E_1940_Zeitung_Nr.023
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Damit im Zusammenhang erledigt sich auch die<br />
Frage der Mietgeldentschädigung während dieser<br />
Reparaturperiode. Wird die Reparatur vom Militär<br />
besorgt, dann bleibt somit das Fahrzeug solange in<br />
militärischen Diensten. Demzufolge läuft bis zur<br />
definitiven Abschätzung auch die Mietgeldentschädigung.<br />
Dies ist ein wichtiger Punkt, weil bisher bei<br />
Auszahlung einer Entschädigungssumme das Fahrzeug<br />
als entlassen galt und demzufolge jegliches<br />
Mietgeld in Wegfall kam. Aber auch die Versicherung<br />
läuft bis zur endgültigen Abschätzung zu Lasten<br />
der Militärversicherung.<br />
Bessere Einschätzung bei der Requisition<br />
Führte bis zur neuerlichen Generalmobilmachung<br />
die zu niedrige Einschätzung von<br />
Stellungspflichtigen Motorfahrzeugen häufig<br />
zu Beanstandungen und Protesten, so scheinen<br />
sich die Dinge seither teilweise zum<br />
Bessern gewendet zu haben. Die Intervention<br />
namentlich der Aspa bei den militärischen<br />
Instanzen zeitigt damit offenbar ihre<br />
Früchte, denn nicht nur, dass die Experten<br />
jetzt sowohl den Wagenzustand als auch in<br />
der Zwischenzeit vorgenommene Verbesserungen<br />
in Rechnung stellen, währenddem<br />
vorher etwas einseitig nur nach dem Alter<br />
des Fahrzeugs eingeschätzt wurde, sondern<br />
auch der ehemalige Anschaffungswert, d.h.<br />
der Katalogpreis findet jetzt angemessene<br />
Berücksichtigung.<br />
Die Rolle des Motorfahrzeugs<br />
der Evakuierung<br />
In der Absicht, uns über die Rolle zu<br />
orientieren, welche dem Motorfahrzeug im<br />
Rahmen der Evakuation zugedacht ist, haben<br />
wir uns an die Behörden gewendet, in deren<br />
Händen die Vorbereitung dieser Massnahme<br />
liegt. Was wir dabei in Erfahrung bringen<br />
konnten, lässt sich wie folgt zusammenfassen<br />
:<br />
Bei der Evakuation spielt das Motorfahrzeug<br />
eine sehr bedeutsame Rolle, muss man<br />
doch auch auf das letzte zählen können, zumal<br />
in diesem Fall keine Garantie für die<br />
Aufrechterhaltung des Bahnverkehrs mehr<br />
besteht. Sollte sich nämlich der Konflikt auf<br />
unser Land ausdehnen, dann gehörten Bombenangriffe<br />
auf die wichtigen Bahnhöfe wohl<br />
zu den ersten Kampfhandlungen eines Angreifers.<br />
Zurzeit existiert in bezug auf die Motorfahrzeuge<br />
keine andere Vorschrift als Art. 7,<br />
lit. c, des Bundesratsbeschlusses vom 10. Mai<br />
<strong>1940</strong> über die allgemeine Wiedermobilmachung<br />
der Armee : < Es sind auf Pikett gestellt<br />
: alle nicht von der Armee in Dienst<br />
genommenen Fuhrwerke, Karren, Motorfahrzeuge<br />
aller Art und Luftfahrzeuge.».<br />
Indessen erhebt sich unter dem Gesichtspunkt<br />
der Evakuation die Frage der obliga-<br />
torischen Erstellung der Fahrbereitschaft<br />
samtlicher gegenwärtig stillgelegten Fahrzeuge,<br />
denn nicht nur wird es notwendig<br />
sein, sie in den Dienst der Fortschaffung von<br />
Frauen, Kindern, Greisen sowie von Waren<br />
zu stellen, sondern Autos und Motorräder<br />
