Nachdem sie zum X-ten Mal einen Sturz über 30 Meter, manchmal auch mehr je nach Brücke, überlebt hatte, obwohl sie s<strong>ich</strong> fallen ließ, gab sie auf. „Es sollte n<strong>ich</strong>t sein. Egal was <strong>ich</strong> tat und <strong>ich</strong> tat wirkl<strong>ich</strong> alles, n<strong>ich</strong>ts funktionierte. Ich lebte weiter. Unter Schmerzen, aber <strong>ich</strong> war am Leben. Also rief <strong>ich</strong> meine Mutter an, erzählte ihr, die Situation und bat sie meinen Sohn zu s<strong>ich</strong> zu holen. Gott sei dank, tat sie das auch. Es vergingen noch ein paar Wochen, bis mein Sohn und <strong>ich</strong> wieder in Baden-Württemberg lebten, doch seither ist n<strong>ich</strong>ts mehr wie es vorher einmal gewesen war. Ich <strong>bin</strong> zwar n<strong>ich</strong>t in Berlin gestorben, also mein physischer Körper, aber einen Teil von mir, einen sehr w<strong>ich</strong>tigen Teil von mir, habe <strong>ich</strong> dort begraben.“, erzählt sie während sie dabei ins Leere starrt. Noch immer ist der Fernseher, das einzige was den Raum beleuchtet, doch die Frau mit dem zerzausten Haar ist mittlerweile in die aufrechte Position gewechselt. Sie schaut in den Spiegel, der an der Wand hängt und betrachtet s<strong>ich</strong> wie eine fremde Person. Das Blut an ihrem Unterarm ist schon getrocknet. „Nein, so möchte <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t mehr leben! So möchte <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t mehr sein! Ich hatte mir geschworen, mir nie wieder auf diese Weise zu schaden!“, sagt sie zu s<strong>ich</strong> selbst. Sie öffnet die Fenster. Kalte Nachtluft durchströmt den Raum, sodass sie das erste Mal seit Stunden wieder das Gefühl hat lebendig zu sein. bendig zu sein. Noch geschwächt räumt sie das ganze Chaos zusammen, öffnet die Wohnzimmertür und läuft in die Küche um eine Mülltüte zu holen. Mit der Mülltüte in der Hand geht sie zurück ins Foto: S.-L. A. Warrelmann Wohnzimmer und wird beim eintreten von ihrem eigenen Geruch der Verwesung eingehüllt. Sie verzieht ihr Ges<strong>ich</strong>t und hält s<strong>ich</strong> vor Ekel die Hand vor die Nase. Es dauert ein paar Stunden, bis von dem Chaos n<strong>ich</strong>ts mehr zu sehen ist und sie in die Badewanne steigen kann um auch s<strong>ich</strong> selbst rein zu waschen. Frisch gebadet und in bequemer Kleidung setzt sie s<strong>ich</strong> in das Wohnzimmer, das noch immer le<strong>ich</strong>t nach kaltem Rauch riecht aber schon einladender wirkt. Aus der Kommode holt sie s<strong>ich</strong> einen Block und einen Stift. Den Fernseher schaltet sie aus und dafür ihr Handy ein, um ihre Lieblingsmusik laufen zu lassen. Auf einem leeren Blatt notiert sie s<strong>ich</strong> ihre Ziele, Wünsche und Träume und schreibt in fetten und großen Buchstaben: „Es kann n<strong>ich</strong>t mehr so weiter gehen! Ich brauche Hilfe!“ Dies war der Tag an dem <strong>ich</strong> für m<strong>ich</strong> erkannte, dass <strong>ich</strong> nur dann glückl<strong>ich</strong> werde, wenn <strong>ich</strong> beginne m<strong>ich</strong> selbst zu lieben. Wenn <strong>ich</strong> anfange, mir selbst meine beste Freundin zu werden und endl<strong>ich</strong> mir selbst verzeihe. Dieser Tag ist nun über drei Jahre her. Alle 11 Monate regenerieren s<strong>ich</strong> die Körperzellen, bis auf Zähne und bestimmte Knochenteile. Das Ich, welches Zerstörung und Auslöschung lebte, ist heute n<strong>ich</strong>t mehr existent. Alles was noch von der Frau von vor drei, zwei oder einem Jahr übrig ist, ze<strong>ich</strong>net s<strong>ich</strong> auf meinem Unterarm ab oder ist noch in meinen Träumen real, der Rest hat s<strong>ich</strong> zu dem geformt was <strong>ich</strong> heute <strong>bin</strong>. Sahra-Latifa Anita Warrelmann, die positive Lebensfrau, die s<strong>ich</strong> selbst liebt und für ihren Sohn endl<strong>ich</strong> die Mutter sein kann, die er schon immer verdient hat. Foto: S.-L. A. Warrelmann 28 | CrazyLife
Die Zukunft wird durch die Entscheidung von heute geformt. Es ist niemals zu spät, neu anzufangen und ein neues Lebensende zu schreiben. Was ist kann verändert werden, wenn man nur fest genug daran glaubt. 29 | CrazyLife