren verschuldete ägyptische Vizekönig,<br />

der Khedive Ismail, bereit ist, seinen Besitz<br />

von 176 602 Aktien zu verkaufen. Da<br />

die Gelegenheit unbedingt ausgenützt werden<br />

muss, veranlasst er den Bankier Rothschild,<br />

im Namen der Regierung, jedoch<br />

ohne deren Einwilligung, die Kauf summe<br />

von rund 4 Millionen engl. Pfund zu erlegen<br />

auf das Versprechen hin, die Papiere<br />

nachher durch den Staat übernehmen<br />

zu lassen. Wie vorteilhaft die Transaktion<br />

sich in der Folge nicht nur politisch,<br />

sondern auch wirtschaftlich ausgewirkt<br />

hat, zeigt die Tatsache, dass der<br />

Wert des Aktionpaketes im Jahre 1905<br />

rund 33 Millionen engl. Pfund beträgt,<br />

wozu noch die hohen jährlichen Dividenden<br />

zu rechnen sind, die sich bis auf<br />

% beliefen.<br />

In politischer Hinsicht hat die Uebernahme<br />

der Kontrolle über den Suez-Kanal<br />

allerdings bedeutende Folgen, unter denen<br />

die sonderbarerweise widerwillig erfolgte<br />

Besetzung Aegyptens den ersten Platz einnimmt.<br />

Dieses Land ist wegen der Verschwendungssucht<br />

Ismails an den Rand<br />

des Bankrotts geraten und hat eine internationale,<br />

d. h. französische und englische<br />

Finanzkontrolle verlangt. Wie es in solchen<br />

Fällen vielfach unvermeidlich ist,<br />

zieht die fremde Bemutterung immer grösser<br />

werdende Unruhen nach sich. Um die<br />

Rückzahlung der gewährten Anleihen besorgt,<br />

entschliessen sich auf die Initiative<br />

Frankreichs die beiden Westmächte zu<br />

einer gemeinsamen militärischen Besetzung.<br />

Bevor jedoch ein einziger Soldat<br />

ägyptischen Boden betritt, kommt es in<br />

Alexandrien zu schweren Unruhen, bei<br />

denen etwa 50 Europäer getötet werden<br />

und die ein energisches Eingreifen der<br />

beiden Mächte notwendig machen. Ueberraschenderweise<br />

fährt die französische<br />

Flotte plötzlich nach dem Heimathafen<br />

zurück, so dass die britische das Unternehmen<br />

auf eigene Faust ausführen<br />

muss. Im August 1882 werden in Port<br />

Said und am Suez-Kanal 13 000 Mann gelandet,<br />

kurz nachher erleidet die ägyptische<br />

Armee eine entscheidende Niederlage,<br />

und bereits Mitte September ist<br />

Kairo durch die Engländer besetzt. Wenn<br />

auch die Absicht und der Wille zur baldi-<br />

gen Räumung Aegyptens durch England<br />

bestehen, so wird es doch infolge verschiedener<br />

Umstände, wie der Sudan-Rebellion,<br />

der Expansionspolitik anderer Grossmächte<br />

usw., 1922, bis Aegypten die offizielle<br />

Entlassung aus dem britischen<br />

Staatsverband erhält.<br />

Die bisherige grundsätzliche Einstellung<br />

Englands dem Suez-Problem gegenüber,<br />

dass<br />

das britische Weltreich wohl ohne<br />

den Kanal existieren kann, dessen<br />

Besitz aber unter keinen Umständen<br />

einer andern Macht überlassen darf,<br />

beherrscht auch weiterhin die gesamte<br />

Politik. Am 29. Oktober 1888 wird als Vertrag<br />

von Konstantinopel ein Abkommen<br />

über die völkerrechtliche Stellung des<br />

Wasserweges unterzeichnet. Demnach hat<br />

in Friedens- wie Kriegszeiten jedes Handels-<br />

und Kriegsschiff ohne Unterschied<br />

der Flagge das Recht, frei zu verkehren;<br />

in einem Umkreis von drei Seemeilen ist<br />

der Kanal gegen jede kriegsrechtliche<br />

Handlung geschützt.<br />

Der Weltkrieg 1914/18 berührt den Suez-<br />

Kanal kaum, wenn von den immerhin notwendigen<br />

Sicherungsmassnahmen abgesehen<br />

wird, welche die britische Regierung<br />

im Hinblick auf einen möglichen Angriff<br />

vorgenommen hat und der übrigens im<br />

Februar 1915 seitens der Türkei erfolglos<br />

durchgeführt wurde.<br />

Die heutige Stellung Englands ist durch<br />

alle Komplikationen der Nachkriegszeit<br />

hindurch dieselbe geblieben: Es benötigt<br />

den Kanal nicht unbedingt zur Aufrechterhaltung<br />

seines eigenen Besitzes, kann<br />

aber nie und nimmer zulassen, dass die<br />

entscheidende Macht in andere Hände gelangt.<br />

Dieses Leitmotiv der Suez-Politik<br />

behält seine Gültigkeit sogar für den Fall<br />

kriegerischer Verwicklungen im östlichen<br />

Mittelmeer. So paradox es klingen mag:<br />

Die Sperrung des Kanals durch Versenkung<br />

von Schiffen oder Luftangriffen<br />

würde sich letzten Endes weniger gegen<br />

die englischen Interessen als gegen diejenigen<br />

gewisser möglicher Gegner auswirken.<br />

Ein Faktor, dem für die Aufrechterhaltung<br />

der Ruhe in jener Ecke entscheidende<br />

Bedeutung zukommt! 0<br />

DER SUEZ-KANAL<br />

Auf eine Länge von 167 km führt die Seeverbindung<br />

Port Said—Port Tewfik meist durch Wüstengebiete,<br />

teilweise durch Binnenseen. Die Spiegelbreite beträgt<br />

100—135 m, diejenige an der Sohle 45—100<br />

m, der Tiefgang 12—13 m. Die Bauzeit betrug rund<br />

10 Jahre; die Baukosten beliefen sich auf 425 Millionen<br />

Goldfranken. Der Kanal gehört der Compagnie<br />

Universelle du Canal Maritime de Suez,<br />

deren Sitz sich in Paris befindet. Die jährlichen<br />

Einnahmen betrugen 1938 rund 10 Millionen Pfund<br />

Sterling; über 6000 Schiffe mit rund 34 Millionen<br />

Tonnen Schiffsraum haben im gleichen Zeitraum<br />

den Kanal passiert.

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