müssen auch als solche evakuiert werden.<br />
Die Lösung dieses Problems gestaltet sich<br />
recht delikat, weil sie in den Kompetenzbereich<br />
der Kantone fällt.<br />
§«IBW<<br />
1174 Fahrbewilligungsentzüge<br />
wurden 1939 in der ganzen Schweiz ausgesprochen.<br />
Auf unsere Anfrage hin gibt uns die Polizeiabteilung<br />
des Eidg. Justiz- und Polizeidepartements<br />
in zuvorkommender Weise die<br />
Totalziffern der in den letzten sieben Jahren<br />
angeordneten Führerausweisentzüge bekannt.<br />
Die entsprechenden Zahlen lauten '•<br />
Entzüge<br />
Jahr Total davon wegen<br />
Angetrunkenheit<br />
1933 973 484<br />
1934 1594 652<br />
1935 2013 736<br />
1936 1803 634<br />
1937 1592 645<br />
1938 1723 710<br />
1939 1174 551<br />
Bereits haben zwar einzelne unter ihnen<br />
Vorkehrungen in diesem Sinne getroffen,<br />
doch fragt es sich immerhin, ob nicht der<br />
Bundesrat, gestützt auf seine Vollmachten,<br />
einen bezüglichen Beschluss* fassen sollte.<br />
Darüber ist weiter kein Wort zu verlieren,<br />
dass das Landesintefesse verlangt, dass<br />
gegebenenfalls sämtlich© Motorfahrzeuge sofort<br />
zur Verfügung stehen. Jede Verzögerung,<br />
jede Verspätung, und wäre sie noch so<br />
gering, bedeutete eine Beeinträchtigung dieses<br />
Interesses. Bleibe sich deshalb jeder Halter<br />
der Pflicht bewusst, seinen Wagen oder<br />
sein Motorrad ständig bereit zu halten. Bei<br />
den zuständigen Stellen macht man sich<br />
durchaus kein Hehl, dass damit für zahlreiche<br />
Fahrzeughalter Auslagen verbunden<br />
sind, aber es gibt Opfer, vor denen keiner<br />
zurückscheuen darf, wenn es sich um das<br />
Land handelt. Unsere Soldaten haben auch<br />
nicht über den Mobilmachungsbefehl diskutiert;<br />
sie haben gehorcht.<br />
Mit den Fahrzeugen allein ist es jedoch<br />
nicht getan.<br />
Notig ist auch die entsprechende Zahl von<br />
Fahrern.<br />
In vielen Ortschaften erreicht sie nicht<br />
einmal 50 % der verfügbaren Fahrzeuge. Immerhin<br />
haben die Kantone, namentlich in der<br />
Ostschweiz, auch nach dieser Richtung hin<br />
Vorsorge getroffen. St. Gallen z. B. organisiert<br />
Fahrunterrichtskurse, an welche der<br />
Kanton einen Beitrag leistet, und der Aargau<br />
befasst sich mit einem ähnlichen Projekt. Ja<br />
est gibt sogar Gemeinden, wie beispielsweise<br />
Wädenswil, die junge Leute voni 16 Jahren<br />
im Fahren ausbilden und dabei, wie es den<br />
Anschein hat, gar keine schlechten Erfahrungen<br />
machen.<br />
Schlug die Kurve des Totais der Entzüge<br />
von 193S—1937 eine absteigende Richtung<br />
ein, um 1938 wieder stärker nach oben zu<br />
weisen, so fiel sie 1939 neuerdings, und zwar<br />
recht deutlich. Nicht dass man sich dadurch<br />
nun etwa zur Folgerung verleiten lasse, die<br />
Verkehrsdisziplin sei entsprechend gewachsen,<br />
vielmehr erklärt sich diese anscheinende<br />
Wendung zum Bessern in der Hauptsache<br />
aus dem Rückgang des Verkehrsvolumens,<br />
bedingt die Requisition, Rationierung und<br />
andere seit dem 1. September 1939 eingetretene<br />
Einschränkungen.<br />
Zurückhaltung bei der<br />
Erteilung von Zusatzrationen<br />
