Wer bin ich

mit der Geburt, ja schon bei der Befruchtung
beginnt und wahrscheinlich
mit dem Tod endet, schließlich
wissen wir ja noch nicht was nach
unserem Ableben passiert. Ein
Prozess, der nicht nur von jedem
einzelnen Individuum abhängig
ist, sondern auch von den Erkenntnissen
der anderen. Auch wenn
wir heute glauben, ich zu sein und
sicher sind, was es bedeutet, kann
es durch ein Ereignis, eine Erkenntnis
morgen etwas ganz anderes
sein. Ich sein ist eine Frisur, ein Beruf,
eine Rolle und ein Hobby aber
genauso auch ein Gefühl oder ein
Bedürfnis, ja sogar ein Verlangen.
Es ist ein Gedanke am Morgen und
ein Gedanke am Abend, eine Krankheit,
die man ausbrütetet oder ein
vitaler Zustand voller Energie. Ich
sein, ist alles und nichts. Es ist nicht
greifbar und dennoch wissen wir in
jedem Moment, zu jeder Zeit, dass
wir ICH sind. Wir sind etwas vondem
wir gar nicht wissen, was es ist.
Wir leben einen Rhythmus, von
dem wir nicht wissen, warum wir
ihn folgen und wir sind etwas, das
wir nicht in Worte fassen können.
Weil unsere Existenz schwammig
ist, ist es auch die Antwort auf die
Frage, was es bedeutet ich zu sein.
Je, nachdem aus welcher Perspektive
man diese Frage behandelt oder
in welcher Dimension man sich gerade
befindet, kann die Antwort
ein einfacher Satz aber auch eine
komplexe Fragestellung sein. Eine
Fragestellung, die mit der Zusammensetzung
der Kosmus beginnt
und mit den Milliarden an Bakterien
und Zellen endet, die den menschlichen
Körper zusammenhalten.
Für die CrazyLife-Redaktion bedeutet
Ich sein, sich fallen zu lassen,
seinen Impulsen zu folgen
und seiner Realität zu glauben. Es
heißt sich zu verstehen, im Wandel
zu bleiben, immer wieder zu lernen
und seine Existenz zu sichern, ohne
dabei andere Welten zu zerstören.
Ich zu sein ist ein Balanceakt, ein
Spagat zwischen Richtig und Falsch,
Gut oder Schlecht. Es bedeutet sich
schon am Morgen zu fragen, wo
man überhaupt hin möchte und
am Abend froh zu sein, den Tag
überhaupt bestanden zu haben. Es
bedeutet Entwicklungen zu durchstehen
ganz gleich, ob vom Kind
zum Teenie, vom Anfänger zum
Fortgeschrittenen, vom Ahnungslosen
zum Wissenden oder vom
Schüler zum Lehrer und dabei dennoch
keine Entwicklungsstufe zu
vergessen. Ich sein ist ein so facettenreiches
Prozess und eine so umfangreiche
Aufgabe, die wir sekündlich
einfach irgendwie meistern.
Ego sum, qui sum.
Ich bin, der ich bin.
Illustration: S.-L. A. Warrelmann
10 | CrazyLife
Dschuang Dsi, taoistischer Philosoph