Mit Rücksicht auf die politische Lage hat<br />
der Chef der Sektion für Kraft und Wärme,<br />
Nationalrat Grimm, an sämtliche kantonalen<br />
AUTOMOBIL-REVUE DIENSTAG, 4. Juni <strong>1940</strong> — N° 23<br />
Den Stein ins Rollen gebracht und die<br />
Angleichung von Gesetz und Verordnung an<br />
die Zeitumstände ausgelöst zu haben, ist<br />
nicht zuletzt das Verdienst der ASPA. Am<br />
10. Mai richtete sie, das mag festgehalten<br />
sein, eine Eingabe an den Bundesrat, worin<br />
sie, auf der Tatsache fussend, dass eine bis<br />
ins Letzte gehende rationelle Ausnutzung des<br />
von der Requisition nicht erfassten Lastwagenparks<br />
eine dringende Notwendigkeit darstelle,<br />
die Unhaltbarkeit gewisser Verschriften<br />
der Arbeits- und Ruhezeitverordnung für<br />
Chauffeure (darunter auch des Nachtfahrverbotes),<br />
der Bestimmungen über die Höchstgewichte<br />
von schweren Lastwagen und Anhängerzüge,<br />
sowie des Verbotes der Neuanschaffung<br />
von Zweiachsanhängern darlegte.<br />
Die Begründung dieses letzterwähnten Begehrens<br />
entbehrt übrigens nicht der Pikanterie,<br />
hebt die Eingabe doch hervor, wie<br />
auffällig es wirke, dass gerade die Zweiachser<br />
sozusagen restlos von der Armee requiriert<br />
worden seien, während sich die Privatwirtschaft<br />
mit den Einachsern begnügen<br />
müsse. Mit triftigen Argumenten wusste die<br />
ASPA (überdies auch eine der gegenwärtigen<br />
Lage besser Rechnung tragende Regelung<br />
der Gewichtstoleranzen für Holztransporte<br />
zu befürworten, wobei sie sich auf die<br />
Tatsache stützte, dass es sich bei den wegen<br />
Ueberschreitung der Gewichtslinien verhängten<br />
Bussen vielfach ausgerechnet um Armeelieferungen<br />
oder um Lieferungen an Gemeinden<br />
für Luftschutzbauten handle. Völlig zutreffend<br />
stellt der Schlusspassus fest, die<br />
strenge Einhaltung eines für die Friedenszeiten<br />
geschaffenen Gesetzes sei unter den<br />
jetzigen ausserordentlichen Bedingungen, denen<br />
sich Armee und Wirtschaft gegenübersehen,<br />
eine Unmöglichkeit.<br />
Und der Erfolg dieses Vorstosses ? Nach<br />
Konsultierung der interessierten Departementes<br />
hat der<br />
Anpassung der Gesetze<br />
(Schluss von Seite 1.)<br />
Bundesrat die Vorschläge der ASPA<br />
Punkt um Punkt als wohlfundiert anerkannt<br />
und ihnen auf der ganzen Linie<br />
entsprochen.<br />
*<br />
präzisiert In einem das Kxeisschreiben Eidg. Justiz- und Polizeidepartement<br />
an die Kantone<br />
einzelne Artikel des Bundesratsbeschlusses über das<br />
Höchstgewicht der schweren Lastwagen usw., der<br />
sich im Nachstehenden in extenso abgedruckt findet,<br />
ebenso wie jener über die Modifikation der Arbeits-<br />
und Ruhezeitverordnung für die Berufschauffeure.<br />
Was die Heraufsetzung des Gewichts<br />
des schweren Lastwagens auf 13 Tonnen anbetreffe,<br />
so liege in dieser Massnahme ein Mittel,<br />
um eine höhere Nutzlast zu befördern und so aus<br />
der Leistungsfähigkeit des Wagens noch ein mefareres<br />
herauszuholen. Die Halter solcher Fahrzeuge,<br />
welche Anspruch auf ein II Tonnen überschreitendes<br />
Gesamtgewicht erheben, werden bei der kantonalen<br />
Automobilkontrolle ein dahin gehendes Gesuch<br />
einreichen müssen. Selbstverständlich könne die<br />
Gewichtserhöhung nur im Rahmen aller andern<br />
Vorschriften über die Festsetzung des Gewichts (Belasihing<br />
des Fahrgestells, Reifendruck, Achsbelastung)<br />
erfolgen. Daneben sollten die Experten auch der<br />
Einhaltung der Bremsvorschriften ihre besondere<br />
Aufmerksamkeit schenken.<br />
Kriegswirtschaftsämter die Weisung ergehen<br />
lassen, bei der Behandlung von Gesuchen<br />
um zusätzliche Benzinrationen Zurückhaltung<br />
zu üben. Für Fahrzeuge der Kategorie D erlischt<br />
der Anspruch auf Zusatzkontingente<br />
und auch was die Kategorie C anbetrifft, so<br />
können nach unsern Informationen hier Zusätze<br />
nur noch ausnahmsweise bewilligt werden,<br />
in jenen Fällen nämlich, da der Gesuchsteller<br />
ein dringendes kriegswirtschaftliches<br />
Bedürfnis nachzuweisen vermag. Auch die<br />
Berücksichtigung anderer Zusatzbegehren<br />
bleibt inskünftig an die Voraussetzung geknüpft,<br />
dass der Nachweis des dringenden<br />
Bedarfs einwandfrei geleistet wird.<br />
Für freiwillige Evakuation dürfen im übrigen<br />
keine Zusatzmengen mehr bewilligt werden.<br />
Nicht ohne leichtes Staunen erlebt man den<br />
Wandel der Auffassungen massgebender Instanzen,<br />
hinsichtlich des Zweiachsanhängers. Sties«<br />
dessen Neuzulassung bisher auf ein hartnäckiges<br />
Nein, so scheinen die Experten heute entdeckt zu<br />
haben, dass e,r punkto Verkehrssicherheit<br />
sogar bessere Garantien bieten<br />
dürfte als der Einachser...<br />
Auch der Richtigkeit der Ton der ASPA in bezug<br />
auf die Holztransporte ins Treffen geführten<br />
Gründe vermag eich das Departement nicht<br />
zu verschliessen. Von seiner Ermächtigung Gebrauch<br />
machend, die Gewichtstoleranzen für derartige Fuhren<br />
zu bestimmen, ersucht es die Kantone vorderhand,<br />
für diese Gattung von Transporten eine Gewichtstoleranz<br />
von 1 0—1 5 % im Verhältnis<br />
zu dem im Einzelfall in Betracht fallenden<br />
Höchstgesamtgewicht zu gewähren.<br />
Im übrigen unterstreicht das Rundschreiben,<br />
dass bestehende Gewichtsbeschränkungen für bestimmte<br />
Strecken nach wie vor in Kraft bleiben.<br />
Indessen können die Kantone für den gegenwärtig<br />
— mit Ausnahme von Touristikgepäckanhängern an<br />
Personenwagen — verbotenen Verkehr mit Anhängern<br />
auf Paßstrassen in besondern Fällen eine<br />
Spezialbewilligung erteilen.<br />
Bundesratsbeschluss<br />
über das Höchstgesamtgewicht der schweren<br />
Lastwagen und der Anhängerzüge sowie<br />
über die Zweiachseranhänger.<br />
(Vom 28. Mai <strong>1940</strong>.)<br />
Der schweizerische Bundesrat, gestützt auf Art. 3<br />
des Bundesbeschlueses vom 30. August 1939 über<br />
Massnahmen zum Schütze des Landes und zur Aufrechterhaltung<br />
der Neutralität; gestützt auf Art. 69,<br />
4bs. 2, lit. n, des Bundesgesetzes vom 15. März 1932<br />
über den Motorfahrzeug- und Fahrradverkehr; in<br />
Abweichung von Art. 23, Abs. 1, des erwähnten Gesetzes<br />
sowie von Art. 10, Abs. 1, 63, Abs. 2, und 65,<br />
Abs. 2, lit. a, der Vollziehungsverordnung dieses<br />
Gesetzes, beschliesst:<br />
Art. 1. Da« Höchstgesamtgewicht eines schweren<br />
Lastwagens darf dreizehn Tonnen nicht übersteigen.<br />
Art. 2. Schwere Lastwagen dürfen anch einen<br />
Zweiachseranhänger zum Gütertransport mit sich<br />
führen.<br />
Art. S. Das Höchstgesamtgewicht de« Anhängerzugs,<br />
bestehend aus einem schweren Lactwagen und<br />
einem Anhänger, beträgt:<br />
a) wenn der Zugwagen einen EinachseTanhänger<br />
mit sich führt, 18 t;<br />
b) wenn der Zugwagen einen Zweiachseranhänger<br />
mit sich führt, 20 t.<br />
Art. 4. Das Justiz- und Polizeidepartement<br />
wird ermächtigt, für Holztransporte Gewichtstoleranzen<br />
festzusetzen und die zur Kontrolle notwendigen<br />
Verfügungen zu treffen.<br />
Art. 5. Vorbehalten bleiben die Einschränkungen<br />
nach Art. 3 des Bundesgesetzes vom 15. März<br />
1932 über den Motorfahrzeug- und Fahrradverkehr<br />
und Art. 62, Abs. 5, der Vollziehungsverordnung<br />
dazu vom 25. November 1932.<br />
Art. 6. Diese. Vorschriften werden im Interesss<br />
der Kriegswirtschaft und zum Sammeln von Erfahrungen<br />
erlassen.<br />
Der Bundesrat wird nach der Demobflmaehung<br />
der Armee den Zeitpunkt bestimmen, an welchem<br />
dieser Beschluss ausser Kraft tritt. Zugleich wird<br />
der Bundesrat mit Rücksieht auf die Abschreibung<br />
der auf Grund dieses, Beschlusses zugelassenen<br />
Zweiachseranhänger einen Zeitpunkt festsetzen, bis<br />
zu welchem sie noch verwendet werden dürfen.<br />
Art. 7. Dieser Beschluss tritt am 1. Juni <strong>1940</strong><br />
in Kraft.<br />
Die Kantone haben die für die Durchführung<br />
notwendigen Massnahmen zu treffen.<br />
Er reisst ein Blatt aus seinem Notizheft,<br />
überlegt noch einen Augenblick, dann wirft<br />
er mit dem Bleistift ein paar Worte auf den<br />
Zettel.<br />
Er winkt dem Kondukteur:<br />
« Geben Sie das Telegramm auf. Aber erst<br />
morgen abend. Gegen sieben. ><br />
Römer legt den zehnfachen Betrag der<br />
Telegrammkosten auf den Tisch.<br />
« Ihr Zug, Monsieur !... Er kommt! Sie<br />
müssen auf die andere Seite, über die Schienen!<br />
»<br />
«Danke, ich sehe >, sagt Römer und geht<br />
gerade, um ein wenig aufrechter noch als<br />
sonst, wie immer, wenn er verärgert ist,<br />
über die Geleise und steigt in seinen Zug.<br />
Der Kondukteur aber zahlt sein boc und<br />
einen Mazagran und sagt sich, dass er noch<br />
nie für einen so grossen Herrn die Zeche<br />
gezahlt hat.<br />
Else Römer sitzt dem Betriebsingenieur<br />
auf der Terrasse der väterlichen Villa gegenüber.<br />
«Es war wirklich nett von meinem Bruder,<br />
Sie einzuladen. Hätte er längst tun sollen...<br />
Seit Haris in seinen Universitätsferien<br />
im Büro arbeitet und Mutter in der Klinik ist,<br />
ist es furchtbar still um mich herum... Meine<br />
Freundinnen sind ja noch alle verreist!...<br />
Dabei die ständige Unruhe um Mama — wird<br />
sie operiert werden müssen oder nicht? »<br />
«Können Sie nicht die Rückkehr Ihres<br />
Herrn Vaters abwarten? ><br />
« Der kommt doch erst in ein paar Wochen!<br />
»<br />
« Telegraphieren Sie ihm doch. »<br />
Karsten betrachtet während dieser Worte<br />
aufmerksam eine vollaufgeblühte, blaue Hortensie,<br />
möchte dem jungen Ding da nicht zeigen,<br />
dass Direktor Römers alljährliches geheimnisvolles<br />
Verschwinden das Tagesgespräch<br />
in der Fabrik ist.<br />
Else Römer ist rasend auf den Bruder.<br />
Warum war Hans nicht geblieben?... Er<br />
hätte das Gespräch unmerklich so gelenkt,<br />
dass das, was Karsten wusste oder ahnte,<br />
unweigerlich zur Sprache gekommen wäre.<br />
So — war die ganze Geschichte zwecklos !<br />
Aber Hans hatte gesagt:<br />
,Ach, ihr Weiber versteht das viel besser!<br />
... Ihr habt immer so kleine Plötzlichkeiten,<br />
die einen Mann aus der Fassung bringen.<br />
Glaube mir, Karsten spricht nur, wenn<br />
er aus der Fassung gebracht wird!'<br />
Else denkt: mein Gott, gib mir eine Plötzlichkeit,<br />
irgend eine Plötzlichkeit... ach, der<br />
Hans ist auch nichts anderes als ein<br />
« Dummer Junge », sagt sie laut, aus ihren<br />
Gedanken heraus.<br />
« Wie bitte? »<br />
Else lachte auf:<br />
« Ich habe nur laut gedacht». Und lacht<br />
weiter, weil sie denkt, dass das, was ihr da<br />
passiert ist, so eine Plötzlichkeit' ist...?<br />
Sie sagt beruhigend:<br />
« Anwesende ausgeschlossen!»<br />
Karsten wirkt in dieser Umgebung, dem<br />
jungen Mädchen gegenüber, wie ein grober,<br />
tapsiger Bär.<br />
«Das will ich hoffen, gnädiges Fräulein.<br />
Sonst könnte ich mich bei meinen Arbeitern<br />
nicht in Respekt setzen.»<br />
Albern, so ein junges Mädel — denkt er —<br />
aber zum Ausruhen von der Arbeit ganz<br />
nett!...<br />
«Versteht es Hans, sich in Respekt zu<br />
setzen, ähnlich wie Vater ? ><br />
Karsten lenkt ab.<br />
«Wollen wir nicht lieber was anderes<br />
reden, gnädiges Fräulein? Nicht immer von<br />
der Fabrik? »<br />
« Warum haben Sie eigentlich immer so<br />
eine komische Art, wenn Sie von Vater oder<br />
mit Vater sprechen? »<br />
< Nicht, dass ich wusste», sagte Karsten<br />
kalt<br />
Ihm wird unbehaglich zumute. Hatte man<br />
ihn herbestellt, um ihn auszuhorchen... ?<br />
Hatte der Fehling, dieser Schwachkopf, gequatscht?...<br />
Na, Gott sei Dank, morgen trat<br />
Stössel wieder an. Dann brauchte man ja<br />
seine Unterschrift nicht mehr... da konnte<br />
er in seinen Werkstätten bleiben, wo er hingehörte<br />
!<br />
< Ich glaube, Herr Karsten, Sie sind der<br />
einzige, der sich vor Vater nicht fürchtet!<br />
Sagen Sie mal, ist Hans sehr beliebt in der<br />
Fabrik ? ><br />
Karsten fühlt sich abgestossen. Er spürt<br />
genau, dass der ganze Tee — schon die in<br />
der Frühstückspause durch Hans Römer vorgebrachte<br />
plötzliche, ganz unbegründete Einladung<br />
hatte ihn verblüfft — einen Zweck<br />
hatte... sie sollten ihn gern haben, alle miteinander.<br />
— Wenn einer gestänkert hatte —<br />
ein Kerl wie er kam überall unter!...<br />
Er sieht auf die Uhr.<br />
« Es wird Zeit, gnädiges Fräulein.»<br />
« Antworten Sie doch erst: ist mein Bruder<br />
beliebt?»<br />
(Fortsetzung folgt)